Stenographisches Protokoll

116. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 7. Juli 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

116. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                   Donnerstag, 7. Juli 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Juli 2005: 9.04 – 21.28 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundes­asyl­senat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichs­gesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005)

2. Punkt: Bericht über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005), und Bericht über den

Antrag 540/A (E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes

4. Punkt: Bericht betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 614/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Wider­stand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlas­sen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005)


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6. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 21/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz

8. Punkt: Bericht über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 613/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarkt­aufsichts­behördengesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

12. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005)

14. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Um­satz­steuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstraf­gesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundes­gesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrie­hol­ding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungs­verwaltungs­gesell­schaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bau­sparkassengesetz geändert werden – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005

16. Punkt: Bericht über den Antrag 610/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 652/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und


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Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden

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Inhalt

Nationalrat

Gedenkminute  anlässlich der Terroranschläge in London ......................................... 77

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Ordnungsruf ................................................................................................................. 125

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 32

Fragestunde (15.)

Wirtschaft und Arbeit ................................................................................................... 12

Maximilian Walch (116/M); Mag. Brigid Weinzinger, Dietmar Keck, Herta Mikesch

Franz Riepl (119/M); Johann Ledolter, Maximilian Walch, Karl Öllinger

Carina Felzmann (114/M); Maximilian Walch, Sabine Mandak, Mag. Elisabeth Grossmann

Verkehr, Innovation und Technologie ...................................................................... 20

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (103/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Theresia Haidlmayr, Ing. Erwin Kaipel

Michaela Sburny (111/M); Franz Riepl, Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Dipl.-Ing. Elke Achleitner

Dipl.-Ing. Elke Achleitner (122/M); Dr. Gabriela Moser, Gabriele Binder, Hermann Gahr

Friedrich Verzetnitsch (107/M); Günter Kößl, Dr. Gabriela Moser

Mag. Karin Hakl (104/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Dr. Gabriela Moser, Anton Heinzl

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30


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116. Sitzung / Seite 4

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ (669/A) (E) – Zurückziehung gemäß § 26 Abs. 11 GOG .............  32, 74

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (952 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremden­ge­setz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Ver­waltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebühren­gesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungs­geldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechts­paket 2005) (1055 d.B.) ...................................................................................................................... 33

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer (1056 d.B.)                   33

Redner/Rednerinnen:

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 33

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 37

Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 40

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 45

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 48

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 51

Günter Kößl .................................................................................................................. 54

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 56

Markus Fauland ............................................................................................................ 59

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ................................................................. 62

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 64

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 65

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 67

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 68

Mag. Brigid Weinzinger ........................................................................................  70, 93

Werner Miedl ................................................................................................................. 72

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 74

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 76

Karl Freund ................................................................................................................... 77

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 78

Anton Gaál .................................................................................................................... 79

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 79

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................... 81

Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 82

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 83

Walter Murauer ............................................................................................................. 84

Otto Pendl ..................................................................................................................... 84

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 86

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 86

Erwin Hornek ................................................................................................................ 89


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116. Sitzung / Seite 5

Dr. Vincenz Liechtenstein ........................................................................................... 90

Norbert Sieber .............................................................................................................. 90

Christoph Kainz ............................................................................................................ 91

Alfred Schöls ................................................................................................................ 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen Menschenrechts­verletzun­gen im Asylverfahren – Ablehnung  87, 94

Annahme des Gesetzentwurfes in 1055 d.B. ................................................................ 93

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1055 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Schaffung eines Asylgerichtes (E 120) .......................................................................... 94

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1056 d.B. ..................................................... 95

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (973 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundes­finanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005), und über den

Antrag 540/A (E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.) ........................................................... 95

Redner/Rednerinnen:

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 95

August Wöginger ......................................................................................................... 99

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 101

Mag. Norbert Darabos ............................................................................................... 103

Bundesministerin Liese Prokop ............................................................................... 106

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 108

Günter Kößl ................................................................................................................ 110

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 111

Markus Fauland .......................................................................................................... 112

Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 113

Anton Gaál .................................................................................................................. 114

Hermann Gahr ............................................................................................................ 115

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 116

Jochen Pack ................................................................................................................ 116

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................................... 117

 

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 117

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Förderung freiwilliger sozialer Leistungen (E 121) ....................................................... 118

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Verpflegssituation von Zivildienstleistenden (E 122) .................................................... 118

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der neuen Zivildienstregelungen (E 123) .................................................. 119

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrneh­mungsbericht (III-149 d.B.) des Rechnungshofes über das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5) (1009 d.B.) ..................................................... 119


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116. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 119

Hermann Gahr ............................................................................................................ 121

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 122

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 125

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 126

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 129

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 129

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 131

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 132

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 133

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 134

Christian Faul ............................................................................................................. 135

Hermann Krist ............................................................................................................ 136

Gabriele Binder .......................................................................................................... 136

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 137

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 137

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 139

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 140

Kenntnisnahme des Berichtes ..................................................................................... 142

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 614/A der Abge­ordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Be­seitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstands­kämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005) (1024 d.B.) .................................................................................................................... 142

6. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1025 d.B.) ............................. 143

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 21/A der Abge­ordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz (1023 d.B.) .................................................................................................................... 143

8. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird (1022 d.B.) ......................................................................................... 143

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 613/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegs­gefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (1013 d.B.) ............................................ 143

Redner/Rednerinnen:

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 143

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 148


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116. Sitzung / Seite 7

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 149

Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 150

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 152

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 153

Mag. Herbert Haupt (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung)....................... 154

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 155

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 156

Karl Öllinger ................................................................................................................ 157

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 159

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 160

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 161

Ridi Steibl .................................................................................................................... 161

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 162

Marialuise Mittermüller ............................................................................................. 164

Bundesministerin Ursula Haubner .................................................................  166, 170

Dietmar Keck .............................................................................................................. 168

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 169

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 171

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 172

Karl Dobnigg ............................................................................................................... 173

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 174

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 175

Anna Franz .................................................................................................................. 175

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 176

Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 177

Michael Praßl .............................................................................................................. 177

Anna Höllerer .............................................................................................................. 178

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 179

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 179

Heidrun Walther (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 181

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1024, 1025, 1022 und 1013 d.B. ...................... 182

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1024 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend umfassende Prüfung aller bisher gesetzten Maßnahmen zur Entschädigung und Anerkennung der Leistungen und Leiden aller direkten und indirekten Opfer der NS-Zeit (E 124) ............................. 183

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1023 d.B. ................................................... 183

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (969 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1033 d.B.) .................. 184

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (983 d.B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1034 d.B.) ............................... 185

12. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1035 d.B.) ........................ 185


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116. Sitzung / Seite 8

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (984 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005) (1036 d.B.) ............................................................................................. 185

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (981 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1040 d.B.) .................................................................................................................... 185

Redner/Rednerinnen:

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 185

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 186

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 187

Josef Bucher ............................................................................................................... 188

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 188

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 189

Walter Murauer ........................................................................................................... 190

Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 190

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 195

Heinz Gradwohl .......................................................................................................... 196

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1033, 1034, 1035 und 1036 d.B. ...................... 196

Genehmigung des Staatsvertrages in 1040 d.B. ......................................................... 197

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (992 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Um­satzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Fi­nanz­­­strafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanz­ge­setz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Öster­reichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Tele­kom­be­teiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundes­gesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundes­schul­den (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert wer­den – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 (1037 d.B.) ...................................................................... 197

Redner/Rednerinnen:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 198

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 199

Josef Bucher ............................................................................................................... 201

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 202

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .............................................................. 203

Jakob Auer .................................................................................................................. 207

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 208

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 209

Doris Bures ................................................................................................................. 209

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 211

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 211

Dr. Michael Spindelegger .......................................................................................... 213

Kurt Eder ..................................................................................................................... 213

Franz Eßl ..................................................................................................................... 214

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 214

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 216

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 217


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116. Sitzung / Seite 9

Rainer Wimmer .......................................................................................................... 221

Franz Glaser ................................................................................................................ 222

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 223

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 223

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 224

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 610/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinan­zie­rungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (1041 d.B.) .................... 227

17. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 611/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungs­gesetz 1981 geändert wird (1042 d.B.) .......................................... 227

Redner/Rednerinnen:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 227

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 228

Josef Bucher ............................................................................................................... 228

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 229

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 231

Jakob Auer .................................................................................................................. 231

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 232

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 232

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1041 und 1042 d.B. ..................................... 233

18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 652/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebüh­rengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteue­rungs­änderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (1043 d.B.) ....................................................................................................... 234

Redner/Rednerinnen:

Josef Bucher ............................................................................................................... 234

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 239

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 242

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten – Ablehnung ................................................  240, 242

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 242

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 30

Petition betreffend „Für eine freie Wahl des Vornamens“ (Ordnungsnummer 67) (überreicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek)


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Bürgerinitiative ............................................................................................................ 30

Bürgerinitiative betreffend „Ein Import- und Handelsverbot von Hunde- und Katzenfellen und von Hunde- und Katzenleder sowie von daraus hergestellten Produkten“ (Ordnungsnummer 27)

Anträge der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ (669/A) (E)

Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (670/A)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der betrieblichen Jugendvertretung (671/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung – StVO geändert wird (672/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Effektiven Jahreszinssatz auch bei Leasingverträgen (Verbraucherkreditverordnung)“ (673/A) (E)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (674/A)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschränkung der Kautionen (675/A) (E)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ [(669/A) (E)] [(Zu 669/A) (E)]

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend nordafrikanische Drogendealer in Innsbruck (3255/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Förderungen (3256/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Zahlen und Fakten zum Härtefonds für mit Hepatitis-C infizierten Personen (3257/J)

Rosemarie Schönpass, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Grundstücksverkauf durch die ASFINAG in Oberösterreich (3258/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Vorwürfe gegen Uwe Scheuch (3259/J)

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Leistungen und Förderungen für das Bundesland Wien in den Bereichen Infrastruktur, Verkehr und Forschung (3260/J)


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Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kooperation zwischen B.M.I. und privaten Werkstätten (3261/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Moderne Sklavenarbeit“ der Firma S.S.U. Montage und Demontage GmbH. (3262/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Moderne Sklavenarbeit“ der Firma S.S.U. Montage und Demontage GmbH. (3263/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2948/AB zu 2984/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2949/AB zu 2987/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (2950/AB zu 3007/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2951/AB zu 3055/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2952/AB zu 3069/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2953/AB zu 3073/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2954/AB zu 2981/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2955/AB zu 2982/J)

 


09.04.08


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Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 116. Sitzung des Nationalrates. Ich darf die Damen und Herren sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dr. Einem, Mag. Kuntzl, Mag. Muttonen, Mag. Posch, Rossmann, Wittauer und Mag. Trunk. (Abg. Scheibner: Das ist eine Grippewelle! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

09.04.42 Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun, um 9.04 Uhr, zur Fragestunde.

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Ich wünsche einen schönen guten Morgen.

Die österreichische Bundesregierung unternimmt alles, um die Arbeitslosenzahlen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, Sie haben schriftlich eine Frage formuliert, und genau diese lesen Sie jetzt vor. Keine einleitenden Erklärungen et cetera. Diese Frage – und keine andere! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das haben wir aber schon immer dürfen!)

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister!

116/M

„Wie schneidet Österreich im internationalen Vergleich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ab?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler! (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Herr Bundesminister, bitte!

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Walch! Auch meiner­seits einen guten Morgen!

Österreichs Mitteleinsatz für aktive Arbeitsmarktpolitik kann sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Wir liegen im guten Mittelfeld. Wenn wir uns Ver­gleichsdaten ansehen, die von der OECD herausgegeben worden sind, so liegt Öster­reich auf Basis des Jahres 2002 mit 0,53 Prozent an der 13. Stelle von 27 unter­suchten Ländern.

Herr Abgeordneter, wenn man aber die Vergleichszahlen auf die Arbeitslosigkeit im jeweiligen Land bezieht, so liegen wir auf Grund unserer relativ niedrigen Arbeits-


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116. Sitzung / Seite 13

losenrate durchaus besser. Da liegen wir unter den 27 untersuchten OECD-Ländern an 11. Stelle.

Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass ein Mehr an Ausgaben offensichtlich keinen direkten sichtbaren Zusammenhang mit einer besseren Performance des Arbeitsmark­tes hat. Wir liegen – mit Ausnahme der Schweiz und Norwegens – vor allen anderen Ländern, was Arbeitslosigkeit anlangt, sind aber nicht jenes Land, das am drittmeisten, bezogen auf sein BIP, dafür ausgibt. Das heißt: Mehr Geld alleine macht es offen­sichtlich ganz sicherlich nicht.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Wie effizient wird Arbeitsmarktpolitik in Verbindung mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln über das Arbeits­markt­service Österreich umgesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Auch dazu, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ein internationaler Vergleich, der vom AMS im Rahmen eines Benchmarking-Prozesses angestellt wurde: Dabei schneidet Österreichs AMS ganz ausgezeichnet ab. Ich darf darauf hinweisen, dass auch eine etwas länger zurück­liegende Studie der EU-Kommission über die Bedeutung der Arbeitsvermittlung in acht Ländern, nämlich in Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden, Großbritannien und in den Niederlanden, ebensolche Hinweise liefert.

Ich nenne Ihnen einige Zahlen aus dieser Studie der EU-Kommission. Damaliger Stand war: Österreich gibt mit 36 US-Dollar pro Einwohner gemeinsam mit Dänemark am wenigsten für die reinen Verwaltungsaufgaben aus. Die Niederlande geben dazu vergleichsweise 81 US-Dollar aus, Schweden gibt 85 US-Dollar aus. Wir zählen gemeinsam mit den Niederlanden und Finnland zu den Ländern mit dem höchsten Arbeitskräftepotential pro MitarbeiterIn des AMS.

Zusammenfassend meine ich, dass Österreichs AMS im internationalen Vergleich bewiesen hat, das es zu den besten und effizientesten gehört.

Der „Spiegel“ hat beispielsweise bei seiner jüngsten Kritik an den deutschen Arbeits­marktservicestellen Österreich, Großbritannien und Dänemark als positive Beispiele hervorgehoben.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Der letzte Woche angesichts der dramatisch steigenden Frauenarbeitslosigkeit einberufene Beschäftigungsgipfel für Frauen hat ja außer dem bekannten Berufsorientierungskurs und einer Umschichtung von einem Projekt in ein anderes, zu „Frauen und Technik“, nichts gebracht.

Meine Frage lautet daher: Welche konkreten Maßnahmen der aktiven Arbeits­markt­politik planen Sie gegen Frauenarbeitslosigkeit anzuregen oder durchzuführen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Der in der Vorwoche durchgeführte Round Table auf Einladung der Frau Frauenministerin hat aus meiner Sicht recht gute Ergebnisse gebracht, unter anderem das auch von mir eingebrachte Projekt mit einem Volumen von 15 Millionen € für drei Jahre, um mehr Frauen in Technikberufe zu bringen. (Abg. Mag. Weinzinger: Das ist reine Umschichtung!)


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Das ist nicht nur reine Umschichtung, wie Sie das beschreiben. Aber lassen Sie mich schon Folgendes sagen: Es ist wichtig, auch vor dem Hohen Hause festzustellen, dass die Frauenarbeitslosigkeit in Österreich niedriger ist als die Männerarbeitslosigkeit. Der Anstieg ist zwar im Moment etwas höher, das ist richtig, aber in gesamten Prozent­zahlen ist die Frauenarbeitslosigkeit in diesem Lande niedriger als die Männer­arbeits­losigkeit.

Und lassen Sie mich eine zweite Feststellung treffen: Das AMS gibt für Frauen deutlich mehr aus als für Männer. Sie können das hier verneinen, die Zahlen sind aber auf meiner Seite, sehr geehrte Frau Abgeordnete; das AMS hat das vielfach bestätigt. Es wird für Frauen und deren Integration in den und Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt relativ deutlich mehr ausgegeben als für Männer. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Minister, wir belegen den viertschlechtesten Rang der EU-15 bei der finanziellen Mittelbereitstellung bezüglich Arbeitslosigkeit. Während die Niederlande 0,69 Prozent des BIP je Prozent standardisierter Arbeits­losenrate zur Verfügung stellen, sind es in Österreich nur 0,13 Prozent des BIP.

Meine Frage lautet daher: Herr Minister, wieso unternehmen Sie nichts dagegen, um den viertschlechtesten Rang, wie vorher ausgeführt, durch mehr finanzielle Mittel­bereitstellung zu verbessern und damit die Arbeitslosigkeit stärker zu bekämpfen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Beantwortung der ersten Frage hat Ihnen ja meine Position schon dargelegt, nämlich dass wir nach OECD-Untersuchungen in diesem Bereich im guten Mittelfeld liegen – ich darf das noch einmal wiederholen –, was Arbeits­markt­mittel in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt anlangt. Abgesehen davon kann ich Ihnen sagen, dass wir die Mittel für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik seit Über­nahme der Regierungsverantwortung durch Herrn Bundeskanzler Schüssel und durch mich als Arbeitsminister mehr als verdoppelt haben. Das heißt: Wir sind auf dem richtigen Weg.

Und noch einmal: Geld alleine macht es nicht. Es geht auch um Effizienz und um Qualität. Und die stimmt bei unserer Arbeitsmarktpolitik, die stimmt bei der Tätigkeit unseres AMS. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Fragenkomplex formuliert Frau Abgeordnete Mikesch. – Bitte.

 


Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie hat sich der Mittel­einsatz für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik in den vergangenen Jahren entwickelt? Wird das Niveau auch in den kommenden Jahren gehalten werden kön­nen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Zum Zweiten, sehr geehrte Frau Abgeordnete: Ich gehe davon aus, dass wir das Niveau halten wer­den können. Zum Ersten: Ich darf das, was ich gerade gesagt habe, auch noch quantifizieren. Seit 1999 haben die Aufwendungen für aktive und aktivierende Arbeits­marktpolitik von damals 762 Millionen € eine Steigerung auf 1 Milliarde 540 Millionen € erfahren, also ziemlich präzise eine Verdoppelung. Das sind Höchststände! Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt wird voraussichtlich 0,63 Prozent betragen, 1999 betrug er


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116. Sitzung / Seite 15

gerade einmal 0,39 Prozent. – Wohlgemerkt: Das war, bevor wir Regierungs­ver­antwortung übernommen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der erste Fragenkomplex erledigt.

Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister!

119/M

„Welche Position vertraten Sie hinsichtlich der Änderungen der Arbeitszeitrichtlinie beim Rat der Arbeitsminister am 2. Juni in Luxemburg?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Riepl! Gemeinsam mit den Vertretern Deutschlands, Groß­britan­niens, Polens, von baltischen Ländern, der Slowakei und jüngst auch Italiens und Maltas haben wir die Position vertreten, dass uns die neuen Vorschläge der Kom­mission nicht wirklich zufrieden stellen – die neuen Vorschläge der Kommission jetzt auf Basis der ersten Lesung des Parlaments. Wir gehen davon aus, dass insbesondere das Problem der EuGH-Urteile zu den Fällen SIMAP und Jaeger, nämlich Bewertung der Bereitschaftsdienste, so nicht gelöst werden kann. Wir sehen hier mögliche schwerwiegende Probleme für unser Gesundheitswesen und dessen Finanzierung, insbesondere im Krankenhausbereich.

Unser Ziel war und ist es, auf europäischer Ebene eine Arbeitszeitrichtlinie zu bekom­men, die die Beibehaltung des Status quo vor allem in Sachen Krankenanstalten­arbeitszeiten in Österreich ermöglicht. Ich gehe davon aus, dass das im Einvernehmen mit den Ländern, aber auch mit den Berufsvertretungen, insbesondere der Ärzteschaft, so geschieht.

Zum Zweiten sind wir gemeinsam mit vielen europäischen Partnern – noch einmal: vor allem mit Deutschland und Großbritannien – der Meinung, dass es in Zukunft auf gesetzlicher Basis möglich sein soll, einen Durchrechnungszeitraum für die Höchst­arbeitszeiten, sehr geehrter Herr Abgeordneter, von zwölf Monaten zu erreichen. Das Mehr an Pflichten, das die Kommission jetzt auferlegen will, vertreten wir nicht.

Und zum Dritten sind wir der Meinung, obwohl wir davon nicht Gebrauch machen wollen, dass das bisher schon bestehende Opt-out auch in Zukunft ein Mittel sein sollte. Wie gesagt, wir wollen davon nicht Gebrauch machen, wir machen derzeit auch nicht Gebrauch davon, aber sollte uns die dann letztlich zu verabschiedende Arbeits­zeitrichtlinie in Sachen Krankenanstalten und Bewertung der Bereitschaftszeiten Prob­leme machen, so müssen wir uns dieses Opt-out als letzte Möglichkeit gewissermaßen vorbehalten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Bundesminister! Jeder weiß, dass eine Flexi­bilisierung der Arbeitszeit auch zu weniger Einkommen führen kann, wenn beispiels­weise Überstundenzuschläge wegfallen. Sind Sie, um Einkommensverluste zu ver­hindern, auch dafür, den Kollektivverträgen bei der Arbeitszeitgestaltung absoluten Vorrang einzuräumen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Um hier Miss­verständnisse im Hohen Haus und vor allem auch bei den Zusehern der Fragestunde


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zu vermeiden: Ihre erste Frage hat sich auf die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union, auf Höchstarbeitszeiten bezogen. Da geht es um Fragen der Arbeitssicherheit und der Belastbarkeit von Arbeitnehmern.

Ihre zweite Frage bezieht sich jetzt auf die Frage der Abgeltung von Arbeitszeit und Überstunden. Da habe ich ja bereits mehrfach festgestellt, dass das nicht primär meine Aufgabe, sondern jene der Sozialpartner ist. Sie selbst sind ja ein Vertreter der Sozial­partnerschaft. Was und wie viel an Überstundenzuschlägen im Zuge der Flexibilisie­rung der Arbeitszeit zu bezahlen ist, das wird zurzeit von den Präsidenten Verzetnitsch und Leitl verhandelt. Sie haben es übernommen, da einen Prozess der Sozialpartner einzubegleiten, an dessen Ende ein Mehr an Flexibilität der Arbeitszeit stehen soll.

Das, was ich politisch sage, ist, dass Arbeitszeitflexibilisierung aus meiner Sicht kein Mittel sein sollte, um Überstunden wegzubekommen oder deren Bezahlung zu redu­zieren, sondern es geht mir um ein Mehr an Arbeitszeitflexibilität, aber nicht um eine Reduzierung von Einkommen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 


Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Da ich um Ihren ständigen Einsatz im Inter­esse der Arbeitsplätze weiß, Herr Bundesminister, hätte ich gerne von Ihnen gewusst, warum Sie sich für eine ganzjährige Durchrechnung der 48-Stunden-Grenze der Höchstarbeitszeit in der Woche ohne gesonderte Zulassung zu kollektivvertraglichen Verhandlungen aussprechen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der jüngst veränderte Kommissionsvorschlag nach der ersten Lesung des Parlaments sieht zwar formell eine ganzjährige Durchrechnung, sowohl durch Gesetz als auch durch Kollektivvertrag, vor, allerdings sagt die Kommission, dass der Arbeitgeber im Rahmen einer gesetzlichen Lösung eine Reihe von Ver­pflichtungen hätte. Und diese Verpflichtungen halte ich in der Tat für überzogen.

Ich meine, es geht hier um ein vernünftiges Maß an Subsidiarität, nämlich zuerst das Gesetz und dann den Kollektivvertrag, und nicht etwa umgekehrt. Die Kommission schlägt zurzeit etwa vor: Kollektivvertrag – aber wenn es durch Gesetz gemacht wird, dann braucht es ein Mehr an Pflichten. – Das ist gewissermaßen umgekehrte Subsidi­arität und findet nicht die Zustimmung Österreichs, aber auch nicht Deutschlands und Großbritanniens.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Warum sprechen Sie sich gegen die von Kommission und Rat vorgeschlagene Bewertung der Bereitschaftszeiten aus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Deswegen, weil wir uns nicht sicher sind, wie der Europäische Gerichtshof darauf reagieren würde und ob er nicht seine Rechtsprechung in Sachen SIMAP und Jaeger aufrechterhalten würde. Diese Rechtssicherheit erscheint uns, wie gesagt, auf Basis des jetzigen Kommissionsvorschlages nicht gegeben.

Um dem Hohen Haus eine Vorstellung dessen zu geben, was denn die Erfüllung dieser Urteile in Österreich bedeuten würde, halte ich fest: Wir schätzen, dass es um einige


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tausend Arztstellen in Österreichs Krankenanstalten ginge und um Mehrkosten von einigen Hundert Millionen für die Krankenhausträger. Das sind im Regelfall die Länder, zum Teil auch die Gemeinden. Das ist etwas, was für unser Gesundheitswesen nicht wirklich gangbar und nicht wirklich finanzierbar wäre. Ganz abgesehen davon – ich wiederhole das –, dass mit dem derzeit geltenden Status quo in Sachen Ärzte­arbeitszeiten, gerade auch in Krankenanstalten – diese Regelung ist ja noch nicht so alt –, alle Beteiligten zufrieden sind und auch die Vertreter der Ärzteschaft, auch des ÖGB dies in dieser Beziehung mittragen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Österreich hat im inter­nationalen beziehungsweise europäischen Vergleich überdurchschnittlich lange Arbeits­zeiten und ein relativ flexibles Arbeitszeitregime. Warum, Herr Bundesminister, sprechen Sie sich entgegen dem Beschluss des Europäischen Parlaments für noch längere Arbeitszeiten aus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Ich weiß nicht, sehr geehrter Herr Abgeordneter, woher Sie Ihre Interpretation meiner Position nehmen. Ich habe mich nicht für eine Verlängerung von Arbeitszeiten ausgesprochen, weder hier im Hohen Haus noch sonst wo. (Abg. Öllinger: Oja!) Ganz abgesehen davon ist es auch nicht richtig, dass Österreich im internationalen Vergleich besonders lange Arbeitszeiten hätte. Es gibt Studien, wonach Österreich im Schnitt ... (Ein Mit­arbeiter von Vizekanzler Gorbach steht – hinter Bundesminister Dr. Bartenstein – an der Regierungsbank.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Kann man den Herrn Minister ungestört seine Frage beantworten lassen? – Mitarbeiter haben eigentlich auf der Regierungsbank nichts verloren. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein (fortsetzend): Wir waren bei der Länge der Arbeitszeiten. Jüngste Studien sagen, dass in Österreich etwa 10 Prozent länger gearbeitet wird als in Deutschland. Wahrscheinlich ist das mit ein Grund, warum es uns ein Stück besser geht.

Wenn Sie aber nach Japan, in die USA oder woandershin schauen, so werden Sie sehen, dass es dort Jahresarbeitszeiten von 1 800 bis 2 000 Stunden gibt. Wie gesagt: Wir sind fleißige Leute, wir arbeiten viel, aber es gibt andere, die arbeiten auf Jahresbasis gesehen noch deutlich mehr als wir Österreicher.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der zweite Fragenkomplex beantwortet. Ich freue mich, dass das in 15 Minuten gelungen ist, dass kurze Antworten gegeben und kurze Fragen gestellt wurden.

Den nächsten Fragenkomplex leitet Frau Abgeordnete Felzmann ein. – Bitte.

 


Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:

114/M

„Welche Schwerpunkte hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit für Jugendbeschäftigung gesetzt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Der Herr Präsident hat mir ein Zeichen gegeben, ich möge mich noch kürzer fassen, damit der Herr Vizekanzler dann auch gleich zur Beantwortung seiner Fragen kommt. Daher zähle ich gewissermaßen im Stakkato eine Fülle von Maßnahmen auf.

Sie kennen das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Lehrlingsauffangnetz, das es seit einigen Jahren gibt und geben muss, weil das Angebot an Lehrstellen zurzeit und in den nächsten Jahren nicht ganz ausreicht: 7 800 Plätze sind es zurzeit. Wir werden das weiter ausweiten.

Auf Basis der Initiativen des Regierungsbeauftragten Blum werden die über­betrieb­lichen Ausbildungsplätze weiter ausgeweitet. Zurzeit gibt es 500 Plätze, ab Herbst wird es bis zu 1 000 Plätze geben. Das „Projekt 06“ des Kollegen und Kommerzialrates Blum kennen Sie vielleicht. Es ist mittlerweile im AMS beschlossen. Für jede zusätzlich offerierte Lehrstelle in den nächsten Jahren stehen im ersten Jahr 400 € pro Monat, im zweiten Lehrjahr 200 € pro Monat und im dritten Lehrjahr 100 € pro Monat bereit, die dem Dienstgeber an zusätzlicher Hilfe zu bezahlen sind, um Lehrstellen zu schaffen.

Wir modernisieren Lehrberufe. Sehr erfolgreich haben die von der Wirtschaftskammer vorgeschlagenen Lehrstellenbetreuer ihre Tätigkeit begonnen. Die integrative Berufs­ausbildung, ein Vier-Parteien-Werk auch des Hohen Hauses, der Sozialpartnerschaft, hat gut begonnen. Mehr als 1 300 weniger begabte junge Menschen, auch Menschen mit Behinderungen, sind in solchen Lehrverhältnissen.

Neue Praktikerberufe werden eingeführt, und gerade gestern hat das Hohe Haus die Lehrlingsausbildungsprämie von 1 000 € pro Jahr und Lehrling verlängert. Es gibt also eine Fülle von Maßnahmen. Ich könnte noch einige mehr aufzählen, aber die Zeit verbietet es mir. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Dafür darf aber Frau Abgeordnete Felzmann eine Zusatzfrage stellen. – Bitte.

 


Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Wir bleiben noch beim Thema Ausbildung. Die Arbeitszeitmodelle verändern sich: Wir werden länger arbeiten, wir leben ja Gott sei Dank auch länger. Die Frage ist: Was hat die Bundesregierung unternommen, um Unternehmerinnen und Unternehmer auch finanziell anzuregen, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten zu investieren?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir waren auch in diesem Bereich besonders kreativ und haben – das ist vor allem die Tätigkeit des Herrn Finanzministers gewesen – einen Bil­dungsfreibetrag von 20 Prozent in Verbindung mit einer Bildungsprämie von 6 Prozent eingeführt.

Was heißt das für entsprechende Bildungsaufwendungen? – Entweder kann das Unternehmen einen steuerlichen Freibetrag von 20 Prozent des eingesetzten Geldes in Anspruch nehmen oder, sollte der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin Verluste schreiben und das steuerlich nicht verwerten können, eine Bildungsprämie vom Herrn Finanzminister direkt bekommen. Ob er sie persönlich vorbeibringen würde, weiß ich nicht, aber es ist jedenfalls eine direkte Prämie.

Was wichtig ist: Wir haben das jetzt auch für innerbetriebliche Bildungsaufwendungen eingeführt; begonnen wurde mit außerbetrieblichen, jetzt gilt das auch für inner­betriebliche Bildungsaufwendungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche Bemü­hungen hat die Bundesregierung unternommen, um die Ausbildung von Lehrlingen im Bundesbereich zu intensivieren? (Eine Frau auf der Zuschauergalerie ruft: Jetzt spreche ich! – Sie versucht, die Brüstung zu übersteigen, wirft Zettel von der Galerie und wird von Bediensteten der Parlamentsdirektion weggebracht.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Ihnen vielleicht noch in Erinnerung, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden eine Initiative gestartet hat, um insgesamt 1 800 zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen: im Bundes­bereich 800 zusätzliche Lehrstellen, in den Ländern und Gemeinden je 500 zusätzliche Lehrstellen. Das macht gemeinsam 1 800 Lehrstellen. Das ist schon etwas! Wir haben rund 35 000, 36 000 Lehrstellen im ersten Lehrjahr. 1 800 Lehrstellen zusätzlich ist schon sehr bemerkenswert!

Zum Zweiten darf ich darauf aufmerksam machen, dass der Herr Verkehrsminister und ich uns dieser Tage gemeinsam mit dem Vorstand der ÖBB darauf verständigt haben, dass selbstverständlich auch in Zukunft Lehrlinge nicht nur bei den ÖBB ausgebildet werden, sondern dass dies auch deutlich über den eigenen Bedarf hinausgehen wird.

Ich glaube, Herr Verkehrsminister, 68 Lehrlinge sind als Neuaufnahme für den eigent­lichen ÖBB-Bedarf vorgesehen. Insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden es 440 Lehrlinge sein! 440 Lehrlinge werden die ÖBB – bei einem Eigenbedarf von 68 Lehrlingen – neu aufnehmen. Wir werden diesbezüglich finanziell zusam­men­stehen: das Verkehrsressort, die ÖBB und das AMS. Auch das ist – so denke ich – ein gutes Zeichen für die jungen Menschen in diesem Lande. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.

 


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Minister! Wir haben bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 19 und 24 Jahren erschreckend hohe Arbeits­losenzahlen und auch eine erschreckend hohe Zunahme der Arbeitslosigkeit. Das sind Jugendliche, die die Ausbildung bereits abgeschlossen haben und trotzdem keinen Arbeitsplatz finden. Welche Programme gibt es von Ihrer Seite her für diese Altersgruppe beziehungsweise Zielgruppe?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Zu Ihrer Inter­pretation des „erschreckend hoch“: Man sollte dem Hohen Haus und den Zusehern schon sagen, dass Österreich in Sachen Jugendarbeitslosigkeit zu den Ländern mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit Europas gehört. Das gilt für alle Altersgruppen, auch für die von 19 bis 24 Jahren. Die Zunahme ist da. Das ist absolut nicht erfreulich, da haben Sie Recht!

Wir unternehmen diesbezüglich zum Beispiel im Rahmen des Programms „Jobs4Youth“ viel, um vor allem Abschlüsse nachzuholen. Arbeitslosigkeit ist in hohem Maße eine Frage der Qualifikation. Leider zeigt sich: Je geringer die Qua­lifikation ist, desto größer ist das Risiko, in Arbeitslosigkeit zu geraten. Ohne Pflicht­schulabschluss schaut es ganz schlecht aus, nur mit Pflichtschulabschluss ist es auch nicht gerade rosig, und dann wird es immer besser. Das heißt: Das Nachholen von


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116. Sitzung / Seite 20

Abschlüssen im Rahmen von „Jobs4Youth“ steht hier völlig im Vordergrund. (Abg. Mandak: Das sind Leute, die einen Abschluss haben!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage hiezu formuliert Frau Abge­ordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Bundesminister! Die exor­bitant hohe Jugendarbeitslosigkeit in Österreich beweist, dass die bisher gesetzten Maßnahmen ihr Ziel bei weitem nicht erreicht haben. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist weiter zurückgegangen, deshalb muss ich an Sie schon die Frage richten, warum Sie nicht endlich dem Rat vieler Expertinnen und Experten folgen und endlich einen fairen Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben einführen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Jugendarbeitslosigkeit ist unerfreulich, aber nicht exorbitant hoch, sondern sie gehört zu den niedrigsten in ganz Europa! Zum Zweiten: Die Arbeits­bereitschaft der Betriebe ist nicht zurückgegangen, sondern gerade im letzten Jahr ist erstmals wieder die Zahl der Lehrverträge im ersten Lehrjahr um etwa 1 Prozent und etliche Zehntelprozent angestiegen.

Wir sind mit der Sozialpartnerschaft in gutem Konsens, die richtigen Maßnahmen zu setzen. Ich habe die Fülle von Maßnahmen schon gegenüber der Frau Abgeordneten Felzmann angeführt. Aus zeitlichen Gründen möchte ich das jetzt nicht wiederholen.

Klar ist aber, dass wir in diesem Bereich deutlich mehr Mittel einsetzen und mehr Aktivität setzen als früher. Wir müssen das auch tun, weil wir wissen, dass in den nächsten Jahren geburtenstarke Jahrgänge nachdrängen und auf der anderen Seite die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes gerade für Lehrstellensuchende nicht deutlich steigen wird. Das wissen wir.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Danke vielmals, Herr Bundesminister. Damit haben Sie die drei noch von der letzten Fragestunde übrig gebliebenen Anfragen beantwortet.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf der Fragen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Die erste Frage formuliert Herr Abgeordneter Mag. Regler. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Vizekanzler, meine Frage:

103/M

„Welche Maßnahmen haben Sie für eine Qualitätssteigerung – und damit auch Nachfragesteigerung – für den öffentlichen Nahverkehr geplant?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Regler! Im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge zwischen dem BMVIT und den ÖBB werden den ÖBB im Jahre 2005 etwa 23 Millionen € für qualitäts­steigernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Das sind etwa behindertengerechte


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116. Sitzung / Seite 21

Ausstattung, Klimaanlagen – die dann hoffentlich auch funktionieren –, Mehrzweck­abteile und im Rahmen der so genannten Bestellerförderung weitere 10 bis 12 Mil­lionen €.

Das heißt, wir setzen eine Vorgabe in Form von Mindestqualitätskriterien und animie­ren dadurch, die Qualität zu steigern. Ziel ist ein qualitätsbezogenes Monitoringsystem, das wir fortführen werden, um die Qualität der Leistungen im öffentlichen Nahverkehr zu erhöhen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Vizekanzler! Vor allem bei den Diskussionen über den Budgetvoranschlag wird von der Opposition immer wieder bemängelt, dass der Bund den öffentlichen Personennahverkehr zu wenig fördere, der ja eigentlich vor allem Aufgabe der Länder und Gemeinden ist. Daher meine Frage: Wie gestaltet sich die Entwicklung bei den Förderungen für den öffent­lichen Personennahverkehr durch den Bund?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Vorweg gesagt, Herr Abgeordneter: Sie gestaltet sich positiv, da ich sagen kann, dass die Förderung steigend ist. Im Jahr 2000 waren es 968 Millionen € an Förderung, im Jahr 2001 waren es 1,02 Milliarden €, im folgenden Jahr 1,05 Milliar­den €, dann wieder 1,05 Milliarden €, dann 1,08 Milliarden €, und im Planwert für das Jahr 2005 haben wir eine Budgetposition von 1,09 Milliarden €.

Das heißt, die Förderungen für den öffentlichen Personennahverkehr wurden nicht gekürzt, allerdings musste auf Grund der großen Anzahl der Bestellung neuer Verkehre die Förderung ab 1. Jänner 2005 von 50 Prozent auf 33 Prozent zurück­genommen werden, um die große Anzahl der geförderten Projekte beibehalten zu können. In Summe – das haben Sie jetzt gehört – erhöht sich die Förderung von Seiten des Bundes.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Haben Sie konkrete Maßnahmen beziehungsweise Anreize gesetzt, um den Komfort für die Fahrgäste, die die Österreichischen Bundesbahnen verwenden, zu erhöhen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Natürlich gehört es zum permanenten Ziel, die öffentlichen Verkehre attraktiver zu gestalten, und ich habe schon gesagt, dass wir Anreize zu Qualitätssteigerungen, wie etwa den Qualitätsbonus, durch entsprechende Vorgaben in den Förderbedingungen schaffen.

Die 23 Millionen €, die ich erwähnt habe, sind solche Anreize, die nur dann ausbezahlt werden, wenn Qualitätsmerkmale aufgewiesen werden, wie selektive Türsteuerungen, Türraumüberwachung, Außenbeschallungsanlagen, Zugfunk, Mehrzweckabteile primär für Rollstuhl- und Kinderwagen-, Fahrrad- und Wintersportgerätemitnahme, ebener Einstieg, breite Türen oder der Betrieb von Temperaturabsenkanlagen, um nur einige Beispiele zu nennen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 



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116. Sitzung / Seite 22

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister, Sie haben gesagt, 23 Mil­lionen € wird es geben, um die Qualität bei den ÖBB ganz konkret zu verbessern. Meine Frage ist: Wie viel davon fließt in den Bereich der Barrierefreiheit des öffentlichen Verkehrs, insbesondere im Bereich der ÖBB?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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116. Sitzung / Seite 23

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Exakt kann ich Ihnen das nicht beziffern. Barrierefreiheit spielt aber, wie Sie auf Grund mehrerer Gespräche mit mir und meinen Beamten wissen, eine sehr wichtige Rolle. Die Qualitätssteigerung ist für mich auch erst dann gegeben – wie ich erwähnt habe –, wenn die Anzahl der barrierefreien Zugänge erhöht wird.

Wir werden es nicht bis zu einer Abdeckung von 100 Prozent schaffen, aber Ziel muss es sein, dass zumindest in allen wichtigen Zügen, in allen wichtigen Garnituren und Verbindungen Barrierefreiheit gegeben ist, sodass auch Behinderte, die den öffentlichen Verkehr benutzen wollen, die Möglichkeit haben, den öffentlichen Verkehr auch wirklich zu nutzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Vizekanzler! Die Bahntarife wurden seit dem Jahr 2000 sechs Mal erhöht. Wie haben sich im Lichte dieser Tatsache die Fahr­gastzahlen der burgenländischen Pendlerinnen und Pendler entwickelt? (Abg. Scheibner: Nach Altersstufen gegliedert, bitte! – Heiterkeit der Abg. Lentsch.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte!

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Die Fahrgastzahlen der burgenländischen Pendlerinnen und Pendler habe ich jetzt natürlich nicht parat und auch nicht im Kopf. Aber natürlich: Das Anliegen, mehr auf öffentliche Verkehre aufmerksam zu machen und diese zu attraktivieren, hat ja nichts anderes zum Zweck, als auch mehr Pendler auf den öffentlichen Verkehr zu bringen und damit Individualverkehr einzusparen oder zu reduzieren.

Ich bin gerne bereit, Ihnen, wenn Sie das Thema interessiert, entweder in einem Gespräch mit meinem zuständigen Fachbeamten oder aber schriftlich genaues Zahlen­material zur Verfügung zu stellen.

Ich darf abschließend feststellen, dass ich selbst einmal einen Pendlerzug besucht habe, um auch die Wünsche und Anregungen der Pendlerinnen und Pendler per­sönlich entgegenzunehmen. Das Attraktivieren gerade für diese Gruppe Berufstätiger, gerade im Burgenland, wo die sonstigen Verbindungen nicht so optimal sind, ist mir ein großes Anliegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zum zweiten Fragenkomplex an Sie, Herr Vizekanzler. Die Frage formuliert Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

111/M

„Wie wollen Sie sicherstellen, dass der mit der Erstellung von Positionspapieren zum Thema Innovation in Vorbereitung der österreichischen EU-Präsidentschaft befasste Mitarbeiter Andreas Zacharasiewicz seine fragwürdigen privaten Ansichten nicht doch einbringt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Das Produzieren von Stellungnahmen, Positionspapieren, Weisungen et cetera im Rahmen der Vorbereitung, aber auch der Durchführung und Aufarbeitung der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im Jahr 2006 erfolgt laufend und findet in einem Koordinierungsprozess auf mehreren Ebenen statt.

Der von Ihnen angesprochene Mitarbeiter wirkt dabei lediglich unterstützend, nicht eigenverantwortlich. Und im Übrigen darf ich Sie auf meine Beantwortung Ihrer schriftlichen parlamentarischen Anfrage vom 14. April 2005 verweisen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Zacharasiewicz beschreibt in seinem veröffentlichten Beitrag in einer Zeitschrift des Rings Freiheitlicher Jugend Europa wörtlich als Wiege der Weißen, und er bedauert, dass das Ziel, die ethnische Identität des eigenen Volkes zu bewahren, durch mehrere Tendenzen erschwert werde, wie zum Beispiel den Kulturverlust durch „Primitivkultur“ aus den USA. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine Frage: Halten Sie die Weiterbeschäftigung von Herrn Zacharasiewicz ange­sichts seiner öffentlichen Aussagen für die Vorbereitung der EU-Ratspräsidentschaft weiterhin für tragbar?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Es ist nicht die Aufgabe des Vizekanzlers oder Verkehrs- und Infra­struktur­ministers, privat getätigte Aussagen (Abg. Brosz: Das ist ein Mitarbeiter Ihres Büros!), mündlich oder schriftlich, von Mitarbeitern zu kommentieren und zu bewerten. (Abg. Öllinger: Den haben Sie ausgesucht! – Abg. Brosz: Würden Sie Herrn Gudenus auch beschäftigen in Ihrem Büro?)

Das wäre dann der Fall, wenn es strafrechtliche Relevanz hätte. Da stehen in einem Rechtsstaat selbstverständlich alle Wege frei. Ich würde diese auch keineswegs behindern. Aber bitte verstehen Sie, dass ich solche Meinungen – egal, in welche politische Ideologie sie gehen – nicht kommentieren werde. (Abg. Öllinger: „Egal“ in welche!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Vizekanzler! Wie wollen Sie das alles einlösen, was Sie uns versprechen, wenn Sie gedanklich eigentlich schon bei Ihrem neuen Job in der Privatwirtschaft sind?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Wenn das Ihre Sorge ist, dann kann ich Sie ab sofort sorgenfrei machen. Gedanklich bin ich dort, wo momentan mein Hauptaugenmerk meiner politischen und überhaupt meiner Tätigkeit liegt, nämlich in der vielfältigen Bewältigung der Aufgaben als Infrastrukturminister (Abg. Eder: Das merkt man aber nicht! Im Ausschuss waren Sie nicht, Herr Minister!), insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaft und der vielen Herausforderungen, die ich jetzt nicht anführen muss. (Abg. Eder: Im Verkehrs­ausschuss waren Sie nicht, Herr Minister!)

Ich habe angesichts dieser vielfältigen Aktivitäten keine Zeit für privatwirtschaftliche Überlegungen. Ich lese aber so wie Sie auch Zeitungen, und es tut jedem Politiker gut, wenn er in seinen Handlungen ein bisschen auch privatwirtschaftlich gelenkt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 



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116. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Missethon. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Herr Vizekanzler! Wo sehen Sie die Schwerpunkte im Bereich Innovation für die EU-Präsidentschaft?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter, das ist natürlich eine Frage, die, wenn ich sie hier vollständig beantworte, sicherlich den zeitlichen Rahmen sprengen würde. Ich darf deshalb, so wie es mein Kollege Bartenstein auch bei einer Beantwortung getan hat, nur die wichtigsten Dinge aufzählen.

Die formellen EU-Verkehrsministerräte sind am 27. und 28. März und am 8. und 9. Juni 2006 vorgesehen. Das bedeutet immer einen Schwerpunkt. Ein informelles Verkehrs­ministertreffen findet am 2. und 3. März in Österreich, nämlich in Bregenz statt, mit dem Schwerpunkt Verkehrssicherheit. Dieses Thema wird überhaupt der Schwerpunkt unserer Ratspräsidentschaft im Zusammenhang mit Verkehr sein. Weiters wird es einen Informellen Rat Wettbewerbsfähigkeit am 21./22. April in Graz geben. Es sind darüber hinaus High level groups zum Thema Verkehrssicherheit im Jänner in Wien vorgesehen. Darüber hinaus wird es eine Binnenschifffahrtskonferenz im Februar und eine Space-Konferenz im April geben.

Ich möchte nun einige Beispiele, was die Themenschwerpunkte betrifft, nennen. Ich darf im Landverkehr die schon erwähnte Straßensicherheit als Leitthema wiederholen. Die Fortentwicklung der Eurovignette wird auch ein Thema sein. Die technischen Vorschriften für Binnenschiffe, Drittes Eisenbahnpaket sind weitere Punkte. Beim Luftverkehr geht es um Passagierrechte, Drittstaatenbeziehungen und Kapazitäten der Flughäfen. Und im Bereich Forschung und Technologie wird die Vorbereitung des 7. Rahmenprogrammes automatisch einen Schwerpunkt darstellen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine letzte Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Welche konkreten Initiativen setzen Sie während der österreichischen EU-Präsidentschaft im Bereich Forschung und Technologie?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Im Bereich Forschung und Entwicklung werden wir uns insbesondere mit der Sicherheitsforschung beschäftigen. Dieses Thema habe ich in vielen bilateralen Gesprächen im Zuge meiner Treffen mit Kollegen auch vorbereitet. Es wird deshalb eine Sicherheitsforschungskonferenz und eine Weltraumkonferenz für den Bereich Luftfahrt geben, insbesondere um die Forschung auch für den Bereich Sicherheit sinnvoll einsetzen zu können.

Wir werden das frühere BIB und jetzt AT, Austrian Technology, besonders mit diesem Thema Sicherheitsforschung beschäftigen, und zwar nicht nur während der Präsi­dentschaft, sondern auch danach.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die dritte Anfrage an den Herrn Vizekanzler stellt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Sicherheit im Verkehr ist ein Schwerpunkt Ihrer Verkehrspolitik. Meine Frage lautet daher:


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116. Sitzung / Seite 25

122/M

„Welche Auswirkungen zur Steigerung der Verkehrssicherheit erhofft man sich von dem nun laufenden Gurtespot?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich könnte es sehr kurz machen und sagen, ich erwarte mir als Ergebnis, dass das eintritt, was das Kuratorium für Verkehrssicherheit schätzt, nämlich dass durch diesen Spot die Anzahl jener, welche Sicherheitsgurte dann auch verwenden, gesteigert wird und damit allein in Österreich jährlich 95 Verkehrstote eingespart wer­den können.

Tatsache ist, dass wir mit diesem Spot ganz besonders darauf reagieren, dass Österreicherinnen und Österreicher offensichtlich Gurtenmuffel sind. Nur 75 Prozent schnallen sich an, 90 Prozent ist der europäische Durchschnitt. Ich habe schon darauf hingewiesen, wie gefährlich es ist, nicht angeschnallt zu fahren. Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall getötet zu werden, ist sieben Mal größer, wenn ich nicht angeschnallt bin. Darüber hinaus werden wir uns auch auf die Kindersicherungen konzentrieren.

Wie die ersten Befragungen zeigen, wirkt dieser Spot enorm. Er hat auch eine dichte Breite durch die vielen Maßnahmen, Spots im Radio, im Fernsehen, in Kinos und in Tageszeitungen. Es wird darüber gesprochen. Ich darf zusammenfassend erfreut fest­stellen, dass eine Befragung von 300 Männern und Frauen im Alter zwischen 14 und 70 Jahren, die zu diesem Spot nach zwei Wochen befragt wurden, ergeben hat, dass die Message eindeutig verstanden wurde, dass die Befragten den Spot positiv beur­teilen. Nur eine einzige Person von 300 empfand den Spot als zu brutal.

Die Beurteilung der Gefälligkeit des Spots liegt bei 1,37 nach dem Schulnotensystem. Der Durchschnitt bei anderen Spots ist bei 2,4. Der Gesamtaufmerksamkeitswert liegt bei 40 Prozent – der Durchschnitt bei anderen ist etwa bei 20 Prozent –, also doppelt so gut. Und der Erinnerungswert liegt bei 42 Prozent.

Ich erwarte mir also, dass mit dieser Maßnahme die Anschnallquote merkbar, spürbar erhöht werden kann.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Ursprünglich sollten Sie eine Frage zum Transitdebakel am Brenner beantworten, aber jetzt geht es um die Verkehrssicherheit. Meine Zusatzfrage dazu lautet: Welche Maßnahmen wer­den Sie setzen, um die LKW-Kontrolldichte und die Sanktionen wegen Vergehen der LKW-Fahrer gegen die Verkehrssicherheit zu verbessern?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Wir werden die bereits eingesetzten Maßnahmen im Zuge der LKW-Kontrollplattform, die ich gemeinsam mit den Landeshauptleuten und zuständigen Regierungsmitgliedern ins Leben gerufen habe, fortsetzen. Diese haben sich sehr bewährt. Sie werden auch, wenn Sie durch Österreich fahren, feststellen, dass wir die Infrastruktur entsprechend verbessern oder neu schaffen. Beispielsweise in Radfeld in Tirol haben wir den modernsten LKW-Kontrollplatz Europas vor wenigen Wochen in Betrieb genommen.


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116. Sitzung / Seite 26

Das heißt, wir können dadurch die Dichte erhöhen, weil die Abfertigung, die Behand­lung schneller geht. Wir werden weiterhin durch eine optimale Koordinierung der zuständigen Stellen – Prüfanstalt, örtliche Polizei, wie es jetzt heißt, Bundespolizei, Verkehrsministerium und ASFINAG – versuchen, die Anzahl der Kontrollen zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Aber wir sind da schon sehr gut unterwegs und haben in den letzten Monaten einiges erreicht.

Die Ergebnisse – Sie wissen es – zeigen, dass zu Recht solche Kontrollen durch­geführt werden. Aber auch das Forcieren von Erleichterungen wie die Einführung des digitalen Kontrollblattes wird von mir sehr unterstützt. Gerade vorletzte Woche ist das auf europäischer Ebene bei einer Verkehrsministerkonferenz in Luxemburg gesche­hen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Binder. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Eine kurze Frage: Wann wird es zu einer Ausstattungsverpflichtung mit Gurten bei Linienbussen kommen, beziehungsweise wann denken Sie daran, diese umzusetzen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich vertrete diese Idee und darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es bei neuen Produkten bereits europaweit Vorgabe ist, diese Pflichtgurten vorzusehen, die dann auch benützt werden müssen. Das heißt, die Umstellung bei älteren Produkten ist noch nicht zwingend vorgeschrieben. Ich unterstütze aber diese Anliegen, die von einigen Kollegen aus anderen Mitgliedsländern in der Europäischen Union immer wieder vorgetragen werden, ganz vehement, wobei es einige Ausnahmen gibt, die Sie vermutlich auch kennen.

Im öffentlichen Bereich wird das nicht überall möglich sein, vor allem dort, wo auch sehr stark Stehplätze frequentiert werden, aber bei typischen, klassischen Reisebus­sen zum Beispiel soll das sukzessive kommen, wenn die neuen Produkte die alten verdrängen. Und bei den älteren werde ich einer jener sein, die die Umstellung als Vorschrift unterstützen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass im Rahmen der Mehrphasen­führerschein­aus­bildung auf die Notwendigkeit, Wahl, Befestigung und Nutzung von Rückhalteeinrich­tungen für Kinder verstärkt eingegangen wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sie sprechen mit Ihrer Frage einen sehr wichtigen Bereich an. Die schlechte Anschnallquote Österreichs ist in sehr wesentlichem Ausmaß auf das Nichtbenützen von Rückhaltevorrichtungen auf Hintersitzen, insbesondere im Bereich der Kinder­sicherungen zurückzuführen. Wir werden im Bereich der Fahrsicherheitstrainings weiterhin Schwerpunkte auf die richtige Kindersicherung setzen. Das Delikt der mangelhaften Kindersicherung ist auch im Katalog der Vormerkdelikte enthalten, und bei Nachschulungen wird darauf besonders Rücksicht genommen. Aber wie aus Ihrer Frage schon hervorging, ist das natürlich auch ein Thema bei der Ausbildung. Und beim Mehrphasenführerschein wird man speziell in der zweiten Phase auf diese Dinge Rücksicht nehmen.

 



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116. Sitzung / Seite 27

Präsident Dr. Andreas Khol: Den nächsten Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Verzetnitsch ein. – Bitte, Herr Präsident.

 


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

107/M

„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie seit Vorstellung der Studie ,Wirtschafts­sektor Breitbrand – Handlungsfelder am Weg zur wettbewerbsfähigen Wissensöko­nomie’ durch die ,ARGE Breitband’ bis heute gesetzt, um die dort aufgezeigten schweren Defizite und Versäumnisse durch die jahrelange verfehlte IKT-Politik der Bundesregierung zu korrigieren?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter und Präsident Verzetnitsch, Sie wissen, dass ich mich sehr rasch nach Übernahme des Amtes als Verkehrsminister und Infrastrukturminister, in dem Fall Technologieminister, mit diesem Thema beschäftigt habe. Die Angelobung war am 28. Februar 2003. Am 13. Mai desselben Jahres habe ich einen Minister­ratsvortrag eingebracht, der sich mit diesem Thema beschäftigt. Ich verweise auch darauf, dass im Rahmen der E-Government-Offensive der österreichischen Bundes­regierung diesbezüglich entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.

Es gibt für die Bundesländer eine Sonderrichtlinie Breitbandinitiative vom 19. August 2004, die als Ergebnis dieser eingeleiteten Initiativen zu sehen ist, die noch bis Ende 2005 läuft. Ich kann Ihnen sagen, dass ich auf Grund der bisherigen Erfahrungen aus dieser Aktion insgesamt ein Investitionsvolumen von 100 Millionen € in den Infrastruk­turausbau in Österreich erwarte, sodass wir der Wichtigkeit und Notwendigkeit der möglichst vollständigen Zurverfügungstellung von Breitband in allen Bereichen, auch in ländlichen Gebieten, Rechnung tragen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Verzetnitsch.

 


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie wissen, dass wir bezüglich dieser Frage im internationalen Ranking leider zurückgefallen sind. Des­wegen wurde meine erste Frage in diese Richtung gestellt, und ich möchte auch noch ergänzen, dass wir im Industrieausschuss dieses Hauses vor kurzem neuerlich darauf hingewiesen haben. Sie haben das jetzt kurz angesprochen.

Meine konkrete Frage lautet: Welche konkreten Maßnahmen, abgesehen von dem, was Sie gerade gesagt haben, werden Sie ergreifen, um die Chancengleichheit des ländlichen Raumes hinsichtlich Breitbandanbindung sicherzustellen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Durch die erwähnte Breitbandinitiative des Bundes werden Bundesländer animiert, auch mitzumachen und gerade jene Gebiete zu erschließen, die in eventuell vorhandenen Plänen der jeweiligen Bundesländer noch nicht enthalten waren. Das heißt, ich animiere, dort Breitband zu legen, wo es nicht vorgesehen ist, und verfolge mit einer Projektgruppe laufend die entsprechenden Schritte in den Bundesländern.

Ich kann Ihnen konkret mitteilen, dass Oberösterreich, Burgenland, Steiermark, Salz­burg und Tirol ihre Ausschreibungen bereits auf Übereinstimmung mit der Sonder­richtlinie prüfen lassen. Vorarlberg hat diesbezüglich einen Regierungsbeschluss, Kärn­ten arbeitet noch am Ausschreibungstext, wird aber demnächst fertig sein.


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116. Sitzung / Seite 28

Niederösterreich hat angekündigt, diese Bundesmaßnahmen in seine Landesinitiative zu integrieren, und baut inzwischen die Hälfte aller förderbaren Siedlungspunkte aus; konkret sind das dann 8 500 von 15 000 Standorten, die versorgt sind. Wien ist zu 100 Prozent versorgt.

Mit Hilfe genauer Beobachtung und Gesprächen mit den zuständigen Leuten in den Bundesländern und wenn notwendig auch mittels neuerlicher Zurverfügungstellung von entsprechendem Fördergeld – das sage ich auch dazu – werde ich dafür sorgen, dass in diesem wichtigen Bereich Breitband Österreich nicht weiter zurückfällt, sondern wieder den Weg nach vorne schaffen wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Vizekanzler! Österreich und die Bundesregie­rung haben in den letzten fünf Jahren großartige Leistungen erbracht, um den Wirt­schaftsstandort Österreich abzusichern. Es sind aber weitere Maßnahmen erforderlich. Meine Zusatzfrage lautet daher: Was wurde im Zuge des Reformdialogs am 1. Mai 2005 für den IKT-Standort Österreich beschlossen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Abgeordneter! Es gibt einen Ministerratsvortrag, datiert mit 2. Mai – das heißt also, dieser ist sofort nach diesem Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung in Österreich, „Unternehmen Arbeitsplatz“, erstellt worden –, der am 3. Mai auch beschlossen wurde. Darin ist festgehalten, dass durch eine intensivierte Fortsetzung der Breitbandoffensive – das wurde vorher angesprochen – vor allem ländliche Regionen Zugang zum Breitband-Internet erhalten sollen. Der Bund wird dafür zusätzliche 10 Millionen € bereitstellen. Die Länder sollen sich in gleicher Höhe beteiligen. Das ist, glaube ich, im Moment die wichtigste Initiative und Aktivität, die man in diesem Bereich setzen kann und soll.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Österreich ist bei der Förderung moderner Kommunikationstechnologien von Platz 1 auf Platz 6 zurück­gefallen. Versäumnisse wurden aufgezählt. Versäumnisse gibt es auch im Bereich der Vorsorgegrenzwerte bei der Handysendemasten-Technologie. Herr Minister! Warum kommen Sie nicht den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates nach?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich orientiere mich derzeit an den Empfehlungen und Vorgaben der WHO. Es ist unrichtig, wenn Sie sagen, dass wir, was Richtlinien betrifft, säumig sind. Der Bund ist da überhaupt nicht säumig. Wenn Sie von einzelnen Bundesländern sprechen, dann ist das eine andere Sache, da fühle ich mich nicht zuständig. Im Moment kämpfe ich in diesem Bereich darum, nicht eine neue Steuer, nämlich eine Handymastensteuer aufkommen zu lassen; das ist für mich ein ganz wichtiges Thema in diesem Zusammenhang. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Anfrage an den Herrn Vizekanzler formuliert Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Frage lautet:


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Stenographisches Protokoll
116. Sitzung / Seite 29

104/M

„Welche Investitionen wurden in den Jahren 2000-2005 in die Schieneninfrastruktur getätigt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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116. Sitzung / Seite 30

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Frau Abgeordnete Hakl! Ich kann mitteilen, dass in den Jahren 2000 bis 2005 insgesamt zirka 7,5 Milliarden € in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert wurden. Höhepunkt war das Jahr 2004 mit 1,436 Milliarden €, der Pro­gnosewert für 2005 beträgt noch mehr, nämlich 1,565 Milliarden €, und bis zum Jahr 2010 werden laut Rahmenplan weitere 7 Milliarden € vorgesehen. Ich denke, dass wir – zusammenfassend – mit der Feststellung, dass noch nie so viel in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert wurde wie in den letzten Jahren und derzeit und wie in Zukunft geplant ist, richtig liegen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Eder: Das ist falsch!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Bundesminister! Bei diesem riesigen Volumen von 7 Milliarden € würde mich noch interessieren, welche Schwerpunkte in diesem Bereich, insbesondere für den Sondierstollen des Brenner-Basistunnels gesetzt werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Der Sondierstollen Brenner-Basistunnel ist ein gutes Beispiel dafür, dass intensives Bemühen und gute Kooperation auf europäischer Ebene fruchtbar sein können. Investitionen in der Höhe von 430 Millionen € und 50 Prozent Kofinanzierung wurden zugesagt, voraussichtlicher Baubeginn ist nächstes Jahr. Schwerpunkte darüber hinaus werden sein: viergleisiger Ausbau der Westbahn zwischen Wien und Linz, Südkorridorausbau, Neubaustrecke Unterinntal, die Koralmbahn, aber auch weitere Entwicklungen des intermodalen Eisenbahnknotens Wien sind mit vorgesehen. Insgesamt wird natürlich auch die Anbindung an den Osten großes Augenmerk verdienen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Welche Mittel für die Schieneninfrastrukturprojekte konnten im Zuge der TEN-Förderung bislang von der EU lukriert werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: In den Jahren 1995 bis 2004 waren es 175,54 Millionen €, im Jahr 2004 waren es 30 Millionen €. Es sind aber in den nächsten Jahren durchaus noch mehr Mittel aus den Projekten, Kofinanzierungen zu erwarten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister, warum unternahmen Sie nichts, dass der Schienenverkehr in Richtung unserer östlichen Nachbarn verbessert wurde, obwohl bereits seit 16 Jahren die Ostöffnung besteht? Warum sind Sie hier säumig gewesen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Versäumnisse früherer Regierungen kann ich nicht von heute auf morgen wieder gutmachen, aber ich bin dabei. Es ist unrichtig, wenn Sie sagen, ich unternahm nichts: Die Weichen sind richtig gestellt. Das ist, wie ich vorher ausgeführt habe, einer der Schwerpunkte im Schienenausbauprogramm. (Beifall der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Lentsch.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Vizekanzler! In die Errichtung der Güter­zugumfahrung St. Pölten wurden gemäß Ihren eigenen Angaben bis jetzt über 153 Millionen € investiert, für die seit dem Baustopp 2000 jährlich mehr als 6 Mil­lionen € Bauzins anfallen, ohne dass diese Investition genutzt werden kann. Für die Errichtung und den Betrieb der vierspurigen Hochleistungswestbahn ist aber die Güterzugumfahrung St. Pölten unbedingt notwendig.

Meine Frage an Sie, Herr Vizekanzler: Wann werden Sie dieses wichtige, notwendige Schieneninfrastrukturprojekt endlich fertig stellen lassen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter! An der Wichtigkeit dieser Güterzugumfahrung St. Pölten zweifle ich nicht, da gebe ich Ihnen Recht. Die Notwendigkeit ist aber mittelfristig und nicht kurzfristig, sodass meine Experten mir eben mitteilen – und ich teile diese Meinung –, dass es derzeit andere Prioritäten gibt und wir die vorhandenen Gelder – wie gesagt, so viel wie nie zuvor – anderweitig prioritär einsetzen und mittelfristig diese Umfahrung im Auge haben. Das wird nicht die nächsten drei bis fünf Jahre sein können, aber danach.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind alle Fragen der heutigen Fragestunde beantwortet. Ich bedanke mich beim Vizekanzler für die kurze Fragebeantwortung und beende damit die Fragestunde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.01.20Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 2948/AB bis 2955/AB.

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 67 betreffend „Für eine freie Wahl des Vornamens“, überreicht von der Abge­ordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Bürgerinitiative Nr. 27 betreffend „Ein Import- und Handelsverbot von Hunde- und Katzenfellen und von Hunde- und Katzenleder sowie von daraus hergestellten Produkten“.


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2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Antrag 655/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz in der Fassung BGBl I 128/2004 geändert wird,

Antrag 668/A (E) der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Vereinfachung der Steuererklärungen;

Justizausschuss:

Handelsrechts-Änderungsgesetz – HaRÄG (1058 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden (1059 d.B.),

Antrag 659/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mietzinsobergrenzen,

Antrag 660/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kautionsrückzahlungen im Mietrecht,

Antrag 661/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verjährung von Ablösen im Mietrecht,

Antrag 663/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhm­dorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden;

Kulturausschuss:

Antrag 667/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend freier Eintritt in die Bundesmuseen;

Verfassungsausschuss:

Antrag 658/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft,

Antrag 664/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über Wahlkarten bei Landtags- und Gemeinderatswahlen ergänzt wird,

Antrag 665/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem Kinderrechte in das Bundes-Verfas­sungsgesetz eingefügt werden;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1000 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2005) (1060 d.B.),

Antrag 654/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Viergleisiger Ausbau der Westbahn (Salzburg – Attnang),

Antrag 657/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behindertenparkplätze bei Arztpraxen,


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Antrag 666/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten sowie Maßnahmen zur geeigneten Verortung und zur Emissions-Minimierung von Mobilfunkmasten;

Wirtschaftsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagenrechts­bereinigungs-Gesetz 2005) (999 d.B.),

Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG (1026 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1027 d.B.).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klub der Grünen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 669/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteikas­sen“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 5 bis 9, 10 bis 14, 16 und 17 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen daher so vor.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 158 Minuten, Freiheitliche 108 Minuten sowie Grüne 117 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitordnung für die Debatte in der Zeit von 10.10 Uhr bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: zunächst eine Wortmeldung pro Fraktion mit 15 Minuten, anschließend eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 15 Minuten, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten, sodann eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 10 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten. Vor Beginn der letzten Runde wird die allenfalls verbleibende Redezeit von der den Vorsitz führenden Zweiten Präsidentin gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen werden.


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Über diese Redeordnung und Vereinbarung entscheidet das Hohe Haus.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der Präsidialkonferenz zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen. Wir werden daher so vorgehen.

10.03.591. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vor­lage (952 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwal­tungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebühren­gesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungs­geldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechts­paket 2005) (1055 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer (1056 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, worüber die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Im Einvernehmen mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde für die gemein­same Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten abweichend vom § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung folgende Rednerreihenfolge festgelegt: Grüne, ÖVP, SPÖ, Frei­heitlicher Parlamentsklub.

Im Sinne dieser Vereinbarung gelangt nun die Abgeordnete Mag. Stoisits ans Redner­pult und eröffnet damit die Debatte. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.05.14

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Dobro jutro! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Prokop! Frau Ministerin Miklautsch! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Es ist noch nicht lange her – es war im Jahre 2003 –, als hier im Nationalrat ein von der damaligen und auch noch jetzt im Amt befindlichen Regierung vorgelegtes neues Asylgesetz sehr intensiv diskutiert wurde. Das meine ich jetzt wirklich ehrlich; auch aus der Sicht der Opposition ist das so zu bewerten.

Es wurden Expertenhearings veranstaltet, es wurde die Opposition beim Entste­hungs­prozess des Gesetzes – miteinbezogen zu sagen, wäre vielleicht übertrieben – zumin­dest über die einzelnen Schritte informiert. Die damals geschlossen agierenden Oppo­sitionsparteien sind gegen den beabsichtigten Fahrplan der Bundesregierung, dieses Gesetz noch vor dem Sommer, so wie das jetzt der Fall ist, zu beschließen, um damit Einwände und Verbesserungsvorschläge sozusagen so schnell wie möglich abzuser­vieren, vorgegangen, und es ist nicht gelungen, die damalige Vorlage betreffend das Asylgesetz in einem parlamentarischen Husch-Pfusch-Verfahren, umgangssprachlich


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ausgedrückt, zu beschließen, sondern es wurde intensiv diskutiert, wobei eindringlich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das Asylgesetz 2003 verfassungswidrige Bestimmungen enthält.

Das alles wurde jedoch von der Regierung – Schwarz-Blau damals – ignoriert, und nur einige Monate später wurde dieses Gesetz vom Verfassungsgerichtshof in den am intensivsten kritisierten Punkten als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben. Das alles geschah voriges Jahr, meine Damen und Herren. Es sind erst ein paar Monate seither vergangen – es war im Dezember letzten Jahres.

Dass sich jene Kritik, die Verfassungsexperten und die Opposition im Parlament vorgebracht haben, bewahrheitet hat, ließe eigentlich den Schluss zu, dass man künftig, wenn es um Menschen und grundrechtlich so relevante Materien wie ein Asyl­gesetz zum Beispiel geht, mit mehr Bedacht vorgeht und solchen Einwänden auch Rechnung trägt. Ich sage Ihnen ehrlich: Für keinen Parlamentarier und für keine Parlamentarierin ist es angenehm, wenn der Verfassungsgerichtshof Gesetze, die wir hier beschließen, als verfassungswidrig aufhebt.

Das sage ich auch als Oppositionsabgeordnete, obwohl ich als Oppositions­abgeord­nete mit der grünen Fraktion in den letzten Jahren, seit es Schwarz-Blau gibt, aber auch noch in der Zeit, in der es eine große Koalition gab, immer wieder unter jenen war, die auf mögliche Verfassungswidrigkeiten hingewiesen haben, die sich dann in der Regel auch bestätigt haben. Es ist aber trotzdem unangenehm, denn es ist die Pflicht und die Verantwortung von ParlamentarierInnen, Gesetze zu beschließen, die verfassungskonform, grundrechtskonform sind. Das ist unser Job! Das ist unsere Aufgabe hier! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb war die Freude über die damalige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs eine große – Sie werden es verstehen –, weil auf Grund dieser Kritikpunkte der Bun­desregierung der Auftrag erteilt wurde, ein grundrechtskonformes, ein verfassungs­konformes Asylgesetz in Österreich vorzulegen und dann im Nationalrat zu be­schließen. – Das ist die Vorgeschichte dieses Fremdenrechtspaketes, meine Damen und Herren. (Die Rednerin hält ein Exemplar des Fremdenrechtspaketes 2005 in die Höhe.)

Der bloße Gesetzestext, ohne Erläuterungen und ohne Kommentierungen, umfasst 118 Seiten. Das ist nicht irgendetwas, meine Damen und Herren, sondern das ist die umfassendste Reform, die es im Bereich des Fremdenrechts in den letzten Jahrzehn­ten gegeben hat. (Abg. Scheibner: Danke für das Lob, Frau Kollegin!) Das ist sozu­sagen der Schluss, den die zuerst schwarz-blaue und jetzt schwarz-orange Bundes­regierung, die Schüssel-Haider-Regierung aus dem Erkenntnis des Verfassungs­gerichts­hofes: Bitte, korrigiert ein verfassungswidriges Asylgesetz!, gezogen hat, nämlich ein 118 Seiten dickes Fremdenrechtspaket, das nur so strotzt – ich sage es jetzt vorsichtig – vor bedenklichen Bestimmungen.

Bei diesen Bestimmungen ist die Grundrechtskonformität zumindest diskussions­würdig. Das wurde in einigen Punkten von sehr vielen wirklichen Experten bestätigt. Ich sage jetzt „wirklichen Experten“, weil ich uns Abgeordnete nicht für Verfassungs­experten par excellence halte. Soweit ich einen Überblick habe, ist außer dem Präsidenten Khol, der Staatsrechtslehrer ist, kein weiterer Staatsrechtslehrer im Kreis der Abgeordneten.

Deshalb ist ja meine Enttäuschung, Herr Präsident, so groß, weil Sie als Staatsrechts­lehrer und unser Präsident hier im Nationalrat auf diese Vorgangsweise der Bundesregierung, statt ein verfassungswidriges Asylgesetz im Sinne des Auftrags des Verfassungsgerichtshofs zu korrigieren, hier ein Fremdenrechtspaket vorzulegen, das – und das ist jetzt jenseits der Diskussionen der letzten Tage, beispielsweise zum


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Punkt Zwangsernährung – unglaubliche Punkte enthält, die diesem Geist, den wir aufgebaut haben, dem Geist der Aufenthaltsverfestigung, widersprechen, nicht reagieren.

Unter diesen Menschen, die nach Österreich zuwandern und bei uns sozusagen eine neue Heimat finden, sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Migranten und Migrantin­nen, Menschen, die nach Österreich kommen und entsprechend ihrer Qualifikation Arbeit finden, etwa als Fliesenleger oder als Computertechniker oder als Universitäts­professor. Die Palette von Berufen, die von Zuwanderern in Österreich ausgeübt werden, ist sehr groß, und diese Zuwanderer leisten auch einen ganz wichtigen Teil zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortkommen unserer Republik.

Daher sind diese Materien, meine Damen und Herren, auch so sensibel, bei welchen man danach trachten muss, zwei Aspekte zu vereinen: erstens Grundrechte und Rechtsstaat zu wahren und zweitens die gesellschaftliche Akzeptanz für Maßnahmen, die auf diesem Gebiet getroffen werden, auch dafür zu bekommen. Aber keinesfalls – und das ist der wesentliche Punkt; das ist auch Gegenstand der Diskussion in Bezug auf das zu erwartende Stimmverhalten der sozialdemokratischen Fraktion hier im Plenum – eignen sich fremdenrechtliche Gesetze und Absichten auf legistischer Ebene dazu, rechtspopulistische Ansagen zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Jeder Staat – auch wir, die wir den Staat als Abgeordnete repräsentieren – hat das Recht, sich gegen Missbrauch, der in seinem Staat passiert, zu wehren. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Ja, selbstverständlich hat er das Recht dazu! Aber er hat gleich­zeitig die Pflicht, diesen Missbrauch mit grundrechtskonformen Mitteln abzustellen. Das ist der Punkt, der bei diesem Fremdenrechtspaket so problematisch ist.

Es wird hier eine Materie unter dem Titel „Asylmissbrauch“ geregelt. Ich möchte an dieser Stelle auch eine Begriffsklärung vornehmen. Was wird von dieser Regierung und leider auch von der SPÖ unter „Asylmissbrauch“ verstanden? – Die Tatsache, dass Menschen in Österreich einen Asylantrag stellen, jahrelang den Ausgang ihres Verfahrens hier in Österreich abwarten, und dann stellt sich am Ende dieses Verfah­rens heraus, dass ihnen nicht Asyl zuerkannt wird. (Abg. Scheibner: Warum ist das so?) Denn die Anerkennungsquote jener, die bei uns einen Asylantrag stellen, beträgt nicht hundert Prozent. Und einer, der einen Asylantrag gestellt hat und bei dem sich dann herausstellt, dass bei ihm keine Fluchtgründe nach dem österreichischen Asylgesetz und nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen, weshalb er kein Asyl bekommt, hat dann das Asylrecht missbraucht. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Meine Damen und Herren, sind Sie schon einmal zu schnell mit dem Auto gefahren? Falls Sie das tun und vom Radar erfasst werden, bekommen Sie eine Strafe, und Sie sagen dann: Jessas, ich weiß es nicht genau, bin ich zu schnell gefahren oder bin ich nicht zu schnell gefahren, aber ich mache jedenfalls einen Einspruch, denn auch die können sich irren!, und Sie bringen Ihre Argumente.

In der Regel sind der Radar und die Polizei Ihnen mit Ihren Argumenten immer voraus, und Sie werden die Strafe, die Ihnen auferlegt wurde, zahlen müssen. Niemand von Ihnen käme auf die Idee zu sagen: Ich bin ein Verfahrensrechtsmissbraucher, weil ich mir erlaube, einen Einspruch zu machen gegen eine Verwaltungsstrafe für einen Gesetzesverstoß, den ich begangen habe. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das ist eine verfahrensrechtliche Sache!)

Das Asylverfahren, meine Damen und Herren, ist in einem Asylgesetz geregelt, und deshalb kann es nicht sein, dass jene, die Rechtsmittel im Asylverfahren nutzen, die ihnen von Gesetzes wegen zustehen, als Missbraucher bezeichnet werden. Damit wird nur kaschiert, dass es in diesem Land auf dem Gebiet der Zuwanderung eine verfehlte Politik gibt. Es gibt auch eine verfehlte Politik auf dem Gebiet der Kriminalitäts-


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bekämpfung, wo die Erfolge mäßig sind, sodass die Entwicklung im Bereich der Kriminalität eine negative ist. Es geht aber nicht an, das dann auf dem Rücken jener zu lösen, die ZuwanderInnen sind oder die in Österreich Schutz vor Verfolgung in ihrer Heimat suchen. (Beifall bei den Grünen.)

Die wesentlichsten Punkte, meine Damen und Herren, wie sich diese Republik – diese Republik repräsentiert durch die Bundesregierung, möchte ich sagen – den Umgang mit dem Rechtsstaat sozusagen vorstellt, hat ja Ihr Vorgänger, Frau Bundesministerin, Herr Dr. Strasser, unmittelbar nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs am besten zum Ausdruck gebracht. Er hat nämlich zur Tatsache, dass der Verfas­sungsgerichtshof das Asylgesetz aufgehoben hat, gesagt: Nicht alles, was Recht sei, sei auch gut!

Das ist die Haltung der Bundesregierung, die wir jetzt haben, zum Rechtsstaat: Der Verfassungsgerichtshof sagt, dass das Asylgesetz nicht verfassungskonform ist, und der zuständige Innenminister sagt darauf: Nicht alles, was Recht ist, ist auch gut!

So schaut dieses Gesetz jetzt auch aus! Wäre die Haltung der Regierung eine andere, dann hätte sich etwas geändert, Frau Bundesministerin, dann gäbe es einen Unter­schied zwischen dem, was Strasser im Dezember vertreten hat, und dem, was jetzt, im Juli 2005, hier vorliegt, dann sähe dieses Gesetzespaket mit den 118 Seiten anders aus, dann wäre in diesem Gesetzespaket nicht die Problematik der Traumatisierten enthalten, die über die Grenze zurückgeschoben werden, dann wären darin nicht Gebietsbeschränkungen für Asylsuchende am Beginn ihres Asylverfahrens enthalten, dann gäbe es nicht die Möglichkeit der Zwangsernährung für AsylwerberInnen, dann gäbe es keinen erhöhten Strafrahmen für Menschen, die nichts anderes tun, als Flüchtlingen beizustehen. (Beifall bei den Grünen.)

Menschen, die bis 1989 Auszeichnungen von der Republik bekommen haben, weil sie damals, als noch der Eiserne Vorhang bestanden hat, Fluchthelfer waren, macht die­ses Gesetz heute zum Teil zu Schwerkriminellen, was den Strafrahmen betrifft. (Abg. Scheibner: Das ist doch etwas ganz anderes, was Sie da vergleichen!) Das ist der Geist, den diese Republik durch diese Bundesregierung verströmt (Abg. Scheibner: So kann man die Wahrheit umdrehen!) – leider mit Duldung der großen, angeblich antifaschistischen Oppositionspartei SPÖ! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Mich schmerzt das wirklich, weil es in meinem Kopf, in meiner Vorstellung auch einige Optionen, die es gibt, verbaut. Ich habe immer die Hoffnung, dass ich sagen kann, na gut, eine rechtsgerichtete Regie­rung macht rechtsgerichtete Politik, aber eine ... (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Mitte-rechts!) – Der Herr Bundeskanzler sagt „Mitte-rechts“. Herr Bundeskanzler! Wenn Sie dieses Gesetz lesen, dann können Sie nicht mehr guten Herzens behaupten, das sei Mitte-rechts. Herr Bundeskanzler, das ist ganz rechts! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Ganz recht, nicht ganz rechts!)

Es ist ganz rechts, wenn es in Österreich künftig die Möglichkeit gibt – und diese wird nicht beseitigt; das ist ja der Skandal! –, dass Kinder in Schubhaft genommen werden, nämlich Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern auf der Flucht sind.

Frau Bundesministerin, Sie können zum wiederholten Male sagen, es sei nicht so. – Dieses Gesetz, das Sie heute hier beschließen werden, lässt das zu! Wir wollen, dass solche Dinge nicht möglich sind, nämlich dass Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche, die nichts angestellt haben – bitte, was können Säuglinge anstellen? –, die mit ihren Eltern Schutz vor Verfolgung suchen, in Österreich im Häfen landen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist es, Herr Bundeskanzler, was uns Sorge macht. Deshalb haben wir in den letzten Monaten auch so vehement versucht, hier einen Beitrag zu leisten. Aber, Frau


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Bundesministerin Prokop, der Beitrag der Grünen hat Sie nie interessiert. Über dieses wirklich schwerwiegende Paket hat es auf Ebene der Mitarbeiter des Kabinetts zwei Mal Besprechungen gegeben, und zwar noch lange vor der Regierungsvorlage, als es noch die Punktationen gab, und das war es. (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

Sie, Frau Innenministerin, Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, Frau Justizministerin, werden es verantworten müssen, dass in Österreich Rechtsstaat abgebaut wird, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (neuerlich das Glockenzeichen gebend): Das ist der Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Ja, ist es, ich formuliere ihn. ... dass Grundrechte von In- und von Ausländern unterschiedlich betrachtet werden und dass wir in diesem Land, was Grundrechte angeht, ein Zweiklassensystem bekommen. Wir machen da nicht mit! (Beifall bei den Grünen.)

10.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich darf alle Rednerinnen und Redner darauf aufmerksam machen: Wenn das rote Licht ständig leuchtet, ist die Redezeit zu Ende!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Auch er verfügt über 15 Minu­ten. – Bitte.

 


10.21.07

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Frau Abgeordnete Stoisits, diese Bundesregierung macht richtige Politik, und das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

Wir haben heute mit der Beschlussfassung des Asylgesetzes, des Fremdenpolizei­gesetzes und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes den klaren Nachweis für die Richtigkeit der Politik und der Maßnahmen. Und, Frau Abgeordnete Stoisits, die Österreichische Volkspartei, die Abgeordneten unserer Fraktion werden geschlossen für dieses Paket stimmen. Ich sage Ihnen auch, warum: weil wir uns mit diesem Paket eins mit der breiten Mehrheit der österreichischen Bevölkerung fühlen und auch sicher sind, dass wir mit dieser Entscheidung die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land hinter uns haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist daher dieser heutige Tag ein guter Tag für Österreichs Sicherheit. Einige Fest­stellungen sind nach den Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits aber not­wendig.

Österreich hat eine lange und eine gute Tradition als Asylland. (Abg. Dr. Van der Bellen: Gehabt!) Uns als Regierungsparteien ist selbstverständlich bewusst, dass aus dieser Verantwortung als Asylland auch eine Verpflichtung erwächst, dass auch in Zukunft unser Land seiner Verpflichtung und Tradition treu bleiben kann. Wir sind uns dieser Verpflichtung bewusst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit das aber so bleiben kann, meine Damen und Herren, damit wir diese Tradition und diese Verpflichtung auch hochhalten können, müssen wir einfach auch den Realitäten ins Auge blicken. Wenn wir so tun, als hätten wir keine Probleme im Bereich Asyl, dann schaden wir unserer eigenen Tradition. Wir würden einen gravierenden Fehler machen, wenn wir hier nicht handeln, meine Damen und Herren! All jenen, die heute an dieser Abstimmung nicht teilnehmen, und all jenen, die gegen dieses Gesetz stimmen werden, sei ins Stammbuch geschrieben: Wenn wir nicht Fehler korrigieren


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und Missstände beseitigen, dann schaden wir unserer Tradition als Asylland Öster­reich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist unsere Verpflichtung – das sei gerade den Grünen gesagt und auch jenen, die an dieser Abstimmung nicht teilnehmen; das ist eine Frage, die die einzelnen Abge­ordneten selbst beantworten müssen, ob dieses Verhalten auch mit parlamentarischer Usance vereinbar ist (Abg. Mag. Wurm: Freies Mandat!) –, und wer die Augen vor den Missständen verschließt, meine Damen und Herren, handelt gegen die Sicherheit des Landes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist der Grund dafür, dass wir, weil wir für die Sicherheit Österreichs eintreten und uns der Verpflichtung bewusst sind, weil wir auch in Zukunft Menschen, die Asyl brauchen, Asyl geben wollen, konsequent handeln und den Missbrauch des Asyl­rechtes abstellen müssen. Wegschauen gilt nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist die entscheidende Aufgabe von Politik: auch in schwierigen Fragen Linie zu halten und einen richtigen Kurs für das Land, für die Menschen und für die Sicherheit in Österreich zu gehen!

Was ist denn eigentlich die Ausgangslage? Ich denke, dass die Bürgerinnen und Bürger auch wissen sollen, warum wir diesen Schritt in einem breiten Konsens gehen und machen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Die Ausgangslage ist Folgende: Die Zahl der Asylsuchenden in Österreich sinkt – das stimmt –, im Jahr 2002 haben wir noch 39 354 Asylwerber gehabt, im vergangenen Jahr nur noch 24 634. Diese sinkende Zahl der Asylwerber, das ist meine Überzeu­gung, hängt übrigens auch mit der Erweiterung der Europäischen Union zusammen, die Erweiterung ist daher ein Sicherheitsgewinn für unser Land. Aber, meine Damen und Herren, wir können nicht nur die absoluten Zahlen, die sehr, sehr hoch sind, miteinander vergleichen, sondern wir müssen auch die Zahlen in der Relation sehen!

Österreich beispielsweise hat mit diesen rund 24 600 Asylwerbern einen Anteil von 8,5 Prozent aller Asylwerber in der Europäischen Union. Wir haben aber nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung. Allein daraus ersehen Sie, dass Österreich eigentlich einen überproportionalen Beitrag zur Lösung dieser Frage leistet. Es ist daher auch legitim, dass sich Österreich nicht nur selbst dieser Frage stellt und handelt, sondern auch auf europäischer Ebene die Frage der gemeinsamen europäischen Vorgangsweise thematisiert.

Noch plausibler, meine Damen und Herren, vor allem liebe Zuseherinnen und Zuseher, wird es wohl, wenn wir uns die Zahl der Asylwerber je tausend Einwohner ansehen. Wir haben in Österreich je tausend Einwohner drei Asylanträge. Jetzt erklären Sie mir, warum etwa beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland eine Relation je tausend Ein­wohner von 0,4 hat! Es kann doch niemand plausibel erklären, warum wir in Österreich einfach überproportional viele Asylwerber haben, während andere Länder eine andere Relation haben. Es ist doch geradezu unsere Aufgabenstellung, auf eine derartige Situation richtig zu reagieren – in Österreich und auf europäischer Ebene!

Die Grünen verstehe ich in dieser Frage überhaupt nicht, dass sie diese Bundes­regierung kritisieren. Was ist denn dann der Grund dafür, dass eine rot-grüne Regierung, beispielsweise Schily, in Deutschland eine, wie ich sagen würde, sehr kon­sequente Politik macht, die immerhin genau zu diesem Ergebnis führt, das ich Ihnen jetzt geschildert habe? (Abg. Dr. Van der Bellen: Sind wir jetzt in Deutschland? Ich glaube, Sie verwechseln Wien mit Berlin!)

Ich sage Ihnen, Sie mit Ihrem Stimmverhalten, mit Ihrem heutigen Nein, und auch jene, die nicht mitstimmen, machen einen schweren Fehler, weil Sie nicht vordergründig die


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Interessen der Sicherheit des Landes im Auge haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Damit ist aber der Effekt verbunden, auch mit der Zahl, die ich Ihnen jetzt genannt habe, dass wir einen Rückstau bei den Verfahren haben. Das ist ein Problem, das müssen wir einfach offen ansprechen. Wir haben mit 31. Mai 37 674 offene Asylfälle. Es kann doch nicht im Interesse der Asylwerber liegen, meine Damen und Herren, weder im Interesse derjenigen, die einen positiven, noch im Interesse derjenigen, die einen negativen Bescheid bekommen, dass sie monatelang auf eine Entscheidung warten.

Es ist daher richtig, dass wir auch in diesem Bereich handeln und versuchen, mit diesem neuen Gesetzespaket eine entsprechende Beschleunigung der Verfahren zu erreichen.

Den Missbrauch des Asylrechtes, Frau Kollegin Stoisits, gibt es einfach. Ich habe mir die Mühe gemacht – und ich nehme an, Sie wissen das auch selbst ganz genau – und nachgeprüft: Es gibt eine Reihe von Fällen, und zwar sehr, sehr viele, die die jetzige, noch geltende Rechtslage des Asylrechtes dafür missbrauchen, illegalen Aufenthalt in Österreich einfach zu verlängern.

Beispiel: Eine Frau, die bereits drei Mal rechtskräftig einen negativen Asylbescheid erhalten hat – drei Mal rechtskräftig! –, erreicht nun kurz vor der Abschiebung, die auch rechtskräftig ist und wo sogar das Zielland die Zustimmung gegeben, mit einem vierten Asylantrag, dass sie nicht abgeschoben wird. Sie ist neuerlich im Verfahren, es wird neuerlich keine Entscheidung herbeigeführt, und somit wird der illegale Aufenthalt einfach verlängert. (Abg. Murauer: Das kann es doch nicht sein!)

Was ich nicht ganz verstehe: Ich hatte vor wenigen Wochen einmal den Eindruck, bei den Grünen gibt es eine Bewegung. Van der Bellen hat einmal gesagt: Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass es Asylmissbrauch gibt. – Was ist denn gesche­hen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben? Ich sage Ihnen noch einmal: Schauen Sie sich das an! Ich denke, wenn Sie heute dagegen stimmen, entscheiden Sie falsch.

Es gibt viele Beispiele dafür, ich könnte noch viele aufzählen, dass dieses Gesetz, das jetzt besteht, in einer meiner Meinung nach absolut missbräuchlichen Art und Weise ausgenutzt wird, um andere Ziele als Asyl zu erreichen. Das soll man einmal deutlich ansprechen, meine Damen und Herren! Wenn Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern reden und in Kontakt stehen, dann wird Ihnen doch zu Ohren kommen, dass etwa die Frage der Asylproblematik in manchen Fällen – ich verallgemeinere sicher nicht – selbstverständlich mit dem Problem der Straffälligkeit zusammenfällt. Ja, sollen wir einfach nur zuschauen, wenn uns die Menschen Beispiele dafür bringen, dass dieses Recht für Straftaten missbraucht wird? Sagen wir doch offen, wie die Realitäten sind!

Wir werden nicht zusehen, sondern wir werden handeln, weil für uns, meine Damen und Herren, und für die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land der Reformbedarf außer Streit steht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei dieser Diskussion sind für uns drei Ziele im Vordergrund gestanden: Jeder Schutz­bedürftige soll diesen Schutz bekommen, Missbrauch muss, dort, wo nötig, auch mit strafrechtlichen Mitteln, konsequent bekämpft werden, und die Verfahren müssen beschleunigt werden, den Behörden müssen Durchsetzungsmechanismen in die Hand gegeben werden, dass die Verfahrensbeschleunigung auch tatsächlich in die Realität umgesetzt wird. – Das sind unsere Ziele, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ganz selbstverständlich gelten für diese Bundesregierung der Maßstab der Menschen­rechtskonformität und der Maßstab der Verfassungskonformität. Dieses Paket ist


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selbst­verständlich menschenrechts- und verfassungskonform, und es trifft die richtige Balance, weil es eine richtige Entscheidung ist in einem, ja, Frau Stoisits, Span­nungsfeld. Wir haben diese Balance richtig getroffen – im Interesse der Sicherheit des Landes auf der einen Seite und aus den selbstverständlich gegebenen menschen­rechtlichen Verpflichtungen auf der anderen Seite heraus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was sind die Schwerpunkte? – Ich erwähne nur einige, weil sie mir so wichtig sind.

Mit dem neuen Asylrecht ist etwa die Verfahrensbeschleunigung dadurch umgesetzt, dass wir die Asylwerber zur Mitwirkung verpflichten. Das war ein Teil des Problems der jetzigen Rechtslage, dass einfach niemand mitgemacht hat. Jetzt wird die Mitwirkung verpflichtend, und ein Verstoß wird durchaus auch mit gewissen Sanktions­mechanis­men versehen. Ich halte das für das Natürlichste der Welt: Wer an einem Verfahren teilnimmt, ein bestimmtes Ziel hat, soll letztendlich auch einen Beitrag leisten.

Oder: die Frage der schnelleren Entscheidung bei straffällig gewordenen Asylwerbern. Die Fristen sind ganz klar definiert, drei Monate in den Instanzen. Das ist richtig, weil ich einfach nicht einsehe, dass jemand durch Straftaten eine Situation missbraucht, was der Sicherheit des Landes schadet.

Auch die Gebietsbeschränkung für Asylwerber halte ich für richtig; ebenso die Verhin­derung des Untertauchens und die entsprechenden Maßnahmen dagegen.

Ich denke, dass auch bei der Traumatisierung eine ausgewogene Lösung gewählt worden ist. Selbstverständlich ist die Traumatisierung auch in Zukunft als Tatbestand im Gesetz verankert – sogar verbessert, das ist aus der Begutachtung eingebracht –, aber selbstverständlich soll eine Abschiebung auch im Bereich der Traumatisierung in Richtung Dublin möglich sein.

Ich halte auch die Möglichkeit der Verhängung der Schubhaft nach der Strafhaft für absolut richtig, weil ich ganz genau, wie Sie übrigens auch, weiß, dass in vielen Fällen einfach ein Asylantrag gestellt wurde, das Strafausmaß abgesessen worden ist und die Betreffenden dann untergetaucht sind, einfach in die Illegalität verschwunden sind.

Natürlich ist auch die Debatte um die Frage des Fremdenpolizeigesetzes eine notwen­dige, auch in Bezug auf die Frage Zwangsernährung/Heilbehandlung. Ich führe an dieser Stelle ganz klar die rechtliche Situation, die in der politischen Diskussion häufig nicht gesehen wird, aus:

Es gibt seit dem Jahr 1969 das Strafvollzugsgesetz, das selbstverständlich auch für den Vollzug der Schubhaft gilt, und im Fremdenpolizeigesetz ist eben die Heilbehand­lung umgesetzt, damit wir auch die Möglichkeit haben, die Sicherheit zu gewährleisten und die Verhältnismäßigkeit abzusichern. (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei Ministerin Prokop, bei Ministerin Miklautsch und bei den Verhandlungspartnern, auch bei den Sozialdemokraten: Wir haben mit diesem Paket ein großes Stück Arbeit geleistet – eine große politische Leistung und ein Sicherheitsgewinn für Österreich! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. 15 Minuten Redezeit. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


10.37.08

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ein


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Satz gleich zu Beginn, Frau Kollegin Stoisits, bei aller Wertschätzung: Die SPÖ ist keine angeblich antifaschistische Partei, sondern sie ist eine antifaschistische Partei, das hat sie in ihrer Geschichte bewiesen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir verhandeln heute eine sehr sensible Materie. Die Frage des Flüchtlingswesens, des Asylbereichs ist mit einer großen, international anerkannten Tradition für Öster­reich verbunden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Rolle Österreichs, beispielsweise, neben anderen Fällen, im Jahr 1956, Ungarn-Aufstand, im Jahr 1968, ČSSR-Krise, im Jahr 1989, als es darum gegangen ist, am Beginn des Zerfalls des Kommunismus DDR-Flüchtlinge, die über Ungarn, über das Burgenland, mein Heimatbundesland, nach Österreich gekommen sind, aufzunehmen – Österreich hat damals eine Rolle eingenommen, die international anerkannt wurde –, bis ins Jahr 1991, Jugoslawien-Krise, Jugoslawien-Krieg, als Österreich im internationalen Vergleich und in Relation zu allen anderen europäischen Staaten eine sehr positive Rolle eingenommen hat, auch, das möchte ich dazusagen, eine starke Integrationsrolle eingenommen hat, wie man an den heutigen Zahlen erkennen kann. (Abg. Dr. Van der Bellen: Deswegen fahren sie alle zurück!)

Für die SPÖ als Partei mit einer starken humanistischen Tradition ist es gerade auf Grund dieser Markierungen, die ich angesprochen habe, auch immer klar gewesen, dass wir es für wichtig erachten, eine humane Flüchtlingspolitik im Interesse der politisch Verfolgten, die nach Österreich kommen, auch im Interesse derer, die aus humanitären Gründen nach Österreich kommen, durchzuführen und auch daran mitzu­wirken. Alles andere wäre eine Verkennung der Rolle der SPÖ in ihrer historischen Tradition.

Es steht für die SPÖ daher auch als Oppositionspartei, Herr Kollege Van der Bellen, außer Streit, dass wir versuchen, einen wichtigen und vernünftigen Beitrag zu leisten, um eine humane, menschengerechte Gesetzgebung im Asylbereich zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte es gleich am Beginn ansprechen: Wir haben daher, als es darum gegangen ist, ein neues Gesetz zu schaffen, um die Jahreswende, innerhalb der SPÖ klar fest­gelegt, dass wir ein neues Asylgesetz mit ausverhandeln wollen, dass wir einem neuen Asylgesetz den Stempel aufdrücken wollen, dass wir unsere Handschrift erkennen lassen wollen, wenn vier Eckpfeiler erfüllt sind:

Erstens – das ist das Wichtigste –: Ein gutes Asylgesetz muss rasche und effiziente Verfahren gewährleisten, unter der klaren Voraussetzung: Wer Anspruch auf Asyl hat, soll rasch wissen, dass er in Österreich bleiben kann; wer diesen Anspruch nicht hat, soll rasch wissen, dass er das Land verlassen muss.

Zweitens: Ein modernes Asylgesetz muss natürlich allen Punkten der Flüchtlings­konvention von Genf und den Menschenrechten entsprechen. (Abg. Mandak: Das tut es aber nicht!)

Drittens: Ein effizientes, gutes Asylgesetz muss mit der österreichischen Bundesver­fassung im Einklang stehen.

Viertens – auch das wurde schon angesprochen –: Ein gutes Asylgesetz darf auch nicht die Augen vor der Realität verschließen, muss daher Asylmissbrauch, den es in der Praxis gibt – Herr Kollege Van der Bellen, Sie haben das selbst vor einigen Wochen in der Öffentlichkeit gesagt –, hintanstellen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Eh, aber das soll man nicht verallgemeinern, und das tun Sie mit diesem Gesetz!) Und dass es Asylmissbrauch gibt, ist wohl unbestritten.


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Diese vier Prämissen waren die Verhandlungsgrundlage der SPÖ für dieses Gesetz, und wir haben keinen einzigen dieser vier Punkte verlassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das war ja auch nie bestritten!)

Ich sage heute hier ganz klar und deutlich: Wir verabschieden gemeinsam ein Paket, das einen humanen und fairen Umgang mit Asylwerbern und Flüchtlingen vorsieht, das gleichzeitig aber Missbrauch in den sensiblen Bereichen verhindert; das ist deutlich erkennbar. Ich bekenne mich daher persönlich zu dieser Beschlussfassung.

Aber ich muss kurz zurückblenden: Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen vor allem von der ÖVP, haben es uns nicht leicht gemacht. Ich sage Ihnen auch, warum.

Warum diskutieren wir diese Materie heute überhaupt? – Weil ÖVP-Minister Strasser ein Asylgesetz zu verantworten hatte, das vom Verfassungsgerichtshof in vielen sensiblen und wichtigen Punkten aufgehoben wurde, und weil der gleiche Minister sich entschlossen hatte, nicht die aufgehobenen Passagen zu reparieren, sondern ein neues Gesetz zu erarbeiten. (Abg. Scheibner: Das war auch gescheit!)

Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt: Dieses neue, von Strasser vorgelegte Konvolut entsprach in keinem der Eckpunkte, die ich angesprochen habe, unseren Vorstellungen, weder im Bereich der Menschenrechte (Abg. Dr. Lopatka: Das ist eine Märchenstunde!) noch im Bereich der Flüchtlingskonvention noch im Bereich der Verfassungsmäßigkeit noch im Bereich der Steigerung der Effizienz der Verfahren.

Aber die SPÖ hatte zu diesem Zeitpunkt entschieden, dass sie in Verhandlungen ein­treten möchte, weil sie für Asylwerber und für die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ein gutes Gesetz ausverhandeln wollte – nur deshalb sind wir in Verhandlungen eingetreten. Und ich kann guten Gewissens sagen: Das Verhandlungs­ergebnis, mit Ministerin Prokop – nicht mit Minister Strasser! – ausverhandelt, recht­fertigt diese Verhandlungsbereitschaft.

Auch da ein offenes Wort: Ich nehme Kritik zur Kenntnis und ernst, aber bei genauer inhaltlicher Betrachtung des heute zu verabschiedenden Gesetzes muss ich sagen, dass diese Kritik nicht standhält. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist der SPÖ gelungen, und was haben wir gemeinsam erreicht? – Erstens – und das steht über allen anderen Argumenten –: Es ist uns gelungen, dass es zu einer rascheren Abwicklung der Verfahren kommt. (Abg. Dr. Van der Bellen: Geh bitte!) Durch eine Aufstockung des Personals in der ersten Instanz – über 100 Personen, Herr Kollege Van der Bellen! (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist Ihr Verdienst? Das wollten wir alle!) – und eine Aufstockung in der zweiten Instanz mit bis zu 20 zu­sätzlichen Senatsmitgliedern und Richtern ist gewährleistet (Abg. Dr. Van der Bellen: Das fordert Stoisits seit Jahren!), dass jeder Asylwerber in Österreich rasch Bescheid bekommt, ob er in Österreich Asyl bekommt oder nicht. Das ist ein großer Ver­handlungserfolg, denn das war in der ersten Regierungsvorlage nicht enthalten. Zu dem stehen wir, und zu dem stehen wir ganz offensiv. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit werden sich viele Probleme auch lösen, sage ich ganz offen, denn wenn die Raschheit der Verfahren geklärt ist, dann wird es auch leichter sein, dafür zu sorgen, dass gewisse Missbräuche in diesem Bereich hintangestellt werden.

Der zweite Punkt – das ist für mich unumstößlich –: Wir müssen zur Kenntnis neh­men – auch das wurde vom Kollegen Molterer angesprochen –, dass Österreich im Jahr zirka 25 000 bis 30 000 Asylanträge zu bearbeiten hat. Deutschland hat mit einer zehnmal so großen Bevölkerungszahl maximal um 5 000 bis 6 000 Asylanträge mehr. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Was hat das zu bedeuten, wie viele Asylanträge gestellt werden? Was haben Sie damit für ein Problem?)


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Österreich hat eine Anerkennungsrate im Asylbereich – ich habe die Tradition schon angesprochen – von 25 bis 30 Prozent, Deutschland eine zwischen 2 und 8 Prozent. Die Slowakei, ein neues Mitglied der Europäischen Union, hat eine Anerkennungsrate im Asylbereich von 0,09 Prozent. Auch deshalb sollte man mit Vehemenz darangehen, auch hier im Hohen Haus und mit den Vertretern, die das auf europäischer Ebene ermöglichen können, dafür zu sorgen, dass die Asylgesetzgebung, dass das Asylrecht europäisiert wird. Das wäre eine lohnenswerte Aufgabe für die ohnehin image­geschädigte Europäische Union. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir klar, es geht um eine grundsätzliche Debatte. Und es ist von meinen beiden Vorrednern, speziell von den Grünen, kein einziges Argument auf den Tisch gelegt worden, warum man diesem Gesetz nicht zustimmen kann. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Kein einziges Argument?) Es ist kein einziges Argument hier auf den Tisch gelegt worden. Ich möchte daher einige Punkte inhaltlich ansprechen.

Erstens: Es geht um rasche Verfahren, es geht um einen humanen Umgang mit Asylwerbern, es geht um die Bekämpfung des Asylmissbrauchs.

Die Regierung wollte ursprünglich – ich betone: ursprünglich – keinerlei Verbes­serungen bei der Personalsituation im Asylbereich. Wir haben erreicht, dass es einen eigenen Asylgerichtshof geben soll, dass jeder Asylwerber in Österreich rasch Klarheit hat, ob er Asyl bekommt oder nicht. Bis zum Jahresende wird es diesen Asylgerichts­hof geben. (Abg. Mag. Stoisits: Ja, sind wir auch dafür, aber wo ist es?) Das war unsere wichtigste Forderung und ist der wichtigste Verhandlungserfolg der Sozial­demokraten – im Sinne der Asylwerber. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt – und in diesem Zusammenhang bitte ich um einen ehrlichen Umgang; ich weiß, dass diese Diskussion in den Medien anders geführt wird, vielleicht auch weiter geführt wird –: die Frage der so genannten Zwangsernährung.

Es soll mir jemand in diesem Haus zeigen, welcher Paragraph des Fremdenpakets Zwangsernährung ermöglicht. (Abg. Mag. Stoisits: 78!) § 78 Absatz 6 – ich habe mich damit beschäftigt – sagt klar und deutlich: Asylwerber, die einen Abschiebungs­bescheid schon in Händen haben, deren Rückkehrmöglichkeit in ein Land, aus dem sie kommen, gegeben ist, können, wenn sie sich selbst Schaden zufügen, in eine medi­zinische Abteilung einer Justizanstalt überführt werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)

Die Regierung hatte vor, mit dem § 69 im Strafgesetz Asylwerber, Schubhäftlinge mit Strafgefangenen gleichzustellen. Das wurde von der SPÖ herausverhandelt. Jeder, der hier Gegenteiliges behauptet, sagt die Unwahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin hier in guter Gesellschaft – nicht nur mit den Verfassungsrechtlern Öhlinger, Funk, Wegscheider, die wörtlich gesagt haben: Zwangsernährung ist in Österreich nicht möglich!, sondern auch mit dem Bundespräsidenten der Republik Österreich, Heinz Fischer, der gestern dezidiert festgestellt hat: Es gibt auf Grund dieses Gesetzes keine Möglichkeit, Schubhäftlinge zwangszuernähren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischen­rufe bei den Grünen.)

Zur Frage der Schubhaft – ich bin offensichtlich der Einzige, der sich auch mit den Inhalten auseinander setzt –: Der Regierungsentwurf war, die Schubhaft soll in Öster­reich endlos dauern. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sie können ja zustimmen, aber uns Seriosität abzusprechen bei ...!) Jetzt ist die Vorlage, die wir heute zu beschließen haben, so formuliert, dass Schubhaft bis zu zehn Monate dauern darf.

Ich gebe zu, uns wäre es lieber gewesen, einen kürzeren Zeitraum zu formulieren. Man muss aber sehen, dass nach dem Gesetz Schubhaft eigentlich nicht länger als zwei Monate dauern darf. Es gibt die klare Festlegung: Schubhaft darf nicht länger als zwei


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Monate dauern, nur in Ausnahmefällen sechs Monate und in Ausnahme-Ausnahme­fällen zehn Monate. (Abg. Sburny: Ausnahme-Ausnahmefälle wie Zwangsernährung!) Ich glaube, dass es gerechtfertigt ist, dieser Regelung in dieser Form zuzustimmen.

Der Umgang mit traumatisierten Schubhäftlingen: Der Regierungsentwurf war folgen­dermaßen: Die Traumatisierung gilt nur, wenn sie schon im Flüchtlingsland passiert ist. – Wir konnten hineinverhandeln, dass Traumatisierung natürlich auch dann gilt, wenn sie auf der Flucht erfolgt ist. Das gilt zum Beispiel, Frau Kollegin Stoisits, logischerweise für vergewaltigte Frauen, das gilt für Menschen, die auf der Flucht Unvorstellbares erlebt haben.

Und ich stehe dazu: Wenn ein Facharzt – und das sollten Sie auch zur Kenntnis neh­men und in der öffentlichen Diskussion auch ehrlich so darstellen – feststellt, dass ein Asylwerber traumatisiert ist und dass durch diese Traumatisierung eine Abschiebung auch in ein sicheres Drittland nicht möglich ist, dann gibt es keine Abschiebung in ein sicheres Drittland! Ich würde bitten, dass wir in der Diskussion ehrlich miteinander umgehen. Das ist eindeutig so im Gesetz festgeschrieben, einer anderen Regelung hätte die SPÖ nie zugestimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage noch etwas zum Gesetz (Zwischenruf des Abg. Brosz): Es war für uns nicht einfach, noch einmal gesagt, mit der Regierung dieses Paktum auszuverhandeln, weil die ÖVP versucht hat, in dieses Fremdenpaket mehrere Punkte hineinzuverhandeln, auch die Frage des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes beispielsweise.

Ich sage auch dazu ein offenes Wort: Wenn die SPÖ hier nicht Verhandlungsstärke bewiesen hätte (Zwischenruf des Abg. Großruck), dann hätte die ÖVP einfach­gesetzlich mit dem Partner BZÖ oder FPÖ im Bereich des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes Dinge beschließen können, die beispielsweise dazu geführt hätten, in den §§ 60 und 62 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, dass Scheinselbständigkeit in Österreich möglich gewesen wäre (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz), dass bis zu 40 000 zusätzliche Personen auf den österreichischen Arbeitsmarkt gedrängt wären und über die Hintertür Lohndumping und Sozialabbau stattgefunden hätten. Schon allein deshalb kann ich sagen, dass wir von der SPÖ mit der Zustimmung zu diesem Gesetz einen guten und richtigen Schritt gesetzt haben, weil wir dadurch sehr viele Grausamkeiten verhindern konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss sei gesagt: UNHCR hat zwölf Punkte kritisiert – jetzt ist noch ein Punkt aufrecht. Das gebe ich zu: Ein Punkt ist noch aufrecht.

Die Caritas hat viele Punkte kritisiert. – Bis auf einen Punkt sind alle aus dem Gesetz herausverhandelt.

Das BKA, das Bundeskanzleramt, sein Verfassungsdienst, hat 50 Verfassungs­widrig­keiten im Gesetz festgestellt oder zumindest Punkte, die verfassungsrechtlich bedenk­lich sind – jetzt sind sie draußen. (Abg. Scheibner: Das waren alles Sie?!)

Ich hätte nie einem Gesetz zugestimmt, das der Verfassung nicht entspricht. (Abg. Gaál: 50 Einwände!) Das ist kein Schielen sozusagen auf den Boulevard und die Meinungen der Menschen, aber ich fühle mich bestätigt, wenn 67 Prozent der Öster­reicherinnen und Österreicher sagen (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen – Abg. Scheibner: Das haben alles Sie herausverhandelt? Man muss Ihnen gratulie­ren!), die Zustimmung der SPÖ zu diesem Bereich ist richtig. Wir haben guten Gewis­sens entschieden, wir stehen zu diesem Gesetz und stimmen daher auch zu. (Anhal­tender Beifall bei der SPÖ.)

10.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Ihre Redezeit beträgt 15 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 



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10.52.54

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Zuerst wende ich mich einmal an Frau Stoisits. Frau Stoisits, Sie beklagen sich darüber, dass die Meinung der Grünen nicht so sehr interessiert. Frau Abgeordnete Stoisits, erstens stimmt das nicht, und zweitens sollten Sie sich einmal fragen, warum eigentlich bei Ihnen dieser Eindruck entsteht. Allein die Tatsache, dass es ein Asylgesetz und ein Fremdengesetz gibt, ist für Sie schon Grund genug, alles als bedenklich zu sehen.

Sie wollen, dass jeder nach Österreich einreisen kann (Abg. Dr. Van der Bellen: Stimmt überhaupt nicht! Ist ja völliger Unsinn!), dass er sich ohne Rechtsgrund hier aufhalten kann, dass er ausreisen kann, dass er arbeiten kann. Das ist Ihre Intention. Sie wollen in Wirklichkeit überhaupt keine Regelung haben! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Das ist völliger Unsinn!) – Frau Abgeord­nete Stoisits, das geht ja aus all Ihren Debattenbeiträgen hervor!

Da Sie meinen, der Missbrauchsvorwurf träfe diejenigen, die ein Rechtsmittel ergrei­fen – das ist ja Ihr Vorwurf –, möchte ich Ihnen jetzt kurz einen Fall schildern, auf Grund der kurzen Redezeit kann ich ihn nur gerafft bringen.

Ein angeblich algerischer Staatsbürger versucht im Februar 2004, über Italien illegal nach Österreich einzureisen – er wird nach Italien zurückgeschoben. Fünf Tage später: neuerliche Einreise aus Italien – er wurde in Innsbruck angehalten und in Schubhaft genommen wegen illegalen Aufenthaltes. Einen Monat später stellt er einen Asylantrag aus der Schubhaft, nach der Beratung durch eine Organisation. Er wird aus der Schubhaft entlassen wegen des Asylantrages. Noch in der Schubhaft hat er sich den Mund mit einem Draht zugenäht und ist in den Hungerstreik getreten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Im März 2004, also einen Monat später, bekommt er mehrere Anzeigen: Diebstahl, Körperverletzung, absichtliche schwere Körperverletzung, versuch­ter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Geldfälschung, Suchtmitteldelikte. Im Juli stellt sich heraus, dass er schon in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat. Daraufhin wird er nach Italien überstellt. Er kommt wieder nach Österreich zurück, wird wieder aufgegriffen, es wird wieder die Schubhaft verhängt, und so geht das weiter. – Und dann reden Sie davon, dass wir sagen, Missbrauch bestehe schon darin, dass jemand ein Rechtsmittel ergreift!?

Viele – ich würde nicht sagen alle, aber viele (Abg. Brosz: „Viele“ nähen sich den Mund zu!) – missbrauchen ganz einfach unsere Gesetze, und da ist eben Handlungs­bedarf gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann heute eigentlich von einem Sieg der Vernunft sprechen (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek), denn fast alle Abgeordneten des Nationalrates werden diesem Gesetz zustimmen. Auf die SPÖ wird sicher durch die Wahlen ein gewisser Druck ausgeübt, sodass man sich besonnen hat und doch zustimmen wird, aber im Großen und Ganzen weiß natürlich jeder – das haben ja auch schon meine Vorredner gesagt, außer Frau Stoisits –, dass es in Österreich einen enormen Asylmissbrauch gibt. Jeder hier weiß, dass viele Menschen, die nach Österreich kommen, keine Gründe nach der Genfer Konvention haben, son­dern ganz einfach hier einwandern wollen. Sie wollen sich hier sesshaft machen und wollen hier Aufenthalt finden.

Da hat sich ja ein ganz dramatisches Szenario herausgebildet. Es geht nicht nur darum, dass jemand ein Rechtsmittel gegen eine Berufung ergreift – Frau Abgeord­nete, das müssten Sie doch endlich auch einmal einsehen –, sondern da ist das Schlep­perunwesen, das wirklich ganz groß agiert, um Asylanten nach Österreich zu bringen. Da gibt es so genannte Asylwerber, die ihre Papiere wegwerfen, damit man die Identität nicht mehr feststellen kann. Dann gibt es welche, die gar kein Interesse an


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der Beendigung oder Fortführung ihres Asylverfahrens haben, weil sie untertauchen – 5 000 sind es ungefähr im Jahr. Dann gibt es welche, die immer wieder neue Flucht­gründe vorbringen, wenn ein abweisender Bescheid vorhanden ist, um das Verfahren zu verlängern. Weiters gibt es den Asyltourismus: nicht im ersten Land, in das man kommt, stellt man den Asylantrag, nein, man sucht sich das Land aus, in dem es offensichtlich am günstigsten ist.

Seit wir die Traumatisierung eingeführt haben, im Jahr 2003, behaupten 30 Prozent der Asylwerber, dass sie traumatisiert sind. Die Zahl dieser Behauptungen hat sprunghaft zugenommen!

Und dann gibt es noch diejenigen, die nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel mit einem abweisenden Bescheid in Schubhaft sind, abgeschoben werden sollen, aber sich aus der Schubhaft freipressen und hoffen, dass sie damit nicht mehr in Gewahrsam sind und in Österreich bleiben können.

Das sind Missstände, und mit diesen müssen wir uns befassen, und als Politiker haben wir die Aufgabe, dem gegenzusteuern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich – das gebe ich auch zu – sind es wahrscheinlich in jedem Fall tragische Umstände, die jemanden dazu bringen, nach Österreich zu kommen, außer wenn es um die organisierte Kriminalität geht, die ja bei den Drogendealern sehr stark im Hintergrund steht. Sonst sind es sicher sehr tragische Umstände. Aber wir können nicht mit unserem Asylrecht die Armut in der gesamten Welt bekämpfen, da müssen andere Instrumentarien her, da muss die Entwicklungshilfe einsetzen, europaweit, welt­weit. Da muss es Maßnahmen geben, die wirklich in dem jeweiligen Land greifen. Wir können nicht die Türen öffnen und sagen: Kommt alle zu uns, wir werden euch schon aus eurer Armut befreien! – So geht es ganz einfach nicht!

Wie gesagt, diese Missbräuche sind evident. Interessanterweise leugnen allerdings die Grünen diese Missbräuche, die NGOs leugnen diese Missbräuche ebenfalls teilweise. Sie wollen glauben machen, dass bei uns nur jemand ansucht, der wirklich verfolgt ist, dass er dann, wenn wir ihn zurückschieben, der Folter ausgeliefert ist, der Todesstrafe und so weiter. Aber, wie gesagt, so ist es nicht! Ein Großteil, der hierher kommt, ist nicht verfolgt, sondern möchte nur seine Lebensgrundlage verbessern. Es ist sein gutes Recht, dass er es versucht, aber unser gutes Recht ist es, dass wir ihm klar­machen, dass das ganz einfach nicht geht. Wer zu uns kommt, muss nach den Einwanderungsgesetzen einwandern, und Asylmissbrauch wird strengstens geahndet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ganz empörend finde ich ja, dass jemand, der über die Missbräuche spricht und Maßnahmen verlangt, dann von Frau Stoisits, von den Grünen und von den NGOs an den Pranger gestellt wird. (Abg. Öllinger: Sie Ärmste!) Wir sind dann die Unmenschen, wir sind dann diejenigen, die die Menschenrechte missachten. Das stimmt doch überhaupt nicht, sondern wir sind diejenigen, die den Rechtsstaat achten. (Abg. Öllinger: Ja, ja!)

Gott sei Dank hat ja die SPÖ eine Kehrtwendung vorgenommen. Ich habe schon erwähnt, Druck ist natürlich dadurch entstanden, dass im Herbst Wahlen anstehen, in der Steiermark, im Burgenland, aber insbesondere in Wien. Und Herr Bürgermeister Häupl weiß natürlich ganz genau, dass die Aufnahmekapazität in Wien und auch die Annahmewilligkeit der Österreicher erschöpft sind und dass Handlungsbedarf gegeben ist. So ist jetzt die Sinnesänderung der SPÖ zu verstehen. Das muss man sich schon klarmachen, denn im Grunde genommen gehören ja auch Sie zu jenen, die immer alles schönreden wollen und jede Maßnahme, die wir gesetzt haben, verdammt haben.


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Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns und für mich ist wichtig, dass wir auch die Interessen jener vertreten, die mit der Situation befasst sind, die beispiels­weise tagtäglich mit Drogendealern konfrontiert sind, von denen sich herausstellt, dass sie zum Großteil Asylwerber sind. Im Jahre 2004 sind 2 400 wegen Drogenhandel festgenommen worden, davon sage und schreibe 98 Prozent Asylwerber. Das sind nicht Asylanten, die hier sein wollen und hier ihr Asylverfahren abwarten, sondern das sind diejenigen, die von der organisierten Kriminalität nach Österreich geschickt wer­den und denen der Asylantrag die Möglichkeit gibt, sich hier aufzuhalten. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Das sind eben viele, die nicht nur das Asylrecht, sondern auch das Gastrecht miss­brauchen. Wir brauchen keine kriminellen Asylwerber! Wir müssen gegen die kriminel­len Asylwerber entschieden vorgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir hatten im Jahre 2002 39 354 Asylwerber in Österreich, 2003 32 359, 2004 ist die Zahl, auch auf Grund des neuen Gesetzes, auf 24 634 gesunken. Man muss schon auch den Staatsbürgern sagen, welche Kosten damit verbunden sind: Im Monat kostet die Bundesbetreuung rund 20 Millionen €. Das müssen ja die Österreicher aufbringen. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, diejenigen gut zu versorgen, deren Asylverfahren schnell abzuwickeln, die wirklich verfolgt sind, aber denjenigen, die missbräuchlich unser Asylrecht in Anspruch nehmen, einen schnellen Weg zu zeigen, wie sie wieder in ihr Heimatland oder in das Land, wo sie den ersten Asylantrag gestellt haben, zurückkommen.

Und dem dienen eben verschiedene Instrumentarien im neuen Gesetz, wie beispiels­weise das schnelle Zulassungsverfahren. Innerhalb von 20 Tagen soll abgeklärt werden, wer hat eine Chance auf ein Asylverfahren und wer ist nur da, ohne dass Gründe vorhanden sind.

Wir haben die Schubhaft deshalb verlängert, um eben abzuklären, woher jemand, der nicht an der Identitätsfeststellung mitwirkt, kommt. Wir haben auch das Dublin-Verfah­ren gesichert. Dublin-Verfahren heißt, dort, wo der erste Asylantrag gestellt wird, muss auch das Asylverfahren durchgeführt werden. Es wird auch bei Traumatisierten das Dublin-Verfahren gelten, nur wird eben untersucht, ob jemand transportfähig ist. Wenn festgestellt worden ist, dass es jemandem trotz Traumatisierung möglich ist zu reisen, dann kommt er in den Dublin-Staat.

Wir haben auch die so genannte Gebietsbeschränkung vorgenommen, das heißt, während des Zulassungsverfahrens darf der Asylwerber sich nur in einem bestimmten Bereich der Bezirkshauptmannschaft aufhalten und nicht woanders. Wir wollen damit die Drogenreisen verhindern, die von Traiskirchen aus nach Wien erfolgen. Das ist etwas, was ganz einfach nicht hingenommen werden kann und wo wir von der Bevölkerung ununterbrochen aufgefordert werden, zu handeln und das nicht anstehen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben jetzt auch die so genannte Zwangsernährung in das Gesetz aufgenommen. Das heißt, wenn jemand versucht, sich freizupressen, damit er der Schubhaft ent­kommt, dann wird er überstellt in eine Justizanstalt, in das Inquisitenspital, und von dort kann er dann in ein Krankenhaus überstellt werden.

Warum in den letzten Tagen nur noch über die Zwangsernährung gesprochen worden ist, das ist mir eigentlich überhaupt nicht klar. Es ist doch völlig einsichtig, dass sich der Rechtsstaat nicht erpressen lassen kann. Wenn Sie eine Verkehrsstrafe erhalten, wenn Sie eine Steuerstrafe zu verbüßen haben und Sie zahlen nicht, dann kommen Sie in Verwaltungshaft, und dann möchte ich wissen, ob es da möglich ist, sich freizupressen. – Nein, es ist nicht möglich, und es tut auch niemand! Aber es hat sich


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eingebürgert, dass sich immerhin 1 000 Schubhäftlinge im vergangenen Jahr freige­presst haben. Und dass man dagegen etwas tun muss, das liegt doch eigentlich auf der Hand.

Wenn Herr Abgeordneter Darabos gesagt hat, es gibt keine Zwangsernährung, dann meine ich, da machen Sie nichts anderes als eine Selbsthypnose, denn Sie sugge­rieren Ihren Abgeordneten, damit sie zustimmen, händeringend bitten Sie, doch zur Kenntnis zu nehmen, dass es die Zwangsernährung in Wirklichkeit nicht gibt. (Abg. Schieder: Vorlesen!)

Herr Abgeordneter Darabos, wesentlich für ein funktionierendes Asylsystem ist nicht, was die SPÖ-Führung ihren Abgeordneten suggeriert, sondern es ist wesentlich, was im Gesetz steht, und im Gesetz steht, dass unter bestimmten Umständen die Zwangs­ernährung durchgeführt werden kann. Und wir bekennen uns dazu. (Weitere Rufe bei der SPÖ: Vorlesen!) Wissen Sie, es ist ja auch paradox, denn da gibt es ja auch einen Widerspruch. Herr Bundespräsident Fischer möchte von jedem Fall erfahren, und Sie wollen es leugnen. Schauen Sie, Sie können sich in die eigene Tasche lügen, das ist mir eigentlich völlig egal, wir haben das Gesetz, wir haben das wirklich durchgesetzt.

Ich kann Sie ja schon wieder beruhigen. Wir haben im Ausschuss auch den Verfas­sungsexperten Raschauer gehabt. Er hat gesagt, „nach Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention sei ein Staat verpflichtet, Personen, die in seinem Gewahr­sam sind, am Leben zu erhalten“. Irgendetwas muss er machen, es geht nur um die Frage: wie. Und bitte ja nicht romantisch träumen von „die Alternative heißt Freilassen“, denn Freilassen ist keine Alternative, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss sich ändern, und das wird sich auch ändern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Posch ist ja heute daheim geblieben. Aber da sieht man ja, welche Kräfte in der SPÖ wirklich wirken. Herr Posch hat sich ja schon dagegen gewehrt, dass die Schub­haft verlängert wird, er hat sich gegen die Gebietsbeschränkung gewehrt, er hat sich selbstverständlich auch gegen die Zwangsernährung gewehrt. Aber, wie gesagt, wir werden Missbräuche nicht mehr zulassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bekenne mich dazu, Österreich wird weiterhin ein Asylland bleiben für diejenigen, die echt verfolgt sind, die Gründe nach der Genfer Konvention haben, aber Österreich wird sich sicher nicht den Missbrauch, der bisher geherrscht hat und nicht genügend bekämpft worden ist, gefallen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­ministerin Prokop. 15 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


11.08.07

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Regierungskollegin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Bei meiner Antrittsrede am 22. Dezember vorigen Jahres habe ich zwei große Schwerpunkte, die die Sicherheit unseres Landes betreffen, definiert. Das, was in dieser Legislaturperiode geschehen sollte und geschehen muss, war zum einen die Schaffung einer modernen, einheitlichen Polizei und zum Zweiten eines wirkungsvollen und zugleich menschlichen Asylsystems, eingebettet in einen entsprechenden fremdenpolizeilichen Rahmen.

Wir haben uns sehr bemüht, diese Themen der Sicherheit auf möglichst breiter Basis zu diskutieren, und es wird jetzt an uns liegen, diese Themen auch möglichst breit umzusetzen.


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Vor einer Woche ist die neue Polizei Realität geworden. Es ist die größte Moder­nisierung in der Geschichte der Exekutive, und heute sollen ein neues Asylgesetz, ein neues Fremdenpolizeigesetz, ein neues Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz durch den Nationalrat verabschiedet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Gesetz ist nicht, wie wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten in den Medien vernehmen konnten, im „stillen Kämmerlein“ entstanden, sondern ist auf breiter Basis diskutiert worden, und es ist auch kein theoretisches Gesetz und Konzept. Wir haben ganz bewusst sehr breit in alle Abläufe all jene Bereiche eingebunden, die mit dem Vollzug betraut sind, die den Vollzug genau kennen und analysiert haben.

Wir haben eine Reihe von Praktikern, auch NGOs, in diese Diskussion eingebunden und Verbesserungsvorschläge erhalten. Wir haben hervorragende Rechtsexperten laufend kontaktiert, und schließlich haben wir in einer großen, auch sehr offenen Diskussion mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien versucht, dieses Thema aufzuarbeiten und zu einem Gesetz zu machen, das auch breiten Konsens findet.

Ich freue mich über diesen breiten Konsens. Ich halte das für eine notwendige Maß­nah­me. Vor allem haben wir in der notwendigen Zielsetzung im Bereich Asyl und Migration deutlich gesehen, dass es quer durch die Parteien und Organisationen, quer durch die Expertenreihen Konsens gibt. Dieser Konsens lautet einfach: Hilfe, wo es um Hilfe geht, Stopp dort, wo es um Missbrauch geht – und es gibt Missbrauch, Herr Ab­geordneter Van der Bellen; wir verallgemeinern das nicht, aber es gibt Missbrauch –, und Strafe, wo es um Kriminalität geht. Und auf diesem Konsens baut das Gesetz auf.

Zum Ersten wollen wir möglichst menschliche Rahmenbedingungen schaffen, und da sind noch viele Maßnahmen notwendig. Vor allem möchte ich auch betonen: Eine Schubhaft kein „Häf´n“, sondern wir werden versuchen, Rückführungszentren so zu installieren, dass sie menschlich sind. (Beifall bei der ÖVP.) Es geht auch darum, dass wir rasch Hilfe geben.

Der zweite Punkt, der ganz wichtig ist, ist, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern eine möglichst hohe Sicherheit bieten können, dort, wo es um Missbrauch geht, dort, wo es auch um kriminelle Handlungen durch Schlepper oder andere Kriminelle geht. Aber wir wollen und wir müssen auch rascher jene Missbräuche durch solche Men­schen abstellen, die Asyl auch als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge missbrauchen.

Ganz, ganz wichtig ist, dass wir wirksame Maßnahmen und Verfahren für jene Asyl­werber entwickeln, die straffällig werden. Wir hatten allein im vergangenen Jahr 12 000 Tatverdächtige, die auch um Asyl angesucht haben.

Ich danke allen, die diesen Konsens mit erarbeitet haben: aus sicherheitspolitischer Notwendigkeit, aber auch um der Menschlichkeit zu dienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich weiß, dass es für eine große Oppositionspartei nicht leicht ist, hier mitzugehen. Aber ich sage danke für diese wirklich wichtige Diskussion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist genau das, was die Menschen von uns, von der Politik erwarten, dass wir in grundlegenden Fragen gemeinsam Lösungen suchen und sie letztlich auch finden. Dieser parteiübergreifende Konsens ist auch eine Bestätigung dafür, dass wir mit Sorgfalt an die Sache herangegangen sind, um das Ziel in diesem neuen Gesetz, eine Übereinstimmung mit Verfassungsrecht, Menschenrecht und Völkerrecht, zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solange es Juristinnen und Juristen gibt, wird es gerade in sensiblen Bereichen auch unterschiedliche juristische Meinungen geben.


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Und da ist die Verantwortung der Politik gefragt, mit besonderer Sorgfalt und unter Abwägung all dieser Meinungen Entscheidungen zu treffen. Das ist unsere Aufgabe. Und wir werden nunmehr dann im Vollzug mit sehr viel Sensibilität, aber auch Transparenz darauf achten, dass das auch entsprechend vollzogen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Aufgabe hatten wir in diesem Paket Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz, Nieder­lassungs- und Aufenthaltsgesetz. Das ist meiner Meinung nach das umfassendste Gesetzeswerk, das es zu dieser Materie je gegeben hat. Daher glaube ich auch, Frau Abgeordnete Stoisits, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass wir all diese Themen zusammenfassen, denn wir haben in der Diskussion mit den Parteien, mit den NGOs, den Kirchen und Interessensvertretern gesehen, dass das ineinander fließt, dass wir da richtig liegen und dass diese Bereiche wie Zahnräder ineinander greifen. Sie können daher auch nur gemeinsam zufrieden stellend geregelt werden.

Wir brauchen klare Bestimmungen, unter welcher Voraussetzung Fremden Aufenthalt und Niederlassung in Österreich gewährt wird und sie dazu berechtigt sind. Wir brauchen aber auch – und das ist ganz wichtig – eine verbesserte Integration, da insbesondere bei der Sprache, und das wird in der Integrationsvereinbarung auch kommen. Wir brauchen eine möglichst gute und zügige Integration jener Zuwanderer, die legal und dauerhaft in Österreich sind und sein werden.

Da diese Materien so eng miteinander in Verbindung stehen, ist es umso wichtiger, auch eine inhaltliche Unterscheidung zwischen Asyl und Migration zu treffen. Wer diese beiden Bereiche inhaltlich vermischt, der schadet jenen, die wirklich Hilfe vor Verfolgung brauchen, und schadet auch dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis unse­rer Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben versucht, diese Trennung zwischen Asyl, Schutz für Verfolgte, Migration und weltweiter Wanderbewegung aus den verschiedensten Gründen von Nicht-Schutz­bedürftigen auch wirklich genau zu beachten. In Hinkunft werden wir versuchen, zwei Ziele zu erreichen: zum einen die wirklich große Tradition der Hilfsbereitschaft in unse­rem Lande – wir haben das immer wieder unter Beweis gestellt, und es wird weiterhin genauso möglich sein –, zum Zweiten die Erfüllung der berechtigten Sicherheits­inter­essen unserer Bürgerinnen und Bürger.

Österreich leistet heute schon Gewaltiges; es sind schon Zahlen genannt worden. Derzeit sind es jährlich rund 28 000 Menschen, die gemeinsam mit den Ländern, mit den NGOs in Österreich betreut werden. Die Statistik des UNHCR zeigt auch, dass Österreich mit drei Asylwerbern pro 1 000 Einwohner weltweit absolut im Spitzenfeld liegt.

Es ist mir daher wirklich gerade auch am heutigen Tag ein vom Herzen kommendes Bedürfnis, den Österreicherinnen und Österreichern für ihre Hilfsbereitschaft, aber auch für ihre Bereitschaft, Fremde aufzunehmen, zu danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Umso mehr ist es auch ein Anliegen, den Menschen in unserem Lande Hilfe oder Schutz vor Missbräuchen des Asyl- und Fremdenrechtes zu geben, denn das ist die logische Konsequenz aus der Bereitschaft der Österreicher.

Abschließend möchte ich allen danken, die diesen Weg der Menschlichkeit und der Sicherheit mitgegangen sind: den beteiligten hochrangigen Rechtsexperten, den Prak­tikern, den Praktikern aus dem NGO-Bereich, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung – es haben da viele Ministerien zusammengearbeitet. Last but not least möchte ich den Politikerinnen und Politikern der verschiedenen Parteien in diesem Haus ein ganz herzliches Danke sagen. Es war eine konstruktive, manchmal eine sehr


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harte, aber sehr intensive Diskussion, die wir über lange Strecken geführt haben; aber ich habe das für sehr wichtig gehalten.

Ich hoffe nunmehr, dass wir bei der Umsetzung dieses Gesetzes diesen breiten Weg des Konsenses auch in Zukunft gehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

11.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abgeord­nete der Grünen halten Tafeln mit Bildern ehemaliger Flüchtlinge in die Höhe.)

 


11.18.38

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der grüne Klub zeigt Ihnen jetzt deswegen noch einmal diese Bilder, weil sie ein ganz, ganz wichtiges Prinzip in Demokratien beschreiben, nämlich dass man Verfolgten Schutz gewährt – ein anti­faschistisches Prinzip, übrigens das antifaschistische Prinzip. (Abg. Neudeck: Das haben wir ja weiter vor! – Zwischenrufe des Abg. Scheibner.)

Diese Menschen haben in anderen Ländern Schutz gefunden. Wir sollten diesen Län­dern dankbar sein – und wir sollten diese Tradition als Basis für solche Gesetze, wie wir sie heute beschließen, nehmen, nicht aber andere Prinzipien. (Beifall bei den Grünen.)

Von Seiten der ÖVP, vom Klubobmann der ÖVP war heute zu hören, es sei das ein guter Tag für die österreichische Sicherheit. Wenn man so ein Bild verwendet, es geht hier um die österreichische Sicherheit, kann ich nicht folgen. (Abg. Neudeck: Wann war denn das, dass diese Leute geflohen sind? – Weitere Zwischenrufe bei den Frei­heitlichen. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ich meine, wenn man über Sicherheitsinteressen debattiert, dann habe ich im Hintergrund im Kopf: Diskussion über Abfangjäger, Diskussion über militärische Bedrohungen, Kriminalität, aber ich habe nicht im Kopf Menschen, die vor Verfolgung geschützt werden wollen und deswegen nach Österreich kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Klubobmann Molterer, Sie haben heute gesagt: Wer gegen dieses Gesetz ist, wer dieses Gesetz heute nicht mitbeschließt, ist gegen die Sicherheit Österreichs. (Rufe bei der ÖVP: Genau!) – Das ist eine beispiellose Verdrehung und Verwirrung, beispiellos, weil Sie als Hintergrund, als Grundprinzip dieses Asylrechts, dieses Fremdenpaketes (Abg. Dr. Brinek: Verdrehen und vereinfachen!), das Bild haben, dass Menschen, die vor Verfolgung geschützt werden wollen und deswegen nach Österreich kommen, per se kriminell seien. Und das ist zutiefst verwerflich und einer christlichen Partei nicht würdig! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Sie vergleichen das demokratische Österreich mit dem Nazi-Regime?!)

Wer heute für dieses Gesetz stimmt, nimmt in Kauf, dass Menschen, die unter Umstän­den Asylgründe nicht im richtigen Moment vorbringen können, abgeschoben werden können und letztendlich vor der Frage Leben oder Tod stehen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Mein Gott!) Das nehmen Sie mit diesem Gesetz in Kauf! Und die Tradition, die Sie hier so sehr loben, die Tradition von 1956, 1968, der siebziger Jahre, die hat Österreich einmal gehabt im Bereich Flüchtlingshilfe, aber diese Tradition ist spätestens mit dem heutigen Tag beendet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ellmauer: Völlig falsch! Schauen Sie sich doch die Zahlen an!)

Frau Innenministerin, Sie sprechen von „Flüchtlingsströmen“, von denen Österreich überschwemmt werde Wissen Sie wirklich, was Flüchtlingsströme sind? – Diese folgen auf Ereignisse in afrikanischen Ländern beispielsweise, die nichts haben – Darfour


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zum Beispiel –, die wirklich von Hunderttausenden von Flüchtlingen umgeben sind und die mit dem fertig werden müssen, aber nicht ein reiches Land wie Österreich. Da verwechseln Sie völlig die Tatsachen!

Ich möchte noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Warum ist überhaupt eine Repa­ratur des Gesetzes notwendig gewesen? – Weil der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, das Gesetz ist in wesentlichen Punkten verfassungswidrig. Dieses Ihr Paket be­deutet eine drakonische Verschärfung des gesamten Bereiches Asyl, Menschen­rechte, Fremdenpolizeirecht, aber auch Grundrechte von Österreicherinnen und Öster­reichern. Es geht auf einmal um mehr Polizei, um Strafen, um drakonische Strafen, um Krimi­nalisierung, um Kriminalisierung jedes Österreichers/jeder Österreicherin, die mit ausländischen Staatsbürgern zu tun haben.

Und noch einmal das Beispiel: Bis 1989 sind Menschen, die Nicht-Österreichern bei der Flucht aus ihrem Land geholfen haben, noch vom Landeshauptmann mit Ehren­urkunden ausgezeichnet worden. – Mit diesem Gesetz werden sie mit Tagsätzen, mit Straftagsätzen bis zu einem Jahr bestraft, kriminalisiert. (Abg. Mag. Molterer schüttelt verneinend den Kopf.)

Sie, Herr Klubobmann Molterer, brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln! Der Geist dieses Gesetzes ist geprägt von dem Unterschied zwischen Mensch und Mensch, den wir in Europa schon einmal hatten, einen Unterschied zwischen Mensch und Mensch, zwischen Kindern.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Zwei Kinder, die beide in Österreich geboren sind; der eine heißt Anton, der andere heißt Ali. Stichwort: jedes Kind ist gleich viel wert: Beide kommen in die Pubertät, beide kommen in die „wilden“ Jahre; schwierige Burschen, ja, sie werden beide straffällig. Was passiert mit Ali? Was passiert mit Anton? – Ali kommt vielleicht zurück in die Türkei, wo er noch nie gewesen ist, in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht, und Anton wird in die österreichische Gesellschaft re-integriert.

Ist das nicht ein Unterschied zwischen Mensch und Mensch, den niemand mehr verstehen kann? Können Sie das in irgendeiner Weise verantworten?! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja keine Asylangelegenheit! Und Kriminelle haben wir selber genug!)

Frau Partik-Pablé, ein anderes Beispiel, das sich in diesem Gesetz findet. Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind eine bosnische Frau, Sie haben sexuelle Gewalt erlebt und müssen das in Österreich in erster Instanz alles nachweisen, alles vorbringen. Sie kommen in diesen Raum und wissen: Wenn ich es jetzt nicht sage, habe ich keine Chance mehr, Asyl zu bekommen. Sie sitzen drinnen, und Sie müssen dann einem Mann erklären, was Ihnen passiert ist. Sie haben kein Recht auf eine Frau als Dolmetscherin in Ihrer Sprache, die das übersetzt, was Ihnen passiert ist. Wie können Sie das vertreten? Können Sie sich in solche Frauen hineinversetzen? – Ich glaube nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das stimmt ja nicht! Nicht einmal das stimmt! – Abg. Scheibner: Sie lesen das Gesetz nicht!)

Das ist nach wie vor im Gesetz drinnen. Lesen Sie die Stellungnahmen von „amnesty“ und so weiter!

Ein anderes Beispiel. Wir reden von Traumatisierten und Folteropfern. Wissen Sie, was traumatisierte Menschen sind? Wissen Sie, was Menschen passiert, die traumatisiert sind? – Das sind Kinder, das sind Jugendliche, das sind erwachsene Männer und Frauen, die Schreckliches mitansehen mussten, zum Beispiel die Erschießung ihrer Familie, zum Beispiel die Vergewaltigung ihrer Tochter, die so etwas mitansehen mussten. Diese Menschen haben ein Trauma, diese Menschen tragen etwas unglaub­lich Schweres mit sich herum. Und dafür hat es eine Schutzklausel gegeben in dem


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Asylrecht, das bis jetzt gegolten hat. Diese Schutzklausel wird abgeschafft. Diese Menschen, Traumatisierte und Folteropfer, unterliegen keinem besonderen Schutz mehr. Wie können Sie das verantworten, Frau Partik-Pablé?! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie reden lauter Blödsinn! Das ist falsch, was Sie sagen! Lesen Sie das Gesetz! Sie waren in keinem Ausschuss, Sie haben das Gesetz nicht gelesen!) Nein, das sind alles Beispiele! Das ist nicht falsch! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte Ihnen noch ein paar Beispiele bringen. Kollege Molterer hat gesagt, dieses Gesetz sei garantiert konform mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Das haben Sie das letzte Mal auch gesagt. Sie haben gesagt: Wir garantieren dafür, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist! Wer soll Ihnen noch glauben, Herr Kollege Molterer?! (Beifall bei den Grünen.)

Ein ganz simpler Vergleich: der Begriff „Verfolgung“ in der Genfer Flüchtlings­konvention – und jetzt in dem neuen Gesetz.

Stellen Sie sich vor, Herr Kollege Molterer, Sie sind ein freiheitsliebender und demo­kratiebewusster Kurde und wollen in Österreich dagegen auftreten, dass Ihre Bevölke­rungsgruppe dort unterdrückt wird, ihre Sprache nicht sprechen kann, und Sie werden hier in Österreich aktiv, um Ihrer Verwandtschaft, Ihrer Familie, Ihren Volksgruppen­angehörigen im Iran, im Irak, in Syrien und in der Türkei zu helfen. Sie werden hier aktiv und müssen deswegen, wenn Sie zurückkehren nach Syrien, Iran, Irak, Türkei, mit Verfolgung rechnen. (Abg. Großruck: Sie werden nie Parteiobfrau werden!) Das wird nicht mehr als Flüchtlingsgrund anerkannt. Sie können dort hinfahren und sich direkt ins Gefängnis setzen, vielleicht sogar der Todesstrafe ausgesetzt sein. Das verantworten Sie mit diesem Gesetz! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Aber warum haben Sie dem alten, guten Asylgesetz nicht zugestimmt?)

Die Schutzklausel für Traumatisierte und Folteropfer. – Sie wissen, was mit diesen Menschen passiert, wenn sie in Schubhaft sind? Wie kann man jemanden, der Schreckliches erlebt hat, in eine Einzelzelle stecken, wenn er dann vielleicht in einen Hungerstreik tritt? Und das Beispiel, das Sie genannt haben, das Beispiel des Menschen, der sich mit einem Draht den Mund zunäht, wo Sie geradezu anklagend sagen: Wie kann jemand so etwas machen? Wie kann uns jemand so etwas antun, dass er den Rechtsstaat erpresst? Sie fragen sich nicht, warum ein Mensch sich selber so was antut, was einem solchen Menschen widerfahren sein muss, dass er zu solchen Mitteln greift, zu solchen verzweifelten Mitteln greift, dass er so etwas tut! Fragen Sie sich das nicht? Was haben Sie dort, wo andere Menschen Mitgefühl haben?! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Fragen Sie einmal das Opfer von dem! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie nehmen einen Vergewaltiger in Schutz!)

Zwangsernährung. – Wem soll man glauben? Die FPÖ sagt, Zwangsernährung ist explizit im Gesetz geregelt, die SPÖ sagt: definitiv nicht. § 78 Abs. 6 mit Verweis auf das Fremdenpolizeigesetz und so weiter und so fort. Und jetzt möchte ich Sie eines fragen. Wie stellen Sie sich das vor? Das ist eine äußerst blutige, unangenehme Angelegenheit, jemandem, der sich wehrt, über die Nase eine Magensonde einzu­führen. Was glauben Sie, wie das in unseren Justizanstalten ablaufen wird? Glauben Sie tatsächlich, das geht ohne Unfälle, ohne Zwischenfälle, ohne Todesfälle über die Bühne? Es wird wohlweislich in ganz Europa nirgendwo gemacht – nirgendwo!

In anderen Ländern war man entsetzt darüber, dass das in Österreich ernsthaft dis­kutiert wird, bei Menschen, die nichts getan haben, die sich von uns nur dadurch unterscheiden, dass sie nicht österreichischer Staatsbürger sind. Die haben gegen kein Gesetz verstoßen, sind nicht kriminell geworden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Illegal eingewandert! Kriminell!), sondern sie sollen abgeschoben werden. Sie sind keine Kriminellen, das ist etwas anderes. Und gegen diese Menschen wollen Sie solche


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drakonischen, brutalen Maßnahmen verhängen?! Ich finde das letztklassig, und ich finde, das ist genau der Unterschied, den es in Europa nie wieder geben darf, nämlich den Unterschied zwischen Mensch und Mensch, nur weil jemand nicht etwas in der Tasche hat, was wir in der Tasche haben, nämlich den österreichischen Reisepass. (Beifall bei den Grünen.)

Nun noch an die SPÖ gerichtet, deren Reihen jetzt leer sind. SPÖ-Chef Gusenbauer hat gesagt, die Schubhaft zu einer Dauereinrichtung zu machen, sodass die Mög­lichkeit besteht, dass jeder Asylwerber während der gesamten Dauer des Asylverfah­rens im Gefängnis sitze, ohne dass er sich etwas zu Schulden habe kommen lassen, sei mit dem Grundrecht nicht vereinbar und nicht akzeptabel. Das Ministerium müsse sich bewegen.

Ich hätte dem Kollegen Darabos, der heute im „NEWS“ sagt, er müsse jetzt durch ein „Stahlbad“ gehen, gewünscht, dass er vor den Verhandlungen durch ein Stahlbad gegangen wäre – und nicht, ohne irgendeinen nachweislichen Verhandlungserfolg, in einem so ungeheuer sensiblen Bereich umzufallen!

Und ein Letztes noch. Kommentatoren haben vermutet, die SPÖ mache das, um hier eine Imagekorrektur, eine strategische Neupositionierung im Bereich Sicherheit vorzu­nehmen. Ich finde, der Bereich Grundrechte, Menschenrechte, Asylverfahren ist für eine Neupositionierung der völlig falsche Ort. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

11.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Kößl. Auch für Sie, Herr Abgeordneter, 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.28.37

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister für Inne­res! Frau Bundesminister für Justiz! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe mir jetzt erwartet, dass einige Argumente kommen, warum die Grünen diesem Gesetz nicht zustimmen. – Es sind jedoch keine Argumente gekom­men. (Abg. Mag. Stoisits: Haben Sie nicht zugehört?) Das, was gekommen ist, war nicht richtig.

Ich beginne bei Frau Kollegin Stoisits, die gesagt hat, Kinder kämen in Schubhaft! Da ist sie nicht richtig informiert. Sie weiß ganz genau, dass es seit Jahren einen Erlass gibt, dass Kinder nicht in Schubhaft genommen werden dürfen! Das wird also nicht gemacht.

Das Nächste ist, dass Frau Kollegin Glawischnig erklärt hat, Frauen würden von Männern befragt. (Abg. Mag. Stoisits: Es gibt keine weiblichen Dolmetscher!) – Das ist ebenfalls nicht richtig! Man weiß ganz genau, dass Frauen von Frauen befragt und einvernommen werden. (Abg. Mag. Stoisits: Ja, und von Männern gedolmetscht! Das ist die Realität! Waren Sie schon einmal beim Bundesasylamt? – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Ich bitte Sie: Zeigen Sie nochmals die Bilder, die Sie jetzt in Händen haben, denn kein einziger der da abgebildeten Menschen ist irgendwo und irgendwann einmal kriminell geworden! Heute aber ist es erforderlich, ein neues Asylgesetz zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... verstehen nur etwas von der Polizei, sonst nichts! –  Abg. Mag. Stoisits: Kein Wunder! Er ist ja auch der Sicher­heitssprecher – und nicht der Menschenrechtssprecher!)

Geschätzte Damen und Herren, klar ist – ich glaube, davon können wir alle ausgehen; Frau Kollegin Partik hat es bereits erwähnt –: Für die Bevölkerung ist es in keiner Weise verständlich, wenn wir nicht gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, straffällige Asylwerber außer Landes zu bringen beziehungsweise


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Maßnahmen zu setzen, dass Missbrauch und natürlich auch solche Straftaten verhindert werden.

Es ist den Menschen nicht erklärlich, dass die Täter, die Postler in Wien überfallen haben, nach zahlreichen Straftaten – obwohl sie natürlich auch verurteilt worden sind – immer noch in Österreich waren und weitere Straftaten setzen konnten. Das kann man niemandem erklären!

Ich habe mich vergangenen Sommer in Traiskirchen überzeugen können bei einem Kaufmann, der erklärt hat: Es ist für uns unverständlich, dass Asylwerber jeden Tag zu uns kommen und bei uns Ladendiebstähle durchführen. Das wird angezeigt, die Exekutive kommt, holt sie – und am nächsten Tag sind sie wieder da.

Genau das sind die Fälle, die es erforderlich machen, heute in Österreich ein neues Asylgesetz zu beschließen.

Das sind keine Einzelfälle! Es sind Hunderte, es sind Tausende derartige Fälle, und die Bevölkerung sieht nicht ein, dass Österreich diesen Leuten nicht nur Hilfeleistung zukommen lässt, sondern dass ihre Gastfreundschaft von diesen Menschen rigoros missbraucht wird.

Wenn wir dieses Geld einsetzen für all jene, die tatsächlich der Hilfe bedürfen, die tatsächlich einen Asylgrund vorbringen, dass sie in unserem Land rasch und unver­züglich zu ihrer Rechtssicherheit kommen, dann hat es Sinn. Aber es hat keinen Sinn, Geld auszugeben für Asylwerber, die unsere Gastfreundschaft missbrauchen und kriminelle Handlungen in unserem Lande setzen.

Geschätzte Damen und Herren! Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 wird heute ein wesentlicher Schwerpunkt im Sicherheitsbereich gesetzt. Diesem Gesetzesvorhaben sind intensive Diskussionen, Verhandlungen, Besprechungen und Sitzungen voraus­gegangen, und ich freue mich wirklich, dass es diese Gesetzesvorlage gibt und diese einen breiten Konsens gefunden hat.

Ich möchte von dieser Stelle aus allen Danke sagen, die einen konstruktiven Beitrag zum Zustandekommen dieses Asylgesetzes geleistet haben. Mein besonderer Dank gilt der Frau Innenministerin und ihrem Team: Sie haben da eine großartige Leistung erbracht! – Und es ist ja schon angeklungen, dass es eine Reform ist, die es im Innenressort wahrscheinlich noch nie gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Der erzielte Konsens ist außerdem sehr erfreulich, weil es sich gerade beim Asyl­bereich um eine sehr heikle und komplexe Materie handelt, um eine Materie, die auch in der Bevölkerung mit sehr vielen Emotionen verbunden ist.

Österreich bleibt auch mit dem neuen Asylgesetz eine Insel der Menschlichkeit in allen Belangen, und ich glaube, dass es in keiner Weise einen Grund dafür gibt, dieses Gesetz anzuzweifeln: weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach der Menschenrechtskonvention oder nach unserer Bundesverfassung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist heute auch schon gesagt worden, dass Österreich bezogen auf seine Bevölke­rungszahl, was Asylanträge angeht, europaweit führend ist. 24 600 Personen haben im Jahre 2004 in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt, rund 28 000 Personen befin­den sich in der Grundversorgung. Hier möchte ich auch den Bundesländern ein herz­liches Dankeschön sagen, die auf Grund der Artikel 15a-Vereinbarung einen wesent­lichen Beitrag für die Versorgung dieser Menschen leisten.

Tatsache ist aber auch, dass Österreich ein sehr humanes und tolerantes Asylgesetz hat und immer bemüht war und immer bemüht sein wird, bei Veränderungen alle


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Verantwortungsträger mit einzubinden. Auch das ist bei diesem neuen Asylgesetz geschehen.

Es ist aber natürlich klar, dass auf Grund unserer geographischen Situation und auf Grund des sehr humanen Asylgesetzes auch viele Probleme auf uns zugekommen sind. Daher ist es auch erforderlich, verschiedene Veränderungen vorzunehmen – und nicht nur wegen des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses. Ich möchte auch klar­stellen, dass der Verfassungsgerichtshof nicht das Gesetz aufgehoben hat – 95 Pro­zent des Asylgesetzes 2003 sind bestätigt worden –, sondern das Asylgesetz nur in drei Punkten beeinsprucht wurde, und das muss natürlich fristgerecht behoben werden.

Aber eines ist auch klar: Die Verfahren dauern nach wie vor zu lange; da muss eine Änderung vorgenommen werden. Es ist immer wieder vorgekommen, ja es kommt tagtäglich vor, dass Asylwerber, die bereits in Erfahrung gebracht haben, dass es einen negativen Bescheid gibt, untertauchen, sodass das Asylverfahren verzögert wird. Auch das muss durch das neue Gesetz unterbunden werden. Es ist nach wie vor in einigen Bereichen dem Asylmissbrauch Tür und Tor geöffnet, und da sind eben entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Viele kommen – das habe ich bereits erwähnt –unter dem Deckmantel Asyl in unser Land, und in der Folge kommt es zu kriminellen Machenschaften. Diese Art von Kriminalität muss konsequent und mit Nachdruck bekämpft werden!

Zusammenfassend möchte ich festhalten: Ziel dieses neuen Asylgesetzes ist die Beschleunigung der Verfahren, die Verhinderung von Missbrauch und das konse­quen­te Vorgehen gegen straffällige Asylwerber. Ich glaube – das möchte ich ab­schließend noch einmal betonen – , dass dieses Asylgesetz wirklich ein Gesetzes­konvolut ist, wo die Menschlichkeit im Vordergrund steht, wo der Asylwerber im Vordergrund steht, der tatsächlich Hilfe braucht, der unsere Unterstützung braucht – aber keinesfalls Asylwerber, die kriminelle Handlungen in Österreich gesetzt haben oder nach Öster­reich kommen, um kriminelle Handlungen zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Parnigoni. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


11.37.54

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Asyl-Problematik ist in unserer Gesellschaft eine ganz offensichtliche. Und damit es zu keinen Geschichtsfälschungen kommt, darf ich nochmals an einige Dinge in diesem Zusammenhang erinnern.

Erstens hat diese Regierung – noch unter Innenminister Strasser – trotz massiver Beden­ken ein völlig vermurkstes Asylgesetz durchgedrückt, das vom Verfassungs­gerichts­hof, wie wir ja wissen, aufgehoben wurde. – Das ist übrigens eines der traurigen Beispiele für die Inkompetenz dieser Regierung. Und deshalb, Herr Klubob­mann Molterer, ist Ihre Aussage, dass diese Regierung nur richtige Politik mache, einfach falsch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Warum geht die SPÖ dann mit? Warum schwenkt die SPÖ dann auf Regierungslinie?)

Aber nicht genug damit, meine Damen und Herren: Diese Regierung hat durch ihre kurzsichtige Personalpolitik – trotz massiver Bedenken der SPÖ bei jeder Budget­debatte – nicht genügend Beamte beim Bundesasylamt und beim UBAS bereitgestellt. Daher war es auch nicht möglich, die Verfahren rasch und fair abzuwickeln, was ja eigentlich im Sinne aller Asylwerber gewesen wäre.


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Zum Zweiten: Es ist natürlich nicht zu leugnen, meine Damen und Herren, dass in vielen Fällen auch die Zahl jener Menschen angestiegen ist, die Asyl für sich reklamieren, obwohl ihnen kein solches zusteht. Auf Grund dieser widrigen Verhält­nisse in der Asylpolitik und durch gewisse Strukturen der organisierten Kriminalität, die da entstanden sind, ist auch die Kriminalität in der Gruppe der Asylwerber gestiegen, wobei die widrigen Lebensumstände dieser Menschen dies oftmals geradezu erzwun­gen haben. Das ist ein Faktum, meine Damen und Herren, an dem niemand vorbeikommt, und dieser Umstand hat in den letzten Jahren die Beunruhigung inner­halb der Bevölkerung mehr und mehr ansteigen lassen.

Zum Dritten: Derzeit haben wir rund 28 000 offene Asylverfahren. Das sind, Hohes Haus, aber auch 28 000 Menschenschicksale, ungewisse Menschenschicksale, und diese Situation machen sich leider auch kriminelle Organisationen zunutze, sodass die Gefahr einer fremdenfeindlichen Stimmung in der Bevölkerung wächst. Und das, meine Damen und Herren, gilt es unbedingt zu verhindern, und zwar nicht nur durch Worte, sondern auch durch entsprechende Maßnahmen.

Auf Grund dieses Debakels – Erkennntis des Verfassungsgerichtshofes – musste die Regierung nachsitzen. Und statt einer Reparatur wurde ein neues Gesetz entwickelt, weil das alte offensichtlich nicht mehr reparabel war.

Allerdings war unsere Enttäuschung groß, als Sie, Frau Innenministerin, den ersten Entwurf vorgelegt haben. Der Aufschrei bei den NGOs, beim UNHCR war vollkommen berechtigt, und wir von der SPÖ konnten ja mehr als 40 – übrigens der Verfas­sungsdienst des BKA auch – Verfassungsverletzungen nachweisen. (Abg. Dr. Spin­del­egger: Zuerst waren es gerade noch 50!)

In dieser schwierigen Ausgangssituation hat sich die SPÖ im Sinne der öster­reichischen Staatsbürger, aber auch im Sinne der Asylwerber dazu entschlossen, in Verhandlungen mit der Regierung einzutreten, um einen neuen und vernünftigeren Gesetzestext zu erreichen.

Uns ging es um vier Punkte, die ich jetzt nochmals klarstellen möchte: Die SPÖ wollte ein Gesetz, das auf eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren abzielt. Es musste zum Zweiten auch eine brauchbare Grundlage zur Bekämpfung des Asylmissbrauchs erreicht werden. Zum Dritten muss das Gesetz grundrechtskonform sein und den Men­schenrechten entsprechen und vor allem – viertens – auch unserer Verfassung. – Die­se Vorgaben konnten nach monatelangen Verhandlungen letztendlich erfüllt werden.

Hohes Haus! Wir haben verantwortungsbewusst gehandelt. Andere, Herr Profes­sor Van der Bellen, vornehmlich die Grünen, haben sich von vornherein auf eine Rolle der Besserwisser und der unkonstruktiven Kritiker festgelegt. (Abg. Scheibner: Dass ihr das einmal merkt!) Das ist die Rolle, die Sie selbst gewählt haben – und Ihre Taferldemonstration hat das ja eigentlich bewiesen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Weil Sie vergessen haben, wie das zugegangen ist!) Sie hätten lieber in Kauf genommen, meine Damen und Herren, dass alles so geblieben wäre, wie es in diesem Regierungs­entwurf vorgeschlagen war: mit all den Verfassungswidrigkeiten und den Verschärfun­gen. Das war für uns keine Lösung! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In diese wesentliche Materie nicht einzugreifen und dann vielleicht von einer etwas abgehobenen Warte aus das Ergebnis zu bekritteln, war nicht Auftrag und auch nicht Sache des SPÖ-Verhandlungsteams. Wir haben im Ver­gleich zu den Regierungsvorstellungen ein besseres, ein menschlicheres, ein gerech­teres Gesetz erreicht.

Hohes Haus! Ich will nicht verhehlen, dass wir eine andere Vorgangsweise gewählt hätten, dass wir es anders versucht hätten, aber wir standen vor der Alternative, das


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hinzunehmen – oder Verbesserungen zu versuchen. Lange Zeit hat es ja so ausge­sehen, als ob eine konkrete Verbesserung etwa bei der Personalsituation in den Asylinstitutionen nicht möglich wäre. Aber schlussendlich haben unsere Argumente doch gegriffen.

Ich darf daran erinnern, dass ich bei einem Besuch in Deutschland vor wenigen Tagen in Gesprächen erfahren habe, dass dort Mitte der neunziger Jahre ein Rückstau von 480 000 unerledigten Asylanträgen vorhanden war und dass dieser Rückstau durch eben solche Maßnahmen wie Aufstockung des Personals in den Institutionen in wenigen Jahren abgebaut werden konnte und in Deutschland heute die Frage des Asyls, die Asylproblematik kein tagespolitisches Thema ist.

Daher ist es ein Faktum, dass wir eine Aufstockung des unabhängigen Asylsenates um bis zu 20 unbefristete Richter erreichen konnten. Damit wird es zu einem schnelleren Abbau der etwa 28 000 offenen Verfahren kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz wesentlich ist uns aber auch die politische Vereinbarung, wodurch das Bun­desasylamt, also die erste Instanz, um etwa 120 BeamtInnen aufgestockt wird, mit deren Hilfe es möglich sein wird, die Verfahren viel schneller, effizienter und trotzdem mit hoher Rechtsqualität abzuwickeln.

Hätten wir so wie Sie von den Grünen nichts getan, dann hätten wir in Kauf genom­men, dass etwa die Schubhaft endlos gedauert hätte. (Abg. Mag. Stoisits: Sechs Monate ...!) So haben wir in den Verhandlungen zumindest erreicht, dass die Schubhaft grundsätzlich nicht länger als zwei Monate dauern darf.

Hohes Haus! Hätten wir den Erstentwurf zur Kenntnis genommen und wie andere die Hände in den Schoß gelegt, dann wäre es zu einer generellen Abschiebung trauma­tisierter Asylwerber gekommen, wenn ein anderes Land erstzuständig ist. – Durch Verhandlungen haben wir erwirkt, dass es keine generelle Abschiebung traumatisierter Asylwerber gibt.

Jene, die uns so scharf kritisiert haben, hätten durch ihre Kooperationsverweigerung gröbliche Verstöße gegen das Grundrecht auf Datenschutz hingenommen. Durch das besondere Engagement der Sozialdemokraten konnte im Datenschutzrat einstimmig, auch mit den Stimmen der Grünen, eine Empfehlung beschlossen werden, die jetzt in einem Gesetz umgesetzt ist.

Meine Damen und Herren, wäre alles so geblieben, wie die Regierung es wollte, wäre Zwangsernährung für hungerstreikende Asylwerber möglich gewesen ‑ eine Gleichstel­lung mit Strafgefangenen. – Nach intensiven Verhandlungen ist Zwangsernährung gegen den Willen von Asylwerbern nicht möglich, und das hat auch der Herr Bundes­präsident unmissverständlich klargestellt. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... auf jeden Fall informiert werden will?) Und, liebe Frau Partik-Pablé, der Bundespräsident hat sich zu Recht ausgebeten, dass, wenn ein Fall von Gesetzesbruch in diesem Be­reich bekannt wird, ihm das unverzüglich zu melden ist. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Hat er nicht gesagt!)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Alleine anhand dieser punktuell genannten Veränderungen steht fest, dass die beiden Ministerinnen nicht immer Recht gehabt haben. Sie haben nämlich gemeint, es habe sich nichts geändert. Da stellt sich aber dann die Frage: Warum haben Sie nach dem Erstentwurf einen völlig neuen Regie­rungsentwurf im Parlament eingebracht? Warum hat es dann nach dem Experten­hearing und nach weiteren langen Verhandlungen einen Dutzend Seiten langen Abänderungsantrag gegeben? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Man kann es verbessern!) Warum hat es 15 Ausschussfeststellungen gegeben, die heute zum Beschluss vorlie­gen? – Ganz einfach, meine Damen hinter mir auf der Regierungsbank: Sie müssen


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wider besseres Wissen behaupten, es habe sich wenig geändert, damit Ihr zer­bröckelnder, chamäleon-artiger Koalitionspartner sein Gesicht nicht verliert. (Ironische Heiterkeit des Abg. Scheibner. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jetzt hat er so angenehm geredet – und jetzt so ein Ende!)

Meine Damen und Herren! Die SPÖ hat es sich nicht leicht gemacht – da werden Sie mir zustimmen –, und das konnte man ja in den Medien in den letzten Tagen sehr deutlich nachvollziehen. (Abg. Scheibner: ... erst durch den Bürgermeister Häupl in den letzten zwei Tagen! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Schöne und pietätvolle Worte (Abg. Scheibner: Wer hat denn verhandelt: der Häupl oder der Darabos? – Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen) sind natürlich immer sympathisch. Wir haben uns aber dazu entschlossen, mitzugestalten, weil für uns das Schicksal der betroffenen Men­schen wichtig ist und weil wir im Interesse der Bevölkerung unseres Landes handeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Fauland zu Wort. Herr Abgeordneter, auch für Sie 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.48.26

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Parnigoni, es freut mich ja, dass Sie sich Sorgen machen über unseren inner­parteilichen Zustand, aber ich kann Sie beruhigen: Es ist alles im Lot, und es funk­tioniert alles bestens (ironische Heiterkeit der Abgeordneten Gaál und Mag. Gaßner – Abg. Dr. Niederwieser: Bestens“?!), wogegen ich bei Ihrer Partei derzeit nicht so ganz diesen Eindruck gewinnen kann, angesichts des Sinneswandels, den Sie da jetzt vollzogen haben: vom vormaligen Gegner des Asylgesetzes zum jetzt schon fast „Retter“ des Asylgesetzes, wie Sie sich hier darstellen, als ob Sie das jetzt im Sinne der Österreicher und Österreicherinnen gerettet hätten! – Ganz so ist es nicht, denn die Eckpfeiler wurden nicht verrückt, und die Eckpfeiler sind immer die Tragsäulen eines Gesetzes! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weiters von dieser Stelle aus auch die besten Genesungswünsche an die Kollegen, die heute nicht anwesend sind, denn es dürfte ja gestern in der Klubsitzung eine Epidemie ausgebrochen sein und ein Virus sozusagen die Runde gemacht haben. Wenn man hier in die leeren Reihen der SPÖ blickt, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass dies ja nur auf den Gesundheitszustand zurückzuführen sein kann, weil Sie ja doch so eine geschlossene Partei darstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Glawischnig, Sie haben hier Bilder sehr honoriger Personen auf Ihre Taferl hinaufgeklebt, wobei ich aber schon eine leichte Irritation verspüre, denn Sie wollen doch nicht wirklich jetzt diesen Personen unterstellen, Asylmissbrauch betrieben zu haben? Dieses Gesetz zielt nämlich ganz genau auf diese Leute ab: Diejenigen, die Asyl benötigen, werden es auch bekommen, und vor jenen Leuten, die Asylmissbrauch betreiben, wollen wir uns schützen. – Daher ist das äußerst unverständlich!

Ich will mich auch thematisch noch ein bisschen mit Ihren Ausführungen auseinander setzen, was ja bei Ihrer Rede doch nicht sehr einfach ist. Sie haben hier behauptet, dass Österreich das einzige Land sei, das über Zwangsernährung nachdenkt (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Nicht „nachdenkt“, das sie tatsächlich ...!) oder Zwangs­ernährung einführt. – Das ist nicht ganz der Fall, denn in zahlreichen europäischen Ländern gibt es diese Möglichkeit, etwa in Deutschland (Abg. Mag. Stoisits: Nein! Das


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ist falsch!) – da ist es aber länderspezifisch –, in Belgien, Norwegen, Ungarn, England, Dänemark, Portugal und Spanien. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... in Deutschland ist das jemals getan worden?) – Aber ich lasse mich dann sehr gerne auch eines Besseren belehren.

Kommen wir jetzt aber zum wirklichen Thema, nämlich zum Asylgesetz. – Im Jahre 2003 wurde ein Asylgesetz durch den Nationalrat gebracht, das herzeigbar war, aber das als Hauptzielsetzung die Abwehr der explodierenden Zahl an Asylwerbern hatte. Wenn wir uns jetzt einmal vergleichsmäßig damit auseinandersetzen, so möchte ich, was die Zahlen betrifft, ein bisschen weiter zurückgehen, weil uns ja immer vorgeworfen wird, dass gerade unter Schwarz-Blau die Anzahl der Asylwerber so ins Immense gestiegen ist. Das hat aber ganz sicher nichts mit der Regierung zu tun, denn mit jemandem, der als Asylwerber nach Österreich kommt, muss man zuerst einmal sprechen; man kann nicht von Haus aus sagen, man nimmt das nicht zur Kenntnis.

Wenn man sich die Zahlen anschaut: In den achtziger Jahren waren wir bei etwa 9 000. Wir hatten dann 1990 aus Gründen, die ja jedem bekannt sein sollten – Jugos­lawien-Krise –, einen Anstieg auf 22 000, haben dann den Zenit im Jahre 2002 mit fast 40 000 erreicht, 2003 waren es 32 000, und im Jahre 2004, als das Asylgesetz 2003 seine ersten Wirkungen zeigte, reduzierte sich diese Zahl auf 24 600. – Über die Zahlen – es gibt unterschiedliche – kann man streiten, aber sie sind sicher ein Anhalts­punkt.

Wenn man sich aber einmal – Kollege Parnigoni hat das angesprochen, aber, wie eben auch sonst manchmal, nicht ganz präzise – die noch offenen Asylanträge anschaut, so haben wir noch auf das Asylgesetz 1997 zurückgehend – und daran sieht man, wie lange Asylverfahren derzeit noch dauern – mit Stand vom 31. Mai 2002 noch 23 000 offene Asylanträge, und vom Asylgesetz 2003 über 12 000. Das heißt, wir sprechen von fast 35 000 offenen Fällen.

Wenn man sich jedoch anschaut, was 2004 im Vergleich dazu erledigt wurde, so stellt man fest, dass 26 000 Zurückweisungen, 4 000 Zurückschiebungen, 6 000 Ausweisun­gen, 5 000 Abschiebungen erfolgten und 9 000 Aufenthaltsverbote ausgesprochen wurden. – So viel zu diesem Vergleich.

Was das Gesetz 2003 betrifft, so wurden – es wurde schon angesprochen – 95 Pro­zent bestätigt, 5 Prozent beziehungsweise drei Punkte wurden vom Verfassungs­gerichtshof hinterfragt. Das hat uns dazu geführt, zu überlegen: Soll man jetzt diese 5 Prozent reparieren, oder soll man nicht auf Grund der Schwächen, die trotz allem im Gesetz 2003 erkannt wurden, ein neues Gesetz machen? – Die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, ein neues, noch zielgerichteteres Gesetz zu entwerfen, und zu guter Letzt, nach dem Meinungsumschwung der SPÖ, wird es auch von den Sozial­demokraten mitgetragen.

Gerade wir Freiheitlichen sehen es doch als unsere Hauptaufgabe an, als gewählte Mandatare der österreichischen Bevölkerung auch die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten. Es ist hinlänglich bekannt und wurde heute auch schon angemerkt, dass die Interessen der Österreicher, was das Asyl betrifft, ganz klar definiert sind. Es gibt die Asylproblematik in der Bevölkerung, die Umfragen sind ganz klar: Die Österreicher sehen sich in gewisser Weise bedroht durch die Asylproblematik. Deswegen ist es an uns, diese Problematik in den Griff zu bekommen. Das wird sich mit diesem neuen Gesetz auch ermöglichen lassen. Es wird das ein Ende oder eine Einschränkung des Asyl-Tourismus und auch ein Ende des Asyl-Missbrauchs nach sich ziehen – und das sind wir auch unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Mit der Verbesserung der Treffsicherheit werden wir dann auch einen strengen, restrik­tiven und funktionierenden Vollzug haben. Dies ist auch vonnöten, denn die Zahlen sprechen für sich, und aus diesem Grund wird es zu einer Verbesserung kommen müssen. Gerade was die Traumatisierung betrifft, stellt man fest, wenn man sich die Dublin-Verfahren anschaut, dass alleine im Jahre 2005 bei 30 Prozent aller abgegeben Anträge eine anzunehmende Traumatisierung angegeben wurde und 35 Prozent der Antragsteller dann sogar noch untergetaucht sind. Daran sieht man, dass wir dieser Lage derzeit noch nicht Herr sind.

Ich möchte abschließend noch auf ein paar Details dieses Asylgesetzes eingehen, die aus unserer Sicht gut gelungen und auch sehr wichtig sind.

Der erste Punkt ist die Verbesserung im Bereich der Integrationsvereinbarung. Die Integrationsvereinbarung war im Jahre 2002 eine Forderung der Freiheitlichen, die 2003 dann auch umgesetzt wurde, und sie hatte zur Folge, dass Asylwerbende, die nach Österreich kommen, sich auch mit der österreichischen Sprache auseinander zu setzen hatten. Man geht jetzt auf Grund der positiven Erfahrungen dazu über, das noch auszubauen. Es kommt zu einem modularen Aufbau in zwei Teilen. Im ersten Teil wird dem Asylwerber einmal das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache näher gebracht. Er soll den Status A2 erreichen, das heißt, dass er sich mit der deutschen Sprache kommunikativ in Österreich bewegen kann.

Der zweite Teil, der aus meiner Sicht noch viel wichtiger ist, ist eine Einführung in den Bereich der Staatsbürgerschaftskunde, ein Kennenlernen der österreichischen Kultur, denn nur das bietet die Möglichkeit, solche Leute dann langfristig auch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich glaube, dass die Erhöhung der Stundenanzahl von 100 auf 300 sehr zielführend ist und dass sich auch diese Integrationsverpflichtung dann bewähren wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zusammenfassend und abschließend möchte ich noch anmerken, dass es natürlich nicht nur österreichische Gesetze sind, die zu berücksichtigen sind. Wir unterliegen im europäischen Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention, wir unterliegen den Richtlinien, die die Europäische Union ausgibt, wir unterliegen der Genfer Flücht­lings­konvention und natürlich auch unserem eigenen Verfassungsrecht.

Der nationale Spielraum ist auf Grund dieser Fülle von Gesetzesmaterien natürlich eingeschränkt; das muss man auch berücksichtigen. Man kann nicht alles haben, was man sich als Österreicher wünscht, denn der Gesamtrahmen des Ganzen ist eben zu beachten.

Unter Bedachtnahme auf und vor allem in Kenntnis all dieser Materien ist es uns aus unserer Sicht trotzdem gelungen, ein treffsicheres und den Interessen der Österreiche­rinnen und Österreicher gerecht werdendes Gesetz zu schaffen. Es wird dazu beitragen, dass wir den Asylmissbrauch massiv einschränken, nur all jenen Asyl bieten, die es tatsächlich brauchen – und all jene, die es missbrauchen, auch langfristig daran hindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Österreich ist und bleibt aus unserer Sicht kein Einwanderungsland. Das heißt aber nicht, dass wir uns gegenüber Asylwerbern, die es wirklich benötigen, verschließen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch zu Wort. Frau Bundesministerin, auch für Sie 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



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11.58.26

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungskollegen! Sehr geehrte Damen und Herren des hohen Nationalrates! Für mich ist es heute hier auf der Regierungsbank ein ganz besonderer Tag, nämlich deswegen, weil wir hier heute ein neues Fremdenrechtspaket be­schließen werden, das einerseits vom Grundgedanken des Schutzes von Verfolgten nach der Genfer Flüchtlingskonvention geprägt ist, aber auf der anderen Seite auch mit aller Härte gegen Missbrauch des Systems und gegen Kriminalität vorgehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Regierung zeigt auch da wieder, dass wir mit aller Konsequenz für dieses Land und seine Menschen arbeiten – und dies immer tun wollen. Es wurde hier schon mehrfach, sowohl von Herrn Abgeordnetem Molterer als auch von den Grünen angesprochen, dass Österreich ein Asylland mit Tradition ist. – Das ist richtig! Wenn wir uns die Zahlen ansehen: In Österreich wurden seit dem Jahre 1945 zirka 2 Mil­lionen Menschen als Flüchtlinge aufgenommen; 700 000 davon sind in Österreich geblieben.

Dieses Gesetzespaket wird nunmehr dafür sorgen, dass Österreich diese Tradition als Asylland wird fortsetzen können – aber ich betone hier ausdrücklich: als Asylland für jene Flüchtlinge, die der Genfer Flüchtlingskonvention unterliegen und die die Voraus­setzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllen, nicht aber für jene Flüchtlinge, die über den Umweg des Asylsystems aus anderen, meist wirtschaftlichen Motiven nach Österreich einwandern wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Die Ziele, die wir uns im Rahmen dieses Fremdenrechtspaketes gesetzt haben, waren, ein rechtsstaatlich einwandfreies, menschenrechts- und verfassungskonformes Geset­zespaket umzusetzen.

Die Schwerpunkte lagen sicherlich darin, ein schnelles und rechtssicheres Verfahren durchzuführen – dies im Sinne jener Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonven­tion, die ein Recht darauf haben, eine schnelle Entscheidung zu erhalten, aber natür­lich auch im Hinblick auf jene Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen, denen jedoch kein Asyl gewährt wird, weil die Gründe hiefür nicht vorliegen, denn diese Menschen haben ebenfalls ein Recht auf eine schnelle Entscheidung, damit sie wissen, wie sie dran sind.

Ein weiterer, wesentlicher Punkt, der für mich mit der erwähnten Beschleunigung des Verfahrens verbunden ist, ist das Recht unserer Bevölkerung auf einen schonungs­vol­len und sparsamen Umgang mit den Steuermitteln, denn es ist der Aufenthalt von Asyl­werbern, die in weiterer Folge kein Asyl in Österreich bekommen werden, ein sehr kos­tenintensiver Faktor. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wichtig war es uns – auch das ist von meinen Vorrederinnen und Vorrednern schon mehrfach angesprochen worden –, im Sinne der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger Missbrauch abzustellen. Es wird nun zum Beispiel strengere Strafbestim­mun­gen für Schlepperei und so genannte Aufenthaltsehen – man nennt sie auch Schein­ehen – geben, es wird raschere Verfahren bei kriminell gewordenen Asylwerbern geben. Es wird – auch das hat es bisher nicht gegeben – nunmehr möglich, die Anschlussschubhaft nach der Strafhaft durchführen zu können.

Weiters wird es wirkungsvollere Maßnahmen gegen das Freipressen aus der Schub­haft durch Hungerstreik geben; auch das wurde bereits mehrfach angesprochen. Es wird eine verstärkte Mitwirkungspflicht der Asylwerber geben, es wird Maßnahmen gegen das Untertauchen geben, und es sind noch zahlreiche, weitere Maßnahmen vorgesehen. (Abg. Dr. Niederwieser: Was ...?)


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Angesichts der Kritik vor allem der Grünen, aber auch von Teilen der SPÖ und vielfach von den NGOs muss ich sagen: Ich habe durch diese Darstellungen oft den Eindruck bekommen, dass Österreich eine wirklich unmenschliche Diktatur sein muss – und das ist bei Gott nicht der Fall!

Es wurde heute schon von mehreren meiner Vorredner angesprochen: Warum ist Österreich als Asylland so interessant? – Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern drängen sehr viele Menschen nach Österreich, weil sie in unserem Land Asyl bekommen wollen. Der Grund dafür ist, dass wir ein ordentliches, rechtsstaatliches Asylverfahren gewährleisten, weil wir mit unserer Asylpolitik den Aufenthalt der Asylwerber gemäß Aufenthaltsrichtlinie ordnungsgemäß sicherstellen und weil wir in Zukunft ein rasches Verfahren durchführen wollen.

Vor allem und gerade aus den Reihen der Grünen hat es heftige Kritik an unserem neuen Asylpaket gegeben. – Ich hätte mir ehrlich gesagt gewünscht, Sie hätten dieses Asylpaket auch durchgelesen. (Abg. Mag. Stoisits: Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir es nicht durchgelesen haben? Wie kommen Sie da oben auf diese Idee?) – Darf ich Ihnen sagen, wie ich auf diese Idee kommen? (Abg. Mag. Stoisits: Halten Sie sich ein bisschen zurück mit solchen Beurteilungen, Frau Minister! – Rufe bei der ÖVP: Mein Gott! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Frau Abgeord­nete Stoisits, darf ich bitte weiter reden, dann kann ich Ihnen sagen, wie ich auf diese Idee komme.

Frau Abgeordnete Glawischnig hat ganz konkret ausgeführt, dass eine sexuell miss­brauchte Frau, eine vergewaltigte Frau nach unserem Asylrecht (Abg. Mag. Stoisits: Kein Recht auf einen weiblichen Dolmetscher hat!) kein Anrecht auf eine gleich­geschlechtliche Einvernahme hat. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in § 20 Asylgesetz (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: „Dolmetscher“ habe ich gesagt!) ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass jeder selbstverständlich das Recht auf eine Einvernahme durch Menschen gleichen Geschlechtes hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Ja eh, das steht ja schon im jetzigen Asylgesetz! – Ruf bei der ÖVP: Nichts wissen, aber ...!)

Ähnliches gilt auch für den mir als sehr eindrucksvoll in Erinnerung gebliebenen Fall von „Anton“ und „Ali“. (Abg. Mag. Stoisits: Sie können ... lesen, aber verstehen das Gesetz nicht!) Allerdings haben Sie darauf vergessen, auszuführen ... (Abg. Mag. Stoisits: Lesen Sie ! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Sie haben sehr anschaulich geschildert, den Fall von „Anton“ und „Ali“, nur haben Sie vergessen, zu erwähnen, dass „Ali“ nur dann wieder in seine Heimat zurückgeschoben werden kann, wenn er eine Straftat begangen hat (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Habe ich gesagt!) und zu einer unbedingte Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurde. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist ein Österreicher! Der ist noch nie woanders gewesen!) – Das ist kein Österreicher! (Abg. Mag. Stoisits: Sie haben ... Vertreter ...! – Abg. Scheibner: Frau Präsidentin, könnten Sie nicht einmal für Ruhe sorgen?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Am Wort ist die Frau Bundesministerin! (Zwi­schenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: ... polemi­sieren ...! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch (fortsetzend): Ich hätte es mir wirklich gewünscht, weil dieses Fremdenpaket ein sehr ausgewogenes ist.


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Ich kann auch nur die Frau Innenministerin darin bestätigen, dass wir sehr wohl mit allen Interessenvertretungen und auch mit der grünen Partei Gespräche geführt haben. Wir waren bemüht – und es ist uns auch hervorragend gelungen –, ein Asyl- und Fremdenrechtspaket zu schnüren, das unseren Anforderungen in Richtung verfas­sungskonformes, menschenrechtskonformes und rechtsstaatliches Asylverfahren auch in der Praxis tatsächlich gerecht wird.

Ich bin mir sicher, dass wir durch dieses Paket zum Wohle Österreichs einen wesent­lichen Schritt in die richtige Richtung machen werden. – Danke. (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei der ÖVP.)

12.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben, ebenso wie die folgenden Redner, 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.06.50

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich diese Gelegenheit ergreifen, den vor den Fernsehgeräten sitzenden Abgeordneten der SPÖ gute Besserung zu wünschen! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen sowie demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun eine grundsätzliche Feststellung zum Asylrecht – und mich wundert, dass das insbesondere bei den Vertretern der Regierungsparteien, aber auch jenen der SPÖ bis jetzt keine Rolle gespielt hat –: Das Asylrecht ist die knappste und konzentrierteste Zusammenfassung der wichtigsten Menschenrechte, nämlich des Rechts auf Leben und des Rechts auf Freiheit!

Bei einem Thema, bei dem wir heute über Menschenrechte sprechen sollten, haben Sie, meine Damen und Herren von ÖVP, FPÖ und BZÖ sowie insbesondere Sie, Herr Klubobmann Molterer, ausschließlich von Sicherheit gesprochen!

Ein Asylrecht, das keine solide Basis aus Menschenrechten hat, wird auch keine Sicherheit schaffen können! – Das ist eine alte Erfahrung aus gescheiterter und falsch verstandener freiheitlicher, sozialdemokratischer und auch volksparteilicher Sicher­heitspolitik. – Und jetzt sind wir wieder dort! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt haben wir schon wieder den Entwurf eines freiheitlichen Asylgesetzes, dem die ÖVP zustimmt, weil das der Preis für den Fortbestand der Koalition ist, und dem erstmals die SPÖ in dieser Form zustimmt. – Da ist doch die Frage erlaubt: warum?

Reicht es wirklich aus, im Klub oder in der Parteizentrale eine Umfrage zu studieren und zu glauben, da stünde drinnen, etwas mehr Ausländerfeindlichkeit wäre vielleicht ganz populär? Reicht wirklich die Überlegung aus: Wenn Jörg Haider am Ende ist, dann kann die SPÖ wieder sein Terrain besetzen!? Ist das wirklich ein politisches Konzept? Oder haben Sie nicht schon einmal, nämlich zu Zeiten eines Innenministers Löschnak, die Erfahrung gemacht, dass Sie dann gut beraten sind, wenn Sie nicht versuchen, die Ersatz-Freiheitlichen und die Ersatz-Haider zu sein!

Wenn Sie diesen politischen Fehler machen, dann werden Sie auch in aller Öffent­lichkeit für diesen politischen Fehler geradestehen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Justizministerin, ich habe die Befürchtung, dass, wenn ich mir die Ereignisse der letzten Tage und die heutige Debatte ansehe, über Ihren Ausführungen folgendes Motto stehen könnte: Nachgiebig gegenüber iranischen Terroristen, hart gegenüber traumatisierten Asylwerbern und Asylwerberinnen!


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Ich frage Sie: Sind traumatisierte Menschen, die versuchen, Schutz in Österreich zu bekommen, wirklich ein Problem für die öffentliche Sicherheit? Ist Österreich von traumatisierten Asylwerberinnen und Asylwerbern bedroht? Ist es notwendig, diese Menschen zu verfolgen? Sind diese wirklich ein Sicherheitsrisiko?

Und: Können Sie – Punkt 2 – all die offenen Fragen nach der Zwangsernährung beant­worten? Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, wo wollen Sie Ärzte und Ärztinnen finden, die diese menschenunwürdigen Praktiken in österreichischen Justiz­anstalten durchführen? Die Ärzte aus den Anstalten haben Ihnen schon signalisiert, sie machen es nicht. Mit wem wollen Sie es machen?

Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, erklären, es gebe keine Zwangs­ernährung, die Regierungsvertreter aber sagen, es gebe sehr wohl eine Zwangs­ernährung. Ja, wer setzt das dann in die Praxis um? (Abg. Reheis: Lesen Sie es nach! Glauben Sie sich selber!) Wer ist die Regierungspartei, wer bestimmt wie das Gesetz umgesetzt wird? Welche Möglichkeit haben Sie als SPÖ, Zwangsernährung zu verhindern? Sie lassen sich nicht missbrauchen? – Sie bieten sich für den politischen Missbrauch durch die Regierungsparteien geradezu an! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Die Regierungsparteien missbrauchen niemanden, Herr Pilz!)

Als Letztes, meine Damen und Herren, noch kurz zur Kriminalität. Ich habe die Frage des Missbrauchs des Asylrechtes in den letzten Monaten sehr oft mit Kriminalpolizisten besprochen. Und sogar die Kriminalpolizei warnt davor, dem Irrglauben anzuhängen, dass eine Verschärfung des Asylrechts bei der Bekämpfung des illegalen Drogen­handels helfen könnte. Die Kriminalpolizei sagt Ihnen ständig: Es helfen nur bessere Instrumente für die Kriminalpolizei und eine vernünftige, nicht populistische Drogen­politik. (Abg. Gaál: Das waren falsche Kriminalbeamte! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Und an genau diesem Punkt sind wir: Wir müssen das Asylrecht vor einer falsch verstandenen Sicherheitspolitik schützen, um Menschenrechte und Sicherheit in dieser Republik zu garantieren! (Beifall bei den Grünen.)

12.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ellmauer zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.12.33

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Innenministerin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu den Grünen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, bitte hören Sie auf damit, unser Heimatland Österreich immer schlecht zu reden! (Beifall bei der ÖVP.)

An die Kollegen von der SPÖ, die so plötzlich erkrankt sind: Ich wünsche Ihnen eine baldige Genesung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich blickt als Asylland auf eine lange und gute Tradition zurück und kann stolz darauf sein. Wir haben zum Beispiel Hundert­tausende Ungarn beziehungsweise Tschechen aufgenommen, als diese ihr Heimat­land verlassen mussten. Ebenso haben wir während des Balkan-Krieges über 90 000 Menschen aus Bosnien Asyl gewährt, 60 000 von ihnen in unsere Gesellschaft integriert. Kein anderes Land in Europa kann auf solche Großzügigkeit in der Asylpolitik verweisen!

Nach wie vor nimmt Österreich im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl viele Flüchtlinge auf. Im Jahre 2004, also im vergangenen Jahr, lag Österreich in puncto


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Asylanträge an vierter Stelle in der Europäischen Union. Mehr als 8,5 Prozent der Asylanträge in der EU wurden in Österreich gestellt – bei nur 2 Prozent der Bevölke­rung. Auch im ersten Quartal dieses Jahres haben wir nach Angaben der UNO-Flücht­lingsorganisation UNHCR 4 222 Anträge zu verzeichnen. Unser Nachbar Deutschland hingegen, mit einer zehn Mal so großen Bevölkerungszahl wie Österreich, hat nur 6 662 Anträge zu bearbeiten. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir verstärkt Handlungsbedarf.

Es darf nicht sein, dass unsere Tradition der Hilfsbereitschaft ausgenützt wird. Die internationale Kriminalität und die Schlepperbanden müssen wissen, dass in unserem Land nur jene Menschen aufgenommen werden, die auch wirklich Schutz und Hilfe brauchen. Kriminelle Machenschaften, die mit dem Schicksal und der Not anderer Menschen ihr böses Spiel treiben, dürfen bei uns keine Chance haben. (Beifall bei der ÖVP.) Darum sieht das Fremdenpolizeigesetz strengere Strafen bei Scheinehen, Schlepperei und Schein-Adoption vor.

Mit dem Fremdenrechtspakt 2005 ist uns ein wichtiger Schritt hin zu einer fairen Behandlung im besonders sensiblen Bereich des Asyl- und Fremdenrechts gelungen. Besonders wichtig ist mir als Menschenrechtssprecher, dass das neue Gesetz mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention im Einklang steht und selbstverständlich auch verfassungskonform ist.

Die Prämisse des neuen Asylgesetzes ist, dass klar unterschieden wird zwischen jenen, die Hilfe brauchen, und jenen, die Hilfe missbrauchen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Prinz.) Für Letztere müssen wirkungsvolle gesetzliche Regelungen und Instrumente vorhanden sein, um dem Missbrauch durch falsche Angaben der Identität, der Staatsangehörigkeit oder durch Vorlage falscher Dokumente und dergleichen entschieden und in entsprechender Form entgegentreten zu können.

Für alle, die aus religiösen, sozialen, ethnischen oder politischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, soll die Asyltradition in Österreich weiterhin hochgehalten werden; es soll ihnen auf unkompliziertem und schnellem Weg Unterstützung und Asyl gewährt werden. Übrigens ist dies auch die Haltung unserer Bevölkerung; und für diese Haltung bedanke ich mich bei Österrreichs Bevölkerung ganz, ganz herzlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher war es notwendig, sowohl die erste Instanz, das Bundesasylamt, als auch die zweite Instanz, den Unabhängigen Bundesasylsenat, mit zusätzlichem Personal aus­zustatten, denn es geht darum, einerseits den enormen Rückstand endlich aufzu­arbeiten und andererseits die Verfahren in Hinkunft schneller abwickeln zu können; die vorgesehene Außenstelle des UBAS in Linz wird dazu entsprechend beitragen. Die Idee, den UBAS in einen Asylgerichtshof umzuwandeln, muss gut überlegt und vor­bereitet werden; diese wird weiter verfolgt.

Um die Arbeit der Asylbehörden weiter zu erleichtern, wird eine Länderdokumentation eingerichtet, auf welche die österreichischen Behörden und Gerichte zugreifen können, um mit dem gleichen Datenmaterial zu arbeiten.

Neben der effizienten Abwicklung der Verfahren ist es vor allem der Sicherheitsaspekt, der für uns wichtig ist, denn je strenger die Strafen bei Missbrauch und je rascher die Asylverfahren abgewickelt werden, desto effizienter können Asylwerber in Österreich integriert werden. Zudem wird im Fremdenpakte die Möglichkeit, in die Illegalität unterzutauchen, sowie ein Abgleiten in kriminelle Verhaltensmuster so weit wie möglich erschwert. All das ist wiederum für das Sicherheitsgefühl der Österreicherinnen und Österreicher enorm wichtig.


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Internationale Kriminalität in Form von Menschenhandel und Schlepperei werden daher auch im kommenden Jahr nach neuen Methoden intensiv bekämpft. Wir werden den Vorsitz Österreichs in der Europäischen Union auch dazu nutzen, um im europäischen Gleichklang Aktionsmöglichkeiten zu suchen und eine möglichst einheitliche euro­päische Asylgesetzgebung anzustreben.

Ich bedanke mich bei den beiden Ministerinnen für ihre hervorragende Arbeit und stimme gerne dem vorliegenden Fremdenrechtspaket zu. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac zu Wort. In der Zwischenzeit wird wahrscheinlich auch die Rednerliste elektronisch korrigiert sein; danke. – 5 Minuten Redezeit.

 


12.18.33

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte meine Rede auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz konzentrieren. Vorher gestatten Sie mir jedoch bitte, Frau Präsidentin, dass ich mein Entsetzen und meine Abscheu vor den Terrorakten in London zum Ausdruck bringe. (Allgemeiner Beifall.)

Ich denke, wir alle sind in dieser schwierigen Situation – der englische Innenminister spricht von einer „schrecklichen Situation“ – solidarisch mit den Opfern dieser An­schläge: mit der Bevölkerung Londons und mit ihrem Bürgermeister Ken Livingstone.

Nun zum zu behandelnden Tagesordnungspunkt. Es geht beim Niederlassungsgesetz um den Aufenthalt von MigrantInnen und um ihre Integration in unsere Gesellschaft. Das ist etwas, was auch in der Debatte hier bereits mehrmals mit der Asylfrage ver­mischt worden ist, das man aber getrennt behandeln muss.

Der Entwurf, der uns hier vorliegt, enthält einiges, was positiv zu bewerten ist. Vor allem der Zugang zum Arbeitsmarkt für Angehörige nach einem Jahr stellt eine Ver­besserung dar und ist sehr zu begrüßen, weil dadurch die Chance, auf eigenen Beinen zu stehen, verbessert und die Chance auf einen legalen und regulären Arbeitsplatz eröffnet wird. Wir begrüßen das besonders für Jugendliche, aber auch für Frauen, damit sie selbständig und selbstbestimmt hier leben können.

Ebenso ist zu begrüßen, dass Angehörige im Falle des Todes des Partners oder Elternteils oder bei Scheidung oder bei Gewalt in der Familie einen eigenen Aufent­haltstitel erhalten. Das ist von den Interventionsstellen gegen Gewalt verlangt worden, das ist auch in der Petition, die uns überreicht worden ist, gefordert worden, und es freut mich, dass wir das erreichen konnten. Bis jetzt war es so, dass Frauen, die nicht mindestens fünf Jahre lang hier gelebt haben, abhängig waren von ihrem Ehemann, und wenn dieser gewalttätig war, dann konnten sie sich aus dieser Gewaltbeziehung nicht befreien. Wir halten das für sehr wichtig, dass das jetzt geändert wird, denn wir treten gegen jede Gewalt an Frauen ein – egal, von wem sie kommt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wichtig ist auch, dass wir SozialdemokratInnen der Schein-Selbständigkeit einen Riegel vorschieben konnten, denn Schein-Selbständigkeit unterminiert unseren Arbeit­nehmerschutz und führt zu Lohndumping und Ausbeutung. Ich sehe es als Erfolg, dass wir das verhindern konnten.

Auch beim Zuzug von Selbständigen wird es eine sehr strenge Regelung geben. Auch das schützt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich – egal, ob sie MigrantInnen oder österreichische StaatsbürgerInnen sind. (Beifall bei der SPÖ.)


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Leider gibt es aber Bereiche, wo Schwarz-Rot nicht bereit war, mit uns zu reden. (Abg. Scheibner: „Schwarz-Rot“?) Das trifft vor allem auf die Integrationsvereinbarung zu, die sogar noch verschärft wurde. Wir werden dieser Integrationsvereinbarung daher nicht zustimmen, da wir dieses Konzept für falsch halten. Wir stellen daher auch ein Verlangen auf getrennte Abstimmung zu diesen Paragraphen. Ich möchte diese Ableh­nung kurz begründen.

Die SPÖ war immer schon gegen die bestehende Integrationsvereinbarung, weil wir nicht glauben, dass Zwang und Angstmache der richtige Weg zur Integration sind. Es ist für uns selbstverständlich, dass Migrantinnen und Migranten Deutsch lernen sollen; das haben wir auch immer betont. Aber es ist notwendig, dass das gemeinsam mit ihnen geschieht, und Wien führt in ausgezeichneter Weise vor, wie das geschehen soll. (Abg. Scheibner: Wie führt Wien das vor? Gar nicht!)

2004 sind in Wien 3 000 TeilnehmerInnen an den Deutschkursen gefördert worden; 2005 werden es sogar 6 000 Kurse sein. Wien hat gemeinsam mit der Arbeiterkammer und dem Wiener ArbeitnehmerInnenfonds eine Reihe von weiteren Kursen gefördert. Und sehr, sehr viele der an diesen Kursen teilnehmenden Personen sind Frauen. Auch das ist uns sehr wichtig. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Daher: Wir wollen, dass der erfolgreiche Wiener Weg fortgesetzt wird. – Die Integra­tionsvereinbarung lehnen wir ab. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Scheibner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.24.03

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Satz zu meiner Vorrednerin: Frau Abgeordnete Hlavac, Ihre Ausführungen haben daran erinnert, dass nicht nur das Asylgesetz heute hier zur Debatte und Abstimmung steht, sondern auch andere fremdenrechtliche Bestimmungen. Und ich verstehe nicht ganz, warum Sie eine Maßnahme kritisieren, die wir jetzt mit diesem Gesetz im Rahmen des Integrationsvertrages einführen, nämlich dass die Zahl der verpflichtenden Deutschkurse für zugewanderte Ausländer erhöht und auch die Kontrolle verstärkt wird.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie sagen, gerade in Wien werde das vorbildhaft umgesetzt. Der Grund, warum wir dieses Gesetz hier ändern müssen ... (Zwischenruf des Abg. Gaál.) – Natürlich ist es eine Ver­pflichtung, und es soll auch eine Verpflichtung sein, denn wir wissen, dass diese Integrationsvereinbarung in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht eingehalten worden ist, dass da alle möglichen Schlupflöcher genutzt wurden. Auch in Wien besteht dieses Problem und ist ungelöst.

Selbstverständlich ist das Erlernen der deutschen Sprache eine der wichtigsten Maß­nahmen, um Integration erst zu ermöglichen. Und Sie wissen auch ganz genau, dass viele der Zugewanderten zwar diese Kurse besuchen wollen, es aber nicht dürfen, weil sie selbst in ihren Familien unter Druck gesetzt werden; das betrifft im Besonderen die Frauen. Deshalb ist es ein richtiges Signal, dass diese Verpflichtung ausgeweitet wird, und ich hoffe, dass Sie das doch noch unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber nun zurück zum Asylgesetz. Man kann jetzt dafür sein und dagegen, man kann seine Argumente haben, das ist alles in Ordnung. Die Grünen sind konsequent immer gegen Maßnahmen zur Behebung des Asylmissbrauchs gewesen (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Und das ohne Argumente!), die SPÖ lange Zeit auch – auf Druck von


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Bürgermeister Häupl ist das jetzt anders. Ich verstehe nur nicht, warum man nicht zugelassen hat, dass jene, die in Ihrer Fraktion nach wie vor dagegen sind, das auch hier mit ihrem Stimmverhalten zum Ausdruck bringen können und sie krank werden müssen; aber das ist Ihre Art der innerfraktionellen Demokratie. (Abg. Gaál: Krank ist krank!)

Aber ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren von den Grünen: Man sollte, bei aller Zulässigkeit der Argumentation, schon aufpassen, welche Argumente man bringt und wie man sie hier positioniert. Wenn Sie hier Bilder von Kreisky und Einstein und anderen Verfolgten des Nazi-Regimes und der -Diktatur zeigen und Vergleiche zur Jetztzeit ziehen, so weise ich diese Vergleiche auf das Schärfste zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) – Mich hat wirklich gewundert, dass das so ruhig zur Kenntnis genommen wurde.

Österreich bekennt sich nicht nur zu seiner Tradition, sondern zum Prinzip, dass wir Menschen – wie damals Kreisky, Einstein und anderen –, deren Leben durch eine Diktatur gefährdet ist, Menschen, die verfolgt werden, alle notwendige Unterstützung und Aufnahme angedeihen lassen. Das haben wir in all den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder unter Beweis gestellt; da brauchen wir nicht Ihre unpassenden Vergleiche. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Wieso machen Sie dann so ein Asylgesetz?)

Aber was wir wollen, ist, dass genau solche Fälle dann nicht entsprechend unterstützt werden können, weil es eben ungeahndeten Missbrauch gibt. Und wenn dann immer gesagt wird: Was glauben Sie, was jene, die das Asylrecht missbrauchen, alles erlebt haben!?, dann frage ich: Was müssen jene erleben, die dann zum Handkuss kom­men?!

Ein Beispiel, meine Damen und Herren, und man muss das an Beispielen festmachen: Es geht hier um einen Bulgaren – und Sie wissen, Bulgarien ist EU-Beitritts­kandidatenland, also kein Land, wo man davon ausgehen kann, dass da Menschen­rechtsverletzungen stattfinden. 1991 hat ein Bulgare in Österreich einen Asylantrag gestellt, im Jahre 1992 einen negativen Bescheid bekommen und dagegen beim VwGH Beschwerde erhoben. 1996 ist dann – also fünf Jahre nach dem Asylantrag! – der abschlägige Bescheid gekommen.

In dieser Zeit hat dieser Asylwerber mehrfache Straftaten begangen: Wegen Vergewal­tigung, wegen Raub, wegen Einbruch, wegen Mitgliedschaft bei einer kriminellen Vereinigung, wegen Urkundenfälschung, wegen gefährlicher Drohung und, und, und ist er zu insgesamt acht Jahren Haft verurteilt worden. In der Strafhaft hat er einen Asylantrag gestellt, weshalb das Verfahren wieder aufgenommen wurde und eine Abschiebung nicht mehr möglich gewesen ist. Das Asylverfahren wurde am 22. März 2004 eingestellt, weil dieser Asylwerber, dieser Kriminelle, untergetaucht ist. Meine Damen und Herren, mehr als zehn Jahre nach dem abschlägigen Bescheid durch die Asylbehörde!

Das sind die Fälle, meine Damen und Herren, die wir bewältigen wollen, die wir verhindern wollen in der Zukunft! (Abg. Öllinger: Da ändert sich ja nichts!) Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Missbrauch in Zukunft in Österreich nicht mehr möglich ist, und das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wie kommen denn die Österreicher dazu, die sehr wohl unterscheiden können, wer wirklich einen Asylgrund hat und wer nicht, dass sie Opfer von derartigen Straftätern werden!?

Wenn in Wien 90 Prozent der aufgegriffenen Drogen-Dealer Asylanten sind, die in einem Asylverfahren sind, dann kann hier doch nicht von Einzelfällen sprechen, die


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Missbrauch begehen, sondern dann ist das leider fast die Regel. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Mit diesem Gesetz werden wir dafür sorgen, dass jenen, die Asyl brauchen, dieses auch zukommt, dass aber jenen, die es missbrauchen, ein Riegel vorgeschoben wird, damit auch der Glaube an den Rechtsstaat wiederhergestellt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich werde die verbleibende Restzeit unter den vier Fraktionen mit jeweils 7 Minuten aufteilen.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. 7 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


12.30.00

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­terinnen! Hohes Haus! Ich möchte gleich bei einer der Ministerinnen bleiben. Frau Ministerin Miklautsch hat nämlich meiner Kollegin Eva Glawischnig empfohlen, das Asylgesetz hinsichtlich des von ihr kritisierten Tatbestandes „Einvernahme von Frauen nicht automatisch durch Frauen“ genauer zu lesen. – Frau Ministerin Miklautsch, da haben Sie sich jetzt auf sehr dünnes Eis begeben, denn es reicht nicht, den Passus oberflächlich zu lesen. Ich habe den selbst mit Minister Strasser dazumals verhandelt, also ich weiß ziemlich genau, was da drinnen steht. Da steht nämlich drinnen: In Fällen, wo als Asylgrund der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung geltend gemacht wird, besteht das Recht auf Einvernahme durch eine Person des gleichen Geschlechtes.

Frau Ministerin, auch Sie werden mir bestätigen müssen, dass das nur heißen kann: Wenn ich als betroffene Frau dem im Regelfall männlichen Beamten gegenüber geltend gemacht habe, bei mir liegt der Asylgrund „Eingriff in die sexuelle Selbst­bestimmung vor“, erst dann bekomme ich mein Recht auf eine Einvernahme durch eine Frau. Vielleicht sollten Sie selber das Gesetz einmal genauer anschauen! (Beifall bei den Grünen.)

Das, was ich Ihnen sowieso empfehlen würde, als Tatbestand ernst zu nehmen, den es zu korrigieren gilt, ist die Tatsache, dass selbst dann kein Recht auf eine Dol­metschung durch eine Frau vorliegt, sondern jedenfalls der männliche Dolmetscher dabeisitzt. Also Ihr Schutz von Frauen, die von Verfolgung betroffen sind, ist jedenfalls ausbauwürdig, falls man etwas, was praktisch nicht existiert, noch ausbauen kann.

Jetzt zum Gesetz selbst. Wir haben hier ein Gesetzespaket vorliegen, das einen ganz klaren Tenor hat, nämlich Verschärfung, quer durch. Ich werde einige Beispiele herausgreifen, wo wir Probleme haben und sehen und wie darauf mit diesem Gesetz reagiert wird.

Wir haben zum Beispiel das Problem, dass junge Leute nicht-österreichischer Abstam­mung, genauso wie übrigens auch junge Leute österreichischer Abstammung, straf­fällig werden können. Nehmen wir das Beispiel eines jungen Mannes, der im Alter von einem Jahr mit seinen Eltern nach Österreich eingewandert ist und jetzt straffällig wird. Was macht die Regierung mit diesem Menschen, wenn er straffällig geworden ist? – Sie sagt: Wir schieben dich zurück in dein Heimatland! Was immer das sein mag für diesen Menschen, der in Österreich aufgewachsen ist. Ist das dann Vorarlberg, wenn er dort aufgewachsen ist? Nein, für Sie ist es das Land, aus dem seine Eltern ursprünglich kommen. Das ist eine völlig abstruse Geschichte. Das war damals eine Errungenschaft des Fremdenrechtspaketes 1997, dass es nicht mehr ein Aufenthalts­verbot für Menschen gibt, die hier aufgewachsen sind. Das ist unmenschlich, was Sie


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hier tun, dass Sie Leute abschieben in Gegenden, die sie noch nie gesehen haben! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben gesehen, was die Regierung macht. Was macht die SPÖ? – Zustimmen! Ist ja kein Problem.

Wir haben das Problem, dass wir unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben. Was tut die Regierung mit diesen Minderjährigen, mit zum Teil Kindern? – Sie steckt sie in Schubhaft! Das ist die menschliche, die humane, die christlich-soziale Art, mit Kindern umzugehen, sie einzusperren wie in einem Gefängnis?! (Abg. Scheibner: Das stimmt ja nicht! – Abg. Ellmauer: Völlig falsch! – Abg. Miedl: So etwas von unwahr!)

Was macht die SPÖ? – Sie stimmt zu! Ist ja nichts dabei, oder? (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Ich weiß schon, es tut weh, Herr Kollege Matznetter, aber Sie können es sich noch immer überlegen, ob Sie zustimmen oder nicht. (Beifall bei den Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und der ÖVP.)

Ein weiteres Problem betrifft die Menschen, die schwer traumatisiert in Österreich ankommen, vielleicht weil sie selber unter einer Diktatur im Gefängnis unglaublichen Dingen ausgesetzt waren, vielleicht weil sie unfassbare Gräuel angesehen haben, so schlimme Dinge erlebt haben, dass ihre eigene Psyche zumacht, sie sich oft nicht einmal erinnern, ihnen nicht bewusst ist, was Tatsache ist, damit sie irgendwie das seelisch überstehen und überleben können. Solchen Menschen verlangen Sie ab, dass sie möglichst gleich in der Ersteinvernahme sagen: Ich bin schwer traumatisiert! Kann ich bitte einen Arzt sprechen?, wenn sie schon nicht ein ärztliches Attest mitbringen. Und dann schieben Sie sie ab.

In Bezug auf jene Fälle, wo man angeblich schon etwas herausverhandelt hat, sagt man dann: Wir schieben sie nicht gleich ab, wir sagen ihnen nur, dass wir sie erst in ein paar Monaten abschieben.

Das ist Ihr Umgang mit traumatisierten Menschen! Die Regierungsvorlage sagt: weg mit Traumatisierten, wenn sie an Dublin-Staaten zurückgeschoben werden können!

Was sagt die SPÖ? – Wir stimmen zu, wir haben da keine Bedenken mehr!

Und schließlich haben wir den Fall der Zwangsernährung. Wenn ein Mensch derart verzweifelt ist ob seiner Bedingungen in der Schubhaft, ob der Aussichtslosigkeit seiner Lage, dass er in den Hungerstreik tritt, was macht diese Regierung womöglich mit ihm? – Sie schnallt ihn an Händen und Beinen fest auf ein Bett, fixiert ihn und führt ihm eine Sonde ein, damit sie ihn zwangsernähren kann. (Abg. Murauer: Damit er nicht stirbt!) – Da wird er nicht sterben, meinen Sie, das ist dabei Ihr einziges Beden­ken. Ihr einziges Bedenken bei einer groben Menschenrechtsverletzung ist nur: stirbt er oder stirbt er nicht? (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Ja, ich weiß, die Zwangsernährung ist ein Thema, das Ihnen zu Recht Bauchweh und Kopfweh macht. Vielleicht sollten Sie auch einen Krankenstand überlegen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Das, was wir in diesem Gesetz haben, stellt eine grobe Menschenrechtsverletzung dar. Ein Sprecher der Ministerin sagt ganz klar – ich zitiere aus der Zeitung –: Natürlich wird es Zwangsernährung für Schubhäftlinge per Gesetz geben.

Was macht die SPÖ? – Sie sagt: Wir stimmen zu! Wir glauben eh nicht, dass es so weit kommen wird – Das ist Ihre Antwort auf ein Gesetzespaket (Abg. Silhavy: Ihre Antwort ist Polemik!), von dem Sie bis vor ein paar Wochen noch gesagt haben, es sei völlig inakzeptabel. Das müssen Sie aber mit sich selbst ausmachen. (Beifall bei den Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Die Regierung und die SPÖ haben dieses Gesetzespaket so verhandelt, dass sich absolut nichts von den Kernforderungen der SPÖ im Gesetzestext wiederfindet, nicht einmal das neue Gericht für Berufungsverfahren. Ja, man musste eigens noch Aus­schussfeststellungen, so als Art Zusatzprotokoll, schreiben, weil all die Forderungen von der SPÖ nicht durchgesetzt werden konnten, wo wieder haarsträubende Dinge drinstehen. (Abg. Murauer: Die Redezeit ist aus!) Es steht zum Beispiel drinnen: In Österreich gilt schon als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn von irgendeiner Person angenommen werden kann, dass sie in der Zukunft die Wertvorstellung eines europäischen Staates in Wort, Bild oder Schrift kritisieren könnte. (Abg. Murauer: Redezeit!)

Das heißt, wenn irgendjemand findet, die Homosexuellen-Ehe in Spanien stört ihn, und er möchte ein Flugblatt dazu in der Zukunft machen, gefährdet er schon heute die öffentliche Sicherheit. Oder wenn jemand findet, der Mensch hat Recht, und er heißt gut, dass er so denkt, gefährdet er auch schon die öffentliche Sicherheit. (Abg. Dr. Spindelegger: Frau Präsidentin, gibt es eine Redezeit auch noch?)

Das ist reine Willkür, die sich auch gegen Österreicherinnen und Österreicher richtet, gegen jene Menschen, die Flüchtlingen geholfen haben und helfen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Denen stellen Sie jetzt das Strafgesetzbuch in Aussicht.

Das kann nicht die Antwort Österreichs auf die Not von Menschen sein! (Beifall bei den Grünen.)

12.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Miedl. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.38.02

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der ÖVP möchte ich mein tiefstes Bedauern über die dramatischen Vorfälle in London hier zum Ausdruck bringen und gleichzeitig auch darauf hinweisen, dass Sicherheit und Sicher­heitspolitik niemals zum Experimentierfeld der österreichischen Innenpolitik werden dürfen. Ich sage Ihnen das angesichts dieser dramatischen Entwicklungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Was wollen Sie uns damit sagen?)

Ich komme dazu, Frau Kollegin. Ich habe nämlich enormes Bauchweh, wenn hier mit Bildern gearbeitet und Österreich in der Öffentlichkeit so dargestellt wird, als wäre es vergleichbar mit dem seinerzeitigen Nazi-Regime. Das ist schlicht und einfach unwahr! Sie arbeiten hier mit Emotionen, die weder der Sache gut tun noch zu einer Ver­sachlichung dieses ohnedies schwierigen politischen Feldes beitragen, meine Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Ein Wort an Kollegen Darabos. Am 18. Dezember 2004 hat Kollege Darabos eine Presseaussendung gemacht, in der Folgendes steht:

„Eigenartig, wenn man eine 63-jährige Frau ohne Erfahrung in diesem Bereich als Ressortverantwortliche für einen derart wichtigen Bereich der österreichischen Politik bestellt.“ (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, diese 63-jährige Frau hat profunde Sachkenntnis bewiesen, diese Frau ist sensibel und entschlossen, hat die größte Verwaltungsreform seit 1945 zustande gebracht und hat uns jetzt ein Gesetz vorgelegt, das eine der schwierigsten Materien beherrscht. Meine Damen und Herren, ich gratuliere Innenministerin Liese


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Prokop zu ihrem Werken innerhalb der letzten sechs Monate! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bravorufe bei der ÖVP.) Frau Kollegin Glawischnig, Frau Kollegin Stoisits und Frau Kollegin Weinzinger! (Abg. Dr. Stummvoll – in Richtung Bundes­ministerin Prokop –: Tolle Performance!) Wir dürfen ganz einfach nicht darauf verzichten, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ich möchte es ganz klar widerlegen, Frau Kollegin Weinzinger, wenn Sie hier herinnen mit Mitteln operieren und so tun, als ob Österreich nichts anderes vorhätte, als Schutz und Hilfe suchenden Asylwerbern etwas aufzuerlegen. (Abg. Mag. Weinzinger: ... ins Auge sehen können!)

Frau Kollegin, es ist einfach nicht wahr, wenn Sie sagen, dass wir Jugendliche nach Hause schicken, obwohl sie hier geboren sind. Wissen Sie, welche kriminelle Entwicklung ein Jugendlicher, der zwei Jahre unbedingt bekommen hat, hinter sich haben muss? – Da sind mehrere Raubüberfälle passiert (Abg. Mag. Stoisits: Er ist trotzdem hier aufgewachsen!), da sind möglicherweise Vergewaltigungen passiert. (Abg. Mag. Stoisits: Er ist trotzdem hier aufgewachsen!) Bis ein Jugendlicher über­haupt in unbedingte Strafhaft geht (Abg. Mag. Stoisits: Er hat trotzdem sein ganzes Leben hier verbracht), vergeht normalerweise einiges an Zeit, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stoisits: Seine Heimat ist trotzdem Österreich!)

Sie operieren hier mit völlig falschen Zahlen, Frau Kollegin Stoisits. Und – ich habe es Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt – Sie operieren hier mit falschen Annahmen. (Abg. Mag. Stoisits: Nein!) Das ist nicht richtig, was Sie tun! Sie emotionalisieren in einer Sache, in der Sachlichkeit geboten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn 5 000 Asylwerber jährlich untertauchen, wenn sich mehr als 1 000 jährlich freipressen, dann hat der Staat die Verpflichtung, sich nicht weiter erpressen zu lassen! Ich bin gerne dazu bereit – und ich habe das schon im Aus­schuss mehrmals gesagt –, über die Grundsätze zu reden, die darüber ent­scheiden, wann Asyl zu gewähren ist. Das ist ein politisches Thema. Aber, Frau Kollegin Stoisits, wenn diese Grundsätze, die wir gemeinsam beschlossen haben, unterminiert und nicht eingehalten werden, dann muss doch der Staat in Einhaltung der Spielregeln ganz einfach auch reagieren können! Wir dürfen uns nicht erpressbar machen, meine Damen und Herren!

Zur nächsten Unwahrheit: Kinder in Schubhaft. – Das gibt es nicht! Es sind keine Kinder in Schubhaft, es gibt eine ganz klare Bestimmung, dass das nicht erlaubt ist. (Abg. Mag. Stoisits: Das wird es aber geben!) Auf Kinder, die abzuschieben wären, sind gelindere Mittel anzuwenden; da werden Wohnungen angemietet. Meine Damen und Herren, erwecken Sie doch nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck, als ob wir Kinder einsperren, damit wir sie in Schubhaft nehmen können. Das ist nicht wahr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Stoisits, Sie haben erwähnt, dass wir hergehen und einen Menschen, der in seiner Heimat mit der Todesstrafe bedroht wäre, abschieben wollen. – Genau für diese Fälle ist das Asylrecht geschaffen! Genau den Menschen, der in seiner Heimat mit dem Tod bedroht ist, werden wir nicht abschieben, denn genau dafür ist das Instrument des politischen Asyls geschaffen, meine Damen und Herren! Daher: Operieren Sie nicht permanent mit falschen Zahlen und mit falschen Annahmen! Das ist unseriös und unlauter, Frau Kollegin Stoisits! Das hätte ich mir nicht gedacht, dass Sie so operieren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Nein! ... die Dublin-Praxis sein!)

Frau Kollegin Stoisits, wir haben ganz klar gesagt: Wer in seiner Heimat mit dem Tod bedroht wird – aus politischen, rassischen, ethnischen oder religiösen Gründen –, für den werden wir hier Schutz haben und dem werden wir Hilfe anbieten. Wir haben jetzt


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national unsere Spielregeln gemacht. Das sind die Spielregeln, und Sie von den Grünen haben sich nicht eingebracht, indem Sie gesagt hätten: Ich hätte die Spiel­regeln gerne in der einen oder anderen Weise verändert. Nein, sondern was tun Sie von den Grünen? – Sie gehen her und helfen denjenigen, die unsere Spielregeln permanent unterlaufen. Sie tragen somit dazu bei, dass jene, die rasch unsere Hilfe brauchen, sie erst viel später bekommen können!

Wir bekennen uns zu den Grundsätzen, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen, und dass sie sie rasch bekommen! Das wäre ein Grundsatz, bei dem ich gerne gehabt hätte, dass Sie sich auch einmal dazu bekennen, Frau Kollegin Stoisits! (Beifall bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein Asylland. Österreich hat in der Vergangenheit, in der Gegenwart und wird in der Zukunft jenen, die in Not sind, auch Hilfe gewähren. Dazu bekennen uns wir von der ÖVP, und das findet heute auch im Asylgesetz seinen Ausdruck. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glocken­zeichen.)

Ich bitte alle um Zustimmung zu diesem notwendigen Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

12.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass mich Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen ersucht hat, bekannt zu geben, dass der grüne Klub den Dringlichen Antrag in Hinblick auf die Ereignisse in London zurückgezogen hat.

*****

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


12.44.29

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPÖ hat es sich nicht leicht gemacht, hier die Entscheidung zu treffen, diesem Fremdenrechts­paket zuzustimmen. Sicherlich nicht zugestimmt hätten wir Regelungen, wie sie in den beiden ersten Entwürfen enthalten waren. Es ist unseren Verhandlungsführern, Kollegen Darabos und Kollegen Parnigoni, zu verdanken, dass diese Bestimmungen entschärft wurden. – Herzlichen Dank, Norbert! Herzlichen Dank, Rudi! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verhehle nicht, dass ich einige Bestimmungen dieses Fremdenrechtspaketes als Jurist sehr kritisch sehe, insbesondere § 115, aber auch andere Bestimmungen. Ich kann Ihnen nur versichern: Wenn die Sozialdemokratische Partei wieder in der öster­reichischen Bundesregierung ist, werden diese Problembereiche beseitigt werden! (Oje-Rufe bei der ÖVP.) Wir stehen gegenüber bestimmten Problemen auch für eine andere Auslegung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stoisits: ... mit der ÖVP eine große Koalition!)

Nur, um auch ganz klare Worte in Richtung der grünen Fraktion auszusprechen: Wir sehen hier Erfolge, denn, Kollegin Stoisits, wären diese Bestimmungen gekommen, wie sie im ersten Entwurf vorhanden waren, dann hätten wir dagegen gestimmt. Schub­haft endlos, das war vorgesehen, Frau Kollegin Stoisits – jetzt kann eine Schubhaft in der Dauer von zehn Monaten über zwei Jahre verhängt werden, immer unter besonderen Voraussetzungen. Ist das nicht ein Erfolg? (Abg. Mag. Stoisits: Das ist ein „Erfolg“, wenn ich von sechs auf zehn Monate hinaufgehe? Was ist das für ein Erfolg?)


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Oder die Frage der Verfahrensdauer: Frau Kollegin Stoisits, die Frage der Verfahrens­dauer ist ein ganz zentraler Punkt. Es gibt 37 000 offene Fälle, wir haben überpro­portional viele Asylwerber. Es müssen die Verfahren beschleunigt werden. Daher gibt es jetzt zusätzliches Personal, daher sollen mit diesem Regelwerk die Verfahren beschleunigt werden.

Eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nämlich nicht mehr passieren: dass ein politisch verfolgter Kurde – wie wir es vor kurzem in den Medien lesen konnten – zwölf Jahre warten musste, bis er einen positiven Asylbescheid bekommen hat! Das halten wir für unmenschlich, das halten wir für untragbar, und daher bekennen wir uns zu dieser neuen Regelung!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auch die daten­schutzrechtlichen Probleme ansprechen. Ich darf daran erinnern, dass der österreichi­sche Datenschutzrat eine einstimmige Empfehlung beschlossen hat, und zwar auch mit der Stimme des Vertreters der Grünen. Die Bundesregierung beziehungsweise die Regierungsparteien haben diesem Anliegen Rechnung getragen und dies berücksich­tigt.

Ich meine als Konsumentenschützer der SPÖ, nachdem sich der Datenschutzrat hier durch ein wirklich exzellentes Gutachten bewährt hat: Denken Sie darüber nach, ob diese Konfiguration eines Konsumentenschutzrates nicht ebenfalls Eingang in die österreichische Rechtsordnung finden könnte. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir bekennen uns aber auch dazu – das sage ich als Sozialdemokrat mit aller Deut­lichkeit –, dass Asylmissbrauch abgestellt werden soll und Asyltourismus verhindert werden soll. Wir bekennen uns auch dazu, dass Asylwerber, die Straftaten, und zwar schwere Straftaten, begehen, mit der Strenge des Strafgesetzbuches verfolgt werden. Das sagte übrigens auch Caspar Einem wortwörtlich so in unserer Klubsitzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist es nämlich nicht nach­vollzieh­bar, wenn ich mir diesen Schlepperbericht des BMI ansehe (der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Organisierte Schlepperkriminalität“ in die Höhe) und darin lese, was hier passiert und wie organisierte Kriminalität das Asylrecht in Österreich missbraucht, insbesondere im Bereich der Frauen, die aus Nigeria nach Österreich geschleppt werden und dann wiederum als Prostituierte am Straßenstrich in Graz und in Wien arbeiten. (Abg. Scheibner: Und in Wien wird die Prostitution dann anerkannt!)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist Menschenhandel. Das lehnen wir ab, und daher sind wir in diesem Bereich für eine Verschärfung. (De­mon­strativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden daher für dieses Gesetz, für dieses Gesamtpaket stimmen, weil auch in anderen Bereichen wie etwa dem Niederlassungsrecht Vorteile zu sehen sind. In der Gesamtbeurteilung sagen wir, dieses Gesetz entspricht der österreichischen Verfas­sung und sichert den Schutz für die Schutzbedürftigen, nämlich diejenigen, die tatsäch­lich Flüchtlinge sind und zu uns kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Auch sie hat 5 bis 6 Minuten Redezeit.

Ich möchte das Hohe Haus davon unterrichten, dass wir anschließend des schreck­lichen Terrors in London gedenken werden. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



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116. Sitzung / Seite 76

12.50.19

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Hlavac, Sie haben vorhin die verpflichtenden Deutschkurse angesprochen, die Frauen machen sollen. – Ich finde es sehr gut, dass gerade jene Frauen, die von den Ehe­männern nicht die Erlaubnis dazu hatten – und da wissen wir, dass es einige waren –, nun die Möglichkeit haben, ihre Unabhängigkeit dadurch zu erreichen, dass sie verpflichtend Deutschkurse machen müssen und daher bessere Chancen haben, sich in Österreich integrieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das vorliegende Fremdenpaket ist konsequent. Es ist aber auch gerecht und entspricht ganz klar der Tatsache, dass all denjenigen, die tatsächlich verfolgt werden, Schutz gewährt wird und dass dem Missbrauch endgültig drastisch entgegengewirkt wird.

Ich spreche insbesondere die organisierte Kriminalität an. Es ist ja auch ein Fall, der insbesondere die Frauen betrifft, wenn wir zum Thema Schlepperei gehen. Wenn man sich den Schlepperbericht 2004 anschaut, dann haben sich gegenüber dem Jahr 2003 die Fälle zwar relativ um 13 Prozent verringert; wenn man sich aber die absolute Zahl von über 17 500 Fällen im Jahre 2004 anschaut, dann ist ganz klar, dass hier Hand­lungsbedarf besteht und Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dieser organisier­ten Kriminalität entgegenzuwirken. Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass jegliche Unterstützung, sowohl für die Einreise als auch für die Durchreise, strafbar ist, und zwar auch dann, wenn diese Unterstützung kostenlos erfolgt, und nicht nur dann, wenn damit Geschäfte gemacht werden.

Auch Beförderungsunternehmen werden in Zukunft stärkere Strafen hinzunehmen haben, wenn Daten über die Identität der Personen – der Fremden, die sie nach Österreich bringen – nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Das heißt zum Beispiel, ein Autobusunternehmer muss Daten über die Identität der jeweiligen Frem­den, über die Reisedokumente, aber jetzt zusätzlich auch noch über den Reise­verlauf bekannt geben. Ein ganz wesentlicher Unterschied, um dem Missbrauch entge­gen­zuwirken, besteht auch darin – denn bis jetzt war es so, dass als Strafausmaß eine Pauschale vorgesehen war –, dass bei Nichtbereitstellung dieser Daten in Zukunft über 3 000 € pro Person eingehoben werden. Auch das ist wiederum ein maßgeblicher Punkt, um den Missbrauch des illegalen Einschleusens von Fremden zu verhindern. Dies wirkt insbesondere dem bewussten Verschwinden-Lassen von Dokumenten entgegen, wie es vermehrt vorgekommen ist, wodurch die Verfahren erschwert und dras­tisch verzögert worden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verschärfung bei Missbrauch ist eine Tatsache, und wir stehen dahinter. Aber es dient dieses Fremdenpaket ganz klar auch zum Schutz für diejenigen, die ihn brauchen und die legal in Österreich leben.

Frau Kollegin Weinzinger, Sie beschäftigen sich immer sehr viel mit Frauenrechten. Etwas haben Sie heute nicht erwähnt, weil das etwas Positives ist; aber es ist für die Grünen natürlich schwer, in diesem Gesetz auch etwas Positives zu sehen. Gerade bei der Familienzusammenführung wird in Zukunft der völligen Abhängigkeit, die bis jetzt bestanden hat, entgegengewirkt, weil die Frauen ab sofort eine eigene Aufent­halts­möglichkeit haben, auch dann, wenn der Mann strafbar wird. Das ist gerade dann wichtig, wenn Gewalt gegen die Frauen angewendet wird. Diese haben sich ja bis jetzt nicht getraut, irgendwo Anzeige zu erstatten, weil sie damit rechnen mussten, dass sie dadurch ihren Aufenthaltstitel verlieren. Gerade das ist ein positiver Punkt, der auch in Richtung jener Petition wirkt, die wir unter Tagesordnungspunkt 2 nun ebenfalls mit behandeln, dass wir nämlich alles tun, um der Gewalt gegen Frauen in der Familie entgegenzuwirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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116. Sitzung / Seite 77

Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass Frauen in Österreich im 21. Jahr­hundert – ganz egal, ob es Österreicherinnen oder Migrantinnen sind – männlicher Gewalt hilflos ausgeliefert sind. Es muss ganz einfach von allen Menschen zur Kennt­nis genommen werden, dass die Zeit eines uneingeschränkten Patriarchats in Öster­reich (Präsidentin Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) ein für alle Mal der Vergan­genheit angehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.55

12.55.59 Gedenkminute anlässlich der Terroranschläge in London

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen und sich von Ihren Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen.)

Hohes Haus! Eine Serie von Terroranschlägen hat heute in London zahllose Ver­wun­dete und jetzt bereits über hundert Tote hervorgerufen. Wir wollen heute im öster­reichischen Nationalrat klarmachen: Wir haben Mitgefühl für die Opfer, wir stehen zu ihnen, wir denken an ihre Angehörigen mit Sympathie und Mitleid.

Der Terrorismus hat wiederum seine scheußliche Fratze gezeigt. Er trifft ganz Europa: No man is an island – kein Mensch ist eine Insel!

Großbritannien trifft es auch als das Land, das den Vorsitz in der Europäischen Union einnimmt, und daher ist London nicht von ungefähr zum Opfer der Terroristen geworden. Wir alle gehören zu Europa. Ich glaube, wir müssen uns in dieser Stunde bewusst sein, dass der Kampf gegen die Ursachen des Terrorismus und gegen den Terrorismus unsere gemeinsame Aufgabe ist; denn Gewalt und Brutalität dürfen nicht den Sieg über Frieden und Demokratie davontragen.

In diesem Sinne bitte ich Sie alle, eine Minute des Schweigens, des Gedenkens und des Gebets für die Opfer einzuhalten. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen. (Die Plätze werden wieder eingenommen.)

*****

Ich gebe in diesem Zusammenhang bekannt, dass die Grünen im Hinblick auf die Situation in London ihren gemäß § 74 eingebrachten Dringlichen Antrag zurück­ziehen.

Gleichzeitig wird vereinbart, dass der Dringliche Antrag als nicht eingebracht gilt und somit die Reihenfolge bei der Einbringung und die Anzahl der Dringlichen Anfragen unverändert bleiben.

Ich bedanke mich bei den Grünen für dieses Zeichen des Verständnisses und über­gebe den Vorsitz Herrn Präsidenten Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Freund. Ich erteile es ihm.

 


12.58.51

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Bundes­ministe­rinnen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf nach dieser Trauer- und Gedenkminute die Debatte über das vorliegende Fremdenrechtspaket wieder aufnehmen.


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Mit dem vorliegenden Fremdenrechtspaket 2005 kommt unsere Bundesregierung der Lösung eines großen Problems einen weiteren Schritt näher. In vielen Sitzungen des Innenausschusses wurde mit Experten intensiv beraten. Vorausschicken möchte ich, dass ich für eine menschliche und gerechte Asylpolitik bin; diese muss gemacht wer­den. Ich bin aber dagegen, dass Asylmissbrauch möglich ist, und dieser kommt in Österreich erwiesenermaßen vor.

Die Fremdenpolizei in meinem Heimatbezirk hat mir auf meine Anfrage hin sehr aufschlussreiche Zahlen und Erfahrungen im Zusammenhang mit Asylwerbern mitge­teilt. Als Probleme wurden erkannt: Kettenasylanträge, Überlastung der Behörde, Identitätsverweigerung der Asylwerber, die in Österreich straffällig werden. Im heurigen Jahr gab es in der Justizanstalt Ried im Innkreis bis Mai bereits 72 Häftlinge, die frem­denpolizeilich behandelt wurden. 40 von ihnen mussten nach Beendigung der Haft­strafe auf freien Fuß gesetzt werden, größtenteils, weil ein Asylverfahren beim UBAS anhängig war oder ist.

Bei den begangenen Delikten handelt es sich hauptsächlich um Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, um Eigentums- und Gewaltdelikte, aber auch um Schlepperei. Ich bin froh, dass mit dieser Gesetzesänderung Asylwerber nach der Strafhaft in Schubhaft genommen werden können. Bisher war das nicht möglich. Die Asylanträge werden vorrangig behandelt und die Verfahren damit rascher abgeschlossen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass die Antragsteller nach der Haft untertauchen und womöglich noch weitere Straftaten in Österreich begehen.

Bei dieser Asylgesetznovelle geht es darum, Missbrauch zu verhindern, jene heraus­zufinden, die Gründe für die Gewährung von Asyl haben, um diese besser und rascher in die Gesellschaft zu integrieren, und es geht darum, die Sicherheit der öster­reichischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Wesentlich beim Fremdenrechtspaket ist auch die Aufstockung des UBAS. Sogar in Linz soll eine Außenstelle entstehen, die den Rückstau aufarbeiten soll, denn in Ober­österreich haben wir einen Rückstau von mehr als 2 300 und weiteren 4 000 An­suchen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abschließend darf ich sagen: Ich bin für ein humanes und vor allem schnelleres Asylverfahren, aber Missbrauch muss ver­hindert werden. Die Menschenrechte dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden, aber auch die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande darf nicht auf der Strecke bleiben. Ich danke der Frau Bundesminister für die Vorlage dieses ausgewogenen Fremdenrechtspakets, dem ich gerne meine Zustimmung gebe. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Öllinger, ich lade Sie zu einer tatsächlichen Berichtigung ein. – Bitte.

 


13.02.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter Parnigoni hat in seiner Rede behauptet, dass die Dauer der Schubhaft mit zwei Monaten begrenzt sei. – Das ist unrichtig!

§ 80 des Fremdenpolizeigesetzes legt fest, dass die Dauer der Schubhaft abhängig vom Stadium des Verfahrens zwei, sechs, aber auch bis zu zehn Monate betragen kann.

Es gibt also keine Begrenzung auf zwei Monate. (Beifall bei den Grünen.)

13.02



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

 


13.02.56

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Verfassung und Menschenrechte werden beachtet, werden garantiert, besonders auch in diesem sehr sensiblen Gesetzeswerk. Das haben uns die Experten im Ausschuss und in besonderem Maße beim Hearing auch auf konkrete Nachfrage bestätigt. Wir haben daher nichts über Bord geworfen, keine Grundsätze, schon gar nicht in Bezug auf Bürger- und Menschenrechte. Nichts davon ist in Frage gestellt.

Die Regierungsvorlage ist sehr umfassend und ausführlich diskutiert worden. Es gab natürlich Abstriche und Zugeständnisse. Das hat ein gesunder Kompromiss so an sich. Das Asylgesetz hat aber Fortschritte und Verbesserungen gebracht, wenn man bemüht ist, es wirklich objektiv zu lesen. Viele unserer konstruktiven Vorschläge wurden berück­­sichtigt, aber es blieben Fragen offen, Frau Bundesministerin.

Besonders die Frau Innenministerin darf ich daran erinnern, dass die SPÖ immer wieder für ein eigenes Verwaltungsgericht für Asylverfahren plädiert hat. Wir halten diese Forderung weiterhin aufrecht, weil wir die Rechtsstaatlichkeit hier mehr denn je garantieren müssen. Daher ist alles zu unternehmen, alle Bemühungen zur Schaffung eines Asylgerichts müssen fortgesetzt werden. Daher hoffe ich auch, dass dieser gemeinsam zu beschließende Entschließungsantrag dann wirklich auch zum Tragen kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns geht es natürlich auch darum, dass die Erhöhung des Personalstandes sehr rasch durchgeführt wird, damit wir zu rascheren Verfahren kommen und qualitativ bessere Bescheide erhalten. Uns geht es auch darum, sehr rasch den Rückstand aufzuar­beiten. Ziel bleibt jedenfalls dieses eigene Verwaltungsgericht für Asylverfahren.

Meine Damen und Herren! Es muss die gleiche Stellung haben wie ein ordentliches Gericht mit unkündbaren und unversetzbaren Richtern. Das garantiert die richterliche Unabhängigkeit, und eine solche Investition in die Zukunft ist anzustreben. Dies wäre auch eine Qualitätsoffensive bei der Flüchtlingsbetreuung, im Asylverfahren und natürlich auch in der gesamten Fremdenpolitik. Das muss unser Ziel sein und bleiben!

Wir treten für einen respektvollen Umgang mit allen Menschen ein! Und diesen Weg werden wir auch gemeinsam in Zukunft weitergehen. Wir werden darauf achten, dass gerade in diesem sensiblen Bereich des Fremdenrechts und Asylwesens die Gesetze im Geiste der Humanität und der Menschlichkeit vollzogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


13.06.12

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Hohes Haus! Wer die Debatte, die wir hier vor zwei Jahren im Sommer 2003 geführt haben, mit der heutigen vergleicht, der wird feststellen, dass sich beinahe nichts geändert hat. Beinahe, denn ein Unterschied besteht darin, dass sich die Sozial­demokraten in die Reihe derer eingereiht haben, die eine realistische Einschätzung dieses Problems pflegen. Auch damals ist betont worden, dass Österreich eine große humanitäre Tradition hat: 1956 Ungarn, 1968 Tschechien, Polen, 1986, auch die Bal­kankrise. Immer hat Österreich seine Aufgaben auf dem Gebiet des Schutzes der Flüchtlinge vor Verfolgung vorbildlich erfüllt.


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Vor zwei Jahren ist auch darauf hingewiesen worden, dass sich offenbar im Verlaufe der neunziger Jahre Entscheidendes verändert hat. Die Asylwerberzahlen sind massiv angestiegen. Auch damals ist darauf hingewiesen worden, dass wir im Vergleich der europäischen Länder an der Spitze stehen, was die Anzahl der Asylanträge betrifft. Bereits damals wurde die Diagnose gestellt, dass das wohl nicht mehr als Asyl im engeren Sinne betrachtet werden kann, sondern dass unter dem Titel „Asyl“ offenbar eine massive Einwanderungsbewegung nach Europa stattfindet. Zum Zweiten wurde festgestellt, dass sich auch die organisierte Kriminalität dieses Instruments, Aufenthalt im wohlhabenden Europa zu bekommen, bemächtigt hat.

Das kann man auch für heute nur bestätigen, wenn man sich die Zahlen anschaut und die Länder nach der Anzahl derer reiht, die Asylanträge stellen: So steht Serbien-Montenegro an der Spitze, ohne dass dort erkennbar politische Ereignisse stattfänden, die Fluchtgründe nahe legten. Das Herkunftsgebiet der zweitgrößten Gruppe ist die Rus­sische Föderation, dann schon Indien, die größte Demokratie der Welt, dann die Türkei, die sich um einen Mitgliedstatus in Europa bemüht. Ganz offenkundig stimmt der Schluss, dass es sich hier auch im weitesten Sinne nicht mehr um Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention handelt, sondern um Einwanderer, die unter diesem Titel zu uns kommen.

Auch der Schluss, den heute die Frau Innenministerin gezogen hat, dass es nämlich notwendig ist, eine saubere Trennung durchzuführen zwischen dem Schutz vor Verfolgung im Asylgesetz und dem Ausschließen all jener, die aus anderen Gründen zu uns kommen, ist absolut richtig. Damals wurde behauptet, dass mit dem vorlie­genden Gesetz all dies geleistet werden könne.

Wenn ich die heutige Debatte verfolge, muss ich sagen: Es ist eigentlich alles gleich geblieben. Die Zahlen sind in Gesamteuropa etwas gesunken, wie Klubobmann Molte­rer gesagt hat. Da das Dublin-Verfahren nun auch für die neuen Länder der EU gilt, haben sich also die Probleme etwas entschärft. Österreich steht nach wie vor an der Spitze. Die Herkunftsländer sind Länder, in denen keine politische Ereignisse stattfin­den, die Asylgründe liefern könnten.

Es ist ein Déjà-vu-Erlebnis: Es hat sich seit damals nichts geändert, obwohl damals beteuert worden ist, es sei jetzt ein taugliches Instrument geschaffen worden, das die Probleme löst und das Asyl tatsächlich den Schutzbefohlenen nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorbehält.

Auch das vorliegende Gesetz wird präsentiert, indem man behauptet: Jetzt haben wir das Problem gelöst! – Die Botschaft höre ich wohl, allein ich kenne die Gesetzes­vorlage und erlaube mir daher, daran zu zweifeln, dass es diesmal gelingt. (Abg. Neudeck: Aber ein Schritt in die richtige Richtung ist es schon!)

Dies aus zwei Gründen: Erstens, weil wieder diese Trennung nicht sauber vollzogen ist – ich werde das dann gleich an einem Paragraphen beweisen – und zum Zweiten, weil wir nach wie vor massive Anreize aussenden, gerade zu uns zu kommen. Das ist angesichts der Arbeitsmarktlage ein sehr bedauerliches Versäumnis.

Ich frage mich auch, warum man es sich auflädt, umstrittene Regelungen, die erst am Ende eines langen Prozesses greifen, nämlich wenn bereits Schubhaft verhängt wird, in ein Gesetz einzubauen, die – ohne die Zahl zu unterschätzen – nur relativ wenige Per­sonen – etwa 1 000 – betreffen. Zu diesem Zeitpunkt sind nämlich meistens schon viele Jahre vergangen, viel an Steuergeldern in den Prozess hineingeflossen.

Zugleich verzichtet man darauf, in höchst komfortabler Weise, im Einklang mit inter­nationalen Regelungen, im Einklang mit europäischen Richtlinien, Maßnahmen zu setzen, die schon von vornherein die Inanspruchnahme von Asyl ausschließen –


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vermutlich, wenn es nicht berechtigt ist – und die zig-, zig-, zigtausende Personen betreffen würden.

Zwei konkrete Hinweise dazu: Zur Trennung von Asyl und Immigration. – Die Genfer Flüchtlingskonvention schlägt vor, in regelmäßigen Abständen von Amts wegen zu prüfen, ob Asylgründe noch vorliegen. Sie geht davon aus, dass Asyl natürlich ein Schutz auf Zeit ist. In Österreich dagegen gilt auch mit diesem neuen Gesetz: einmal Asyl – immer Asyl. Asyl geht geradezu zwangsläufig nach vier oder fünf Jahren in Staatsbürgerschaft über. Das ist ein massiver Anreiz für all jene, die über die Zuwanderungsquote nicht kommen können, es über die Asylschiene erfolgreich zu probieren und tatsächlich einzuwandern. Solange dies so bleibt, sehe ich nicht, dass wir maßgeblich Anreize verringern werden.

Und zum Zweiten: Zu Recht und in sehr realistischer Einschätzung der Wirkungen schlägt die europäische Statusrichtlinie, die eine gemeinsame Asylpolitik koordinieren soll, in ihrem Artikel 26 vor, verschiedene Rechte – zum Beispiel auch den Zugang zum Arbeitsmarkt – dem tatsächlich Verfolgten, dem tatsächlich anerkannten Flüchtling zu gewähren, nach positivem Abschluss des Asylverfahrens. Wir – und da werden wir sicher die Einzigen bleiben, kein anderes europäisches Land wird das machen – gewähren dieses Recht – nämlich den Zugang zum Arbeitsmarkt – bereits dem Asyl­werber, wenn innerhalb von drei Monaten – das ist praktisch nie der Fall – sein Asyl­antrag nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Das bedeutet einen massiven Anreiz für alle, die hier – es steht ihnen zu, das ist schon gesagt worden; aber uns steht es auch zu, unseren Arbeitsmarkt zu schützen – für höheren Lohn und zu besseren Bedin­gungen arbeiten wollen.

Ich frage mich, warum man diese einfachen Dinge, die man absolut konform mit allen internationalen Verpflichtungen, mit europäischen Regelungen durchführen kann, nicht macht. Ich bedauere es wirklich – ich bedauere es, denn dieses Problem ist eines der größten in diesem Land –, sagen zu müssen, dass ich überzeugt davon bin, dass wir auch diesmal nichts Effizientes zusammengebracht haben und dass die Kategorie Verschärfung oder Nicht-Verschärfung keine Kategorie ist, die überhaupt irgendeine Rolle spielt.

Vielmehr geht es darum: Ist dieses Gesetz effizient? – Und ich befürchte und bin über­zeugt davon: Nein!, und werde also nicht zustimmen.

13.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.13.13

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Heute haben wir eigentlich schon alles gehört: die Faschismus-Keule für die SPÖ, völlige inhaltliche Falschdarstellungen von Schubhaft und lebensrettenden und lebenserhaltenden Maßnahmen sowie eine ganz neue und eigenartige Definition für Menschenhändler und Schlepper, welche mit Fluchthelfern der Ungarn- und Tschechen-Krise verglichen wurden. – Ich sage Ihnen aber: Gerecht, fair und orientiert an den demokratischen Grundsätzen unseres Rechtsstaates wird nun ein neues Fremdenrechtspaket beschlossen werden.

So wird im neuen Asylgesetz nun definierte Rechtssicherheit gewährleistet: Hilfe für diejenigen, die sie brauchen – und nicht nur das, sondern darüber hinausgehend auch Integration und bei Willen und Wollen eine neue Heimat. Für Kriminelle aber wird in unserem Rechtsstaat kein Platz sein, und auch nicht für die, die die Asylschiene missbräuchlich verwenden wollen. Gegenüber Drogendealern, Geldwäschern, Men-


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schen­händlern, Schleppern, Extremisten und Terroristen wird es kein Zwinkern mit dem linken Auge geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Fair ist diese Gesetzeslage auch deshalb, weil den vielen tausenden Wirtschafts­flüchtlingen keine falschen Hoffnungen gemacht werden. Es werden keine para­diesischen Botschaften ausgegeben, und damit untergräbt man wahrlich den Men­schen­handel und das Schlepperwesen im Vorhinein.

Und abschließend für die ewigen Realitätsverweigerer: Lassen Sie sich nicht belehren, aber lernen Sie dazu! Die jetzige Debatte gibt Ihnen noch die Möglichkeit dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Glauben Sie wirklich, was Sie da sagen?)

13.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.14.59

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nach langen und sehr ausführlichen Hearings und Ausschuss­sitzungen liegt nun der Vorschlag für das Fremdenrechtspaket vor. Dieser sensible Bereich wurde ernsthaft und ausführlich diskutiert, und auch sämtliche Bedenken wurden angemeldet und zum Teil ausgeräumt.

Eines möchte ich feststellen: Die SPÖ hat es sich dabei nicht leicht gemacht. Faktum ist: Das von den Regierungsparteien beschlossene Gesetz wurde im Oktober 2004 in drei Punkten vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Daher musste ein neues Ge­setz verhandelt werden. Damit es ein vernünftiges, verfassungskonformes Gesetz wird, das nicht noch einmal vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, hat sich die SPÖ entschlossen, mitzuverhandeln.

Der Grund für unsere Mitarbeit war aber vor allem der, dass wir verhindern wollten, dass die Regierungsparteien einen noch viel härteren einfachgesetzlichen Beschluss fassen. Wichtig war für uns aber auch die Aufstockung der zweiten Asylinstanz um 15 bis 20 unbefristete Richterstellen, damit Asylverfahren rascher abgewickelt werden können, denn das ewige Warten, ob ein Asylwerber/eine Asylwerberin in Österreich Schutz findet oder nicht, dieses ewige Warten ist auch für die einzelnen Asylwerber belastend. Und hier haben wir von der SPÖ uns durchgesetzt: Mit diesem Gesetz wird es mehr Personal geben, die Asylverfahren können in Hinkunft rascher abgewickelt werden.

Für uns war auch die Schaffung eines eigenen Asylgerichtshofes ganz wichtig. Auch hier hat sich die SPÖ durchgesetzt. Dazu wird es noch einen Entschließungsantrag geben.

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte noch zu der so genannten Zwangs­ernährung oder Heilbehandlung: Ich gebe ganz offen zu, das war beziehungsweise wäre auch für mich ein Problem gewesen. Diese Art von Lebenserhaltung kommt meiner Meinung nach einer Folter gleich. (Abg. Murauer: Bitte, Frau Kollegin, sprechen Sie doch nicht von „Folter“!)

Wenn man sich die Vorgangsweise erklären lässt – hören Sie mir zu! – und wenn sich sogar Ärzte weigern, das durchzuführen, so bin ich sehr froh, dass es zu dieser Zwangsbehandlung nicht kommt. Wichtig, meine Damen und Herren, ist es jetzt, den Vollzug zu beobachten, ob wirklich alles so wie beschlossen durchgeführt wird. Ich bin auch sehr froh, dass unser hoch geschätzter Bundespräsident, Dr. Heinz Fischer, über alle Vorkommnisse informiert werden möchte.


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Das vorliegende Gesetz, meine Damen und Herren, ist ein Kompromiss, der zwischen Regierung und SPÖ ausgehandelt worden ist. Nach Abwägung aller Pros und Kontras und unter Einbeziehung dieser wichtigen Aspekte werde ich diesem Gesetz meine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


13.18.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Stoisits hat gesagt: Jeder Staat hat das – Pardon – jeder Staat hat das Recht, ... (Der Redner versucht, das Mikrophon einzurichten, was Rückkoppelungsgeräusche verursacht. – Ruf bei der SPÖ: Hände weg!) Hände weg, ja. – Jeder Staat hat das Recht, sich gegen Miss­brauch zu wehren.

Ich behaupte: Er hat nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, sich gegen Missbrauch zu wehren, insbesondere dann, wenn damit der zweckmäßige, ja der erforderliche Schutz der Bürger unseres Landes verbunden ist beziehungsweise her­gestellt werden kann.

Geschätzte Damen und Herren, es kommt ja nicht von ungefähr, wenn man sich die Zahl der Asylwerber bezogen auf die Bevölkerung anschaut, dass in Österreich eine überdurchschnittliche, eine überproportionale Zahl an Asylwerbern auftritt. Österreich hat 8,5 Prozent der Asylwerber der Europäischen Union und lediglich 2 Prozent der Bevölkerung. Hier ist etwas verschoben, etwas verzerrt.

Das Prinzip bei uns lautet: Schutz für Schutzbedürftige. Das war in der Vergangenheit so und wird in der Zukunft so sein. Missbrauch ist abzustellen. Wir haben festgestellt, dass beispielsweise im Bereich der Traumatisierung reichlich Missbrauch stattgefun­den hat. Es ist menschenrechtskonform vorzugehen und selbstverständlich verfas­sungskonform, und es ist eine zeitliche Angemessenheit der Verfahren zu garantieren.

Frau Bundesministerin Prokop, gestatten Sie mir noch ein Wort zu einer, wie ich meine, absolut nicht zufrieden stellenden Situation. Dies betrifft das Erstaufnahme­zentrum Thalham bei St. Georgen. Die freiheitliche Position war es ja immer, Erst­aufnahmezentren in Grenznähe zu installieren. Aus dieser Bundesbetreuungsstelle Thalham wurde ein Erstaufnahmezentrum gemacht – ich sage dazu: flächenwidmungs­mäßig falsch –, und mit dieser Umwandlung in ein Erstaufnahmezentrum hat auch die Akzeptanz, die vorher zwischen Bevölkerung und den in Bundesbetreuung Befind­lichen gegeben war, aufgehört zu existieren. Es ist ein gewaltiger Anstieg der Kriminalität in dieser Region zu verzeichnen. Die Bevölkerung ist nicht nur unzufrieden, sondern sie leidet darunter. Die vorhergehende gegenseitige Akzeptanz, die ein Ver­dienst des freiheitlichen Bürgermeisters Sepp Pichler war, hat aufgehört zu existieren. Der Handel leidet, der Tourismus leidet.

Hier ist Abhilfe zu schaffen. Die St. Georgener Bevölkerung hat sich das, wie ich meine, nicht verdient. Hier bedarf es dringend einer Änderung. (Beifall bei den Frei­heitlichen. – Abg. Pendl: Die Asylwerber sind Ihnen Wurscht!)

13.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

 



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116. Sitzung / Seite 84

13.21.29

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Herr Dr. Pilz hat für mich – und ich hoffe, auch für die Grünen in diesem Fall, vielleicht auch für die einen oder anderen von der Sozial­demokratie – etwas Wichtiges gesagt, und zwar: Die Grundelemente der Menschen­rechte sind das Recht auf Leben und auf Freiheit.

Das Recht auf Leben haben wir zu erfüllen. Deswegen verstehe ich nicht, dass, wenn jemand sich entschieden hat, seine Interessen durch einen Hungerstreik durchsetzen zu wollen, und er dann knapp vor dem Verhungern lebensrettende Maßnahmen von uns bekommt, dies als Folter oder als etwas anderes bezeichnet wird, sondern ich denke, wir haben die Verpflichtung, Menschen in unserem Staat am Leben zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir machen das auch mit jenen, die verunfallt sind. Wir haben diese Verpflichtung auch bei jenen, die meinen, mit ihrem Leben Schluss machen zu müssen, weil sie verzweifelt sind. Wir sind doch aufgerufen, diesen Menschen in letzter Konsequenz zu helfen und sie vom Tod abzuhalten. Und das, glaube ich, sollten wir auch mit jenen machen, die meinen, mit einem Hungerstreik Interessen durchsetzen zu wollen.

Es kann auch nicht sein, meine Damen und Herren, dass sich ein Staat wie Österreich mit solchen Maßnahmen erpressen lässt. Das ist nicht akzeptabel, das können wir nicht signalisieren, das dürfen wir nicht zulassen.

Mit diesem Gesetz, glaube ich, wird Österreich seiner Tradition gerecht, nämlich ein Asylland zu sein, in dem jene, die Aslyberechtigung haben, Rechtssicherheit haben und ihnen Schutz, Arbeit und Integration gewährt wird.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist unterm Strich wirklich ein gutes, ein ausdiskutiertes, ein humanes Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

13.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


13.24.08

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs eine Fest­stellung treffen: Dass wir seit Wochen Verhandlungen durchgeführt haben und dass wir heute hier stehen und einen Beschluss fassen werden über das vorliegende Fremden­rechtspaket, hat eine Vorgeschichte. Vor zwei Jahren haben wir in der Diskussion sowohl im Ausschuss als auch im Plenum immer wieder darauf hingewiesen, dass das bestehende Gesetz verfassungsrechtlich nicht halten wird und dass das wahre Problem in der Verwaltung, im Vollzug gelegen ist, weil es mit den vorhandenen Ver­waltungsressourcen ganz einfach nicht umzusetzen ist.

Ich höre noch alle Debattenbeiträge der Abgeordneten der Regierungsparteien. Wider besseres Wissen wurde ein Gesetz beschlossen, das dann der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, und wir haben heute eine komplett neue Gesetzesmaterie zu beschließen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das vorliegende Paket ist ein Kompromiss, wobei für mich persönlich, der ich zu diesem Kompromiss stehe, wichtig ist, dass die Verfassungsmäßigkeit garantiert ist, dass die Menschenrechte garantiert sind, dass jener Punkt, über den wir gemeinsam bereits vor zwei Jahren diskutiert haben, nämlich eine Beschleunigung des Verfahrens, zustande kommt und dass der Missbrauch des Asyls so gut wie möglich hintangehalten wird.


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Eine der zentralen Fragen aber ist nach wie vor – die Frau Bundesministerin ist nicht hier, sie hat es aber zugesagt –, dass wir vor allem im UBAS eine Personalaufstockung umsetzen werden müssen. Wenn wir diesen Rückstau von rund 28 000 zu behan­delnden Fällen ernstlich aufarbeiten wollen, dann ist das im Vollzugsbereich und nicht im legistischen Bereich umzusetzen.

Dazu, meine geschätzten Damen und Herren der Regierungsparteien, lade ich Sie wirklich ein. Lassen Sie dem Ressort die notwendige Unterstützung zukommen, damit diese Personalaufstockungen auch vorgenommen werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird ein gemeinsamer Entschließungs­antrag – so nehme ich an – hier im Haus beschlossen werden, und ich hoffe, dass dieses unabhängige Asylgericht mit unabhängigen, weisungsfreien Richtern dazu bei­tragen wird, dass wir auch in diesem Bereich einen Quantensprung nach vorne im Interesse aller Menschen und auch, wenn wir so wollen, im Namen der Humanität vollziehen können.

Ich möchte aber, da es sich um einen Kompromiss handelt, noch einen Abänderungs­antrag einbringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schieder, Krainer, Bettina Stadlbauer, Gisela Wurm und KollegInnen betreffend die Regierungsvorlage 952 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizei­gesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebüh­rengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeld­gesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes 1055 d.B.

Das Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asyl­gesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheits­polizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes 1055 d.B. wird wie folgt geändert:

In Art. 3 § 115 wird nach dem Wort „Fremden“ die Wortfolge „gegen einen Ver­mögensvorteil“ eingefügt.

*****

Ich lade Sie ein, diesem Abänderungsantrag im Sinne der Solidarität und der Mensch­lichkeit Ihre Zustimmung zu geben, und wünsche mir und hoffe, dass auch dieser von mir mitgetragene Kompromiss, ein wichtiger Schritt für die Menschen in unserer Heimat und für die in Not Suchenden, wenigstens in die richtige Richtung geht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaál – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Pendl –: Bravo, Otto!)

13.28



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Schieder, Krainer, Stadlbauer, Wurm, Kollegen und Kolleginnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


13.28.08

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Asyl stammt aus dem griechischen asylon“ und bedeutet Zufluchtsstätte. In früheren Zeiten waren Asyle meist geheiligte Orte, die den Flüchtenden vor dem Zugriff der weltlichen Macht beziehungsweise der Gerichtsbarkeit schützten.

Die rechtsphilosophische Begründung des Asylbegriffes nimmt gegenwärtig auf die bürgerliche Freiheit Bezug, da manche Rechte nur voll gewährleistet werden können, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre menschliche Gemeinschaft auch selbst auswählen können. Das Recht, diese Gesellschaft zu verlassen, muss mit einem Recht korrespon­dieren, in eine andere überzutreten.

Von dem Recht, sich in Europa ein neues Heimatland zu suchen, machen viele Gebrauch. Im Jahre 2004 suchten 282 480 Menschen in der Europäischen Union um Asyl an, davon alleine in Österreich 8,7 Prozent.

Im Zentrum des neuen Asylgesetzes steht daher die rasche Hilfe für Asylsuchende und die Entscheidung darüber, ob sie tatsächlich als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Kon­vention anerkannt werden oder nicht.

Wenn ich mir die SPÖ-Abgeordneten so angehört habe und immer wieder von Kom­promiss die Rede war, dann habe ich schon das Gefühl, dass sie sich da irgendwie auch am großen Michael Häupl orientiert haben, der dieser Tage donnerte und alle erzittern ließ. Ich glaube, wir haben, insgesamt gesehen, ein neues Asylgesetz, ein ausgewogenes Paket hier vorliegen, durch das einerseits wie bisher Personen, die des Schutzes bedürfen, diesen auch rasch bekommen und andererseits Missbrauch ausgeschlossen werden kann.

Zusammenleben braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Wir müssen – das steht uns allen hier gut an – die Menschen, die in diesem Land leben, ernst nehmen und ihre Befürchtungen ernst nehmen. Ich glaube, die kennen wir alle. Daher ist es ein gutes Gesetz, und daher sollten wir dem auch alle zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


13.30.28

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Frau Kollegin Tamandl, ich glaube, wir müssen die Menschenrechte aller Menschen ernst nehmen. – Nur so viel zu Ihrer Rede. (Abg. Mag. Regler: Das machen wir!)

Ich persönlich finde es sehr schade, dass heute in dieser Debatte wieder einmal sehr schwarz-weiß gemalt wurde. Auf der einen Seite, so habe ich es empfunden, haben die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und den Freiheitlichen vor allem und hauptsächlich von der Kriminalität der AsylwerberInnen und in diesem Zusammenhang von der Sicherheit in Österreich gesprochen. Auf der anderen Seite haben sich die VertreterInnen der grünen Fraktion als einzige moralische Instanz in diesem Land dargestellt.


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Das finde ich sehr schade. Ich finde, das ist keine ehrliche Diskussion, und ich finde, das geht auch – zumindest meinem Gefühl nach – an einem großen Problem der Asyl­problematik vorbei, nämlich dass wir uns alle gemeinsam Gedanken darüber machen sollten, menschliche Schubhaftbedingungen zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde mir wirklich von Herzen wünschen, dass wir viel mehr über ein anderes, über ein menschlicheres Mittel als die Schubhaft für unbescholtene AsylwerberInnen sprechen würden. Frau Bundesministerin Prokop hat es heute in ihrer Rede auch schon gesagt, dass man da Maßnahmen finden sollte. Die Frau Bundesministerin ist jetzt leider nicht da, aber vielleicht kann man es ihr ausrichten: Wir werden sie immer daran erinnern, denn das ist auch ein ganz großes Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden diesem Gesetz heute zustimmen, obwohl ich schon zugebe, dass auch ich Bedenken hatte und dass ich sehr viele Stunden über diesem Regierungsvorschlag gesessen bin. Ich finde, es ist eine ungeheuerliche Unterstellung von Kollegen Pilz, dass er meiner Fraktion und auch mir unterstellt, dass wir auf Grund von Umfrage­werten diesem Gesetz heute zustimmen. Das ist für mich einfach ungeheuerlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion auch noch eines sagen: Sie wissen ganz genauso gut wie wir, dass die Regierungsparteien den Entwurf dieses Asylgesetzes auch alleine mit einfacher Mehrheit hätten durchbringen können. Warum wir uns entschlossen haben, mitzuverhandeln, war, ein verfassungskonfor­mes, ein menschenrechtskonformes Asylgesetz zu beschließen, ein Asylgesetz zu beschließen, das vor allem die Verfahren beschleunigt. Ich glaube, das wollen wir alle. Das war unser Ziel, das haben wir erreicht, und deshalb stimmen wir diesem Gesetz heute auch zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hätte mir gewünscht, dass die Frau Bundesministerin in ihrem Beitrag vielleicht ein einziges Mal unsere Verhandler namentlich genannt hätte und sich auch bei ihnen bedankt hätte. Ich möchte mich bei Norbert Darabos und Rudi Parnigoni bedanken (Beifall bei der SPÖ) für ihre Hartnäckigkeit und ihre Verhandlungen, die es erst möglich gemacht haben, dass es heute ein Gesetz gibt, dem wir zustimmen können.

Ich möchte nun noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, Bettina Stadlbauer, Mag. Gisela Wurm, Ulrike Königs­berger-Ludwig, Katharina Pfeffer, Dr. Cap, Krainer und KollegInnen betreffend Berück­sichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, einen Kriterienkatalog mit ge­schlechtsspezifischen Asylgründen zu erstellen, welcher als Richtlinie im Verordnungs­weg zu erlassen ist. Unbedingt enthalten sein müssen drohende Genitalverstüm­melung, Zwangsheirat und systematische Gewaltausübung gegen Frauen. Bei der Erstellung des Kriterienkatalogs sollen externe ExpertInnen von in dieser Angelegen­heit tätigen NGOs und anerkannte MenschenrechtsexpertInnen beigezogen werden.

Die Bundesministerin für Inneres wird weiters aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese Traumatisierungen bei allen weiteren Verfahrensschritten zu berücksichtigen sind. Insbesondere soll bei traumatisierten Personen keine Zurückschiebung erfolgen.


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Darüber hinaus wird die Bundesministerin ersucht, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen, der den Vollzug des neuen Asylgesetzes im Bereich der traumatisierten Personen analysiert.

*****

Erlauben Sie mir noch einen Schlusssatz. Ich möchte zum Schluss betonen, dass es mir persönlich sehr, sehr wichtig ist, dass wir alle, die wir hier gemeinsam in diesem Hohen Haus sitzen, dazu beitragen, dass in Österreich ein Klima herrscht, in dem Schutz und Würde der Menschen im Vordergrund stehen und nicht die Ängste gegenüber Fremden geschürt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben ver­le­sene Entschließungsantrag der Abgeordneten Bayr, Stadlbauer, Wurm, Königs­berger-Ludwig, Pfeffer, Dr. Cap, Krainer ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhand­lung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, Bettina Stadlbauer, Mag. Gisela Wurm, Ulrike Königs­berger-Ludwig, Katharina Pfeffer, Dr. Cap, Krainer und KollegInnen betreffend Berück­sichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren, eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage betreffend das Fremden­rechtspaket 2005

Es gibt eine Reihe von Verfolgungsgründen, die rein geschlechtsspezifisch sind und von denen eine große Zahl Frauen betroffen ist. Dazu gehören unter anderem die weibliche Genitalverstümmelung (FGM) und die Zwangsheirat. Diese Verbrechen an der Menschlichkeit und im speziellen an den Frauenrechten sind hinreichend politisch bekannt und wissenschaftlich dokumentiert und doch finden sie im österreichischen Asylrecht nicht die erforderliche Berücksichtigung. Durch diesen Umstand kann es passieren, dass die Diskriminierung von Frauen und die Verletzung von Frauenrechten nicht nur im Ursprungsland stattfindet, sondern ein weiteres Mal in der Vollziehung des Asylgesetzes.

Viele Frauen, die das Martyrium einer weiblichen Genitalverstümmelung durchlitten haben, sind traumatisiert und leiden physisch und psychisch. Diese Traumatisierung führt oft dazu, dass von Seiten der Betroffenen das reguläre Zustandekommen eines Asylverfahrens nicht gewährleistet ist. Daher ist es notwendig, traumatisierten Menschen in jedem Fall die Möglichkeit eines Asylverfahres zu eröffnen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, einen Kriterienkatalog mit ge­schlechtsspezifischen Asylgründen zu erstellen, welcher als Richtlinie im Verord­nungsweg zu erlassen ist. Unbedingt enthalten sein müssen drohende Genitalverstüm­melung, Zwangsheirat und systematische Gewaltausübung gegen Frauen. Bei der


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Erstellung des Kriterienkatalogs sollen externe ExpertInnen von in dieser Angelegen­heit tätigen NGOs und anerkannte MenschenrechtsexpertInnen beigezogen werden.

Die Bundesministerin für Inneres wird weiters aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese Traumatisierungen bei allen weiteren Verfahrensschritten zu berücksichtigen sind. Insbesondere soll bei traumatisierten Personen keine Zurückschiebung erfolgen.

Darüber hinaus wird die Bundesministerin ersucht, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen, der den Vollzug des neuen Asylgesetzes im Bereich der traumatisierten Personen analysiert.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

13.35.19

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich war und ist ein Land, das seit vielen Jahrzehnten Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat. Als traditionelles Asylland zeigen wir viel Verständnis für das Leid in der Welt. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben Verständnis und Mitgefühl mit Men­schen, die in Not geraten sind.

Ich erinnere an die Flüchtlingsströme nach dem Zweiten Weltkrieg. Mein Großvater, meine Großmutter, mein Vater sowie Hunderte asylsuchende Sudetendeutsche wurden allein in meiner kleinen Heimatgemeinde Kautzen aufgenommen, und es verging kein Jahrzehnt im vorigen Jahrhundert, in dem Österreich nicht Zigtausenden Asylsuchenden zur neuen Heimat geworden ist.

Bedauerlicherweise muss festgestellt werden, dass in den letzten Jahren durch inter­national organisierte Schlepperbanden aus finanziellen Gründen viele Menschen nach Österreich gebracht werden, die keine Asylanten sind oder sogar strafbare Handlungen begehen.

Nach den neuesten Angaben der Flüchtlingsorganisation UNHCR betrug die Anzahl der Asylanträge im ersten Quartal 4 222 Personen. Deutschland mit einer zehnmal höheren Bevölkerungszahl verzeichnete hingegen nur etwas über 6 000 Asylanträge. Eine siebenfach höhere Anzahl an Asylwerbenden pro Einwohner bei uns gegenüber Deutschland zeigt, dass Österreich gegenüber dem rot-grün regierten Deutschland über wesentlich moderatere gesetzliche Regelungen verfügt.

Seit Herbst 2004 wurde im Bundesministerium für Inneres unter Einbindung aller relevanten Ressorts, der Länder, des UNHCR und bedeutender NGOs an der Erstel­lung eines Entwurfes zur Neudefinition des Asylrechtes gearbeitet, an einem aus­gewogenen Paket, mit dem das Asylrecht, das Fremden- und das Fremdenpolizeirecht sowie das Aufenthalts- und Niederlassungsgesetz einer umfassenden Neuregelung zugeführt wurden.

Schwerpunkte des nunmehr vorliegenden Entwurfes sind

erstens: sicherzustellen, dass alle, die schutzbedürftig sind, diesen Schutz auch erhalten;

zweitens: die Verfahren zu beschleunigen;

drittens: Missbrauch abzustellen und, wo erforderlich, auch mit entsprechenden Sank­tionen vorzugehen.


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Die zentrale Frage bei der Gewährung von Asyl ist der Grund der Flucht, also ob politische, religiöse Verfolgung oder andere in der Vorlage genau beschriebene Grün­de zur Asylgewährung vorliegen. Es ist uns ein Anliegen, jenen, die Hilfe brauchen, diese auch schnell und unbürokratisch zu gewähren. Österreich soll sehr wohl ein gerechtes und geschätztes Asylland sein und bleiben. Es soll jedoch nicht Zielland für internationale Schlepperorganisationen, die lukrative Geschäfte machen wollen, werden.

Meine Damen und Herren! Es ist gewiss, dass es sich hier um eine sehr sensible Materie handelt. In langen und intensiven Gesprächen wurden vielfach mildere, manchmal auch strengere Auslegungen des Verfahrens verlangt. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage wurde ein guter und gangbarer Weg gefunden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Liechtenstein. – Bitte.

 


13.38.47

Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin, wenn nötig und berechtigt, stets für die Gewährung von Asyl, aber ein Großteil der Asylwerber kommt wegen materieller Vorteile zu uns. Das wurde heute hier auch schon gesagt. Gemeint ist einerseits die soziale Hängematte, andererseits Bereicherung durch Verbrechen.

Österreichs Bevölkerung ist beunruhigt über die hohe Ausländerkriminalität und beson­ders über straffällige Asylwerber, die das Gastrecht missachten. Sicherheit hat Vor­rang. Das Parlament musste handeln, denn Vertrauen ist die Atemluft der Demokratie.

Das neue Asyl- und Fremdenpolizeigesetz härtet Österreichs Schutzdamm. Der Rechtsstaat muss in diesem Fall auch Stärke zeigen. Wird er zahnlos, kehrt das Gesetz des Dschungels zurück. Der nächtliche Park – die Verunsicherungen sind stark. Weltoffenheit ist Grundlage herausragender Leistungen. Den echten Flüchtlin­gen, die auf Hilfe angewiesen sind, reichen wir die Hand. Sie finden in Österreich Schutz, Asylbetrüger nicht. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

13.40


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


13.40.13

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat im Bereich des Asylwesens eine lange Tradition, auf die wir stolz sein können, denn kaum ein anderes Land steht Hilfe suchenden Menschen so offen gegenüber wie wir.

Wir haben aber auch eine Verpflichtung der Welt gegenüber, denn es gab eine Zeit, in der Österreich selbst auf fremde Hilfe angewiesen war und viele Menschen nur durch diese überleben konnten.

Die Bilder, die von den Grünen gezeigt wurden, sind Beispiele für einige der bekanntesten Personen, doch – und ich bin froh, das sagen zu können – all diesen Menschen würde mit der heutigen Gesetzesvorlage selbstverständlich auch Asyl gewährt werden. Das steht außer Frage.

Um aber jenen Menschen, die Asyl brauchen, besser helfen zu können, müssen wir eine Handhabe schaffen, die jeglichem Asylmissbrauch einen Riegel vorschiebt. Ich begrüße daher die schnelleren Entscheidungen gegenüber straffälligen Asylwerbern


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und auch die nun möglichen Abwesenheitsentscheidungen, durch die verhindert wird, dass Asylwerber durch gezieltes Untertauchen ein Verfahren verschleppen.

Auch die Entscheidung, dem UBAS mehr Personal zur Verfügung zu stellen, ist der richtige Weg zu einer Entschärfung der Situation. Es ist den Menschen nicht zuzu­muten, oft monatelang auf eine Entscheidung warten zu müssen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den wichtigsten Forderungen, auch der Bevölkerung, nämlich Hilfe den Hilfesuchenden, Härte gegenüber den Missbrauchen­den und Strafe für Kriminelle entsprochen wird.

Ich möchte unserer Frau Minister gemeinsam, ich glaube, mit über 80 Prozent unserer Bevölkerung für die hervorragende Gesetzesvorlage danken und werde dieser gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.

 


13.42.18

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Eingangs wünsche ich den Abgeordneten Posch, Trunk, Kuntzl, Muttonen und Einem baldige Besserung, die wahrscheinlich auf Grund der SPÖ-Klubsitzung ihre Krankheit bereits vor einigen Tagen verspürt haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man sieht, dass die Regierung und die Mandatare der Regierung ihre Aufgaben zum Wohle der Bevölkerung wahrnehmen. Die Bilder am Beginn der Debatte zum heute vorliegenden Asylgesetz, auf denen die Grünen verfolgte Personen gezeigt haben, die Asyl bekommen haben, zeigen auch ihre bewusste Desinformation. (Abg. Brosz: Was ist daran „Desinformation“?)

Interessant dabei war, als Herr Abgeordneter Scheibner auf dies hingewiesen hat, dass der SPÖ-Parlamentsklub dazu applaudiert hat. Heute in der Früh war die „Volkshilfe“ vor dem Parlament, die ja eine Organisation der SPÖ ist. Auf diesen Bildern ist auch Dr. Bruno Kreisky zu sehen. (Der Redner hält ein solches Bild in die Höhe.) Sie wissen genau, dass das Asylgesetz, das wir heute beschließen, genau jenen Personen Asyl gewähren wird, so wie das auch im Jahre 1938 der Fall war.

Ich freue mich daher, dass dieses Asylgesetz heute mit großer Mehrheit beschlossen wird, und danke auch allen, quer durch die Parteien, die hiezu etwas beigetragen haben. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Herr Abgeordneter Brosz, Sie kommen aus demselben Wahlkreis, wissen genau, welche Probleme es mit der bestehenden Situation gibt, und werden diesem neuen Asylgesetz heute trotzdem nicht zustimmen. Denken Sie daran!

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch beim Abgeordneten Pendl bedanken. Wir haben im Arbeitskreis Sicherheit im Februar dieses Jahres mit der Frau Minister viele Punkte besprochen, wo wir aus der Praxis wissen, dass eine Veränderung notwendig war, und wir das heute auch dementsprechend beschließen werden, weil dies einge­arbeitet wurde.

Ich möchte mich an dieser Stelle als Mandatar des Bezirkes Baden, so wie du (in Richtung des Abg. Brosz) auch einer bist, bei der Bevölkerung von Traiskirchen dafür bedanken, dass sie letztendlich auch die Last der Asylpolitik in den letzten Jahrzehnten getragen hat. Aber durch eine gezielte, vernünftige und praxisorientierte Asylpolitik ist diese Last für Traiskirchen in den letzten Jahren deutlich besser geworden. – Dafür danke!


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Danke auch an die Frau Bundesminister dafür, dass sie hier solch einen praxis­gerechten Gesetzestext mit erarbeitet hat. Danke allen, die heute zustimmen werden. Die Bevölkerung in Österreich weiß, was sie an diesem Hohen Haus und an jenen Mandataren hat, die heute zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.44


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöls. – Bitte.

 


13.45.57

Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Beginn meiner Rede allen danke sagen, die dazu beigetragen haben, dass wir heute in der Lage sind, mit großer Mehrheit ein Asylgesetz zu beschließen, das der guten Tradition unseres Heimat­landes gerecht wird. Ich binde in diesen Dank nicht nur die Frau Bundesminister und ihren Mitarbeiterstab, sondern auch alle Verhandler in den Klubs und in den Parteien ein, weil letztlich die Vernunft bei diesem Kompromiss gesiegt hat.

Allen aber, die heute durch ihr Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen, dass sie mit diesem Beschluss nicht mitgehen können, oder ihren Schmerz über die reale Lebenswelt zu Hause in den Kopfpolster weinen, empfehle ich, dass sie einmal das Gespräch suchen mit jenen, die tatsächlich mit Immigranten zu tun haben, nämlich mit jenen, die im Assistenzeinsatz an der Grenze stehen, mit jenen, die in der Fremden­behörde arbeiten und Exekutivbeamte sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird jenen geholfen, die Asyl brauchen! Es kann doch nicht schlecht sein, dass wir der Tendenz zu Scheinehen und Scheinadoptionen entgegenwirken. Es kann doch nicht schlecht sein, dass die Mitwirkungspflicht für die Asylsuchenden verstärkt wird, und es kann auch nicht schlecht sein, dass es in den ersten 20 Tagen nach Stellen des Asylantrags nicht möglich ist, quasi als Tourist durch ganz Österreich zu fahren.

Ich habe mir auch im Hearing die Argumente angehört. Ich muss sagen, für mich war das Argument, das Professor Raschauer vorgebracht hat, in dem die Verpflichtung des Staates hervorgehoben war, wichtiger als alles andere.

Den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen darf ich noch Folgendes sagen: In der „Welt“ von vor vier Wochen hat die grüne Staatssekretärin Uschi Eid in Deutschland die Migrationspolitik ihrer Partei gerügt (Abg. Öllinger: Wir reden aber von der Asylpolitik!) und hat gesagt:

„Die Grünen müßten ,der Realität in die Augen sehen’ und ,glasklar’ deutlich machen, ,daß nur der in unser Land kommen und dort bleiben darf, der unsere Werte respektiert und das Grundgesetz achtet’ (...)“. (Abg. Öllinger: Wir reden von der Asylpolitik!)

Was für die Grünen in Deutschland Gültigkeit hat, wo rigorosere Bestimmungen herr­schen, das sollte auch Ihnen ein Denkanstoß sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sie verwechseln Einwanderung mit Asyl!)

13.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. (Abg. Prinz – in Richtung der sich zum Red­nerpult begebenden Abg. Mag. Weinzinger –: Begründen Sie, warum Sie nicht mitstim­men!)

 



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116. Sitzung / Seite 93

13.47.51

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Auf einige Vorredner eingehend, stelle ich mir die Frage, wenn es Ihnen, insbesondere den Bürgermeistern einiger Gemeinden, so ein Anliegen ist, Traiskirchen als Flüchtlingslager zu schließen: Vielleicht sagen Sie auch, was Sie mit den Flücht­lingen machen würden? – Wir Grüne würden vorschlagen, dass man für jeden Flüchtling eine menschengerechte Unterkunft und ausreichende Versorgung in jedem Fall sicherstellt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte jetzt kurz auf den Entschließungsantrag eingehen, der gerade eben von der Abgeordneten Petra Bayr und KollegInnen eingebracht wurde, der ja nicht unbrisant ist. (Die Rednerin hält ein Exemplar dieses Antrages in die Höhe.) Erstens freue ich mich darüber, dass unser Vorschlag aus der Ausschussdebatte, einen Kriterienkatalog für geschlechtsspezifische Asylgründe zu erstellen, aufgegriffen wird, weil ich das inhaltlich jedenfalls sinnvoll finde, aber ein bisschen eigenartig ist das schon:

Sie beschließen heute ein Gesetz, in dem von all dem, was Sie hier jetzt fordern, nichts drinnen steht. Sie werden diesem Gesetz zustimmen, Sie haben sogar über dieses Gesetz verhandelt – angeblich ausführlich. Ich meine, vielleicht hätten Sie Ihrem Chefverhandler, dem Kollegen Darabos, die Liste mitgeben sollen, was er noch mitverhandeln soll, denn entweder hat er zum Thema Frauen und Schutz von Frauen vor Verfolgung überhaupt nichts in den Verhandlungen durchgebracht oder – was ich, ehrlich gestanden, eher glaube – es war nie wirklich Gegenstand der Verhandlungen, dass Schutz von Frauen vor Verfolgung jedenfalls auch für die SPÖ in das Gesetz hineinverhandelt gehört.

Dass man dann aber dazu übergeht und so klammheimlich in einen Entschließungs­antrag hineinschreibt: „Insbesondere soll bei traumatisierten Personen keine Zurück­schiebung erfolgen.“, während man gleichzeitig einem Gesetz zustimmt, in dem genau diese Schutzklausel für traumatisierte Personen gestrichen wird, das ist – im besten Falle – schizophren. Seien Sie mir nicht böse! Es fällt mir manchmal schwer, Ihr Bemü­hen ernst zu nehmen. Das kann nicht Ihr Ernst sein, sich das in einer Entschließung zu wünschen, aber gleichzeitig einem Gesetz zuzustimmen, mit dem das Abschieben von traumatisierten Personen erleichtert wird. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Dr. Puswald.)

Wir werden diesem Entschließungsantrag trotzdem unsere Zustimmung geben, weil wir glauben, dass damit dringlich notwendige Dinge angesprochen werden. Und wir hoffen, dass Sie es damit ein bisschen ernster nehmen als mit Ihrer Kritik am Asylgesetz in den letzten Monaten. (Beifall bei den Grünen.)

13.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Daher gelangen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz, ein Fremden­polizeigesetz und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bundes­betreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhän­gigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrens­geset­zen, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz, das Familienlastenausgleichs­gesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden


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116. Sitzung / Seite 94

sowie das Fremdengesetz aufgehoben wird, samt Titel und Eingang in 1055 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Hlavac, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über den von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil, dann über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließ­lich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstim­men lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 3 § 115 eingebracht.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 4 §§ 14 bis 16 des Gesetz­entwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Abgeordneten, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit. Damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfas­sungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls mehrheitlich mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1055 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen. (E 120.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Silhavy: Kollegin Steibl!) – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt. (Abg. Amon: Kollege Einem stimmt auch nicht mit!)

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Ange­legenheiten, seinen Bericht 1056 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

13.54.173. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (973 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienst­gesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) und über den

Antrag 540/A (E) der Abge­ordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkür­zung und Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


13.54.49

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das jetzt zum Beschluss vorliegende Zivildienstgesetz und seine Novelle sind ein Desaster, denn eigentlich hätten wir heute ein Zivildienstgesetz beschließen sollen, das eine Verbesserung für Zivildienstleistende darstellt, aber dazu ist es leider nicht gekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesheerreformkommission hat damals festgestellt, dass auch der Zivildienst zu verändern ist. Deshalb wurde die Zivil­dienstreformkommission eingesetzt. Diese hat von September letzten Jahres bis Ende Jänner gearbeitet.

Am Anfang war eigentlich einiges bereits sehr klar. So wie uns das Ganze vorgestellt worden ist, wie es zu laufen hat und wie auch die Geschäftsordnung gemacht wurde, da war schon klar, was herauskommen soll, nämlich eine Verkürzung des Zivildienstes auf neun Monate und sonst nichts.

Das heißt, diese Kommission war eigentlich nur ein Scheingefecht oder ein Schein­instrument, für die Zivildienstleistenden etwas verbessern zu wollen, denn es war eigentlich klar, was dort passieren soll.

Wir haben wochen- und monatelang gearbeitet, und ich glaube, die Inhalte, die die Grünen eingebracht haben, waren sehr gut. Diese Bewertung stelle nicht nur ich für uns auf, sondern sie wurde auch von Teilorganisationen der SPÖ, von Behinderten­organisationen und von Zivildienstorganisationen mitgetragen. Wir haben dann sogar gemeinsam einen Minderheitsbericht verfasst, in den wir ganz klare Ziele und ganz klare Forderungen hineingeschrieben haben.

Eine Forderung davon war die Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate. Die zweite große Forderung war die Erhöhung des täglichen Verpflegungsgeldes auf min­destens 11,60 € und die dritte große Forderung war, dass man zusätzlich, aber unabhängig vom Zivildienst, den sozialen Dienst ausbauen muss, um dann, wenn die


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Wehrpflicht abgeschafft wird, das Vakuum, das durch die nicht mehr vorhandenen Zivildiener entstehen würde, durch das so genannte freiwillige soziale Jahr zu ersetzen.

Das war die Position der Grünen. Bei der SPÖ gab es ein langes Hin und Her, sie wollte sofort sechs Monate. Sechs Monate seien genug und alles andere sei eine Ausbeutung der Zivildiener, hat es geheißen. Herr Darabos, kennen Sie diesen Aus­spruch? – Er stammt von Ihnen.

Wir haben gesagt, wir können das nicht so schnell machen. Schreiben wir in das Gesetz hinein, dass wir die Verkürzung des Zivildienstes in zwei Etappen haben wollen, nämlich Etappe eins, Reduktion auf acht Monate, und nach zwei Jahren, Etappe zwei, Gleichstellung mit der Wehrpflicht, sechs Monate, damit eben die Träger­organisationen auch die Möglichkeit haben, sich auf die neue Situation vorzubereiten. Es wäre nicht möglich gewesen, dass man von heute auf morgen sechs Monate sagt, denn das hätten die Betreuungsorganisationen nicht leisten können. Wir haben versucht, die SPÖ davon zu überzeugen; es war erfolglos. Sie haben gesagt, auf acht Monate gehen wir nicht mit euch mit, sondern wir wollen gleich nur sechs Monate, ohne Kompromiss, alles andere sei Ausbeutung.

Was liegt heute zur Beschlussfassung vor? – Wir haben eine Zivildienstgesetz novelle, die nicht acht Monate und in einer zweiten Etappe sechs Monate festschreibt, sondern durchgängig neun Monate. Und wir haben heute eine Regierungsvorlage zur Be­schlussfassung, die an der Höhe des Verpflegungsgeldes nichts ändert, das heißt, Zivildiener werden auch in Zukunft knapp 6 € an täglichem Verpflegungsgeld bekom­men und keinen Cent mehr.

Herr Darabos, ich denke, Sie haben da einige Fragen zu beantworten. Was ist denn aus Ihrer Forderung geworden, dass das Verpflegungsgeld auf mindestens 11,60 € angehoben werden muss? – Heute ist Ihnen das völlig Wurscht! Sie stellen diese Forderung nicht mehr. Sie stellen auch nicht mehr die Forderung, dass der Zivildienst im Endeffekt auf sechs Monate verkürzt werden soll. Sie haben gesagt: Neun Monate sind besser als zwölf.

Den Gedanken haben Sie dann fortgespielt und gesagt: 6 € Verpflegungsgeld sind wahrscheinlich auch besser als 12 €. Wie sonst könnte ich Ihren Beschluss deuten, dass Sie nicht bereit waren, wirklich etwas zur Verbesserung der Verpflegung von Zivildienern beizutragen?

Sie hatten alle Möglichkeiten, Herr Darabos, alle! An Ihnen hängt es, ob die Verfas­sungsbestimmungen heute hier durchgehen oder nicht. Sie haben allem, was die ÖVP wollte – und das haben wir von Haus aus gewusst –, zugestimmt, ohne auch nur irgendetwas für die Zivildienstleistenden in Österreich zu verlangen oder zu verbes­sern.

Herr Darabos, ich brauche es Ihnen nicht noch hundertmal zu sagen, Sie haben es von Ihren Vorfeldorganisationen bis zu den gesamten Zivildienstvertretungsorganisationen ohnehin schon hundertmal gehört: Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Herr Darabos, dass Sie neun Monaten zustimmen, und auch nicht für die Tatsache, dass Zivildiener auch in Zukunft gleich schlecht gestellt sind wie jetzt. Da haben Sie Erklärungsbedarf! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe Ihnen das auch schon im Ausschuss gesagt. Dann sind Sie gekommen und haben gesagt: Na ja, wir wissen ohnehin, dass das alles nicht gut ist, aber was sollen wir denn tun? Es ist halt so, wir können nichts machen. – Ja selbstverständlich hätten Sie etwas machen können, Sie müssen ja nicht zustimmen! (Abg. Mag. Darabos: Dann bleibt es bei zwölf Monaten!) – Sie müssen nicht zustimmen! Wenn im Zivil-


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dienstgesetz alles so geblieben wäre, wie es jetzt ist, nämlich bei den zwölf Monaten, und Sie nur ein bisschen politisch geschickt wären, dann hätten Sie das ganze Desaster der ÖVP umgehängt, denn diese hätte nämlich verhindert, dass der Zivildienst verkürzt wird. Sie haben aber keine Forderungen gestellt! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Darabos, Sie haben keine Forderungen gestellt. Sie haben im Ausschuss nur gejammert, was Sie nicht alles haben wollen und nicht bekommen, weil Sie es nämlich nicht gefordert haben. Dann sind Sie noch mit einem Entschließungsantrag gekom­men, mit dem Sie die Forderungen, die ich jetzt genannt habe, alle eingebracht haben, und haben gesagt: Aber das brauchen wir auch! – Dann hätten Sie es verlangt!

Sie haben es nicht verlangt! Da brauchen Sie nicht zu erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen und damit mehr oder weniger Ihre – unter Anführungszeichen – „Suderei“ unterstützen, nur weil Sie nicht fähig sind, ordentlich zu verhandeln! (Rufe bei der ÖVP: Ah! – Abg. Mag. Darabos: Das ist ja unglaublich!) Das haben Sie verspielt! Das ist vorbei! Ich habe es Ihnen im Ausschuss noch einmal gesagt: Verhandeln Sie das noch ein, Sie haben noch die Möglichkeit! – Aber Sie haben die Zeit bis heute verstreichen lassen und haben gar nichts mehr gemacht. (Abg. Parnigoni: Theresia, das ist ungerecht!)

Was haben Sie gefordert? – Die 17 Verfassungsbestimmungen müssen aufgehoben werden. Wie viele sind denn auf Grund Ihrer Verhandlungen aufgehoben worden, Herr Darabos? – Gar keine, nicht eine einzige! Sie haben wirklich alles verspielt, was es in diesem Bereich zu verspielen gibt.

Ich meine, politisch bleibt das an Ihnen hängen, das ist mir Wurscht, mit dem müssen Sie selbst zurechtkommen, aber die Problematik, die sich daraus ergibt, ist, dass sich die Situation für die Zivildienstleistenden in Zukunft nicht verbessern wird. Das ist das Dilemma und das Desaster, vor dem wir stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe deshalb einen Abänderungsantrag ein, in dem wir noch einmal klarstellen, was sich die Grünen für Zivildienstleistende in Österreich erwarten: eine Verkürzung auf de facto sechs Monate und eine Erhöhung des täglichen Verpflegungsgeldes auf 11,60 € , so wie es die Frau Ministerin, die jetzt nicht da ist, bereits am 22. ... (Abg. Prinz: Die begründet nicht da sein kann!) – Bitte? Ja, ist ja Wurscht. Sie ist nicht da. (Abg. Prinz: Das hat auch eine Begründung!) – Ich habe ja nicht gesagt, dass es bösartig oder schlimm ist, ich habe nur gesagt, dass sie nicht da ist. Die Frau Ministerin hat am 22. Dezember der APA gegenüber bereits gesagt, dass es mindestens 11,60 € Verpflegungsgeld geben wird. Wo sind die denn? – Sie sind nicht da und es wird sie auch nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines – und da gehört die SPÖ inzwischen auch dazu –: Ihnen geht es nur um eines, nämlich darum, dass Sie Billigstarbeitskräfte haben und das mehr oder weniger über die Zivildiener spielen.

Herr Darabos, ich habe es immer gemeinsam mit Ihnen vertreten – das sage ich Ihnen auch noch –, wenn es geheißen hat: Zivildiener dürfen nicht weiter ausgebeutet werden! – Auch das waren Ihre Worte. Aber hiemit haben Sie festgeschrieben, dass Zivildiener weiter ausgebeutet werden, und zwar so lange, solange Sie das haben wollen, weil Sie immer wieder zustimmen. – Es ist halt so.

Ich kann mich noch an Herrn Krainer erinnern, der heute nicht einmal auf der Red­nerliste stehen darf, warum auch immer! (Abg. Bures: Bei uns kann jeder auf der Rednerliste sein, der will!) Das ist nicht mein Problem.


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Was haben Sie versprochen und was haben Sie gehalten? – Sie haben den Zivil­dienern viel versprochen, Sie haben aber nichts, absolut nichts gehalten!

Ich erinnere Sie nur an den Minderheitenbericht, den wir in der Zivildienstreform­kommission abgegeben haben. Wissen Sie noch, was da alles drinnen steht? Herr Darabos, wissen Sie noch, was da alles drinnen steht? (Abg. Mag. Darabos: Ja!) – Das wissen Sie noch. Und was haben Sie davon umgesetzt? (Abg. Mag. Darabos: Das werde ich Ihnen nachher sagen!) – Gar nichts, absolut nichts! (Abg. Parnigoni: Das ist eine falsche Interpretation!) Ich bin nicht dafür zuständig, wie Sie verhandeln, ob Sie es können oder nicht und wie gut und wie schlecht. Das ist nicht mein Problem. (Abg. Gaál: Sie sind so streng! – Abg. Parnigoni: Seien Sie nicht so streng!)

Herr Darabos, Sie lassen die Zivildiener im Regen stehen! Sie unterstützen es in Zukunft mit, Herr Darabos, dass Zivildiener ausgebeutet werden! Vor zwei Monaten hat der Herr Darabos noch so wie ich gesagt: Man darf Zivildiener nicht ausbeuten! Das waren seine Worte. Und jetzt ist er dabei, gesetzlich mit zu beschließen, dass Zivil­diener selbstverständlich auch in Zukunft unter denselben Bedingungen ausgebeutet werden, so wie es bis jetzt der Fall war. (Abg. Gaál: Seien Sie nicht so streng!)

Außer der Reduktion auf neun Monate, die sowieso durchgegangen wäre, weil es vom ersten Tag an klar war – das haben der Herr Vorsitzende und alle anderen nicht bestritten –, dass wir auf neun Monate reduzieren müssen, ist nichts herausgekom­men. Sie haben eine wichtige Chance verspielt. Ich weiß nicht, warum Sie die Zivil­diener geopfert haben. Sie brauchen es mir auch nicht zu erklären, aber Sie werden es anderen erklären müssen. Ich finde es nur schade, dass Sie die Zivildiener weiterhin ausbeuten, obwohl Sie es waren, der mit mir gesagt hat: Zivildiener dürfen nicht mehr ausgebeutet werden. Sie machen es aber auch in Zukunft. Das ist traurig. (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Haidlmayr, Sie haben zwar angesetzt, den Abänderungsantrag einzubringen, nur verlesen haben Sie ihn nicht. Es war nicht beantragt, ihn zu erläutern. Verlesen haben Sie ihn nicht! Da muss ich Sie enttäuschen. Es tut mir Leid. Kommen Sie gerne zurück und verlesen ihn. – Bitte.

 


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (973 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanz­gesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) und über den Antrag 540/A(E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.).

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrens­geset­zen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundes­finanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Aus­schussberichtes wird wie folgt geändert:


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Zu Artikel 3

Zivildienstgesetz 1986

1. In Ziffer 5 betreffend § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 5 neu) ist in der Ziffer 1 die Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ zu ersetzen.

2. Die Z 55 lautet wie folgt:

„55. § 28 Abs. 1 lautet:

‘(1) Der Bund hat auf dem Wege der Zivildienstserviceagentur für die Auszahlung der Pauschalvergütung gemäß § 25a und für das Verpflegungsentgelt des Zivildienst­leistenden in der Höhe von 11,60 Euro pro Tag Sorge zu tragen. Die Einrichtungen haben für die Leistung der für den Zivildienst erforderlichen Ausbildung, für die Be­kleidung samt deren Reinigung und die Beiträge für die Kranken- und Unfall­versicherung – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 vorgesehenen Leistungen, aufzukommen.’“

Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


14.09.09

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr! Ihnen darf ich schon mitgeben: Heute ist ein guter Tag für den Zivildienst und vor allem auch für die österreichischen Zivildiener. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gott sei Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich der Zivildienst in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Säule in unserem Sozial- und Gesundheits­bereich entwickelt. Es ist eine Art Win-Win-Situation entstanden, sowohl für den Zivil­dienstleistenden als auch für die einzelnen Trägerorganisationen, weil wir wissen, dass sehr hohe Zufriedenheit bei beiden herrscht.

Wie kam es überhaupt zu dieser Zivildienstgesetz-Novelle? – Seit rund einem Jahr gibt es in Österreich eine breite Diskussion über den Zivildienst. Das haben wir unserem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu verdanken, der im vorigen Jahr eine 42-köpfige Zivildienstreformkommission einberufen hat. Es hat sehr intensive Diskus­sionen und sehr intensive Sitzungen über den Zivildienst gegeben. Es hat Überein­stimmungen gegeben, aber natürlich auch unterschiedliche Meinungen. Letzten Endes ist es am 27. Jänner dieses Jahres zu einem Beschluss gekommen, bei dem der Bericht und die Empfehlungen mit 25 : 15 Stimmen abgesegnet wurden. Das sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, 62,5 Prozent!

Auf dieser Grundlage basierend hat Frau Bundesministerin Prokop eine Regierungs­vorlage erarbeitet. Was sind die wesentlichen Inhalte beziehungsweise die am meisten diskutierten Punkte dieser Vorlage? – Das wesentlichste Thema ist die künftige Dauer des Zivildienstes. Diesbezüglich ist unser Vorschlag und auch jener in der Regierungs­vorlage: neun Monate Pflichtdienst, drei Monate freiwillige Verlängerung.

Warum neun und nicht sechs Monate? – Ich möchte das begründen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben eine gewisse Anzahl an tauglichen Jung­männern, zirka 35 000 pro Jahr. Wir wissen vom Bundesheer, dass vor allem in den nächsten Jahren zwischen 22 000 und 25 000 Präsenzdiener pro Jahr für das Bundes­heer unbedingt benötigt werden. Wir haben jetzt pro Jahr 10 000 Zivildiener. Ver-


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kürzten wir den Zivildienst um die Hälfte, nämlich auf sechs Monate, würden wir nicht 10 000 Zivildiener, sondern 20 000 Zivildiener benötigen, damit wir unser Gesundheits- und Sozialsystem so aufrechterhalten können, wie es derzeit ist, und das wollen wir. Jeder, der die vier Grundrechnungsarten beherrscht, weiß, dass sich das rein rech­nerisch einfach nicht ausgehen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt ist, dass vor allem bei den Rettungsorganisationen sehr lange Aus­bildungszeiten bei den Zivildienern nötig sind, die bis zu zehn Wochen dauern. Es gibt auch von Blaulichtorganisationen Beschlüsse, die feststellen, dass es bei einer Zeit unter neun Monaten für sie undenkbar ist, Zivildiener zu nehmen. Darauf nehmen wir Rücksicht, weil wir wollen, dass der Zivildienst auch in Zukunft vor allem in diesen Organisationen verbleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Wort möchte ich noch zum SPÖ-Modell anfügen. Die SPÖ hat zum Schluss vorge­schlagen: sechs plus drei. Das heißt, jene, die den Zivildienst bei den Blaulicht­organisationen leisten, sollen neun Monate Dienst machen, alle anderen sechs. Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie mir nicht böse: Das ist eine Dis­kriminie­rung innerhalb der Zivildiener. Dem konnten wir beim besten Willen nicht zustimmen. Das geht nicht, das ist in der Praxis nicht durchführbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt betrifft die freiwillige Verlängerung um drei Monate. Das soll eine wirkliche Förderungsmaßnahme für die Freiwilligenarbeit sein. Der Zivildiener erhält während dieser freiwilligen Verlängerung 500 € pro Monat auf die Hand. Als Mitarbeiter des Roten Kreuzes weiß ich, dass es im Bereich der Schüler und Studenten viele gibt, die dieses Jahr sehr wohl in Anspruch nehmen werden. Es ist wirklich daran gedacht, dass das eine Förderung der Freiwilligenarbeit sein soll.

Ein sehr wichtiger Punkt und eine sehr wesentliche Verbesserung für unsere Zivil­diener ist die Anhebung der Grundpauschale um 70 € auf 256 €. So wird mit den Prä­senzdienern gleichgezogen. 70 € mehr pro Monat sollte man schon auch erwähnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ergibt immerhin Mehrkosten von 8,8 Millionen €. Das heißt, dass dieser Bundes­regierung und dem Staat Österreich der Zivildienst sehr wohl etwas wert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Zivildienstserviceagentur wird ab 1. Oktober 2005 wieder ins Bundesministerium eingegliedert. Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der jetzigen Zivildienstverwaltungs-GmbH bedanken. Dort wird hervorragend gearbeitet. Es gibt eine sehr rasche und gute Beratung und Betreuung der Zivildiener. – Herzlichen Dank den Mitarbeitern der Zivildienstverwaltungs-, in Hinkunft Zivildienstserviceagentur. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass künftig auch die Praxis für die Zivildiener, die vor allem auch im Sozial- und Gesundheitsbereich tätig sind, angerechnet werden kann. (Abg. Haidlmayr: Auf was?) Es muss hier noch eine GuKG-Novelle folgen, das muss im Gesundheitsbereich noch angepasst werden. Ich habe bereits mit der Frau Ministerin gesprochen. Sie signalisiert diesbezüglich Zustimmung. Ich halte es für wichtig, dass den Zivildienern die Praxis angerechnet werden kann.

Ein strittiger Punkt, auf den Frau Kollegin Haidlmayr sehr intensiv eingegangen ist, ist der Punkt der Verpflegung. Wir wissen, dass es sehr unterschiedliche Situationen bei den Trägerorganisationen gibt. Viele Zivildiener werden verpflegt oder werden sehr kostengünstig verpflegt. Wir haben einen Entschließungsantrag, der aussagt: Sobald das Enderkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, wird die Ministerin per Ver­ordnung eine Mindestgrenze beim Verpflegungsgeld festlegen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die freiwillige Öffnung des sozialen Dienstes für Frauen ist uns ein sehr großes Anliegen, gerade im Hinblick auf die Bürgergesellschaft. Auch dazu gibt es einen Entschließungsantrag, der aussagt, dass ein eigenes Gesetz für die Förderung von freiwilligen sozialen Diensten in Bezugnahme auf das derzeit schon bestehende freiwillige soziale Jahr geschaffen werden soll.

Ich fordere auf, dass man rasch zur Umsetzung kommt, denn diese Parallelstruktur sollte man im Hinblick auf weitere Veränderung betrachtet – nämlich darauf, was mit der Wehrpflicht passiert – schon mit 1. Jänner 2006 starten können. Deshalb ist meine große Bitte, dass die Sozialministerin und die Bundesregierung die nötigen Schritte für das Zustandekommen dieses Gesetzes für das freiwillige soziale Jahr in die Wege leiten.

Zusammenfassend, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich sagen, es freut mich als ehemaligen Zivildiener ganz besonders, dass wir in dieser wichtigen Frage einen breiten Konsens gefunden haben und dass die SPÖ zustimmt. Dafür bedanke ich mich. Das ist positiv und das freut mich.

Die Zweidrittelmehrheit möchte ich noch erwähnen, weil uns angeboten wurde, dass wir sie aufheben sollten. Ich sage eines dazu: Sie ist mit gutem Recht im Jahre 1997 in Fragen des Zivildienstes – vor allem bei der Dauer – in den Verfassungsrang gehoben worden. Das gibt Sicherheit sowohl für die künftigen Zivildienstleistenden als auch für die vielen Hunderten Trägerorganisationen. Denn somit können sie planen, und sie wissen, was ihnen bevorsteht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen. – Abg. Öllinger: Sie wissen genau, dass das wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde!)

Es gibt auch einen weiteren, dritten Entschließungsantrag, der ganz klar aussagt, dass dieses System nach drei Jahren evaluiert wird. Dann können weitere Maßnahmen für den Zivildienst gesetzt werden.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Ministerin Prokop, bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch bei unseren Klubsekretären, allen Kollegen im Parlament und vor allem den Experten in der Reformkommission bedanken. Ich denke, alle waren um eine gute Lösung bemüht. Diese gute Lösung liegt mit wesentlichen Verbesserungen für die Zivildiener zur Ab­stimmung vor, und ich bitte um Ihre Zustimmung. (Rufe bei der ÖVP: Bravo! – Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, der nachträglich verlesene Abänderungsantrag Ihrer Fraktion, verlesen durch Frau Abgeordnete Haidlmayr, steht bereits mit in Verhandlung; er ist ausreichend unterstützt.

 


14.18.20

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Danke für den Applaus! (Abg. Steibl: Der war nicht für Sie! Der war für den August Wöginger!) – Der hat ihn nicht verdient! (Abg. Steibl: Seien Sie nicht so eingebildet! Jeder Applaus ist nicht für Sie!) Das werde ich jetzt im Detail noch ausführen.

Das Grundproblem ist: In drei Jahren wird es etwas ganz anderes zu evaluieren geben, nämlich ob es überhaupt noch einen Zivildienst gibt. Der Zivildienst ist – da liegt der große Irrtum Ihrer ganzen Planungen – nicht das billige Zwangsarbeitsmodell zur Verschleierung des Pflegenotstandes, sondern eng mit dem Präsenzdienst verbunden.


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Sie werden doch nicht ernsthaft nach In-Kraft-Treten von Schengen II und dem Ende des Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres – das ist der letzte sicher­heitspolitische Grund für den Präsenzdienst – sagen: Damit es den Zivildienst zur Verbilligung des Pflegenotstandes weiterhin gibt, müssen junge Männer in Österreich zum Präsenzdienst einrücken. Das ist doch völlig verrückt!

Wenn Sie alles zusammenzählen, dann sehen Sie, das ist ja kein billiger Pflegedienst, Krankentransportdienst und so weiter mehr, sondern ein ausgesprochen unsinniges und teures System. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen, dass viele der jungen Männer, die sich zum Zivildienst melden, das auch tun, weil sie sich sagen: Wenn ich schon gezwungen werde, sechs, acht, zehn, zwölf Monate meines Lebens einen Zwangsdienst zu verrichten, möchte ich wenigstens etwas Sinnvolles machen. – Das ist kein ausreichendes Argument.

Es wird nach Schengen II auch in Österreich zu einer ernsthaften Debatte über die Abschaffung der Wehrpflicht kommen. Wie die Bundesrepublik und viele andere Staaten der Europäischen Union wird auch Österreich früher oder später die Wehr­pflicht abschaffen, und dann ist es mit dem Zivildienst automatisch vorbei, weil die Fortführung des Zivildienstes ohne Präsenzdienst menschenrechtskonventionswidrig wäre: Das wäre Zwangsarbeit nach der Menschenrechtskonvention, und das geht nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)

Sie wissen ganz genau, dass wir mit der Änderung der europäischen Sicherheitspolitik auf einen offenen Pflegenotstand hinsteuern, weil es dann plötzlich keine Zivildiener mehr geben wird, und tun so, als ob das kein Problem wäre! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Dieses Problem ist absehbar! Mit der Abschaffung des Präsenzdienstes wird aus einem schleichenden und verschleierten Pflegenotstand ein akuter und offener Pflege­notstand. Die kranken, älteren und pflegebedürftigen Menschen haben sich aber etwas anderes verdient als eine kurzsichtige Volkspartei, eine kurzsichtige SPÖ und zwei kurzsichtige freiheitliche Parteien! Das ist der Punkt! (Abg. Dr. Mitterlehner: Finden Sie irgendwann einmal auch etwas Positives?)

Es geht also darum, sich darauf vorzubereiten, dass der Zivildienst rechtzeitig durch ein System qualifizierter Pflege mit engagierten, gut bezahlten und hoch motivierten Menschen ersetzt wird. Insgesamt wird das billiger sein als die Summe aus Präsenz­dienst und Zivildienst, und insgesamt werden die älteren und kranken Menschen im Hinblick auf die Qualität der Pflege und Betreuung mehr davon haben. –Das ist einmal das Erste.

Das Zweite: Das ist schon bald eine Selbstverständlichkeit. Ich sage es nur der Ordnung halber, weil ich das auch aus der SPÖ immer öfter höre, aber das ist ja zum Glück nicht unser Problem: Wenn man den Darabos in Verhandlungen schickt, dann kommt ein Problem zurück. (Abg. Bures: Das sagt bei uns niemand!)

Das war beim Asyl so, und das ist auch beim Zivildienst so. Überlegen Sie sich das! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Das ist wirklich nicht unser Problem! Obwohl es uns lieber wäre, wenn die Opposition hier gemeinsam auftreten könnte! Was ist beim Zivildienst geschehen? – Die SPÖ gewinnt beim Verfassungsgerichtshof, verzichtet dann aber auf die Umsetzung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, nützt nicht einmal ihre Zweidrittelmehrheitsbeschaffungsposition aus, gibt nach – vielleicht auf Grund schlechterer Nerven, vielleicht auf Grund irgendwelcher taktischer Kalküle, die Motive dafür sind mir verborgen geblieben – und lässt sich von der ÖVP unter


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Druck setzen, und zwar mit dem simplen und gar nicht besonders starken Argument: Wir schieben euch den schwarzen Peter beziehungsweise die Schuld für eine mögliche Beibehaltung von zwölf Monaten Zivildienst zu.

Da könnte man doch auch als Sozialdemokratie bei den Positionen nicht nur der eigenen Partei, sondern auch des Verfassungsgerichtshofes bleiben! Da hätten Sie mit gutem Gewissen hart bleiben können! Ich weiß nicht, welches politische Kalkül dahin­ter steckt, vom Asyl bis zum Zivildienst so öffentlichkeitswirksam umzufallen! (Abg. Dr. Mitterlehner: Sie zerbrechen sich immer den Kopf der anderen! Sie sollten sich einmal Ihren eigenen Kopf zerbrechen!)

Faktum bleibt, dass wir in beiden Punkten – und das war vor Monaten noch nicht abzusehen – eine rot-schwarz-blau-orange Koalition haben, und das ist eine Koalition, die auf Kosten von Menschenrechten und auf Kosten der Qualität der Pflege geht und die auch auf Kosten der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik geht. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)

Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir Grüne viel stärker werden, damit all das endlich nicht mehr eine solche Rolle spielt. Dann wird alles in dieser Republik viel besser. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Parnigoni: Oje, oje, das wird in die Hose gehen!)

14.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Abgeordneter Grillitsch, könnten Sie ein bisschen leiser telefonieren? – Danke.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt fängt der Kampf an!)

 


14.24.37

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Pilz, Ihre Demagogie in Ehren, aber seien Sie mir nicht böse, wenn ich Ihnen sage: Sie wissen genau, dass Sie Unrecht haben! Sie haben – das sage ich Ihnen gleich am Beginn – nicht die Stärke im Parlament, um eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zu verhindern. Es ist eben so, dass nur die Sozialdemokratie diese Stärke hat und dass die Sozialdemokratie deswegen auch für sich selbst abschätzt, wenn es um Zweidrittelmaterien geht, welchem Gesetzes­beschluss sie zustimmen und welchen Gesetzesbeschlüssen sie nicht zustimmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen gleich am Beginn: Ich werde den Abänderungsantrag auch einbringen. Wissen Sie, wer im Ausschuss für sechs Monate Zivildienst gestimmt hat? – Die Sozial­demokratie! Die grüne Fraktion hat nicht für sechs Monate gestimmt! Das war eine interessante Vorgangsweise im Innenausschuss: Die einzige Partei in diesem Haus, die im Innenausschuss für sechs Monate gestimmt hat, war die Sozialdemo­kratie! (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wir werden heute einen Abänderungs­antrag einbringen, Herr Präsident, da wir noch immer hoffen, dass die ÖVP bereit ist, in dieser Frage die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung und somit die Zweidrit­telmehrheit aufzuheben, weil es aus sozialdemokratischer Sicht nicht erkennbar und verantwortbar ist, dass zwar betreffend Länge des Wehrdienstes eine einfachgesetz­liche Regelung möglich ist, dass das aber beim Zivildienst nicht möglich ist, sondern die Zweidrittelmaterie erforderlich ist, hingegen der Wehrdienst sogar mit einer Ministerweisung von acht Monaten auf sechs Monate verkürzt werden kann.


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Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Darabos, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungs­vorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungs­gesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivil­dienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes 1057 d. B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundes­finanz­gesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Aus­schussberichtes 1057 d. B., wird wie folgt geändert:

1. In Art. 3 Z 5 entfällt der Ausdruck „(Verfasssungsbestimmung)“. Folgende Z 5a wird eingefügt:

„5a. (Verfassungsbestimmung) In § 2 (§ 1 neu) entfällt der Begriff „(Verfassungs­bestimmung)“ vor dem Abs. 1 und wird der Begriff „(Verfassungsbestimmung)“ jeweils am Beginn der Absätze 1 bis 4 eingefügt.“

2. In der Ziffer 5 betreffend § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 5 neu) ist in der Ziffer 1 die Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ zu ersetzen.

*****

Das heißt, dass die SPÖ in erster Linie für die Aufhebung der Zweidrittelmehrheit analog zum Wehrdienst ist und dass die SPÖ für sechs Monate Zivildienst ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Frau Kollegin Haidlmayr, ich bin ganz persönlich enttäuscht von Ihrer Rede! (Abg. Parnigoni: Genau!) Wir haben Seite an Seite ein halbes Jahr gekämpft. Wir haben ehrlich miteinander gekämpft. Wir haben es ermöglicht, dass es im Gegensatz zur Kommission fürs Bundesheer gemeinsam eine klare Minderheitsmeinung gegeben hat. Wir sind für diese sechs Monate eingetreten. Wir haben Organisationen auf unsere Seite gezogen, die gesagt haben, dass es für sie logistisch schwierig ist, diese sechs Monate durchzuziehen, aber ... (Abg. Haidlmayr: Sie sind umgefallen!) – Nein, wir sind nicht umgefallen! Wir stehen zu den sechs Monaten! Wir bringen das ja hier im Hohen Haus ein.

Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass neun Monate besser als zwölf Monate sind. Wer immer das nicht zur Kenntnis nimmt, sieht die Realitäten nicht. Das sage ich Ihnen ganz offen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP und der Frei­heitlichen.)

Ich bin mit der ÖVP in dieser Frage nicht einer Meinung. Aber um Himmels willen, es muss doch jeder in Österreich verstehen, dass neun Monate besser sind als zwölf Monate! Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen! Dass Sie als Partei, die keine Verfassungssperrminorität hat, so dieses Kleingeld wechseln wollen, das sehe ich ein! Es tut mir auch Leid, dass wir einander heute sozusagen ein Match Darabos und SPÖ gegen Grüne liefern! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Missethon.) Aber man muss doch in dieser Frage ehrlich sein!


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Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich habe im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben, mit der ÖVP Dinge ausverhandelt, die über das, was Sie hier einbringen und dem wir auch zustimmen werden, hinausgehen. (Abg. Haidlmayr: Was?) Sie haben in Ihrem Antrag beispielsweise 11,60 €. (Abg. Haidlmayr: Neun Monate, sonst nichts!)

Wir haben mit Frau Minister Prokop ausgemacht – und ich verlasse mich auf die Hand­schlagqualität –, dass das Verfassungsgerichtserkenntnis festlegt, wie hoch die Ver­pflegung für Zivildiener sein wird. Das kann auch höher als 11,60 € sein, zumal Sie wie ich wissen, dass im letzten Verfassungsgerichtshoferkenntnis von13,60 € die Rede war. – Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof im Herbst eine ähnliche Regelung verabschieden wird. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Zweiter Punkt: Wir haben in den Verhandlungen mit der ÖVP durchgesetzt – und Sie haben den Entwurf in Händen gehabt –, dass es keinen Zivildienst für Frauen gibt und dass es keinen Zivildienst für EWR-Bürgerinnen und EWR-Bürger gibt. (Abg. Haidlmayr: Das wäre sowieso nicht gekommen!) Das hätte nämlich geheißen, dass durch die Hintertür in diesem Bereich Sozialdumping um 400 € X eingeführt worden wäre, dass wir im Sozialbereich ungarische, slowakische, slowenische, polnische „Frei­willige“ – unter Anführungszeichen – in Österreich gehabt hätten. – Die Sozialdemo­kratie hat durchgesetzt, dass das im Gesetz nicht kommen kann, und darauf bin ich stolz und dazu stehe ich! (Beifall bei der SPÖ.)

Der letzte Punkt: Es hat mich an der Debatte gestört – da bin ich durchaus bei Ihnen –, dass die Frage des Zivildienstes als rein sozialpolitische Frage gesehen wurde. Ich meine, die Frage der Länge des Zivildienstes ist eine Frage der gesellschafts­politischen Realität und der gesellschaftspolitischen Dimension.

Als ich im Jahre 1987 Zivildienst geleistet habe, hat es noch ein Image gegeben, dass „Drückeberger“ eine der nobelsten Bezeichnungen für Zivildiener war. Die Zivildiener selbst haben sich in den Jahren von 1987 bis jetzt einen Status erkämpft, der eine Gleichbehandlung und Gleichberechtigung mit Wehrdienern gewährleisten sollte, und das ist in der öffentlichen Meinung bereits gewährleistet: 53 Prozent aller Öster­reicherinnen und Österreicher sagen laut neuesten Umfragen, dass sie für eine Gleich­stellung von Zivildienern und Wehrdienern sind, 80 Prozent sprechen sich für eine Verkürzung der Dienstzeiten insgesamt aus.

Ich bin nicht zufrieden mit diesem Paket, das sage ich auch ganz offen. (Abg. Haidlmayr: Dann stimmen Sie nicht mit!) Wenn aber die Sozialdemokratie dagegen gestimmt hätte, dann würden Zivildiener ab dem 1. Jänner 2006 weiterhin zwölf Monate Zivildienst zu leisten haben. (Abg. Haidlmayr: Das ist die Schuld der ÖVP!)

Außerdem haben wir mit der ÖVP eine bessere Verpflegung beziehungsweise mehr Verpflegungsgeld ausverhandelt. Wir haben das Monatsentgelt von 185 € auf 256 € angehoben. Wir haben im Gegensatz zum ÖVP-Vorschlag erreicht, dass der Urlaub nicht bei einer Woche bleibt, sondern zwei Wochen beträgt.

Unter diesen Voraussetzungen und Prämissen können wir diesem Kompromiss zustim­men. Er ist gut für die Zivildiener. Er ist gut für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Darabos, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Prokop. – Bitte.

 



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14.32.35

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch ganz kurz zu diesem Thema Stellung nehmen.

Ich möchte betonen, dass der als Wehrersatzdienst geschaffene Zivildienst längst eine eigenständige Bedeutung für die soziale Sicherheit und für das zivile und gesell­schaftliche Engagement in unserem Lande erlangt hat. Das wissen wir, und das kann ich auch persönlich unterstreichen.

Im vorigen Jahr haben 10 000 Zivildiener bei 1 000 anerkannten Trägern ihre Tätigkeit durchgeführt. Ich weiß auch aus meiner Zeit als Soziallandesrätin, wie dringend Zivil­diener heute in verschiedensten Einrichtungen notwendig sind. Ich weiß, was der Zivildiener leistet, ich weiß, was die Hilfe-, Pflege- und Rettungsorganisationen leisten, und ich weiß, dass der Zivildienst für das Funktionieren all dieser Dinge unverzichtbar ist. – Daher habe ich bei meinem Amtsantritt drei Ziele angesprochen und definiert.

Zum einen ist ganz wichtig, den Zivildienst auf ungefähr demselben Stand, in der­selben Situation und in der Größenordnung aufrechtzuerhalten, wie er sich heute darstellt, um die soziale Sicherheit auch tatsächlich gewährleisten zu können. Zweitens sind bestmögliche Rahmenbedingungen für die Zivildienstleistenden zu schaffen. Und zum Dritten soll es eine Verkürzung der Zivildienstdauer bei einer eventuellen Verkürzung des Grundwehrdienstes geben.

Wir müssen dabei aber auch die verschiedenen Interessen berücksichtigen und wahr­nehmen, um dieses System, das ich am Anfang angesprochen habe, nicht kurzfristig zusammenbrechen zu lassen. Das heißt, es muss die Notwendigkeit für die Träger­organisationen beachtet werden, und zwar auch im Hinblick auf ein tragbares Ver­hältnis zwischen Ausbildung und Einsatzzeit. Die Anforderungen, die an die jungen Männer hinsichtlich eines verantwortungsbewussten Umgangs mit ihrer Lebenszeit, aber auch mit ihren Fähigkeiten gestellt werden, sind zu berücksichtigen, und letztlich müssen wir das vor allem auch im Hinblick auf die künftige Sicherstellung solcher Dienstleistungen im Falle einer derzeit allerdings nicht zur Diskussion stehenden Abschaffung der Wehrpflicht im Hinterkopf behalten.

Deswegen soll es auch eine gesetzliche Vorlage geben, die einen freiwilligen sozialen Dienst sicherstellt. Daher war es von Anfang an klar, dass es nicht reicht, den Zivil­dienst zu verkürzen. Vielmehr muss dieser auch deutlich attraktiver gestaltet werden, wenn seine bisherige Bedeutung auch unter den neuen Rahmenbedingungen aufrecht­erhalten werden soll.

Ich möchte das in sechs Punkten zusammenfassen:

Erstens: Die finanzielle Leistung an die Zivildiener muss angehoben und mit dem Militärdienst gleichgestellt werden. Es handelt sich hiebei um ein Grundpauschale von 256 €.

Zweitens: Die Zeit des Zivildienstes soll als gewonnene Zeit für den Einzelnen erlebt werden. Seine persönlichen Erfahrungen, seine zusätzlichen Qualifikationen, vor allem hinsichtlich sozialer Kompetenz, sollen deutlich und klar dokumentiert werden. Das heißt, es sollen ein Kompetenznachweis und ein Praxisnachweis eingeführt werden. In Zukunft sollen – und daran müssen wir noch weiter arbeiten – die Kenntnisse und Fähigkeiten, die erworben wurden, dann auch im praktischen Leben Verwendung finden können. Wir sind diesbezüglich in Gesprächen mit den Ländern, aber auch mit dem Gesundheits- und Sozialministerium, um eine eventuelle Anrechnung für künftige Ausbildungen etwa im Sozial- und Behindertenbereich, in der Alten- und Kranken­betreuung zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Vielleicht können wir damit das dritte Ziel erreichen, nämlich dass sich mehr junge Männer verstärkt der sozialen Arbeit zuwenden, denn das werden wir in Zukunft brauchen, um den Pflegebereich tatsächlich aufrechterhalten zu können, eventuell später auch über freiwillige soziale Leistungen.

Viertens ist in diesem Zusammenhang auch ein Anreiz für das freiwillige Engagement jetzt zu schaffen, das heißt, im Anschluss an den Zivildienst soll es die Möglichkeit einer Verlängerung von drei Monaten geben, in welchen der Betroffene eine sozial­versicherungsrechtliche Absicherung hat und die Freiwilligenförderung auf 500 € angehoben wird.

Darüber hinaus wollen wir die Ableistung des Dienstes erleichtern. Wir streben flexiblere und zusätzliche Zuweisungstermine an, damit Beruf und Studium besser planbar werden und vor allem auch die freiwillige Verlängerung leichter wahrgenom­men werden kann. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch die Zivildienstagentur wird stärker mit dem Servicegedanken für den Zivildienst­leistenden, aber auch für die Träger befasst werden, auch sie soll dem Rechnung tragen.

Fünftens: die Dauer des Zivildienstes. Ich halte die Verkürzung auf neun Monate, also um ein Viertel der derzeitigen Zeit, für absolut gerechtfertigt, denn auch die Träger müssen diese Übergangszeit verkraften. Wir müssen bedenken, dass wir jetzt um ein Drittel mehr Zivildiener benötigen, um den heutigen Stand aufrechterhalten und die Leistungen, die ich anfangs angesprochen habe, sicherstellen zu können. Das heißt, wir brauchen in Zukunft auch weiterhin eine ausreichende Zahl von ausgebildeten Zivildienern.

Der sechste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft natürlich auch die Verbes­serung für die Trägereinrichtungen, insbesondere Sozial- und Behinderteneinrichtun­gen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch hier dafür danken, dass diese Neufassung möglich war. Ich möchte den Mitgliedern der Zivildienstreform­kommission unter dem Vorsitz von Präsidentem Fredy Mayer für die geleistete Arbeit danken: Es wurde ja ein sehr umfangreicher Bericht verfasst. Vor allem möchte ich aber auch allen beteiligten Vertreterinnen und Vertretern der Hilfs-, Pflege- und Rettungseinrichtungen für ihre konstruktiven und auch kritischen Beiträge sowie für ihre Hinweise ein Dankeschön sagen. Schließlich möchte ich den Beamtinnen und Beamten vor allem für die konsequente und professionelle Umsetzung dieses Paketes danken, an dem hier gearbeitet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vor allem den Parlaments­fraktionen für die aktive Beteiligung an diesem Erneuerungsprozess ein Dankeschön sagen. Wir haben versucht, alle Meinungen ernsthaft zu prüfen, in den Entscheidungs­prozess einzubinden und nach größter Machbarkeit auch umzusetzen. Der Zivildienst wird, wie es verfassungsgemäß vorgesehen ist, auf der Grundlage eines breiten parlamentarischen Konsenses verkürzt und gleichzeitig wesentlich attraktiver gestaltet. Damit glaube ich – und ich bin überzeugt davon –, dass ein wichtiger Beitrag für die soziale Sicherheit auch im Interesse der Zivildiener geleistet werden kann. Ich möchte noch einmal ein herzliches Danke für den breiten Konsens sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.40


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 



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14.40.44

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich richte mich vor allem an die Damen und Herren von der SPÖ! Ich wollte Herrn Darabos etwas sagen, aber er ist leider nicht mehr da. Ich frage mich nämlich schön langsam, ob es sich eigentlich für Sie lohnt, dass Sie immer mit den Grünen Anträge stellen, dass Sie applaudieren, dass Sie immer wieder Aktionen mit den Grünen machen. Sie müssten schön langsam einsehen, dass es sich nicht lohnt. Besser wäre es, wenn Sie mit uns gemeinsam Politik für Österreich machen würden, anstatt weiterhin mit den Grünen zu arbeiten.

Sie glauben immer, Sie haben an den Grünen einen guten Freund gefunden. Herr Darabos bettelt fast, dass Frau Haidlmayr seinen Standpunkt versteht, aber das wird sie nie tun. Wie gesagt, Sie haben keinen Kumpel gefunden, der mit Ihnen durch dick und dünn geht, sondern Sie haben eine Partei gefunden, die nur ihre eigene sehr enge Sicht durchsetzen möchte und jeden anderen durch Sonne und Mond haut, der nicht mitgeht. Merken Sie sich das, mit uns haben Sie einen viel treueren Partner als mit den Grünen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Haidlmayr, keiner von den Zivildienern wird „ausgebeutet“, wie Sie sagen. Ausbeuten ist nämlich etwas Rechtswidriges. Und Sie werden doch wohl nicht sagen, dass Präsenzdienst und Zivildienst rechtswidrig sind! Wenn Sie schon meinen, dass das etwas Ausbeutungsähnliches ist, dann folgt daraus, es ist auch der Präsenzdienst eine Ausbeutung. Aber am Präsenzdienst rütteln Sie persönlich nicht. Herr Abgeordneter Pilz hat gesagt, es werde ihn bald nicht mehr geben, was mög­licherweise stimmt, aber wir reden darüber, was jetzt geschieht, was jetzt zu planen ist. Für die Zukunft werden wir uns dann einstellen.

Wie gesagt: Wenn man diese Meinung hat, dann muss man sagen, dass jede Leistung an der Allgemeinheit eine Ausbeutung ist. Die jungen Männer, die Präsenzdienst leisten, leisten einen Dienst an der Allgemeinheit und diejenigen, die Zivildienst leisten, ebenfalls.

Zur Gleichstellung: Ich weiß schon und sehe das auch ein, dass diejenigen, die sich zum Zivildienst entschlossen haben, gerne gleich lang dienen möchten wie diejenigen, die Präsenzdienst leisten. Aber ich sage das jetzt noch einmal – wir haben in diesen vielen Sitzungen all unsere Standpunkte bereits dargelegt –: Der Zivildienst ist kein Alternativdienst. Ich kann nicht sagen, ich mache entweder Präsenzdienst oder Zivildienst, sondern er ist ein Ersatzdienst. Und da mit diesem Ersatzdienst gewisse – ich würde nicht Erleichterungen sagen – andere Bedingungen verbunden sind als mit dem Präsenzdienst, ist es gerechtfertigt, dass der Zivildienst länger dauert.

Der Präsenzdiener hat eine Uniformtragepflicht, er ist kaserniert und unterliegt einem ganz strengen Disziplinargericht. Bei bestimmten Verfehlungen kann er sogar straf­gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Schütteln Sie nicht den Kopf, Frau Haidlmayr, das stimmt ganz einfach. Das heißt also, dass die Erschwernisse, die der Präsenzdiener hat, durch den längeren Zivildienst sozusagen abgegolten werden sollen. Und schließlich ist auch noch der Aufgabenbereich anders. Der Präsenzdiener wird für den Ernstfall ausgebildet, und Ernstfall heißt, dass er sein Leben riskiert für sein Heimatland, für die Gemeinschaft. All das findet sozusagen seinen Ersatz darin, dass der Zivildiener etwas länger dienen muss. Der Präsenzdiener und der Zivildiener sind also nicht in der gleichen Lage, sondern da gibt es gravierende Unterschiede.

Bei aller Wertschätzung, die ich der Arbeit der Zivildiener entgegenbringe, muss man diese Unterschiede akzeptieren, und man muss auch berücksichtigen, dass sie ihre Arbeit für längere Zeit verrichten müssen.


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Ich komme jetzt auch auf die Dauer zu sprechen, darauf, was von Seiten der Träger­organisationen dazu gesagt wurde. Das Rote Kreuz und auch die Lebenshilfe haben gesagt, zwölf Monate waren ideal für sie, weil die Zivildiener eine außerordent­lich wichtige Aufgabe erfüllen. Unser gesamtes Sozialsystem könnte ohne Zivildiener nicht existieren, das muss man zugeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Zwölf Monate waren gerade ausreichend. Man darf nicht vergessen, diese Menschen müssen eingeschult werden, müssen sich eingewöhnen und so weiter. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) – Frau Haidlmayr, Sie waren lange genug am Rednerpult, jetzt lassen Sie bitte mich einmal reden!

Die Organisationen haben gesagt, neun Monate seien das Äußerste, womit sie noch einverstanden sein könnten. Zehn Monate wären einigermaßen gegangen, neun Monate funktionieren mit Ach und Krach. Und Sie wollen jetzt noch weiter verkürzen, das hieße, den ganzen Zivildienst für die Organisationen sinnlos zu machen, denn sechs Monate sind viel zu kurz. Dazu kommen noch die Ausbildungszeit und die Eingewöhnungszeit, das heißt, es bleibt gerade ein Monat, an dem Mann oder an der Frau zu arbeiten, und das bringt es ganz einfach nicht. Das heißt also, diese neun Monate sind eine sinnvolle Lösung, ein Kompromiss.

Frau Abgeordnete Haidlmayr, Sie haben gesagt, es hätte sich für den Zivildiener überhaupt nichts geändert und das sei negativ. Sie vergessen – nein, Sie vergessen nicht, sondern Sie machen es mit Absicht –, Sie erwähnen mit Absicht nicht, dass sein Taggeld mit dem des Präsenzdieners gleichgestellt ist. Das heißt, dass das eine ungeheure Aufwertung ist, dass er viel mehr Geld bekommt als in der Vergangenheit. Aber all das ist für Sie nichts. Das kostet Millionen, aber für Sie ist all das nichts. – Nehmen Sie doch einmal auch diese Verbesserungen zur Kenntnis, Frau Abgeordnete!

Sie reden immer wieder von der Verpflegung und verlangen einen Betrag, den der Präsenzdiener nur in Ausnahmefällen bekommt. Der Präsenzdiener bekommt 3,40 € pro Tag, also am Samstag und am Sonntag und so weiter. Wenn er sich auf Befehl von der Garnison entfernt, dann bekommt er das Vierfache, nämlich 13,6 €. Aber ich habe schon im Ausschuss gesagt, das Wort „Befehl“ würden Sie für einen Zivildiener nie akzeptieren. Der Präsenzdiener bekommt aber, wie gesagt, nur mehr Geld auf Befehl. Er geht nicht freiwillig weg von der Garnison (Abg. Parnigoni: Der Zivildiener auch nicht!), sondern nur auf Befehl, und dann bekommt er das Vierfache.

Lassen Sie die Kirche im Dorf, und vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen, sondern sehen Sie das Positive! (Abg. Gaál: Die Kirche kann nichts dafür!) Und bei der Ver­pflegung ist der Zivildiener noch immer besser gestellt als der Präsenzdiener.

Schließlich möchte ich noch etwas Positives erwähnen: Die Rechtsträger bezahlen eine monatliche Vergütung an das Bundesministerium. Und dabei ist uns etwas gelun­gen, was wirklich großartig ist, und dafür möchte ich mich auch bei der Frau Ministerin bedanken. Es geht nicht darum, dass es noch immer drei Stufen gibt. (Die Rednerin dreht sich um zur Ministerbank, auf der nur Bundesminister Platter sitzt.) – Sie sind jetzt da! (Abg. Gaál: Er wirbt für den Wehrdienst!)

Es gibt noch immer drei Stufen, das gefällt mir nicht, aber die sozialen Organisationen bekommen jetzt 310 € statt bisher 218 €, und das wird die sozialen Organisationen sehr erleichtern. Natürlich muss es unser Ziel sein, dass wir von diesen drei Stufen weg und auf eine Stufe kommen, damit alle dasselbe bekommen beziehungsweise dasselbe bezahlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben monatelang verhandelt, stunden­lang sind wir mit allen Experten, Vertretern von Trägerorganisationen und so weiter


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zusammengesessen. Das ist jetzt ein Kompromiss, der tragbar ist. Frau Kollegin Haidlmayr! Machen Sie nicht wieder wie in Ihrer gewohnten Weise alles schlecht und alles kaputt, denn damit säen Sie nur Unfrieden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haidlmayr: Ich unterstütze die Zivildiener!)

14.49


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


14.49.20

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen zu diesem Tagesordnungs­punkt beginne, bringe ich folgenden Antrag ein:

 Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen zum Ausschuss­bericht (1057 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgeset­zen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (ZDG-Novelle 2005)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Artikel 3 Z 98 lautet § 76c Abs. 21:

„(21) Die §§ 2a samt Überschrift, 4 Abs. 4 Z 3 und Abs. 6, 5 Abs. 1 und 2 mit Ausnahme des Klammerzitats (§ 1 Abs. 2), 3 und 4, 5a Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1 dritter und vierter Satz sowie Abs. 3 Z 3 samt Schlusssatz und Abs. 4, 8, 8a Abs. 1 und 6, 10 Abs. 3, 11 Abs. 2, 12 Abs. 2, 13 Abs. 1, 3 und 4, 13a Abs. 2, 14 Abs. 1, 2 und 5, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, 17, 18, 19, 19a Abs. 5, 19b Abs. 1 und 2, 21 Abs. 1 und 4, 23 Abs. 3 und 4, 23c Abs. 1, 28a Abs. 2, 31 Abs. 4 und 8, 32 Abs. 1, 2 und 4 bis 6, 32a Abs. 1, 34 Abs. 1 bis 3, 34b Abs. 1 Z 2, Abs. 2 und Abs. 3, 37b, 37c, 37d mit Aus­nahme des Abs. 5, 38 Abs. 5, 39 Abs. 1 Z 1, 2 und 3, 40, 51 Abs. 3, 56, 57a Abs. 1, 2 und 4, 75a und 76e in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2005, Art. 3 treten mit 1. Oktober 2005 in Kraft. Die Klammerzitate (§ 1 Abs. 2) in § 5 Abs. 1 und 2, die §§ 4 Abs. 5 und 5a, 5a Abs. 1 Z 3 und Abs. 3, 6 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie der erste Halbsatz des Abs. 3, 7a samt Überschrift, 23a Abs. 2, 25a Abs. 2 Z 1, 28 Abs. 2 und 4, 31 Abs. 3, 37, 37d Abs. 5, 41 samt Überschrift, die Überschrift zu Abschnitt VII, 43, 44 Abs. 1 und 2, 45, 46, 47 Abs. 1 bis 4, 49 Abs. 1, 50, 51 Abs. 1, 53, 54 Abs. 1 und 2, 55 Abs. 4 und 5, 57a Abs. 3 und 75 in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. XXX/2005, Art. 3, treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft.“

Begründung:

Die Änderung des § 6 Abs. 3 ZDG in zwei Novellierungsanordnungen (Z 19 und 20) bedingt zwei unterschiedliche In-Kraft-Tretenstermine, da die Z 3 samt Schlusssatz (Z 20) analog zu § 5 Abs. 5 am 1. Oktober 2005 und die Umbenennung des Zivildienst­rates in Zivildienstbeschwerderat (Z 19) analog der übrigen Anordnungen (siehe Z 77ff) am 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll.

*****

(Beifall bei der ÖVP.)


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Geschätzte Damen und Herren! Diese Vorlesung hat jetzt ergeben, dass ich zum heutigen Tagesordnungspunkt Zivildienst nichts mehr anfügen kann.

Ich sage nur abschließend: Es war und ist ein vernünftiger Kompromiss, und diesem Zivil­dienstgesetz kann jederzeit zugestimmt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

14.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihr ausgezeichnet verlesener Abänderungs­antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

 


14.54.35

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bei dieser Vorlage geht es um die Zivildienstdauer von zwölf Monaten oder sechs Monaten. Das Zweite war die Frage, ob eine Zweidrittelmehrheit bei Abstimmung über die Dauer des Zivildienstes notwendig ist oder nicht. Für mich ist es unverständlich und auch zutiefst bedauerlich, dass die Österreichische Volkspartei im Ausschuss die Zustimmung zu einem Antrag auf Verkürzung der Dauer des Zivildienstes auf sechs Monate verhindert hat. Diese Regelung wäre analog zum Wehrdienst, weil Zivildienst schlussendlich Wehrersatzdienst ist.

Weiters ist auch nicht verständlich, dass auf der einen Seite der Minister, der hinter mir sitzt, die Möglichkeit hat, die Dauer des Wehrdienstes mittels Verordnung, Erlass zu verkürzen, aber wir im Parlament brauchen eine Zweidrittelmehrheit dazu. – Auch das ist mir unverständlich, und das versteht niemand. Schlussendlich müssten doch Wehr­dienst und Wehrersatzdienst zumindest in diesen Bereichen gleich behandelt werden.

Meine Damen und Herren! Was mich noch erschüttert, ist – und das sei der ÖVP ins Stammbuch geschrieben – die Vorgangsweise bei der Schaffung der Zivildienst­ser­viceagentur. In letzter Zeit hat die ÖVP mit ihrem willfährigen Partner einerseits Tausende Planstellen im öffentlichen Dienst und auch im Innenministerium eliminiert, man hat also Beamtendienststellen gestrichen, streicht auch in diesem Budgetjahr Beamtendienststellen und wird dies auch im Jahr 2006 tun, aber andererseits holt man für diese Zivildienstserviceagentur Mitarbeiter von außerhalb zur Erfüllung dieser Auf­gabe in das Ministerium. Das ist in Wirklichkeit eine Desavouierung aller Beamtinnen und Beamten im Innenministerium, denen man de facto damit signalisiert, dass sie anscheinend unfähig sind, diese Aufgabe zu erfüllen. (Abg. Haidlmayr: Herr Parnigoni, Sie stimmen aber zu!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, das ist schon ein starkes Stück, und das macht es mir wirklich schwer, meine Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage zu geben!

Zum Dritten darf ich Folgendes festhalten: Ich stimme deshalb zu, weil es gelungen ist, doch eine Reihe von Verbesserungen zu schaffen, die schon angesprochen worden sind. Es ist ein Unterschied, ob die Dauer zwölf Monate oder neun Monate beträgt. Diese neun Monate sind auf Grund der Verfassungsbestimmung nur dann möglich, wenn die SPÖ zustimmt. Es ist auch die Pauschalvergütung auf 256 € erhöht worden.

Es ist auch ein Erfolg der Sozialdemokraten, dass der Urlaub, der vorher nur mit einer Woche festgesetzt war, auf zwei Wochen erhöht wird. Das heißt also, in Wirklichkeit dauert der Zivildienst achteinhalb Monate. Es ist ein Erfolg, dass wir uns politisch darauf geeinigt haben, meine Damen und Herren, dass, wenn das Verfassungs­gerichtshoferkenntnis im Herbst vorliegt, es zu einer Entscheidung hier im Haus kommen wird und wir diesem Erkenntnis folgen werden. Dann werden wir beim Taggeld eine vernünftige Lösung treffen und auch eine entsprechende finanzielle Absicherung der Zivildiener vornehmen.


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Zum Schluss: Frau Kollegin Partik ist im Moment nicht da, aber ich möchte ihr schon – du richtest es ihr aus, danke – Folgendes sagen: Wir verhandeln natürlich auch mit den Grünen, und wir wollen auch die Grünen von unseren Standpunkten und unseren Positionen überzeugen. Aber es ist manchmal schwierig – Kollegin Partik kommt gerade in den Saal –, das möchte ich Ihnen schon sagen, Frau Kollegin Partik-Pablé ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) – Ja, ich habe es versucht!

Ich möchte Ihnen sagen: Seit Sie mit der ÖVP mitklatschen, haben Sie Ihre Man­datszahl von 52 auf 18 minimiert, und nach den Meinungsumfragen tendiert das gegen null. Ob das eine besonders erfolgreiche Politik ist, wage ich auch zu bezweifeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

14.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fauland. – Bitte.

 


15.00.00

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Parnigoni, es freut mich ja, dass Sie sich um uns Sorgen machen, aber Sie werden eines Besseren belehrt werden. (Abg. Parnigoni: Das ist das demokratische Verständnis!)

Was das Thema Ausschließen betrifft: Ich glaube, das ist mehr mit der SPÖ besetzt, denn wir sind dafür bekannt, mit jedem zu sprechen; Sie hingegen haben das, glaube ich, schon einmal etwas anders artikuliert. (Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Nun aber zum eigentlichen Thema: Was den Zivildienst betrifft, so vergisst man immer wieder – und das ist auch in den heutigen Redebeiträgen zum Ausdruck gekommen –, woher sich der Zivildienst an sich ableitet: und zwar vom Wehrrecht. Er bietet eine Alternative für all jene jungen Österreicher, die sich gegen das Bundesheer und für den Zivildienst entscheiden. Nichtsdestotrotz liegt die Notwendigkeit der Existenz eines Zivildienstes im Wehrdienst begründet. (Abg. Dr. Pirklhuber: Die Betroffenen sehen das ganz anders!)

Somit ist es auch wichtig, dass hinsichtlich der Priorität zuerst der Wehrdienst zu sehen ist und dann eigentlich erst der Zivildienst. – Zumindest hat das der Gesetzgeber so vorgesehen. Daher auch die unterschiedliche Dauer: Die Priorität liegt darin, dem Bundesheer vorrangig einmal die notwendige Anzahl an freiwilligen jungen Rekruten und Rekrutinnen zuzuführen und erst in zweiter Linie den Bedarf im Zivildienst zu decken.

Dass sich jedoch im Laufe der Jahre der Bereich der Zivildiener zu einem – ich würde fast sagen – Wirtschaftszweig entwickelt hat, der aus dem sozialen Bereich nicht mehr wegzudenken ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt und wird, sollte es einmal Diskussionen über die Abschaffung der Wehrpflicht geben, zu einem Problem werden, über das man sich dann auch frühzeitig unterhalten wird.

Was mich aber nicht erfreut und eher bestürzt, ist die Aussage des Kollegen Pilz, der hier verlauten hat lassen, dass man, wenn es schon einen Zwangsdienst in Österreich gibt, zumindest Zivildienst machen soll, da der Präsenzdienst ja nichts wert ist.

Gegen diesen Vorwurf verwahre ich mich absolut im Namen all jener, die sich freiwillig für den Dienst im Bundesheer entscheiden, denn das haben sich diese Leute nicht verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusammengefasst: Die Reduktion des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate ist gerade noch vertretbar, einerseits was die Organisationen betrifft, andererseits aber was die Notwendigkeit eines Unterschiedes zwischen Zivildienst und Bundesheer


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betrifft, um dem Hauptzweck nachzukommen – der Verteidigung des Landes im Rah­men des Wehrdienstes. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. 3 Minuten Redezeit wird wunschgemäß eingestellt. – Bitte.

 


15.02.33

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich muss schon sagen, es ist für einen jungen Menschen eine große Freude, gerade während der letzten Tage und auch Wochen hier im Hohen Haus tätig zu sein. (Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Regler.) Wir haben erst jüngst den Präsenzdienst auf sechs Monate verkürzt, heute verkürzen wir den Zivildienst, und Ende der Woche besprechen wir noch große Bildungspunkte, die Auswirkungen für junge Menschen haben. – Da sieht man, dass das österreichische Parlament und diese Bundes­regierung wirklich jugendgerechte Politik betreiben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich war selbst Mitglied der Zivildienstreformkommission, und ich glaube, dass das, was heute vorliegt, ein sehr vernünftiger Kompromiss und erste gute und wichtige Schritte in die richtige Richtung sind. Eine Verkürzung des Zivildienstes um 25 Prozent stellt eine Gleichstellung dar, die wir auch beim Präsenzdienst vorgenommen haben. – Auch da wurden 25 Prozent der Zeit gekürzt.

Die Dauer allein ist es aber nicht, sondern es gibt noch zahlreiche andere Verbes­serungen wie zum Beispiel einen Anreiz für jene, die sich entscheiden, länger Zivildienst zu leisten. Sie werden in Zukunft 500 € im Monat erhalten, und ich glaube, das ist wirklich ein deutliches Signal und eine Chance für all jene, die sich entscheiden, einen Sozialberuf in Angriff zu nehmen.

Diese haben dann noch die Möglichkeit, für ihren späteren Beruf ein Zeugnis beziehungsweise eine Bestätigung für den geleisteten Zivildienst zu bekommen, der natürlich als Dienst- und Praxisnachweis gilt.

Aber auch die Grundvergütung wird analog zum Präsenzdienst um 71 € angehoben. Das sind dann in Summe 256 € für jeden Zivildiener. – Pro Jahrgang sind das eine ganze Menge, nämlich 10 000 an der Zahl.

Es wird für junge Menschen in Zukunft auch die Möglichkeit geben, eine Anlaufstelle zu kontaktieren, wenn es Probleme gibt, nämlich eine Beschwerdestelle, die beim Bundesministerium für Inneres eingerichtet ist: die Zivildienstserviceagentur. Ich glaube, dass das – analog zum Bundesheer, wo es ja eine Bundesheer­beschwerde­kommission gibt – der richtige Schritt ist.

Nach drei Jahren wird evaluiert, und ich bin auch der Frau Ministerin sehr dankbar dafür, dass sie sich dieser Evaluierung unterzieht, denn ich glaube, erstens kann sich die Zeit bis dahin verändern, und zweitens muss man auch immer auf Verbesserungen und Neuigkeiten aus sein. (Abg. Lackner: Das Gesetz wird evaluiert, nicht die Ministerin!)

Was dann in Richtung Verpflegungsentgelt oder in Bezug auf eine weitere Verkürzung passiert, ist offen. Jetzt ist der richtige Weg in Angriff genommen worden, und ich glaube, wenn wir diese Woche – wie ich eingangs gesagt habe – erfolgreich hier im Hohen Haus bestreiten, wissen die jungen Menschen wieder einmal zu schätzen, wie


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wichtig es ist, dass es jemanden in diesem Land gibt, der Politik für junge Menschen gestaltet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

15.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Gaál. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


15.05.51

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! 30 Jahre Zivildienst waren ein steiniger Weg. Frau Haidlmayr, Sie waren immer eine sehr erfolgreiche Vertreterin der Interessen der Zivildiener. Wir kennen einander schon sehr lange, und ich war 1974 dabei, als man diese Abteilung im Innenministerium aufbaute – eine Initiative der SPÖ.

Kreisky hat das damals versprochen, weil es darum gegangen ist, nicht ein Land von jungen Österreichern mit Vorstrafen zu werden, sondern dass diese jungen Menschen, die bei der Leistung des Präsenzdienstes in Gewissensnot geraten, einfach die Chance haben, einen Wehrersatzdienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten und nicht vor dem Strafrichter zu landen. Es ist aber darauf zu achten, dass die Schlagkraft und die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres dadurch nicht ge­schmälert werden.

Es wurde sehr viel von „Drückebergern“ gesprochen, man sagte, das seien keine „richtigen“ Männer und Ähnliches mehr. Die Zivildiener haben aber gekämpft, und ihnen ist da Großartiges gelungen. Sie leisten einen guten Dienst für die Gemeinschaft, ihre Arbeit dient dem allgemeinen Wohl, ist notwendig und nützlich. Sie helfen, wo Hilfe notwendig ist, und sie verdienen Lob und Anerkennung, aber auch faire Bedingungen bei ihren Dienstleistungen.

Dem muss man Rechnung tragen und dem haben wir Rechnung getragen. Sie sind da sehr streng, Frau Haidlmayr, wenn Sie von Ausbeutung sprechen, denn es wurde heute immer wieder gesagt ... (Abg. Haidlmayr: Das hat der Herr Darabos gesagt! Das ist eine Aussage von Herrn Darabos!) – Da hat er Ihnen halt einmal nach dem Mund geredet, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, „Ausbeutung“ ist schon ein sehr hartes und strenges Wort.

Es gibt Verbesserungen, die sich sehen lassen können. Es gibt immerhin 256 € im Gegensatz zu 185 € und – bei freiwilliger Weiterverpflichtung – 500 € pro Monat. Ich persönlich hoffe natürlich, dass sich die jungen Österreicher eher für den Wehrdienst entscheiden, so sehr auch im Rahmen des Zivildienstes sehr wichtige Arbeit geleistet wird.

Frau Bundesministerin, wir finden geänderte sicherheitspolitische Gegebenheiten in unserem Land vor: Die Bedrohung von außen fällt weg, und das wirkt sich eins zu eins auch auf das österreichische Bundesheer aus. Das war sicher auch mit ein Grund dafür, dass wir den Grundwehrdienst auf sechs Monate verkürzt haben – aber leider nur per Ministerweisung. Wir sind ja dafür eingetreten, das rechtlich zu verankern und mehr Rechtsicherheit zu schaffen. Das ist bis dato nicht gelungen. (Abg. Dipl.-Ing. Regler: Das ist schon im Gesetz!)

Aber diese „Friedensdividende“ – wie ich sie bezeichne – für die Grundwehrdiener sollte doch auch für die jungen Österreicher zum Tragen kommen, die Zivildienst leisten. Es ist schwer erklärbar, dass man dem nicht nachkommt. Wir haben uns sehr bemüht und sind nun diesen Kompromiss eingegangen, weil es tatsächlich stimmt: neun Monate sind besser als zwölf Monate.


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Wir wollten die Diskussion nicht auf dem Rücken der Zivildiener austragen, sodass es bei diesen zwölf Monaten bleibt, denn es widerspricht ja der Philosophie des Zivildienstes, wenn man sagt, es rechnet sich für die Trägerorganisationen dann nicht mehr, wenn es nicht mindestens diese neun Monate gibt. Da müsste man eben andere Rechtsträgereinrichtungen suchen, denn die Philosophie des Zivildienstes ist doch, dass jemand, der bei Leistung des Präsenzdienstes in Gewissensnot gerät, die Chance hat, einen Wehrersatzdienst zu leisten. Da wäre uns, so glaube ich, gemeinsam sicher einiges gelungen, wenn wir flexibler gewesen wären, Frau Bun­desministerin!

Daher hoffe ich, dass wir uns künftig doch verstärkt in Richtung der sechs Monate bewegen werden. Wir halten unsere Forderungen aufrecht, betrachten diese neun Monate als ersten Schritt in die richtige Richtung und sehen in dem vorliegenden Kompromissvorschlag die Bemühungen um eine gemeinsame Lösung. Jetzt haben wir ein erstes Etappenziel erreicht und werden daher dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. Wunsch­redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.10.16

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Kollegin Haidlmayr, es geht bei dieser Zivildienstgesetz-Novelle nicht um Scheingefechte, es geht nicht um Billigarbeitskräfte, und es geht auch nicht um ein unsinniges, teures System, wie Kollege Pilz in den Raum gestellt hat, sondern es geht um 10 000 junge Menschen, welche ehrlich Zivildienst leisten, und es geht um 1 000 soziale Einrichtungen in Öster­reich.

Mit dieser Novelle stellen wir sichern, dass es auch in Zukunft soziale Dienstleistungen gibt, welche junge Menschen erbringen, dass es beim Zivildienst kalkulierbare Rahmenbedingungen gibt und dass auch Zivildienstpflichtige besser gestellt bezie­hungsweise den Wehrdienern gleichgestellt werden. Es gibt eine Verkürzung, eine Erhöhung der Grundpauschale, flexible Zuweisungstermine und natürlich auch mehr Service für die Zivildiener durch die neue Bundesagentur.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass die Zivildienstserviceagentur sehr massiv kritisiert wurde, als wir sie hier beschlossen haben. Aus der Praxis kann man nun behaupten und diese Kritik daher richtig stellen, dass die Zuweisungen sehr gut funktionieren und durch diese Eingliederung auch in Zukunft sehr gut funktionieren werden. (Beifall des Abg. Wöginger.)

Das Thema Verpflegung wird nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes neu geregelt. Wir werden mit dieser Reform ein faires Modell umsetzen. Außerdem gibt es die Möglichkeit der freiwilligen Verlängerung. Dieses Gesetz garantiert, dass es in Zukunft ein faires Nebeneinander von Wehrdienst und Zivildienst gibt. Ich glaube, das ist auch wichtig, da Kollege Gáal ja über das Bundesheer gesprochen hat.

Mit dieser Novelle wurde ein lang gehegter Wunsch vieler junger Menschen umgesetzt. Ich freue mich natürlich als ÖVP-Abgeordneter auch mit der jungen Volkspartei darüber. Wir sichern 1 000 sozialen Einrichtungen in Österreich, dass sie zukünftig kostengünstig, punktgenau und leistbar soziale Dienstleistungen erbringen können. Es lebe ein fairer, gerechter und verlässlicher Zivildienst! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.12



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.12.33

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist alles gesagt. Wirklich interessant und spannend sind ja eigentlich noch die Aussagen von Frau Kollegin Haidlmayr, vor allem ihre ständigen Zwischenrufe.

Wir wollen Gleichheit und Gerechtigkeit. Sechs Monate für Grundwehrdiener, daher aliquot neun Monate für die Zivis. (Abg. Haidlmayr: Sechs Monate!) Das ist doch rechnerisch jeweils eine Verkürzung um ein Viertel und daher einwandfrei gerecht! Die Parität ist damit wieder gewährleistet, und die GWDs wie auch die Zivildiener können ihre hervorragende Arbeit einerseits im Sozialdienst und andererseits im Sicher­heitsdienst tun. – Gewinner sind alle (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen): die Jungmänner, weil sie nun sechs beziehungsweise neun Monate ableisten müssen – die sind auch genug –, und unsere Bürgergesellschaft, weil beide Institutionen ungestört weiterarbeiten können und ihre Aufgabe hervorragend erfüllen werden.

Frau Haidlmayr, es ist doch alles in Ordnung, oder? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

15.13


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pack. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.13.49

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Ich muss meinem Kollegen August Wöginger auch einmal seitens der ÖVP-Fraktion und seitens der jungen ÖVP danken: für seine Arbeit und für seinen Einsatz im Rahmen der Zivildienstreformkommission! (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP.)

Der Zivildienst hat sich diesen Status, wie er heute schon oft erwähnt worden ist, meines Erachtens dadurch verdient, dass sich sehr viele Zivildiener engagiert und hart dafür gearbeitet haben. – Ich glaube, „erkämpfen“ ist das falsche Wort, wenn man sich mit dem Zivildienst befasst.

In diesem Vorschlag stehen wirklich sehr viele Verbesserungen. Sie wurden schon genauestens ausgeführt. Daher braucht man hier nicht mehr ins Detail zu gehen. Es ist nur witzig – das hat man bei den Verhandlungen heute Vormittag und auch jetzt gesehen –, dass die Grünen immer wieder Tatsachen verdrehen, um von der Rich­tigkeit und Wichtigkeit dieser Novelle abzulenken.

Man kann es vielleicht auch so ausdrücken: Die Grünen behaupten, dass die SPÖ alles verspielt hat. Ich sage aber zu den Grünen: Diejenigen, die bei den Verhand­lungen über eine der wichtigsten Einrichtungen, was die Unterstützung des Sozial- und Gesundheitssystems betrifft, von einem Spiel reden, haben sich eigentlich automatisch selbst disqualifiziert. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Herrn Abgeordnetem Pilz muss man sagen: Vor lauter – wie er es immer betont – Weit-Weit-Weitschauen hat sich mittlerweile der Blick der Grünen, was die Realität betrifft, sehr getrübt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorderhand letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Liechtenstein. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 



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15.15.45

Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wesentlichen Dinge sind in Wirklichkeit gesagt worden. Ich glaube aber, man muss schon von einer Sache ausgehen: Die Novelle – die Frau Minister hat es geschildert – ist etwas Gutes, das durchgebracht werden muss, aber zweifelsohne muss man auch das sehen, was einer meiner Vorredner gesagt hat: Der Hauptzweck ist die Verteidigung der Heimat, und das Ganze ist ein Wehrersatzdienst, wo aber auch vieles geleistet wird.

Wir sehen es gerade an einem Tag wie heute, an dem in London so etwas passiert, dass wir eine starke Sicherheit brauchen – sowohl innere als auch äußere als auch in der Justiz –, dass wir umgekehrt aber auch ein gut funktionierendes Rotes Kreuz, Rettung und so weiter brauchen.

In diesem Sinn muss ich sagen: Ich weiß wie auch alle anderen, die Militärdienst geleistet haben, was Kasernierung war, ich weiß, was Uniform war, ich kenne die juridische und militärische Disziplin und die gerichtlichen Sachen. Dafür besteht überall eine Notwendigkeit, aber auch für die heutige Zivildienstgesetz-Novelle. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfahrensgesetzen und das Zivildienstgesetz geändert werden, in 1057 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen einen Abän­derungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für diese Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen haben je einen gleich lautenden Abänderungs­antrag hinsichtlich Art. 3 Z 5 betreffend den Ersatz der Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist nicht die Mehrheit. Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir kommen nun zu diesem Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschuss­berichtes.


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Jene Abgeordneten, die hiefür sind, ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsgemäß erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Z 5a in Art. 3 sowie Entfall des Ausdrucks „Verfassungsbestimmung“ in Art. 3 Z 5 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 3 Z 55 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Daher ist das angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Artikel 3 Ziffer 98 in der Fassung des Aus­schussberichtes, unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich fest, dass es eine Zweidrittelmehrheit gibt, also die verfas­sungsmäßigen Erfordernisse berücksichtigt sind.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit, die verfassungsmäßig erforderlich ist, angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1057 der Beilagen aus Anlage 1 angeschlossene Entschließung betreffend Förderung freiwilliger sozialer Leistungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 121.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1057 der Beilagen als Anlage 2 angeschlossene Entschließung betreffend Verpflegssituation von Zivildienstleistenden.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen. (E 122.)


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1057 der Beilagen als Anlage 3 angeschlossene Entschließung betreffend Evaluierung der neuen Zivildienstregelungen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 123.)

 

15.22.084. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-149 d.B.) des Rechnungshofes über das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5) (1009 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wird verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Seine Redezeit beträgt 7 Minuten; das ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.22.34

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Folgende Feststellung einleitend zu treffen, ist mir wichtig: Angesichts des Terrorwahnsinns in London sind natürlich Probleme der Misswirtschaft und der Geldverschwendung im österreichischen Museumsbereich sehr, sehr relativ. Das heißt aber nicht, dass wir hier nicht die parlamentarische Arbeit im Zusammenhang mit dem Rechnungshofbericht zum Kunsthistorischen Museum verrichten.

Ich möchte vorausschicken, bevor behauptet wird, dass die Opposition hier mit Unter­stellungen oder Behauptungen arbeitet, dass sich die relevanten Kommentatoren aus dem Kulturbereich eine eindeutige Meinung gebildet haben.

Beispiel: „Der Standard“: „Kulturministerin Elisabeth Gehrer ... und KHM-Direktor Wilfried Seipel spielen den RH-Bericht hinunter. RH-Präsident Josef Moser hingegen spricht von ‚gravierenden Mängeln’ ...“

Oder: Der „Kurier“: „Ministerin Gehrer und das Kuratorium stellen sich hinter Seipel, Rechnungshof bleibt bei Kritik.“ 

Oder: „Die Presse“: „KHM-Kuratorium attackiert Rechnungshof.“

Meine Damen und Herren! Es gibt einen mehr als kritischen Bericht des Rech­nungshofes, und es wurde eigentlich von den Regierungsfraktionen, als der sehr kritische Rohbericht bekannt geworden ist, gesagt, mit den Konsequenzen werde man bis zum Endbericht abwarten.

Nun, wie sehen die Konsequenzen aus? – Die einzigen Konsequenzen, die gezogen wurden, sind einfach Versuche, die Kritik des Rechnungshofes wegzumanövrieren. – So kann es einfach nicht sein!

Es wird einfach in gutachtlichen Stellungnahmen zu der Frage: Was bleibt übrig an relevanten Feststellungen des Rechnungshofes? bemerkt, dass es entgegen den Erkenntnissen des Rechnungshofes doch eine ordentliche Buchhaltung und Bilan­zierung gegeben habe. Es wird sogar gesagt, vom Rechnungshof ginge Schaden aus.


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Es wird eine öffentliche Veranstaltung organisiert, wo angeblich Daten und Fakten prä­sentiert werden – aber die Daten und Fakten, meine Damen und Herren, Hohes Haus, hat letztendlich der Rechnungshof vorgelegt (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend), und die sind, Kollege Fasslabend, vernichtend. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend.) Die Kritik ist vernichtend, und das sollten Sie und Ihre Partei endlich zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Sündenregister, meine Damen und Herren, ist abenteuerlich. Das fängt bei der Buchhaltung an, führt über den Fall mit der Sphinx und geht bis zu den gravierenden Sicherheitsmängeln; ich will das gar nicht alles aufzählen. Im Rechnungshofausschuss wurden diese Kritikpunkte einfach weggewischt.

Was den Autoverkauf betrifft, so wurde das als Ungeschicklichkeit bezeichnet, und die Geburtstagsfeier für den Herrn Staatssekretär bezeichnete man als Missverständnis.

Die Kritik des Rechnungshofes ist, was den Autoverkauf betrifft, unmissverständlich, und er stellt fest: „Mit Vertrag vom April 1999 verkaufte der Geschäftsführer seinen PKW dem KHM und unterzeichnete den Vertrag sowohl als Verkäufer als auch als Käufer.“

Meine Damen und Herren! Sie werden mir da doch wohl zustimmen, wenn ich sage: Das ist ein klassischer Entlassungsgrund. In jedem Unternehmen ist solch ein Ge­schäftsführer am selben Tag hinausgeschmissen. – Das ist die Realität! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Zinggl.)

Nun zu den „Konsequenzen“ – unter Anführungszeichen –, die gesetzt werden. – Mein Gott, wenn Frau Wolfmayr sagt, wir müssen ein Vier-Augen-Prinzip in der Geschäfts­leitung einführen, dann kann ich nur sagen: Wenn der Geschäftsführer Seipel untragbar ist, wenn man ihm nicht mehr über den Weg trauen kann, dann zu sagen: Da müssen wir noch einen zweiten dazustellen!, ist wohl keine Lösung. – Das sind Kon­sequenzen?!

Oder, ein anderes Beispiel: Wenn Kollege Mitterlehner sagt – das war auch so ein besonderes Schmankerl –, man dürfe nicht vergessen, dass das Kunsthistorische Museum als vollrechtsfähige wissenschaftliche Anstalt nicht mehr den wirtschaftlichen Grundsätzen einer staatlichen Dienststelle unterliegt, sondern privatwirtschaftlich geführt wird, so muss ich ihm Folgendes entgegenhalten: Der Rechnungshof sagt, „die Steigerung der Bezüge des Geschäftsführers“ Seipel sind „keinesfalls privatwirtschaft­lichen Grundsätzen entsprechend“.

Also, das ist eine „schöne“ Privatwirtschaft, die uns hier Herr Mitterlehner vorführt (Abg. Dr. Puswald: Selbstbedienungsladen!): offenbar eine des Selbstkontrahierens, des Fehlens von Bilanzen, des Fehlens von Spesennachweisen und des Hinaufschnalzens von Gehältern. – Dass so eine Privatwirtschaft sinnvoll ist, das kann ich mir nicht vorstellen!

Frau Ministerin, ich möchte einen letzten Versuch unternehmen, denn ich hege Zweifel, dass Sie wirklich verstehen, was die Dimension dieser ganzen Angelegenheit ist:

Millionen Österreicherinnen und Österreicher feiern Geburtstag und laden Freunde ein, je nach Vermögen, je nach Geldbörse. Man zahlt ein Bier oder ein paar Grillhenderl oder richtet ein Buffet aus – aber alle haben gemeinsam, dass sie sich das selbst bezahlen. Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher kaufen oder verkaufen Autos – aber niemand verkauft sich selbst als Geschäftsführer seiner Firma ein Auto!

Zehntausende ÖsterreicherInnen müssen peinlichst genau Spesen, Flugtickets und so weiter abrechnen und der Firma und der Finanz Nachweise liefern – und das alles soll nicht gelten beim Kunsthistorischen Museum, bei Herrn Seipel, bei Herrn Morak?!


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Es war geradezu sonderbar, Frau Ministerin: Ich habe Sie im Ausschuss gefragt, ob Sie dafür sind, dass Herr Staatssekretär Morak diese 6 000 €, die aus öffentlichen Geldern, aus Steuergeld für sein Geburtstagsfest aufgewendet wurden, zurückzahlen soll. – Es war eine wirklich unverständliche und sonderbare Aussage, die Sie dazu gemacht haben. Sie haben nämlich gesagt, Sie wollen keinen Ratschlag erteilen, weil Ratschläge auch Schläge sein können.

Da wird ganz offenbar etwas vollkommen umgedreht: Schützenswert ist doch nicht Herr Morak mit seinem Staatssekretärgehalt, sondern die heimische Bevölkerung und der österreichische Steuerzahler!

Ich frage Sie daher noch einmal: Finden Sie es in Ordnung, dass Herr Staatssekretär Morak sein Geburtstagsfest auf Staatskosten abfeiert?

Welch Geistes Kind Herr Seipel ist – das möchte ich abschließend sagen –, ist auch im Ausschuss deutlich geworden. Ich habe dort gefragt: Wie hoch sind die Kosten von Herrn Dr. Bruckner, der auf Kosten der Steuerzahler Gutachten gegen den Rech­nungshof erstellt? – Wissen Sie, was Herr Seipel gesagt hat? – Das sei Privatsache.

Meine Damen und Herren! Daran sieht man genau, wie da privat und Staat, Mein und Dein ganz offensichtlich verwechselt wird!

Dass aus einem derartigen Rechnungshofbericht, der das alles hervorbringt und an die Öffentlichkeit bringt, keinerlei Konsequenzen gezogen werden, ist eine wirkliche Schande, Frau Ministerin!

Sie haben, Frau Ministerin, heute noch ein letztes Mal die Gelegenheit, hier die ent­sprechenden Worte zu finden und Konsequenzen zu ziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Zinggl.)

15.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


15.29.57

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzter Präsident des Rechnungshofes! Dieser Rechnungs­hofbericht ist kein vernichtender Bericht, es ist ein sehr kritischer Bericht, Kollege Kräuter!

Wir haben drei sehr intensive Diskussionen geführt, und es ist in diesen Diskus­sionen – bei der Dringlichen Anfrage, im Rechnungshofausschuss und auch in der heutigen Debatte – einiges richtig gestellt worden, von anderen Gesichtspunkten aus beleuchtet worden, und es wurde vieles klarer.

Für mich persönlich hat sich das Bild so dargestellt: Nur der, der arbeitet, macht Fehler. Wer nicht arbeitet, der kann keine Fehler machen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Unter diesem Gesichtspunkt muss man, glaube ich, auch die Ausgliederung des Kunst­historischen Museums sehen, die Überführung in die Eigenständigkeit. Es ist heute ein dynamischer Museumsbetrieb.

Ja, es gab Kritik im kaufmännischen Bereich, aber es ist sehr viel Positives geschehen, das wird jedoch mit keiner Silbe erwähnt. (Abg. Mag. Lapp: Wo?) Direktor Seipel hat ja sehr vieles aufgeklärt, auch den Autokauf. Es ist ja ein Leasingvertrag. Es wurde auch die Frage in Bezug auf Staatssekretär Morak geklärt.


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Meine Damen und Herren, drei Jahre hat der Rechnungshof intensiv geprüft. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Frau Bundesminister Gehrer hat auf den Bericht sehr rasch reagiert und Maßnahmen veranlasst, während andere mit Untergriffen agiert haben.

Das Kunsthistorische Museum hat seinerseits die Erstellung externer Gutachten und auch die Durchführung einer Wirtschaftsprüfung veranlasst, und diese Ergebnisse zeigen – ich möchte es nicht werten –, dass es ein anderes Bild und verschiedene Sichtweisen geben kann.

Generaldirektor Seipel und auch die Auskunftspersonen und die Mitglieder des Kuratoriums haben im Ausschuss sehr vieles aufgeklärt und sind sehr offen Rede und Antwort gestanden. Wer im Ausschuss dabei war, der wird bestätigen müssen (Abg. Mag. Lapp: Nein!), dass vieles von der Kritik nicht in dem Maße, wie sie geübt wurde, gerechtfertigt ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich war schon im richtigen Ausschuss, und ich habe sehr intensiv an diesen Beratun­gen teilgenommen. Es hat zwar Kritikpunkte betreffend den finanztechnischen und den buchhalterischen Bereich gegeben, aber es gibt keine strafrechtlichen Tatbestände. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist ein Pilotprojekt, wo man sagen kann: Trotz Fehler ist das Kunsthistorische Museum eine Erfolgsgeschichte. Es gab in fünf Jahren mehr als 100 Sonderaus­stellungen und 6,6 Millionen Besucher. Der Eigendeckungsgrad (Abg. Mag. Kogler: Der Eindeckungsgrad!) konnte von 37,3 Prozent auf 40,9 Prozent gesteigert werden, Kollege Kogler. (Beifall bei der ÖVP.)

Eigentlich ist sehr vielem der Rechnungshofkritik bereits entsprochen worden. Es wurden von 38 detaillierten Empfehlungen 18 bereits umgesetzt. Es wird das Vier-Augen-Prinzip mit einem künstlerischen und wirtschaftlichen Direktor eingeführt. Es findet jährlich eine unabhängige Wirtschaftsprüfung und auch eine Gebarungsprüfung statt, und es gibt eine regelmäßige Berichtspflicht sowie eine interne Revision.

Die vielen Anregungen und Empfehlungen im Rechnungshofbericht – der ja dazu da ist, dass Empfehlungen gegeben werden, denen wir dann entsprechen – werden zügig umgesetzt.

Es ist kein Kriminalfall. Vorverurteilungen bringen uns bei dieser Thematik nicht weiter, meine Damen und Herren. Es gibt den klaren Auftrag, wirtschaftliche Angelegenheiten transparenter, genauer und nachvollziehbarer zu erledigen und zu bearbeiten.

Das Kunsthistorische Museum ist ein Aushängeschild für Österreichs Kunst und Kultur, ein positives Beispiel einer Ausgliederung.

Wir nehmen die Kritik ernst und werden daraus unsere Schlüsse ziehen. Aber Tat­sache ist, dass wir mit diesem Kunsthistorischen Museum, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, in jedem Fall Österreich ein tolles und funktionierendes Museum bieten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Das Museum kann nichts dafür!)

15.33

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl. 7 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.34.07

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Werte Präsidenten! Frau Minis­terin! Meine Damen und Herren! Wer heute glaubt, dass noch einmal Dampf abge­lassen werden kann und dann endlich Ruhe ist mit diesem ganzen Museumskrampf, der irrt. Ich meine, dass auch die irren sollten, die der Meinung sind, dass jemand


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ungeschoren davonkommen soll, dem der Rechnungshof über 100 Seiten härteste Kritik umhängt. Wenn das nicht der Fall ist, dann stimmt doch in diesem Land irgend­etwas nicht!

Soll tatsächlich ein Direktor, dem wertvolle Kunstschätze anvertraut wurden und der die Möglichkeiten ausnützt, sich persönliche Vorteile zu verschaffen, der sich ein Auto selbst verkauft, der zu ägyptischen Grabbeigaben kommt – das kann er nur als Direktor eines Museums, sonst kann er das gar nicht persönlich an sich ziehen (Abg. Hornek: Das ist ja unrichtig! Nehmen Sie das zurück!); das steht so im Rechnungs­hofbericht! (Abg. Dr. Sonnberger: Wenn Dinge behauptet werden, sind sie deswegen nicht richtig!) –, ein Direktor, der hohe unbelegte Spesen hat, der hohe unbelegte Reisekosten verrechnet, der 20 Prozent an Leistungsprämie erhält, obwohl die Leistungen mehr als fraglich sind, ein Direktor, der eigentlich den Laden hinunterwirt­schaftet und risikofreudig agiert, bis zum Abwinken, und damit den gesamten Besitz gefährdet, soll so ein „Verantwortlicher“ oder eigentlich, genau genommen, so ein Unverantwortlicher weitermachen dürfen, als wäre überhaupt nichts geschehen?

Ich glaube, dass viele von uns größtes Verständnis dafür haben, dass manchmal personelle Fehlbesetzungen zustande kommen. Das kann passieren. Aber ich glaube, dass kaum jemand Verständnis dafür hat, dass in solch einem Fall überhaupt keine Konsequenzen gezogen werden.

Und es ist schon eigenartig, dass, obwohl die Prüflampen eigentlich nicht mehr blinken, sondern eigentlich schon konstant ganz hell leuchten und Alarm signalisieren, noch immer nichts geschieht. Es ist doch ganz klar, dass da jetzt Konsequenzen gezogen werden müssen, dass der Direktor des Kunsthistorischen Museums auf jeden Fall zurücktreten muss, Frau Ministerin, und dass auch die Museumsgesetze so geändert werden müssen, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann.

Doch was passiert? – Es passiert überhaupt nichts. Es gibt nur leere Versprechungen. Es sind schon wieder einige Wochen vergangen, und Sie überlegen noch immer. Sie haben ein ganzes Jahr Zeit gehabt, zu überlegen, was denn alles geändert werden könnte, und wenn da jetzt nicht bald etwas passiert, verliert auch die Bevölkerung ihr Vertrauen in die Politik. (Zwischenruf des Abg. Dr. Sonnberger.)

Zum Rechnungshof kann man sehr wohl Vertrauen haben, der Rechnungshof hat da ganze Arbeit geleistet, und er hat eigentlich seit dem Rohbericht überhaupt nichts an Kritik zurückgenommen, im Gegenteil, er hat viele Dinge sogar noch stärker kritisiert. Jetzt ist die Politik gefordert, denn sonst dürfen wir uns nicht wundern, meine Damen und Herren, dass das Wiederholungstäter nach sich zieht. Da kann sich doch wirklich heute jeder Museumsdirektor überlegen, ob er das nicht so ähnlich machen könnte.

Na bitte, werden die sagen, es ist ja super ausgegliedert worden, wir nehmen uns ein Beispiel an Dr. Seipel, es kann uns eh nichts passieren. Los geht’s! Was der kann, das können wir noch lange!

Kollege Kräuter hat es schon angesprochen, ich sage es noch einmal: In der Privat­wirtschaft kann man es sich eigentlich nicht vorstellen, dass ein Direktor jahrelang einen Flop nach dem anderen landet und der Aufsichtsrat darauf nicht nur nicht reagiert, sondern eigentlich genau genommen sogar auch noch attestiert, dass ohnehin alles in Ordnung ist und dass die Firma weiterhin floriert.

Ich sage – nicht nur ich, sondern auch der Rechnungshof, das steht im Rechnungs­hofbericht mehrere Male –, dass den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, der Spar­samkeit und der Wirtschaftlichkeit nicht Folge geleistet wurde. Keinem dieser drei Grundsätze wurde entsprochen.


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In der Wirtschaft sind 2,7 Millionen € Fehlbetrag kein großartiger wirtschaftlicher Erfolg, und eine Eigenmittelquote von 7,5 Prozent bedeutet auch nicht gerade wirtschaftlichen Erfolg. Wenn die fiktive Schuldentilgungsdauer unendlich ist, dann ist ja eigentlich Re­organisationsbedarf mehr als angesagt.

Dass eine Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, ist ohnehin klar, aber es ist ja auch die Zweckmäßigkeit in Frage zu stellen. Wenn die Eintritte auf das Doppelte steigen und gleichzeitig die Zahl der Besucher und Besucherinnen um 30 Prozent sinkt (Abg. Dr. Sonnberger: Das stimmt ja nicht!), dann kann man doch wirklich nicht von Zweck­mäßigkeit reden.

Kann man eigentlich von Zweckmäßigkeit reden, meine Damen und Herren, wenn der Ankauf einer Skulptur 3,6 Millionen € ausmacht und danach nichts mehr angekauft werden kann? Ist das nicht eher Großmannssucht? Von Zweckmäßigkeit kann da auf jeden Fall nicht die Rede sein.

Auch die Sparsamkeit, meine Damen und Herren, ist in Frage zu stellen. Wenn die Personalaufwendungen ins Unendliche steigen und gleichzeitig der Direktor 20 000 € und mehr im Monat bekommt, dann ist das nicht sehr sparsam. (Abg. Dr. Sonnberger: Es sind ja zwei Museen dazugekommen!)

Die Empfehlungen des Rechnungshofes sind, glaube ich, nicht nur Empfehlungen, sondern eigentlich auch eine heftige Kritik an der herrschenden Museumspolitik, an den gegenwärtigen Zuständen, und zwar nicht nur in dem einen Museum.

Frau Ministerin, Sie werden wahrscheinlich in wenigen Minuten wieder die bekannte Erfolgs­story mit den uns schon bekannten Modulen hier predigen. Und Sie werden wahrscheinlich bei Gelegenheit dem Herrn Direktor Seipel sagen: Du, das ist nicht so gut, was du da machst! Die Leute auf der Straße regen sich schon auf! So was macht man nicht! Die schimpfen schon! Schauen wir jetzt, dass wir das in Zukunft irgendwie besser machen!

So kann es wohl nicht gehen! Ich bin der Ansicht, es gibt in Österreich keine beson­ders ausgeprägte Kultur, was die Reaktionen auf Fehlleistungen und nach Einsicht des Fehlverhaltens betrifft, aber in diesem Fall gibt es nicht einmal eine Einsicht. Das merkt man schon daran, dass – obwohl der Rechnungshof ganz eindeutige Beurteilungen abgibt – Wirtschaftskanzleien bemüht werden, die dem Rechnungshof sozusagen sagen sollen, was er alles falsch gemacht hat. Das heißt, hier mangelt es an Einsicht. Diese Wirtschaftskanzleien – Kollege Kräuter hat es schon erwähnt – gehen natürlich auch wiederum zu Lasten der Steuerzahler. Daher, so meine ich, braucht es dringend eine Korrektur!

Eines jedenfalls kann ich Ihnen ganz sicher sagen: Wir von den Grünen werden nicht aufhören, weiterhin alles – ob Mumien oder Leichen, das werden wir noch sehen – ans Tageslicht zu fördern, um zu zeigen, dass der Rechnungshof mit seiner Kritik nicht ein Zeugnis in Richtung Nachprüfung oder vielleicht auch Sitzenbleiben ausgestellt hat, sondern eigentlich ein Zeugnis Richtung „Bitte, Anstalt verlassen!“

Ich fordere Sie noch einmal auf beziehungsweise bitte Sie, Frau Ministerin, die Kon­sequenzen in folgender Weise zu ziehen: erstens Ablöse des Direktors und zweitens neue Museumsgesetze, die derartige Geschehnisse nie wieder zulassen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 



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15.41.46

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zinggl, niemand glaubt, dass jemand ungeschoren davon­kommt, aber niemand soll glauben, dass man jetzt bis in alle Ewigkeit immer wieder an denselben Mängeln herumhacken kann. (Abg. Öllinger: Wenn nichts passiert!)

Sie haben angedroht, Sie werden Leichen ans Tageslicht fördern. (Abg. Öllinger: Mumien!) – Also bisher ist es Ihnen nicht gelungen, Leichen ans Tageslicht zu fördern. Sie bringen immer wieder dieselbe Leiche daher, das nennt man „ausbanln“. Das machen Sie: immer wieder dieselben Missstände aufzeigen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Zinggl, ich muss Ihnen widersprechen! Der Rechnungshof hat nicht die gesamte Museumspolitik kritisiert. Überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil: Er hat sich jede Art künstlerischer Kritik untersagt und nur detaillierte Mängel festgestellt. Da muss man schon unterscheiden.

Ich möchte überhaupt nichts beschönigen. Es sind Fehler passiert, die vom Rech­nungshof auch aufgezeichnet worden sind, und das sind keine Peanuts, die passiert sind, sondern das sind sicher gravierende Fehler. Aber erstens einmal muss man schon konzedieren, dass gewisse Schwierigkeiten bei der Umstellung von der Kame­ralwirtschaft auf die Privatwirtschaft mit verantwortlich waren für die Mängel, die aufgetreten sind. Zweitens sind die meisten Mängel schon behoben worden; jedenfalls hat die Frau Minister das belegt. Und drittens, und das ist für mich das Allerwichtigste, sind Kontrollen eingeführt worden. Es gibt jetzt eine Kontrolle, die den Direktor in seiner kaufmännischen Gebarung besser im Auge behalten soll. Das ist etwas Wesentliches, und das ist auch notwendig.

Aber, Frau Minister, generell glaube ich schon, dass man den Museumsdirektoren überhaupt klarmachen müsste, dass sie nicht ihr Privateigentum verwalten, sondern dass es sich dabei um öffentliches Eigentum handelt, weshalb sie besonders hohe Sorgfalt aufzuwenden haben. Das ist außerordentlich wichtig, dass man ihnen das klarmacht! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)

Das trifft zu ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.) – Hören Sie mir doch zu! Sie waren schon am Wort, warum lassen Sie jetzt nicht mich reden? (Abg. Scheibner: Unhöflich! Sehr unhöflich! Keine Manieren!) Sie können sich ja noch einmal zu Wort melden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Das trifft auf den ... (Abg. Dr. Puswald – nicht von seinem Sitzplatz aus –: ... Realitätsverweigerung!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Puswald, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was hat er g’sagt?) – Das ist ganz gleich. Be­harrlich redet er in jede Diskussion, nicht von seinem Platz aus, drein. Ich habe Sie privat bereits dreimal verwarnt, Herr Abgeordneter! Das ist nicht der Stil dieses Hauses. (Abg. Dr. Puswald: Es gibt keine private Verwarnung!)

Am Wort ist Frau Abgeordnete Partik-Pablé! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Sie können sich zu Wort melden und mit mir reden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie, ich schneide ja ein Thema an beziehungsweise ich fordere etwas, das wahrscheinlich auch Sie befürworten, nämlich: dass man den Generaldirektoren einmal klarmacht, dass sie nicht ihr eigenes Vermögen verwalten, sondern öffentliches Ver­mögen. (Abg. Riepl: Dann ziehen Sie Konsequenzen!)

Das trifft zu auf Generaldirektor Seipel, das trifft aber auch auf Direktor Schröder zu. Das fängt an beim „Hasen“, der verliehen worden ist, und hört auf bei jenen Gemälden vom Kunsthistorischen Museum, die offensichtlich nicht verleihfähig waren, die aber


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trotzdem verliehen worden sind. Der Bogen spannt sich über die Restaurierung jener Bilder, die Herr Direktor Schröder in die Schweiz geschickt hat und die offensichtlich nicht fachmännisch oder nicht genügend fachmännisch restauriert worden sind. (Abg. Dr. Matznetter: Wo ist die „Saliera“, Frau Kollegin?) Sie haben zwar gesagt, die Restauratoren im eigenen Haus haben sich positiv geäußert, aber das ist offensichtlich zu wenig. Man muss eben internationale Experten zu Rate ziehen, wenn man so wertvolle Dinge ins Ausland verleiht.

Frau Minister, ich glaube schon, dass man gerade in Bezug auf die Verleihfähigkeit darauf achten muss, dass sich die Direktoren an die Richtlinien halten, an die seiner­zeit im Jahre 1971 mit dem Ministerium abgeschlossene Verordnung oder an den Erlass, in dem steht, dass eben bei besonders wertvollen Gemälden manche nicht verleihfähig sind und man in diesem Fall die Meinung der Restaurierungswerkstätte auch beachten soll. – Da müssen Sie eingreifen! Es ist wahrscheinlich wichtiger, auf die Kunstgegenstände aufzupassen, damit nichts passiert, als darauf, ob ein paar Belege vom Lipizzaner-Museum oder vom Völkerkunde-Museum fehlen. (Abg. Dr. Wittmann: „Ein paar Belege“? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich muss man natürlich die Kritik des Rechnungshofes ernst nehmen, aber man darf auch nicht das Ganze aus den Augen verlieren (Abg. Öllinger: Das glaube ich! Sie wissen schon, was das Ganze ist!), nämlich dass das Kunsthistorische Museum vom künstlerischen Standpunkt sehr gut geführt worden ist, dass es erstklassige Ausstellungen gegeben hat und dass Direktor Seipel ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Präsident, Sie sind heute sehr nachsichtig! Ich kann fast nicht reden, weil ununterbrochen dreingeredet wird, und Sie sagen überhaupt nichts! Ich würde Sie bitten, dass Sie mir einmal ein bisschen Ruhe verschaffen! (Abg. Riepl: Wenn Sie reden, sollten Sie auch etwas sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme zum Schluss. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Sie sitzen auch nicht auf Ihrem Platz, Frau Kollegin Silhavy, und machen einen Zwischenruf. (Abg. Dr. Puswald: Frau Platzanweiserin! – Abg. Dr. Wittmann: Wer führt jetzt die Sitzung?)

Was ich wirklich beachtlich finde, ist, dass es Generaldirektor Seipel gelungen ist, wert­volle Sponsoren aufzutreiben, die auch wertvolle Kunstobjekte in die Museen gebracht haben, was dazu geführt hat, dass das Kunsthistorische Museum ein äußerst zugkräf­tiges Museum ist.

Meine Damen und Herren! Hören Sie jetzt endlich einmal auf, runterzumachen, sondern bekennen Sie sich dazu, dass wir weltweit anerkannte Museen in Österreich bieten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.48


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.48.17

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte gleich zu Beginn Folgendes feststellen: Es gibt im Kunsthistorischen Museum keine Misswirtschaft und keine Geldverschwendung! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Kritik des Rechnungshofes ist nicht wegmanipuliert worden, sondern sehr ernst genommen worden, und es sind Konsequenzen gezogen worden. (Abg. Riepl: Welche?)


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Der Herr Generaldirektor hat sich keine „persönlichen Vorteile verschafft“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter), er hat „den Laden“ nicht „heruntergewirtschaftet“ – ich wie­derhole nur Ihre Anschuldigungen –, er ist keine „personelle Fehlbesetzung“ (Abg. Dr. Wittmann: Ziehen Sie endlich die Konsequenzen und schicken Sie den Seipel in die Wüste!), er ist kein „Wiederholungstäter“, und er baut nicht „einen Flop nach dem anderen“. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Was denn sonst?)

Der Rechnungshof hat sorgfältig und intensiv die buchhalterischen Vorgangsweisen, die Abrechnungen, alles genau geprüft – und jawohl, es ist genau so, wie es Frau Kollegin Partik-Pablé gesagt hat: Es sind Fehler passiert, es sind manche Sachen nicht richtig gemacht worden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich setze voraus, dass Sie genauso wie alle anderen Österreicher und Österreicherin­nen dann, wenn einige Fehler gemacht werden, nicht von einer generellen Miss­wirt­schaft sprechen. Es sind Fehler gemacht worden, die aufgezeigt worden sind und die sehr intensiv behandelt worden sind. Von den Vorschlägen des Rechnungshofes, 38 Empfehlungen, waren 24 an das Kunsthistorische Museum gerichtet. Von diesen 24 Empfehlungen sind 18 Empfehlungen des Rechnungshofes bereits umgesetzt worden.

Ich stelle nachdrücklich fest: Der Rücktritt des Generaldirektors ist nicht gefordert worden, auch wenn das noch so oft behauptet wird! (Abg. Dr. Wittmann: Oja, ich habe es gefordert! Oder gehen Sie?)

Die 18 Empfehlungen des Rechnungshofes, die bereits umgesetzt wurden (Abg. Mag. Kogler: Sind welche?), beinhalten zum Beispiel die Auflassung des Palais Harrach, die Kündigung von Versicherungen für Sammlungsobjekte, die Verbesserun­gen der Dokumentation bei Dienstreisen und Repräsentationsaufwendungen. (Abg. Mag. Kogler: Sind erst drei und nicht 18!)

Andere Empfehlungen sind in Umsetzung; so zum Beispiel die totale Verwirklichung des Vier-Augen-Prinzips und die Verbesserung der inneren Revision, ebenso die Verbesserung der Kommunikation und die regelmäßigen Direktorenbesprechungen, die für die zukünftigen Ziele der Museen abgehalten werden.

Es ist genau so, wie Frau Abgeordnete Partik-Pablé gesagt hat: Es gibt Fehler, es gibt Versäumnisse, die ernst zu nehmen sind, es gibt aber eine enorm positive Entwicklung. (Abg. Riepl: Wieso? Sind schon wieder ein paar Dinge gefunden worden, die man vorher nicht gekannt hat? – Ruf bei der ÖVP: Sehr witzig!)

Ich möchte festhalten, dass ich sehr wohl die Erfolgsstory mit den bekannten Modulen vortragen werde, wie Herr Abgeordneter Zinggl sagt. Ich höre mir Ihre Module an, und ich nenne auch meine Module und schildere meine Sicht der Angelegenheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die österreichischen Museen haben seit 1995 eine enorm positive Entwicklung genom­men: Die Besucherzahlen sind von 2,3 auf 3,5 Millionen jährlich gestiegen. Die Renovierung und Adaptierung der Museumsgebäude haben seit 1995 insgesamt 270 Millionen € erfordert. (Abg. Riepl: Da gibt es jetzt aber schon Belege?!) Die Museen sind in eine Teilrechtsfähigkeit übergeführt worden, nicht in eine Gesellschaft, sondern in wissenschaftliche Anstalten mit einem eigenen Gesetz, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von der SPÖ, mitbeschlossen, mitverhandelt und mitentwickelt haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Diese Erfolgsbilanz der Museen zeigt sich auch an der Beurteilung, der Evaluierung besonders für das Kunsthistorische Museum. Der Leiter des Evaluierungsteams, der anerkannte Museumsfachmann Professor Bernhard Graf, schreibt wörtlich:


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„Das Kunsthistorische Museum fördert die Einbindung Wiens in ein globales kulturelles Beziehungsfeld durch die internationale Zusammenarbeit mit anderen Museen.“ (Abg. Dr. Wittmann: Das kann selbst Seipel nicht verhindern!)

„Das Kunsthistorische Museum ist ein bedeutender Ort der Bildung und des lebens­begleitenden Lernens.“

Am Kunsthistorischen Museum gibt es „intensiven Forschungsaustausch mit fachfrem­den Institutionen im In- und Ausland“.

„Beeindruckende Professionalität der Restaurierungsarbeiten des Kunsthistorischen Museums“ wird vermerkt, „mit hohem wissenschaftlichem Ertrag“.

„Das Kunsthistorische Museum ist ein national und international gesuchter Partner.“

„In Österreich übertrifft kein anderes Museum den Rang und die Vielseitigkeit des musealen Lebens am Kunsthistorischen Museum.“ – Zitatende.

Meine Damen und Herren! So etwas entsteht nicht durch das Museum mit seinen Kunstgegenständen, so etwas entsteht durch Menschen – durch Menschen, die dort wirken, durch Menschen, die eine Ausstrahlung haben, durch Menschen, die dort positiv wirken. Dafür trägt Herr Generaldirektor Seipel auch die Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Kunsthistorische Museum hat über 100 Sonderausstellungen in fünf Jahren gemacht – so etwas gibt es sonst überhaupt nicht –, das Kunsthistorische Museum hat einen enormen Eigenfinanzierungsgrad erwirtschaftet, und ich bitte Sie, auch zur Kennt­nis zu nehmen, dass etliche Ausgaben, die im Kunsthistorischen Museum getätigt werden, privatwirtschaftlich erwirtschaftet worden sind. Es ist falsch, zu unterstellen, dass automatisch jede Ausgabe aus Steuergeldern finanziert wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Das Kunsthistorische Museum hat inzwischen seinen Eigenfinanzierungsgrad von 37,3 Prozent im Jahr 2001 auf 40,9 Prozent im Jahr 2004 erhöht. Das Kunsthistorische Museum hat im Jahr 2004 11,9 Millionen € selbst erwirtschaftet. – Das ist nur möglich durch das moderne Museumsgesetz, das wir haben, durch die Tätigkeit des General­direktors und aller seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das ist ein enormer Erfolg, den wir auch zur Kenntnis nehmen und werten müssen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gilt, nun weitere Verbesserungen anzubringen. (Abg. Mag. Kogler: Ist doch „eh alles super“!) Gemeinsam mit dem Kuratorium werden wir das Vier-Augen-Prinzip in den Museen verwirklichen, gemeinsam mit dem Kuratorium wird auch die innere Revision verbessert. Wir werden die Kommunikation untereinan­der verbessern, die Zielsetzungen genau definieren, und wir werden konstruktiv an der Weiterentwicklung der Museen arbeiten. Man wird peinlich genau darauf schauen, dass derartige Fehler, wie sie der Rechnungshof kritisiert hat, nicht mehr auftreten. Das ist, glaube ich, nämlich das Wichtige: dass man aus diesen Rechnungshofberich­ten lernt und dass derartige Fehler nicht mehr passieren!

Das ist die Zukunft des Kunsthistorischen Museums. Ich glaube, dass das Kunst­historische Museum mit Generaldirektor Seipel weiterhin einen sehr guten Weg gehen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Meinen Sie den Fehler mit dem Gehalt?)

15.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 



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15.56.50

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Die Beschwichtigungsrede der Frau Ministerin kennen wir bereits. Ich habe sie jetzt schon zum dritten Mal gehört (Abg. Neudeck: Aber noch immer nicht verstanden!), sie wird aber dadurch nicht besser. Es geht nämlich darum, dass hier ein Direktor am Werk ist, der mit den Kunstschätzen, die es seit Jahrhunderten in Österreich gibt, umgeht, als wären sie sein privater Besitz, und der nicht unterscheiden kann zwischen Mein und Dein und dem, was die Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler bezahlt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Ministerin! Sie haben sich überhaupt nicht geäußert zu der Geburtstagsparty für Herrn Staatssekretär Morak. Herr Direktor Seipel oder Herr Staatssekretär Morak sollten das Geld zurückzahlen, damit hier einmal klare Verhältnisse vorherrschen. (Abg. Dr. Kräuter: Darauf wollen wir eine Antwort hören!) Es gibt hier eine Feudal­herrschaft, die Sie decken, die Sie unterstützen.

Die Arbeit des Rechnungshofes hat sich sehr schwierig gestaltet, das kann man im Bericht nachlesen. Sie reden immer davon, wie viele Maßnahmen und Veränderungen Sie bereits eingeleitet haben, Sie nennen immer nur Zahlen, aber nie die konkreten Maßnahmen. Das gehört einmal aufgedeckt und transparent gemacht!

Sie haben vorhin auf nonchalante Art und Weise gesagt: Wer arbeitet, der macht auch Fehler. – Sie haben Leute abgesetzt wie etwa Hauptverbandspräsidenten Sallmutter, der überhaupt keinen Fehler gemacht hat, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, der Ihnen einfach im Wege war (Abg. Neudeck: Also diese Meinung ist in der SPÖ nicht mehrheitsfähig!), aber bei jemandem, der mit Feudalherrschaft und mit Fehlern agiert, tun Sie überhaupt nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Direktor Seipel hat im Rechnungshofausschuss, von mir mehrmals darauf angesprochen, gesagt, er werde Informationen nachliefern. Es ging darum, dass die Zahl beim Personal von 322 Personen auf 400 Personen angestiegen ist. Ich habe nachgefragt: Warum gab es einen so großen Personalzuwachs? Gibt es vollzeit­beschäftigte Menschen, teilzeitbeschäftigte Menschen? Die Antwort war: Es hat einen Stau gegeben, diesen haben wir aufgearbeitet.

Das sind Ihre Antworten, die wir aber so nicht hinnehmen können. Wir wollen die Unterlagen! Herr Direktor Seipel hat gesagt, er liefert uns die Unterlagen – bis heute sind sie nicht gekommen. Das ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch gibt es keine Genehmigung der Nebentätigkeiten des Herrn Direktors Seipel. Es fügt sich hier ein Mosaikstein um den anderen zusammen: Es gibt eine Person, die unter dem Schutzmantel, unter der Schutzdecke der ÖVP liegt und die sich leisten kann, was immer sie will. – Das lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)

15.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. Auch er wünscht, 3 Minuten zu sprechen. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.00.00

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Opposition möchte ich zunächst ein Buch von Murphy empfehlen: „Die Kraft des positiven Denkens“. Meine Damen und Herren, das brauchen Sie wirklich (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), denn Sie sollten einmal die Leistungen des Kunsthistorischen Museums sehen, sehen, wie sich dieses Museum international positioniert hat.

Natürlich sind durch die Ausgliederung beziehungsweise Vollrechtsfähigkeit Fehler passiert; das wird ja nicht abgestritten. Der Rechnungshofbericht wurde aber äußerst


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ernst genommen, denn von 24 Beanstandungen betreffend das Museum wurden bereits 18 umgesetzt. (Abg. Mag. Kogler: Welche? Welche?) Das heißt, die Kritik des Rechnungshofes wurde sehr wohl ernst genommen.

Die Kontrollstruktur ist vorhanden. (Abg. Mag. Kogler: Welche 18?) Ein Kuratorium, das mit besten Fachleuten besetzt ist: Herr Generaldirektor Püspök, der Verfassungs­rechtler Dr. Öhlinger, Sektionschef Dr. Wran, das sind Ehrenleute! Und wenn Sie im Rahmen Ihrer Kritik sagen, dass sie alle versagt hätten (Abg. Mag. Kogler: Haben sie ja!), dann stimmt das einfach nicht – das kann man auch nachweisen.

Die Wirtschaftlichkeit dieses Unternehmens ist sehr in Ordnung. Mehr als 12 Mil­lionen € werden mittlerweile selbst erwirtschaftet. Aber das wollen Sie nicht zur Kennt­nis nehmen!

Die Basisabgeltung ist seit dem Jahr 1998 eingefroren und gleich geblieben, nämlich in der Höhe von 20 Millionen €. Ich bin überzeugt davon: Wenn irgendjemand von Ihnen das Museum geführt hätte, dann hätten wir schon Steigerungen von 30, 40, 50 Prozent. Das wäre Ihre Museumspolitik – und nichts hätte sich geändert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie aber kritisieren diese Facts: 1,3 Millionen bis 1,4 Millionen Besucher pro Jahr. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Sie kritisieren das, obwohl es zu den bedeutendsten Museen gehört. Stellen Sie sich der Realität, der Wirklichkeit, und anerkennen Sie die tolle Arbeit der 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter der Führung des Generaldirektors Dr. Seipel, sie haben sich solch eine Behandlung nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat auch Prüfvermerke gegeben. (Abg. Dr. Matznetter: Wieso „Generaldirektor“? Was kassiert der Herr?) Lesen Sie sich die Evaluierung der Bundesmuseen durch! Lesen Sie sich diesen Bericht durch, studieren Sie ihn, dann werden Sie sehen, dass die Bundesmuseumspolitik eine hervorragende ist (Abg. Dr. Matznetter: Was kassiert denn der Herr?) und die Vollrechtsfähigkeit und die Ausgliederung der richtige Schritt in die richtige Richtung waren.

Wir haben tolle Möglichkeiten der Kooperation mit den renommiertesten Häusern der Welt. Dieses Museum hat 2,41 Millionen Gegenstände. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Natürlich waren 150 000 nicht inventarisiert, nämlich 50 000 Münzen und 90 000 Briefe und Postkarten. Das ist die Wahrheit.

Sie reden von einem Auto, das der Herr Generaldirektor angeblich selbst gehabt hat. – Das stimmt überhaupt nicht. Es war ein Leasingvertrag, und dieser Leasingvertrag wurde im Zuge der Vollrechtsfähigkeit einfach vom Museum übernommen. Bei Ihrer Politik hätte man wahrscheinlich einen neuen Audi A8 gekauft, und das wäre dann auch noch richtig gewesen. (Abg. Faul – in Richtung Freiheitliche –: Das ist da drüben! Da müssen Sie den Neudeck fragen!) Das Museum hat ein altes Auto übernommen, und das war eine sparsame Maßnahme.

Sie wollen einfach immer nur das Schlechte sehen. Frau Bundesministerin! Wir von der ÖVP sind stolz auf diese Museumspolitik (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) und auch auf das Kunsthistorische Museum mit seinem verantwortlichen Generaldirektor Seipel. Er hat sich Anerkennung verdient – und nicht das, was Sie immer behaupten. (Beifall bei der ÖVP.)

16.03


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Herr Bürgermeister, Sie sind am Wort.

 



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116. Sitzung / Seite 131

16.03.34

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Teures Mitglied der Bundesregierung! Der erste Satz des Rechnungshofberichtes sagt eigentlich schon, worum es geht: „Das Kunsthistorische Museum hielt die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung und Bilanzierung mehrfach nicht ein. Unterlagen wurden nur zögerlich und unvollständig vorgelegt bzw. fehlten.“

Schon der erste Satz in einem Buch, das eigentlich eine Dokumentation ist, zeugt vom Sittenbild dieser Bundesregierung, davon, wie sie sich aufführt, nämlich dass öffent­liches Eigentum einem Herrn Direktor Seipel gehört, der eigentlich nur der Reprä­sentant einer ehemaligen Feudalherrschaft ist, die es offensichtlich leider noch immer – ich hatte geglaubt, sie sei schon ausgestorben – unter der Deckung der Frau Bundes­ministerin gibt.

Frau Bundesministerin, diese Vorwürfe in diesem Dokument des Rechnungshofes zeigen ein Scheitern Ihrer Museums- und Ihrer Kulturpolitik. Das muss man hier ganz offen sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Kollege Gahr hier argumentiert: Wer arbeitet, macht Fehler, wer nicht arbeitet, macht keine Fehler!, muss man angesichts dieser Dokumentation sagen (Abg. Grillitsch: Da kann die SPÖ keine Fehler machen!): Der Rechnungshofbericht zeigt, dass Herr Direktor Seipel eigentlich der Fehler schlechthin ist. (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Und Fehler gehören beseitigt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das, was Sie perfekt können, ist aussitzen, ignorieren und vertuschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber es gibt Gott sei Dank, muss man sagen, den Rechnungshofbericht, der uns etwas anderes zeigt und ganz klar dokumentiert, wie diese Bundesregierung mit öffentlichem Eigentum umgeht.

Da verschwindet eine Saliera – immerhin eine „Kleinigkeit“ von 50 Millionen € –, aber Sicherheitsvorkehrungen brauchen wir nicht, sie werden ignoriert. Es wird das vertuscht. Es gibt einfach dieses Problem nicht, nach dem Motto: Was nicht sein darf, ist nicht! (Abg. Neudeck: Aber alle Minister haben ein Alibi, sie waren es nicht!) – Das ist das Motto dieser Bundesregierung.

72 Aufzählungen in diesem Rechnungshofbericht, allein in der Kurzfassung dieses Berichtes, offenbaren die Unfähigkeit des Direktors Seipel. Aber was geschieht? – Meine Damen und Herren! Man genehmigt sich eine tolle Gehaltserhöhung. Seipel hat seine von 1998 bis 2002 genehmigten Bezüge um 153,2 Prozent erhöht. Aber das ist noch nicht genug. Der Herr Direktor bekommt auch noch einen nicht ruhegenuss­fähigen Zuschlag von 7 267,28 € – 14 Mal jährlich! –, plus 31 395 € für die Ausglie­derung, plus 28 778 € für die Umwandlung des Technischen Museums, plus 15 697 € als Geschäftsführer der „Museums Collection“, und, und, und.

Weiters stellt der Rechnungshof fest, dass sich der Geschäftsführer zusätzlich jährlich, weil er so „arm“ ist, anlässlich des Weihnachtsfestes eine Geldaushilfe zwischen 73  und 80 € hat auszahlen lassen. Meine Damen und Herren! Das ist sensationell, denn nach diesem Bericht sind die 80 €, also Geldaushilfen gemäß den Bestimmungen des Gehaltsgesetzes nur auf Antrag an Personen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, auszubezahlen. – Meine Damen und Herren! In dieser Notlage würden sich gerne einige befinden, die ein Mindestgehalt beziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Neudeck. Wunsch­redezeit: 4 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Wittmann – in Richtung des


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116. Sitzung / Seite 132

sich zum Rednerpult begebenden Abg. Neudeck –: Du hast auch nicht viel mehr Belege in deiner Buchhaltung, oder?)

 


16.07.19

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Kollege, diesen Zwischenruf hast du das letzte Mal schon gemacht, oder jemand anderer von euch. (Abg. Dr. Wittmann: Habt ihr sie schon gefunden?) Ich habe damals gesagt – und zu dem stehe ich auch heute –: Wir haben zu viele Belege, vor allem zu viele im „profil“. (Heiterkeit.)

Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Zwischen dem Rechnungshofbericht und dem Jahresbericht des Museums spielt sich die Wirklichkeit ab. Ich möchte jetzt nicht in die große Verherrlichung des Generaldirektors Seipel einstimmen. Natürlich ist es ... (Abg. Dr. Wittmann: Vom Seipel kannst du noch etwas lernen! – Abg. Scheibner: Von dir nicht!) – Kollege Wittmann, ich beginne erst dann nachzudenken, wenn ich von dir etwas lernen kann. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Scherz beiseite, heute ist kein so lustiger Tag. – Natürlich: 150 000 Stücke, die nicht katalogisiert sind, sind ein Problem. Nur: Lassen Sie die Kirche im Dorf! Wie der Kollege vorher schon gesagt hat, sind das zum Großteil Marken. (Abg. Dr. Matznetter: ... „Saliera“!) Die „Saliera“ war katalogisiert, sonst wüss­ten wir heute nicht, dass sie gestohlen ist, Kollege Matznetter. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Es sind 90 000 Postkarten, Ansichtskarten und einige Zehntausend Marken, aber leider habe ich nicht gehört, dass eine Blaue Mauritius darunter war. Man sucht also einen Prügel, um jemanden zu schlagen, und das kommt schon in die Nähe der Menschenverachtung, Kollege.

Es ist typisch: Bis kurz vor Beginn der Rede ist Klubobmann Cap auf der Rednerliste gestanden, ich bin dann heruntergegangen, habe geglaubt, da ist Cap drinnen, aber Kräuter war da. Es distanziert sich die Führung also schon von Ihrer Kritik! (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Sie werden in mir sofort einen Partner finden, wenn es darum geht, dass das Gehalt von Generaldirektor Seipel etwas ist, das man diskutieren muss und soll. (Abg. Riepl: Kürzen soll man es, nicht diskutieren!) Nur: Wenn wir ihn jetzt nach Hause schicken, so haben wir noch immer das Gehalt und den Ruhegenuss, haben dann aber vielleicht einen künstlerisch schlechteren Direktor. (Abg. Parnigoni: Aber anstellen kann er nichts mehr!) Ihn nur wegzuschicken und nicht arbeiten zu lassen, das ist keine Lösung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)

Aber, Frau Minister, wenn der Museumsdirektor mehr verdient als Sie, wird Sie das auch nachdenklich machen. Das werden wir nicht vertuschen, das werden wir nicht entschuldigen.

Repräsentationen, Bewirtungen, all das sind Themen, die in Zukunft abgestellt werden. (Abg. Parnigoni: Ich habe mir gedacht, ihr seid von der Aufdeckerpartei!) Ja, auf­gedeckt ist es ja. (Abg. Parnigoni: Jetzt seid ihr die Zudecker! Ihr seid die Zudecker!) – Kollege! Es wird ja nichts vertuscht, es ist aufgedeckt. Das, was Sie wollen, ist Rache. Aufgedeckt ist es – und Rache ist kein gutes Mittel! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Bundesminister! Wenn jetzt ein kaufmännischer Direktor – ich habe es schon ein paar Mal gesagt – dazukommt und auch noch ein ordentliches Gehalt bekommt, dann ist das eine unwirtschaftliche Maßnahme. Ich bin für eine Lösung mit einer Holding, die für die Museen in wirtschaftlicher und auch marketingmäßiger Hinsicht ein Dach darstellt, ähnlich wie bei den Bundestheatern. Dann hätten wir auch nicht das Problem


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der großen Konkurrenz bei den Ausstellungen, sondern dann könnten sie sich als Einheit präsentieren und müssten nicht konkurrenzieren.

Kollegin Partik-Pablé hat einmal gesagt – und dieser Satz gefällt mir besonders, daher sage ich ihn gerne –: Die Touristen, die in Scharen in die Museen gehen, kommen nicht wegen der Belegsammlung, sondern wegen der Kunstsammlung des General­direktors Seipel.

Frau Bundesminister! Herr Rechnungshofpräsident! Zum Schluss eine Frage – bei PISA haben wir ja so schlecht abgeschnitten, und ich kann es mathematisch nicht lösen –: Es wird hier immer vom Vier-Augen-Prinzip gesprochen. Wie viele Menschen brauche ich für das Vier-Augen-Prinzip (Abg. Faul: Das ist der Seipel und seine Brille!), wenn ein paar nicht hinschauen und einige ein Auge zudrücken? – Diese Lösung hätte ich gerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schönpass. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Das war aber sehr mäßig!)

 


16.11.38

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Sonnberger, positiv denken – okay –, das positive Handeln wäre die Folge, aber das bleibt leider manchmal offen.

Im Kunsthistorischen Museum unter der Leitung von Wilfried Seipel wurden nicht einmal grundlegende Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Buch- und Ge­schäftsführung erfüllt. Das ist schon unglaublich genug. Noch unglaublicher ist jedoch, wie Herr Seipel und ÖVP-Regierungsmitglieder versuchen, die Ergebnisse des Rech­nungshofes als positive Ergebnisse darzustellen oder überhaupt zu leugnen.

Seipel ist als Generaldirektor nicht tragbar, so viel steht fest! (Abg. Scheibner: Applaus, bitte! – Beifall bei der SPÖ.)

Der Rechnungshof hat öffentlich gemacht, dass zentrale Unterlagen wie zum Beispiel Rechnungen und Belege einfach nicht vorhanden sind beziehungsweise nicht vorge­legt werden konnten. Keine Begründungen gab es auch für die enorme Steigerung des Personalaufwandes, wie Herr Kollege Neudeck auch schon kritisiert hat, insbesondere des Aufwandes für den Geschäftsführer selbst.

Ich sehe keine Erklärung dafür, wenn die Bundesregierung jemanden, der so wirt­schaftet, und zwar mit Steuergeldern wirtschaftet, in dieser Spitzenposition belässt. Auf der Suche nach möglichen Gründen bin ich auf einen Eintrag im Gästebuch der „MS Mariandl“ gestoßen (Abg. Scheibner: Da sind Sie aber dann auch mitgefahren!) – die „MS Mariandl“ ist ein exklusives Schiff, das man für diverse Feierlichkeiten auf der Donau buchen kann. Eine solche Feierlichkeit war im vergangenen Jahr die Geburts­tagsfeier von Herrn Generaldirektor Seipel. Sein Eintrag im Gästebuch lautet: Eine Geburtstagsfahrt mit lieben Freunden. – Eine „liebe Freundin“ war dabei: die für die Museen zuständige Bildungs- und Kulturministerin Elisabeth Gehrer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was haben Sie auf der „Mariandl“ gemacht? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, was lernen wir daraus? – Wer Ministerin Gehrer als „liebe Freundin“ hat, im selben Boot mit ihr sitzt, erleidet auch nach einem derart negativen Rechnungshofbericht nicht Schiffbruch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Schiffbruch, Frau Kollegin! Ein gelesener Witz geht immer unter!)

Während die Armut in Österreich steigt und viele Menschen auf Grund von Pen­sions­kürzungen, Steuerbelastungen und Sozialabbau immer weniger Geld zum Leben


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haben (Abg. Scheibner: Was haben Sie auf der „Mariandl“ gemacht? – Abg. Neudeck: Mit wem haben Sie gefeiert auf dem Schiff? – Abg. Scheibner: Vielleicht weiß das der Herr Präsident!), feiern Mitglieder der Bundesregierung mit dem General­direktor des Kunsthistorischen Museums luxuriöse Feiern. So wurde auch Herr Staats­sekretär Morak von Seipel im Oktober zu einem aufwendigen Geburtstagsfest eingeladen, bei dem ihm auch noch – gut aufgepasst! – ein Geschenk in der Höhe von 5 700 € überreicht wurde, finanziert aus Steuergeldern! Super, was? (Beifall bei der SPÖ.)

Müssen sich das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wirklich gefallen lassen? – Nein, danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neudeck.)

16.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.15.18

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! (Abg. Dr. Jarolim: Christian, sag wieder, was Sache ist!) – Danke, lieber Freund, ich sage es gerne.

Es gibt nämlich Menschen, die behaupten, er sei ein Pharisäer, nämlich Jörg Haider, weil er selbst der größte Spesen- und Privilegienritter sei. Im Sinne des Kollegen Detlev Neudeck muss man dann sagen: Er hat einen würdigen Lehrbuben gefunden, nämlich Direktor Seipel. Direktor Seipel hat ihm sogar eines voraus: Er sammelt nicht so viele Belege, die dann im „profil“ auftauchen könnten, sondern er sammelt gleich gar keine, gibt keine ab und kassiert trotzdem! (Abg. Dr. Jarolim: Er hat einen Häcksler! Den Seipel-Häcksler!) – Den Seipel-Häcksler.

Wenn Frau Kollegin Partik-Pablé zum Beispiel davon spricht, dass die Umstellung von der Kameralwirtschaft auf die Privatwirtschaft Probleme bereitet hat, dann muss man Ihnen vorhalten, dass eine Wirtschaftspartei – und eine solche sind ja angeblich die beiden an der Regierung befindlichen Parteien – professioneller vorgehen könnte, indem man nämlich, so wie man das etwa auch beim Hauptverband gemacht hat – die Kollegin hat das vorhin bereits angesprochen –, fähige Leute sucht und die, die sich ausreichend disqualifiziert haben, wie Direktor Seipel, auf diesem Wege einmal in Pension schickt.

Da muss man Detlev Neudeck, wenn er sagt, da müsste man ja Direktor Seipel weiter bezahlen, entgegenhalten: Es gibt ausreichend Gründe für eine Entlassung des Geschäftsführers. Wir sind ja bei einer GesmbH im Angestelltenrecht, Kollege Neudeck (Abg. Neudeck: Aber das heißt eigentlich, dass das mit dem Sallmutter richtig war!), wir wissen das, und da gibt es mit der Entlassung die Möglichkeit, ihn billig loszu­werden dafür, dass er Jahre hindurch die Collections-GmbH wirtschaftlich gegen die Wand gefahren hat, mit öffentlichem Steuergeld in das Kunsthistorische Museum über­nommen hat und dort dann die Kunst zusammengebracht hat, im Kunsthistorischen Museum einen Einbruch um rund 30 Prozent zu erleiden, während die Frau Bundes­ministerin uns erzählt, dass sonst überall Publikumssteigerungen um 30 bis 50 Prozent eingetreten sind. Und für diesen Rückgang belohnt er sich selbst mit der zweiein­halbfachen Entlohnung.

Das wäre in der Privatwirtschaft ein ausreichender Grund, um sich eines solch untüchtigen Geschäftsführers allemal zu entledigen, ohne ihn weiter zu entlohnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Letztes, Frau Bundesministerin, wenn Sie 24 Kritikpunkte anführen, wovon 18 erledigt sind: Ich sage Ihnen, wie man einen Angeklagten, der verurteilt wurde, trösten


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kann. Sie sagen ihm: Schauen Sie, Sie sind in 24 Punkten angeklagt worden, in 18 sind Sie eh freigesprochen worden, und wegen der letzten 6 Mordanklagepunkte müs­sen Sie halt leider lebenslänglich sitzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Auch er spricht 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


16.17.59

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, ich habe während Ihrer Rede wirklich sehr genau zugehört, und ich habe mich gefragt: Wie unterscheiden sich Ihre Argumente von den Spesenaufzeichnungen des Dr. Seipel? – Ich habe heraus­gefunden: Gar nicht, beide sind nicht belegbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Kollege Neudeck das noch verteidigt, dann sage ich ihm: Du hast jeden Tag damit zu tun, dir muss das ja Gefallen bereiten, oder du bist es zumindest gewöhnt, in deiner Parteikasse das so zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was mich im Ausschuss schon gestört hat und was mich auch heute stört, Kollege Sonnberger, ist, dass ihr Direktor Seipel wider besseres Wissen hier zum Märtyrer macht.

Jetzt frage ich wirklich einmal – ich trete heran an die verantwortungsvollen Bürger­meister, an die Unternehmerinnen und Unternehmer, die bei euch in der Volkspartei sitzen, und frage Folgendes –: Was machen Sie mit einem Angestellten, der sich sein Gehalt ohne Ihr Wissen selbst verdoppelt, verdreifacht (Abg. Dr. Sonnberger: Das stimmt ja nicht! Das ist ein Schwachsinn, Herr Kollege! Das ist eine Beleidigung!), oder haben Sie es gewusst, Frau Bundesministerin?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was machen Sie mit einem Mann, der sich Aufwandsentschädigungen als Angestellter des Bundes selbst zukommen lässt und, Herr Kollege Stummvoll, den Bund in die Situation eines Schwarzarbeitgebers bringt? Er hat sich diese Sachen schwarz ausbezahlt. Er war ja beim Bund beschäftigt. Fragen Sie den Kollegen Haupt, er hat uns das dort auf Grund eines Erkenntnisses dargelegt.

Was machen Sie mit einem Angestellten, der sich, wenn er im Auftrag für den Staat Einkäufe tätigt, selbst mit bedient? Und bei uns – das ist überhaupt noch das Größte – erklärt er dann ganz weinerlich, dass er sich eh die schlechtesten Teile dieses An­kaufes genommen hat. Das heißt, wir müssen ihm noch dankbar sein dafür, dass er dem Staat die besseren Dinge hat zukommen lassen. Er hat sich die schlechteren Teile genommen. – Das schlägt ja dem Fass den Boden aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Herren Bürgermeister und Unternehmer! Was machen Sie mit einem Angestell­ten, der Repräsentationskosten verursacht, ohne dass er einen Auftrag gehabt hat? Oder, Frau Bundesministerin, hat er von Ihnen den Auftrag gehabt, dieses Geburts­tagsfest für Ihren Kollegen Morak auszurichten? Das möchten wir auch gerne wissen.

Was machen Sie – ich möchte es gar nicht mehr wiederholen – mit Geschäftsführern, die ohne Spesenbelege Gelder kassieren und die die Frau auf Urlaubsreisen mitnehmen? Ich frage euch, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, als Unter­nehmerinnen und Unternehmer. Ihr würdet diesen Mann auf der Stelle entlassen! Warum entlassen Sie ihn nicht als Abgeordnete, als verantwortungsvolle Abgeordnete? (Beifall bei der SPÖ.)

16.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Krist 2 Minuten. – Bitte.

 



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16.20.49

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Nicht einmal eine Großpackung „Weißer Riese“ kann die Flecken wegwaschen, die auf der Weste des Direktors des Kunsthistorischen Museums leuchten.

Dir, lieber Peter Sonnberger, auch einen kleinen Buchtipp. Es gibt ein sehr interes­santes Buch über glücklose Direktoren und Manager mit dem Titel „Nieten in Nadelstreifen“. Ich könnte dir empfehlen, das auch einmal zu lesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Vranitzky! – Abg. Neudeck: Ist das ein Buch über „Arbeiter-Zeitung“ und „Konsum“?)

Meine Damen und Herren! 38 Feststellungen und Kritikpunkte – höflich gesagt: Empfehlungen – des Rechnungshofes sind im Wahrnehmungsbericht festgehalten, 38 Empfehlungen an die zuständige Ministerin, das Kunsthistorische Museum und auch das Kuratorium, nachdem zum Teil haarsträubende Missstände aufgedeckt worden sind, insbesondere im kaufmännischen Bereich. Das ist unbestritten.

In diesem Bericht wurden Vorgänge aufgezeigt, die in jedem privatwirtschaftlichen Betrieb – das wurde schon mehrfach angeführt – sofort zur Freisetzung des dafür Verantwortlichen führen würden. Das geht von wundersamen Gehaltserhöhungen – das haben wir schon gehört – bis zu kuriosen Geschäften, von nicht nachvollziehbaren Reisekosten, von einem furchtbaren Durcheinander in den Inventarlisten, von nicht mehr auffindbaren Kunstgegenständen und Bildern bis hin zu üppigen Repräsen­tationsausgaben und so weiter und so weiter – eine schier endlos lange Liste an Kritikpunkten. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit beim Rechnungshof, beim Präsidenten und seine MitarbeiterInnen für die gewissenhafte und sicher nicht leichte Arbeit einmal herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.) Denn Rechnungsbelege aus dem Schüttcontainer im Keller des Museums heraussortieren zu müssen, ist wahrlich keine leichte Aufgabe.

Die berechtigte Kritik der rot-grünen Opposition – ich gebe gerne zu, dass auch Kolle­gin Partik-Pablé und Kollege Haupt sehr kritisch hinterfragt haben – wird immer weggewischt, wird nie ordentlich beantwortet und macht uns die Arbeit nicht wirklich leichter. Die ÖVP erstarrt in kultureller Ehrfurcht vor Direktor Seipel. Das ist absolut entbehrlich, denn es wäre allemal wichtiger, Konsequenzen aus dieser Unfähigkeit zu ziehen und Direktor Seipel als Leiter des Kunsthistorischen Museums sofort abzu­berufen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.23.19

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Auch ich probiere es positiv und sage, auch wir sind stolz auf unser Kunsthistorisches Museum. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade deshalb, meine Damen und Herren, verlangen wir von jenen Personen, die Verantwortung für derartige Einrichtungen haben, dass sie sehr sorgsam mit den ihnen anvertrauten Einrichtungen umgehen. Mein und Dein muss man sehr wohl unter­scheiden.

Heute ist bereits der Ausdruck „Feudalherrschaft“, „Feudalherr“ im Zusammenhang mit Herrn Direktor Seipel gefallen. Da fällt mir ein, welche Geisteshaltung dieser Mann hat, wenn er am 3. Oktober anlässlich einer Präsentation einer Biographie über Karl I. Otto


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Habsburg als „Kaiserliche Hoheit“ begrüßt hat. Privat und Staat dürfte Herr Seipel absolut nicht trennen können! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Reihe der Verfehlungen, meine Damen und Herren, ist wirklich nicht enden wollend, und die Unzulänglichkeiten können weder verleugnet noch abgestritten, noch schöngeredet werden.

Der vorliegende Rechnungshofbericht zeigt dieses Fehlverhalten auf. Es geht um Fehl­verhalten und nicht um Fehler! Herr Seipel muss ein sehr eigenartiges Rechtsbewusst­sein und Rechtsempfinden haben. Bedauerlich ist, dass die Frau Ministerin diesem Treiben tatenlos zuschaut, so nach dem Motto „Augen zu und durch“. Und die Tollereien des Herrn Seipel gehen in unserem Kunsthistorischen Museum munter weiter.

Frau Ministerin, ich glaube, es ist an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Auch er spricht 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


16.25.29

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Die Affäre rund um Direktor Seipel ist wohl symptomatisch für das Wesen dieser Bundesregierung. Den kleinen Beamten, den Arbeitern, den Angestellten, den Pensionisten wird rundum weggenom­men, aber der Spitzenbeamte Seipel – Randbemerkung: Freund des Bundeskanzlers – wird rundum bedient. (Beifall bei der SPÖ.) Der Müll, den der Herr Direktor in großen Bergen produziert, wird prominent zugedeckt.

Der Rechnungshofbericht vermittelt Zustände wie im alten Rom. Ein Selbstbedienungs­laden, wie man ihn sich nur wünschen kann, aber so gestaltet, dass auch nichts nachvollziehbar ist.

Es gibt da nicht einige oder mehrere oder viele Unregelmäßigkeiten, sondern der gesamte Betrieb ist eine einzige Unregelmäßigkeit mit bisher nicht widerlegten Ver­dachtsmomenten, Verdachtsmomenten auf Geschenkannahme, Untreue, Betrug und Amtsmissbrauch.

Wenn Sie, Herr Kollege Gahr, all diese Missstände mit steigender Besucherzahl rechtfertigen wollen, dann ist das mehr als kühn. Wer also jetzt noch die Missstände leugnet, meine Damen und Herren, der kennt entweder den Bericht nicht oder möchte ganz bewusst die Öffentlichkeit in die Irre führen. Frau Bundesminister! Wer wegschaut, macht sich mitschuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Er wünscht, 4 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 


16.27.37

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! 26 Prozent Minus in den Besucherzahlen rechtfertigen nicht eine Gage, die zweieinhalbmal höher ist als der Ausgangswert. Das ist Misswirt­schaft pur! Seipel erhält jetzt ein Gehalt, das gleich hoch ist wie jenes des Bun­deskanzlers. Das Einzige, was die beiden verbindet, ist, dass sie schlechte Arbeit machen, der eine für Österreich, der andere für das Kunsthistorische Museum. (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber eines hat er verstanden: Er hat die 6 000 €, die er dem Morak für sein Geburts­tagsfest zur Verfügung gestellt hat, wirklich gekonnt eingesetzt, denn alle, die einge­laden waren, verteidigen ihn jetzt – alle: die Frau Bundesminister, die anwesenden Abgeordneten. So wäscht eine Hand die andere. (Beifall bei der SPÖ.)

Finden Sie das in Ordnung, wenn Sie, nur weil Sie eingeladen waren, diese 6 000 € rechtfertigen? Herr Bundeskanzler! Würden Sie es nicht in Ordnung finden, wenn er diese 6 000 € zurückzahlen würde, anstatt eine Geburtstagsfeier aus öffentlichen Geldern zu bezahlen? Das ist doch eine unglaubliche Vorgangsweise! Nur weil man Nutznießer davon war, verteidigt man ihn hier jetzt. Also das ist ja wirklich der Höhepunkt eines Sittenbildes dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Letztendlich glaube ich, dass es noch viel mehr zu untersuchen gäbe. Ich hätte nur eine einfache Frage an den Rechnungshofpräsidenten. Glaubt er wirklich, dass ein Geschäftsführer angesichts einer derartigen Vorgangsweise tragbar ist?

Bei 27 000 € Reisespesen kein Vorweis eines Belegs! Also du, Herr Kollege, hast seit der heutigen Pressekonferenz zu viele Belege in der FPÖ, die über das Geldausgeben Auskunft geben. Da hingegen gibt es keine Belege für die Reisekosten. Dann setzt man einen zweiten Geschäftsführer dazu, und die schauen sich dann mit vier Augen keine Belege an. Das ist ja eine absurde Situation! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit zwei Augen sieht er keinen Beleg, genauso gut sehen vier Augen keinen Beleg. Also, liebe Freunde, das ist doch eine unglaubliche Vorgangsweise und eine Miss­wirtschaft, die ihresgleichen sucht. (Abg. Scheibner: Wiener Neustadt!)

Nur ein Beispiel noch, die „Museums Collection“: Der Beschluss – die Feststellung der ordnungsgemäßen Gebarung – über den Jahresabschluss für das Jahr 1998 ist zu einem Zeitpunkt erfolgt, da ist nicht einmal noch der Wirtschaftsprüfungsbericht vorge­legen, der ist nämlich erst ein Jahr später gekommen! Das heißt, dem Entlastungs­beschluss ist nicht einmal ein Bericht zugrunde gelegen, meine Damen und Herren! – Und da sind wir jetzt meiner Meinung nach in einem sehr strafrechtlichen Bereich gelandet.

1999 gibt es zwei Gesellschafterbeschlüsse: der eine für den Geschäftsbericht, der eine wurde dem Gericht vorgelegt und enthält vier Punkte, der andere wurde dem Rechnungshof vorgelegt und enthält drei Punkte. – Also wenn es da nicht irgendeine Täuschung gibt! Da wurde entweder das Gericht getäuscht, oder es wurde der Rechnungshof getäuscht.

Ich habe den Straftatbestand der Täuschung hier. Ich brauche ihn nicht vorzulesen, denn lesen werden Sie ja noch können. Aber im Grunde genommen, Berichte vorzu­legen, die es nicht einmal noch gibt, und diese als Grundlage für eine Entlastung heranzuziehen, das entspricht keiner ordentlichen kaufmännischen Vorgangsweise.

Schlichtweg: Der Mann gehört weg, der ist untragbar! Der kauft Figuren für das Museum, nimmt sich zwei mit! – Im Jahr 1999 kauft er sie, im Jahr 2003 wird dann eine Expertise ausgestellt, wo gesagt wird: Die zwei waren sowieso wissenschaftlich unbe­deutend und außerdem ohne museales Interesse. – 2003 wurde dann dieses Gutach­ten erstellt von den Wissenschaftlern, 1999 wurde angekauft! Und das Gutach­ten wurde erst erstellt, als der Rechnungshof schon geprüft hat, weil man ja nicht einmal gewusst hat, was sich der mitgenommen hat! – Also, liebe Freunde, das ist untragbar! Das geht nicht mehr!

Der Mann legt keine Belege für Reiserechnungen vor, erhöht sich selbständig das Gehalt, fährt das Museum in Grund und Boden, die Besucherzahlen sinken und sinken, und letztendlich führt er Gesellschafterbeschlüsse herbei über Berichte, die es noch nicht gibt! Und wenn es Berichte gibt, dann legt er zwei Berichte vor – einen für den


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Rechnungshof, einen für das Gericht. Einer davon kann stimmen, der andere sicher nicht.

Meine Damen und Herren! Das ist letztklassig, entspricht keinem Management! Und dieser Mann bekommt so viel wie der Bundeskanzler. Als Bundeskanzler würde ich mich fragen: Wofür? (Beifall bei der SPÖ.)

16.33

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr ergreift der Herr Präsident des Rech­nungshofes Dr. Moser das Wort. – Bitte.

 


16.33.04

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ich glaube, es ist Ihnen bekannt, dass sich das Kunsthistorische Museum immer als Flaggschiff der Kulturlandschaft Österreichs sieht, dass es auch internationale Koope­rationen anstrebt, darüber hinaus Sonderausstellungen initiiert und auch durchführt. Ich glaube, allein dieser Umstand zeigt, dass es notwendig ist, dass gerade auch das Kunsthistorische Museum die Mittel sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig einsetzt. Ansonsten – ich glaube, das ist auch unbestritten – stößt gerade eine Einrichtung wie das Kunsthistorische Museum sehr schnell an die Grenzen der eigenen Entwicklungs­fähigkeit.

Es wurde immer wieder gesagt: Was hat der Rechnungshof geprüft? In welche Grund­lagen ist er hineingegangen? – Ich glaube, es ist Ihnen bekannt, dass in den Erläuterungen zum Bundesmuseen-Gesetz angeführt worden ist, dass eine Effizienz­steigerung bei zumindest gleich bleibenden Kosten für den Bund, eine zeitgemäße und wirtschaftliche Betriebsführung sowie eine Steigerung der Wirksamkeit ohne gleich­laufende Mehrbelastung des Bundes durch die Schaffung einer bedarfsgerechten Organisationsform erforderlich ist.

Wir haben also ausgehend vom Bundesmuseen-Gesetz das Kunsthistorische Museum einer Überprüfung unterzogen, wobei kurz erwähnt sei, dass das Kunsthistorische Museum bis zum 31. Dezember 1998 eine Dienststelle des Bundes mit Teilrechts­fähigkeit laut Forschungsorganisationsgesetz war, mit 1. Jänner 1999 in eine wissen­schaftliche Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgegliedert wurde, dass in der Folge die Museums Collection in der Form eingegliedert worden ist, dass bis zum 29. Dezember 1999 das Kunsthistorische Museum bei der Museums Collection lediglich Minderheitseigentümer war, in der Folge aber Volleigentümer wurde, und dass mit 1. Jänner 2001 eben zwei Museen eingegliedert worden sind, nämlich das Museum für Völkerkunde und auch das Österreichische Theatermuseum.

Die Prüfung – das sei klargestellt – umfasste die Jahresabschlüsse des Kunsthis­torischen Museums und der Museums Collection, sie erfasste das Finanz- und Beteiligungscontrolling und die Evaluierung der Ausgliederung des Kunsthistorischen Museums beziehungsweise der Eingliederung der zwei genannten Museen.

Es wurde auch kurz in der Debatte angesprochen, dass sich die Prüfung am Anfang als äußerst schwierig erwiesen hat, indem Unterlagen entweder überhaupt nicht, teil­weise verzögert beziehungsweise erst nach mehrfacher Urgenz vorgelegt wurden.

Hohes Haus! Ich möchte hier eindeutig feststellen, dass der Rechnungshof die kultur­politische und wissenschaftliche Bedeutung des Kunsthistorischen Museums nicht bestreitet – das war auch nicht Gegenstand der Prüfung –, aber was die kaufmän­nischen Angelegenheiten betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass gerade das Kunsthistorische Museum im Prüfungszeitraum in vielen Belangen eben nicht gemäß


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dem Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gehandelt hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist so, dass im Bereich der ordnungsgemäßen Buchhaltung und Bilanzierung Mängel vorlagen, dass die Aufwendungen nicht mit der nötigen Sparsamkeit erfolgt sind und dass der kaufmännische Bereich in einigen Fällen – auch in einigen gravierenden Fällen – Mängel aufgewiesen hat. Das hat auch dazu geführt, dass das Kunsthistorische Museum nicht alle seine sich selbst gesteckten Ziele verfolgen beziehungsweise umsetzen konnte beziehungsweise dass auch im Jahr 2003 Reor­ganisationsbedarf gegeben war.

Ich möchte darauf hinweisen, dass aus diesem Grund – auch das wurde ange­sprochen – der Rechnungshof zur Ansicht gekommen ist, dass die Einsetzung eines zweiten, kaufmännischen Geschäftsführers jedenfalls erforderlich ist, und dass insbesondere auch die Einrichtung einer internen Revision als notwendig erachtet wird. Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass es notwendig ist, dass gerade auch das Kuratorium als kaufmännisches Kontrollorgan seiner Aufgabe tatsächlich nachkommt.

In diesem Zusammenhang ist aber zu erwähnen – auch das wurde von der Frau Bundesministerin angesprochen –, dass es 38 Empfehlungen seitens des Rech­nungs­hofes gegeben hat und dass mittlerweile zugesagt wurde – sowohl von der Frau Bundesministerin als auch von der Geschäftsführung des Kunsthistorischen Museums als auch vom Kuratorium –, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt werden beziehungsweise sich bereits in Umsetzung befinden.

Das heißt also, resümierend ist aus Sicht des Rechnungshofes zu sagen, die Tatsache, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes nahezu zur Gänze umgesetzt werden und dass im Ausschuss die Empfehlungen beziehungsweise die Feststellun­gen des Rechnungshofes als solche eben nicht umgeändert wurden – sie wurden zwar bezweifelt, aber sie konnten nicht widerlegt werden –, zeigt, dass der Rechnungshof richtig gelegen ist und dass im Endeffekt auch das Kunsthistorische Museum und die Geschäftsführung erkannt haben, dass der Rechnungshof nicht als Feind, sondern als Partner in das Kunsthistorische Museum gekommen und in eine Richtung gegangen ist, dass in Zukunft die Mittel, wie ich hoffe, im Sinne des Steuerzahlers tatsächlich auch sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt werden.

Und was den Punkt betrifft: Wer schaut sich das an? – Wir werden seitens des Rech­nungshofes natürlich weiterhin ein Augenmerk darauf richten, dass die Empfehlungen umgesetzt werden, und wir haben jederzeit die Gelegenheit, das auch im Rahmen der Prüfungsplanung zu evaluieren.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal dafür danken, dass der Bericht ernst genommen und auch im Ausschuss eingehend diskutiert wurde. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern bedanken, die sehr viel an Einsatz gebracht haben und sich nicht abschrecken ließen. Im Endeffekt hat sich ihre Kompetenz auch durchgesetzt. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Redezeit: 20 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


16.38.58

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Natürlich könnte man der Meinung sein, dass angesichts dramatischer und tragischer Ereignisse hier alles ein bisschen zurücksteht. Das wird wohl auch so sein. Trotzdem haben wir im Par­lament auch einer zentralen Aufgabe nachzukommen, und das ist nun einmal die


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Auseinandersetzung auch mit der Exekutive und dem, was dort passiert, selbst wenn diverse Betriebe und Einrichtungen ausgegliedert werden. Dazu werden wir ja gleich kommen.

Ich melde mich eigentlich nur deshalb zu Wort, weil für mich der Vorgang in Ihrem Ministerium beziehungsweise auf Seiten der ÖVP-Fraktion – ich nehme hier die freiheitliche Fraktion ausdrücklich aus – nicht nachvollziehbar ist.

Es gibt selten einen Rechnungshofbericht, der eine derartige Anklageschrift von vorn bis hinten ist, der bereits in der Fragestellung, wie die Sache zu überprüfen ist, Dinge moniert, die dazu führen müssten, dass man dort auf der Stelle – auf der Stelle! – die Führungsriege suspendiert. Das ist natürlich nicht passiert. Heute und im Nachhinein wird so getan – jetzt komme ich auf Ihre Argumente, Frau Bundesministerin –, als ob das meiste ohnehin schon erledigt wäre.

Sie haben auch heute Mantra-artig dauernd irgendwelche Zahlenbeispiele gebracht: 18 von 24 Empfehlungen seien umgesetzt. Erstens einmal sagt das nichts aus, selbst wenn es so wäre, und zweitens: Heute hier mag es Zeitknappheit gewesen sein, aber im Ausschuss hatten wir diese nicht. Sie nennen immer nur drei Maßnahmen, die in Angriff genommen worden sind. Von 18 Umsetzungen ist in Wahrheit nichts erkennbar, ist nichts belegt.

Ich frage mich auch, wie dieser Zustand im Nachhinein hätte saniert werden sollen, der Umstand nämlich, dass dort offensichtlich schrankweise, um es zu quantifizieren, schrankweise die Belege gefehlt haben. Und als man nach mehrmaligen Einschau-Urgenzen des Rechnungshofes endlich Zugang zu den Belegen bekam, hat man diese im Keller vorgefunden und – wie schreibt der Rechnungshof? – letztlich nicht voll­ständig und ungeordnet und eigentlich nur eingeschränkt tauglich.

Wenn diese Zustände in ausgegliederten Rechtsträgern – und das ist ja schon etliche Jahre her – herrschen sollen, frage ich mich, was daran so toll sein soll oder warum gerade so etwas als positives Beispiel dafür herhalten soll, dass diese Ausgliederun­gen etwas Brauchbares und etwas Tolles sein sollen.

Es hat so einen Bericht und so einen Befund noch nicht gegeben, und das ist, ohne die weiteren Verfehlungen näher zu betrachten, bereits ein klassischer Rücktrittsgrund. (Beifall bei den Grünen.)

Dass in der Folge in der Betriebsführung serielle Fehlleistungen aufgetaucht sind, kommt ja nur noch hinzu. Da würde ich es aber dann dabei belassen, den Herrn Direktor mit der Aufforderung zu verabschieden, für die Schäden aufzukommen, die allenfalls entstanden sind, und zurückzutreten. Dieses Motto hat sich noch immer bewährt, aber da Sie ja gänzlich Abstand nehmen von solchen Zugängen, werden Sie sich noch ein paar weitere Konsequenzen anhören müssen, denn für uns ist die Sache bei weitem nicht erledigt.

Es wäre wahrscheinlich ganz nützlich, wenn auch der Bundeskanzler zuhören könnte – allein schon deshalb, damit die Ministerin nicht dauernd abgelenkt ist –, denn sonst wird es später wieder heißen: Wenn das der Kanzler gewusst hätte!

Jedenfalls komme ich jetzt zu ein paar Punkten, die an sich völlig untragbar erscheinen. In-sich-Geschäfte allein sind schon ein Rücktrittsgrund, ungemeldete Nebenbeschäftigungen sind ein Rücktrittsgrund, und in Wahrheit müsste diese ganze Rücktrittswelle das Kuratorium erfassen, denn das Kuratorium – und das ist der eigentliche Kritikpunkt von uns – ist ja dazu da, diese ganzen Vorgänge zu beaufsich­tigen.


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Was dort passiert ist, ist ein eigener Punkt. Da werden Sprecher-Funktionen vergeben, obwohl sie nicht vorgesehen sind. Der eigentliche Kuratoriumsvorsitzende ist völlig überlastet und überfordert; der legt einmal vorsichtshalber während der Ausschuss­verhandlung das Amt nieder – immerhin ein nützlicher Vorgang –, und der Interimsvorsitzende hat eine Reihe von Nebentätigkeiten. (Ein voll beschriebenes A4-Blatt in die Höhe haltend:) Das sind nicht einmal alle (Abg. Gradwohl: Oh!); ich habe diese Liste aus dem Firmenbuch herausgeschrieben. Da ist es natürlich kein Wunder, wenn die Herrschaften keine Zeit haben, sich um ihre eigentlichen Aufgaben zu kümmern. Hauptsache, es regiert ein ÖVP-Konglomerat dort hinein, es darf nichts dazukommen, und da sitzen wir die Geschichte aus. (Beifall bei den Grünen.)

So wird es nicht gehen, und so wird es nicht bleiben können! In Wahrheit ist das ganze Kuratorium rücktrittsreif angesichts dessen, was hier vorgefallen ist. Und für dieses Kuratorium tragen auch Sie die Verantwortung, weil Sie die meisten Leute dort hinein entsenden. Letztlich beginnt diese Kaskade der Verantwortungslosigkeit, wo Seipel ja auch nur das Ergebnis sein kann, auch in Ihrem Ministerium, und man müsste sich eigentlich fragen, wie man mit einer solchen negierenden Haltung hier überhaupt noch weiter fuhrwerken kann.

Das Buch, das diese Vorfälle beschreibt und hier zur Besserung und zum Optimismus aufruft, das ist noch nicht geschrieben. Aber wir werden noch ein Kapitel schreiben. Die Geschichte ist nicht aus! Wir wissen, dass in den Finanzverfahren, in den Steuer­verfahren noch ein paar Punkte offen sind, und wir werden uns hier wieder mit den Dingen zu beschäftigen haben.

Abschließend: Es zahlt sich eben aus, wenn man beharrlich bleibt. Sie werden da weiter mit uns rechnen müssen. Ich darf daran erinnern, dass Kollegin Glawischnig im Jahr 2002 begonnen hat, sich einmal dieser Sache anzunehmen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie hat eine Anfrage gestellt, und die Frist für die Beantwortung wurde damals schon mit Zustimmung des Präsidenten auf vier Monate verlängert – obwohl nachher wieder nichts drinnen gestanden ist –, nur weil auf Zeitgewinn gesetzt wurde. Es hat nichts geholfen. Auch weiteres Setzen auf Zeitgewinn und weiteres Vertuschen wird nicht nützen. Sie werden mit uns rechnen müssen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

16.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort seitens der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-149 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

16.46.43 5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 614/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leis­tungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige


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Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005) (1024 d.B.)

6. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1025 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 21/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz (1023 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich ge­schaffen wird (1022 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 613/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenen­ent­schädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversor­gungsgesetz geändert werden (1013 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 9 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als erste Rednerin Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Ihre Wunsch­redezeit beträgt 7 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


16.48.43

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe hier schon öfter eine Rede zur Frage der Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure gehalten. Ich habe irgendwie gehofft, dass das die letzte Rede sein wird, die wir zu diesem Thema in der parlamentarischen Behandlung von Anträgen zu halten haben. Die Hoffnung hat sich – und dafür möchte ich mich wirklich sehr bedanken – zu einem gut Teil erfüllt.

Ich möchte einen ganz kurzen Abriss über die Geschichte geben. 1999 – zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die damals mitgestimmt haben, sind noch da – hat der Nationalrat mit den Stimmen von vier Parteien eine Entschließung angenommen,


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deren Folge eine sehr große, intensive Forschungsarbeit zum Thema „Opfer der NS-Militärjustiz“ gewesen ist. Diese umfangreichen Forschungsergebnisse wurden im Jahr 2002 dem Nationalrat und vorher dem Justizministerium als Auftraggeber präsen­tiert, und Herr Präsident Khol lud damals zu dieser sehr bemerkenswerten Veranstal­tung – meiner Ansicht nach bemerkenswerten Veranstaltung, denn da waren meines Wissens erstmals ganz offiziell Deserteure ins österreichische Parlament geladen, und es waren lauter männliche Deserteure vertreten, die von Vorarlberg, aus Tirol, aus dem Burgenland angereist sind, und natürlich kamen auch welche aus Wien.

Unter diesen damals am Symposion Teilnehmenden war auch Richard Wadani, der auch heute hier ist und da oben am Balkon sitzt und den ich sehr herzlich begrüßen möchte. (Beifall bei den Grünen.)

Er ist der Sprecher des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militär­justiz“, dem wir Parlamentarier es verdanken, dass man die Ausdauer hat, so lange an einem Thema, bei dem sich die Politik so sperrig gibt, festzuhalten. Er hat mich so viel gelehrt über österreichische Geschichte, jüngere und ein bisschen weiter zurück­liegende. Obwohl wir in diesem Jahr des Kriegsendes vor 60 Jahren gedenken und damit auch die Überwindung des NS-Regimes bedenken, ist die Leidensgeschichte von Deserteuren nicht vor 60 Jahren zu Ende gegangen. Die Leidensgeschichte der Deserteure geht jetzt vielfach durch dieses Gesetz, das Anerkennungsgesetz, zu Ende.

Ich halte es für einen Erfolg der ForscherInnengruppe, für einen Erfolg der Aktivistin­nen und Aktivisten, die selbst Betroffene sind, dass es gelungen ist, Opfer der NS-Militärjustiz als Opfer des Nationalsozialismus ins österreichische Opferfürsorgegesetz aufzunehmen.

Es ist der Beharrlichkeit jener, die sich hier eingesetzt haben, zu verdanken, dass auch die ASVG-Regelungen entsprechend geändert werden, die bis jetzt immer noch – das ist geltendes Recht, aber hoffentlich bald nicht mehr – Pensionsersatzzeiten für Wehrmachtsangehörige, selbst für jene, die der Waffen-SS angehört haben, vorsehen, aber nicht für Opfer der NS-Militärjustiz, wenn sie in Konzentrationslagern, in Lagern waren. Das wird jetzt – und da bin ich wirklich aus tiefstem Herzen dankbar, dass es gelungen ist, das umzusetzen – geklärt! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur diese Opfergruppe, nämlich die Opfer der NS-Militärjustiz, sondern auch einige andere – Ulrike Lunacek wird dann noch darauf eingehen – sind von der Novelle vom Opferfürsorgegesetz betroffen. Ich schließe hier gleich meine Bitte an: Jene Opfergruppen, speziell die Opfer der NS-Militärjustiz, zu denen die Öffentlichkeit ein sehr schwieriges Verhältnis hat – ich sage nur das Stich­wort „Kampl“ –, jene Opfer brauchen jetzt auch unsere Unterstützung, nämlich die administrative Unterstützung, um überhaupt zu erfahren, dass sie jetzt als Opfer des Nationalsozialismus auch Ansprüche haben, die sie geltend machen können. Ich bin sicher, dass die Frau Bundesministerin gemeinsam mit Herrn Ministerialrat Weg­scheidler hier im wahrsten Sinn des Wortes tatkräftige Unterstützung leisten wird. Das sind alles alte Menschen, das sind alles Menschen, die mit Bürokratie, wenn über­haupt, nur negative Erfahrungen haben. Die brauchen jetzt unsere Hilfe, damit sie 60 Jahre nach Kriegsende diese Ansprüche, die ihnen jetzt vom Gesetzgeber gewährt werden, auch tatsächlich einbringen können.

Ich gehe davon aus, ja ich bin davon überzeugt, dass wir – jetzt spreche ich als Kuratoriumsmitglied des Nationalfonds – hier auch unseren Beitrag leisten. Ich schaue in diesem Zusammenhang zum Herrn Präsidenten (die Rednerin blickt in Richtung des Präsidenten Dr. Khol) als Kuratoriumsvorsitzenden.


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Der Grund, warum meine Freude nicht ungebrochen ist und warum ich gemeinsam mit der sozialdemokratischen Fraktion einen Abänderungsantrag zu diesem Gesetz ein­bringe, ist ein ganz einfacher und ganz klarer – Karl Öllinger wird nachher auch noch darauf eingehen –: Wir haben uns gewünscht und wünschen es uns immer noch, dass es eine klare Differenzierung der Opfer des Nationalsozialismus auf der einen Seite und des Krieges auf der anderen Seite gibt. Wir wollen kein Opferamalgam im Gedenkjahr, wir wollen nicht, dass man völlig darüber hinwegsieht, warum jemand ein Opfer war und wurde, sondern dass es diese klare Differenzierung zwischen Opfern des Nationalsozialismus auf der einen Seite, denen wir Dank und Anerkennung aus­sprechen, und den Opfern des Krieges insgesamt gibt.

Das ist eine Diskussion, der wir uns überhaupt nicht verschließen. Es kann jemand Opfer des Nationalsozialismus gewesen sein und gleichzeitig auch Opfer des Krieges. Aber es gibt viele, die Opfer des Krieges und nicht unmittelbar Opfer des National­sozialismus waren. Diese Differenzierung ist uns wichtig. Diese Differenzierung ist auch für die Diskussionen im Gedenkjahr 2005 ganz wesentlich. (Beifall bei den Grünen.)

Der letzte Punkt, bevor meine 7 Minuten Redezeit um sind, der Grund, der mich am meisten bewegt, dem § 2 dieses Gesetzes nicht zuzustimmen: In diesem Paragraphen bezeugt der Nationalrat etlichen Opfergruppen Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen – nicht aber den Deserteuren, nicht den Wehrmachtsdeserteuren. Der Nationalrat ist auf dem Weg dazu, die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure auf gesetzlicher Ebene umzusetzen, ohne sie explizit zu nennen.

Sie, Herr Präsident, und die Frau Justizministerin überhaupt, und die Frau Vorsitzende des Justizausschusses noch mehr, haben diese Bemühungen mitverfolgt. Wir wollten eine Einigung darüber, wie dieses Gesetz ausformuliert ist – wir, die Grünen und die Sozialdemokraten. In diesem Fall haben sich die ÖVP und die FPÖ nicht bewegt, und das wundert mich nicht, meine Damen und Herren.

Wenn ich mir nämlich den Entschließungsantrag, den die Parteien dann eingebracht haben, ansehe, wo drübergefahren wird über die Opfergruppen und über die dunklen Zeiten des vorigen Jahrhunderts, wo es keine Differenzierung gibt, Herr Großruck, zwischen nationalsozialistischer Ära und der Zeit zwischen 1945 und 1955, kann ich nur sagen: Nicht mit mir, nicht mit uns! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Nur unter dieser Regierung ist es möglich gewesen, zu entschädigen! – Abg. Neudeck: Was wir machen, ist alles zu wenig für Sie!)

Jetzt bringe ich noch den angekündigten Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Hannes Jarolim, FreundInnen und Ge­nossInnen zum Antrag (614/A) der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherr­schaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Wider­stands­kämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005), in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (1024 d.B.)


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1. § 2 lautet wie folgt:

„§ 2. Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz den Opfern derartiger Unrechtsurteile, den Personen im österreichischen Widerstand, den Wehrmachts­deserteuren, den aus Österreich Vertriebenen sowie deren Familien Achtung und Mitgefühl.“

*****

Und das sollten auch Sie tun, meine Damen und Herren. Dann könnten wir sagen, das wäre ein wahrhaft wesentlicher Beitrag zum Gedankenjahr 2005. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits soeben eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Hannes Jarolim, FreundInnen und GenossInnen zum Antrag (614/A) der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialis­tischer Unrechtsakte erlassen wird, und so weiter (Anerkennungsgesetz 2005), in der Fassung des Berichts des Justizausschusses (1024 der Beilagen) ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Dr. Hannes Jarolim, FreundInnen und Ge­nossInnen

zum Antrag (614/A) der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opfer­fürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahres­tages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005), in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (1024 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung national­sozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005), in der Fas­sung des Berichtes des Justizausschusses (1024 d.B.), wird wie folgt geändert:


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Zu Artikel I

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialis­tischer Unrechtsakte erlassen wird

1. § 2 lautet wie folgt:

„§ 2. Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz den Opfern derartiger Unrechtsurteile, den Personen im österreichischen Widerstand, den Wehrmachts­deserteuren, den aus Österreich Vertriebenen sowie deren Familien Achtung und Mitgefühl.“

Begründung:

Noch immer stoßen Wehrmachtsdeserteure auf Unverständnis bis hin zu persönlichen Angriffen angesichts ihrer Handlungen, die sie meist aus einer Vielzahl von Gründen gesetzt haben. In diesem Zusammenhang ist jedoch hervorzuheben, dass Wehr­machtsdeserteure im Sinne der Moskauer Deklaration gehandelt und damit implizit auch den in der Moskauer Deklaration geforderten Beitrag zur Befreiung vom National­sozialismus geleistet haben. So wurde das Verlassen der Wehrmacht seit Ende 1943 von den Alliierten als ein solcher Beitrag gewertet. Es bleibt daher einmal mehr festzustellen, das Entscheidende war die richtige Tat, das Verlassen der Wehrmacht.

Auch die Angehörigen von Wehrmachtsdeserteuren litten und leiden zum Teil bis heute unter der fortgesetzten Stigmatisierung. Solchen Verhältnissen sollte jedoch bereits seit Beginn der Zweiten Republik und insbesondere spätestens im Gedenkjahr 2005 unmissverständlich entgegengetreten werden.

Daher halten die Grünen und die SPÖ es für selbstverständlich und unumgänglich, dass ein Gesetz, das in erster Linie erlassen werden sollte, um eine späte Rehabi­litierung der Wehrmachtsdeserteure im Gedenkjahr 2005 zu erreichen, logischerweise zumindest einmal das Wort „Wehrmachtsdeserteur“ enthält. Umso bedauerlicher ist, dass die Regierungsparteien vereint dagegen gewehrt haben.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch im Anerkennungsgesetz 2005 keine klare Trennung zwischen Opfern des Nationalsozialismus und Opfern des Krieges erfolgt, wie dies im Sinne einer aktiven, verantwortungsvollen Vergangen­heitspolitik dringendst erforderlich wäre. Eine solche Grenzziehung auf sprachlicher und in weiterer Folge legistischer Ebene bildet jedoch eine Voraussetzung für ein Um­denken in der Gesellschaft, das nach wie vor vielerorts nicht erfolgt ist.

Die Grünen hätten dem gesamten Anerkennungsgesetz 2005 im Justizausschuss aufgrund ihrer jahrelangen intensiven Bemühungen um eine umfassende Rehabili­tie­rung der Opfer der NS-Militärjustiz ebenso gerne zugestimmt wie die SPÖ. Art I § 2 in der nunmehr beschlossenen Fassung ist jedoch leider keine Formulierung, welche zweifellos klarstellen würde, wer Opfer des Nationalsozialismus ist und wer nicht.

Weiters lehnt die Opposition die Vorgehensweise, dass augenscheinlich als Voraus­setzungen für das Anerkennungsgesetz die gleichzeitige Erlassung eines Bundes­gesetzes, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird, sowie des Bundesgesetzes, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert wurden, in den jeweiligen Ausschüssen beschlossen wurde, strikt ab. Die Zusammenwürfelung


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verschiedener Opfergruppen in einem „NS-Paket“ entspricht 60 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus keiner adäquaten politischen Vergangenheits­bewältigung.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Ihre Wunschredezeit beträgt 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


16.58.23

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal eine tatsächliche Berichtigung zur Kollegin Stoisits als Debattenbeitrag:

Wehrmachtsdeserteure haben, wie in der Moskauer Deklaration festgelegt, selbst­verständlich einen Beitrag dazu geleistet, dass Österreich vom Nationalsozialismus befreit wurde. Daher sind Wehrmachtsdeserteure, liebe Terezija, unabhängig davon, ob sie wegen einer Desertion von der NS-Militärjustiz verurteilt wurden, in unserem Artikel I § 2 des derzeit debattierten Gesetzes erfasst. Sie sind bereits erfasst! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Anerkennungsgesetz ist ein Maßnahmenpaket, das mehrere Teile hat, nämlich ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte, eine Erweiterung des Opferbegriffes im Opferfürsorgegesetz und ein Gesetz bezüglich einer Befreiungs-Erinnerungszuwendung an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherr­schaft.

„Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz“ – und ich zitiere hier den § 2 – „den Opfern derartiger Unrechtsurteile, insbesondere auch der Urteile der national­sozialistischen Militärjustiz, und anderer nationalsozialistischer Unrechtsakte, den Opfern der politischen Verfolgung, den aus ihrer Heimat Vertriebenen, allen Opfern des vom nationalsozialistischen Regime zu verantwortenden Krieges und jenen, die zu dessen Beendigung und zur Befreiung Österreichs beigetragen haben, insbesondere den Personen im österreichischen Widerstand, und ebenso deren Familien Achtung und Mitgefühl.“ (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben hier, 60 Jahre nach dem Krieg, einen sehr weiten Opferbegriff gewählt. Und es ist nicht gerechtfertigt, liebe Terezija, einzelnen Opfergruppen diese Achtung und das Mitgefühl zu verweigern oder es zu trennen oder zu differenzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist für uns eine nicht akzeptable Haltung, dass die Grünen und auch die Sozialdemokraten hier diesen weiten Opferbegriff ablehnen und eigentlich nur Deser­teure genannt haben wollen. Ein Vier-Parteien-Konsens war deshalb nicht erreichbar.

Ich halte die Differenzierung von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Opfern des Krieges für wissenschaftlich gerechtfertigt und für die Aufarbeitung der Geschichte und für die Sensibilisierung zu diesem Thema selbstverständlich für notwendig. Aber wenn der Gesetzgeber Opfern Achtung und Mitgefühl ausspricht, dann ist es gerechtfertigt, wenn man den Opferbegriff sehr weit fasst.

Als besondere Geste der politischen und moralischen Rehabilitierung wird daher von den Regierungsfraktionen allen Opfern, den Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz und der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes sowie den Personen, die dem Ungeist des Nationalsozialismus widerstanden haben und ihm im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die verschiedenste Art und Weise


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entgegengetreten sind, ebenso Respekt bekundet wie jenen Opfern, die vom National­sozialismus und den Untaten des NS-Regimes aus ihrer Heimat in die Emigration gezwungen wurden. (Abg. Öllinger: Das ist ja unfassbar!) Mit ihrer Vertreibung ist nicht nur für sie selbst, sondern auch für Österreich ein nicht wieder gutzumachender Verlust verbunden. (Abg. Öllinger: Das ist unfassbar!)

Achtung und Mitgefühl gilt insbesondere unmittelbaren Opfern, die das verbrecherische Wüten der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft vielfach nicht überlebt haben (Abg. Öllinger: Der Kniefall vor dem deutschnationalen Lager ist das!), und ihren Familien, die noch immer darunter leiden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.03.08

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerinnen! Meine Damen und Herren! Kollegin Stoisits, ich bin ehrlich gestanden jetzt etwas sehr verdutzt und erstaunt, weil ich nach all den Bemühungen – und gerade auch, weil du hier wirklich auch sehr engagiert gewesen bist – eigentlich deine Toleranz nicht nach­vollziehen kann und auch nicht ganz verstehe.

In Kenntnis des Umstandes, dass wir von Beginn an, meine Damen und Herren, das zentrale Ziel verfolgt haben, endlich klarzustellen, dass Wehrmachtsdeserteure in diesem Land ihren Stellenplatz in der Geschichte haben, der ihnen mit diesem Gesetz eingeräumt werden soll, kann ich überhaupt nicht verstehen, dass mehr oder weniger in letzter Sekunde, Herr Bundeskanzler – ich habe Ihre Worte noch im Ohr und ich frage mich, was diese eigentlich für einen Wert haben, nämlich hier im Gedenkjahr; ich halte das insofern für einen Schandfleck! –, in letzter Minute der Begriff „Wehrmachts­deserteur“, der zumindest als Arbeitstitel für uns alle, glaube ich – die einen wollten es nicht, und die anderen wollten es –, immer im Raum stand, abgeschafft wird.

Meine Damen und Herren! Das noch dazu in einem Gedenkjahr – halte ich für unverantwortlich! Ich glaube auch, Herr Bundeskanzler, dass das für die Geschicke unseres Landes sicherlich nicht gut ist. Gerade jetzt vor dem Schritt in die Europäische Präsidentschaft hätte ich mir gewünscht, dass da mit mehr staatlichem Format agiert wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wer aufmerksam die Diskussion verfolgt hat, meine Damen und Herren, weiß, dass wir uns von Beginn an – Terezija Stoisits, wir hatten ja Veranstaltungen, zu denen einge­laden wurde, wo Historiker präsentiert haben – nahezu ausschließlich mit diesem Thema auseinandergesetzt und aufzuarbeiten versucht haben, weil es eben viele Personen gibt, denen offensichtlich nicht klar ist, welche Rolle die Wehrmachts­deserteure gespielt haben und dass es damals nicht besonders leicht, sondern eine Überwindung war und dass unter Lebensgefahr versucht wurde, dem Hitler-Regime entgegenzutreten, indem man in diesem Krieg nicht mitgewirkt hat, auch insbesondere nicht bei nationalsozialistischen Untaten.

Ich glaube, dass es daher durchaus angemessen wäre, zu sagen, dass jene Personen, aber auch andere Personengruppen, unsere besondere Zuneigung, unsere besondere Anerkennung verdienen.

Das, was in der Diskussion lange Zeit – da war die FPÖ immer führend – argumentiert wurde, war, dass man gesagt hat: Es gibt eh eine Amnestie! Es gibt eh ein Amnestiegesetz aus 1946, das man nach langjährigem Suchen zufällig gefunden hat.


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Ich glaube, vor zwei Jahren im Ministerium. Und daher meinten Sie, man könne eigentlich ohnehin alles drunterräumen, und das sollte Ihrer Ansicht nach ausreichen.

Meine Damen und Herren, es gibt da schon – und das ist das Bedauerliche – ein Kokettieren, würde ich sagen, mit dem rechtsextremen Rand dieses Landes, ein ihm Entsprechen (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass plötzlich, bevor es zu einer Beschlussfassung kommt, ein seit Jahren in der Diskussion stehendes Thema sozusagen plötzlich verräumt wird. Anders ist das wirklich nicht erklärbar. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich mache den Herrn Bundeskanzler darauf aufmerksam – ich glaube, er ist jetzt nicht da, aber das ist egal, weil er an sich auch verantwortlich ist dafür, dass das umgesetzt ist, was er uns im April erklärt hat: Legen Sie bitte klar, dass hier das, was Sie angekündigt haben, geschieht, nämlich dass das Anerkennungsgesetz ausdrücklich auch jene umfasst, die eigentlich immer umfasst werden sollten, und das waren die Wehrmachtsdeserteure.

Sie haben noch Zeit (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer), hier eine Ent­scheidung zu finden. Ich glaube halt nur, dass man sagt: Es gibt eine ganz kleine Splittergruppe ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, es kann nicht anders erklärt werden! Es war immer im Text, und seit 14 Tagen ist es nicht mehr im Text. (Abg. Dr. Fekter: Unpassend! Unpassend!)

Ich muss schon sagen, ich halte das für unerträglich. Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier eine staatsmännische, angemessene Lösung – gerade im Gedenkjahr – finden (Abg. Scheibner: Sie sind überhaupt nicht staatsmännisch!), aber nicht so eine scheinheilige, völlig verwaschene und letztlich die Deserteure, um die es eigentlich gegangen ist, auf die Seite schiebende Scheinlösung.

Das kommt den Interessen des Landes nicht zugute, und schon gar nicht im Gedenkjahr und schon gar nicht vor der Präsidentschaft in Europa! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Unpassend und unredlich!)

17.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Haupt zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.07.47

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminis­terinnen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Jarolim, zunächst möchte ich einmal sine ira et studio feststellen, dass es offensichtlich in diesem Hause üblich geworden ist, wenn man vom Rednerpult aus den Fraktionen Scheinheiligkeit unterstellt, dass das ohne Ordnungsruf bleibt.

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen das sozusagen ein Standard-Ordnungsruf in diesem Hause war – und das bei weniger belasteten Debatten (Abg. Dr. Puswald  auf einem Platz in der zweiten Bankreihe sitzend –: Das war vor Jörg Haider wahrscheinlich!) und bei Debatten, Herr Kollege, die im Thema fortgeführt worden sind. (Abg. Scheibner – in Richtung des Abg. Dr. Puswald –: Setz dich auf deinen Platz, sonst kriegst du gleich wieder einen Ordnungsruf! Wir können nichts dafür, dass du so weit hinten sitzt!)

Es richtet sich selbst, wenn jemand staatstragendes Wesen einfordert – und es nicht schafft, eine Rede über die Bühne zu bringen, die ohne Verbalinjurien im Sinne eines Ordnungsrufes abläuft. Aber das ist Ihre Angelegenheit, Herr Kollege Jarolim, und auch die Angelegenheit der Frau Präsidentin. In früheren Zeiten war das Hohe Haus bei Debatten ein staatstragenderes Niveau gewohnt, und so sollte man das auch in aller Ruhe hier feststellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Die Regierungsfraktionen stehen selbstverständlich hinter dem vorliegenden Antrag, und ich glaube auch, dass es falsch ist, darüber zu behaupten, dass im Justiz­ministerium ein seit 1946 ununterbrochen in Gültigkeit befindliches Gesetz „gefunden“ worden sei.

Ich frage mich schon, auf der anderen Seite: Was sind das für Wissenschaftler, die diesen Fragenkomplex seit 1933 bis zum Jahre 2000 herauf bearbeitet und aus ihrer Sicht erläutert haben, die aber wichtige Amnestiegesetze in ihren Betrachtungen einfach nicht berücksichtigt haben? – Ich glaube, dass da durchaus die berechtigte Frage zu stellen ist, ob der eine oder andere die wissenschaftliche Sorgfalt für seine Expertisen tatsächlich so umfassend wahrgenommen hat, wie man sich das bei der Wissenschaftlichkeit und bei wissenschaftlichen Kriterien, die man an Expertisen anzulegen hat, auch erwarten kann.

Tatsache ist, dass die von Kollegin Stoisits und von Ihnen, Herr Kollege Jarolim, apostrophierten Deserteure durch das Gesetz und durch die Amnestiegesetze voll umfasst sind. Tatsache ist auch, dass die etwa 1995 erst in den Kreis der Opfer mit aufgenommenen Zeugen Jehovas in gleicher Weise drinnen sind wie viele andere kleine Gruppen, die nicht expressis verbis aufgezählt sind.

Wir haben, Herr Kollege Jarolim und Frau Kollegin Stoisits, tatsächlich einen großen Unterschied in unseren Auffassungen: dass nämlich Opfer und das Leid der Ange­hörigen mit den Opfern und die Trauer um die Angehörigen, die Opfer geworden sind, für uns unteilbar sind, während Sie offensichtlich ideologische Schranken haben und hier Opfer erster, zweiter und dritter Wahl vorsehen. Das wollen wir nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es soll auch hier in dieser Form klargestellt werden, was uns unterscheidet und was uns hier daher auch zu einem unterschiedlichen Gesetzestext geführt hat.

Es ist mir auch nie – und Sie können auch die seinerzeitigen Debattenbeiträge in den neunziger Jahren hier im Hohen Haus nachlesen – in Erinnerung zu bringen, was es für meine Familie für eine Bedeutung haben sollte und was es in der Trauer unserer Familie um unsere Verwandten für einen großen Unterschied machen sollte, ob zwei jüdische Verwandte meiner Familie vor dem Mai 1945 von den Nationalsozialisten umgebracht worden sind oder ob sie im Juni 1945 von den Beneš-Schergen umge­bracht worden sind. Der Schmerz in der Familie ist der gleich starke um den Verlust der gleichen Personen geblieben. Ich glaube daher auch, dass man sich in Anbetracht der aus dem Umgang mit Opfern und mit Opfergruppen gewonnenen Erfahrung hüten sollte – gerade 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges –, die Leiden, den Schmerz und den sehr subjektiven Schmerz der einzelnen Angehörigen aus dieser Zeit sehr unterschiedlich zu gewichten und sehr unterschiedlich festzustellen.

Ich hätte mir – und das sage ich auch klar – daher eine andere Staffelung vorgestellt. Ich hätte mir vorgestellt, die Staffelung gleich zu machen, wie es im österreichischen Sozialsystem üblich ist, nämlich die Zahlungen so zu gestalten, dass die Opfer 100 Prozent der Leistungen bekommen und die Hinterbliebenen – so, wie es im Sozialsystem üblich ist – zwei Drittel der Leistungen. Dann hätte das auch die Sym­metrie mit den übrigen Sozialleistungen in Österreich aufgewiesen. Man hat sich jedoch an die Staffelungen der Vergangenheit angelehnt und hat daher eine andere Staffel festgelegt. Das mag für die betroffene Gruppe durchaus Sinn machen; im Hinblick auf die Integration des österreichischen Sozialsystems und die Integration und die Angleichung, die auch im Zusammenhang mit den Pensionszeiten Gegenstand der Diskussion und Wunsch aller vier Parlamentsfraktionen war, wenn ich die Diskus­sionen richtig verfolgt habe, haben wir hier einen Fremdkörper beibehalten – eine Angelegenheit, die man aus verwaltungsökonomischen Gründen auch gescheiter lösen


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hätte können. Vielleicht ist es dann in zehn Jahren möglich, auch bei diesen Werten eine Integration und Einbettung in das gesamtösterreichische Sozialsystem durch­zuführen und nicht allzu sehr an der Tradition auch der Opfersätze der Vergangenheit festzuhalten.

Ich glaube auch, dass in der heutigen Zeit für viele, die den Krieg erlebt haben, und auch bedingt durch die psychologische Situation, dass alte Menschen nicht im Heute, sondern in ihrer Jugend leben – und für die, die am Krieg aktiv teilgenommen haben, war ihre Jugend die Kriegszeit –, gerade in Zeiten des Erinnerns auch die schreck­lichen Erlebnisse der damaligen Zeit wieder zurückkommen und daher die Diskus­sionen um dieses Thema sehr persönliche Facetten aufweisen und sich sehr unter­schiedlich gestalten können.

Ich glaube daher, dass der vorliegende Gesetzentwurf einschließlich der erstmalig erfolgenden Ausweitung auf die Trümmerfrauen und ihre Leistungen ein wichtiger Beitrag ist, um im Sinne einer Abrundung eine Regelung auch für jene Gruppe von Frauen zu finden, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges – überhaupt dann, wenn sie behinderte Kinder gehabt haben, und auch in der damaligen Generation mit den Lebensmittelkarten, mit den Beschränkungen am Arbeitsmarkt, mit den damals noch nicht bestehenden Möglichkeiten der Familienförderungen, mit der aus der Zeit des Dritten Reiches herüberkommenden feindlichen Einstellung gegen behinderte Men­schen insgesamt – gelebt haben, damit es hier auch einmal eine kleine Anerkennung – auch symbolhaft nur und nicht umfassend, aber wenigstens eine Anerkennung – für jenes Schreckenserlebnis der Nachkriegsjahre gibt, durch das diese Gruppe von Frauen in der Aufbauphase gegangen ist.

Ich glaube daher, dass dieser Entwurf aus gutem Grund von den Regierungsparteien mitgetragen und verabschiedet wird. Ich hätte mir gewünscht, dass wir alle Artikel gemeinsam verabschiedet hätten. Wir haben uns redlich darum bemüht, aber die unterschiedliche Sicht, die Opfer in Gruppen getrennt zu betrachten und nicht die Opfer als Opfer zu betrachten, war schlussendlich der Grund, warum manche Punkte aus meiner Sicht, Herr Kollege, nicht gemeinsam verabschiedet werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Haupt, ich stelle ausdrücklich fest: Ich habe die Worte des Herrn Abgeordneten Jarolim sehr genau mitverfolgt. Er hat von „scheinheiligen Lösungen“ gesprochen und hat niemandem in diesem Saal Scheinheiligkeit unterstellt. Das ist auch der Grund, warum er für diese Wortwahl von mir keinen Ordnungsruf erhalten hat.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen (Abg. Scheibner: Aber sie hält sie nicht ein!): 2 Minuten; zunächst den zu berichtigenden, dann den berich­tigten Sachverhalt. – Bitte.

 


17.16.05

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Kollege Haupt hat hier in seiner Rede gesagt, die ForscherInnen des Forschungsprojekts hätten mangelnde Sorgfalt an den Tag gelegt und das Amnestiegesetz nicht gefunden. – Diese Behauptung ist falsch!

Richtig ist vielmehr, dass auf Seite 609 (die Rednerin hält ein Buch mit dem Titel „Opfer der NS-Militärjustiz“ in die Höhe) – das ist nämlich das Buch, in dem das For­schungsprojekt veröffentlicht wurde – jener Abschnitt beginnt, der sich dem Gesetz, Herr Kollege Haupt, das nicht „Amnestiegesetz“, sondern „Befreiungsamnestie 1946“


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heißt, widmet. (Abg. Steibl: Das ist ja keine tatsächliche Berichtigung, das ist ein Redebeitrag!) Und deshalb bitte ich Sie, die akademische Sorgfalt auch zu ehren! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Jarolim. – Abg. Scheibner – zu der auf ihren Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Mag. Stoisits –: Das geht so nicht! – Ich habe gewusst, dass Sie die Bestimmungen zwar kennen, aber nicht einhalten!)

17.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch zu Wort. – Bitte, Frau Ministerin, Sie sind am Wort.

 


17.17.04

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungskollegin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass der Artikel I des Anerkennungsgesetzes 2005 eigentlich eine juristische Klarstellung für Gesetze ist, die schon lange in Gültigkeit sind. Es handelt sich dabei um das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz in Verbindung mit einer dazugehörigen Verordnung und um die soeben von Frau Abgeordneter Stoisits zitierte so genannte Befreiungsamnestie, ebenfalls mit Erlässen.

Es ist dies aber auch deswegen notwendig geworden, weil die genannten Gesetze sicherlich nicht jene öffentliche Aufmerksamkeit bekommen haben, die sie verdient hätten, und nunmehr soll mit diesem Anerkennungsgesetz 2005 genau in diesem Artikel I diese fehlende Aufmerksamkeit gewonnen werden. Zudem soll auch eine offizielle Respektbezeugung der Republik für das Schicksal dieser Opfer und ihrer Angehörigen damit verbunden sein.

Dies ist aber aus Sicht der Regierung auch als Zeichen des Bedauerns zu verstehen, dass so manche Gegner des NS-Regimes und Opfer dieser Unrechtsjustiz, wie auch insbesondere die Wehrmachtsdeserteure – und das möchte ich an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen –, bis heute nicht als solche anerkannt wurden, sondern teilweise auch mit einem Stigma belastet waren und auch noch immer sind, das heute oft noch neues Unrecht geschaffen hat.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch betonen, dass mit diesem Anerken­nungsgesetz auch eine Verbesserung der sozialrechtlichen Stellung dieser Opfer durch weitere Bestimmungen dieses Anerkennungsgesetzes geschaffen wurde.

Wichtig ist auch, dass die bisherigen Gespräche in diesem Zusammenhang – und es hat zahllose gegeben, da bin ich mit Frau Abgeordneter Stoisits d’accord, wir haben uns im Justizausschuss sicher jetzt das ganze Jahr, seitdem ich Justizministerin bin, laufend immer wieder mit diesem Thema beschäftigt –, dass diese politische Dis­kussion gezeigt hat, dass es den Betroffenen zwar auch vor allem um einen pauschalen Akt des Gesetzgebers geht, wobei wir unabhängig davon aber davon ausgehen müssen, dass die juristische Anerkennung dessen, dass die NS-Wehrmachts-Unrechtsurteile de facto schon alle aufgehoben sind, de facto schon jetzt gegeben ist, nur unabhängig davon bedarf es dieser Anerkennung.

Mit diesem Anerkennungsgesetz soll daher jetzt nicht nur in Form einer authentischen Interpretation die umfassende juristische Wirkung der bestehenden Gesetze nochmals bindend und zweifelsfrei festgestellt werden, sondern soll auch die für eine abschließende Beseitigung dieser NS-Unrechtsakte unerlässliche, aber bis dato leider – und da bin ich bei Ihnen – zu kurz gekommene menschliche Komponente der Rehabilitierung in aller Form und Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht werden.

Als bedauerlich sehe ich es allerdings an, dass der Anspruch des Anerkennungs­gesetzes, ein umfassendes Zeichen des Respekts und der Anteilnahme gegenüber allen Opfern dieses grauenhaften Kriegsregimes zu setzen – es hat ja wirklich unsäg-


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liches Leid in allen Familien gegeben –, dass dieser umfassende Anspruch nicht von allen politischen Parteien mitgetragen wird.

Ich verstehe dies deswegen nicht, weil Sie, wie Sie, Frau Abgeordnete Stoisits und Herr Abgeordneter Jarolim, sehr anschaulich dargestellt haben, das de facto an einer Nichtnennung des Begriffes „Wehrmachtsdeserteure“ aufhängen. (Abg. Dr. Jarolim: Ja, genau!)

Darf ich Sie bitte darauf hinweisen, dass weder der § 21a-Antrag der Frau Abgeord­neten Stoisits und Freunden noch jener Abänderungsantrag, der auf dem neuen Gesetzesvorschlag des von mir sehr geschätzten Professors Moos basiert, weder in der Überschrift noch im Text dezidiert den Begriff „Wehrmachtsdeserteure“ enthält (Abg. Mag. Stoisits: Das heißt Rehabilitierungsgesetz!), sondern es heißt hier – so wie es auch in unserem Anerkenntnisbeschluss heißt – „Vorschlag für ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz“. – Und auch diesen Opfern wollen wir mit diesem Anerkennungsgesetz 2005 die Rehabilitierung ermöglichen, aber auch Respekt und Anerkennung zollen.

So gesehen ist es schade, dass Sie hier offensichtlich nicht mitstimmen wollen. (Abg. Mag. Stoisits: Mein Gesetz wäre ... besser gewesen!) Ich sehe es aber trotzdem als wesentlichen Punkt dieser Regierung an, dass wir allen Opfern dieses grauenhaften Kriegsregimes unseren Respekt und unsere Anerkennung zollen wollen, obwohl wir uns sehr wohl dessen bewusst sind, dass es unterschiedliche Opfer gibt, dass es Opfer gibt, die unmittelbar betroffen waren, und zwar durch Verfolgungshandlungen des NS-Regimes, insbesondere auch der NS-Justiz. Das soll hier nicht geschmälert werden.

Sicherlich kann man diese verschiedenen Opfergruppen nicht unmittelbar miteinander vergleichen, aber, wie Herr Abgeordneter Haupt schon gesagt hat, wir sollten gerade im Gedenkjahr nicht darauf vergessen, dass alle Opfer dieses grauenhaften Krieges Respekt verdienen, dass damals sehr viel Leid über die Familien gekommen ist, dass das persönliche Schicksal jedes Einzelnen wichtig ist und dass es auch für die nachgeborenen Generationen unvorstellbar viel Leid gegeben hat.

Aus diesem Grund haben wir den Gesetzesvorschlag in der derzeitigen Form ausge­arbeitet. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Haupt zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, Sie kennen auch diese Bestimmungen: Sie haben zunächst den persönlichen Bezug auf die tatsächliche Berichtigung und danach den Sachverhalt darzulegen. – Bitte. (Abg. Lentsch: Der war lange Präsident ...!)

 


17.23.09

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Stoisits hat in ihrer tatsächlichen Berichtigung einen kleinen Satz meines Vortrages übersehen. Ich habe nämlich die Kritik an der Wissen­schaftlichkeit daran aufgehängt, dass Kollege Jarolim gesagt hat, dass das Gesetz entdeckt worden sei.

Ich habe darauf repliziert, dass, wenn das Gesetz so entdeckt worden wäre, wie es Kollege Jarolim behauptet hat, dann die Fragen der wissenschaftlichen Relevanz und so weiter und so fort zu erheben wären.


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Ich darf also daher, falls ich da einen falschen Eindruck erweckt habe, die Wissen­schaftlichkeit und die Kritik als solche insofern relativieren, dass ich den Wissen­schaftern nicht ihre Wissenschaftlichkeit absprechen will, aber ich möchte, gleich wie Sie, Kollegen Jarolim darauf hinweisen, dass das Gesetz nicht „entdeckt“ worden ist, sondern tatsächlich bekannt war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Stadlbauer zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.24.13

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frauen Ministerinnen! Hohes Haus! Unser Grundthema beziehungsweise unsere Grundkritik lautet nun einmal, dass der Begriff „die Gruppe der Wehrmachtsdeserteure“ nicht in diesem Gesetz vorkommt. Und da nützt es auch nichts, wenn Sie versuchen, in dieser Diskussion gleichsam herumzueiern, es bleibt, Kollege Haupt oder auch Kollegin Fekter, die Frage offen, warum Sie diese Gruppe nicht beim Namen nennen wollen!

Es geht nicht darum, verschiedene Opfergruppen einzuführen oder einführen zu wollen oder nicht über den ideologischen Schatten springen zu können, sondern es geht darum, klar aufzuzeigen, wer welchen Beitrag geleistet hat. Und es haben nun einmal Wehrmachtsdeserteure einen aktiven Beitrag zur Befreiung Österreichs vom National­sozialismus geleistet, das müssen wir eindeutig anerkennen! Es ist nur gerecht, das auch extra zu erwähnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und es geht auch nicht darum, dass wir, wie Kollegin Fekter gesagt hat, einen weiten Opferbegriff ablehnen. – Das stimmt nicht, wir wollen die Wehrmachtsdeserteure jedoch extra erwähnt haben.

Ich nehme zur Kenntnis, dass Ministerin Miklautsch, seitdem sie ein neues Amt bei einer rechten Partei innehat, ihre Ansichten schön kleinweise verändert und das liberale Deckmäntelchen ziemlich bröckelt. (Abg. Scheibner: Sie greifen ja heute ganz schön in die Demagogen-Kiste!) Also: Warum nennen Sie diese Gruppe nicht einfach beim Namen?

Was Sie hier betreiben, ist eine gefährliche Diskussion, eine gefährliche Symbolik. Es ist der Versuch, Geschichte umzudeuteln; es ist auch der Versuch, Geschichte zu verfälschen, zu verwässern, zu verharmlosen. Und das ist einfach unverantwortlich! Das ist unwürdig, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte Österreichs geht. (Abg. Großruck: Wieso hat das die SPÖ-Regierung nicht gemacht? Gar nichts haben Sie gemacht!) Dass das die FPÖ macht, sind wir gewohnt, dass sich die ÖVP dafür hergibt, ist wirklich sehr bemerkenswert! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Neudeck: Das ist eine Parteitagsrede!)

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die Staffelung der so genannten Ehrengaben, also der Beträge, die den Opfern zugesprochen werden. Es gibt einen Brief von der Arbeits­gemeinschaft der KZ-Verbände und Widerstandskämpfer Österreichs an die Vor­sitzende des Justizausschusses, in dem sogar die Betroffenen sagen, dass sie in der Vergangenheit unangenehme Erfahrungen mit Staffelungen gemacht haben. Sie ersuchen daher, zu prüfen, ob es nicht doch möglich wäre, einen einheitlichen Beitrag festzulegen. – Also auch das ist nicht verständlich!

Zum Schluss möchte ich hier im Hohen Haus noch für eine Gruppe sprechen, die sehr lange zu den vergessenen Opfern gehörte, und zwar die Zwangsprostituierten. Wir wissen, dass es in Mauthausen eines von ungefähr 10 Häftlingsbordellen in Konzen­trationslagern gegeben hat, in denen Frauen zur Prostitution gezwungen worden sind.


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Sie sind unter den so genannten Asozialen rekrutiert worden und wurden quasi als Belohnung für die Arbeiter im KZ zur Prostitution gezwungen. Vielen wurde die Freiheit versprochen, allerdings mussten sie nach sechs Monaten wieder nach Ravensbrück zurück.

Das Problem ist, dass es nach wie vor das Vorurteil gibt, dass sich diese Frauen freiwillig gemeldet hätten; sie wurden und werden in der Öffentlichkeit kaum als Opfer gesehen. Aber, meine Damen und Herren, in einem derartigen Terrorsystem, wie es der Nationalsozialismus war, kann nie von wirklicher Wahlfreiheit gesprochen werden. Angesichts der tödlichen Bedingung war Zwangssexarbeit die einzige Überlebens­chance.

Diese Frauen waren Opfer! Und es ist mir ganz wichtig, das an dieser Stelle zu betonen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Tancsits zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


17.28.00

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Wir haben nun ein umfangreiches Anerkennungspaket für NS-Opfer, 60 Jahre nach Kriegsende. Und ich finde es persönlich bedauerlich, dass dieses Anerkennungspaket, obwohl sehr lange und sehr kompromissgetragen verhandelt, von den Oppositionsparteien nicht mitgetragen werden kann (Abg. Dr. Jarolim: Abgedreht haben Sie das!), weil man es sich offensichtlich aus taktischen Gründen nicht leisten kann (Abg. Öllinger: Sie waren nicht einmal bereit, das zu diskutieren im Sozial­ausschuss!), eine über Jahre erarbeitete, scheinbare moralische Überlegenheit in allen Fragen der Historie aufzugeben.

Schade wegen der Anerkennung der Opfer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Ich möchte mich vor allem auf die Bereiche des Sozialpolitischen beschränken, die in diesem Anerkennungspaket enthalten sind. (Abg. Öllinger: Sie haben nicht einmal diskutiert, im Sozialausschuss! Seit Jahren haben Sie sich der Diskussion verweigert!)

Es geht um materielle Lückenschlüsse, etwa im Kriegsopferversorgungsgesetz, in dem wir heute Verbesserungen für etwa 1 600 Hinterbliebene nach Kriegsopfern erfüllen, etwa einen besseren Zugang zur Witwen- oder Witwerrente. Und ich bin froh, dass wir damit einer langjährigen Forderung des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes ent­sprechen können.

Zweitens, in den Sozialversicherungsgesetzen, geht es darum, den Opfern der NS-Justiz und insbesondere der NS-Militärjustiz fehlende Ersatzzeiten für die Sozial­versicherung zuzuerkennen.

Drittens haben wir uns für den Bereich des Opferfürsorgegesetzes nach reiflicher Dis­kussion – ich werde dann noch eine persönliche Bemerkung hinzufügen – entschlos­sen, weitere Opfergruppen, wie etwa den in dieser Zeit so genannten Asozialen, die bisher nicht direkt angeführt waren, anzuführen, der Opfer so genannter medizinischer Versuche ebenfalls zu gedenken sowie auch jenen Opfern, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung im Nationalsozialismus verfolgt wurden.

Ich persönlich lege, da ich ja auch persönlich angegriffen wurde, Wert auf die Fest­stellung, dass ich mir diese Zustimmung reiflich überlegt habe. Aber ich glaube, es sollen nicht die Opfer darunter leiden, wenn bestimmte radikale Gruppen versuchen, ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu erpressen. Mir geht es darum, dass ich


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nicht wegen der Aussagen der HOSI und des Herrn Krickler, sondern trotz dieser Aussagen zustimme, weil es, glaube ich, wichtig ist, dass kein Angehöriger dieses Hauses zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten erpresst werden kann. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Ich halte es gerade auch im Zusammenhang mit den NS-Opfern und dem Anerken­nungspaket für wichtig, einer politischen Gruppe beziehungsweise einer Gruppe, die glaubt, ihre politische Strategie zur Durchsetzung ihrer Ziele auf persönliche Diffa­mierung und auf gerade noch verbale Gewalt aufbauen zu können, ein deutliches Nein und „Verhindert die Anfänge!“ entgegenzusetzen. Gerade das kann zur notwendigen Sensibilisierung in politischen Dingen und in politischer Radikalität, wie wir es allen NS- und Kriegsopfern schuldig sind, beitragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.32.14

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin, um noch einmal auf Herrn Kollegen Haupt zu sprechen zu kommen, mit Ihnen einer Meinung, wenn es darum geht, festzuhalten – und das tue ich damit gerne –, dass jeder Verlust, jeder Tote, jede Tote in jeder Familie Grund ist zu trauern, Grund ist für Schmerz. Aber damit erschöpft sich die Gemeinsamkeit mit Herrn Kollegen Haupt auch schon.

Es ist manchmal schon sehr viel, wenn man mittrauern kann. Nur: Das ist nicht der Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir trauern nicht um alle Toten, die es gegeben hat. (Abg. Mag. Donnerbauer: Wir schon! Das ist der Unterschied!) Wir trauern, und wir haben einen Auftrag, hier – Herr Kollege passen Sie auf, Vorsicht! Wir setzen uns mit einer konkreten geschichtlichen Periode, nämlich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander.

Der Konsens, von dem ich gedacht habe, dass er parteiübergreifend ist oder sein könnte, hat zumindest 1995, als wir hier in diesem Saal das Nationalfondsgesetz, das Opferfürsorgegesetz diskutiert haben, dieser Konsens hat damals weitgehend – nicht zwischen allen, das war schon klar – darin bestanden, dass Österreich in dieser Zeit des Nationalsozialismus nicht nur Opfer war, sondern viele in diesem Land, viele Österreicher – hauptsächlich Männer – auch zu den Tätern gehört haben, von ganz oben in der nationalsozialistischen Hierarchie bis weit herunten.

Und auch bis zu dieser Erkenntnis, nämlich dass sich Österreich nicht nur auf die Opferrolle zurückziehen darf, hat es in dieser Republik lange gedauert. Eine Kon­sequenz dieses Umstands, dass sich Österreich immer nur als Opfer gesehen hat und in der eigenen Verantwortung nie mehr sehen wollte als sich selbst als Opfer, eine Konsequenz ziehen Sie indirekt heute, indem Deserteure eine bestimmte Form der Anerkennung finden. Diese Konsequenz ziehen Sie.

Trotzdem gehen Sie im Ganzen gesehen wieder hinter den Konsens von 1995 zurück. (Abg. Mag. Donnerbauer: Das stimmt ja nicht!) – Ich erzähle Ihnen, wo Sie zurück­gehen. 1995 hat es zwischen allen Parteien eine Debatte, eine, glaube ich, hoch stehende Debatte gegeben. Sie können sie nachlesen.

Es hat einen Antrag von freiheitlicher Seite gegeben, wonach man nicht nur jene als Opfer des Nationalsozialismus entschädigen sollte, die bis 1945 zu Opfern geworden sind, sondern dass man auch die Opfer bis 1948, also jene, die damals, von 1945 bis 1948, Opfer geworden sind, als Opfer dieser Zeit sehen sollte. Die ÖVP war dagegen,


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die SPÖ war dagegen, die Grünen waren dagegen und das Liberale Forum war dagegen, dass man dieser Erweiterung eines Opferbegriffes, der dann ungeschichtlich und unpolitisch wird, nachgibt.

Schon wenige Jahre nach 1945, als der VdU das erste Mal hier in dieses Parlament eingezogen ist, hat einer der Vertreter des VdU genau diesen Anspruch erhoben: Herr Reimann, der immer im heftig deutschnationalen Eck war, hat gesagt: Wir täten uns viel leichter – ich kann Ihnen das entsprechende Zitat bringen –, wenn Sie – und damit hat er die ÖVP und die SPÖ gemeint, denn das waren jene beiden Parteien, die damals noch im Parlament waren –, wenn Sie endlich bereit wären, auch jene, die nach 1945 in irgendwelchen Kriegsgefangenenlagern waren, als Opfer anzuerkennen.

Und Sie (in Richtung SPÖ) und Sie (in Richtung ÖVP) haben beide gewusst, warum Sie dem nicht nachgeben – und zwar nicht deshalb, weil die ÖVP hartherzig war, weil die SPÖ hartherzig war, sondern weil das in dieser geschichtlichen Situation – und wir sind heute nicht weit davon entfernt – undenkbar war, und undenkbar ist, dass man Opfer und Täter in einem zusammenfasst und sie zu direkten und indirekten Opfern des Nationalsozialismus erklärt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Was Sie heute machen, ist ein Rückfall hinter einen Stand, den wir schon einmal erreicht haben! Vielleicht war der Konsens zwischen ÖVP, Grünen, Liberalen und SPÖ 1995 sehr brüchig, aber Sie haben es vertreten! Ich kann Ihnen die damaligen Beiträge bringen, als Herr Schwimmer von der ÖVP seine Erfahrungen berichtet und auch gesagt hat, warum es für ihn nicht in Frage komme, einem derartigen Antrag zuzustimmen. Genauso hat Herr Kostelka, der damals der Fraktionsführer der SPÖ war, erklärt, warum es nicht möglich sei, und welche ungeheuerlichen Anträge darüber hinaus von freiheitlicher Seite im dem damaligen Plenum vorausgehenden Ausschuss gekommen sind, durch die auch alle, die als belastete – nicht Kriegsgefangene, sondern jene, die in Internierungslagern hier im Land als belastete NSler interniert waren, ebenfalls in den Genuss dieser Ent­schädigung kommen hätten sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kriegsgefangenenentschädigungs­gesetz, das Sie von der ÖVP in der Allianz mit den Freiheitlichen beschlossen haben, schließt nicht aus, dass etwa ein Salzburger Polizeidirektor Hans Biringer – er war Sozialdemokrat, Sie können sich wieder zurücklehnen –, der im Internierungslager in Glasenbach war, unter Berufung auf das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz eine Entschädigung bekommt.

Das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz schließt auch nicht aus, dass – und ich nehme an, er hat diesen Antrag nicht gestellt – ein Dr. Heinrich Gross – Sie wissen, von wem ich spreche –, der nach 1945 als Kriegsgefangener interniert war, unter Berufung auf eben dieses Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz unter den von Ihnen neu postulierten Opferbegriff fällt. Er ist auch ein indirektes Opfer des National­sozialismus, er hat hohe Auszeichnungen dieser Republik erhalten, es gibt nach dem Gesetzestext überhaupt keinen Grund, ihn davon auszuschließen!

Sie haben also damit eine Situation geschaffen, wo Opfer und Täter in einem Boot sitzen. Das ist unverzeihbar, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich wiederhole, ich stimme mit allen überein – und ich kann in diesem Punkt sogar Herrn Kampl verstehen: Er hat damals seinen Vater für zwei, drei Jahre in ein Internierungslager verloren. Dass ein Kind um seinen Vater trauert, wenn es ihn in der Jugend nicht hat, ist verständlich. Trotzdem, es muss für jeden und für jede in dieser Republik klar sein, dass ich dann, 30, 40 Jahre später nicht hergehen und sagen kann:


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Nach 1945 hat es auch eine entsetzliche Verfolgung gegeben, nämlich die der Nationalsozialisten. – Das ist unmöglich!

Diese politische Hygiene halten Sie nicht ein, und deshalb kann es von uns keine Zustimmung geben. Entschuldigen Sie, aber das sind die Realitäten. Die Verant­wortung dafür, dass es diese Vermischung gibt, die tragen Sie! Und darum wird es auch nicht so sein können, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es, wie Sie das in der Ausschussentschließung versucht haben, einen endgültigen Schlussstrich unter die Auswirkungen des NS-Regimes mit dem, was Sie heute hier beschließen, geben wird. Den gibt es nicht – und mit diesen gesetzlichen Regelungen ganz sicher nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.41.14

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Wir haben heute ein Gesetz vorliegen, das im heu­rigen Gedenkjahr dafür sorgt, dass endlich an jene Frauen gedacht wird, die für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in einem großen Maße mitverant­wortlich waren. All jene stille Heldinnen werden auf Initiative der Sozialministerin Ursula Haubner ein symbolisches Dankeschön in Form einer Einmalzahlung von 300 € erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man muss schon sagen, es hat sehr lange gedauert, bis dieses Zeichen gesetzt werden konnte, dass genau jene Frauen, die harte körperliche Arbeit geleistet haben und die ohne jegliche Sozialleistungen Kinder aufgezogen und sich um ihre Familien gekümmert haben, ein symbolisches Dankeschön bekommen.

Wir Abgeordnete von den Regierungsparteien sind stolz auf diese Frauen, die durch ihre Arbeit den Grundstein für unsere Wohlstandsgesellschaft gelegt haben. Deswegen bin ich schon ziemlich verwundert, wenn gerade die Frauen der SPÖ in der Debatte zu dieser Gesetzesvorlage von Almosenempfängerinnen sprechen oder ein SPÖ-Kollege sogar davon spricht, dass es sich hier nur um ein „fiskalisches Mutterkreuz“ handelt. (Abg. Mag. Fekter: Ungeheuerlich!)

Ich stelle mir nur die Frage, wenn Sie einmal von Angesicht zu Angesicht diesen Frauen gegenüberstehen, ob sie diesen das auch so direkt ins Gesicht sagen würden, wenn sie Ihnen erzählen – und ich hatte die Möglichkeit, mich mit einigen dieser Damen zu unterhalten –, wie schwer sie es hatten, im täglichen Existenzkampf ihre Familie sozusagen über Wasser zu halten, welch psychologischem Druck sie ausge­setzt waren, weil sie immer in der Ungewissheit waren, wann und ob ihre Ehemänner überhaupt aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft wieder zurückkommen. Gleichzeitig mussten sie härteste und auch gefährliche Arbeit leisten, denn das Schleppen von Steinen und Stahlträgern war ja sehr gefährlich – man konnte nie wissen, ob eines der zerstörten Häuser plötzlich einstürzt oder ob irgendwo noch eine Explosion losgeht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für diese Frauen sind es keine Almosen, diese Frauen freuen sich und sagen, es ist wirklich sehr positiv, dass auf sie in diesem Jahr nicht vergessen wird. Eine Aussage vom Präsidenten des SPÖ-Pensionistenverbandes finde ich extrem unglaublich: Er hat gesagt, dass diese Aktion für die „Trümmerfrauen“ eine Geldverschwendung bedeutet. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja ungeheuer­lich! – Gegenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ich frage die Kollegen von der SPÖ: Wenn Ihnen all das zu wenig ist, warum haben Sie diesen Frauen, während Sie in der Regierung waren, nie eine Anerkennung zuteil


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werden lassen? Das ist die Frage, die ich Ihnen jetzt hier ganz offiziell stelle. (Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Dr. Puswald.) – Frau Kollegin, Sie kommen eh noch dran, Sie werden mir dann darauf antworten können!

Ich denke, wir haben allen Grund, uns zu freuen, dass erstmals – und ich betone: erstmals! – in der Zweiten Republik diesen Frauen Achtung und Anerkennung zuteil wird und dass diese „Trümmerfrauen“ das symbolische Dankeschön bekommen, das sie redlich verdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.45.25

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Zwei Klarstellungen vorweg: Erstens: Die SPÖ wird dem Opfer­fürsorgegesetz zustimmen, weil erstmals seit Jahren der Forderung der SPÖ und auch der HOSI entsprochen wird, dass auch homosexuelle Opfer berücksichtigt werden.

Eine zweite Klarstellung: Auch Minister außer Dienst können irren. Herr Minister außer Dienst Haupt war offenbar nicht früh genug in den Verhandlungen des Justizaus­schusses, denn dann wüsste er, dass wir noch zu Zeiten des Justizministers Böhm­dorfer im Justizausschuss um dieses Gesetz, das wir heute verhandeln, gerungen haben. Und niemand hat dieses Bundesgesetz aus 1946 erwähnt, bis zu dem Zeit­punkt, als der damalige Herr Justizminister Böhmdorfer in den Justizausschuss gekom­men ist und uns mitgeteilt hat, dass wir glücklicherweise über einen Topbeamten im Ministerium verfügen, Herrn Mag. Grünewald (Abg. Dr. Jarolim: Einen Spitzenmann!), einen Spitzenmann, wie Kollege Jarolim zu Recht sagt (Abg. Mag. Fekter: Er ist eh anwesend!) – ich danke ihm auch auf diesem Wege herzlich für seine erfolgreiche Suche –, der sozusagen in der untersten Schublade dieses Gesetz aus 1946 gefunden hat.

Und erst ab diesem Zeitpunkt hat dann das Ringen um den Text dieses Gesetzes begonnen, dem wir nicht zustimmen können, weil wir, um jetzt nicht das Wort „scheinheilig“ zu verwenden, einem Lippenbekenntnis nicht zustimmen wollen. Das Lippenbekenntnis ist hauptsächlich darin begründet, dass vor allem die ÖVP mit dem Zauberlehrlingssyndrom zu kämpfen hat: Bundeskanzler Schüssel hat sich nämlich 2000 und dann als – unter Anführungszeichen – „Wiederholungstäter“ 2003 einen Regierungspartner, einen äußerst „konstruktiven“, vom rechten Rand ins Boot geholt, den er jetzt offenbar heute schon zum zweiten Mal rechts überholen muss – das erste Mal, als er ins Asylrecht hineininterpretieren musste, was nicht drinnen steht, nämlich dass doch eine Zwangsernährung vorgesehen sei, und das zweite Mal jetzt bei diesem Gesetz, wo er, so auch die Frau Justizministerin, hineininterpretiert, die Deserteure würden hier nicht hineinpassen. Die Deserteure waren immer Gegenstand und Ausgangspunkt dieses Gesetzes, dürfen aber jetzt just seit dem Zeitpunkt nicht mehr hineinreklamiert werden, seit Bundesrat Kampl mit seiner unglückseligen Äußerung Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung wurde.

Auch das ist ein offenkundiges Lippenbekenntnis der Regierungsparteien: Man „verfolgt“ jetzt – unter Anführungszeichen – zwar den Kampl, aber den Urheber all dieser unglückseligen Entwicklungen, den Jörg Haider, der schon 1991 die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich gelobt hat, katapultiert man nicht hinaus aus unserem politischen Leben, sanktioniert man nicht entsprechend, sondern man macht ihm jetzt noch mit diesem Gesetz den Gefallen, dass man die Deserteure nicht ausdrücklich erwähnt. Und für solche Lippenbekenntnisse stehen wir nicht zur Verfügung.


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Wir fordern Sie auf, endlich einmal Mut zu haben und auch die Dinge beim Namen zu nennen, wenn Sie nicht Gefahr laufen wollen, mit Ihrem rechtsrandlastigen Regie­rungspartner in einen Topf geworfen zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet.

Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen: zunächst den zu berichtigenden, dann den berichtigten Sachverhalt, und das alles in 2 Minuten. – Bitte.

 


17.48.35

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Danke, Frau Präsidentin! – Frau Kollegin Achleitner hat in ihrer Wortmeldung soeben behauptet, dass der Präsident des Pensionistenverbandes Karl Blecha gesagt hätte, dass die Zuwendung an die „Trümmerfrauen“ Geldverschwendung sei. – Das ist unrichtig! (Abg. Steibl: Steht auch in einer Presseaussendung!)

Ich berichtige tatsächlich, dass in einer Presseaussendung des Herrn Präsidenten Blecha die Zuwendung an die „Trümmerfrauen“ als zu wenig erachtet wurde, hingegen die Inseratenkampagne von Blau-Orange als Geldverschwendung bezeichnet wurde.

Sie können es nachlesen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.49.00

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich bin Ende 1951 hineingeboren worden in ein Land des Aufbruchs, des Wirtschaftswachstums, des Friedens, nämlich in Österreich, und ich habe das Glück, einer Generation anzugehören, die keinen Krieg auf unserem Staatsgebiet erleben musste.

Das Jahr 2005 – es wurde schon gesagt – ist ein Gedenkjahr: Wir begehen heuer 60 Jahre Zweite Republik und 50 Jahre Staatsvertrag. Und ich denke, dass man mit ruhigem Gewissen sagen kann, das ist ein Grund, allen, die an dem Wiederaufbau unseres Landes mitgewirkt haben, ein schon längst fälliges Danke zu sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puswald: Dann sagen Sie ordentlich danke!)

Mit dem heute zu beschließenden Bundesgesetz sollen die Leistungen von Frauen beim Aufbau der Republik Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine ein­malige Zuwendung von 300 € gewürdigt werden. Diese Anerkennungszahlung ist eine äußerst wichtige Geste für die Verdienste von zehntausenden Müttern in der Nachkriegszeit, in der diese Frauen – unter meist schwierigsten Umständen – Kinder geboren und diese durch Not und Armut ins Leben begleitet haben.

Ich verstehe nicht, dass sowohl SPÖ als auch Grüne dagegen wettern – noch dazu an einem Tag, wo es schweres Leid in Europa, ja auf der ganzen Welt gibt. Ich hätte mir da schon eher eine gewisse Bescheidenheit seitens dieser beiden Parteien gewünscht, denn zumindest Ihnen von der SPÖ wäre es jahrelang möglich gewesen, auch etwas für diese Frauen zu tun.

Konkret haben Frauen, die vor dem 1. Jänner 1951 ein Kind oder mehrere Kinder zur Welt gebracht haben und die heute nur über ein geringes Einkommen verfügen,


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beispielsweise lediglich über eine Mindestpension, einen Anspruch auf diese Leistun­gen. Dabei geht es um rund 50 000 Frauen. Finanziert wird diese Zahlung durch Mittel aus dem Härteausgleichsfonds, eben seitens des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz – ein Danke an die zuständige Bundesministerin sowie ein Danke für die Unterstützung des Herrn Bundeskanzlers in dieser Sache!

Nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes können Anträge innerhalb eines Jahres beim jeweiligen Bundessozialamt gestellt werden. Zudem wird in dieser Angelegenheit meine Kollegin Mittermüller als übernächste Rednerin einen Abänderungsantrag einbringen, wodurch eine weitere zusätzliche Verbesserung erzielt werden kann. Das, meine Damen und Herren, zeigt, dass wir nachgedacht haben, wie wir auch da behutsam mit Steuergeldern, die uns hiefür zur Verfügung gestellt wurden, umgehen – und trotzdem eine weitere Verbesserung erreichen können. Das heißt, dass wir sozusagen das Geburtsjahr 1931 fallen lassen, sodass Frauen, die damals um die 19 Jahre alt und auch Mütter waren, gleichfalls Anspruch auf diese Leistung haben.

Insgesamt: Es war das ein schwieriger Prozess, jedoch ist das eine notwendige Geste, eine Anerkennung für jene Menschen, die in schwierigsten Zeiten unseren Wohlstand aufgebaut haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.52.54

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Punkte dieses Anerkennungsgesetzes ein­gehen: zum einen auf die Anerkennung – und in dem Sinne ist es wirklich eine Anerkennung, und das nach vielen Jahrzehnten – der homosexuellen und so genann­ten „asozialen“ Opfer im Opferfürsorgegesetz und weiters auf das Gesetz, mit dem den „Trümmerfrauen“ oder besser den „Trümmermüttern“ sowohl Anerkennung als auch finanzielle Zuwendung gegeben wird.

Lassen Sie mich zum ersten Punkt noch einmal festhalten, was dazu in den letzten Jahrzehnten an Debattensträngen vorhanden war, und zwar zur „Begründung“ etwa, warum schwule Männer und lesbische Frauen – sehr oft zusammengefasst unter dem Titel „Asoziale“ – keine Anerkennung nach dem Opferfürsorgegesetz erhalten haben, und das, obwohl sie zum Beispiel 1995 im Nationalfondsgesetz sehr wohl genannt wurden.

Da gab es zum einen den Argumentationsstrang, dass die anderen, schon aner­kannten Opfergruppen nicht mit den Homosexuellen gemeinsam genannt werden wollten. – Das, meine Damen und Herren, stimmt nur zum Teil: Zum Teil hat es gestimmt, zum Teil nicht, und mittlerweile stimmt es schon länger überhaupt nicht mehr.

Dann gab es den anderen Argumentationsstrang, der hier im Hohen Hause auch zu der Zeit, seit der ich im Nationalrat bin, also rund fünfeinhalb Jahre lang, immer wieder verwendet wurde, indem gesagt wurde: Na ja, was ist das Problem: Homosexualität war vor 1938 verboten, war nachher weiter verboten, noch bis zum Jahre 1971?! „Rechtskontinuität“, hieß es da. „Argument“: Warum soll man da jemanden – noch dazu, wenn das ohnehin immer verboten war – neu als Opfer definieren! Das waren doch keine extra Opfer!, hieß es.


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Diese „Rechtskontinuität“ war also mit ein Argumentationsstrang, den auch ich hier in diesem Hause noch gehört habe. – Das sagt aber mittlerweile zum Glück niemand mehr, sondern es wird anerkannt, dass in der NS-Zeit schwule Männer und lesbische Frauen – neben vielen anderen – verfolgt wurden, dass Homosexualität nicht nur ver­boten war, sondern dass Menschen deswegen – oder auch nur wegen vermuteter Homosexualität – in Konzentrationslager gesperrt und dort umgebracht wurden.

Es gibt jedoch noch einen anderen Argumentationsstrang, nämlich den, mit dem gerade uns Grünen, aber auch so mancher lesbisch-schwulen Aktionsgruppe immer wieder unterstellt wurde: Ihr wollts das ja nur thematisieren, weil ihr insgesamt mehr Rechte für Lesben und Schwule wollt! – Dass wir beides wollen, auch wir von den Grünen, das ist bekannt, aber eine Anerkennung des Leides dieser Menschen im Opferfürsorgegesetz zu verweigern, weil man vielleicht befürchtet, dass dann andere Themen – so zum Beispiel die Abschaffung der Strafbarkeit, die mit dem § 209 StGB noch lange gegeben war; auch die Gleichstellung im Bereich von Lebens­gemein­schaften – automatisch in den Vordergrund rücken, ist eine geradezu unglaubliche Unterstellung! Damit zu argumentieren, dass Lesben und Schwule im Opferfürsorge­gesetz nicht anerkannt werden sollen, ist wirklich eine arge Unterstellung, eine Unterstellung, gegen die ich nur massiv Protest einlegen kann!

Im Februar oder März dieses Jahres gab es im Sozialausschuss, als wir wieder einmal unseren entsprechenden Antrag auf der Tagesordnung hatten, folgende „Argumen­tation“ – diese kam, wenn ich mich richtig erinnere, von Ihnen, Herr Kollege Tancsits –: Na ja, schau’n S’, wenn einer/eine daherkommt, der/die jetzt noch lebt und als Opfer anerkannt werden will, werden wir niemanden zurückschicken; auch diese Person wird als Opfer anerkannt werden! Aber, so Tancsits weiter, wir wollen nicht noch einzelne Gruppen extra nennen! – Das war etwa nach dem Motto: Wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle Gruppen einzeln nennen?!

Das waren damals Sie, Herr Kollege Tancsits. Ich bin ja froh darüber, dass Sie das heute nicht mehr sagen und dass es diese Regierung doch geschafft hat, sich endlich dazu durchzuringen, auch diese Opfer, die damals mit einem „schwarzen Winkel“ versehen waren, die so genannten Asozialen, und die Menschen mit dem „rosa Winkel“, die schwulen Männer, anzuerkennen.

Herr Kollege Tancsits, Sie haben die „HOSI Wien“ als „radikale Gruppe“ bezeichnet. Ich sage Ihnen dazu: Wenn Sie eine Gruppe, die sich, wie viele andere, seit Jahr­zehnten dafür einsetzt, dass die lesbischen und schwulen Opfer im Opferfürsorge­gesetz anerkannt werden, dass in Österreich die strafrechtliche Verfolgung von schwulen Männern endet, wenn Sie eine Gruppe, die sich dafür einsetzt, dass es eine rechtliche Gleichstellung gibt, als „radikal“ bezeichnen, dann würde ich das eher als Lob verstehen und sagen: Ja, dann sind das eben „Radikale“! Ganz offensichtlich sind Sie nicht bereit, diese Schritte tatsächlich zu setzen.

Dass dann diese Gruppen – eben angesichts einer Argumentation der Regierungs­fraktionen hier in diesem Hohen Hause, die sowohl deren Anerkennung als auch Gleichstellung immer nur aufschieben, aufschieben und aufschieben – darauf emotio­nal reagieren, ist doch nur verständlich, Herr Kollege Tancsits! Genauso wie Ihre Reak­tion darauf emotional verständlich ist. Das heißt aber nicht, dass ich Ihre Argumen­tation für verständlich halte. Die war es nämlich nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Nun kann ich nur festhalten, dass ich es anerkenne und wichtig finde, dass es jetzt endlich – nach all diesen Argumentationsschienen, die es da über Jahre, ja über Jahrzehnte gegeben hat, nach dieser überaus langen Verweigerung der Anerken­nung – nicht nur eine Duldung dieser Opfer gibt, sondern dass sie auch genannt werden, genauso, wie wir das bei den Wehrmachtsdeserteuren auch gerne gehabt


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hätten, dass sie genannt werden, dass dieser Begriff verwendet und nicht nur halt so irgendwie darüber gesprochen wird.

Dass endlich die homosexuellen und so genannten asozialen Opfer, Opfer auf Grund ihrer sexuellen Orientierung genannt werden, das ist wichtig, und zwar nicht nur für Einzelne, die das erlebt und überlebt haben und heute noch leben, sondern es ist auch politisch symbolisch wichtig: Denn gerade was die Geschichte gleichgeschlechtlich liebender Menschen betrifft, gibt es noch so wenig an historischer Aufarbeitung, und da haben noch sehr viele Leute in manchen Teilen der Welt – auch in Österreich – immer noch das Gefühl, dass es vor ihnen niemanden gegeben hätte.

Auch in diesem Sinne ist diese Anerkennung daher ganz notwendig – abgesehen von der Tatsache, dass Lesben und Schwule in der NS-Zeit massiv verfolgt, ins KZ gesperrt und umgebracht wurden, und das nur, weil sie Menschen gleichen Geschlechts geliebt haben beziehungsweise ihnen das oft nur vorgeworfen wurde –: als Chance und Möglichkeit, dass sich heutzutage Menschen weniger davor fürchten müssen, ihre sexuelle Orientierung auch öffentlich und offen zu leben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Um jetzt meine Zeit und die meiner Kollegen und Kolleginnen für die nachfolgenden Reden nicht überzustrapazieren, noch eine kurze Anmerkung zu den Trümmerfrauen: Es gibt drei Punkte, warum wir diesen Aspekt nicht unterschreiben können und hier nicht zustimmen werden.

Zum einen geht es Ihnen nicht um alle Frauen, die in der Zeit nach dem Krieg am Wiederaufbau gearbeitet haben, sondern es geht Ihnen nur um die Mütter. Das halte ich schon für sehr bedenklich, dass eine Frau in dieser Zeit ein Kind geboren haben muss. (Abg. Scheibner: Die besonders belastet war!) Eine Frau, die kein Kind haben wollte oder konnte und wahrscheinlich trotzdem mitgeholfen und mitgearbeitet hat (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber die haben schon Besonderes geleistet!), bekommt das nicht (Abg. Scheibner: Die besondere Belastung hatten sie!), sondern nur diejenigen, die ein Kind geboren haben. Dann hätten Sie es doch wenigstens das „Trümmer­müttergesetz“ genannt. Das wäre eine Möglichkeit gewesen (Abg. Scheibner: Hätten Sie dann zugestimmt?), dass die anderen Tausenden von Frauen, die keine Kinder hatten, keine wollten oder keine bekommen konnten, oder deren Männer vielleicht noch in Kriegsgefangenschaft waren oder wie auch immer, diese Anerkennungs­zahlung auch hätten bekommen können.

Die zwei weiteren Gründe unserer Ablehnung sind, dass Sie nicht jene ausgeschlos­sen haben, die gemäß Verbotsgesetz als Nationalsozialistinnen registriert waren, und dass nur Österreicherinnen anspruchsberechtigt sind. Also jene, die damals in Öster­reich gelebt und mitgearbeitet haben, dann vielleicht aus irgendeinem Grund aus­gewandert sind und jetzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr haben, bekommen das nicht! Gerecht ist diese Vorstellung nicht.

Das ist mit ein Grund (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... an den Haaren herbeigezogen!), warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Vielleicht nicht gerecht, aber Ihr Argument ist kleinlich!)

18.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mitter­müller zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.01.31

Abgeordnete Marialuise Mittermüller (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminister! Mit dem heute zum Beschluss vorliegenden Gesetz der ein­maligen Zuwendung an Mütter für ihre Leistungen zum Wiederaufbau der Republik


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nach 1945 setzen wir ein familienpolitisches Zeichen unserer Wertschätzung. Diese Frauen haben unter schwierigsten Bedingungen Gewaltiges für unser Österreich geleistet. Viele von ihnen waren damals allein verantwortlich für das Überleben ihrer Kinder, ihre Männer waren in Kriegsgefangenschaft oder gefallen. Sie waren es, die unter schwierigsten Bedingungen unser Land vom Kriegsschutt befreit und mit ihrer Wiederaufbauarbeit wertvolle Dienste auch für unsere Nachkriegsgeneration geleistet haben.

Geschätzte Damen und Herren! Ich verstehe die Kritik nicht ganz. Heute ist in allen Parteien die Doppelbelastung von Beruf und Familienarbeit unbestritten. Daher verstehe ich diese Kritik bei diesem Gesetz an und für sich überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der überwiegende Anteil dieser Frauen – es sind ungefähr zwei Drittel – lebt heute von geringem Einkommen, dieser Anteil der Frauen lebt von der Mindestpension. Diese Frauen, das wurde schon gesagt, sollen eine Einmalzahlung von 300 € erhalten. Ich danke unserer Frau Bundesminister Haubner für die Möglichkeit dieser Zuwendung, wofür insgesamt Mittel im Ausmaß von 15 Millionen € bereitgestellt werden. Ich weiß aus etlichen Kontakten, dass sich die betroffenen Frauen sehr über diese späte Aner­kennung ihrer Leistung freuen.

Um auch die Frauen der Geburtsjahrgänge 1931 und 1935 mit einzubinden – wie es bereits Kollegin Steibl angekündigt hat –, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mittermüller, Steibl, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag (641/A) der Abgeordneten Mag. Haupt, Steibl, Rosenkranz, Turkovic-Wendl betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird, in der Fassung des Ausschussberichts (1022 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag (641/A) der Abgeordneten Mag. Haupt, Steibl, Rosenkranz, Turkovic-Wendl betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Öster­reich geschaffen wird, in der Fassung des Ausschussberichts (1022 d.B.), wird wie folgt geändert:

Im § 1 entfällt die Wortfolge „vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind,“.

Begründung:

Durch den Entfall des Stichtags 1. Jänner 1931 sollen auch noch jüngere Frauen erfasst werden, die nach dem Jahr 1930 geboren wurden, aber noch vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind geboren oder erzogen haben.

*****

Mit Entfall dieses Stichtages sollen auch noch jüngere Frauen erfasst werden, die vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind geboren und erzogen haben.


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Geschätzte Damen und Herren! Ich darf Sie um Zustimmung zu diesem Antrag und zu diesem Gesetz bitten, denn es ist dies sicherlich ein verdientes Danke an unsere Wiederaufbaugeneration! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der von Frau Abgeordneter Mittermüller soeben eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Mittermüller, Steibl, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 641/A ist ausreichend unterstützt, wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Haubner. – Frau Ministerin, bitte.

18.04.59

 


Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen den Opfern des feigen Terroranschlages in London mein persönliches Mitgefühl übermitteln. Ich denke, wir sehen an diesem Terror­anschlag heute einmal mehr, wie schrecklich die Auswirkungen von Gewalt gegen unschuldige Menschen sind.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute diese vorliegenden Gesetzentwürfe beschließen, so nehmen wir eine Verantwortung ernst, die wir gegenüber den Opfern des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte haben. Die heutigen Vorlagen sind ein konsequentes Ergebnis der Aufarbeitung einer dunklen Seite unserer Geschichte und ein Zeichen unseres besonderen Mitgefühls und der Achtung der Opfer des national­sozialistischen Unrechts und des Krieges.

Der Dank der Republik gilt besonders jenen Personen, die im österreichischen Widerstand unter höchstem persönlichen Risiko, unter höchster persönlicher Lebens­gefahr für die Wiedererrichtung eines freien und unabhängigen Österreichs gekämpft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Ehrengabe, die jetzt anlässlich des sechzigjährigen Endes der national­sozialis­tischen Herrschaft jenen Österreicherinnen und Österreichern übermittelt wird, ist der richtige Ausdruck und ein besonders notwendiges Symbol. Die Hereinnahme von homosexuellen Opfern des Zweiten Weltkrieges in das Opferfürsorgegesetz ist eine weitere konsequente Aufarbeitung der Geschichte, die wir gemeinsam haben.

Meine Damen und Herren! Meine Generation kennt noch die Schilderungen aus dieser Zeit, die Schilderungen des Krieges aus erster Hand. Es liegt an uns, keine Gruppe von damals zu vergessen, wenn es darum geht, zu entschädigen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber vor allem Respekt und Achtung zu zollen. Mit dem Entschädi­gungsfonds wurde vor einiger Zeit eine Lösung gefunden, welche vor allem nach Eintritt der Rechtssicherheit in den USA die am härtesten betroffene Opfergruppe des NS-Regimes, die jüdischen Opfer des Holocaust, entschädigt. Dieser Schritt war – wie viele andere – schon lange notwendig. Auch die Restitution von Immobilien und Kunst­werken hat gezeigt, dass Österreich bereit ist, sich seiner Verantwortung zu stellen.

Sich seiner Verantwortung zu stellen und einen Schlussstrich zu ziehen: einen Schlussstrich unter das Verhalten der Vergangenheit, das dem Leid der Opfer nicht immer gerecht wurde, einen Schlussstrich unter alte Verhaltensweisen, aber auf keinen Fall einen Schlussstrich im Sinne des Vergessens! Wir werden uns immer daran erinnern, dass die Zweite Republik auch auf dem Verständnis eines „Nie wieder!“ aufgebaut wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Das Parlament hat vor einigen Jahren auch mit der Kriegsgefangenenentschädigung eine Lösung für Kriegsopfer geschaffen. Nach mehreren Jahren wird nun diese Entschädigung zum ersten Mal erhöht.

Vor 60 Jahren gingen die Gräuel des Zweiten Weltkrieges zu Ende. Doch mit dem Ende dieser Gräuel, mit dem Ende der Nazi-Herrschaft und des schrecklichen Krieges war für viele Menschen das Leid noch nicht ausgestanden. Aus den Trümmern der zerbombten Häuser, aus zertrümmerten Existenzen musste neu aufgebaut werden. Hier waren es vor allem Frauen, die entscheidend dazu beitrugen, dass unser Land wieder etwas geworden ist, worin wir heute in Frieden leben können. Sie haben unter großen persönlichen und gesundheitlichen Entbehrungen in größter Not an diesem Wiederaufbau mitgewirkt. Wir sagen diesen Frauen heute erstmals offiziell danke, danke auch in Form einer symbolischen finanziellen Zuwendung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es waren Frauen mit Kindern, mit eigenen Kindern, die sie geboren hatten, aber auch mit Kindern, die sie großgezogen haben, die zum damaligen Zeitpunkt vielleicht Waisen waren, die keine Eltern mehr hatten, Frauen, die für die ersten Aufbaujahre große Mühsal auf sich genommen haben. Essensmarken rationierten damals die Verpflegung für die Familie, und ohne harte, beschwerliche Arbeit wäre ein Überleben nicht möglich gewesen. Viele dieser Frauen waren Mütter und Väter zugleich, und gerade aus diesem Grund haben wir uns für diese symbolische Anerkennung sehr stark eingesetzt.

Meine Damen und Herren! Frauen, die heute erstmals diese Zahlung und Anerken­nung bekommen, gehören einer Generation an, die zwischen 75 und 91 oder 95 ist, also einer sehr hochbetagten Generation, und sie sind natürlich auch alle schon Pen­sionistinnen. Daher ist es legitim, dass gerade diese Gruppe der Mindestpensionistin­nen, für die 300 € sehr, sehr viel Geld sind, diese Zuerkennung bekommt, denn wir wissen, dass 70 Prozent der Mindestpensionisten weiblich sind.

Ich habe vor einigen Tagen mit zehn Frauen, die wir frei ausgewählt haben, ohne Zuordnung zu irgendeiner Organisation oder zu irgendeiner Partei, gesprochen. Ich habe Frauen kennen gelernt, die mir ihre Geschichte erzählt haben: was sie damals erlebt haben, wo sie allein mit ihren Kindern mitgearbeitet haben, mit ihren eigenen Händen, was sie aufgebaut haben, wie sie Trümmer weggeräumt haben – und wie sie trotz allem eigentlich ein positives und zufriedenes Leben hatten. Sie haben mir auch erzählt, dass sie sich sehr darüber freuen, dass das offizielle Österreich erstmals auch an sie denkt und dass sie erstmals eine späte, aber doch richtige Anerkennung bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch eine Anregung des Kriegsopfer­verbandes aufgegriffen, und zwar für Frauen, deren Männer schwerstversehrt aus dem Krieg nach Hause gekommen sind und die diese Männer jahrelang aufopfernd gepflegt haben. Wir haben auch hier Verbesserungen durchgeführt, und eine Änderung im Kriegs­opferversorgungsgesetz wird dementsprechend eine besondere Anerkennung für Pflegeleistungen mit sich bringen.

Ich stehe nicht an, mich bei Frau Kollegin Mandak herzlich zu bedanken, weil sie im Ausschuss darauf hingewiesen hat, dass wir gerade bei den Jahrgängen der so genannten Trümmerfrauen noch eine Änderung vornehmen sollten, um etwas mehr Gerechtigkeit einziehen zu lassen.

Ich möchte aber auch den Beamten meines Hauses sehr herzlich danken, meinen Beamten im Sozialministerium, die gerade im Bereich der Befreiungs-Erinnerungs­zuwendung, im Bereich der Kriegsgefangenenentschädigung, aber auch im Bereich


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der so genannten Trümmerfrauen Grundlagen für Gesetze geschaffen haben, die seriös und vor allem erstklassig aufbereitet sind. – Herzlichen Dank!

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit diesem Paket, mit diesen vorliegen­den Gesetzentwürfen setzen wir ein klares Zeichen für Gerechtigkeit, aber vor allem auch für politische Verantwortung. Wir setzen ein Zeichen der Dankbarkeit, ein Zeichen der Achtung für die ältere Generation, eine Generation, die sehr viel für Freiheit und für Demokratie gekämpft hat, die für Freiheit und Demokratie ihr Leben eingesetzt hat und Entbehrungen in Kauf genommen hat, weil sie immer an dieses Österreich geglaubt hat. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster kommt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.14.23

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es soll heute ein Gesetz beschlossen werden (Abg. Neudeck: Mehrere!), das sich mit einer einmaligen Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre beson­deren Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich befasst. Meine Damen und Herren, was steht in diesem Gesetzestext? – Schauen wir uns § 1 an. Da steht drin:

„Als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich kann“ – also wirklich: kann! – „Frauen, die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind, vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind in Österreich zur Welt gebracht oder ein vor diesem Zeitpunkt geborenes Kind in Österreich erzogen haben (Abg. Steibl: Haben Sie nicht zugehört?) und österreichische Staatsbürgerinnen sind (Abg. Scheibner: Sie haben die alte Fassung! Sie sind hinter dem letzten Stand!), nach Maßgabe der vorhandenen Mittel eine einmalige Zuwendung gewährt werden, wenn sie oder ihre Ehegatten eine Ausgleichszulage aus der gesetzlichen Sozialver­siche­rung, eine einkommensabhängige Leistung nach dem Opferfürsorgegesetz ... oder dem Kriegsopferversorgungsgesetz ..., eine Dauerleistung zur Sicherung des Lebens­unterhaltes nach einem der Sozialhilfegesetze der Bundesländer ... beziehen.“ (Abg. Steibl: Was haben wir jetzt? Eine Lesestunde? Oder wie ist das?)

Meine Damen und Herren! Was heißt dieser § 1? – Er ist auf drei Kriterien aufgebaut (Abg. Scheibner: Sie haben die alte Fassung, Herr Kollege!): zwei Stichtagsrege­lungen und ein anderes Kriterium. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Stichtagsregelung eins: nur Frauen, die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind. (Abg. Steibl: Ist ja falsch!) Das ist die erste Stichtagsregelung, meine Damen und Herren, und diese Stichtags­regelung ... (Abg. Steibl: Haben Sie nicht zugehört?) – Hören Sie zu, Kollegin Steibl, dann werden Sie merken, worauf ich hinaus will. (Abg. Scheibner: Sie hätten zuhören sollen!)

Diese Stichtagsregelung haben wir im Familienausschuss heftigst kritisiert und Ihnen erklärt, dass sehr, sehr viele Frauen auf Grund diese Stichtagsregelung diese Zuwen­dungen nicht bekommen werden. (Abg. Scheibner: Deshalb gibt es einen Abän­derungsantrag! – Ruf bei der SPÖ: Zuhören!) Wir glauben, dass Sie diese Kritik, die wir im Familienausschuss eingebracht haben, zur Kenntnis genommen haben, diese Kritik aufgenommen und deshalb heute hier diesen Abänderungsantrag zu dieser ersten Stichtagsregelung gestellt haben. (Abg. Scheibner: Dafür brauchen Sie so lange?) Das ist gut so, Sie haben unsere Kritik angenommen.

Aber, meine Damen und Herren, Sie haben eine zweite Stichtagsregelung in diesem Gesetz gelassen. Diese zweite Stichtagsregelung sagt aus, dass diese Frauen vor


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dem 1. Jänner 1951 ein Kind geboren haben müssen. – Meine Damen und Herren, was heißt denn das? Was heißt denn das für Frauen, die vielleicht in der Nazi-Zeit zwangssterilisiert worden sind? Was heißt denn das für Frauen, die aus anderen gesundheitlichen Gründen vielleicht kein Kind bekommen konnten? Was heißt denn das für Frauen, deren Männer im Krieg gefallen sind und die vielleicht aus diesem Grund kein Kind bekommen konnten? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Kollegin Achleitner, auch diese Frauen haben Steine geschleppt, auch diese Frauen haben Stahlträger geschleppt, auch diese Frauen haben besondere Leistungen zum Wiederaufbau der Republik Österreich erbracht, und nicht nur Frauen, die Kinder bekommen haben, Kollegin Steibl! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Man muss sich das ganze Gesetz ansehen. Nun schaue ich mir den § 3 an, die Mittelzuwendung. Da steht, dass die Mittelzuwendung „aus dem Härteausgleichsfonds des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz in der Pensionsversicherung und aus dem Unterstützungs­fonds für Menschen mit Behinderung gemäß § 22 des Bundesbehindertengesetzes“ erfolgen wird.

Meine Damen und Herren! Was heißt denn das? – Gerade dieser Härtefonds ist doch geschaffen worden, um einkommensschwache Pensionistinnen zu unterstützen, und dort wird Geld herausgenommen. Es gibt keine Erhöhung, muss ich jetzt schon sagen, bei den Mindestpensionen, aber dort wird Geld herausgenommen und gerade wieder diesen Frauen gegeben, denen man vorher das Geld genommen hat, indem man ihnen keine Erhöhung der Mindestpension gegeben hat!

Meine Damen und Herren! Ich kann nur sagen, meine Kollegin Heinisch-Hosek wird einen Abänderungsantrag einbringen, der all diese Kritikpunkte, die ich jetzt ange­bracht habe, ändern soll. Sie sind gut beraten, diesen Abänderungsantrag zu unter­stützen, damit alle Frauen, die Leistungen zum Wiederaufbau der Republik Österreich erbracht haben, wirklich unterstützt werden können und diese Zuwendungen erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.18.28

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns heute bei diesem Punkt – dem Anerkennungsgesetz und den Materien, die damit verbunden sind – sicherlich mit einem der sensibelsten, aber auch der dunkelsten Kapitel unseres Landes, und auch mit den Wurzeln unserer Zweiten Republik. Das ist natürlich ein Thema, das besonders heikel ist und in der Diskussion besonderer Sensibilität bedarf.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass unser Land und diejenigen, die damals regiert haben oder hier im Parlament gesessen sind, schon sehr früh mit der Auf­arbeitung dieses dunklen Kapitels begonnen haben. Es wurde heute schon einige Male erwähnt, dass bereits ganz kurz nach dem Krieg, noch 1945, das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 beschlossen wurde, und 1946 die so genannte Befreiungs­amnestie. Damit wurden materiellgesetzlich, materiellrechtlich wichtige Schritte gesetzt, um die Unrechtsjustiz des Nationalsozialismus aufzuheben, und zwar nicht als


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Amnestie – wie dieser Titel vielleicht verheißen mag –, sondern als echte Aufhebung der Urteile ohne Prüfung der Fakten.

Auch damals – und das wurde eigentlich in der Diskussion der letzten beiden Jahre immer wieder gerade auch von den Grünen verlangt –, ist es schon darum gegangen, dass man nicht beginnt, den Motiven der einzelnen damals Betroffenen nachzugehen und die zu beurteilen – heute, nachträglich – und dann erst zu sagen, welches Urteil aufzuheben ist und welches nicht, sondern dass man richtigerweise generell die gesamte Unrechtsjustiz auch für null und nichtig erklärt hat.

Darum verwundert es mich heute und tut es mir irgendwie auch Leid, dass in dieser Diskussion Grün und Rot beim Anerkennungsgesetz nicht mitstimmen können, und das nur aus einem einzigen Grund: weil ein Wort, das sie offensichtlich über Jahre auf Ihre Fahnen geheftet haben – das mag Ihnen ja nicht verübelt werden –, nämlich die Desertion oder die Deserteure hier nicht vorkommt. (Abg. Öllinger: Ich habe da mehrere Gründe gehört!) Sie sind natürlich enthalten, auch das wurde heute schon mehrmals belegt und gesagt.

Ich habe aber den Eindruck – und das tut mir wirklich Leid bei diesem sensiblen Thema –, dass es um einen kleinlichen politischen Urheberrechtsstreit darüber geht, weshalb Sie das Wort Desertion oder Deserteure unbedingt auch explizit im Text stehen haben wollen. Sie meinen offenbar, hier eine Zielgruppe zu haben und denen mit diesem einen Wort beweisen zu müssen, dass Sie sich durchgesetzt haben. (Abg. Dr. Puswald: Sie haben damit ein Problem mit Ihrem Regierungspartner!)

Ich denke, Sie sollten sich das noch einmal überlegen, weil es wirklich um ein sen­sibles Thema geht, es aber auch ganz, ganz wichtig wäre, dass wir den Opfern dieses Unrechtsregimes, dieses Terrorregimes gemeinsam unsere Achtung und unser Mitgefühl bezeugen. Ich darf Sie nochmals einladen, dabei mitzutun. Vielleicht kann Sie Bürgermeister Häupl überzeugen, der im morgigen „Kurier“ in Richtung des SPÖ-Klubs sagt, dass die anderen die Tore schießen und er diesem Klub Gott sei Dank nicht angehört. Wenn Sie heute hier mitstimmen, können Sie Bürgermeister Häupl vielleicht auch überzeugen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich Frau Bundesministerin Haubner noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.22.04

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem, was Herr Kollege Keck gesagt hat, schon noch einiges richtig stellen. Ich habe das schon im Ausschuss getan, und es wundert mich, dass hier wieder die falsche Interpretation gebracht wird.

Ich habe erklärt, dass die Mittel für die Zuwendungen an die Frauen der Nachkriegszeit aus zwei Fonds stammen. Der eine ist ein spezieller Hochwasserfonds für Menschen mit Behinderungen gewesen, gebunden an die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002. Diese Mittel wurden nicht voll ausgeschöpft. Der zweite ist ein Härtefonds für Pensionisten in der Höhe von 10 Millionen €, und der wurde im Vorjahr, 2004, ebenfalls nicht voll ausgeschöpft, weil weniger Anträge als vorgesehen gekommen sind. Ich hätte daher die übrig bleibenden Gelder dem Finanzministerium zurückzahlen müssen. Dadurch, dass wir hier eine Leistung für Frauen der Nachkriegsgeneration geschaffen haben, sind die Mittel im Sozialministerium verblieben und haben für den Bereich Sozialpolitik Verwendung gefunden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.23



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.23.31

 


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Dass in diesem Anerkennungspaket die Mütter mitbedacht werden, ist normal, würde ich meinen, und wichtig und richtig in einem Jahr wie diesem. Das ist klar. Dass es aber nur die Mütter sind, ist das, was wir auch schon in den Aus­schüssen versucht haben, mit Ihnen zu diskutieren, Frau Bundesministerin, auch mit Ihnen von den Regierungsfraktionen, weil wir nicht wollen, dass die Mütter und die anderen, also die übrigen Frauen, irgendwie getrennt werden. Wir wollen einfach nicht den Eindruck erwecken – Kollege Keck hat das gerade vorhin sehr eindrucksvoll dargelegt –, dass diese anderen Frauen, die auch Anzuerkennendes für dieses Land, für unsere Republik geleistet haben, hier einfach nicht mitbedacht wurden.

Es ist nur ein symbolischer Betrag, wie heute auch schon einige Male gesagt wurde, ein Symbolbetrag von 300 €, auf den kein Rechtsanspruch besteht, der nach Maßgabe der budgetären Mittel zugeteilt wird. – Das steht alles im Gesetz drinnen. – Mit einem Ansuchen innerhalb eines Jahres kann eine Frau, eine Mutter diesen Betrag auch erhalten. Das gilt für Mütter, die heute unter der Armutsgrenze leben. Wir sind der Meinung, dass auch Frauen, die zum Beispiel über eine kleine Eigenpension verfügen, weil sie als Arbeiterin im Jahre 1945 dieses Land auch aus Trümmern aufgebaut haben, diese Zuwendung ebenfalls bekommen sollten, aber nicht bekommen können, weil diese kleine Eigenpension – wir wissen, dass Frauen nicht über sehr hohe Pensionen verfügen – dem entgegensteht.

Diese Trennung in Mütter und andere – ob die anderen jetzt die Schlechteren sind, will ich überhaupt nicht in den Raum stellen; ich wage es gar nicht, weil ich Ihnen das auch nicht unterstellen möchte –, ist Grund genug, zu sagen, dass wir nicht zustimmen können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beschämend ist das, was Sie sagen!) Wir haben daher einen Abänderungsantrag formuliert, den wir auch schon im Ausschuss mit Ihnen diskutiert haben. Er würde im Wesentlichen vier Verbesserungen beziehungs­weise vier Änderungen beinhalten, und ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen.

Wir haben Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus und wollen daher nicht, dass Frauen, die gemäß § 4 Verbotsgesetz als Nationalsozialistinnen registriert wur­den – und es waren immerhin noch 124 000 Frauen 1947, und einige werden heute noch am Leben sein –, diese Zuwendung bekommen sollen.

Zum Zweiten wollen wir nicht diese Trennung in Mütter und die anderen. Sie können interpretieren, was damit gemeint ist, Sie haben es heute auch schon getan. Wir denken, dass die Leistungen ebenso jenen Frauen zugute kommen sollten, die sich eine kleine Eigenpension erworben haben, weil sie Arbeiterinnen waren, und nicht nur denen, die unter der Armutsgrenze leben müssen, und wir wollen auch nicht nur österreichische Staatsbürgerinnen bedenken, sondern generell Frauen, die hier gelebt und am Wiederaufbau mitgearbeitet haben.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Familienausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird (1022 d.B.)


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung als Anerkennung aller Frauen geschaffen wird, die besondere Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Öster­reich erbracht haben.“

2. § 1 lautet:

„§ 1. (1) Als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich kann Frauen, die zwischen 1945 und 1950 in Österreich gelebt haben, eine einmalige Zuwendung gewährt werden.

(2) Von der Zuwendung ausgeschlossen sind Frauen, die gemäß § 4 Verbotsgesetz StGBl. Nr. 13/1945 (in der jeweiligen Fassung) als Nationalsozialistinnen registriert worden sind.“

3. § 3 entfällt; §§ 4 bis 7 werden entsprechen umgereiht.

*****

Stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu, dann können wir alle, auch Sie meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen ruhigen Gewissens sagen: Wir zollen den Frauen Respekt, die am Wiederaufbau Österreichs mitgewirkt haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Frau Abgeordneter Heinisch-Hosek eingebrachte Abänderungsantrag zum Bericht des Familienausschusses über den Antrag 641/A wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. Wunsch­redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.28.20

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nach dem Restitutionsfonds setzt die Bundesregierung nun ein weiteres Zeichen, um zum einen die Opfer der NS-Zeit zu entschädigen und zum anderen jenen eine symbolische Wertschätzung zuteil werden zu lassen, die nach dem Krieg zum Aufbau Österreichs einen maßgeblichen Beitrag geleistet haben. Und das waren eben, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, in ganz besonderem Ausmaß auch Mütter, Mütter, die sich nicht nur im Wiederaufbau engagieren mussten, die sich nicht nur um ihr eigenes Leben sorgen mussten, sondern die auch für Kinder da sein mussten, die auch Verantwortung für ihre Kinder tragen mussten, und daher auch einer ganz besonderen Belastung ausgesetzt waren. Diese Leistung honorieren wir mit dem heutigen Beschluss, und dazu stehen wir. Das sind immerhin 15 Millionen € an zusätzlichen Leistungen für Frauen.

Wenn Sie, Herr Kollege Keck, vorhin gemeint haben, die Anregung, die Stichtags­regelung, also das Geburtsjahr, die Altersgrenze zugunsten der Frauen zu verbessern, die wir nun mit diesem Abänderungsantrag, der vorhin von der Frau Kollegin eingebracht worden ist, fordern und festgelegt haben, wäre Ihre Anregung gewesen, so ist das eben konstruktive Politik. Wir nehmen Ihre Anregungen auf, das ist konstruktive und konsensorientierte Arbeit. Wir nehmen Ihre Anregungen ernst und auch auf. Sie


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stimmen trotzdem nicht zu. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich verstehe auch nicht, wieso Sie das jetzt alles so negativ darstellen, als Almosen-Politik hinstellen wollen. Sie hätten jahrelang unter der Leitung von SPÖ-Bundes­kanzlern irgendetwas in diese Richtung tun können. Sie haben es nicht getan. (Abg. Scheibner: Genau!) 15 Millionen € zusätzlich für Frauen in dem Bereich – Sie haben nichts getan, und jetzt stellen Sie sich hierher und kritisieren unsere Arbeit. Ich verstehe das nicht ganz. Ich denke, dass wir hiemit eine ganz wichtige Maßnahme setzen.

Ich möchte auch noch darauf zurückkommen, was im Familienausschuss diskutiert wurde. Ich lehne ganz entschieden ab und weise zurück, was dort von Seiten eines Oppositionsredners gesagt wurde, der diese Maßnahme, diese 15 Millionen € als fiskalisches Mutterkreuz bezeichnet hat. Ich halte das für eine ganz ungeheuerliche Entgleisung. (Abg. Steibl: Wer war das? Kollege Puswald!) Daran sieht man nämlich Ihre Einstellung den Müttern und Frauen gegenüber, die hier wirklich wichtige Arbeit geleistet haben – und unsere Wertschätzung haben sie in jedem Fall!

Ich denke, dass das eine ganz wichtige Maßnahme gerade in diesem Jubiläumsjahr ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.31.01

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine beiden Bundesministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir von der SPÖ begrüßen es, dass mit einer Novelle die Kriegsgefangenen-Entschädigung angehoben wird, und zwar durch die einmalige Aufrundung unrunder Euro-Beträge auf gerade Euro-Beträge beziehungsweise 50-Euro-Beträge für zirka 60 000 Menschen. Das wird nun nachträglich einer Valorisierung der seit dem Jahre 2001 und 2002 in unveränderter Höhe ausbezahlten Leistungen gleichkommen.

Wir begrüßen auch den zweiten Punkt, mit dem die Schwerbeschädigtenrente unab­hängig von der Todesart zuerkannt wird. Es ist nun egal, ob der Kriegsversehrte auf Grund seiner Kriegsverletzung oder aus einem anderen Grund verstorben ist.

Es freut mich, dass sich ÖVP und FPÖ beziehungsweise BZÖ heute doch wieder einmal zu einigen positiven sozialpolitischen Maßnahmen durchringen konnten. (Abg. Dr. Fekter: Ihr stimmt ohnehin nicht mit!) Es gibt aber doch sehr viele Punkte gerade im Sozial- und Pensionsbereich, an denen von Seiten dieser Bundesregierung und ihren Abgeordneten leider schon lange Zeit gemauert wird und somit finanzielle Ver­besserungen verhindert werden. Ich denke da beispielsweise nur an die permanente Nichtvalorisierung des Pflegegeldes; da warten in Österreich rund 300 000 Menschen. Ich denke weiters an die Blockierung der Erhöhung der Mindestpension um 15 € pro Monat beziehungsweise wenigstens deren Anhebung zur Armutsgrenze. Auch da zeigen Sie von den Koalitionsparteien Ihre soziale Kälte.

Sowohl Präsident Khol als designierter Seniorenbund-Obmann als auch Frau Sozial­ministerin Haubner haben sich in Presseerklärungen für diese Anhebung ausge­sprochen. – Die Wirklichkeit sieht jedoch völlig anders aus. In der letzten Sozialaus­schusssitzung von vor wenigen Tagen wurde ein diesbezüglicher SPÖ-Antrag von den Regierungsparteien vertagt!

Ich denke weiters an die Wertsicherung der Pensionen, die vielfach versprochen wurde. – Geschehen ist jedoch bisher nichts! Durch die Erhöhung der Pensionen seit


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dem Jahre 2000 um nur rund 4 Prozent bei einer Inflation von über 12 Prozent haben Sie als Regierungsparteien den Pensionistinnen und Pensionisten real 8 Prozent weg­genommen!

Ich denke weiters an Ihre beschämende Blockade- und Vertagungspolitik bezüglich Unfallrentenbesteuerung. Unseren Antrag auf Rückerstattung der Steuer an die ungefähr 107 000 leidgeprüften Unfallrentner für das Jahr 2003 – das war übrigens das „Jahr der Behinderten“ – haben die ÖVP-, BZÖ-, FPÖ-Mitglieder im Sozialausschuss bereits 18-mal, ja, man höre und staune:18-mal!, vertagt. Nicht nur, dass Sie die betrof­fenen Österreicherinnen und Österreicher einfach ignorieren: Sie sind leider auch zu feige, klipp und klar entweder ja oder nein zu sagen.

Angesichts dieser Ihrer Versäumnisse in Fragen der Sozialpolitik sind die meisten Ihrer Ankündigungen vielfach nur lauwarme Luft. Beschlüsse wie die heutigen können Ihnen da nicht einmal als soziales Alibi dienen. Unter dem Strich betreiben Sie Sozialabbau und produzieren, so wie es Ihnen im Sozialbericht schwarz auf weiß bestätigt wurde, Armut in Österreich. Das ist, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungs­parteien, beschämend! (Beifall bei der SPÖ.)

18.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Prinz. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.34.36

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungs­mitglieder! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dobnigg, Sie und Ihre Partei haben Jahrzehnte Politik auf Kosten der nächsten Generationen gemacht. Das ist tatsächlich unsoziale Politik. – Wir hingegen wollen Politik so gestalten, dass auch die nächsten Generationen entsprechende Ressourcen und finanzielle Möglichkeiten haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Viele von uns können sich die Mühen und Sorgen der Nachkriegsgeneration beziehungsweise der Menschen im Nachkriegsösterreich eigentlich nur vage vorstellen, aber aus Erzählungen und aus Zeitdokumenten wissen wir, dass die Bevölkerung ihre Verantwortung, den Wiederaufbau Österreichs, sehr ernst genommen hat. Verantwortung für das Land und seinen Wiederaufbau spürten alle. Doppelte Verantwortung haben aber jene Frauen getragen, die auch noch Kinder zu versorgen hatten. Den sogenannten Trümmerfrauen ist diese Geste des Dankes und der Anerkennung ihrer Leistungen daher von allen auszusprechen.

Wir können nicht abgelten, was diese Menschen geleistet haben: Aber eine sym­bolische Geste im Gedenkjahr sollte für uns alle Anlass sein, Parteipolitik hintan­zustellen. Der Alltag war damals in Land und Stadt sehr schwierig. Belastungen unter besonders schwierigen Verhältnissen lassen sich nicht differenzieren, besonders dann nicht, wenn es darum geht, Essen, Kleidung, Unterkunft und Wohlbefinden für Kinder zu organisieren.

Die Einmalzahlung von 300 € aus überschüssigen Fondsmitteln ist, gemessen an den Leistungen, natürlich nur ein bescheidener Betrag. Daher sollte Geld vor allem jenen Müttern zur Verfügung stehen, die nach wie vor finanziell unter diesen Belastungen zu leiden haben, denn gerade wegen der Kindererziehung konnten viele dieser Frauen nicht genügend Versicherungszeiten für eine entsprechende Pension erwerben. Müt­tern mit einer Mindestpension ist daher unbedingt der Vorzug zu geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.36



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.36.41

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerin­nen! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Kollege Prinz, Österreich hat viel geleistet, aber auch sehr viel Schuld auf sich geladen. Das dunkelste Kapitel in der Geschichte unseres Landes wurde nur zu oft verdrängt und mangelhaft aufgearbeitet. Besonders diejenigen, denen unser Land am meisten verdankt, sind in der Geschichtsbetrachtung nur zu oft im Schatten gestanden. (Abg. Scheibner: Wer ist denn damals hier gesessen?) Ich meine damit vor allem jene, Herr Kollege Scheibner, die sich aktiv gegen das Unrechtsregime des Nationalsozialismus gestellt und damit ihr Leben riskiert oder gar verloren haben.

Dass hier nun Jahrzehnte später eine finanzielle und juristische Anerkennung erfolgt, ist sicherlich ein begrüßenswerter symbolischer Akt. Da es sich hier um eine abschließende Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte handelt, wie es im Gesetz heißt, sollte dieses Gesetz auch entsprechend umfassend und deutlich sein. Das heißt, jene, die gemeint sind, sollten auch deutlich genannt – und nicht bloß irgendwie umschrieben werden. Besonders die Wehrmachtsdeserteure, jene Men­schen, die sich geweigert haben, der Wehrmacht beizutreten, um sich nicht selbst schuldig zu machen, haben besondere Anerkennung verdient.

Da ist es mir ganz unerklärlich, warum Sie so ein großes Problem mit klaren Bezeich­nungen haben. Hier auf der Opferseite und im anderen Fall auf der Täterseite beziehungsweise auf der Täterinnenseite, wenn es um die Einmalzahlungen an die Frauen des Wiederaufbaus geht, die selbstverständlich nur jenen Frauen gewährt werden sollen, die sich am Wiederaufbau und nicht an der Zerstörung unseres Landes beteiligt haben, denn alles andere, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre ein Affront gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch hier fürchtet man sich vor klaren Bezeichnungen, wer nämlich den Dank unseres Landes nicht verdient. Es sind jene Menschen, die nach dem Verbotsgesetz als NationalsozialistInnen registriert wurden. Genau so, wie es in unserem Abänderungs­antrag eben drinnen steht. – Sie von den Koalitionsparteien aber bestehen auf einer schwammigen Formulierung, die den Beamten, die das vollziehen müssen, noch sehr viele Sorgen bereiten wird.

Unsere Sorge, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es, dass die Parteien, die dieses Land derzeit regieren, die sich während des Gedenkjahres ununterbrochen selbst feiern, solche Hemmungen haben, Täter und Opfer des Nationalsozialismus klar und unmissverständlich zu bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ sowie Abgeordneten der Grünen.)

18.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Franz. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.39.28

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerinnen! Geschätzte Damen und Herren! Ein mir wichtiges Anliegen ist die Beschlussfassung des Bundesgesetzes über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie der Erlass zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte.Auch bei uns in Vorarlberg kam es vor und während des „Anschlußes“ an das Deutsche Reich zum Widerstand gegen das NS-Regime: sei es durch Flugblätter, durch Anschläge, durch Attentate und dergleichen. Es gab mehrere geheime Gruppen,


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unter anderem die Aktionistische Kampforganisation unter dem Dornbirner Himmer. Diese wurde von der Gestapo jedoch entlarvt, noch bevor sie ihre Pläne umsetzen konnte. Himmer wurde 1942 in Berlin hingerichtet.

Eine Gruppe, die einen besonderen Stellenwert in Vorarlberg hatte, war die um Johann August Malin; auch er wurde in München hingerichtet.

Ja, es gab viele Menschen, die gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben und bestraft wurden, darunter auch Frauen. Unser Frauenmuseum in Hittisau initiierte ein Forschungsprojekt, das von der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung im Amt der Vorarlberger Landesregierung gefördert wird, in dem das Leben wider­ständiger Vorarlberger Frauen im Nationalsozialismus aufgezeigt wird.

Nun, 60 Jahre nach der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewalt­herrschaft, tritt das Anerkennungsgesetz in Kraft.

Abschließend möchte ich sagen, dass alle Opfer – ich betone ausdrücklich: alle Opfer – unsere Achtung und unser Mitgefühl verdienen, und ich bin froh darüber, dass wir hier einen sehr weit gefassten Opferbegriff gewählt haben. – Schade, dass die Opposition mit diesem Begriff nicht mitgehen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

18.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort kommt Frau Abgeordnete Lentsch. Wunschredezeit 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.41.47

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frauen Bun­desministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Im Zuge der vielen Jubiläumsfeiern anlässlich 60 Jahre Republik hat ein burgenländischer Historiker die burgenländische Geschichte von 1945 bis in die Jetztzeit aufgearbeitet, und da hat er unter anderem gemeint, dass in den Jahren 1945 und 1946 nur 10 Prozent der burgen­ländischen Männer einsatzfähig waren beziehungsweise am Wiederaufbau mitgear­beitet haben, denn jeder dritte Burgenländer ist im Krieg geblieben; die restlichen sind in Gefangenschaft, schwer verletzt oder schwer krank gewesen.

Daher waren es zu einem ganz, ganz hohen Prozentsatz die burgenländischen Frauen, die unser Land wiederaufgebaut haben – und das unter der ständigen Gefahr, dass es Übergriffe russischer Soldaten gibt.

Ich kann daher diese Einmalzahlung in der Höhe von 300 € nur begrüßen, wenngleich natürlich klar ist, dass diese Anerkennung nur symbolisch sein kann. Ich verstehe daher absolut nicht, wie man dieses Thema so polemisch behandeln kann, wie dies SPÖ und Grüne tun.

Möglicherweise verstehe ich es deswegen nicht, weil ich zu dieser Zeit noch einen sehr, sehr großen Bezug habe, weil mir bewusst ist, dass damals meine Großmutter dabei war, und weil mir bewusst ist, dass damals auch meine Mutter als junges Mädchen dabei war.

Wenn im Ausschuss ein SPÖ Abgeordneter von einem „fiskalischen Mutterkreuz“ faselt, so ist das eine Beleidigung für diese ganze Frauengeneration. Das hat mich sehr betroffen gemacht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sollen wir jetzt alle unsere Mütter herzeigen?) Es zeigt aber auch auf, dass nicht nur einige wenige Bundesräte Probleme mit der Vergangenheit haben, sondern auch Abgeordnete hier im Nationalrat. (Abg. Sburny: Na, hallo! Hallo! Wollen Sie uns sagen, welche Abge­ordnete Sie meinen!)

Ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, für diese Jahrhundert-Idee bedanken. Diese Idee hätten schon einige SozialministerInnen vor Ihnen haben


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können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sburny: Sagen Sie uns, wen Sie meinen!) Eine, einen. (Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich verstehe kein Wort. (Abg. Sburny: Sagen Sie uns, wen Sie mit Gudenus und Kampl vergleichen!)

18.44

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. Wunschredezeit 2 Minuten. – Bitte.

 


18.44.25

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Wir würdigen heute die Leistungen von Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Mütter Enormes geleistet haben und denen bis jetzt sicher im privaten Rahmen, aber noch nicht offiziell der Dank ausgesprochen worden ist.

60 Jahre, 55 Jahre zurückzudrehen und dann einen gerechten Blick auf jene Situation von Frauen, von Müttern zu werfen, das wird uns wahrscheinlich nicht gelingen, auch wenn man, so wie ich, als Kind Zeitzeugin dieser Jahre ist.

In Wien – und dort bin ich gewesen im Mai 1945 –, da gab es ganz, ganz wenig. Keinen Strom, kein Wasser, sehr, sehr wenig Nahrung, manchmal gar keine, und für viele auch keine Wohnung. Und es ist klar, dass sich zwar erwachsene Einzelpersonen diese Lage, die Not erklären konnten, aber wie erklärt eine Mutter, wenn sie Kinder hat, dass sie für sie kein Essen und keine Schlafstelle hat. Deshalb finde ich es auch richtig, dass man diese schwierigeren Situationen honoriert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir danken heute jenen Frauen, denn sie haben uns damals – und das ist ein Bild, das sich sehr eingeprägt hat bei mir – ein Bild vermittelt, dass es immer weitergeht, dass sie alles können, dass sie alles meistern. Ich glaube, das hat auch mich in meiner Jugend ganz entscheidend mit geprägt: Es geht. Frauen können das. Sie blicken in die Zukunft, sie jammern nicht. Und ich danke in diesem Augenblick diesen Vorbildern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir danken heute auch jenen Frauen – das steht jetzt in unserem Anerkennungs­gesetz –, die vor dem Jänner 1951 ein oder mehrere Kinder geboren, sie in Österreich erzogen haben und heute nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen, zum Beispiel eine Mindestpension.

Vor einem Monat ist der Bundesobmann des Österreichischen Seniorenbundes, Stefan Knafl, gestorben. Es muss hier unbedingt erwähnt werden, dass gerade er es war, der sich für die Anerkennung und Leistungen jener Frauen in der Nachkriegszeit jahrelang eingesetzt hat. Kurz vor seinem Tod hat er noch erfahren, dass Sozialministerin Ursula Haubner diese Einmalzahlung von 300 € für etwa 50 000 Frauen zur Verfügung stellen wird, also 15 Millionen €. Diese Forderung von Stefan Knafl – und ich denke, es war ihm eine Herzensangelegenheit – geht damit in Erfüllung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Praßl. Wunschredezeit 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.47.38

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ausgangspunkt für dieses Anerkennungsgesetz 2005 war eine Entschließung des Nationalrates vom 14. Juli 1999, die damit umgesetzt wird.


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Durch eine Überprüfung der Rechtslage in diesen Fällen wurde in erster Linie die in ihren rechtlichen Auswirkungen nicht mehr ausreichend beachtete Befreiungsamnestie berücksichtigt. Spezialbestimmungen über Militärdelikte bewirken in juristischer Hin­sicht die von den Betroffenen angestrebte Rehabilitierung. Somit gelten – ohne jede Einschränkung – alle Urteile der deutschen Militärgerichte per Gesetz als nicht erfolgt.

Diese Rechtsansicht des Bundesministeriums für Justiz wird jedoch insbesondere in der politischen Diskussion noch immer vereinzelt angezweifelt. Daher sieht sich der Nationalrat veranlasst, diesen Rechtsstandpunkt zu bekräftigen.

Mit diesem Akt des Gesetzgebers sollen insbesondere auch für nachgeborene Gene­rationen jede Rechtsunsicherheit beseitigt, die Bemühungen des historischen Gesetz­gebers um eine juristische Aufarbeitung dieser nationalsozialistischen Unrechtsakte und um eine entsprechende Rehabilitierung der Verurteilten wieder ins Bewusstsein gerückt und auch gewürdigt werden.

Weiters soll damit auch einem im Gedankenjahr 2005 besonders aktuellen Bedürfnis entsprochen und jenes politische und moralische Zeichen der vollständigen Rehabilitie­rung gesetzt werden.

Als besondere Geste der politischen und moralischen Rehabilitierung wird daher allen Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz und der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes sowie den Personen, die dem Ungeist des National­sozialismus widerstanden haben und im Rahmen ihrer Möglichkeit auf die verschie­denste Art und Weise entgegengetreten sind, ebenso Respekt bekundet wie jenen, die vom Nationalsozialismus und den Untaten des NS-Regimes aus ihrer Heimat vertrieben wurden und flüchten mussten.

Ich glaube, dass dieser Regierung damit ein großer Wurf gelungen ist, und ich bin froh darüber, dabei zu sein, für die Opfer dieses Gesetz mitbeschließen zu können, – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort kommt Frau Abgeordnete Höllerer. Wunschredezeit: 2 Minuten.  – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.50.37

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Werte Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern: Mein voller Res­pekt gebührt allen Frauen, die in der Nachkriegszeit die Wiederaufbauarbeit unserer Republik Österreich geleistet haben. Aber wenn wir heute davon sprechen, dass Haushalt, Beruf und Kinderbetreuung eine Mehrfachbelastung für die Frauen sind, dann müssen Sie doch zugestehen, dass es für die Frauen, die damals unter schwie­rigsten Umständen an diesem Österreich gebaut haben, besonders belastend gewe­sen sein muss, auch noch für ihre Kinder zu sorgen. Darum gebührt auch meine besondere Hochachtung diesen Frauen, die in schwierigster Situationen für diese Arbeit ihr Leben eingesetzt haben – und das im wahrsten Sinne des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin sehr betroffen, wenn ich in einer Aussendung des Präsidenten des SPÖ-Pen­sionistenverbandes lese, dass diese Anerkennung, die hier gegeben wird, „unwürdig“ sei. Und wenn er auch davon spricht, dass die Frauen aus der Landwirtschaft nicht am Aufbau beteiligt gewesen sein sollen und ebenfalls in den Genuss dieser Leistung kommen, dann muss ich hier schon anmerken, dass ich aus dem Waldviertel komme, das in der russischen Besatzungszone gelegen ist und dass in dieser Zeit die Frauen im ländlichen Raum und die Frauen in der Landwirtschaft Unvorstellbares geleistet haben (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass sie sich und ihre Kinder auf


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Dachböden verstecken mussten, in Kellergänge geflüchtet sind, dass sie während ihrer Feldarbeit ständig bedroht waren von Übergriffen und Vergewaltigung, dass sie immer wieder flüchten mussten und dass sie unter diesen schwierigsten Bedingungen dazu beigetragen haben, dass die Lebensmittelversorgung in unserem Lande wieder gesichert werden konnte.

Auch diese Frauen haben sich höchste Anerkennung verdient. (Abg. Öllinger: Aber sie werden nicht anerkannt!) Es ist ein symbolischer Betrag, den sie jetzt bekommen, aber dafür möchte ich auch an dieser Stelle der Frau Ministerin und auch ihren Beamten sehr, sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

18.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Langreiter. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte Herr Abgeordneter.

 


18.53.19

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Frau Präsidentin! Hochgeschätzte Damen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass ich in den sechziger Jahren geboren wurde – 1961 –, und ich bin froh und dankbar, dass das eine Zeit war, in der ich eine schöne Kindheit erlebt habe. Schön waren natürlich auch die Jahre danach.

Stolz bin ich, dass das jemand aufgebaut hat. Das war unsere Aufbaugeneration, das waren unsere Mütter und Väter, das waren viele Persönlichkeiten in dieser Zeit.

Ich bin auch betroffen, dass nichts ungeschehen gemacht werden kann, was in einer schrecklichen Zeit in der Vergangenheit passiert ist. Das zieht sich wie ein Faden durch die heutige Debatte, aber es unterscheiden uns auch zwei Dinge: Die Opposition will, dass direkt Betroffene erwähnt werden. – Wir haben den politischen Konsens, dass wir den Begriff weit reichender sehen, dass wir ihn nicht so sehr differenzieren. Ich bin aber der Meinung, dass wir auch in die Differenzierung durchaus die Grenze zwischen Opfern und Tätern finden können, durchaus auch die Grenze finden können, wer dieses wunderschöne Land aufgebaut und wer es vielleicht auch in manchen Zügen zerstört hat.

Meine Damen und Herren von der Opposition, es zieht sich wie ein Faden durch die Debatte. Die Botschaft ist: Wir setzen eine Geste, wir wollen diesen Frauen und wir wollen vielen Persönlichkeiten auch eine entsprechende Würdigung zukommen lassen. Ich lasse es nicht zu, dass man vielleicht auch aus parteipolitisch motivierten Gründen so manchen Finger und so manche Hand in Wunden legt, die vielleicht nie geschlossen werden können.

Ich glaube, wir sollten hier im Hohen Haus versuchen, Signale und Akte der Ver­söh­nung zu setzen. Und mit diesem Anerkennungspaket machen wir das in der richtigen Weise. – Danke noch einmal. (Beifall bei der ÖVP.)

18.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Scheibner. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


18.55.22

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Werte Frauen Bundesministerinnen! Meine Damen und Herren! Ich habe mir diese Debatte jetzt sehr genau angehört und mich daran erinnert, dass wir in den letzten Wochen und Monaten bei ähnlichen Debatten immer darauf geachtet und auch gemahnt haben, wie die Wortwahl ausfällt, wie man verschiedene Dinge beurteilt und mit welchen Bezeich-


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nungen. Ich glaube, diesen allgemeinen Konsens haben jetzt einige vergessen in dieser Debatte, wenn ich mir vergegenwärtige, was da so gekommen ist: Sauerei, Zynismus – das war, glaube ich, Herr Jarolim –, von einer „Mutterkreuz-Politik“ haben wir heute schon gehört. Das sind ja eher „Trümmermütter“, das ist ein rechtes Gesetz, da schielt man wieder an den rechten Rand, den es irgendwo gibt. „Rechten Boden­satz bei Wahlen“ habe ich noch im Ohr. (Abg. Dr. Jarolim: Verneigung vor dem rechten Rand!) Ja, „Verneigung vor dem rechten Rand“. Danke, Herr Jarolim.

Das alles bitte bei einem Gesetz, bei einem Paket, bei dem es darum geht, noch einmal festzuhalten ... (Abg. Dr. Puswald: Jörg Haider sieht darin seine Handschrift!) – Sie sollten zuhören und sich ein bisschen schämen, Herr Kollege, denn von Ihnen sind diese Ausdrücke auch zum Teil! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das bei einem Gesetz, wo es darum geht, noch einmal festzuhalten, dass dieser etwas missverständliche Begriff „Befreiungsamnestie“ keine Strafamnestie gewesen ist 1946, sondern die Aufhebung aller Gerichtsurteile, die typisch nationalsozialistisches Gedan­kengut umfasst haben, das die Homosexuellen in das Opferfürsorgegesetz mit einbezieht, das für die Widerstandskämpfer eine Jubiläumsgabe zwischen 500 € und 1 000 € umfasst.

Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, ist das in Ihren Augen ein „Schielen auf den den rechten Rand“ oder auf irgendwelchen „Bodensatz“? Meinen Sie das wirklich ernst?! Oder ist das nur der Ausdruck des schlechten Gewissens, dass es 60 Jahre gedauert hat, bis derartige Festlegungen geschaffen wurden und Sie in diesen 60 Jahren in der Mehrheit der Jahre in der Bundesregierung gewesen sind? (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Ist es das vielleicht, was Sie daran hindert, das heute hier voll und ganz zu loben und dem zuzustimmen?

Wenn Sie die Kriegsgefangenenentschädigung kritisieren oder die „Trümmerfrauen“ – ich erinnere: „Trümmermütter“, „Mutterkreuz-Politik“ –: Ja, selbstverständlich hätten wir uns auch gewünscht und könnte man sich vorstellen, dass man allen Frauen, die in der schwierigen Nachkriegszeit am Wiederaufbau unseres Landes alleine gearbeitet haben, eine entsprechende Entschädigung gewährt. Aber wir haben gesagt: We­nig­stens jenen Frauen, die noch dazu kleine Kinder aufziehen mussten (Abg. Öllinger: Nicht einmal das stimmt!) – Sie schütteln den Kopf Herr Kollege Öllinger –, denen wollen wir zumindest einen symbolischen Beitrag geben, vor allem dann, wenn sie zu den sozial Schwächsten gehören.

Und wenn Sie das so abwimmeln – ich gehöre Gott sei Dank, so wie Sie ... (Abg. Öllinger: Nicht einmal das stimmt! Ihre Argumentation stimmt nicht!) Ja, stimmt nicht. Es ist mir egal, ob es stimmt in Ihren Augen oder nicht. Aber wenn ich mir Bilder aus dieser Zeit ansehe, Herr Kollege Öllinger, Bilder von Frauen, die damals die Säuglinge auf dem Rücken getragen haben oder in den Kinderwägen transportiert und zehn, 15 oder 20 Kilometer etwa aus dem großstädtischen Bereich hinaus aufs Land gefahren sind, um dort zu einem Hungerlohn in der Landwirtschaft zu arbeiten, die Holz geklaubt haben und wieder zehn, 15 oder 20 Kilometer in die Städte zurückgekommen sind, wo sie in feuchten Kellern versucht haben, mit ihren Kindern zu überleben, da ist kein Kopfschütteln am Platz! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Da können wir nur dankbar sein. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das waren unsere Großeltern, Herr Kollege Öllinger, die das gemacht haben, und unsere Eltern sind in den Kinderwägen gesessen und in den Tragtüchern gelegen. Da haben wir doch eine Verantwortung, zumindest diesen kleinen symbolischen Akt zu gewährleisten – und hier nicht zu differenzieren und mit Ausdrücken wie „Mutterkreuz-


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Politik“ zu agieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Sburny: Sie tun das ja!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, wenn Sie noch einen Abänderungsantrag einbringen, in dem steht, dass von dieser Zuwendung Frauen ausgeschlossen sind, die gemäß § 4 Verbotsgesetz 1945 als Nationalsozialistinnen registriert worden sind, dann frage ich mich, ob das wirklich das Ziel trifft. Selbstverständlich bekennen wir uns dazu, meine Damen und Herren, dass man schon unterscheiden soll, dass jene, die damals wirklich aktiv und in verbrecherischer Art und Weise tätig waren, von dieser Aner­kennung, von dieser symbolischen Anerkennung ausgeschlossen sind. Das ist auch im Gesetz so umfasst, und Sie wissen das, meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Nein! Ist es nicht!)

Auch in der Erklärung, die diese Frauen unterzeichnen müssen, steht, dass sie nicht rechtskräftig nach dem Verbotsgesetz oder nach anderen Gesetzen verurteilt wurden und dass sie kein Verhalten in Wort oder Tat gesetzt haben dürfen, das mit den Gedanken und Zielen eines freien und demokratischen Österreichs unvereinbar ist. (Abg. Öllinger: Der Herr Gross ist auch nicht rechtskräftig verurteilt!)

Das ist das aktive Tun, das wir nicht fördern wollen, aber, meine Damen und Herren, das, was Sie wollen, ist, dass auch jede Frau, die, aus welchen Gründen auch immer, in einer verurteilenswerten Organisation – keine Frage! – einfaches Mitglied geworden ist, heute, 60 Jahre danach, von dieser kleinen Zuwendung ausgeschlossen wird. Sie wissen aber ganz genau, dass es kein Problem war, dass schwer belastete National­sozialisten in der Zweiten Republik Mitglieder dieses Hauses werden konnten, Mit­glieder von Bundesregierungen werden und Tausende Euro an Pension beziehen konnten – und vielleicht auch heute noch beziehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Meinen Sie den Friedrich Peter?)

Das war kein Problem, aber 300 € möchte man Frauen und Müttern verweigern, die damals zwar Mitglied einer verbrecherischen Organisation, aber ohne verbrecherische Handlungen gewesen sind. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist skandalös!)

Das sehen wir nicht ein, meine Damen und Herren; Sie sollten sich das und Ihr Abstimmungsverhalten noch überlegen.

Kollege Böhmdorfer war entsprechend mit einer Idee dabei, dass wir eine Ent­schließung dahin gehend eingebracht haben, dass die Bundesregierung ersucht wird, noch vorhandene Lücken bei der Entschädigung von Opfern aus dieser furchtbaren Zeit aufzuarbeiten und dort, wo solche auftreten, diese zu schließen. Wir wollen wirklich allen Opfern aus dieser Zeit, solange es noch geht, solange sie am Leben sind, entsprechende Entschädigung und Genugtuung geben – und das werden wir auch tun, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ihre Ablehnung für dieses Gesetz ist für mich unverständlich. Die Argumentation, die Sie gebracht haben, ist beschämend! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Walther zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Geschäfts­ordnung. – Bitte.

 


19.02.58

Abgeordnete Heidrun Walther (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerinnen! Ich möchte tatsächlich berichtigen: Herr Abgeordneter Scheibner hat gesagt, es gehe uns darum, dieses Geld den Frauen und den Müttern zu verwehren. – Das ist unrichtig! (Abg. Neudeck: Dann müsst ihr zustimmen!)


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Es geht uns darum, dieses Geld auch kinderlosen Frauen zukommen zu lassen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.03


Präsident Dr. Andreas Khol: Diesen Redebeitrag, Frau Abgeordnete, hätten Sie ohneweiters wirklich als Redebeitrag halten können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Berichterstatterin/Berichterstatter wünschen kein Schlusswort.

Wir kommen nunmehr zu einer Serie von Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend Anerken­nungsgesetz 2005 samt Titel und Eingang in 1024 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kollegen und Kolleginnen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Dr. Jarolim je ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile des Gesetzentwurfes unter Berücksichtigung der Verlangen auf getrennte Abstimmung und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zunächst zur getrennten Abstimmung über Artikel I § 1 des Gesetz­ent­wurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I § 2 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Artikel I § 2 sowie den Gesetzestitel des Artikels I in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Daher ange­nom­men.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit in dritter Lesung angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1024 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung.


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Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Die Zustimmung wird mit Mehrheit erteilt. Daher angenommen. (E 124.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über einen Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1025 der Beilagen.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Nachdem Herr Abgeordneter Heinzl auch aufgestanden ist, ist das einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Puswald: Was ist das für eine Bemerkung?)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1023 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird, samt Titel und Eingang in 1022 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mittermüller, Steibl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen einen Abän­derungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend § 1 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über § 1 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungs­antrages der Abgeordneten Mittermüller, Steibl, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend den Titel des Gesetzentwurfes sowie den Entfall des § 3 samt der dadurch bedingten Änderung der Paragraphenbezeichnung eingebracht.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Zustimmung wird mit Mehrheit erteilt. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopfer­versor­gungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1013 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Öllinger ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Wir kommen daher zunächst zur Abstimmung über Artikel I des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Nun kommen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel II und Artikel III des Gesetz­ent­wur­fes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

*****

Bevor wir zu den Punkten 10 bis 14 der Tagesordnung kommen, darf ich die Damen und Herren Abgeordneten, weil wir jetzt alle hier sind, darauf aufmerksam machen, dass ich die morgige Sitzung um 9.15 Uhr, nicht um 9 Uhr, sondern um 9.15 Uhr eröffnen werde (Abg. Dr. Puswald: Warum?), da es davor ein Sonderjournal des ORF gibt und daher die Fernsehübertragung der Nationalratssitzung erst um 9.15 Uhr beginnt. Begänne ich um 9 Uhr, kämen die Abgeordneten der Opposition, welche die Debatte einleiten, in der TV-Übertragungszeit nicht zu Wort. Daher: Beginn um 9.15 Uhr! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

*****

19.11.2410. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (969 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfonds­gesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehörden­gesetz geändert werden (1033 d.B.)


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11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (983 d.B.): Bundes­gesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1034 d.B.)

12. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1035 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (984 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschafts­steuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005) (1036 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (981 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1040 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 14 der Tagesordnung, worüber die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Ich bitte, den allgemeinen Geräusch­pegel zu senken! (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.) – Bitte, auch auf der Regierungsbank, das stört ungemein! Ich bitte, Ihre Begrüßungsfreuden (in Richtung von Bundesministerin Mag. Miklautsch, Bundesministerin Haubner, Bundes­minister Mag. Grasser und Staatssekretär Dr. Finz) et cetera in den Gang zu verlegen! Frau Ministerin Miklautsch: Könnte sich bitte die Regierungsbank der ernsthaften Arbeit widmen?!

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Mag. Moser. 3 Minuten. – Bitte.

 


19.13.40

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem sich die Regierung hier durch Verabschiedung schon halb aufgelöst hat (Abg. Rädler – auf leere Bankreihen der SPÖ und der Grünen weisend –: Die Opposition aber auch!), möchte ich folgende Aussage treffen: Wir von der SPÖ werden von diesen fünf Tagesordnungspunkten dreien zustimmen, das sind die Tagesordnungspunkte 10, 13 und 14, weil es sich dabei überwiegend um Umsetzungen von EU-Verordnungen, EU-Richtlinien handelt, weil es auch um Verbesserungen des Anlegerschutzes, der Vereinheitlichungen von Prospekten und der Anpassungen an die wirtschaftlichen Entwicklungen des rechtlichen Umfeldes geht und weil es sich in einem Fall um ein ganz normales Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Rumänien und Österreich handelt.


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Dort, wo wir aber nicht zustimmen werden, das ist bei den Immobilienveräußerungen und bei der Errichtung einer solchen Gesellschaft. Herr Minister, ich frage Sie in diesem Zusammenhang (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist keine Fragestunde!): Warum ist die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft, der so genannten SIVBEG notwendig?

Sie predigen seit fünfeinhalb Jahren Kosteneinsparungen, flache Organisationsstruk­turen, Bürokratieabbau und Effizienzsteigerungen. Und was machen Sie jetzt? – Anstatt diese Aufgaben der Bundesimmobiliengesellschaft zu übertragen, dort eine Projektgruppe einzurichten, die diese Aufgabe für das Verteidigungsministerium über­nimmt und das viel effizienter abwickeln könnte, gründen Sie eine neue Gesellschaft. Sie bauen eine neue Parallelstruktur auf – völlig entgegen Ihren bisherigen Ankün­digungen!

Was bedeutet das? – Das bedeutet 35 000 € Stammkapital, das bedeutet mindestens 30 000 bis 40 000 € an Managergehältern, das bedeutet die Installierung eines Auf­sichtsrates, eines Wirtschaftsprüfers, Büroräumlichkeiten müssen angemietet werden. Wir wissen sowieso wie das mit der austria wirtschaftsservice ist, was das an zusätzlichen Kosten verursacht. Das bedeutet Aufbauarbeit, das braucht Zeit. Und dieser Zeitaufwand bedeutet: Kosten, Kosten, Kosten. Dafür sind Sie verantwortlich, Herr Minister!

Ich frage mich: Was ist an dieser Gesellschaft strategisch? Die Antwort darauf möchte ich auch gerne wissen. Und warum soll diese Gesellschaft Tochtergesellschaften grün­den? – Das ist ein wichtiger Punkt. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Ich verstehe das schon, lieber Kollege, ich habe in solchen Bereichen gearbeitet.

Warum gelten eigentlich Ihre gepredigten Worte nicht mehr? Es drängt sich da für uns schon der Verdacht auf, dass hier wieder beinharte CV-Personalpolitik angesagt ist; es drängt sich der Verdacht auf, dass hier wiederum Günstlinge versorgt werden sollen. (Abg. Neudeck: Na geh!)

Herr Minister, Sie predigen hier Wein und trinken Schampus. Wir Sozialdemokraten treten gegen diese Täuschung an. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.17.00

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da zumindest die große Oppositionspartei die Börsen- und Finanzmarktgesetze nicht bestreitet, sondern im Grunde genommen bereit ist, dabei mitzugehen, möchte ich mich auf das von der Opposition kritisierte Gesetz der Liegenschaftsverwertung aus dem Bundesheer­bereich konzentrieren.

Ich möchte vorweg dazu sagen: Ich bin persönlich noch ganz bewegt von den Bildern, die uns aus London erreicht haben, die ich vor wenigen Minuten am Fernsehschirm gesehen habe. Und das sagt mir einiges, nämlich dass wir Konsequenzen ziehen sollen, nicht nur, was den Terrorismus und seine Ursachen betrifft, dass wir nicht nur Konsequenzen daraus zu ziehen haben, was wir tun müssen, um die Wurzeln des Terrorismus in Zukunft zu beseitigen, sondern auch die Zellen, und auch, was in unserem eigenen Land notwendig ist, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Und dazu gehört auch die entsprechende finanzielle Ausstattung der Sicherheits­einrichtungen wie der Polizei oder insbesondere in diesem Fall des Bundesheeres.


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Die Liegenschaftsverwertung, die heute hier zur Debatte steht, dient unter anderem auch der Finanzierung des österreichischen Bundesheeres. Man muss wissen, wie die gegenwärtige Kasernenstruktur ist, dass es da nicht um Liegenschaften geht, die nach dem üblichen Muster einfach Verwaltungs- oder Wohngebäude sind und am Markt abgesetzt werden können, sondern dass es sich bei fast allen Kasernen um Ein­richtungen handelt, die aus Verwaltungsgebäuden, aus Unterkunftsgebäuden, aus Küchen, aus Werkstätten, aus Garagen, aus Lagerräumen, aus Tankstellen, aus Munitionsdepots, aus Übungsräumen und auch aus Sportstätten bestehen.

Weiters muss man wissen, dass man das nicht nach dem üblichen Schema verwerten kann und dass daher auch eine spezielle Verwertungsgesellschaft nötig ist, die richtig ist. Das noch dazu, wenn man weiß, dass etliche der Gemeinden keine besondere Freude damit haben, sondern durchaus selbst berechtigt sind, eine Umwidmung vorzunehmen – und niemand anderer ihnen das abnehmen kann. Sie wollen da möglicherweise derartige Objekte zur Spekulation nutzen und haben das auch bereits angekündigt.

Da ist es notwendig, dass eine Gesellschaft errichtet wird, die nicht nur auf diese Aufgabe spezialisiert ist, sondern die gleichzeitig auch in der Lage ist, im engsten Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung dafür zu sorgen, dass ein derartiges Pokerspiel nicht begonnen werden kann.

Ich sage daher eines. (Zwischenruf des Abg. Mag. Johann Moser.) – Herr Kollege Moser, nein, ich glaube, dass sich jeder normale Mensch fragt, ob es notwendig ist, dass man eine derartige neue Gesellschaft errichtet und ob das sinnvoll ist. Da bin ich absolut bei Ihnen.

Ich kann nur das eine sagen: Sowohl das Finanzministerium als auch das Landes­verteidigungsministerium haben diese Fragen eingehend geprüft, haben überlegt, alle Für und Wider untersucht und sind nach eingehender Überlegung zur Überzeugung gekommen: Das ist die einzig richtige Vorgangsweise, und daher soll es auch so geschehen.

Ich würde Sie ersuchen, dabei mitzugehen, um nicht die notwendigen Mitteln für die Landesverteidigung zu blockieren. Ich glaube, dass es gerade am heutigen Tage angezeigt ist, alles zu unternehmen, um etwas für die Sicherheit unseres Landes zu tun und unser Bundesheer zu stärken.

Ich ersuche Sie daher, bei dieser Vorlage mitzugehen und mit einem Ja mitzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

19.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


19.20.56

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ich möchte auch nur auf den Tagesordnungspunkt zwölf eingehen und bei meinem Vorredner anschließen. Ich denke, die Bundesheer-Reformkommission hat etwas auf den Tisch gelegt, das durch­aus beachtenswert ist. Man soll sich darum bemühen, dass das möglichst lange ein Vier-Parteien-Konsens bleibt. Bei genauerer Betrachtung ist es natürlich nicht so, dass das dort so fein ziseliert ausgearbeitet wurde, dass genau diese Ausgliederungs­gesellschaftsform gewählt werden muss, um die Kasernenverkäufe zu organisieren.

Unserer Meinung nach – und wir haben uns das auch nicht leicht gemacht – wäre eine andere Konstruktion, vornehmlich eine Abteilung der BIG, das G´scheitere. Man wird bei aller Anerkennung der Besonderheit dieser Vorgänge gewisse Synergieeffekte


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nutzen können. – Da mache ich auch schon den Strich. Das ist der Grund unserer Ablehnung.

Dass die Kasernen und die Liegenschaften dort entsprechend verwertet werden sollen, ist – so denke ich – Konsens. Kollege Pilz hat auch öffentlich dargestellt, dass wir diesbezüglich sogar Vorreiter sind!

Nur wurden im Ausschuss einige Fragen dazu nicht beantwortet! Etwa die – Herr Staatssekretär Finz war an der Stelle, so denke ich, dann schon anwesend –, wie Sie vom Ministerium die Verkaufserlöse, die so generiert werden, einschätzen wollen! Es geht sehr wohl das Finanzministerium etwas an, auch wenn es ein eigener Rechen­kreis im Verteidigungsbudget bleiben soll, weil die Einnahmen wieder unmittelbar dort budgetiert werden sollen. Damit müsste nämlich der sonstige Zuschussbedarf im Verteidigungsbereich nach Adam Riese reduziert werden!

Es kann nicht sein, dass wir ausgerechnet in diesem Bereich die moderne Verwaltung so auf die Spitze treiben, dass beim Verteidigungsbudget derart vorgegangen wird, je nach dem, wie toll sich der Verkauf figuriert. Daher gibt es einen Zusammenhang zum sonstigen Budget.

Die Antworten sind offen; ich erwarte sie mir heute. Die Zeit ist ohnehin vorbei, und Sie werden jetzt meinen Redebeitrag beendet finden. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei der SPÖ.)

19.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.12

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den Tagesordnungspunkt 10, auf das Kapitalmarkt­gesetz beziehen. Erwähnen möchte ich, dass Österreich keine allzu große Tradition im Bereich des Börsenwesens hat und es dieser Bundesregierung gelungen ist, die Wiener Börse in den letzten fünf Jahren aufzuwerten. Diese Änderungen im Börsen­gesetz, im Kapitalmarktgesetz, haben erheblich dazu beigetragen, dass der Kapital­markt Österreich aufgewertet wurde, auch auf Grund der Privatisierungserlöse und Privatisierungspolitik dieser Bundesregierung.

In diesem Bundesgesetz, das hier zur Behandlung steht, geht es darum, mehr Sicher­heit und mehr Vertrauen für die Anleger zu schaffen und im Bereich der Prospekt­wahrheit dafür zu sorgen, dass mehr Geldanleger den Weg zu Wertpapieren finden. Das ist ein richtiger, wichtiger Weg und eine gute Alternative für die Finanzanlage.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass sich alle vier Parteien dieser Formulierung an­schließen und auch das Ziel verfolgen, den Kapitalmarkt Österreich auf diesem Wege zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


19.25.00

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister und Staatssekretär! Herr Kollege Fasslabend, wenn wir die Sichtbegründung ablehnen, dann hat das nichts mit dem Mittelentzug vom Bundesheer und nichts mit einem klaren Bekenntnis zum Bundesheer zu tun. Wir denken einfach, dass es günstiger wäre, dass


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116. Sitzung / Seite 189

im Rahmen der BIG zu gestalten. Ich denke auch, dass die Gemeinden ein großes Interesse haben, letztlich eine Art Standortentwicklung zu betreiben, die eine gewisse Nachhaltigkeit sichert.

Genauso geht es um die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen. In diesem Fall um Grundstücksflächen in Essling, Rutzendorf und Kaisersteinbruch, wo wir auch die Ablehnung wählen, weil es in Wirklichkeit ein Verkauf von einer Tasche in die andere ist. Letztlich wurden diese Flächen bereits jetzt den Bundesversuchs­wirtschaften eingeräumt und stehen dieser zur Verfügung.

Wir wollen auf etwas ganz Grundsätzliches hinweisen, dass es nämlich in Wahrheit ein Budgettrick ist, denn wenn man von der BIG in den anderen Bereich der Versuchs­anstalt wechselt, so bedeutet das, dass die Bundesdefizite zu jenen der ausge­glie­derten Entwicklungsgesellschaft gehen. Dadurch wird das Ausmaß der Nettoneu­verschuldung verschleiert und durch die Zinsen und Tilgungen belastet es nachhaltig die ausgegliederten Einrichtungen.

Das bedeutet letztlich, dass diese Gelder zusätzlich zu schlechteren Bedingungen aufgenommen werden, als die Republik das könnte. Das heißt, in jedem Fall ist es ein schlechtes Geschäft für den Steuerzahler, und daher wird das von uns abgelehnt. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.26.50

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In zwei Minuten kann man zwar reden, aber nicht wirklich sehr viel sagen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Oh doch!) Daher werde ich mich auf einen Aspekt konzentrieren. Da hat Herr Kollege Bucher schon gute Vorarbeit geleistet, und ich werde das gerne noch ergänzen beziehungsweise pointieren.

Die Novelle zum Kapitalmarkt- und Börsegesetz ist deswegen so wichtig, weil wir damit etwas schaffen, was den grenzüberschreitenden Handel der Wertpapiere wesentlich fördern und erleichtern wird: eine Art europäischen Pass für Wertpapierprospekte. Jene gleichmäßige und vollständige Information über Wertpapiere dient zweifellos besonders dem Anlegerschutz – das wurde schon gesagt – und erhöht das Vertrauen in die Wertpapiere als solches. So wird sie für das reibungslose Funktionieren und die weitere positive Entwicklung nicht nur der Wertpapiermärkte, sondern besonders des Börseplatzes Wien sorgen.

Diese Bundesregierung hat es mit ihren bisherigen Initiativen geschafft, dass die Börse Wien, die sich lange Zeit in einem Dornröschenschlaf befunden hat, nicht nur die Traum­grenze von 3 000 ATX-Punkten durchstoßen hat, sondern die best-performende Börse in ganz Europa ist! Wie der Volksmund sagt: Von nichts kommt nichts! – Damit es noch ein bisschen besser wird, haben wir heute dieses Gesetz vorgelegt und sind froh darüber, dass in diesem Fall auch die Opposition erkannt hat, welche Verant­wortung sie trägt und daher diesem Gesetz zustimmt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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Stenographisches Protokoll
116. Sitzung / Seite 190

19.28.59

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In der Bundesheer-Reformkommission ist man übereingekommen, bis zu 40 Prozent der Liegenschaften und Gebäude ver­äußern zu können. Der Finanzminister und der Verteidigungsminister haben sich darauf geeinigt, dass die Erlöse dem Verteidigungsbudget zugeführt werden. Nun soll eine Gesellschaft zur Verwertung dieser Liegenschaften gegründet werden. Wer sonst als die BIG, die sich durch ihre Erfahrungen bewährt hat und ihre entsprechenden Experten einbringt, und natürlich auch die Vertreter des Eigentümers der Landes­verteidigung, Teile des Bundesheeres, sollen zusammen diese Gesellschaft bilden.

Ich denke, dies ist eine vernünftige Vorgangsweise mit dem Ansatz, sich von der Kameralistik zu lösen, um entsprechend marktkonform vorgehen und kaufmännische Grundsätze umsetzen zu können.

Um der Entwicklung dieser Flächen, dieser schwierigen Liegenschaften Rechnung zu tragen, wird natürlich Wert darauf gelegt, dass man mit Bürgermeistern, Gemeinde­räten und Firmen gemeinsam die Entwicklung und die Verkaufserlöse bespricht und zu einem gemeinsamen positiven Ziel bringt. – Das ist ebenfalls ein Vorhaben, das sich sehen lassen kann. Auch eine Beendigung ist in Aussicht gestellt, nämlich nach Tätigung der Verkäufe wird auch diese Gesellschaft wieder aufgelöst werden.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist das eine überlegte Angelegenheit und Sie sollten im Sinne der Kapitalzuführung für das Bundesheer Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.31.00

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zur vorliegenden Regierungsvorlage auch noch einen Abänderungsantrag einbringen, ein Antrag, der die Regierungsvorlage 983 betrifft, in der Fassung des Finanzausschusses 1034 der Beilagen.

Dieser Antrag lautet:

1. Der Gesetzestitel wird wie folgt geändert:

Bundesgesetz über die Übertragung und Veräußerung von unbeweglichem Bundes­ver­mögen.

2. § 2 lautet:

§ 2 (1) Die in der Anlage B angeführten Liegenschaften gehen in das Eigentum der Veterinärmedizinischen Universität Wien über.

(2) Die Eigentumsbezeichnung ist von den Gerichten und von Amts wegen auf „Veterinärmedizinische Universität“ zu berichtigen.

3. Es wird folgender § 3 eingefügt:

§ 3 (1) Mit der Vollziehung des § 1 ist der Bundesminister für Finanzen im Ein­vernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft und dem Bundesminister für Landesverteidigung betraut.


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116. Sitzung / Seite 191

(2) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 1 ist der Bundesminister für Finanzen im Ein­vernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft betraut.

(3) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 2 ist der Bundesminister für Justiz im Einver­nehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasser­wirtschaft betraut.

(4) Es wird folgende Anlage B angefügt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, der Antrag wurde, weil er so umfangreich ist, verteilt. Sie haben ihn bereits in den Kernpunkten erläutert und damit der Geschäftsordnung genüge getan.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Sie sind am Wort.

 


Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Damit kann ich mir ersparen, die Grundstücke in den Katastralgemeinden Gainfarn, Großau, Berndorf I und II, Furth sowie Pottenstein einzeln vorzutragen.

Ich bin der Meinung, dass dieser Abänderungsantrag bedeutend besser ist als das ursprüng­liche Vorhaben, bei dem 1 900 000 m² aus dem Besitz der Veterinär­medizi­nischen Universität ihres heutigen Bestandes aus dem Hochschulgut an umliegende Grundeigentümer hätten verkauft werden sollen (Abg. Neudeck: Das ist nicht „einig’gangen“, Herr Präsident!) und damit die Forschungstätigkeit im Bereich der Großtierpraxispraxis und der Großtierforschung in Österreich eindeutig nicht mehr hätte stattfinden können.

Ich bin dafür auch dem Herrn Kollegen Stummvoll dankbar, dass es in letzter Minute möglich war, diesen sinnvollen Antrag einzubringen. Ich bitte auch die Opposition, diesen Teil zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Mag. Haupt, Kolleginnen und Kollegen zur Regie­rungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (983 d.B)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage 983 d.B in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1034 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. Der Gesetzestitel lautet wie folgt:

„Bundesgesetz über die Übertragung und Veräußerung von unbeweglichem Bundes­vermögen“

2. § 2 lautet:

„§ 2. (1) Die in der Anlage B angeführten Liegenschaften gehen in das Eigentum der Veterinärmedizinischen Universität Wien über.

(2) Die Eigentümerbezeichnung ist von den Gerichten von Amts wegen auf „Veterinärmedizinische Universität Wien“ zu berichtigen.“

3. Es wird folgender § 3 eingefügt:


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116. Sitzung / Seite 192

„§ 3. (1) Mit der Vollziehung des § 1 ist der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und dem Bundesminister für Landesverteidigung betraut.

(2) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 1 ist der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut.

(3) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 2 ist der Bundesminister für Justiz im Einver­nehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft betraut.“

4. Es wird folgende Anlage B angefügt:

„Anlage B

Katastralgemeinde

EZ

GSt-Nr.

Fläche in m2


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116. Sitzung / Seite 193

04005  Gainfarn

6

3207

1.449

04005  Gainfarn

6

3209/6

1.667

04005  Gainfarn

6

3209/7

1.906

04005  Gainfarn

197

3178

12.992

04005  Gainfarn

197

3181

1.665

04005  Gainfarn

197

3182/1

72.554

04005  Gainfarn

197

3182/2

47.836

04005  Gainfarn

197

3183

1.013

04005  Gainfarn

197

3184

896

04005  Gainfarn

197

3185/1

69.028

04005  Gainfarn

197

3185/3

61.110

04005  Gainfarn

197

3186

697

04005  Gainfarn

197

3187

1.248

04005  Gainfarn

197

3188/1

62.443

04005  Gainfarn

197

3188/2

51.860

04005  Gainfarn

197

3189

1.114

04005  Gainfarn

197

3190

525

04005  Gainfarn

197

3192

67.886

04005  Gainfarn

197

3194

6.616

04005  Gainfarn

197

3195

180

04005  Gainfarn

197

3196/2

2.158

04005  Gainfarn

197

3196/3

2.205

04005  Gainfarn

197

3197/3

445

04005  Gainfarn

197

3197/4

432

04005  Gainfarn

197

3198

203

04005  Gainfarn

197

3199/1

1.881

04005  Gainfarn

197

3199/2

1.038

04005  Gainfarn

197

3200

803

04005  Gainfarn

197

3201

1.652

04005  Gainfarn

197

3202

978

04005  Gainfarn

197

3203

396

04005  Gainfarn

197

3204

910

04005  Gainfarn

197

3205/1

2.374

04005  Gainfarn

197

3205/2

2.575

04005  Gainfarn

197

3205/3

3.269

04005  Gainfarn

197

3206

1.482

04005  Gainfarn

197

3209/1

104.461

04005  Gainfarn

197

3209/2

22.995

04005  Gainfarn

197

3209/3

629

04005  Gainfarn

197

3209/4

827

04005  Gainfarn

197

3209/5

1.509

04005  Gainfarn

197

3210

546

04005  Gainfarn

197

3211

1.007

04005  Gainfarn

197

3212

70.597

04005  Gainfarn

197

3213

869

04005  Gainfarn

197

3214/1

48.791

04005  Gainfarn

197

3217/2

15.235

04005  Gainfarn

197

3218

281

04005  Gainfarn

197

3219

20.735

04005  Gainfarn

197

3220

12.823

04005  Gainfarn

197

3221

9.239

04005  Gainfarn

197

3222

58.758

04005  Gainfarn

197

3223

899

04005  Gainfarn

197

3224

27.216

04005  Gainfarn

197

3225/1

35.975

04005  Gainfarn

197

3225/2

36.278

04005  Gainfarn

197

3225/3

11.000

04005  Gainfarn

197

3226

481

04005  Gainfarn

197

3227

67.309

04005  Gainfarn

197

3311

92.247

04005  Gainfarn

197

3317

910

04005  Gainfarn

197

.228

4.676

04005  Gainfarn

197

.229

388

04005  Gainfarn

197

.232

691

04005  Gainfarn

3315

3307

874

04009  Großau

258

454/2

30.659

04009  Großau

258

455

10.395

04009  Großau

258

596/1

526

04009  Großau

258

596/2

46.770

04009  Großau

258

596/3

2.611

04009  Großau

258

596/4

18.526

04009  Großau

258

596/5

2.278

04009  Großau

258

596/6

32.680

04009  Großau

258

620

5.817

04302  Berndorf I

140

539/1

39.373

04302  Berndorf I

140

539/3

49.652

04302  Berndorf I

140

.671

143

04302  Berndorf I

140

.672

144

04302  Berndorf I

140

.673

919

04302  Berndorf I

934

547/1

11.258

04302  Berndorf I

934

547/2

24.924

04302  Berndorf I

934

566

1.831

04302  Berndorf I

934

.546

711

04302  Berndorf I

1339

540/2

68.374

04302  Berndorf I

1339

540/3

287

04303  Berndorf II

627

624

15.664

04303  Berndorf II

627

625

1.542

04303  Berndorf II

1367

622

75.608

04303  Berndorf II

1367

623/1

10.138

04303  Berndorf II

1367

623/2

6.394


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
116. Sitzung / Seite 194

04309  Furth

107

398

1.068


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
116. Sitzung / Seite 195

04309  Furth

107

399

9.729

04309  Furth

107

400/2

1.161

04309  Furth

107

401

4.755

04309  Furth

107

402

241

04309  Furth

107

405

647

04309  Furth

107

406

4.683

04309  Furth

107

407

924

04309  Furth

107

409

3.912

04309  Furth

107

410

5.708

04309  Furth

107

413

5.506

04309  Furth

107

414

1.928

04309  Furth

107

415

6.456

04309  Furth

107

418

10.008

04309  Furth

107

419

6.172

04309  Furth

107

420

3.830

04309  Furth

107

421

2.352

04309  Furth

107

422

2.241

04309  Furth

107

423

2.018

04309  Furth

107

424

4.352

04309  Furth

107

425

3.751

04309  Furth

107

428

4.920

04309  Furth

107

429

9.287

04309  Furth

107

430

3.802

04309  Furth

107

431

2.503

04309  Furth

107

432

14.268

04309  Furth

107

433

2.072

04309  Furth

107

437/2

1.457

04309  Furth

107

438

7.690

04309  Furth

107

439

3.571

04309  Furth

107

440

12.685

04309  Furth

107

441

12.024

04309  Furth

107

444

3.014

04309  Furth

107

445

9.162

04309  Furth

107

446

12.167

04309  Furth

107

447

7.330

04309  Furth

107

448

1.877

04309  Furth

107

450/1

7.690

04309  Furth

107

450/2

7.431

04309  Furth

107

453

1.422

04309  Furth

107

454

10.042

04309  Furth

107

456/1

2.410

04309  Furth

107

457

8.397

04309  Furth

107

462/1

35.927

04309  Furth

107

462/2

937

04309  Furth

107

465

3.899

04309  Furth

107

466/1

10.029

04309  Furth

107

470/1

12.233

04309  Furth

107

471

9.243

04309  Furth

107

472

5.409

04309  Furth

107

474/1

9.730

04309  Furth

107

474/2

1.643

04309  Furth

107

478

3.165

04309  Furth

107

480

40.203

04309  Furth

107

486

48.986

04309  Furth

107

489

23.134

04309  Furth

107

490

1.748

04309  Furth

107

492/1

3.784

04309  Furth

107

492/2

2.046

04309  Furth

107

494

2.079

04309  Furth

107

495

7.877

04309  Furth

107

496

3.992

04309  Furth

107

497

17.758

04309  Furth

107

498

13.415

04309  Furth

107

499

22.579

04309  Furth

107

500

5.270

04309  Furth

107

504

2.910

04309  Furth

107

509/2

1.422

04309  Furth

107

510

10.445

04309  Furth

107

536

4.151

04309  Furth

107

540

2.468

04309  Furth

107

541

770

04309  Furth

107

542

4.176

04309  Furth

107

547

102.287

04309  Furth

107

1202

6.113

04321  Pottenstein

48

123/1

3.527

04321  Pottenstein

48

126/1

15.232

04321  Pottenstein

48

126/2

3.220

04321  Pottenstein

48

126/3

8.837

04321  Pottenstein

48

126/4

3.241

04321  Pottenstein

48

126/5

6.626

04321  Pottenstein

48

126/6

2.145

04321  Pottenstein

48

126/7

7.180

04321  Pottenstein

48

176/1

1.862

04321  Pottenstein

48

176/3

1.384

04321  Pottenstein

48

176/4

836

04321  Pottenstein

73

188/1

3.359

04321  Pottenstein

73

189/1

104.618

04321  Pottenstein

454

131/3

2.694

04321  Pottenstein

454

165/2

22.355

04321  Pottenstein

454

166

15.928

04321  Pottenstein

454

169

12.574

04321  Pottenstein

454

171

14.592

04321  Pottenstein

454

179

12.574

04321  Pottenstein

454

182

17.850

04321  Pottenstein

454

187/1

11.270

04321  Pottenstein

454

188/4

1.852

04321  Pottenstein

454

188/5

2.140

04321  Pottenstein

953

192/10

69.416

04321  Pottenstein

953

192/14

47.683

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.33.41

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wenn Herr Kollege Moser und Herr Kollege Bauer Bedenken an­gemeldet haben, dass mit dem Bundesgesetz über die Errichtung einer strate­gischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung eine Spielwiese für Politpensionäre oder so eingerichtet werden solle, so mag sich der Verdacht vielleicht aufdrängen, weil man mit diesem Titel am Immobilienmarkt und am freien Markt nicht bestehen wird, weil SIVBEG kein positiv besetzter Name sein wird.

Grundsätzlich ist dieses Gesetz aber sinnvoll, weil – Herr Kollege Fasslabend hat schon darauf hingewiesen – im Spannungsfeld zwischen widmenden Gemeinden und veräußerndem Bund eine sehr sachkundige und, ich würde sagen, unabhängige Führung in dieser Gesellschaft notwendig ist, um auch wirklich ein Ziel zu erreichen, das gewünscht ist, um dem Bundesheer Mittel für Liegenschaften und Kasernen zuzu­führen, die für den jetzigen Gebrauch nicht mehr notwendig sind.


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116. Sitzung / Seite 196

Herr Kollege Moser, Herr Kollege Bauer, ich glaube, dass dies ein modernes Gesetz ist, das ein Vehikel beinhaltet, Fehler, die bei bisherigen Verkäufen passiert sind, zu verhindern. Ich ersuche auch Sie von Ihrer Fraktion, im Sinne einer positiven Entwick­lung des Heeresbudgets für Zustimmung zu diesem Gesetz zu werben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 1 Minute. – Bitte.

 


19.35.44

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Diese eine Minute werde ich dazu verwenden, diesen Abänderungs­antrag, der leider Gottes sehr spät eingebracht wurde, daher von uns auch nicht im Vorfeld in der Diskussion beurteilt werden konnte, jetzt zu beurteilen.

Dieser Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Mag. Haupt würde, weil er ein vernünftiger Ansatz ist und für die Zukunft der Veterinärmedizinischen Uni­versität und die Ausbildung unserer zukünftigen Tierärztinnen und Tierärzte wichtig ist, unsere Zustimmung finden.

Auf Grund eines Abänderungsantrages zu einer Regierungsvorlage, in der unbeweg­liches Bundesvermögen veräußert wird, und zwar das der Bundesversuchsanstalten, die jedoch nicht in der Lage sein werden, diese Gelder aufzubringen, und man dort nicht den vernünftigen Weg gewählt hat, diese Grundstücke zu übertragen und damit die Lebensfähigkeit auch dort zu gewährleisten, können wir allerdings diesem Abän­derungsantrag, da er nicht getrennt abgestimmt wird, nicht die Zustimmung geben, obwohl wir möchten. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, tut mir eigentlich Leid.

Es tut mir das ehrlich Leid, denn diesem Abänderungsantrag, Herr Kollege Haupt, hätten wir gerne unsere Zustimmung gegeben. Da er allerdings an eine Regierungs­vorlage angehängt ist, die nicht unseren Intentionen entspricht, ist das leider nicht möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über einen Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1033 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzesentwurf zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. – Auch das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen in 983 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Mag. Haupt, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.


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116. Sitzung / Seite 197

Herr Kollege Gradwohl, Sie wollten dem zustimmen, stimmen aber nicht zu und haben keine getrennte Abstimmung verlangt! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) – Haben Sie nicht. Ich habe es so verstanden. (Abg. Gradwohl: Wenn es möglich wäre, hätte ich gerne eine beantragt!) – Jetzt nicht mehr. (Rufe bei der ÖVP: Jetzt nicht mehr!)

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages abstim­men lassen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 983 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Mag. Haupt, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Daher auch in dritter Lesung angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwer­tungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen sowie das Bundesministeriengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1035 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend VAG-Novelle 2005 samt Titel und Eingang in 1036 der Beilagen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Frau Mag. Lunacek, Sie wollen nicht zustimmen? Okay! – Mehrstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mehrstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über einen Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, Abkommen mit Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll in 981 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Wer die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Die Zustimmung wird ein­stimmig erteilt.

19.41.0515. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (992 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge-


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116. Sitzung / Seite 198

setz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­ge­setz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundes­gesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Indus­trieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungs­verwal­tungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundes­finan­zierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 (1037 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wird verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. Er wünscht sich 4 Minu­ten, wird aber kürzer sprechen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.41.35

 


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 ist die konsequente Fortsetzung einer erfolgreichen wirtschaftspolitischen Strategie seit der politischen Wende im Jahr 2000.

Ich darf darauf hinweisen, dass diese Regierung und diese Parlamentsmehrheit jedes Jahr Impulse gesetzt haben, um Wachstum und Beschäftigung zu verstärken: Dies geschah im Jahr 2001 durch das Konjunkturpaket I, im Jahr 2002 durch das Konjunk­turpaket II, im Jahr 2003 durch das Wachstums- und Standortpaket, im Jahr 2004 durch die erste Etappe der Steuerreform, im Jahr 2005 durch die zweite Etappe der Steuerreform und jetzt durch dieses Beschäftigungs- und Wachstumspaket 2005.

Meine Damen und Herren, das ist kein Zufall! Das sehen wir, wenn wir heute die Zahlen vergleichen. Ziehen wir einen Vergleich mit unserem Nachbarland, das immer noch unser wichtigster Handelspartner ist. Es ist kein Zufall, dass wir ein doppelt so hohes Wachstum, eine halb so hohe Arbeitslosigkeit und ein halb so hohes Defizit haben. Vielmehr ist das die Konsequenz dieser Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, die jedes Jahr versucht hat, Impulse gegen einen internationalen Trend zu setzen, was für ein kleines Land sehr schwierig ist. Wir wissen, dass in Europa eine Wachstumsschwäche besteht, und wir wissen, dass wir hier gegensteuern müssen. Ich habe es bereits aufgezählt: Diese Bundesregierung hat jedes Jahr entsprechende Impulse gesetzt, und daher haben wir wesentlich bessere Wirtschaftsdaten als vergleichbare Länder, meine Damen und Herren!

Ich möchte zwei Punkte aus diesem Paket hervorheben.

Erster Punkt: Uns ist bewusst, dass der dynamischste Wachstumsfaktor Forschung, Entwicklung und Innovation sind. Wir haben in diesem Bereich in den letzten Jahren, wie ich meine, einen Quantensprung bewirkt: Es erfolgten eine Neuorganisation der Forschungslandschaft, eine steuerliche Forschungsförderung in Etappen anhand der Erhöhung des Forschungsfreibetrags von 10 Prozent über 15 Prozent auf 25 Prozent und eine Erhöhung der Forschungsprämie von 3 Prozent über 5 Prozent auf 8 Prozent.

Wir setzen mit diesem Paket einen qualitativ neuen Aspekt, indem nämlich auch die Auftragsforschung, bei welcher der Betrieb nicht selber forscht, ebenfalls steuerlich begünstigt wird. Und mittels eines Abänderungsantrags, den meine Kollegin Gabi Tamandl einbringen wird, wird auch noch ein spezifischer Schwerpunkt gesetzt, indem der jeweils auftraggebende Betrieb, also der Klein- und Mittelbetrieb, der den Auftrag


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116. Sitzung / Seite 199

gibt, diesen Forschungsförderungsfreibetrag, der mit einer Bemessungsgrundlage von 100 000 € begrenzt ist, in Anspruch nehmen kann.

Dass wir Forschung, Entwicklung und Innovation in diesem Land erleichtern und damit verstärken, ist ein weiterer wichtiger Impuls, weil das zweifellos ein unglaublich dyna­mischer Wachstums- und Beschäftigungsfaktor ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte über einen Punkt noch kurz berichten, der mir seit vielen Jahren ord­nungspolitisch ein Anliegen war. Ich habe das in der Vergangenheit wiederholt gesagt.

Ich habe ordnungspolitisch immer die Auffassung vertreten, dass der Staat, der letztlich Steuergesetzgeber ist, für das Vorsorgedenken der Menschen Anreize geben sollte. Ich habe in diesem Zusammenhang immer gesagt, dass die Wahlmöglichkeit des Einzelnen erhalten bleiben soll, weil die Bedarfssituation eine unterschiedliche ist: Für den einen ist es wichtig, für den Bereich des Wohnens vorzusorgen, für den Nächsten ist es wichtig, für den Bereich Bildung vorzusorgen, der Dritte meint, für ihn sei es wichtiger, etwa für den Bereich der Pflege vorzusorgen.

Mit dieser Novelle schaffen wir es, dieses Modell zu verwirklichen, das heißt, wir schaf­fen entsprechende Anreize, und der Einzelne hat die Wahlmöglichkeit, wofür er diese Anreize verwendet. Das ist für mich ordnungspolitisch ein Durchbruch, ein neuerlicher Quantensprung im Bereich der Förderung von Eigeninitiative, Eigenvorsorge und Eigenverantwortung. Ich stimme mit Freude diesem Gesetzespaket zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Matznetter. Wunschredezeit: 4 Minuten. (Abg. Neudeck: Die Wegzeit ist mit eingerechnet!) – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


19.45.31

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich meine, Kollege Stummvoll hat wieder einmal eine sehr ähnliche Rede wie vor vielen, vielen Jahren weit zurück in den neunziger Jahren gehalten. Ich finde es schön, dass Sie immer loben, was die Bundesregierung tut! Das ist schön! Was allerdings weniger schön ist, sind die Fakten, wie sie auf dem Tisch liegen.

Wir haben im ersten Quartal 2005 eine katastrophale Wirtschaftswachstumssituation. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) – Herr Kollege, das ist genau jene Einstellung, die uns dorthin führt! Statt dass wir hier ernsthaft darüber diskutieren, was wir tun sollten, beschränken Sie sich auf Schönreden und Zwischenrufe quasi in der Art: Was erzählt ihr denn?

Das Problem, dass wir nur 0,2 Prozent Wachstum haben, bedeutet nämlich, Herr Kol­lege, dass wir weiter steigende Arbeitslosenzahlen haben. Seit dem Jahr 1998 hatten wir jetzt im letzten Monat die höchste Arbeitslosigkeit. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Herr Kollege, ich sage Ihnen auch, was vor allem ärgerlich ist. – Kollege Stummvoll sagt, dass das Wachstum hier zum Glück noch höher als in Deutschland ist. Wissen Sie, wie hoch das Wachstum im ersten Quartal war, Herr Kollege? (Abg. Dr. Stumm­voll: Nennen Sie Zahlen für ein ganzes Jahr!) Das sind die einzigen Zahlen, die wir haben! Das Wachstum war in Deutschland dreimal so hoch wie in Österreich, und diese Quartalszahl allein zeigt die Wirkung Ihrer Steuerreform: Mit 0,2 Prozent Wachstum sind wir Schlusslicht in der Europäischen Union! (Zwischenruf des Abg.


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Mag. Ikrath.) In den ersten Monaten, in denen sich die Wirkung der Steuerreform zeigen soll, ist der Ergebnisbefund unzureichend! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich möchte an dieser Stelle gleich zu dem Paket kommen. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Mag. Ikrath.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Ikrath, ich ermahne regelmäßig den Abgeordneten Matznetter, nicht aus der letzten Bank jeden Redner ständig zu stören! Machen Sie jetzt nicht den gleichen Fehler! Ich erteile Ihnen leichter einen Ordnungsruf als Herrn Abgeordnetem Matznetter.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Matznetter.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Der Herr Bundeskanzler der Republik hat mit seinem Gipfel auf den 1. Mai gewartet. Wir alle wissen, warum er ein so symbolträchtiges Datum gewählt hat. Besser wäre es gewesen, diesen Gipfel früher abzuhalten. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, denen man zustimmen kann. Es gilt aber: Viele waren zu wenig, zu wenig kräftig oder erfolgten zu spät.

Kurz zu jenen Maßnahmen, die funktionieren: Wir sind für die Ausweitung der Auftrags­forschung. Das bringt der mittelständischen Wirtschaft etwas.

Wir sind zwar nicht gegen Pflege und Bildung, diesbezüglich sollten wir uns etwas überlegen. Wir sind aber dagegen, wenn man eine Gießkanne aus einem Bausparkas­sendarlehen macht, wobei die Betroffenen dann womöglich eine Bankgarantie und eine hypothekarische Besicherung beibringen müssen, weil die Bausparkassen Schwierigkeiten haben, ihre Darlehen unterzubringen. Ganz ehrlich: Eine Gießkanne gehört in den Garten und nicht in die Gesetzwerdung!

In diesem Sinne sagen wir zu einem Teil ja und zu einem Teil nein. Die Um­satzsteuergesetzverschärfungen, die Möglichkeit, in Illegalität durchgeführte Betätigun­gen abzustellen und eine bessere Strafverfügung zu machen, werden von uns begrüßt. Dem werden wir auch zustimmen.

Dem Budget stimmen wir nicht zu, auch nicht den Änderungen. Dem ÖIAG-Gesetz stimmen wir auch nicht zu, und ich sage gleich, warum.

Es heißt immer wieder, dass man nichts auf Pump machen soll. Ich frage Sie: Was ist denn das bitte anderes? Ärgerlich daran ist noch dazu, dass alle am 1. Mai hören: Jetzt wird eine Milliarde € als Forschungsanleihe sofort zur Verfügung gestellt. (Abg. Bucher: Das stimmt ja nicht!) Was stellt sich jedoch jetzt heraus, wenn Sie das vorlegen? – Sie erfolgt stückerlweise! Und noch dazu wissen wir, dass die ÖIAG diese in dieser Form, die jetzt hergestellt wird, nicht durchführen können wird. Es hätte nämlich die Republik das notwendige Geld aufzunehmen und sofort einzusetzen gehabt. – Das war leider zu kurz gegriffen und zu wenig!

Summa summarum werden wir uns leider wieder mit den schlechtesten Ländern der Europäischen Union um den schlechtesten Platz balgen müssen. Wir werden nicht über dem Durchschnitt sein. Wir werden leider nicht bei den Briten und bei den Skan­dinaviern vorne sein! Das verhielt sich in sozialdemokratischer Zeit so, diesbezüglich hatte Kollege Stummvoll damals mit seinem Lob Recht!

Jetzt haben Sie leider nicht mehr Recht, aber vielleicht kommt eine anders geführte Regierung, dann können Sie weitermachen, Herr Kollege, dann ist es wieder richtig! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50



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116. Sitzung / Seite 201

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Seine Wunschredezeit ist 5 Minuten. Die Grünen haben insgesamt noch 15 Minuten Redezeit.

Nein, entschuldigen Sie, Herr Kollege Kogler! Herr Abgeordneter Bucher gelangt vor Ihnen zu Wort! (Abg. Mag. Kogler: Das habe ich mir fast gedacht! Aber ich bin so autoritätsgläubig! – Heiterkeit.)

Kommen Sie herauf zu mir, Sie bekommen 1 €! (Abg. Mag. Kogler: Den schenke ich dem Grasser!)

Herr Abgeordneter Josef Bucher, Sie haben 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


19.50.38

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein Vor­redner Stummvoll hat schon darauf hingewiesen, dass diese Bundesregierung immer zeitgerecht auf die Konjunkturschwächen reagiert hat. Ich bin aber nicht der Ansicht des Kollegen Matzenetter. (Abg. Mag. Wurm: Matznetter!) Entschuldigung! Ich bin nicht der Ansicht Matznetters, dass diese Maßnahmen zu wenig greifen.

Ich glaube, wir hatten im Finanzausschuss eine sehr gute Gesprächsebene und einen sehr guten Dialog und sind in vielen Bereichen einer Meinung. Wir sind natürlich immer besorgt, was die konjunkturelle Entwicklung betrifft, aber es ist nicht richtig, von einer Katastrophenstimmung zu sprechen. Richtig ist, dass sich das erste Quartal vom Wachstum her nicht so entwickelt hat, wie wir uns das vorgestellt haben, aber es ist auch zu voreilig, Schlüsse zu ziehen, bevor die Halbjahresbilanz vorliegt.

Ich glaube, dass diese Bundesregierung gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft und allen Beteiligten und auch den hier im Parlament vertretenen Parteien im Zuge des Reformdialogs mit dem Wirtschafts- und Beschäftigungspaket am 2. Mai eine sehr gute Basis geschaffen hat.

Ich glaube, dass diese Maßnahmen auch greifen werden, die im Wesentlichen in zwei Zielrichtungen gehen: Einerseits erfolgt eine Bekämpfung der Scheinselbständigkeit und auch eine Betrugsbekämpfung auf dem Arbeitsmarkt, andererseits soll die Mittel­standsoffensive dafür sorgen, dass Forschung und Entwicklung vor allem auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt wahrgenommen werden. Letzteres war für uns ein sehr wichtiger Punkt: dass nämlich dafür gesorgt wird, dass auch die klei­nen Betriebe etwas davon haben, wenn sie sich mehr um Forschung und Entwicklung annehmen. Das ist, wie wir wissen, die Grundlage für eine gute zukünftige wirt­schaftliche Basis der Betriebe.

Außerdem ging es uns, wie gesagt, auch darum, dass vor allem im Bereich des Miss­brauchs bei der Beschäftigung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um etwa der KIAB im Baugewerbe Mittel und Möglichkeiten in die Hand zu geben, dass die Beschäftigung besser kontrolliert werden kann.

Diese Maßnahmen und vor allem dieses Gesetz werden dafür sorgen, dass auch wesentliche Konjunkturwachstumstendenzen im Bereich von 0,3 Prozent des BIP zum Tragen kommen werden. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Wachstumspaket wichtig und richtig ist für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler: 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Beifall des Abg. Dr. Pirklhuber.)

 



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116. Sitzung / Seite 202

19.53.42

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Zuerst muss mich noch entschuldigen, weil ich vorher so einfach „der Grasser“ gerufen habe. – Ich wollte natürlich sagen: Der Herr Finanzminister, denn erstens ist das höflicher, zweitens allerdings würde ein derartiger Transfer Sie wahrscheinlich vor mittlerweile schon bekannten Turbulenzen bewahren, wenn ganz klar ist, dass das ein Transfer an den Staat und nicht an den Herrn Privatmann Grasser ist. Aber möglicherweise hätten wir dann eine Malversation zu teilen gehabt!

Eigentlich gehe ich jetzt aber sehr fahrlässig mit meinen 5 Minuten um.

Die Fragestellung bei diesem großen Konvolut, warum sich hier Kraut und Rüben wieder finden, ist, wenn man auf den 1. Mai rekurriert – es wurde jedenfalls immer so dargestellt, dass die Dinge da in irgendeiner Form zusammenhängen –, irgendwie einerseits erklärlich. Andererseits fragt man sich doch, ob das schon die ganze Weis­heit der Wachstums- und Innovationspolitik ist.

Ich darf zu dieser ewigen Streiterei um Zahlen wie vorher noch einmal festhalten, dass wir schon erkennen, dass in einigen Bereichen Österreich ganz gut dasteht. Wir weisen an dieser Stelle aber immer darauf hin, dass man natürlich die Veränderungs­raten solcher Größen im Auge haben muss, etwa bei Quoten wie Arbeitslosenquoten. Diesbezüglich verhält es sich nun einmal tatsächlich so, dass wir bei vielen Verände­rungsraten eigentlich nach hinten fallen, auf jeden Fall betreffend die Arbeitslosenquote und erst recht betreffend die absolute Zahl der Arbeitslosen. – Ich hoffe, dass ich damit auch den Geschmack meines Kollegen Öllinger getroffen habe, denn wir unterhalten uns öfters auch bei uns darüber, was hier die richtige Maßzahl ist.

Faktum ist: Wenn wir die absolute Anzahl der Arbeitslosen und den absoluten Zuwachs der Zahl der Arbeitslosen heranziehen, dann befinden wir uns im europäischen Spitzen­feld, wenn man die letzten vier bis fünf Jahre vergleicht. – Ich nehme an, Sie werden mir nachsehen, dass dieser Zeitraum nicht ganz zufällig gewählt ist.

Ich mache aber trotzdem keinen Pauschalvorwurf, denn natürlich steht man als kleine offene Volkswirtschaft im internationalen Wettbewerb – wie Sie sagen würden – durch­aus im Vergleich. Der Punkt ist jetzt nur: Was kann und soll diesbezüglich getan werden?

Ich werde es Ihnen ersparen, auf die Agenda der Grünen einzugehen. Allerdings gibt es da ein paar Bereiche, von welchen wir alle immer gemeinsam reden, etwa den innovativen Bereich. Das ist wirklich die zentrale Schlüsselgröße, wenn es um längerfristige Wachstumsstrategien geht. Soll so sein. In den Zielen sind wir uns angeblich ja alle so einig. Jetzt komme ich aber gleich wieder zu eigentlich ganz profanen Dingen, wie das dann tatsächlich in der Praxis funktioniert, und durchaus zu budgetären Dingen oder solchen, die eben über das Einkommensteuergesetz geregelt werden, das nun einmal hier zur Beschlussfassung vorliegt.

Dass die Auftragsforschung jetzt überhaupt einmal in die Ziehung kommt, auch eine steuerbegünstigte Größe zu werden, halten wir so weit für in Ordnung, weil ja eher Klein- und Mittelbetriebe dieses Segment nutzen werden. Das ist so weit plausibel, das haben Sie auch ganz gut begründet.

Erfreulicherweise kommt jetzt – soeben ist er auch verteilt worden – ein Abänderungs­antrag seitens der Regierungsfraktionen hinzu, der umgekehrt wieder, wenn ich das in der Schnelle jetzt richtig gelesen habe, die Freibeträge nach oben deckelt. Auch das ist eine an sich sinnvolle Maßnahme, weil das ja sonst bei größeren Konzernen, noch dazu bei der schwierigen Handhabung des Forschungsbegriffes in den Ämtern, bei Großbetriebsprüfungen trotz Frascati-Manual und ähnlicher Dinge immer eine schwie-


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rige Sache bleibt. Nun ist das jetzt eigentlich eine schöne Doppelzange, die hier angesetzt wird, dass man einerseits für die KMUs diese Möglichkeit aufmacht, ansonsten Freibeträge einmal deckelt. – Gut soweit.

Jetzt aber zur Finanzierungsseite dieser ganzen Forschungspolitiken: Sie sprechen – und Sie werden sich jetzt bei dem Punkt doch zu Wort melden – immer von einer Forschungsmilliarde. Ursprünglich war von einer Anleihe die Rede, die hier aufgelegt werden soll. – Wir wären Ihnen sehr dankbar, nachdem die schriftliche Beantwortung einer ähnlichen Anfrage auf Grund der Fristen ja bis nach dem Sommer auf sich warten lassen wird, wenn Sie trotzdem heute hier noch einmal erklären, wie sich diese Milliarde genau zusammensetzt! Sie haben das ja dort oder da schon versucht, auch am 1. Mai; aber das war aus meiner Sicht nicht sehr erhellend.

Könnte es nicht sein, dass sich die 600 Millionen, die wir im Vierer-, im Fünfer- und im Sechser-Budget wieder finden – wenn ich die Tranchen jetzt richtig den Jahreszahlen zugeordnet habe –, darin enthalten sind? – Das ist einmal eine Frage.

Der zweite Punkt betrifft die zukünftige Dotierung beim Abfinanzieren letztlich aus den Privatisierungserlösen der ÖIAG – wie dort auch zu lesen ist –, also über die Dividenden, aber letztlich aus den gesamten Verkaufserlösen. – Diesbezüglich melden wir nun einfach unser Bedenken und auch unsere Gegenstimme an, und zwar allein deshalb, weil der zwingende Zusammenhang unserer Meinung nach nicht gegeben ist. Hinkünftig soll dann womöglich jeder, der sagt, dass er eine andere Vorstellung von Privatisierungspolitik hat, plötzlich ein Feind der Forschungsförderung sein? – Das kann ja nicht wahr sein! Dazu gibt es ja andere budgetäre Möglichkeiten und Spielräume! Auch diesbezüglich sind Sie gefordert, jetzt Ihre Innovationskraft unter Beweis zu stellen.

Die Zeit ist abgelaufen. Ich glaube, das ist eine Möglichkeit, hier einmal abrupt abzubrechen.

Ich wollte nur abschließend sagen: Wenn Sie am 1. Mai Nachschau halten, was der von allen apostrophierte Aiginger gesagt hat, dann werden Sie draufkommen, dass das nicht nur Ihre Agenda ist, sondern in weiten Teilen sogar die grüne, und dann sollten Sie einmal auch in diesem Bereich entsprechend vorgehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.59

 


 Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


20.00.04

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich bedanke mich, dass man heute konstruktiv über Wachstum und Beschäftigung dis­kutieren kann, und möchte sagen, dass wir seit dem Jahr 2003 auf wesentliche Elemente gesetzt haben, wie Sie wissen, nämlich erstens auf solide Staatsfinanzen, auch als Grundvoraussetzung für das zweite Ziel, eine nachhaltige Entlastung zu erreichen. Und dritter Punkt war, wie wir mehr Wachstum schaffen. Hiebei haben wir auf Forschung, Bildung und Infrastrukturinvestitionen gesetzt.

Ich glaube, dass wir im internationalen Vergleich – schauen Sie sich die Budgetpolitik an – im vorderen Mittelfeld liegen. Wir müssen aber weiter konsolidieren, das ist überhaupt keine Frage. Wir haben sinkende Staatsausgaben in Prozent des BIP, wir haben ein sinkendes Defizit im nächsten Jahr in Prozent des BIP, und wir haben eine sinkende Finanzschuldenquote in Prozent des BIP. Wir haben es sicherlich geschafft, einen attraktiveren Wirtschafts- und Arbeitsstandort zustande zu bringen, einen


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wettbewerbsfähigen Wirtschafts- und Arbeitsstandort zu haben, und wir liegen im Bereich des Wachstums – nur damit wir bei den Fakten bleiben – auch überdurch­schnittlich.

Wir haben heuer in all den Prognosen, die es gibt, Wachstumsraten in der Größen­ordnung von rund um die 1,8 Prozent. Eigentlich ist das die Untergrenze der bisherigen Schätzungen der Notenbank, des Wifo, das IHS liegt etwas darüber, OECD, AMF sind – das sind allerdings ältere Schätzungen – deutlich darüber. Das heißt, die Schätzungen liegen zwischen 1,8 Prozent und 2,3 Prozent.

Abgeordneter Matznetter hat das Quartalswachstum und die 0,2 Prozent ange­sprochen. Wenn man fair ist, dann müsste man dazusagen, dass im Jahresvergleich die 0,2 Prozent Wachstum des ersten Quartals auf das Jahr hochgerechnet 2 Prozent ausmachen. Das heißt, Herr Abgeordneter Matznetter, das erste Quartal war voll auf Kurs, nämlich in Richtung 2-prozentiges Wachstum im Jahr 2005.

Natürlich ist es auch nicht richtig, dass Österreich mit den 0,2 Prozent das Schlusslicht in der Europäischen Union gewesen wäre, weil Sie genau wissen, dass es Länder gegeben hat, die im ersten Quartal ein negatives Wachstum gehabt haben. Das waren beispielsweise Belgien und Italien. Das heißt, es gibt einige Länder, die deutlich schwächer waren als Österreich.

Ich sage Ihnen auch, ich wünsche mir, dass Deutschland – Sie meinten, das Wachs­tum betrage dort 1,5 Prozent, 2 Prozent – mehr Prozent an Wachstum machen könnte, ich würde mir wünschen, dass das möglich ist, denn das ist nach wie vor unser wichtigster Handelspartner. Das heißt, Österreich würde davon profitieren. Wenn wir bei der Einschätzung aller bekannten Institute, auch der deutschen Wirtschafts­forscher, bleiben, dann wissen wir, dass die Schätzungen für Deutschland irgendwo bei einem Prozent liegen, dass sich Italien in der Rezession befindet und dass die Schweiz bei ungefähr einem Prozent liegt. Das sind unsere wichtigsten Handels­partner. Und Österreich liegt nach der konservativsten Schätzung bei 1,8 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Das heißt, ich halte einmal fest, meine Damen und Herren, Österreich wächst wesent­lich schneller als die Eurozone, deren Wachstum auf 1,5 Prozent geschätzt wird, ist besser als die anderen elf Länder der Wirtschafts- und Währungsunion. Wir wachsen wesentlich schneller, was für eine kleine offene Volkswirtschaft durchaus beachtens­wert ist. Und es sollte uns stolz machen auf unsere Unternehmen, auf unsere Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, dass es uns gelingt, besser zu sein als unsere wichtigsten Nachbarländer und Handelspartner. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir hinterfragen, warum wir 1,8 Prozent schaffen, dann, muss ich sagen, hat Günter Stummvoll eine Antwort darauf gegeben. Herr Abgeordneter Matznetter hat gesagt, wir machen die Dinge zu spät. Die Antwort des Günter Stummvoll war: Im Jahre 2002 gab es das erste Konjunkturbelebungspaket, dann kamen das zweite Konjunkturbelebungspaket, das Wachstums- und Standort­paket und dann die zwei Etappen der Steuerreform 2004 und 2005, die 3 Milliarden € an Entlastung gebracht haben. Jetzt steht das nächste Paket an.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat die ersten vier Maßnahmen, also inklusive der Steuerreform, analysiert. Wenn man jetzt noch dieses Wachstums- und Beschäfti­gungspaket dazugibt, dann ergeben die Untersuchungen des Wifo, des IHS und des Bundesministeriums für Finanzen ziemlich übereinstimmend, dass wir auf Grund dessen, dass die Bundesregierung proaktiv und offensiv war, dass sie gesagt hat, wir nehmen die wirtschaftliche Entwicklung in unsere Hand, wir schauen nicht zu, sondern wir versuchen, höheres Wachstum, höhere Beschäftigung zu erreichen, es geschafft


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haben – meine Damen und Herren, das ist bemerkenswert –, für das Jahr 2005 ein zusätzliches Wachstum – kumuliert durch all diese Pakete – in der Höhe von 0,6 Pro­zent zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben 0,6 Prozent zusätzliches Wachstum in Österreich erreicht, und wir haben für das Jahr 2006, für das die Prognosen noch wesentlich besser sind, ein zusätzliches Wachstum von einem ganzen Prozentpunkt geschafft. Das heißt, wir haben ein Prozent zusätzliches Wachstum durch diese fünf Pakete erreicht, die die Bundes­regierung vorgeschlagen und die Mehrheit des Nationalrates mitgetragen und verab­schiedet hat. Ich glaube, das zeigt, dass wir in der Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg sind, nämlich hin zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich gebe ich allen Recht, die sagen, wir dürfen uns jetzt nicht zufrieden zurück­lehnen, das tun wir auch nicht. Wir dürfen das nicht in Österreich und schon gar nicht in Europa tun, meine Damen und Herren, sondern wir müssen diese Lissabon-Agenda ernst nehmen. Deswegen war es ein sehr kluger Ansatz des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers, gerade am symbolträchtigen 1. Mai zu sagen, wir laden alle Parteien, die Sozialpartner, die Forschungseinrichtungen, die Bundesländer und viele andere mehr zu einem großen Reformdialog ein, im Rahmen dessen wir uns mit der Frage beschäf­tigen: Wie schaffen wir es, zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung zu kom­men? Wie schaffen wir es – das ist sicherlich ein gemeinsames Ziel, das dieses Haus eint –, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren? – Das ist uns ein großes Anliegen, und daher ist das Paket, das heute hier zur Diskussion steht, ein gutes Paket, das genau diese Zielsetzungen erreicht.

Ich darf das Paket nur stichwortartig im Sinne der Zeiteffizienz erläutern, aber es besteht aus zehn wesentlichen Elementen, meine Damen und Herren!

Erster Punkt: Infrastrukturoffensive: Wir stellen zusätzlich 300 Millionen € für den Lücken­schluss und die Aufwertung des hochrangigen Straßen- und Bahnnetzes gerade in Richtung Osteuropa zur Verfügung, weil wir wissen, dass von dort das Wachstum der Zukunft in Europa kommen wird. Es gibt Bewertungen des Gesamt­pakets vom Institut für Höhere Studien und vom Bundesministerium für Finanzen. Die Einschätzungen sagen bis zum Jahr 2006 – das war uns sehr wichtig – kurzfristige Vollbeschäftigungsjahre voraus. 6 000 Dauerarbeitsplätze könnten geschaffen werden und durch die Infrastrukturoffensive mittelfristig 500 Arbeitsplätze zusätzlich.

Zweiter Punkt: Forschungsoffensive: Die Forschungsmilliarde ist vom Abgeordneten Kogler angesprochen worden. In den Jahren 2005 bis 2010 wird es eine Milliarde € zusätzlich für die Forschung geben, ohne dass die Auftragsforschung mitgerechnet wird. Ich glaube, dass das schon ein sehr beachtlicher Schritt ist, den die Bundes­regierung setzt, zumindest, so darf ich sagen, hat es keine Bundesregierung zuvor gegeben, die über eine zusätzliche Milliarde für Forschung und Entwicklung in einem Paket entschieden hätte.

Wenn Sie fragen, wie sich das aufteilt, dann muss ich sagen, Sie haben völlig Recht, dass das mit den 600 Millionen € überhaupt nichts zu tun hat. Diese gibt es selbst­verständlich ohnehin, die waren bisher schon angekündigt. Das heißt, zu den 600 Millionen €, die wir als Sonderoffensive für die Jahre 2004, 2005 und 2006 zur Verfügung gestellt haben, kommt die eine Milliarde € für die Jahre 2005 bis 2010 noch dazu.

Wir haben die Tranchen mit den drei Forschungsministerien noch nicht genau fest­gelegt, aber haben einmal als Arbeitsgrundlage gesagt, auf die Gelder, die ohnehin


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schon zusätzlich verfügbar sind, legen wir nochmals eine Größenordnung in der Höhe von 50 Millionen € aus der Forschungsmilliarde für 2005 drauf und weitere 75 Mil­lionen € für das Jahr 2006.

Wenn hier vom Herrn Abgeordneten Matznetter erwähnt wird, das sei stückerlweise gemacht, dann muss ich ihm sagen, das ist gescheit gemacht, denn wenn wir jetzt eine Milliarde € aufnehmen und das Geld irgendwo liegen lassen und veranlagen, dann zahlen wir mehr Kreditzinsen, als wir in der Veranlagung bekommen, und schädigen damit den Steuerzahler. (Zwischenruf des Abg. Broukal.) Was macht es für einen Sinn, Liquidität liegen zu haben, die wir nicht ausgeben. Ich glaube, das wäre eine kontraproduktive Maßnahme für den Steuerzahler gewesen. (Abg. Dr. Matznetter: Das Schlimme ist, dass Sie das Geld nicht umsetzen!) Wir machen es klug, wir holen uns das Geld dann, wenn wir es für die Forschung brauchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn wir im Jahre 1999 eine Forschungsquote in der Höhe von in etwa 1,8 Prozent hatten und die Statistik Austria sagt, wir liegen jetzt im Jahr 2005, noch bevor wir diese Maßnahmen gesetzt haben, bei 2,35 Prozent Forschungsquote, dann, glaube ich, ist es sehr realistisch, zu sagen, dass es uns im nächsten Jahr gelingen wird, die 2,5 Pro­zent zu erreichen, und dass wir bis zum Jahr 2010 – ich habe die Signale verstanden, ich bedanke mich sehr, das Hohe Haus möchte sich dann zurückziehen – eine 3-prozentige Forschungsquote tatsächlich schaffen werden. (Abg. Neudeck: Auch Abge­ordnete haben ein Privatleben!) – Da das Paket wichtig ist, gestatten Sie mir noch ein paar Minuten.

Meine Damen und Herren! Die Auftragsforschung ist ein ganz grundlegender und wichtiger Schritt. Wenn es uns gelingen soll, in Richtung 3 Prozent zu kommen, dann wird es nur dann gehen, wenn wir es schaffen, die breite Masse der Klein- und Mittel­betriebe für die Forschung zu gewinnen. Wir wissen, dass die Klein- und Mittelbetriebe das Rückgrat unserer Wirtschaft sind, sowohl bei der Beschäftigung, beim Wachstum als auch beim Bezahlen der Steuern. Und daher ist es ein ganz grundlegendes Anlie­gen, den Klein- und Mittelbetrieben zu sagen, es zahlt sich auch für euch aus, in die Forschung zu investieren. Daher ist die Auftragsforschung ein ganz wichtiger Schritt. Laut IHS wird auf Grund der Forschungsinitiative mit 7 000 Dauerarbeitsplätzen zusätzlich gerechnet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Verfahrensoffensive. Wir haben ein Verfahrensbeschleunigungsgesetz vorgesehen, damit wir rasch Investitionen umsetzen können – geschätzte Zahl der zusätzlichen Dauerarbeitsplätze: 5 000.

Vierter Punkt: Breitbandoffensive. Es sind zusätzlich 10 Millionen € vorgesehen – Dauerarbeitsplätze: 200.

Fünfter Punkt: Genehmigungsboom Ökostrom. Es ist eine Verlängerung der Frist für die verpflichtende erstmalige Einspeisung von Ökostrom aus bereits genehmigten Anlagen um eineinhalb Jahre auf den 31. Dezember 2007 vorgesehen – 3 000 zusätzliche Dauerarbeitsplätze. (Beifall des Abg. Scheibner.)

Sechster Punkt: Offensive flexiblere Arbeitszeiten. Wir hoffen, dass die Sozialpartner ihrer Verantwortung gerecht werden und dass wir zu einer größeren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes kommen.

Achter Punkt: Lehrlingsoffensive. Meine Damen und Herren! Ich halte es für wichtig, dass Martin Bartenstein mit Herrn Blum, mit unserem Lehrlingsbeauftragten, den Blum-Bonus entwickelt hat, der 400 € pro Monat und Lehrling im ersten Lehrjahr bedeutet. Wir wollen zusätzliche Lehrstellen vor allem in innovativen Lehrberufen, zum Beispiel Mechatronik, Lagerlogistik und so weiter, schaffen.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte hier die Zusage der Bundesregierung, jedem Jugendlichen, der heuer im Herbst keine Lehrstelle finden sollte, einen Lehrplatz zur Verfügung zu stellen, bekräftigen, weil es uns ein Anliegen ist, dass jeder Lehrling einen Lehrplatz hat. (Abg. Bures: Das haben Sie schon voriges Jahr gesagt!)

Ich lade Sie ein, Frau Abgeordnete ... (Abg. Bures: Jedes Jahr kündigen Sie das an! Jedes Jahr versprechen Sie das!) – Natürlich wollen wir das mit Lehrlingsent­schä­digung machen. Ich glaube, es ist ein gemeinsames Anliegen, dass wir es schaffen, dass jeder Lehrling tatsächlich eine Lehrstelle hat. Das sollte uns einen und eher zu Applaus einladen, Frau Abgeordnete, denn zu Kritik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Bures: Jeder Lehrling kommt zu Ihnen!)

Neunter Punkt: Die Offensive gegen die illegale Beschäftigung und die Schwarzarbeit. Wir stocken unsere Betrugsbekämpfungseinheiten auf. Wir haben 140 Leute zusätzlich in der KIAB, was die illegale Beschäftigung betrifft, 60 Mitarbeiter zusätzlich in der Finanzprüfung, um zu zeigen, dass es uns ein großes Anliegen ist, einen fairen Wettbewerb in Österreich zu haben.

Letzter Punkt: Fortsetzung der Internationalisierungsoffensive. Österreich hat eine offene Volkswirtschaft, bei der die Exportwirtschaft mehr als 50 Prozent des Brutto­inlandsproduktes erarbeitet. Daher müssen wir unsere Betriebe entsprechend unter­stützen.

Meine Damen und Herren! Daher ist das in Summe ein gutes Paket, das zwischen 0,25 und 0,3 Prozent zusätzliches Wachstum bringt, das kurzfristig 15 000 zusätzliche Arbeitsplätze laut IHS und Bundesministerium für Finanzen bringen wird, das mittelfristig sogar 20 000 neue Jobs bringen wird und daher ein gutes Paket für Wachstum und Beschäftigung ist. Ich bedanke mich im Vorhinein für Ihre Zustim­mung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.12.50

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin der Meinung, bei solch einem guten Paket kann man gar nicht lange genug reden. Das gehört tatsächlich erläutert und den Damen und Herren zur Kenntnis gebracht.

Meine Damen und Herren! Dieses Paket ist ein positives Zeichen für die Handlungs­fähigkeit dieser Regierung. Kollege Stummvoll hat die Punkte und die bisherigen Erfolge erläutert. Der Herr Bundesminister hat das heutige Programm vorgestellt. Wir sollten ein wenig froh sein darüber, dass es der österreichischen Regierung gelingt, deutliche Zeichen zu setzen.

Schauen wir uns das Stimmungsbarometer – Wirtschaft ist auch eine Frage der Stim­mung – im Vergleich Österreich mit Deutschland an. Ich habe mir von Market und von Allensbacher eine Umfrage besorgt. Der Optimismuspegel in Österreich zeigt mit 71 Prozent nach oben, in Deutschland mit 38 Prozent nach unten. Das sagt alles, meine Damen und Herren, und daher sollten wir uns freuen.

Es war auch von der Forschung die Rede. Es ist wichtig, die Forschung so extrem zu dotieren. Im Verhältnis zu früheren Budgets können wir uns das auf unsere Fahnen schreiben, denn nur mit neuen Produkten entstehen neue Arbeitsplätze, und das ist die entscheidende Frage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Herr Bundesminister, Sie haben zu Recht auch auf die Breitbandoffensive hinge­wiesen. Ich würde bitten, darüber nachzudenken, ob die steuerliche Absetzbarkeit nicht verlängert werden könnte, denn es gibt Bundesländer, die nicht die Chance hatten, innerhalb des Rahmens, in dem es Absetzmöglichkeiten gibt, die technischen Voraus­setzungen zu schaffen. Und dann, wenn es sie gibt, ist ein Ungleichgewicht vorhanden. Man sollte nicht zwischen den Bundesländern Modernisierungsverlierer unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Matznetter.)

Meine Damen und Herren! Wichtig ist auch ein Verfahrensbeschleunigungsgesetz. Dieser Tage gab es in Oberösterreich eine interessante Veranstaltung, bei der Herr Vorstandsvorsitzender Stephan von FACC, eine sehr bekannte, extrem erfolgreiche Firma, darauf hingewiesen hat – diese hat immerhin 930 Beschäftigte –, dass ein Transport von seiner Firma Just in time per Lkw zwölf Stunden und mit den ÖBB drei Tage dauert. Daher ist es notwendig, gerade auch im infrastrukturellen Bereich nochmals deutliche Signale zu setzen. Erstmals zeigt diese Bundesregierung, dass Bahn genauso wichtig ist wie Straße.

Meine Damen und Herren! Zur Verfahrensbeschleunigung: Manches Mal frage ich mich schon, ob eine Kolonie von Käfern oder sonstigen Kleintieren wichtiger ist als der Ausbau der Infrastruktur. Wir sollten gerade zur Sicherung der Beschäftigten ent­sprechende Maßnahmen setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.15.58

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Dieses Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz ist aus meiner Sicht ein konjunkturpolitischer Bastard. Wenn man fünf Gesetze, fünf Program­me braucht, um ein Prozent Wirtschaftswachstum zu erzielen, dann ist das ein klares Scheitern der Konjunkturpolitik dieser Bundesregierung.

Wenn der Herr Minister hier sagt, dass das jetzige Wirtschafts- und Beschäftigungs­gesetz kurzfristig 15 000 Beschäftigte auslöst, im Ausschuss noch von langfristig 15 000 spricht, gleichzeitig sagt, es komme zu einer Steigerung des Wachstums von 0,25 Prozent, dann, muss ich sagen, verstehe ich die ökonomischen Zusammenhänge nicht mehr. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Hofmann.) Wenn uns Aiginger und Felderer – Max, hör zu! – sagen, dass es erst Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bei einem Wachstum in der Höhe von 2,5 Prozent aufwärts gibt, wir aber 1,8 Prozent haben, dann, muss ich sagen, gibt es keinen Zusammenhang. Diesen Zusammenhang müssen Sie mir ökonomisch erklären.

Es ist aus meiner Sicht schon eine dramatische Situation, dass, obwohl all das so gut ist, die Arbeitslosigkeit steigt, die Inflation steigt und das Wirtschaftswachstum zurück­geht. Man kommt also vom magischen Dreieck zum tragischen Dreieck dieser Bundes­regierung. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das heißt das Fünfeck!) Es gibt auch ein magisches Fünfeck und ein Vieleck und so weiter, aber das Klassische war das Dreieck.

Wichtiger Punkt ist, dass wir schon für diese Forschungsmilliarde sind, die ist okay, dagegen gibt es nichts. Aber was nicht okay ist, ist deren Finanzierung. Da wird die ÖIAG verpflichtet, eine Milliarde aufzubringen. Jetzt hat sie drei Möglichkeiten: Die erste Variante ist, dass sie einen Kredit aufnimmt; das darf sie nicht. Die zweite Variante ist, dass sie das über Dividendeneinnahmen zahlt. Das ist aber nicht mehr


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möglich, denn diese Regierung hat sämtliche Ertrag bringenden Unternehmen ver­kauft. Eine Milliarde € hat sie beim Verkauf liegen gelassen. Sie hat 3,5 Milliarden an Unternehmenswerten an die Privaten, an internationale Investmentgesellschaften ver­schenkt. Das ist nicht mehr verfügbar. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was bleibt jetzt? – Jetzt können wir nicht mehr so finanzieren, daher besteht der Druck, dass die Post AG und die Telekom veräußert werden müssen. Da schlittern wir in das nächste industriepolitische Chaos. Auch da werden wieder Arbeitsplätze abge­baut, wie es bisher der Fall war. Und dann wundert man sich, dass die Konjunktur­programme nicht greifen. Aus unserer Sicht hat auch dieses Konzept keine Zukunft. Daher haben wir am 1. Mai im Österreichvertrag für Arbeit und Wachstum unsere Vorstellungen dargelegt, wonach wir zusätzliche Wachstumsraten in der Höhe von 1 bis1,5 Prozent hätten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.19.25

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Moser hat uns gerade erklärt (Abg. Bures: Die Republik hat sich dieses Wirtschaftsprogramm verdient, Herr Tancsits!), dass die Regierung die Gewinn bringenden Unternehmen verkauft hat und dabei eine Milliarde € liegen gelassen hat.

Er hat uns die Pointe der Geschichte nicht verraten: Es handelt sich um die Wiener Landesregierung, die eine Milliarde € beim Aktientausch mit der HVB liegen gelassen hat – eine Milliarde € der österreichischen Steuerzahler! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist ein Skandal, und solche Leute soll man nicht an die wirtschaftliche Lenkung eines Landes lassen. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Meine Damen und Herren! Ich wollte Sie bitten, Ihre geschätzte Aufmerksamkeit von diesem Beschäftigungs- und Wachstumspaket auf die Änderung des Bausparkassen­gesetzes zu richten. Ich halte es für vernünftig, dass die Zukunftsvorsorge, die im Wesentlichen dem Bausparen nachgebildet wurde, nun auch über das Vertriebsnetz dieser Bausparkassen weitergebracht werden kann.

Das Bausparen ist für mich auch Beispiel und Synonym für dieses erfolgreiche soziale Marktwirtschaften, wo wir aber an die Kraft des Einzelnen, zu sparen, zu investieren und langfristig Wohlstand zu schaffen, appellieren.

Kollege Stummvoll hat schon darauf hingewiesen, dass wir die Wahlmöglichkeiten der Eigenvorsorge damit erhöhen. Mit dieser Eröffnung, ab 1. September dieses Jahres Bauspardarlehen auch für Pflegevorsorge oder für Bildungsvorsorge verwenden zu können, machen wir, glaube ich, einen wesentlichen Schritt in Richtung Zukunfts­sicherung. – Man kann diesem Gesetz guten Gewissens zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Bures 3 Minuten zu uns. – Bitte.

 


20.21.36

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der Ereignisse in London relativiert sich natürlich vieles, aber ich denke trotzdem, dass gerade die Situation am


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österreichischen Arbeitsmarkt doch etwas ist, was es wert ist, sich dem zu widmen. Ich hoffe, dass das in einer ernsthafteren Art und Weise vor sich geht, als das in den letzten Minuten – vor allem von Seiten der Regierungsparteien – stattgefunden hat.

Wenn der nicht mehr anwesende Herr Finanzminister davon gesprochen hat, dass er eine Garantie dafür abgibt, dass jeder Jugendliche, der eine Lehrstelle und eine Ausbildungsstelle in Österreich haben möchte und braucht, diese auch bekommt, und auch eine Lehrlingsentschädigung – in der Höhe und mit allen arbeitsrechtlichen Vor­aussetzungen, wie wir das vorsehen –, dann freue ich mich darüber.

Ich hoffe, dass das nicht nur leere Floskeln des Herrn Finanzministers um 20.15 Uhr in diesem Haus sind, sondern dass das eine Garantie dafür ist, dass zigtausend junge Menschen, die einen Lehrlingsausbildungsplatz möchten, diesen auch in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Regelungen, wie sie für einen Lehrplatz und Ausbildungsplatz im österreichischen Arbeitsrecht vorgesehen sind, vorfinden. – Das würde ich unter­stützen.

Ich hoffe, dass auch Sie alle hier im Haus das heute unterstützen, dass jetzt, wo es Schulabgänger gibt, wo es zigtausend junge Menschen gibt – mittlerweile 15 000 noch immer vom letzten Jahr –, die einen Lehrlingsausbildungsplatz brauchen, sie diesen tatsächlich auch bekommen und nicht nur auf die Floskeln irgendeines Regierungs­mitglieds angewiesen sind. – Das ist der erste Punkt, den ich erwähnen möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt: Herr Kollege Stummvoll! Sie bejubeln hier ein Wachstums- und Beschäftigungsprogramm und Maßnahmen. (Abg. Dr. Stummvoll: Zu Recht!)

Erstens: Die Wachstumsprognosen in Österreich sind sinkend, weil Sie eine völlig falsche Wirtschaftspolitik machen. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber besser als im Ausland!)

Zweitens: Die Arbeitslosigkeit, die Sie zu verantworten haben, ist die höchste der Zwei­ten Republik. Es hat in Österreich noch nie so viele arbeitslose Menschen gegeben als seit dem Zeitpunkt, seit dem Sie verantwortlich sind. (Abg. Dr. Stummvoll: Halb so viel wie bei Rot-Grün!) Das ist die Bilanz, mit der die Österreicher konfrontiert sind, und die haben von Ihren schönen Reden nichts! (Beifall bei der SPÖ. Widerspruch bei der ÖVP. Abg. Neudeck: Von Ihren Kampfreden auch nicht! )

Drittens: Zur Frage, der ich mich eigentlich widmen wollte, nämlich den Bauspar­kassendarlehen. Der Zynismus ist nicht nur dem Kollegen Tancsits ins Gesicht geschrieben. Der vergönnt ja der Republik einiges, der vergönnt der Republik offen­sichtlich auch Tausende arbeitslose Menschen. Da habe ich schon einiges gehört.

Kollegen Tancsits und dieser Bundesregierung ist der Zynismus ins Gesicht geschrie­ben, wenn sie davon reden, dass Menschen nicht Vorsorge für Bildung und Pflege­leistungen bekommen sollen, sondern die sollen sich einen Kredit aufnehmen. Sie sollen sich Darlehen aufnehmen, damit sie überhaupt dafür sorgen können, dass sie im Alter auch noch Pflege erfahren. – Das ist Ihr Ziel! (Widerspruch bei der ÖVP.)

Die sollen sich Bauspardarlehen aufnehmen müssen, damit sie sich überhaupt der Fortbildung und Weiterbildung widmen können. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie müssen gar nichts!) – Wissen Sie, Herr Kollege Stummvoll, das ist der Zynismus, der Ihnen und dieser Bundesregierung ins Gesicht geschrieben ist, und daher lehnen wir Sie ab. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Neudeck: Die Regierung oder das Gesetz?)

20.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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20.25.19

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Bures! Wenn Sie jetzt so sehr Ernsthaftigkeit einfordern und alle schulmeistern, dass sie zynisch seien, dann muss ich Ihnen schon sagen: Der Maßstab sollten die Fakten sein und nicht das, wovon Sie glauben, dass es irgendwo ist.

Vielleicht schauen Sie einmal in die eigenen Reihen, denn ich muss sagen, Herr Kollege Moser, ich schätze Sie sonst sehr und kann eigentlich sagen, es ist vieles richtig, aber wenn man dann sagt, das sei ein konjunkturpolitischer und wirtschafts­politischer Bastard, dann ist das doch irgendwie eine eigenartige Diktion. (Abg. Felzmann: Da hat er Recht!)

Ich knüpfe einmal daran an und muss sagen, man sollte die Politik an ihrem Ergebnis messen: Ich finde, das ist eine reinrassige Konjunkturpolitik, die tadellos ist. (Abg. Mag. Wurm: Reinrassig?) Es gab bis jetzt vier Konjunkturpakete, und schauen Sie sich die Fakten an! (Abg. Mag. Wurm: Reinrassig haben Sie gesagt! Apropos Sprache! Das ist aber eine interessante Diktion!)

Die Fakten sind nicht die, dass wir das schlechteste Wirtschaftswachstum zu verant­worten haben, sondern wir haben in den letzten Jahren ein Wirtschaftswachstum über dem europäischen Durchschnitt. – Das ist ein großartiger Erfolg!

Die EU hat in diesem Jahr ein Wachstum von 1,5 zu erwarten, wir von 1,8. Wir hätten gerne mehr, aber es ist die richtige Linie. Wir haben im Investitionsbereich mit diesen konjunkturpolitischen Programmen die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit getroffen. (Abg. Mag. Wurm: Reinrassig!) – Das kennen Sie wahrscheinlich nicht. (Abg. Mag. Wurm: Was? Abg. Mag. Hoscher: Können Sie das näher erläutern?)

Ich möchte zu den beiden Punkten kommen, die mir wichtig sind: Wichtig ist mir, dass die Auftragsforschung entsprechend umgesetzt wird – nicht als Mitnahmeeffekt bei den Forschungseinrichtungen, sondern als Anreiz bei den Klein- und Mittelbetrieben. (Abg. Mag. Hoscher: Können Sie das näher erläutern: „reinrassig“? – Bitte? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (fortsetzend): Wir setzen deutliche und klare Maßnahmen im Bereich der Konjunkturpolitik. Herr Kollege, wenn Sie nicht drauf­kommen, dass ich damit ironischerweise auf den komischen Vergleich des Herrn Kollegen Moser eingehen wollte, dass der Begriff „Bastard“ in einer Diskussion nichts zu suchen hat, dann tun Sie mir in der ganzen Diskussion sehr Leid. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das war die Folgerung von dem, was da angefangen worden ist, und nicht meine Erfindung. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.– Das sieht Ihnen ähnlich.

Damit zum Schluss, meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen: Mit diesem Konjunkturpaket sind die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit beschlossen worden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Hoscher 3 Minuten. – Bitte.

 


20.27.59

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das so genannte – unter Anführungs­zeichen – „Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005“ ist also, wie wir gerade auch


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gehört haben, der abermalige Versuch der Regierungsparteien, Wachstum und Beschäftigung nachhaltig anzukurbeln. Und abermals erkennen wir darin eher die Strategie des Zögerns und des Zauderns.

Ein gutes Beispiel dafür – um auf konkrete Beispiele einzugehen – ist die Breitband­offensive. Wir haben darüber ausführlich etwa im Industrieausschuss diskutiert, und es herrschte die einhellige Auffassung, dass vor allem auch die Versorgung des länd­lichen Raums mit Breitbandangeboten vordringlich ist. – Immerhin handelt es sich da um einen wesentlich Bereich der Infrastruktur.

Ich darf nur etwa auf die schon genannten Lissabon-Ziele verweisen: Die sehen eine Steigerung der F&E-Quote auf 3 Prozent vor, und als vordringliche Zielbereiche werden neben der Umwelttechnologie, der Bio- und der Nanotechnologie und der Elektronik auch die Informations- und Telekommunikationstechnologie angeführt .

Sowohl die Europäische Kommission als auch die Wim-Kok-Expertengruppe haben darauf hingewiesen, dass es in erster Linie Aufgabe der Nationalstaaten ist, die nationalen Innovationskapazitäten zu erhöhen.

Wie sieht es in Österreich konkret aus? – Zur Breitbandoffensive: Da wird die Über­schreitungsermächtigung von 4 Millionen € auf sagenhafte 5 Millionen € ausgedehnt. Wir begrüßen diese Ausweitung natürlich, das ist ganz klar. Wir glauben nur, dass sie doch dem Umfang nach ein bisschen – deutlich! – zu gering ist.

Der im Ausschuss erfolgte Verweis des Ministers auf geringere Wachstumsraten im Ausland – das ist so die übliche Floskel – beruhigt hier mitnichten: Es geht um den österreichischen ländlichen Raum und nicht um den ausländischen.

Ähnlich verhält es sich auch mit der Stimulierung der privaten Konsumnachfrage. Dazu finden sich nämlich im vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt keine Maßnahmen, und das wurde auch mehrfach vom wifo und sogar vom IHS angeführt. – Und das, obwohl der private Inlandskonsum ja eine der Schrauben ist, an denen auch die nationale Wirtschaftspolitik noch drehen kann!

Auch da kommt dann wieder der Hinweis auf irgendwelche Zahlen, die man sich aus dem Budgetvoranschlag herausnimmt. Da meinte der Minister, die Einnahmen bei der Umsatzsteuer steigen ohnehin gegenüber dem Voranschlag. – Na ja, da hat er das kleine Wort Inflation vergessen, denn real steigt beim privaten Inlandskonsum über­haupt nichts. Davon sind die meisten Branchen weit entfernt.

Es werden also nun einmal mehr die Versäumnisse vorhergehender so genannter Konjunkturpakte evident. Es reicht eben nicht aus, wenn man dann in relativ teuren Werbekampagnen der Bevölkerung suggeriert, sie könnte sich zusätzliche Urlaube, Autos und sonstige Konsumausgaben leisten, wenn das in Wirklichkeit von der Bevölkerung nicht finanziert werden kann.

Wir haben im Gegensatz dazu etliche Vorschläge unterbreitet, auch etliche Anträge eingebracht, die aber – und das ist ja die Praxis der Regierungsparteien, der Fun­damentalregierung – nicht einmal das Licht der Tagesordnung der Ausschüsse sehen, geschweige denn hier ins Plenum gelangen.

Angesichts dieser sehr kleinen Schritte des vorliegenden Entwurfs denke ich daher, dass es wichtig wäre (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen– ich glaube, es ist eine freiwillige Beschränkung –, den wirtschaftspolitischen Diskurs rasch und ein­gehend weiterzuführen. Wir stehen dafür jedenfalls – offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen – gerne zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31



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116. Sitzung / Seite 213

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


20.31.44

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Dimensionen zurechtrücken – gerade auch für Kollegin Wurm.

Die erste Dimension ist die Frage der Zielsetzung: Ich glaube, dass wir uns alle einig sind, dass wir Arbeitsplätze durch Wachstum haben wollen. Dazu gab es ja auch den Reformdialog am 1. Mai. Wenn Kollege Hoscher jetzt ein Zögern und Zaudern zu bemerken meint: Es sind seither nur acht Wochen vergangen, und wir haben eine gesetzliche Grundlage. Ich glaube, mit Zögern und Zaudern hat das wenig zu tun, sondern eher damit, rasch zu handeln und jetzt eine Gesetzesform dafür zu schaffen.

Zum Zweiten – vor allem geschätzte Kollegin Wurm –: Die wesentlichen Zielsetzungen, nämlich dass man Auftragsforschung ermöglicht, dass man jetzt eine Forschungs­milliarde durch eine Anleihe finanzieren will, dass man auch die illegale Beschäftigung, die da und dort vorkommt, bekämpft, das sind ja auch Ihre Zielsetzungen.

Ich erinnere den Herrn Präsidenten Verzetnitsch: Nach dem Reformdialog haben Sie das ja auch so angesprochen, soweit mir das in Erinnerung ist. Das heißt, da stimmen Sie ja mit uns überein. Also finden wir jetzt bitte nicht die Haare in der Suppe, sondern tragen wir das wesentliche Ergebnis auch mit!

Zum Dritten ist mir die Bausparkasse wichtig. Meine Damen und Herren! Die Bau­sparkassen haben es nicht verdient, jetzt mit irgendeiner linkischen Bewegung so abgetan zu werden. Das sind letztlich Einrichtungen, die in Österreich viel Eigentum geschaffen und zu einem Wohnungsstandard geführt haben, der wirklich beachtlich ist. Dass man ihnen jetzt neue Aufgabenfelder zuordnet, ist durchaus in unser aller Inter­esse. Ich glaube eher, dass Ihre Skepsis darin begründet liegt, dass das etwas mit Eigentumsbildung zu tun hat, und da sind Sie nicht so ganz einer Meinung mit uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.33


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.33.31

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich an das anschließen, was Kollege Spindelegger gesagt hat: Die Bausparkassen und unsere Kritik, warum wir eigentlich gerade diesem Punkt nicht zustimmen werden:

Das hat den einfachen Grund, dass zum Beispiel Direktor Lugger, bekannt als Gene­raldirektor der „Neuen Heimat“ in Tirol, feststellt, dass in Österreich noch immer 80 000 Wohnungen fehlen und dass die Kosten der Wohnungen enorm steigen, wäh­rend die Einkommen der Bevölkerung sinken. – Das ist hier nachzulesen. (Abg. Neudeck: Deshalb sollen die, die schon zwei Wohnungen haben, weiter bausparen?) Lugger sagt, allein bis 2021 werden in Tirol jährlich 5 000 neu gebaute Wohnungen benötigt, davon 700 alleine in Innsbruck.

Bausparkassen-Generaldirektor Josef Schmidinger meint, dass die Wohnkosten im Vorjahr deutlich zugenommen haben. Sie stiegen unter anderem durch höhere Ener­giekosten von durchschnittlich 16 Prozent des Haushaltseinkommens auf 20 Prozent und so weiter. (Abg. Neudeck: Die Logik tut weh!) Kollege Neudeck! Was hat aber die FPÖ im Jahr 2000 plakatiert, um auf die Wende, die Kollege Stummvoll zitiert hat,


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zurückzukommen? – Sie haben plakatiert, Mieten werden billiger, Energiekosten wer­den billiger. Ich kann mich noch an diese schönen blauen Plakate erinnern. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch telefoniert mit seinem Handy.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Scheuch! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch verlässt den Sitzungsaal.)

 


Abgeordneter Kurt Eder (fortsetzend): Daneben waren die Plakate „Einfach ehrlich, einfach Jörg“. An all das können wir uns noch gut erinnern. Fünf Jahre später: Mieten so hoch wie noch nie, Wohnungen fehlen, Energiepreise so hoch wie noch nie. (Abg. Bucher: Nein! Sonst wäre er ja nicht gewählt worden!) – Das sind Ihre Wahlver­sprechen, und die hat die Bevölkerung durchschaut. Es ist nichts übriggeblieben von dem, was Sie den Leuten versprochen haben. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Scheibner: In Wien! Landessache, lieber Freund!)

20.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Eßl spricht nunmehr 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


20.35.15

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005. Es betrifft die Änderung mehrerer Gesetze. Die Änderun­gen sind nicht sehr umfangreich, aber, wie ich meine, doch wichtig.

Dieses Gesetz ist praktisch die logische Fortführung dessen, was im Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung in Österreich am 1. Mai von der Regierung beschlossen worden ist.

Ich möchte nur auf einige wenige Dinge eingehen, die mir wichtig sind: Im Einkom­mensteuergesetz wird die steuerliche Begünstigung der Auftragsforschung in KMU durch einen Forschungsfreibetrag und eine Forschungsprämie verankert. Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Möglichkeit für die kleinen und mittleren Unternehmen jetzt durchaus auch eröffnet wird.

Die Bausparkassen wurden bereits angesprochen. Ich glaube, die Diskussion geht ein bisschen in die falsche Richtung, wenn plötzlich herausgelesen wird, man müsste jetzt für Bildung Kredite aufnehmen. – So ist es nicht, sondern man hat die Möglichkeit, diese Beträge dafür zu verwenden.

Für mich ist es aber auch ganz wichtig, dass wir die Bundesfinanzgesetze abändern und eine Breitbandoffensive durchführen. Der ländliche Raum braucht Impulse. Vieles wird aus Kostengründen in die Zentralräume verlagert, und da müssen wir gegen­steuern. Das ist eine kleine, aber wichtige Maßnahme.

Ich werde natürlich jetzt in der kurzen Zeit nicht auf alle Anpassungen eingehen können, stelle aber fest, dass die Änderungen einen Wirtschaftsimpuls geben können und werden und daher gut für die Menschen in unserem Land sind. Ich darf mich dafür recht herzlich bei den Verantwortlichen in der Regierung und bei meinen Kollegen, die diesem Gesetz zustimmen werden, bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

20.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 2 Minuten. – Bitte.

 


20.37.20

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn einmal dem Kollegen


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Jakob Auer für den Hinweis auf die Ungleichbehandlung bei der Abschreibemöglichkeit im Rahmen der Sonderausgaben bei der Arbeitnehmerveranlagung danken.

Ich bringe dazu auch gleich einen Abänderungsantrag ein und würde mich im Sinne der Arbeitnehmer und der Menschen, die in den ländlichen Regionen wohnen, sehr freuen, wenn Sie da auch mitgingen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Hagenhofer, Mag. Kogler, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 992 der Beilagen: Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 (1037 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert.

In Art. 1 wird folgende Z 4a eingefügt:

„ 4a. § 124 b Z 81 vorletzter Satz lautet:

‚Voraussetzung ist, dass die erstmalige Herstellung des Internetzuganges nach dem 30. April 2003 erfolgt und die Ausgaben vor dem 1. Jänner 2007 anfallen.’“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Begründung dazu ist, dass in der Regierungsvorlage, um die es da jetzt geht, 10 Millionen € für eine weitere Breitband­offensive für 2005 und 2006 vorgesehen sind. In vielen – und Kollege Jakob Auer hat das auch schon gesagt – ländlichen Regionen Österreichs wird erst jetzt, 2005, die Breitbandoffensive gestartet und um mögliche Teilnehmer geworben.

In Oberösterreich schaut es so aus, dass zwei Drittel der ländlichen Regionen nicht versorgt sind, und in meinem Bezirk Braunau sind lediglich 13 von 45 Gemeinden versorgt. Das heißt, die Menschen in diesen ländlichen Regionen haben bis dato überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, sich eine Breitbanddatenleitung anzuschaffen.

Wenn sie jetzt möglich ist, dann hätten diese Menschen nicht mehr die Möglichkeit, das steuerlich abzusetzen. Das sollte der Antrag lösen.

Der Herr Finanzminister hat heute gemeint, er schädige doch nicht den Steuerzahler. – Ja, bitte, was ist das denn? Da schädigt er ja wirklich die Hälfte der Steuerzahler!

Wir wollten – und das möchte ich auch noch ausführen – keine Dauerförderung; wir haben das begrenzt. Wir wollten aber eine Gleichbehandlung der Menschen in den ländlichen Regionen.

Wir wollten eine Einigung über Steuergerechtigkeit herstellen, aber der Herr Finanz­minister hat diese Einigung gebrochen. Das ist sehr schade für die Menschen in den ländlichen Regionen. Wir werden den Menschen das auch sagen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Hagenhofer eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Hagenhofer, Mag. Werner Kogler, Dr. Matznet­ter und KollegInnen zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 992 der Beilagen: Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 ist hinreichend unter­stützt und steht mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Hagenhofer, Mag. W. Kogler, Dr. Ch. Matznetter und KollegInnen zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (992 d.B.): Wirt­schafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 (1037 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Art. Iwird folgende Z 4a eingefügt:

 „ 4a. § 124 b Z 81 vorletzter Satz lautet:

‚Voraussetzung ist, dass die erstmalige Herstellung des Internetzuganges nach dem 30. April 2003 erfolgt und die Ausgaben vor dem 1. Jänner 2007 anfallen.’“

Begründung:

Der Bund hat gemeinsam mit den Bundesländern eine sogenannte Breitbandoffensive gestartet um die technischen Voraussetzungen für die Breitbandverfügbarkeit in den ländlichen Regionen zu verbessern. In Oberösterreich soll beispielsweise eine Verfüg­barkeit von 75 Prozent in 90 Prozent der Gemeinden erreicht werden.

In vielen ländlichen Regionen Österreichs wird erst jetzt, 2005, die Breitbandoffensive gestartet und um mögliche Teilnehmer geworben.

Damit die Schaffung der technischen Möglichkeiten der Inanspruchnahme sinn­voll ergänzt wird, soll die Anschaffung eines Breitbandanschlusses über eine steuerliche Abschreibung – die es bereits vom 1. Juni 2003 bis 31. 12. 2004 gab – für die Dauer der Breitbandoffensive auf die Jahre 2005 und 2006 – konkret bis 31. 12. 2006 verlängert werden.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.40.41

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Kollegen! Es ist für mich immer wieder bemerkenswert, dass Menschen, von denen ich weiß, dass sie eigentlich eine hohe Kompetenz in ihrem Berufsleben haben und dass sie es auch besser wissen, dann doch hier herausgehen und plötzlich genau das Gegenteil behaupten, weil sie offensichtlich keine Argumente in der Sache haben.

Dass Kollege Matznetter mit einem Quartalsergebnis argumentiert (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter), ist – mit Verlaub! – entweder unseriös oder einfach nicht ernst zu nehmen. Jeder von uns weiß nämlich, dass Quartalsergebnisse nicht einmal Indika­tionen sind, aber jedenfalls nichts Endgültiges aussagen, weil sie atypische Effekte in sich tragen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

In jedem Unternehmen weiß man das, Kollege Matznetter, und Sie wissen es in Wirk­lichkeit ebenfalls. Daher können wir es jetzt dabei bewenden lassen.

Dass Kollegin Bures zwischen einer Aktiv- und einer Passivseite bei Finanzprodukten nicht recht unterscheiden kann und die Darlehensaufnahme mit dem Sparen verwech-


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selt, lässt nicht weiter verwundern, denn es ist ja diese Partei, die offensichtlich auf Grund einer solchen Wirtschaftskompetenz (anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter) vom Milliardengrab der Verstaatlichten bis zum „Konsum“-Desaster alles zu verantworten hat.

Lassen Sie mich meine Ausführungen mit folgender Klarstellung schließen: Wir wollen auch bei Bausparkassen eine zusätzliche Möglichkeit eröffnen, und zwar gerade für jene Menschen, die nicht so begütert sind, und das in den Feldern Pflege und Bildung. (Zwischenruf der Abg. Bures.) Das ist eine zusätzliche Möglichkeit. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Bures. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Jeder kann, aber muss sie nicht in Anspruch nehmen. Nur: Wir wollen eben ordnungs­politisch Vielfalt statt Einfalt. Da unterscheiden wir uns grundlegend voneinander!

Wir werden uns auch durch die Opposition nicht beirren lassen, das zu tun, was die Menschen in unserem Land von uns erwarten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun spricht Frau Abgeordnete Tamandl 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.42.53

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Regierungsvor­lage setzt die beim Reformdialog vom 1. Mai getroffenen Vereinbarungen gesetzlich um. Wie wir schon gehört haben, wird betreffend Forschung und Entwicklung der Forschungsfreibetrag jetzt auch vermehrt für KMUs zugänglich. Bisher war es nicht so, weil die Auftragsforschung bisher nicht steuerlich begünstigt war.

Dazu bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen ein, den ich nun in seinen Kernpunkten erläutere.

Im Wesentlichen wird damit klargestellt, dass der Freibetrag beziehungsweise die Prämie nur für Aufwendungen bis zu 100 000 € pro Wirtschaftsjahr zusteht. Weiters kann durch diese Regelung ein Klein- und Mittelbetrieb mit steuerlicher Wirkung Uni­versitäten, deren Fakultäten oder Institute sowie ähnliche Forschungseinrichtungen mit der Durchführung von Forschungen beauftragen. Eine doppelte steuerliche Geltend­machung von Aufwendungen für Forschungen ist aber ausgeschlossen.

Um eine mehrfache Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2005 und 2006 an einem Tag zu verhindern, werden jene Teile des Fremdenrechtspakets 2005, die das Bundes­finanzgesetz betreffen, in diesen Abänderungsantrag eingearbeitet.

Zu den fördernden Maßnahmen kommen auch kontrollierende hinzu. In diesem Zu­sam­menhang möchte ich jetzt zur UID-Nummer, die jetzt nicht nur vom Rechnungs­aussteller, sondern auch vom Kunden beziehungsweise vom Leistungsempfänger auf der Rechnung stehen muss, und zwar bis zu einem Rechnungsbetrag von 10 000 €, Stellung nehmen.

Das ist eine gute Maßnahme zur Betrugsbekämpfung und für alle Klein- und Mittel­unter­nehmer, die davor vielleicht ein bisschen Angst gehabt haben: die zweite Stufe muss nicht überprüft werden. Das hat uns das Bundesministerium für Finanzen zuge­sagt. Das heißt, es geht nur um eine bessere Nachvollziehbarkeit durch die Finanz bei einer Außenprüfung.


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Die Bundesregierung setzt mit dieser Regierungsvorlage und auch mit dem Reform­dialog ihren erfolgreichen Kurs fort. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Tamandl in seinen Kern­punkten erläuterte Abänderungsantrag wurde gemäß § 53 Abs. 4 GOG an die Abge­ordneten verteilt. Er ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­gesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisations­gesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsver­tragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzge­setz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Öster­reichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekom­beteili­gungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundes­finanzierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 (992 d.B.), in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1037 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Art. 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988) wird wie folgt geändert:

a) In Art. 1 lautet die Z 1a:

„1a. In § 4 Abs. 4 wird nach der Z 4a folgende Z 4b eingefügt:

„4b. Ein Forschungsfreibetrag in Höhe von 25% für Aufwendungen (Ausgaben) für in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne der Z 4. Der Forschungsfreibetrag kann nur für Aufwendungen (Ausgaben) in Höhe von höchstens 100.000 Euro pro Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden. Umfasst das Wirtschafts­jahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, ist der Höchstbetrag von 100.000 Euro entsprechend der Anzahl der Monate des Wirtschaftsjahres zu aliquo­tieren. Angefangene Kalendermonate gelten dabei als volle Kalendermonate.

Der Freibetrag steht dem Auftraggeber für seine Aufwendungen (Ausgaben) nur dann zu, wenn mit der Forschung und experimentellen Entwicklung Einrichtungen oder Unternehmen, die mit Forschungs- und experimentellen Entwicklungsaufgaben befasst sind und deren Sitz in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gelegen ist, beauftragt werden. Der Freibetrag steht nicht zu, wenn der Auftragnehmer unter beherrschendem Einfluss des Auftraggebers steht oder Mitglied einer Unternehmensgruppe (§ 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) ist, der auch der Auftraggeber angehört.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Freibetrages ist, dass der Auftraggeber bis zum Ablauf seines Wirtschaftsjahres dem Auftragnehmer nachweislich mitteilt, bis zu welchem Ausmaß an Aufwendungen (Ausgaben) er den Forschungsfreibetrag in Anspruch nimmt. Der Auftragnehmer kann für die in Auftrag genommene Forschung und experimentelle Entwicklung hinsichtlich der von der Mitteilung umfassten Auf­wendungen (Ausgaben) keinen Forschungsfreibetrag nach Z 4 oder Z 4a oder eine Forschungsprämie gemäß § 108c in Anspruch nehmen.


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Der Freibetrag kann von jenen Aufwendungen (Ausgaben) nicht geltend gemacht werden, die Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß Z 4 oder Z 4a oder einer Forschungsprämie gemäß § 108c sind.

Die Geltendmachung kann auch außerbilanzmäßig erfolgen.““

2. In Artikel VII lautet der Klammerausdruck in der Promulgationsklausel:

„(2. BFG-Novelle 2005)“

3. In Artikel VII Z 7 lautet die lit. a wie folgt:

„a) Im Punkt 4 Abs. 3 des Allgemeinen Teiles werden folgende Sätze angefügt:

„Diese Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Personen die nicht im Bundesdienst stehen, aber Bedienstete der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind, zur Arbeits­leistung dem Bundesministerium für Finanzen – dies im Rahmen der generellen Auf­stockung der Betrugsbekämpfungseinheiten bis zu einer Höchstzahl von 200 – über­lassen werden. Diese Bestimmung ist weiters nicht anzuwenden, wenn Personen – in einer Höchstanzahl bis zu 100 – die nicht im Bundesdienst stehen, aber Bedienstete der ÖBB sind, zur Arbeitsleistung dem Bundesministerium für Inneres überlassen werden.““

4. In Artikel VII Z 7 wird folgende lit. b eingefügt:

„b) Im AllgemeinenTeil wird nach dem Punkt 11. folgender Punkt 12. samt Überschrift angefügt:

„12. Sonderbestimmung für den Unabhängigen Bundesasylsenat und das Bundes­asylamt

(1) Für Bundesbedienstete, die zu Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates ernannt werden, hat diese Ernennung die Übertragung und Umwandlung der bis­herigen Planstelle in den Planstellenbereich 1154 - Unabhängiger Bundesasylsenat (UBAS) zur Folge.

(2) Dies gilt auch für neue Übernahmen von Bundesbediensteten, die nicht zu Mitglie­dern des Unabhängigen Bundesasylsenates gemäß Abs. 1 ernannt werden, und in den Planstellenbereich 1154 - Unabhängiger Bundesasylsenat (UBAS) oder in den Plan­stellenbereich 1152 - Bundesasylamt übernommen werden.

(3) Das Höchstausmaß der neuen Übernahmen gemäß Abs. 1 und 2 darf 140 Planstellen nicht übersteigen.““

5. In Artikel VII Z 7 erhalten die bisherigen lit. b bis d die Bezeichnung c bis e.

6. In Artikel VIII lautet der Klammerausdruck in der Promulgationsklausel:

„(BFG-Novelle 2006)“

7. In Artikel VIII Z 7 lautet die lit. a wie folgt:

„a) Im Punkt 4 Abs. 3 des Allgemeinen Teiles werden folgende Sätze angefügt:

„Diese Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Personen die nicht im Bundesdienst stehen, aber Bedienstete der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind, zur Arbeits­leistung dem Bundesministerium für Finanzen – dies im Rahmen der generellen Auf­stockung der Betrugsbekämpfungseinheiten bis zu einer Höchstzahl von 200 – überlassen werden. Diese Bestimmung ist weiters nicht anzuwenden, wenn Personen – in einer Höchstanzahl bis zu 100 – die nicht im Bundesdienst stehen, aber Bedienstete der ÖBB sind, zur Arbeitsleistung dem Bundesministerium für Inneres überlassen werden.““


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8. In Artikel VIII Z 7 wird folgende lit. b eingefügt:

„b) Im Allgemeinen Teil wird nach dem Punkt 11. folgender Punkt 12. samt Überschrift angefügt:

„12. Sonderbestimmung für den Unabhängigen Bundesasylsenat und das Bundes­asylamt

(1) Für Bundesbedienstete, die zu Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates ernannt werden, hat diese Ernennung die Übertragung und Umwandlung der bis­herigen Planstelle in den Planstellenbereich 1154 - Unabhängiger Bundesasylsenat (UBAS) zur Folge.

(2) Dies gilt auch für neue Übernahmen von Bundesbediensteten, die nicht zu Mit­gliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates gemäß Abs. 1 ernannt werden, und in den Planstellenbereich 1154 - Unabhängiger Bundesasylsenat (UBAS) oder in den Planstellenbereich 1152 - Bundesasylamt übernommen werden.

(3) Das Höchstausmaß der neuen Übernahmen gemäß Abs. 1 und 2 darf 140 Plan­stellen nicht übersteigen.““

9. In Artikel VIII Z 7 erhalten die bisherigen lit. b bis d die Bezeichnung c bis e.

Begründung:

Zu Z 1, Art. 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988, Art. 1 Z 1a - § 4 Abs. 4 Z 4b EStG 1988):

Im Bereich Forschung und Entwicklung wird eine „Mittelstandsoffensive“ gestartet: Es soll künftig auch die in Auftrag gegebene Forschung steuerlich begünstigt werden. Bislang war es für kleinere und mittelgroße Unternehmen – KMUs kaum möglich, einen Freibetrag (eine Prämie) für Forschung in Anspruch zu nehmen, weil sie in aller Regel nicht selbst Forschung betreiben können. Mit der Neuregelung soll insbesondere den KMUs der Zugang zu einem Forschungsfreibetrag (Prämie) eröffnet werden. Hin­sichtlich der begünstigten Forschung und experimentellen Entwicklung soll der Freibetrag (die Prämie) an den bisherigen Forschungsfreibetrag nach § 4 Abs. 4 Z 4 („Frascati-Freibetrag“) anknüpfen, allerdings mit dem Unterschied, dass der Freibetrag (die Prämie) dem Auftraggeber zusteht.

Der Freibetrag (die Prämie) steht nur für Aufwendungen (Ausgaben) bis zu 100.000 Euro pro Wirtschaftsjahr zu. Im Fall eines Rumpfwirtschaftsjahres ist der Höchstbetrag entsprechend der Kalendermonate des Wirtschaftsjahres zu aliquotieren. Der Freibetrag (die Prämie) steht weiters nur dann zu, wenn die Auftragnehmer (Ein­richtungen oder Unternehmen) ihren Sitz in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes haben. Steht der Auftragnehmer unter beherr­schendem Einfluss des Auftraggebers oder ist er Mitglied einer Unternehmensgruppe (§ 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), der auch der Auftraggeber angehört, kann der Auftraggeber keinen Freibetrag in Anspruch nehmen.

Durch die Neuregelung kann ein KMU mit steuerlicher Wirkung daher Universitäten, deren Fakultäten oder Institute sowie ähnliche Forschungseinrichtungen wie zB WIFO oder IHS mit der Durchführung der Forschung beauftragen. Zudem sollen auch andere Unternehmen und Einrichtungen (wie zB Kompetenzzentren bzw. kooperative For­schungseinrichtungen oder Fachhochschulen), die im Bereich der Forschung und experimentellen Entwicklung tätig sind, einen Freibetrag (Prämie) vermitteln können.

Um eine „doppelte“ steuerliche Geltendmachung von Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung auszuschließen, schließt die Inanspruchnahme beim Auftraggeber die


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Geltendmachung gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 oder § 4 Abs. 4 Z 4a beim Auftragnehmer insoweit aus. Voraussetzung für die Inanspruchnahme durch den Auftraggeber ist, dass er bis zum Ablauf seines Wirtschaftsjahres dem Auftragnehmer mitteilt, bis zu welchem Ausmaß an Aufwendungen (Ausgaben) er den Forschungsfreibetrag in Anspruch nimmt. Dies bedeutet beispielsweise bei einem Auftragsvolumen von 50.000 Euro, dass ein „Verzicht“ des Auftraggebers erfolgen müsste, damit der Auftragnehmer in den Genuss der Förderung kommt.

Nimmt beispielsweise der Auftraggeber für einen Auftrag mit einem Volumen von 100.000 Euro die steuerliche Forschungsförderung selbst in Anspruch und teilt dies seinem Auftragnehmer auch mit, können für alle Folgeaufträge im selben Wirt­schaftsjahr weitere Auftragnehmer die steuerliche Förderung in Anspruch nehmen, da der Auftraggeber die Höchstgrenze ausgeschöpft hat.

Weiters dürfen die Aufwendungen (Ausgaben) auch beim Auftraggeber nicht Grund­lage für einen weiteren Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 oder Z 4a oder eine entsprechende Prämie sein. Entsprechend dem Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 kann die Geltendmachung des neuen Freibetrages für die Auftrags­forschung auch außerbilanzmäßig erfolgen.

Alternativ zum neuen Freibetrag für Auftragsforschung kann auch eine entsprechende Prämie in Anspruch genommen werden.

Zu Z 2 bis Z 9, Art. 7 und 8 (Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2005 und des Bundesfinanzgesetzes 2006):

Ein wesentliches Element im Rahmen des Fremdenrechtspaketes 2005 ist die Beschleunigung der Verfahrensdauer im Asylrecht. Als unterstützende Maßnahme wird dazu – auch im Interesse eines raschen Abbaues bestehender Rückstände - im Stellenplan die Möglichkeit geschaffen, Mitarbeiter für diese Aufgaben möglichst flexibel und zielgerichtet übernehmen zu können.

Bei den übrigen Änderungen (Nummerierung der BFG-Novellen) handelt es sich um redaktionelle Anpassungen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.45.26

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zuerst ein paar Anmerkungen zum Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz. Verschiedene Maßnahmen wären ja vom Ansatz sehr richtig, sind aber eindeutig zu schwach, um die Arbeitslosigkeit in unserem Land tatsächlich effizient bekämpfen zu können. Ein Land wie Österreich mit 260 000 Arbeitslosen braucht, so glauben wir, weitreichende Maßnahmen und weit­reichende Ideen, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Wenn Bundesminister Grasser meint, für jeden Lehrplatzwilligen soll es einen Lehrplatz geben, dann muss ich sagen: Das haben wir schon einmal gehört, aber schöne Reden sind einfach zu wenig! Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Es gibt 6 000 Lehrplatzsuchende. Es sind 16 000 Jugendliche ohne Arbeitsstelle. Darauf gibt aber dieses Maßnahmenpaket keine Antwort, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun ein paar Punkte, die uns ein wenig positiver stimmen:


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Dass die Auftragsforschung steuerlich begünstigt werden soll, wie heute schon erwähnt worden ist, halten wir für eine sehr sinnvolle Maßnahme.

Oder: Dass es in Zukunft die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf der Rechnung geben wird, bringt sicher mehr Möglichkeiten bei der Betrugsbekämpfung.

Es gibt also Punkte in dieser Regierungsvorlage, bei denen wir mitstimmen werden.

Aber ein sehr großes Problem, meine sehr geschätzten Damen und Herren, sehen wir bei der Neuordnung der Rechtsverhältnisse der ÖIAG. Zusätzliche Mittel für die For­schung sind unabdingbar und enorm wichtig, aber diese sollen nicht durch Privatisie­rungserlöse aufgebracht werden. Doch dorthin geht der Weg, wie wir aus der Vorlage entnehmen können. Wir glauben, dass das der falsche Weg ist, und daher werden Sie uns bei diesem Punkt nicht als Partner haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.47


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.47.25

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Wachstums- und Beschäftigungsgesetz werden auch die Rahmenbedingungen für den ländlichen Raum in entscheidendem Maße verbessert.

Es ist ja so, dass leider Gottes die verlängerten Werkbänke in unseren ländlichen Gebieten zunehmend verloren gehen. Ich habe das erst vor wenigen Wochen in meinem Wahlkreis erleben müssen. Aber Gott sei Dank gibt es da auch Gegen­entwicklungen. Ein Beispiel dafür ist das Europäische Zentrum für erneuerbare Energie in Güssing. Dort wurden Hunderte qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen. In diesem Zentrum, wo Wärme und Strom aus alternativen Energien erzeugt werden, wird nun versucht, zusätzlich Gas und Mineralöle aus Holz zu gewinnen – also ein wirklich innovativer Ansatz, um die Ressourcen der Region entsprechend zu nützen.

Möglich ist das nur deshalb, weil es jetzt schon entsprechende Forschungsmittel gibt, weil es auch EU-Fördermittel gibt und weil es jetzt auch schon im ländlichen Raum den Breitbandzugang zum Teil gibt. All diese Dinge – die Forschungsförderung und der Breitbandzugang – werden mit diesem Wachstums- und Beschäftigungsgesetz ent­sprechend verstärkt. Damit wird auch weiteren Gebieten im ländlichen Raum der Zugang ermöglicht.

Eine Maßnahme, geschätzte Damen und Herren, möchte ich noch erwähnen, die kein Geld kostet, aber Arbeitsplätze sichert und Arbeitsplätze bringt. Das ist die Erstreckung des Termins für die Fertigstellung von Ökostromanlagen. Es war nämlich vorgesehen, dass diese bis zum 1. Juni 2006 hätten fertig gestellt sein sollen. Das wäre sich aber mit all den eingereichten Anlagen nicht ausgegangen. Nunmehr wurde dieser Termin bis zum 31. Dezember 2007 erstreckt.

Wenn wir wissen, dass mit jeder dieser Anlagen Hunderte, ja Tausende Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden können, zum einen in der Produktion, zum anderen aber auch in der Herstellung der Anlagen, dann können wir, glaube ich, sagen: Das ist eine Maßnahme, die beispielgebend ist dafür, wie diese Regierung auch für den länd­lichen Raum entsprechende Maßnahmen setzt und dazu beiträgt, dass die Strukturen im ländlichen Raum entsprechend verbessert und neue Arbeitsplätze geschaffen wer­den. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.49



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116. Sitzung / Seite 223

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Dr.  Moser. 2 Minuten Redezeit. Restredezeit der Grünen: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.49.59

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ganz kurz: Sie alle wissen – das Wifo sagt es auch –, dass 2,5 beziehungsweise 3 Prozent Wirtschaftswachstum notwendig sind, um Beschäftigungs­effekte zu erzielen, um zusätzliche Arbeitsplätze schaffen zu können. Der Herr Finanzminister hat heute von 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum gesprochen. – Da klafft eine Lücke.

Ich sage Ihnen, Herr Staatssekretär: Wichtig wäre gewesen eine Zweckwidmung der Wohnbauförderungsgelder in Richtung Althaussanierung, in Richtung Kyoto-Ziel­setzung, in Richtung Energiesparmaßnahmen und in Richtung Bau. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) Auch in Richtung Verbesserung der Mietsubstanz. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Neudeck.)

Dann hätten wir wirklich Konjunktureffekte, die wir dringend brauchen, neben dem zweiten großen Punkt, nämlich der Steuerreform, in Richtung Stärkung der Konsum­kraft. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ellmauer.)

20.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Das letzte Wort hat Herr Abgeordneter Neudeck. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.51.00

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es passiert selten, dass man das letzte Wort hat. Zu Hause ist mir das noch nie gelungen. – Meine Damen und Herren, Kollege Matznetter hat sich vorhin hier hergestellt und das Jahr 1999 beziehungsweise die Politik bis zum Jahr 1999 sehr gelobt. In diesem Zusammenhang möchte ich aus dem Bericht der Oesterreichischen Nationalbank zitieren. Darin steht unter anderem:

„International stark kritisierte Konsolidierungspause: die Periode von 1998 bis 2000.“

Ich zitiere weiter, Herr Kollege Matznetter:

„Da jedoch auch die nötigen Reformmaßnahmen weitgehend ausblieben, wurde das geforderte mittelfristige Budgetziel eines ausgeglichenen Haushalts verfehlt.“ – Das war vor 1999!

Weiters heißt es hier: „Die konjunkturell günstige Periode von 1998 bis 2000 wurde nicht zugunsten verstärkter Konsolidierungsanstrengungen genutzt. Ganz im Gegen­teil: 1998 stieg die Defizitquote wieder stark an.“ – Das fällt in die Zeit, die Sie zu verantworten haben.

Ich zitiere weiter: „Österreich katapultierte sich damit bezüglich der Defizitquote auf die Schlusslichtposition unter den EU-Mitgliedsländern.“ – Das Schlusslicht ist rot. Ja, das ist natürlich Ihre Farbe! Aber es ist wirtschaftlich nicht gut, Kollege Matznetter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Aber wie schaut es 2005 aus? – Der Vergleich macht uns sicher!

Ich zitiere wieder:

„Vor wenigen Wochen haben IWF und OECD bei ihren regelmäßigen Beurteilungen ...“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Kollege Matznetter, hören Sie zu! Das ist wichtig, sonst machen Sie den gleichen Fehler wieder!


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116. Sitzung / Seite 224

„...bei ihren regelmäßigen Beurteilungen der österreichischen Wirtschaftspolitik die beachtlichen Reformerfolge sehr gewürdigt.“ (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Kollege Matznetter, hören Sie zu!

„Eine Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses“ – das heißt, diese Regierung soll so weitermachen ... (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Matznetter, bitte nicht am Ende des Tages in den Dialog von der letzten Bank aus treten! Melden Sie sich erneut zu Wort! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (fortsetzend): Herr Präsident! Ich habe gewusst, ich habe nicht das letzte Wort.

Ich zitiere weiter: „Eine Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses ist, so beto­nen beide Institutionen, für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand wichtig.

Der IWF stellt fest, dass Österreichs Reformerfolge der letzten Jahre sich äußerst positiv von anderen Ländern abheben. Nun gehe es darum, diese Reformen mit gleichem Elan fortzusetzen.“

Kollege Matznetter, ich nehme an, dass Ihre neue Funktion als Vizepräsident der WKÖ Ihren Blickwinkel weitet und Sie aus Ihrer sozialdemokratischen Konklavesituation etwas freigespielt werden.

Dem Kollegen Eder möchte ich etwas sagen. Kollege Eder, die Erweiterung der Bau­sparkassenmöglichkeiten bedeutet erstens keine Pflicht, für Bildung und Pflege einen Kredit aufzunehmen, wie es Kollegin Bures gesagt hat. Das ist keine Pflicht! (Zwischen­ruf des Abg. Eder.)

Kollege Eder, du weißt natürlich ganz genau, dass den Bausparkassen die Bau­spardarlehen nicht verboten werden, aber es sollen Leute bei Bausparkassen weiter sparen, und zwar auch für ... (Abg. Eder nickt bejahend mit dem Kopf.) Gut, das heißt, du hast es verstanden, du stimmst mit. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bundes­finanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundesgesetz über die Neu­ordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktien­gesell­schaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bausparkassen­gesetz geändert werden – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 in 1037 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Hagenhofer, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.


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116. Sitzung / Seite 225

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Kogler und Dr. Matznetter je ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betrof­fenen Teile, unter Berücksichtigung der Verlangen auf getrennte Abstimmung, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 1 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und das ist daher angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 1a in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 2 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 2a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Die Zustimmung wird einstimmig erteilt. Das ist daher angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 3 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Abgeordneten, die dem zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Dieses Zeichen wird von der Mehrheit des Hohen Hauses gegeben. Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 4 § 124b Ziffer 122 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Mehrheit des Hohen Hauses ist dafür. Das ist daher mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 4 § 124b Ziffer 125 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Die Abgeordneten Hagenhofer, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Ziffer 4a in Artikel I eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel VII Ziffer 3 bis 6 in der Fassung des Ausschussberichtes.


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116. Sitzung / Seite 226

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur getrennten Abstimmung über Artikel VII Ziffer 7 lit. a in der Fassung des Ausschuss


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116. Sitzung / Seite 227

berichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen lit. b in Artikel VII Ziffer 7 samt entsprechender Umnummerierung der nachfolgenden Ziffern eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel VII Ziffer 7 lit. c bis e neu (b bis d alt) in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Bejahung. – Die Mehrheit ist dafür. Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel VIII Ziffern 3 bis 6 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

 

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel VIII Z. 7 lit. a in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berück­sichtigung des Abänderungsantrages der Abgeord­neten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Angehörigen des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen lit. b in Artikel VIII Z. 7 samt entsprechender Umnummerierung der nachfolgenden Ziffern eingebracht.

Ich bitte jene Abgeordneten, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel VIII Z. 7 lit. c bis e neu, lit. b bis d alt in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel IX in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenom­men.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel XI in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – In dritter Lesung ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

21.02.0816. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 610/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungs­gesetz 1981 geändert wird (1041 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geän­dert wird (1042 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Stummvoll mit einer Redezeit von 2 Minuten; Restredezeit der Fraktion: 9 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.03.07

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den beiden vorliegenden Novellen zum Ausfuhrförderungsgesetz und Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz verlängern wir nicht nur diese bewährten Instrumente der Exportförderung um fünf Jahre, stocken nicht nur den Haftungsrahmen von 25 auf 30 Milliarden € auf, sondern führen damit auch qualitativ neue Aspekte ein.

Ich bin ehrlich gestanden sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, auch Forderun­gen seitens der Opposition, die wir für klug und vernünftig halten, entsprechend einzubauen.

Wir haben zum Beispiel eingebaut, dass bei der Prüfung ökologische und beschäfti­gungspolitische Aspekte zu berücksichtigen sind. Ich glaube, das war politisch klug und ist auch richtig.

Wir haben zweitens festgelegt, dass bei Großprojekten mit erheblicher ökologischer Auswirkung ein vierteljährlicher Bericht des Finanzministers an das Hohe Haus zu erfolgen hat. Wir haben damit auch die Transparenz entsprechend erhöht, und ich freue mich wirklich darüber, weil es zu Beginn der Gespräche nicht so ausgesehen hat, dass wir einen breiten Konsens erzielen. Nach Gesprächen mit Werner Kogler und Frau Mag. Lunacek aber bin ich großer Hoffnung, dass wir in dritter Lesung einen Vier-Parteien-Beschluss zustande bringen. Ich sage Ihnen dafür zu, dass ich mich auch in Zukunft bemühen werde, Ihnen entgegenzukommen, um auch durch informelle


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116. Sitzung / Seite 228

Sitzungen während der offiziellen Ausschusssitzung einen möglichst breiten Konsens zu erreichen.

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass auch in der Exportförderung ökologische Argumente zu berücksichtigen sind, und ich gehe davon aus, Sie, Frau Kollegin Lunacek, haben zur Kenntnis genommen, dass zwischen Exportförderung und Entwicklungspolitik doch ein kleiner Unterschied ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. 3 Minuten. – Bitte.

 


21.05.00

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zu diesen Tagesordnungspunkten möchte ich anführen, die Vorbereitung für die anstehenden Novellen haben wir als nicht leicht empfunden. Wir wissen alle um die Bedeutung der Exportförderung. Unsere Unternehmungen erleben auf dem Weltmarkt die Situation, dass es für diese Unternehmer gerade in Schwellenländern, gerade aber auch in jenen Ländern, bei denen ein politisches Risiko besteht, schwierig ist, mit den anderen Mitbewerbern aus großen Ländern dieser Welt mitzuhalten. Ich hätte mir daher gewünscht, dass wir mit dieser Novelle noch weiter kommen.

Sie kennen meine Wünsche: dass wir zum Beispiel im Bereich der Daseinsvorsorge, dort, wo bei uns eine hervorragende Zusammenarbeit von Einrichtungen der öffent­lichen Hand, kommunalen Dienstleistern und privaten Anbietern von Umwelttechnik, Entsorgung, Verkehrsverbindungen et cetera gegeben ist, Verbesserungen erzielen. Österreich steht leider immer wieder vor dem Problem, dass es nicht reüssieren kann, weil andere Länder es besser machen.

Herr Kollege Stummvoll, ich greife Ihr Angebot auf: Reden wir über diesen Punkt, reden wir über die Punkte, die wir nicht erfüllen konnten, über die Wünsche der NGOs! Ich glaube, dass ein Bericht über Projekte mit erheblichem sozialem Impact keine Belastung darstellt für den Hauptausschuss, sondern uns – im Gegenteil! – die Chance gibt, zu sehen, was passiert, auch die Positiva hervorzuheben. Angesichts der Qualifi­zierung der Beschäftigten bei der Kontrollbank sowie der Abteilung im Finanzminis­terium habe ich keine Zweifel, dass sie einen für uns nützlichen Bericht erstellen würden.

Versuchen wir, bis zur nächsten Verlängerung der Ausfuhrförderung in fünf Jahren die Unternehmen so weit zu bringen, CSR zu akzeptieren, wenn sie für alle gilt. Eine öffentliche Förderung – wenn wir ein Regel-System vorgeben, auch wenn es freiwillig ist – sollte irgendwann gebunden sein an die Einhaltung dieser Standards. Ich appelliere daran – bei aller Liebe zur Freiwilligkeit bei CSR-Maßnahmen –: Trachten wir danach, dass CSR Wirklichkeit für alle Unternehmen wird! – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bucher.)

21.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Bucher 2 Minu­ten. – Bitte.

 


21.07.18

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich unsere Zustimmung zum Ausfuhr­förderungsgesetz und Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz zum Ausdruck bringe, darf ich alle Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ beruhigen und Ihnen mit großer Freude mitteilen, dass Herr Kollege Posch bereits genesen ist und sich im


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MuseumsQuartier auf einen Kaffee aufhält. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen sowie der ÖVP.)

Es stimmt uns alle sehr glücklich – mich nicht zuletzt deshalb, weil Kollege Posch auch ein Landsmann von mir ist –, dass er wieder bei Kräften ist und sich voller Gesundheit erfreut. Hoffentlich verfolgt er unsere Diskussionsbeiträge zu mehr Beschäftigung und Entwicklung in Österreich – wenn schon nicht hier im Hohen Haus, so zumindest über eine Fernleitung, die er ins MuseumsQuartier hinübergelegt bekommen hat. (Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.)

Das Ausfuhrförderungsgesetz stellt einen wichtigen Grundstein für unsere Export­entwicklung in Österreich dar. Ich freue mich, dass es Übereinstimmung gibt, was die Zielbestimmungen für die Zukunft betrifft, dass die Unternehmen auch in Zukunft stark gefördert werden in ihren Exportbemühungen und dass ökologisch sinnvolle Maß­nahmen und Zielbestimmungen ergriffen worden sind, auch beschäftigungs­politische, auch sozialpolitische Zielsetzungen, die in Zukunft den Unternehmen als Basis vorge­geben werden, um ihre Exportentwicklungen entsprechend entfalten zu können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lunacek 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Mag. Lunacek – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ein bisschen mehr sind es noch!)

 


21.08.50

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Uns Grünen ist es seit vielen Jahren ein Anliegen, dass sichergestellt wird – weil es in der Vergangenheit hin und wieder Probleme gegeben hat im Bereich von Großkraftwerken, von Papierfabriken et cetera –, dass in Zukunft mit österreichischen Exportgarantien keine Projekte unterstützt werden, die eventuell sozial oder ökologisch schädliche Auswirkungen haben, nämlich in jenen Ländern, in die Investitionen getätigt werden, dass das öffentlich garantiert wird.

Herr Kollege Stummvoll, wir haben nie behauptet, dass es zwischen Exportförderung und Entwicklungszusammenarbeit einen direkten Zusammenhang gibt. Exportför­derung ist keine Entwicklungszusammenarbeit, das ist mir schon klar, aber es gibt gewisse Prinzipien, die mittlerweile auch im Entwicklungszusammenarbeitsgesetz defi­niert werden und bezüglich derer mittlerweile auch den meisten Unternehmen klar ist, dass sie diese einhalten sollen, damit sie auch nachhaltig Erfolg haben, wobei ich wichtig fände, das in einem solchen Gesetz zu verankern.

Sie haben es schon gesagt, nach zahlreichen Gesprächen waren auch die Regie­rungsfraktionen bereit, einige Punkte, die uns ein Anliegen waren, einzubringen. Ich möchte trotzdem noch einen Abänderungsantrag, in dem wir all das vorstellen, was wir gerne in dem Entwurf verankert gesehen hätten, einbringen.

Uns ist es nämlich darum gegangen, dass zum Beispiel die OECD-Leitsätze für multi­nationale Unternehmen auch in den Zielbestimmungen der Exportförderung verankert werden – es sagen ohnehin alle Unternehmen, dass sie sie einhalten, uns wäre es Recht gewesen, das hineinzuschreiben –, ebenso die Ziele des EZA-Gesetzes, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung, die die Bundesregierung ja vertritt, aber auch andere Aspekte wie eine Frist, 90 Tage vor Erteilung der Garantie dem Parlament zu berichten.


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Das wären Punkte, die es in manch anderen Ländern gibt, die uns wichtig gewesen wären, deshalb bringe ich diesen soeben erläuterten Abänderungsantrag hiemit ein.

Wir haben in langen Gesprächen sehr wohl und auch gerne zur Kenntnis genommen, dass es hier Bewegung gegeben hat, die in diesem Zusammenhang wirklich einmalig und erstmalig ist. Das nehme ich zur Kenntnis, das nehmen wir zur Kenntnis und werden deshalb in zweiter Lesung unserem Abänderungsantrag zustimmen, dem anderen nicht, in der dritten Lesung aber dem gesamten Gesetz zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Mag. Lunacek in den Eckpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Lunacek, Kogler, Freun­dinnen und Freunde wurde verteilt; er ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lunacek, Kogler, Kolleginnen und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Finanzausschusses 1042 d.B. über den Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen in der Fassung des Ausschussberichtes 1042 d.B. wird folgendermaßen abgeändert:

1. Die bisherigen Z. 1 bis 8 erhalten die Bezeichnung Z. 2 bis 9

2. Die neu einzufügende Z. 1 lautet:

„1. In § 1 Abs. 1 wird nach dem Wort ,Leistungsbilanz‘ die Wortfolge ,unter Berück­sichtigung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung und in Übereinstimmung mit § 1 des Bundesgesetzes über die Entwicklungszusammenarbeit (BGBl. I Nr. 49/2002)‘ eingefügt.“

3. Folgende Z. 3a neu wird eingefügt:

„3a. § 4 Abs. 2 wird folgendermaßen abgeändert und lautet:

,§4 (2) Die Richtlinien haben auf den Förderzweck der Haftungsübernahmen ent­sprechend Bedacht zu nehmen sowie international anerkannte Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu befolgen.‘“

4. Z.4 (neu) wird dahingehend geändert, dass in § 5 Abs. 2 zweiter Satz das Wort „einschließlich“ durch das Wort „sowie“ ersetzt wird.

5. Z. 8 (neu) lautet:


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116. Sitzung / Seite 231

„8. § 6 lautet:

,Über das Ausmaß der auf Grund dieses Bundesgesetzes übernommenen Haftungen, über die Abwicklung der infolge Inanspruchnahme von Haftungen geleisteten Zah­lungen und Rückflüsse sowie über die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der geför­derten sowie abgelehnten Projekte hat der Bundesminister für Finanzen dem Haupt­ausschuss vierteljährlich schriftlich zu berichten. Bei Projekten mit Umweltaus­wirkun­gen (Kate­gorie A- und B-Projekte gemäß den ,OECD Recommendations on Common Approaches on Environment and officially supported Export Credits‘) hat der Bundesminister für Finanzen dem Hauptausschuss des Nationalrates mindestens 90 Tage vor Erteilung der Garantie über das Prüfergebnis zu berichten. Über die Tätigkeit des Beirates gemäß § 5 Abs. 2 hat der Bundesminister für Finanzen dem Haupt­ausschuss jährlich einen Bericht vorzulegen, der nach Kenntnisnahme vom Bundes­ministerium für Finanzen veröffentlicht wird.‘“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht der Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


21.11.53

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Export ist ein wesentlicher Motor unserer öster­reichischen Konjunktur. Inzwischen hängt entweder direkt oder indirekt jeder zweite Arbeitsplatz davon ab. Im Jahre 2004 haben wir ein Exportvolumen von 90 Milliarden € erreicht.

Daher ist es wichtig, dass dieses wichtige Instrumentarium, die Übernahme von Haf­tungen, die Exportfinanzierung, in der Form im wesentlichen Kern erhalten bleibt und nicht überfrachtet wird mit anderen Zielvorgaben. Ich bin froh, wenn diese beiden Gesetzesvorlagen heute angenommen werden, aber bitte darum, dass im Kern die Exportförderung als wichtiges Instrumentarium für die heimische Wirtschaft auch wirklich erhalten bleibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. 2 Minuten Redezeit; Restredezeit der Fraktion: 8 Minuten. – Bitte.

 


21.12.57

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, alles, was dem Export hilft, jede Absicherung, ist zugleich auch eine Beschäftigungssicherung im Inland, sichert Arbeitsplätze im Inland, ist gleichzeitig aber auch ein ausgezeichnetes Zeugnis für die österreichische Betriebs- und Wirtschaftskraft. Es ist auch ein ausgezeichnetes Zeugnis für die Facharbeiter Österreichs, wenn man auf internationalen Märkten bestehen kann. Das zeugt von der ungeheuer großen Leistungsfähigkeit der österreichischen Betriebe.

Meine Damen und Herren! Mehr als 50 Prozent des BIP hängen letztlich vom Export ab. Durch die Haftung werden in etwa 7 Prozent des Exportes abgesichert. Bei dieser Gelegenheit sollten wir auch einmal danke sagen den über hundert Außenhandels­stellen der Wirtschaftskammer, vor allem den Außenhandelsdelegierten, die unwahr­scheinlich wichtige Botschafter im Hinblick auf Exportmöglichkeiten sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren, nur noch folgende Bemerkung: Seit der Osterweiterung kann darauf hingewiesen werden, dass es kräftige Exportsteigerungen gegeben hat. nach Tschechien 38 Prozent, nach Ungarn über 43 Prozent, in die Slowakei über 40 Pro­zent und nach Slowenien über 41 Prozent.

Alles in allem ein hervorragendes Zeugnis österreichischer Wirtschaftsleistung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Hagenhofer 3 Minuten; Restredezeit Ihrer Fraktion: 6 Minuten. – Bitte.

 


21.14.41

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass Österreich in den letzten zwei Jahren 9,4 Milliarden € an Haftungsübernahmen für Direktinves­ti­tionen gerade im südosteuropäischen Raum übernommen hat, wäre es wichtig und richtig, einmal zu erfahren, welche Auswirkungen diese Direktinvestitionen in Länder wie Serbien, Rumänien, Bulgarien, wo Österreich als größter Direktinvestor auftritt, haben.

Es wäre notwendig, über diese Ausfuhrförderungshaftung im Hauptausschuss des Nationalrates ein Evaluierungsergebnis vorzulegen, das, wie Sie es angeschnitten haben, umweltpolitische, arbeitsmarktpolitische beziehungsweise beschäftigungs­politi­sche und soziale Aspekte beinhaltet, und zwar nicht so wie jetzt auf Goodwill, sondern tatsächlich verpflichtend.

Im Hauptausschuss erfolgen viele verpflichtende Berichterstattungen, daher frage ich Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, warum nicht auch bei Haftungen, die ja in den letzten zwei Jahren rund 10 Milliarden € betragen haben.

Ich bitte, daran weiter zu arbeiten; das sind wir auch dem Steuerzahler schuldig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht als letzter Redner Herr Abgeordneter Mag. Langreiter 2 Minuten. – Bitte.

 


21.16.24

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich spreche nicht von Evaluierungen und Hauptausschuss-Sitzungsterminen, sondern ich spreche davon, dass uns der weltweite Wettbewerb grundsätzlich vor neue Heraus­forderungen stellt. Keine Frage! Damit ist die Verlängerung dieses Gesetzes und somit der Haftungsübernahmen eine absolut notwendige Sache.

Im Jahre 2004 gelang es dem Wirtschaftsbericht zufolge der österreichischen Wirt­schaft, ein stärkeres Wirtschaftswachstum als in den Jahren davor zu erreichen. Das bedeutet, besonders das Jahr 2004 war geprägt von der Dynamik der Ausfuhren, der Ausfuhren in die USA und nach Asien, aber natürlich auch in das benachbarte Deutschland. Auch unter den Hauptabnehmerländern von Österreich lag Deutschland interessanterweise doch zumindest an vorderster Stelle, wenn auch gleichzeitig schwächelnd.

Ich denke, jedem ist das eigene Hemd am nächsten, das heißt, nach wie vor sind die eigene Standortpolitik und natürlich die Arbeitsplatzsicherung das Wichtigste. Ich möchte vorschlagen, dass wir parteiübergreifend, alle Parteien in diesem Hohen Haus,


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grundsätzlich daran arbeiten, dass in Deutschland eine politische Veränderung herbei­geführt wird, damit dort bürgerliche Mehrheiten entstehen und vielleicht auch die Leistungsbilanz und die Handelsbilanz ein bisschen verbessert werden können. Das dient unseren Standorten und insbesondere natürlich auch unseren Arbeitsplätzen. – Daran arbeiten wir. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte die Damen und Herren, die Plätze einzunehmen. Da es sich hier um eine Abstimmung mit Verfassungsquorum handelt, muss dieses Quorum erreicht werden. – Herr Abgeordneter Lopatka, bitte Platz einnehmen, ebenso Herr Amon, Herr Gahr!

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1041 der Beilagen.

Wer zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1042 der Beilagen.

Da der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhr­förde­rungsgesetz geändert wird, eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich wiederum zunächst die Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und schließlich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen, und damit ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben.


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21.20.2118. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 652/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matz­netter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungs­ge­setz – ABÄG) geändert werden (1043 d.B.)

Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 18. Punkt der Tages­ord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte leitet Herr Abgeordneter Bucher ein. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


21.20.54

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! In diesem Gesetzesantrag geht es um die umsatz­steuerliche Gleichbehandlung von Glücksspielumsätzen inner- und außerhalb von konzessionierten Spielbanken laut einem EuGH-Erkenntnis. Gleichzeitig geht es darum, dass eine steuerliche Gleichbehandlung nicht zu einer höheren Steuer führt.

Ich darf folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 652/A der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matz­netter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (652/A), in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1043 der Beilagen):

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (652/A) in der Fassung des Berichtes des Finanz­ausschusses (1043 d.B.) wird wie folgt geändert:

Artikel II (Änderung des Glücksspielgesetzes) wird wie folgt geändert:

1) Nach Ziffer 2 wird folgende Ziffer 2a eingefügt:

„2a. § 25 Abs. 3 lautet:

„(3) Entsteht bei einem Inländer die begründete Annahme, dass Häufigkeit und Inten­sität seiner Teilnahme am ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, der Antrag wurde verteilt; Sie brauchen ihn nur in den Kernpunkten zu erläutern.

 


Abgeordneter Josef Bucher (fortsetzend): Ich darf um Ihre Zustimmung werben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Bucher in seinen Kernpunkten umfangreich und hinreichend erläuterte Abänderungsantrag ist aus-


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reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Das ist übrigens eine ganz wichtige Angelegenheit.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 652/A der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (652/A), in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1043 der Beilagen):

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (652/A) in der Fassung des Berichtes des Finanz­ausschusses (1043 d. B.) wird wie folgt geändert:

Artikel II (Änderung des Glücksspielgesetzes) wird wie folgt geändert:

1) Nach Ziffer 2 wird folgende Ziffer 2a eingefügt:

"2a. § 25 Abs. 3 lautet:

„(3) Entsteht bei einem Inländer die begründete Annahme, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel für den Zeitraum, in welchem er mit dieser Intensität und Häufigkeit spielt, das Existenzminimum gefährden, hat die Spielbank­leitung Auskünfte bei einer unabhängigen Einrichtung einzuholen, die Bonitäts­auskünfte erteilt. Das Existenzminimum ist nach der ExistenzminimumVO in der jeweils geltenden Fassung (allgemeiner monatlicher Grundbetrag) zu ermitteln. Ergibt sich aus diesen Auskünften die begründete Annahme, dass die fortgesetzte und nach Häufigkeit und Intensität unveränderte Teilnahme am Spiel das konkrete Existenzminimum dieses Spielers gefährdet, hat die Spielbankleitung den Spielteilnehmer schriftlich auf diese Gefahr hinzuweisen. Nimmt der Spielteilnehmer trotz dieser Warnung unverändert häufig und intensiv am Spiel teil, ist die Spielbankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken. Ist die Einholung der erforderlichen Auskünfte nicht möglich oder verlaufen diese ergebnislos, so hat die Spielbankleitung den Spielteilnehmer über dessen Einkommens- und Vermögenssituation zu befragen und gemäß den Erkennt­nissen aus dieser Befragung unter sinngemäßer Anwendung des Vorstehenden zu warnen und gegebenenfalls zu sperren. Unterlässt die Spielbankleitung die Über­prüfung oder Warnung des Spielteilnehmers oder die Untersagung oder Einschränkung des Zugangs zur Spielbank und beeinträchtigt der Spielteilnehmer durch die deshalb unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum, haftet die Spiel­bankleitung für die dadurch während der unveränderten Teilnahme am Spiel eintreten­den Verluste, wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoein­kommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einer­seits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum. Die Haftung ist innerhalb von 6 Monaten nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen. Die Spielbank­leitung haftet nicht, sofern der Spielteilnehmer bei seiner Befragung unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder wenn ihr bei der Erfüllung ihrer Pflichten nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar ist. Dieser Absatz regelt abschließend alle Ansprüche


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des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung in Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Verlusten aus dem Spiel.““

2) Die Ziffer 4 lautet:

„4. Dem § 59 wird folgender Abs. 18 angefügt:

„(18) § 28 Abs. 3 Z 2 und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2005 tritt mit 1. Jänner 1999 in Kraft. § 17 Abs. 3 Z 1 und § 17 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2005 treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft.““

Begründung

Mit Art 37 Budgetbegleitgesetz 2003 wurde § 25 Abs 3 GSpG, BGBl 1989/620 idF der GSpG-Nov BGBl I 2003/35, geändert. Die Pflichten der Spielbankleitun­gen/Kon­zes­sionäre gegenüber den sich im Lichte ihrer finanziellen Verhältnisse selbst gefähr­denden Spielteilnehmern wurden präzisiert. Den – im psychologischen Fachschrifttum als „pathogenen“ Spielern bezeichneten – Spielteilnehmern gegenüber ordnet § 25 Abs 3 Nachforschungs- und Handlungspflichten der Spielbankleitung an. Ziel dieser Regelung war u.a., derartige Spielteilnehmer von existenzgefährdenden Glücksspielen abzuhalten und gleichzeitig die Pflichten des Konzessionärs sowie allfällige Ansprüche pathogener Spieler gegen den Konzessionär klar und transparent zu gestalten.

Von verschiedener Seite wird jedoch kritisiert, dass die bestehende Regelung kontra­produktiv sei. Während der Spieler Verluste im Rahmen eines angemessenen Verhält­nisses zu Einkommen und Vermögen ersatzlos zu tragen hat, eröffnet die Auslegung des § 25 Abs 3 GSpG als Schutznorm durch den OGH dem „pathogenen“ Spieler Möglichkeiten zur Selbstschädigung. Gewinnt er, erhält er den Gewinn in voller Höhe ausbezahlt. Verliert er, dann weiß er, dass die Spielbankleitung seinen Verlust nur ersetzt, wenn er übermäßig verliert. Also ist er motiviert, riskant zu spielen, um entweder hoch zu gewinnen oder so hoch zu verlieren, dass ihm der Verlust ersetzt wird (um vielleicht an anderer Stelle, z.B. im Ausland, mit dem so „zurückgewonnenen“ Geld wieder zu spielen). Da diese Rechtsprechung in Spielerkreisen bis ins Detail bekannt ist, wird im Ergebnis das Fehlverhalten des Spielers belohnt und nicht mit abschreckenden Konsequenzen belegt.

Fachexperten kommen zum Ergebnis, dass die weitgehende Rückzahlung der getätig­ten Einsätze gemäß derzeitiger Praxis eine Verstärkung des problembehafteten Spiel­verhaltens bewirkt; die SpielerInnen erleben also nicht mehr den abschreckenden Effekt ihres Verhaltens, sondern erhalten im weitesten Sinn eine „Belohnung“. Verges­sen werden darf in diesem Zusammenhang auch nicht darauf, welche Auswirkungen diese Situation auf andere SpielerInnen hat, die sich zwar noch nicht in der Lage befinden, pathogene Spieler zu sein, jedoch vielleicht schon auf dem besten Weg dazu sind. Ihnen spiegelt man damit eine verzerrte Realität vor, nämlich die, dass es besser ist, mehr zu spielen als die eigene Vernunft erlaubt, da man ja ohnehin die Möglichkeit hat, über den Gerichtsweg seine Verluste rückgängig zu machen.

Andererseits darf die ordnungspolitische Verantwortung der Spielbankleitung nicht aufgeweicht werden und sind Spieler da wirksam zu schützen, wo sie dies existenziell benötigen. Die Teilnahme am Spiel darf zu keiner Gefährdung der eigenen wirtschaft­lichen Existenz oder dazu führen, dass Unterhaltspflichten nicht erfüllt werden können. Schutzgut ist dabei das individuelle Existenzminimum, berechnet anhand der Bestim­mungen der Exekutionsordnung (allgemeiner monatlicher Grundbetrag zuzüglich und abzüglich der Beträge gemäß §§ 291 bis 291e Exekutionsordnung), weshalb exor­bitante Verluste, welche dieses bedrohen, von der Spielbankleitung – soweit zumut­bar – zu verhindern sind.


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Eine nach Verstreichen einer angemessenen Zeit vorgenommene Evaluierung der Bestimmungen zum Spielerschutz im GSpG zeigt also, dass die Regelung des Spielerschutzes bisher und deren Auslegung durch die Gerichte die mit ihr durch den Gesetzgeber verfolgten Ziele nicht erreicht hat und die derzeitige Fassung des § 25 Abs 3 die Umsetzung dieser Ziele ebenfalls nicht in ausreichendem Maß erwarten lässt. Hinzu kommt, dass die Zahl der Spielbankstandorte in den Nachbarstaaten Öster­reichs – insbesondere in Grenznähe zu Österreich – exorbitant zugenommen hat. Diese unterliegen wesentlich lockereren – teilweise überhaupt keinen – Regimes zum Spielerschutz. Damit haben diese Anbieter, die in einem harten Wettbewerb zu den österreichischen Konzessionären stehen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Unter­lägen österreichische Konzessionäre in diesem Wettbewerb, führte das zu einem unerwünschten Absinken des Spielerschutzes. Um in Österreich weiter dauerhaft wünschenswerte Spielerschutzstandards erhalten zu können, ohne die wirtschaftliche Substanz von österreichischen Spielbankkonzessionären zu gefährden, gleichzeitig aber dem Vorstehenden Rechnung zu tragen, ist eine Novellierung angebracht.

Glücksspiel dient dem Vergnügen und der Entspannung der Spieler. Wie bei jeder anderen Freizeitbeschäftigung hat der Ausübende die Kosten für seine Aktivität seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen anzupassen. Ist der Spielbankleitung erkennbar, dass ein Spieler dazu nicht in der Lage ist, hat er den Spieler zu warnen und in weiterer Folge durch geeignete Sperren zu schützen. Deshalb ist durch den Gesetzgeber rasch klarzustellen, dass ausschließlich pathogene Spieler geschützt sind. Welche Nachforschungs- und Handlungspflichten die Spielbankleitung treffen, ist im neuen Abs 3 des GSpG abschließend festgelegt. Die dort enthaltenen Regelungen stellen abweichende Sonderbestimmungen zu den Haftungsregelungen des ABGB dar. Da die Rechtsbeziehung zwischen der Spielbankleitung und dem Spielteilnehmer in Ansehung der durchgeführten Glücksspiele auf privatrechtlichen (Glücks)Verträgen beruht, stellen diese Bestimmungen eine besondere Form von Verbraucher­schutz­vorschriften dar, mit denen insbesondere die Gefahren existenzgefährdenden Glücks­spiels eingedämmt werden sollen. Die Umsetzung dieser Sondermaterie erfolgt daher nicht im ABGB, sondern – ähnlich wie für den allgemeinen Bereich der Konsumenten im KSchG – zweckentsprechend im Glücksspielgesetz.

Auf einer ersten Stufe hat die Spielbankleitung unter Anwendung der objektiven Kriterien Häufigkeit und Intensität zu untersuchen, ob die Spielleidenschaft und Risiko­bereitschaft eines Spielteilnehmers einen pathogenen Zustand erreicht hat, also ins­besondere die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Inländers übersteigt. Diese Auffälligkeitsschwelle als Kriterium zur Qualifizierung eines Spielers als pathogen ist entsprechend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen durch die Spielbank­leitung festzulegen. Auf einer zweiten, subjektiven Stufe sollen anschließend die wirtschaftlichen Verhältnisse der als pathogen klassifizierten Spieler durch Auskünfte bei unabhängigen Einrichtungen überprüft werden. Ergibt sich auf Basis der Häufigkeit und Intensität der Spielbankbesuche und der eingeholten Auskünfte, dass durch das Spielverhalten der unpfändbare Freibetrag (Existenzminimum) des konkreten Spielers gefährdet ist, hat die Spielbankleitung den Spielteilnehmer nachweislich (= schriftlich) zu warnen. Soweit möglich sind nicht nur die Verluste des betreffenden Spielers, sondern auch seine Gewinne zu berücksichtigen. Außerdem zu berücksichtigen sind Ersparnisse und anderes Vermögen, Unternehmensbeteiligungen sowie Unterhalts­ansprüche des Spielers.

Sofern Auskünfte von unabhängigen Einrichtungen nicht verfügbar sind, ist der Spielteilnehmer durch die Spielbankleitung direkt zu befragen. Nimmt dieser trotz der Warnung weiterhin mit gefährdender Häufigkeit und Intensität am Spiel teil, hat die Spielbankleitung ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken.


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Durch dieses zweistufige Verfahren soll auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse genauso Rücksicht genommen werden, wie auf die der Spielbankleitung zur Verfügung stehenden Informationsquellen. Deshalb ist auch nicht mehr von „begründeten Zweifeln“, sondern von der „begründeten Annahme“ die Rede. Die Spielbankleitung muss auf Grund der vorliegenden Informationen eine konkrete Vorstellung haben, ob ein Spieler pathogen (seine Existenz gefährdend) spielt. Bloße Zweifel udgl sind hier zu unscharf.

Bei der Heranziehung des allgemeinen Grundbetrages gemäß der Existenz­mini­mumVO ohne Berücksichtigung individueller Aspekte in Satz 2 ist davon auszugehen, dass ein Spieler nicht in einem Monat isoliert zu betrachten ist. Bei Erreichen der Aufmerksamkeitsschwelle hat die Spielbankleitung aber den Spieler zu überprüfen und gegebenenfalls zu warnen. Auf Grund dieser Warnung hat primär der Spieler die Verantwortung über die Entscheidung, ob er sich das weitere Spiel leisten kann. Nur der Spieler selbst kann den Überblick über seine Vermögenslage haben. Zudem setzt Spielsucht nicht plötzlich ein. Die Warnung wird neben der Vermögensgefährdung auch auf die Suchtgefahr in geeigneter Weise hinzuweisen haben. Damit soll dem Spieler die Suchtgefahr bewusst gemacht und er angeregt werden, nicht auf andere Spielbanken oder das Internet auszuweichen, auf welche die Spielbankleitung keinen Einfluss hat, sondern die in der Eigenverantwortung des Spielers liegenden Gegen­maßnahmen zu ergreifen, z.B. ärztliche Hilfe. In diesem Zusammenhang kann ein Mitverschulden des Spielers relevant werden.

In der zweiten Prüfungsstufe hat die Spielbankleitung den konkreten Unterhalt eben­falls nach aktuellen Erkenntnissen zu bestimmen. Die Annahme eines um 30 vH erhöhten allgemeinen monatlichen Grundbetrages gemäß ExistenzminimumVO erscheint angemessen. Das entspricht durchschnittlich 1,5 gesetzlichen Sorgepflichten iSd § 291a Abs 2 Z 2 EO. Sonstige individuelle Umstände wie sie sonst gemäß §§ 290 ff EO zu berücksichtigen sind, die Spielbankleitung aber unmöglich ab­schließend in Erfahrung bringen kann, sind so mitumfasst. Die selbe Grenze hat dann auch bei der Verlustersatzobergrenze zu gelten.

Da es naturgemäß schwierig ist, diese Vorgänge in der für einen Gesetzestext gebo­tenen Kürze und Abstraktheit zu formulieren, sei klarstellend zum angestrebten Berechungsvorgang wie folgt erläutert:

Eine Betrachtung je Spielbankbesuch ergibt, dass die Summe aus allen Spielverlusten eines Besuches zuzüglich aller ausbezahlten Nettogewinne (Ausschüttung abzüglich Einsatz) eines Besuches den Verlust je Besuch ergibt. Dieser Verlust je Besuch kann nie größer sein als das eingebrachte Kapital (man kann nicht mehr verlieren, als man in bar oder auf Kreditkarte usw mitgebracht hat). Der Verlust ist für die anzustellende Rechnung negativ, wenn der Spieler am Ende eines Besuches die Spielbank mit mehr Geld verlässt, als er mitgebracht hat. Die Summe der Verluste der Besuche eines Monats ergibt den Verlust je Monat. Das Netto-Einkommen des Spielers je Monat abzüglich des Verlustes je Monat ist das verbleibende Netto-Einkommen je Monat, welches nicht unter das Existenzminimum im vorstehenden Sinn fallen soll. Ist das verbleibende Netto-Einkommen je Monat niedriger als das Existenzminimum und kann die Differenz zum Existenzminimum nicht (oder nicht zur Gänze) aus Vermögen des Spielers (Vermögen jeder Art wie Geschäftsanteile, Ausschüttungen aus Vermögen, Ersparnisse und sonstige Ansprüche gegen Dritte) gedeckt werden, ist bei Hinzutreten der anderen Haftungsvoraussetzungen diese nicht aus Vermögen deckbare Differenz, maximal jedoch die Höhe des Existenzminimums gemäß Existenzminimumverordnung in der jeweils gültigen Fassung, von der Spielbank zu ersetzen.

Durch die Bestimmungen des neuen § 25 Abs 3 sind alle Ansprüche von Spielteil­nehmern in Zusammenhang mit dem Abschluss von Glücksverträgen und Verlusten


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aus dem Spiel abgedeckt. Die Haftung der Spielbankleitung stellt auf Grund der obigen Berechnungsmethode eine lex specialis dar, die in ihrem Anwendungsbereich sämt­liche darüber hinausgehende Ansprüche des Spielteilnehmers gegenüber der Spiel­bankleitung aus der Verletzung von Warn- oder Sperrpflichten und/oder aus der Pathogenität des Spielers unabhängig von ihrem Rechtsgrund und ihrer gesetzlichen Grundlage (z.B. Geschäftsunfähigkeit, Bereicherungsrecht, Schadenersatzrecht u.a.) ausschließt. Ausgenommen davon sind gewährleistungsrechtliche Ansprüche des Spielteilnehmers sowie Ansprüche auf Grund des Produkthaftungsgesetzes oder bestehender Verkehrssicherungspflichten der Spielbankleitung und dergleichen. Sie stehen nicht im Zusammenhang mit dem Verlust, auf den der Spielerschutz abstellt. Die Pflichten der Spielbankleitung (Überprüfung und gegebenenfalls Warnung des Spielteilnehmers, Sperren des Spielteilnehmers bzw. Beschränken seines Besuchs) verlangen ein beträchtliches Maß an Aktivitäten des Konzessionärs und an Ein­schätzung des Spielers. Alleine der erlittene Gesamtverlust ist für eine mögliche Gefährdung des Existenzminimums ausschlaggebend. Da die Ermittlung des Gesamt­verlustes jedoch nur unter Berücksichtigung der getätigten Einsätze, der Gewinne und erlittenen Verluste möglich ist, ist eine Ermittlung des tatsächlich erlittenen Verlustes in der Praxis mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich. Die Spielbankleitung kann daher nur durch Berücksichtigung der Häufigkeit und Intensität des Spiels Infor­mationen sammeln, aus denen Rückschlüsse auf die Gefährdung eines Spielteil­nehmers gezogen werden können. Um diesen Schwierigkeiten bei der Einschätzung und Klassifizierung von Spielteilnehmern durch die Spielbank Rechnung zu tragen, ist die Haftung der Spielbank aus dabei begangenen Fehlern zu beschränken.

Diese Neuerungen des § 25 Abs 3 sind angemessen, weil jedem Besucher einer Spiel­bank grundsätzlich bewusst ist, dass er auch verlieren kann; sonst könnte er umgekehrt auch nicht gewinnen, weil nicht immer nur die anderen Spieler Geld verlieren, das er dann gewinnen könnte. Ihm müssen also sämtliche negativen und positiven Folgen dieses sehr einfachen Prinzips bewusst sein. Die zu schützenden, pathogenen Spieler sind vor allem zu eigenverantwortlichem Verhalten zu bewegen, also zur Selbsthilfe, weshalb die negativen Folgen ihres Tuns spürbar und in ihrer Vorstellung real bleiben sollen. Allzu gravierende negative Auswirkungen, nämlich das Verspielen des Existenzminimums, hat der Spielbankbetreiber nach Möglichkeit – mit dem ihm zumutbaren wirtschaftlichen Aufwand – zu verhindern.

Die Präklusivfrist ist ebenso angebracht und angemessen, weil ähnlich wie bei der Geltendmachung von Entgeltansprüchen durch ausgeschiedene Dienstnehmer die Erinnerlichkeit und Beweisnähe nur innerhalb dieser Zeit voll gegeben ist. Zudem treffen die Spielbankleitung jenen des Dienstgebers vergleichbare Aufzeich­nungs­pflich­ten, wobei die Aufzeichnungen aber nicht unbegrenzt aufzubewahren sind.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Ich bitte die Abgeordneten, im Saal zu verbleiben, denn wir werden gleich abstimmen.

 


21.22.37

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Sie haben Recht, Herr Präsident, diese Gesetzesänderung ist eine wichtige Angelegenheit, weil sie die Finanzierung und die Finanzen der Gemein­den betrifft. Sie wissen ja alle – viele von Ihnen sind Bürgermeister –, dass die


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Gemeindefinanzen insgesamt sicherlich besser ausschauen könnten, als das derzeit der Fall ist.

Nun, wir stimmen dieser Gesetzesvorlage nicht nur zu, weil die Finanzen der Gemein­den verbessert werden, sondern weil wir auch in der Substanz dafür sind. Wir sind aber gleichzeitig mit einem sehr konstruktiven Vorschlag an Herrn Dr. Stummvoll und Herrn Dr. Matznetter herangetreten, weil nämlich aus der Finanznot der Gemeinden heraus in Niederösterreich eine neue Steuer geboren wurde, die unseres Erachtens nicht sinnvoll ist, nämlich die Steuer auf Handy-Sendemasten, die nämlich aus standortpolitischen Gründen, wirtschaftspolitischen Gründen, gesundheitspolitischen Gründen und Ortsbildgründen eigentlich widersinnig ist.

Vor allem deswegen, weil die Sendemastenanlagen kulminiert die Bevölkerung auch gesundheitlich belasten könnten, möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Einspruch gegen das Niederöster­reichische Sendeanlagenabgabegesetz („Sendemastensteuer“ des Landes Nieder­österreich) einzulegen.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, geeignete Maßnahmen und Initiativen zu setzen, damit Niederösterreich und die anderen Bundesländer bei Aktivitäten im Zusammenhang mit Sendeanlagen entsprechend den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates vorgehen.

*****

Bitte machen Sie das, damit nicht irrwitzige Steuern entstehen, die zwar den Gemein­den kurzfristig helfen, der Bevölkerung aber langfristig schaden und vor allem wirt­schaftspolitisch unsinnig sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriele Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteu­erung von Mobilfunkmasten

eingebracht im Zuge der Debatte über Antrag 652/A Ausspielungsbesteuerungs­änderungsgesetz

Während im Rahmen der vorliegenden Gesetzesänderung Mindereinnahmen der Gemeinden vorgebeugt werden soll, wurde bei den letzten Finanzausgleichs-Ver­handlungen die Finanznot der Gemeinden nicht in ausreichendem Ausmaß berück­sichtigt. In diesem Zusammenhang beschloss der NÖ Landtag kürzlich die Be­steuerung von Mobilfunksendeanlagen, um die Finanzkraft der Gemeinden zu erhöhen. Zugleich wurde dieser Beschluss auch als Maßnahme gegen den


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„Wildwuchs“ von Sendemasten argumentiert. Dagegen hätten allerdings längst raum­ordnungs- und bebauungsplanmäßige Regelungen getroffen werden können.

Zusätzlich zu verfassungsmäßigen, standort- und wirtschaftspolitischen Bedenken rund um den Beschluss des NÖ Landtags gilt es aber vor allem, gesundheitliche Aspekte im Sinne des Vorsorgeprinzips auch bei derartigen steuerlichen Maßnahmen zu berück­sichtigen. Die von der NÖ Landtagsmehrheit mit dem erwähnten Beschluß angestrebte Häufung von Sendeanlagen auf einem Masten führt jedoch zu einer erhöhten Belastung der AnrainerInnen dieses Sendemasts mit elektromagnetischer Strahlung. Eine derartige Entwicklung wäre nicht im Sinne der Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats der Republik, der im Gegenteil eine Minimierung der Exposition und eine Einbindung der AnrainerInnen in die Standortentscheidung („Verortung“) verlangt. Zugleich bestünde bei zunehmender Häufung von Sendeanlagen auf einzelnen Masten ein Spannungsverhältnis zum Telekommunikationsgesetz, das den Schutz mensch­licher Gesundheit anspricht. Neben der Berücksichtigung der Gesundheitsaspekte im Sinn des Vorsorgeprinzips wäre – entsprechend dem Vorgehen in Italien – gemein­same Planung der Standorte durch Betreiber, Gemeinden und AnrainerInnen dringend erforderlich. Dazu könnte vom Land Niederösterreich die entsprechende Software beschafft werden.

Eine entsprechend gezielte Besteuerung der Sendemasten wäre durchaus eine sinnvolle Möglichkeit, die Mobilfunk-Basisstationen in Richtung besserer elektromag­netischer Verträglichkeit (EMV) zu steuern. Zu berücksichtigen wären dabei aber neben der Sendeleistung auch

die Frequenz (UMTS ist nach allen Anzeichen trotz geringerer Sendeleistung weniger verträglich als GSM),

die Pulsung (auch UMTS muss näher darauf untersucht werden!),

die Polarisation,

die Abstrahlrichtungen (Haupt- und Nebenkeulen) und nicht zuletzt

die Bereitschaft des Betreibers zur Standortoptimierung (für die Standortfindung in einem partizipativen Prozess, in dem z.B. Gemeinden die Interessen ihrer Bürger vertreten, gibt es bewährte Modelle).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Einspruch gegen das Niederöster­reichische Sendeanlagenabgabegesetz („Sendemastensteuer“ des Landes Nieder­öster­reich) einzulegen.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, geeignete Maßnahmen und Initiativen zu setzen, damit Niederösterreich und die anderen Bundesländer bei Aktivitäten im Zusammenhang mit Sendeanlagen entsprechend den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates vorgehen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. (Unruhe im Sitzungssaal.) – Ich bitte um Aufmerksamkeit!

 



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21.25.10

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu diesem Antrag. Ich habe ihn in der kurzen uns zur Verfügung stehenden Zeit durchgelesen und entnehme der Begründung, dass Sie nicht grund­sätzlich gegen die Handymastensteuer sind, sondern nur in der Form, wie sie in Niederösterreich eingehoben wird. Es tut uns sehr Leid, dass wir diesem Antrag nicht folgen können, denn wir sind grundsätzlich gegen diese Steuer, unter welchen Um­ständen auch immer.

Ich bin sehr froh darüber, dass Vizekanzler Hubert Gorbach das auch so sieht – und ent­sprechende Gutachten bereits in Arbeit sind. Wir hoffen, dass man von dieser Unsinnigkeit Abstand nehmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin hat sich um kein Schlusswort beworben.

Wir kommen sofort zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1043 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kol­le­ginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag einge­bracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang – unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen – abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1043 der Beilagen unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeord­neten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch die dritte Lesung ergibt eine ein­hellige Zustimmung des Hohen Hauses. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehr­heit und ist daher abgelehnt.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Meine Damen und Herren! Ich weise noch einmal darauf hin: Beginn morgen nicht 9 Uhr, sondern 9.15 Uhr.


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Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 669/A (E) bis 675/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3255/J bis 3263/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 8. Juli, ein; Eröf­fnung: 9.15 Uhr.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.28.01Schluss der Sitzung: 21.28 Uhr

 

 

 

 

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Parlamentsdirektion

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