Stenographisches Protokoll
116.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Donnerstag, 7. Juli 2005
116. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 7. Juli 2005
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 7. Juli
2005: 9.04 – 21.28 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005)
2. Punkt: Bericht über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer
3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005), und Bericht über den
Antrag 540/A (E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes
4. Punkt: Bericht betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5)
5. Punkt: Bericht über den Antrag 614/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005)
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6. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird
7. Punkt: Bericht über den Antrag 21/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz
8. Punkt: Bericht über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird
9. Punkt: Bericht über den Antrag 613/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden
11. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen
12. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird
13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005)
14. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll
15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005
16. Punkt: Bericht über den Antrag 610/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird
17. Punkt: Bericht über den Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird
18. Punkt: Bericht über den Antrag 652/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und
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Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden
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Inhalt
Nationalrat
Gedenkminute anlässlich der Terroranschläge in London ......................................... 77
Personalien
Verhinderungen .............................................................................................................. 12
Ordnungsruf ................................................................................................................. 125
Geschäftsbehandlung
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 32
Fragestunde (15.)
Wirtschaft und Arbeit ................................................................................................... 12
Maximilian Walch (116/M); Mag. Brigid Weinzinger, Dietmar Keck, Herta
Mikesch
Franz Riepl (119/M); Johann Ledolter, Maximilian Walch, Karl Öllinger
Carina Felzmann (114/M); Maximilian Walch, Sabine Mandak, Mag. Elisabeth
Grossmann
Verkehr, Innovation und Technologie ...................................................................... 20
Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (103/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner,
Theresia Haidlmayr, Ing. Erwin Kaipel
Michaela Sburny (111/M); Franz Riepl, Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Dipl.-Ing. Elke
Achleitner
Dipl.-Ing. Elke Achleitner (122/M); Dr. Gabriela Moser, Gabriele Binder,
Hermann Gahr
Friedrich Verzetnitsch (107/M); Günter Kößl, Dr. Gabriela Moser
Mag. Karin Hakl (104/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Dr. Gabriela Moser,
Anton Heinzl
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................................. 30
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Dringlicher Antrag
der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ (669/A) (E) – Zurückziehung gemäß § 26 Abs. 11 GOG ............. 32, 74
Verhandlungen
Gemeinsame Beratung über
1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (952 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005) (1055 d.B.) ...................................................................................................................... 33
2. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer (1056 d.B.) 33
Redner/Rednerinnen:
Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 33
Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 37
Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 40
Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 45
Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 48
Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 51
Günter Kößl .................................................................................................................. 54
Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 56
Markus Fauland ............................................................................................................ 59
Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ................................................................. 62
Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 64
Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 65
Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 67
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 68
Mag. Brigid Weinzinger ........................................................................................ 70, 93
Werner Miedl ................................................................................................................. 72
Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 74
Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 76
Karl Freund ................................................................................................................... 77
Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 78
Anton
Gaál .................................................................................................................... 79
Barbara
Rosenkranz .................................................................................................... 79
Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................... 81
Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 82
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 83
Walter Murauer ............................................................................................................. 84
Otto Pendl ..................................................................................................................... 84
Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 86
Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 86
Erwin Hornek ................................................................................................................ 89
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Dr. Vincenz Liechtenstein ........................................................................................... 90
Norbert Sieber .............................................................................................................. 90
Christoph Kainz ............................................................................................................ 91
Alfred Schöls ................................................................................................................ 92
Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren – Ablehnung 87, 94
Annahme des Gesetzentwurfes in 1055 d.B. ................................................................ 93
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht
1055 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend
Schaffung eines Asylgerichtes (E 120) .......................................................................... 94
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1056 d.B. ..................................................... 95
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (973 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005), und über den
Antrag 540/A (E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.) ........................................................... 95
Redner/Rednerinnen:
Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 95
August Wöginger ......................................................................................................... 99
Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 101
Mag. Norbert Darabos ............................................................................................... 103
Bundesministerin Liese Prokop ............................................................................... 106
Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 108
Günter Kößl ................................................................................................................ 110
Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 111
Markus Fauland .......................................................................................................... 112
Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 113
Anton Gaál .................................................................................................................. 114
Hermann Gahr ............................................................................................................ 115
Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 116
Jochen Pack ................................................................................................................ 116
Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................................... 117
Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 117
Annahme der dem
schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Entschließung
betreffend Förderung freiwilliger sozialer Leistungen (E 121) ....................................................... 118
Annahme der dem
schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Entschließung
betreffend Verpflegssituation von Zivildienstleistenden (E 122) .................................................... 118
Annahme der dem
schriftlichen Ausschussbericht 1057 d.B. beigedruckten Entschließung
betreffend Evaluierung der neuen Zivildienstregelungen (E 123) .................................................. 119
4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-149 d.B.) des Rechnungshofes über das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5) (1009 d.B.) ..................................................... 119
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 6 |
Redner/Rednerinnen:
Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 119
Hermann Gahr ............................................................................................................ 121
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 122
Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 125
Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 126
Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 129
Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 129
Gerhard Reheis .......................................................................................................... 131
Detlev Neudeck ........................................................................................................... 132
Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 133
Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 134
Christian Faul ............................................................................................................. 135
Hermann Krist ............................................................................................................ 136
Gabriele Binder .......................................................................................................... 136
Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 137
Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 137
Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 139
Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 140
Kenntnisnahme des Berichtes ..................................................................................... 142
Gemeinsame Beratung über
5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 614/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005) (1024 d.B.) .................................................................................................................... 142
6. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1025 d.B.) ............................. 143
7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 21/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz (1023 d.B.) .................................................................................................................... 143
8. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird (1022 d.B.) ......................................................................................... 143
9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 613/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (1013 d.B.) ............................................ 143
Redner/Rednerinnen:
Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 143
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 148
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 7 |
Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 149
Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 150
Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche
Berichtigung) .................................................... 152
Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 153
Mag. Herbert Haupt (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung)....................... 154
Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 155
Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 156
Karl Öllinger ................................................................................................................ 157
Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 159
Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 160
Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 161
Ridi
Steibl .................................................................................................................... 161
Mag.
Ulrike Lunacek .................................................................................................. 162
Marialuise Mittermüller ............................................................................................. 164
Bundesministerin Ursula Haubner ................................................................. 166, 170
Dietmar Keck .............................................................................................................. 168
Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 169
Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 171
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 172
Karl Dobnigg ............................................................................................................... 173
Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 174
Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 175
Anna Franz .................................................................................................................. 175
Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 176
Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 177
Michael
Praßl .............................................................................................................. 177
Anna
Höllerer .............................................................................................................. 178
Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 179
Herbert Scheibner ...................................................................................................... 179
Heidrun Walther (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 181
Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1024, 1025, 1022 und 1013 d.B. ...................... 182
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1024 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend umfassende Prüfung aller bisher gesetzten Maßnahmen zur Entschädigung und Anerkennung der Leistungen und Leiden aller direkten und indirekten Opfer der NS-Zeit (E 124) ............................. 183
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1023 d.B. ................................................... 183
Gemeinsame Beratung über
10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (969 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz, das Investmentfondsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (1033 d.B.) .................. 184
11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (983 d.B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1034 d.B.) ............................... 185
12. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer strategischen Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (SIVBEG-Errichtungsgesetz – SIVBEG-EG) erlassen sowie das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1035 d.B.) ........................ 185
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 8 |
13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (984 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Körperschaftssteuergesetz 1988 geändert werden (VAG-Novelle 2005) (1036 d.B.) ............................................................................................. 185
14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (981 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1040 d.B.) .................................................................................................................... 185
Redner/Rednerinnen:
Mag. Johann Moser ................................................................................................... 185
Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 186
Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 187
Josef Bucher ............................................................................................................... 188
Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 188
Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 189
Walter Murauer ........................................................................................................... 190
Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 190
Detlev Neudeck ........................................................................................................... 195
Heinz Gradwohl .......................................................................................................... 196
Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1033, 1034, 1035 und 1036 d.B. ...................... 196
Genehmigung des Staatsvertrages in 1040 d.B. ......................................................... 197
15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (992 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000), das Bundesgesetz über die Verwaltung und Koordination der Finanz- und sonstigen Bundesschulden (Bundesfinanzierungsgesetz) und das Bausparkassengesetz geändert werden – Wirtschafts- und Beschäftigungsgesetz 2005 (1037 d.B.) ...................................................................... 197
Redner/Rednerinnen:
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 198
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 199
Josef Bucher ............................................................................................................... 201
Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 202
Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .............................................................. 203
Jakob Auer .................................................................................................................. 207
Mag. Johann Moser ................................................................................................... 208
Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 209
Doris Bures ................................................................................................................. 209
Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 211
Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 211
Dr. Michael Spindelegger .......................................................................................... 213
Kurt Eder ..................................................................................................................... 213
Franz Eßl ..................................................................................................................... 214
Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 214
Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 216
Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 217
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 9 |
Rainer Wimmer .......................................................................................................... 221
Franz Glaser ................................................................................................................ 222
Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 223
Detlev Neudeck ........................................................................................................... 223
Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 224
Gemeinsame Beratung über
16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 610/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (1041 d.B.) .................... 227
17. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 611/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird (1042 d.B.) .......................................... 227
Redner/Rednerinnen:
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 227
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 228
Josef Bucher ............................................................................................................... 228
Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 229
Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 231
Jakob Auer .................................................................................................................. 231
Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 232
Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 232
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1041 und 1042 d.B. ..................................... 233
18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 652/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994, das Glücksspielgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Finanzausgleichsgesetz 2005 (Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz – ABÄG) geändert werden (1043 d.B.) ....................................................................................................... 234
Redner/Rednerinnen:
Josef Bucher ............................................................................................................... 234
Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 239
Herbert Scheibner ...................................................................................................... 242
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Mobilfunkmasten – Ablehnung ................................................ 240, 242
Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 242
Eingebracht wurden
Petition .......................................................................................................................... 30
Petition betreffend „Für eine freie Wahl des Vornamens“ (Ordnungsnummer 67) (überreicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 10 |
Bürgerinitiative ............................................................................................................ 30
Bürgerinitiative betreffend „Ein Import- und Handelsverbot von Hunde- und Katzenfellen und von Hunde- und Katzenleder sowie von daraus hergestellten Produkten“ (Ordnungsnummer 27)
Anträge
der Abgeordneten
Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und
Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ (669/A) (E)
Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der
Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (670/A)
Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform
der betrieblichen Jugendvertretung (671/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung – StVO geändert wird (672/A)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend
„Effektiven Jahreszinssatz auch bei Leasingverträgen
(Verbraucherkreditverordnung)“ (673/A) (E)
Heidrun Silhavy, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (674/A)
Mag. Ruth Becher,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschränkung der Kautionen (675/A) (E)
Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten
Dr. Eva Glawischnig-Piesczek,
Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteienkassen“ [(669/A) (E)]
[(Zu 669/A) (E)]
Anfragen der Abgeordneten
Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Inneres betreffend nordafrikanische Drogendealer in
Innsbruck (3255/J)
Karl Öllinger, Kolleginnen und
Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und
Konsumentenschutz betreffend Förderungen (3256/J)
Manfred Lackner, Kolleginnen und
Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Zahlen
und Fakten zum Härtefonds für mit Hepatitis-C infizierten Personen (3257/J)
Rosemarie Schönpass,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie betreffend Grundstücksverkauf durch die ASFINAG in Oberösterreich (3258/J)
Dr. Johannes Jarolim,
Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die
Vorwürfe gegen Uwe Scheuch (3259/J)
Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Kolleginnen
und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Leistungen und Förderungen für das Bundesland Wien in den Bereichen
Infrastruktur, Verkehr und Forschung (3260/J)
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Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin
für Inneres betreffend Kooperation zwischen B.M.I. und privaten Werkstätten (3261/J)
Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit betreffend „Moderne Sklavenarbeit“ der Firma
S.S.U. Montage und Demontage GmbH. (3262/J)
Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für
Finanzen betreffend „Moderne Sklavenarbeit“ der Firma S.S.U. Montage und
Demontage GmbH. (3263/J)
Anfragebeantwortungen
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2948/AB zu 2984/J)
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2949/AB zu 2987/J)
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (2950/AB zu 3007/J)
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2951/AB zu 3055/J)
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2952/AB zu 3069/J)
der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2953/AB zu 3073/J)
der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2954/AB zu 2981/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2955/AB zu 2982/J)
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Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin
Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 116. Sitzung des Nationalrates. Ich darf die Damen und Herren sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen.
Als verhindert gemeldet sind
heute die Abgeordneten Dr. Einem, Mag. Kuntzl, Mag. Muttonen,
Mag. Posch, Rossmann, Wittauer und Mag. Trunk. (Abg. Scheibner:
Das ist eine Grippewelle! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun, um 9.04 Uhr, zur Fragestunde.
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
Präsident Dr. Andreas Khol: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Ich wünsche einen schönen guten Morgen.
Die österreichische Bundesregierung unternimmt alles, um die Arbeitslosenzahlen ...
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, Sie haben schriftlich eine Frage formuliert, und
genau diese lesen Sie jetzt vor. Keine einleitenden Erklärungen et cetera.
Diese Frage – und keine andere! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das
haben wir aber schon immer dürfen!)
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister!
„Wie schneidet Österreich im internationalen Vergleich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ab?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler! (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Herr Bundesminister, bitte!
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Walch! Auch meinerseits einen guten Morgen!
Österreichs Mitteleinsatz für aktive Arbeitsmarktpolitik kann sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Wir liegen im guten Mittelfeld. Wenn wir uns Vergleichsdaten ansehen, die von der OECD herausgegeben worden sind, so liegt Österreich auf Basis des Jahres 2002 mit 0,53 Prozent an der 13. Stelle von 27 untersuchten Ländern.
Herr Abgeordneter, wenn man aber die Vergleichszahlen auf die Arbeitslosigkeit im jeweiligen Land bezieht, so liegen wir auf Grund unserer relativ niedrigen Arbeits-
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losenrate durchaus besser. Da liegen wir unter den 27 untersuchten OECD-Ländern an 11. Stelle.
Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass ein Mehr an Ausgaben offensichtlich keinen direkten sichtbaren Zusammenhang mit einer besseren Performance des Arbeitsmarktes hat. Wir liegen – mit Ausnahme der Schweiz und Norwegens – vor allen anderen Ländern, was Arbeitslosigkeit anlangt, sind aber nicht jenes Land, das am drittmeisten, bezogen auf sein BIP, dafür ausgibt. Das heißt: Mehr Geld alleine macht es offensichtlich ganz sicherlich nicht.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Wie effizient wird Arbeitsmarktpolitik in Verbindung mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln über das Arbeitsmarktservice Österreich umgesetzt?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Auch dazu, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ein internationaler Vergleich, der vom AMS im Rahmen eines Benchmarking-Prozesses angestellt wurde: Dabei schneidet Österreichs AMS ganz ausgezeichnet ab. Ich darf darauf hinweisen, dass auch eine etwas länger zurückliegende Studie der EU-Kommission über die Bedeutung der Arbeitsvermittlung in acht Ländern, nämlich in Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden, Großbritannien und in den Niederlanden, ebensolche Hinweise liefert.
Ich nenne Ihnen einige Zahlen aus dieser Studie der EU-Kommission. Damaliger Stand war: Österreich gibt mit 36 US-Dollar pro Einwohner gemeinsam mit Dänemark am wenigsten für die reinen Verwaltungsaufgaben aus. Die Niederlande geben dazu vergleichsweise 81 US-Dollar aus, Schweden gibt 85 US-Dollar aus. Wir zählen gemeinsam mit den Niederlanden und Finnland zu den Ländern mit dem höchsten Arbeitskräftepotential pro MitarbeiterIn des AMS.
Zusammenfassend meine ich, dass Österreichs AMS im internationalen Vergleich bewiesen hat, das es zu den besten und effizientesten gehört.
Der „Spiegel“ hat beispielsweise bei seiner jüngsten Kritik an den deutschen Arbeitsmarktservicestellen Österreich, Großbritannien und Dänemark als positive Beispiele hervorgehoben.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Der letzte Woche angesichts der dramatisch steigenden Frauenarbeitslosigkeit einberufene Beschäftigungsgipfel für Frauen hat ja außer dem bekannten Berufsorientierungskurs und einer Umschichtung von einem Projekt in ein anderes, zu „Frauen und Technik“, nichts gebracht.
Meine Frage lautet daher: Welche konkreten Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik planen Sie gegen Frauenarbeitslosigkeit anzuregen oder durchzuführen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Minister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr
geehrte Frau Abgeordnete! Der in der Vorwoche durchgeführte Round Table auf
Einladung der Frau Frauenministerin hat aus meiner Sicht recht gute Ergebnisse
gebracht, unter anderem das auch von mir eingebrachte Projekt mit einem Volumen
von 15 Millionen € für drei Jahre, um mehr Frauen in Technikberufe zu
bringen. (Abg. Mag. Weinzinger: Das ist reine Umschichtung!)
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Das ist nicht nur reine Umschichtung, wie Sie das beschreiben. Aber lassen Sie mich schon Folgendes sagen: Es ist wichtig, auch vor dem Hohen Hause festzustellen, dass die Frauenarbeitslosigkeit in Österreich niedriger ist als die Männerarbeitslosigkeit. Der Anstieg ist zwar im Moment etwas höher, das ist richtig, aber in gesamten Prozentzahlen ist die Frauenarbeitslosigkeit in diesem Lande niedriger als die Männerarbeitslosigkeit.
Und lassen Sie mich eine zweite Feststellung treffen: Das AMS gibt für Frauen deutlich mehr aus als für Männer. Sie können das hier verneinen, die Zahlen sind aber auf meiner Seite, sehr geehrte Frau Abgeordnete; das AMS hat das vielfach bestätigt. Es wird für Frauen und deren Integration in den und Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt relativ deutlich mehr ausgegeben als für Männer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Minister, wir belegen den viertschlechtesten Rang der EU-15 bei der finanziellen Mittelbereitstellung bezüglich Arbeitslosigkeit. Während die Niederlande 0,69 Prozent des BIP je Prozent standardisierter Arbeitslosenrate zur Verfügung stellen, sind es in Österreich nur 0,13 Prozent des BIP.
Meine Frage lautet daher: Herr Minister, wieso unternehmen Sie nichts dagegen, um den viertschlechtesten Rang, wie vorher ausgeführt, durch mehr finanzielle Mittelbereitstellung zu verbessern und damit die Arbeitslosigkeit stärker zu bekämpfen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Beantwortung der ersten Frage hat Ihnen ja meine Position schon dargelegt, nämlich dass wir nach OECD-Untersuchungen in diesem Bereich im guten Mittelfeld liegen – ich darf das noch einmal wiederholen –, was Arbeitsmarktmittel in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt anlangt. Abgesehen davon kann ich Ihnen sagen, dass wir die Mittel für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik seit Übernahme der Regierungsverantwortung durch Herrn Bundeskanzler Schüssel und durch mich als Arbeitsminister mehr als verdoppelt haben. Das heißt: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Und noch einmal: Geld alleine macht es
nicht. Es geht auch um Effizienz und um Qualität. Und die stimmt bei unserer
Arbeitsmarktpolitik, die stimmt bei der Tätigkeit unseres AMS. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage zu diesem Fragenkomplex formuliert Frau Abgeordnete Mikesch. – Bitte.
Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie hat sich der Mitteleinsatz für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik in den vergangenen Jahren entwickelt? Wird das Niveau auch in den kommenden Jahren gehalten werden können?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Zum Zweiten, sehr geehrte Frau Abgeordnete: Ich gehe davon aus, dass wir das Niveau halten werden können. Zum Ersten: Ich darf das, was ich gerade gesagt habe, auch noch quantifizieren. Seit 1999 haben die Aufwendungen für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik von damals 762 Millionen € eine Steigerung auf 1 Milliarde 540 Millionen € erfahren, also ziemlich präzise eine Verdoppelung. Das sind Höchststände! Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt wird voraussichtlich 0,63 Prozent betragen, 1999 betrug er
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gerade einmal 0,39 Prozent. – Wohlgemerkt: Das war, bevor wir Regierungsverantwortung übernommen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der erste Fragenkomplex erledigt.
Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister!
„Welche Position vertraten Sie hinsichtlich der Änderungen der Arbeitszeitrichtlinie beim Rat der Arbeitsminister am 2. Juni in Luxemburg?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Riepl! Gemeinsam mit den Vertretern Deutschlands, Großbritanniens, Polens, von baltischen Ländern, der Slowakei und jüngst auch Italiens und Maltas haben wir die Position vertreten, dass uns die neuen Vorschläge der Kommission nicht wirklich zufrieden stellen – die neuen Vorschläge der Kommission jetzt auf Basis der ersten Lesung des Parlaments. Wir gehen davon aus, dass insbesondere das Problem der EuGH-Urteile zu den Fällen SIMAP und Jaeger, nämlich Bewertung der Bereitschaftsdienste, so nicht gelöst werden kann. Wir sehen hier mögliche schwerwiegende Probleme für unser Gesundheitswesen und dessen Finanzierung, insbesondere im Krankenhausbereich.
Unser Ziel war und ist es, auf europäischer Ebene eine Arbeitszeitrichtlinie zu bekommen, die die Beibehaltung des Status quo vor allem in Sachen Krankenanstaltenarbeitszeiten in Österreich ermöglicht. Ich gehe davon aus, dass das im Einvernehmen mit den Ländern, aber auch mit den Berufsvertretungen, insbesondere der Ärzteschaft, so geschieht.
Zum Zweiten sind wir gemeinsam mit vielen europäischen Partnern – noch einmal: vor allem mit Deutschland und Großbritannien – der Meinung, dass es in Zukunft auf gesetzlicher Basis möglich sein soll, einen Durchrechnungszeitraum für die Höchstarbeitszeiten, sehr geehrter Herr Abgeordneter, von zwölf Monaten zu erreichen. Das Mehr an Pflichten, das die Kommission jetzt auferlegen will, vertreten wir nicht.
Und zum Dritten sind wir der Meinung, obwohl wir davon nicht Gebrauch machen wollen, dass das bisher schon bestehende Opt-out auch in Zukunft ein Mittel sein sollte. Wie gesagt, wir wollen davon nicht Gebrauch machen, wir machen derzeit auch nicht Gebrauch davon, aber sollte uns die dann letztlich zu verabschiedende Arbeitszeitrichtlinie in Sachen Krankenanstalten und Bewertung der Bereitschaftszeiten Probleme machen, so müssen wir uns dieses Opt-out als letzte Möglichkeit gewissermaßen vorbehalten.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.
Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Bundesminister! Jeder weiß, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit auch zu weniger Einkommen führen kann, wenn beispielsweise Überstundenzuschläge wegfallen. Sind Sie, um Einkommensverluste zu verhindern, auch dafür, den Kollektivverträgen bei der Arbeitszeitgestaltung absoluten Vorrang einzuräumen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Um hier Missverständnisse im Hohen Haus und vor allem auch bei den Zusehern der Fragestunde
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zu vermeiden: Ihre erste Frage hat sich auf die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union, auf Höchstarbeitszeiten bezogen. Da geht es um Fragen der Arbeitssicherheit und der Belastbarkeit von Arbeitnehmern.
Ihre zweite Frage bezieht sich jetzt auf die Frage der Abgeltung von Arbeitszeit und Überstunden. Da habe ich ja bereits mehrfach festgestellt, dass das nicht primär meine Aufgabe, sondern jene der Sozialpartner ist. Sie selbst sind ja ein Vertreter der Sozialpartnerschaft. Was und wie viel an Überstundenzuschlägen im Zuge der Flexibilisierung der Arbeitszeit zu bezahlen ist, das wird zurzeit von den Präsidenten Verzetnitsch und Leitl verhandelt. Sie haben es übernommen, da einen Prozess der Sozialpartner einzubegleiten, an dessen Ende ein Mehr an Flexibilität der Arbeitszeit stehen soll.
Das, was ich politisch sage, ist, dass Arbeitszeitflexibilisierung aus meiner Sicht kein Mittel sein sollte, um Überstunden wegzubekommen oder deren Bezahlung zu reduzieren, sondern es geht mir um ein Mehr an Arbeitszeitflexibilität, aber nicht um eine Reduzierung von Einkommen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.
Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Da ich um Ihren ständigen Einsatz im Interesse der Arbeitsplätze weiß, Herr Bundesminister, hätte ich gerne von Ihnen gewusst, warum Sie sich für eine ganzjährige Durchrechnung der 48-Stunden-Grenze der Höchstarbeitszeit in der Woche ohne gesonderte Zulassung zu kollektivvertraglichen Verhandlungen aussprechen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der jüngst veränderte Kommissionsvorschlag nach der ersten Lesung des Parlaments sieht zwar formell eine ganzjährige Durchrechnung, sowohl durch Gesetz als auch durch Kollektivvertrag, vor, allerdings sagt die Kommission, dass der Arbeitgeber im Rahmen einer gesetzlichen Lösung eine Reihe von Verpflichtungen hätte. Und diese Verpflichtungen halte ich in der Tat für überzogen.
Ich meine, es geht hier um ein vernünftiges Maß an Subsidiarität, nämlich zuerst das Gesetz und dann den Kollektivvertrag, und nicht etwa umgekehrt. Die Kommission schlägt zurzeit etwa vor: Kollektivvertrag – aber wenn es durch Gesetz gemacht wird, dann braucht es ein Mehr an Pflichten. – Das ist gewissermaßen umgekehrte Subsidiarität und findet nicht die Zustimmung Österreichs, aber auch nicht Deutschlands und Großbritanniens.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Warum sprechen Sie sich gegen die von Kommission und Rat vorgeschlagene Bewertung der Bereitschaftszeiten aus?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Deswegen, weil wir uns nicht sicher sind, wie der Europäische Gerichtshof darauf reagieren würde und ob er nicht seine Rechtsprechung in Sachen SIMAP und Jaeger aufrechterhalten würde. Diese Rechtssicherheit erscheint uns, wie gesagt, auf Basis des jetzigen Kommissionsvorschlages nicht gegeben.
Um dem Hohen Haus eine Vorstellung dessen zu geben, was denn die Erfüllung dieser Urteile in Österreich bedeuten würde, halte ich fest: Wir schätzen, dass es um einige
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tausend Arztstellen in Österreichs Krankenanstalten ginge und um Mehrkosten von einigen Hundert Millionen für die Krankenhausträger. Das sind im Regelfall die Länder, zum Teil auch die Gemeinden. Das ist etwas, was für unser Gesundheitswesen nicht wirklich gangbar und nicht wirklich finanzierbar wäre. Ganz abgesehen davon – ich wiederhole das –, dass mit dem derzeit geltenden Status quo in Sachen Ärztearbeitszeiten, gerade auch in Krankenanstalten – diese Regelung ist ja noch nicht so alt –, alle Beteiligten zufrieden sind und auch die Vertreter der Ärzteschaft, auch des ÖGB dies in dieser Beziehung mittragen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Österreich hat im internationalen beziehungsweise europäischen Vergleich überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten und ein relativ flexibles Arbeitszeitregime. Warum, Herr Bundesminister, sprechen Sie sich entgegen dem Beschluss des Europäischen Parlaments für noch längere Arbeitszeiten aus?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Ich weiß nicht, sehr geehrter Herr Abgeordneter, woher Sie Ihre Interpretation meiner Position nehmen. Ich habe mich nicht für eine Verlängerung von Arbeitszeiten ausgesprochen, weder hier im Hohen Haus noch sonst wo. (Abg. Öllinger: Oja!) Ganz abgesehen davon ist es auch nicht richtig, dass Österreich im internationalen Vergleich besonders lange Arbeitszeiten hätte. Es gibt Studien, wonach Österreich im Schnitt ... (Ein Mitarbeiter von Vizekanzler Gorbach steht – hinter Bundesminister Dr. Bartenstein – an der Regierungsbank.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Kann man den Herrn Minister ungestört seine Frage beantworten lassen? – Mitarbeiter haben eigentlich auf der Regierungsbank nichts verloren. – Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein (fortsetzend): Wir waren bei der Länge der Arbeitszeiten. Jüngste Studien sagen, dass in Österreich etwa 10 Prozent länger gearbeitet wird als in Deutschland. Wahrscheinlich ist das mit ein Grund, warum es uns ein Stück besser geht.
Wenn Sie aber nach Japan, in die USA oder woandershin schauen, so werden Sie sehen, dass es dort Jahresarbeitszeiten von 1 800 bis 2 000 Stunden gibt. Wie gesagt: Wir sind fleißige Leute, wir arbeiten viel, aber es gibt andere, die arbeiten auf Jahresbasis gesehen noch deutlich mehr als wir Österreicher.
Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der zweite Fragenkomplex beantwortet. Ich freue mich, dass das in 15 Minuten gelungen ist, dass kurze Antworten gegeben und kurze Fragen gestellt wurden.
Den nächsten Fragenkomplex leitet Frau Abgeordnete Felzmann ein. – Bitte.
Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:
„Welche Schwerpunkte hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit für Jugendbeschäftigung gesetzt?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
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Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Der Herr Präsident hat mir ein Zeichen gegeben, ich möge mich noch kürzer fassen, damit der Herr Vizekanzler dann auch gleich zur Beantwortung seiner Fragen kommt. Daher zähle ich gewissermaßen im Stakkato eine Fülle von Maßnahmen auf.
Sie kennen das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Lehrlingsauffangnetz, das es seit einigen Jahren gibt und geben muss, weil das Angebot an Lehrstellen zurzeit und in den nächsten Jahren nicht ganz ausreicht: 7 800 Plätze sind es zurzeit. Wir werden das weiter ausweiten.
Auf Basis der Initiativen des Regierungsbeauftragten Blum werden die überbetrieblichen Ausbildungsplätze weiter ausgeweitet. Zurzeit gibt es 500 Plätze, ab Herbst wird es bis zu 1 000 Plätze geben. Das „Projekt 06“ des Kollegen und Kommerzialrates Blum kennen Sie vielleicht. Es ist mittlerweile im AMS beschlossen. Für jede zusätzlich offerierte Lehrstelle in den nächsten Jahren stehen im ersten Jahr 400 € pro Monat, im zweiten Lehrjahr 200 € pro Monat und im dritten Lehrjahr 100 € pro Monat bereit, die dem Dienstgeber an zusätzlicher Hilfe zu bezahlen sind, um Lehrstellen zu schaffen.
Wir modernisieren Lehrberufe. Sehr erfolgreich haben die von der Wirtschaftskammer vorgeschlagenen Lehrstellenbetreuer ihre Tätigkeit begonnen. Die integrative Berufsausbildung, ein Vier-Parteien-Werk auch des Hohen Hauses, der Sozialpartnerschaft, hat gut begonnen. Mehr als 1 300 weniger begabte junge Menschen, auch Menschen mit Behinderungen, sind in solchen Lehrverhältnissen.
Neue Praktikerberufe werden eingeführt, und gerade gestern hat das Hohe Haus die Lehrlingsausbildungsprämie von 1 000 € pro Jahr und Lehrling verlängert. Es gibt also eine Fülle von Maßnahmen. Ich könnte noch einige mehr aufzählen, aber die Zeit verbietet es mir. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Dafür darf aber Frau Abgeordnete Felzmann eine Zusatzfrage stellen. – Bitte.
Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Wir bleiben noch beim Thema Ausbildung. Die Arbeitszeitmodelle verändern sich: Wir werden länger arbeiten, wir leben ja Gott sei Dank auch länger. Die Frage ist: Was hat die Bundesregierung unternommen, um Unternehmerinnen und Unternehmer auch finanziell anzuregen, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten zu investieren?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir waren auch in diesem Bereich besonders kreativ und haben – das ist vor allem die Tätigkeit des Herrn Finanzministers gewesen – einen Bildungsfreibetrag von 20 Prozent in Verbindung mit einer Bildungsprämie von 6 Prozent eingeführt.
Was heißt das für entsprechende Bildungsaufwendungen? – Entweder kann das Unternehmen einen steuerlichen Freibetrag von 20 Prozent des eingesetzten Geldes in Anspruch nehmen oder, sollte der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin Verluste schreiben und das steuerlich nicht verwerten können, eine Bildungsprämie vom Herrn Finanzminister direkt bekommen. Ob er sie persönlich vorbeibringen würde, weiß ich nicht, aber es ist jedenfalls eine direkte Prämie.
Was wichtig ist:
Wir haben das jetzt auch für innerbetriebliche
Bildungsaufwendungen eingeführt; begonnen wurde mit außerbetrieblichen, jetzt
gilt das auch für innerbetriebliche Bildungsaufwendungen. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 19 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen, um die Ausbildung von Lehrlingen im Bundesbereich zu intensivieren? (Eine Frau auf der Zuschauergalerie ruft: Jetzt spreche ich! – Sie versucht, die Brüstung zu übersteigen, wirft Zettel von der Galerie und wird von Bediensteten der Parlamentsdirektion weggebracht.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Ihnen vielleicht noch in Erinnerung, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden eine Initiative gestartet hat, um insgesamt 1 800 zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen: im Bundesbereich 800 zusätzliche Lehrstellen, in den Ländern und Gemeinden je 500 zusätzliche Lehrstellen. Das macht gemeinsam 1 800 Lehrstellen. Das ist schon etwas! Wir haben rund 35 000, 36 000 Lehrstellen im ersten Lehrjahr. 1 800 Lehrstellen zusätzlich ist schon sehr bemerkenswert!
Zum Zweiten darf ich darauf aufmerksam machen, dass der Herr Verkehrsminister und ich uns dieser Tage gemeinsam mit dem Vorstand der ÖBB darauf verständigt haben, dass selbstverständlich auch in Zukunft Lehrlinge nicht nur bei den ÖBB ausgebildet werden, sondern dass dies auch deutlich über den eigenen Bedarf hinausgehen wird.
Ich glaube, Herr Verkehrsminister, 68 Lehrlinge sind als Neuaufnahme für den eigentlichen ÖBB-Bedarf vorgesehen. Insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden es 440 Lehrlinge sein! 440 Lehrlinge werden die ÖBB – bei einem Eigenbedarf von 68 Lehrlingen – neu aufnehmen. Wir werden diesbezüglich finanziell zusammenstehen: das Verkehrsressort, die ÖBB und das AMS. Auch das ist – so denke ich – ein gutes Zeichen für die jungen Menschen in diesem Lande. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.
Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Minister! Wir haben bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 19 und 24 Jahren erschreckend hohe Arbeitslosenzahlen und auch eine erschreckend hohe Zunahme der Arbeitslosigkeit. Das sind Jugendliche, die die Ausbildung bereits abgeschlossen haben und trotzdem keinen Arbeitsplatz finden. Welche Programme gibt es von Ihrer Seite her für diese Altersgruppe beziehungsweise Zielgruppe?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Zu Ihrer Interpretation des „erschreckend hoch“: Man sollte dem Hohen Haus und den Zusehern schon sagen, dass Österreich in Sachen Jugendarbeitslosigkeit zu den Ländern mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit Europas gehört. Das gilt für alle Altersgruppen, auch für die von 19 bis 24 Jahren. Die Zunahme ist da. Das ist absolut nicht erfreulich, da haben Sie Recht!
Wir unternehmen diesbezüglich zum Beispiel im Rahmen des Programms „Jobs4Youth“ viel, um vor allem Abschlüsse nachzuholen. Arbeitslosigkeit ist in hohem Maße eine Frage der Qualifikation. Leider zeigt sich: Je geringer die Qualifikation ist, desto größer ist das Risiko, in Arbeitslosigkeit zu geraten. Ohne Pflichtschulabschluss schaut es ganz schlecht aus, nur mit Pflichtschulabschluss ist es auch nicht gerade rosig, und dann wird es immer besser. Das heißt: Das Nachholen von
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Abschlüssen im Rahmen von „Jobs4Youth“ steht hier völlig im
Vordergrund. (Abg. Mandak: Das sind Leute, die einen Abschluss
haben!)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage hiezu formuliert Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Bundesminister! Die exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit in Österreich beweist, dass die bisher gesetzten Maßnahmen ihr Ziel bei weitem nicht erreicht haben. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist weiter zurückgegangen, deshalb muss ich an Sie schon die Frage richten, warum Sie nicht endlich dem Rat vieler Expertinnen und Experten folgen und endlich einen fairen Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben einführen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Jugendarbeitslosigkeit ist unerfreulich, aber nicht exorbitant hoch, sondern sie gehört zu den niedrigsten in ganz Europa! Zum Zweiten: Die Arbeitsbereitschaft der Betriebe ist nicht zurückgegangen, sondern gerade im letzten Jahr ist erstmals wieder die Zahl der Lehrverträge im ersten Lehrjahr um etwa 1 Prozent und etliche Zehntelprozent angestiegen.
Wir sind mit der Sozialpartnerschaft in gutem Konsens, die richtigen Maßnahmen zu setzen. Ich habe die Fülle von Maßnahmen schon gegenüber der Frau Abgeordneten Felzmann angeführt. Aus zeitlichen Gründen möchte ich das jetzt nicht wiederholen.
Klar ist aber, dass wir in diesem Bereich deutlich mehr Mittel einsetzen und mehr Aktivität setzen als früher. Wir müssen das auch tun, weil wir wissen, dass in den nächsten Jahren geburtenstarke Jahrgänge nachdrängen und auf der anderen Seite die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes gerade für Lehrstellensuchende nicht deutlich steigen wird. Das wissen wir.
Präsident Dr. Andreas Khol: Danke vielmals, Herr Bundesminister. Damit haben Sie die drei noch von der letzten Fragestunde übrig gebliebenen Anfragen beantwortet.
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf der Fragen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.
Die erste Frage formuliert Herr Abgeordneter Mag. Regler. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Vizekanzler, meine Frage:
„Welche Maßnahmen haben Sie für eine Qualitätssteigerung – und damit auch Nachfragesteigerung – für den öffentlichen Nahverkehr geplant?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Regler! Im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge zwischen dem BMVIT und den ÖBB werden den ÖBB im Jahre 2005 etwa 23 Millionen € für qualitätssteigernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Das sind etwa behindertengerechte
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 21 |
Ausstattung, Klimaanlagen – die dann hoffentlich auch funktionieren –, Mehrzweckabteile und im Rahmen der so genannten Bestellerförderung weitere 10 bis 12 Millionen €.
Das heißt, wir setzen eine Vorgabe in Form von Mindestqualitätskriterien und animieren dadurch, die Qualität zu steigern. Ziel ist ein qualitätsbezogenes Monitoringsystem, das wir fortführen werden, um die Qualität der Leistungen im öffentlichen Nahverkehr zu erhöhen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Vizekanzler! Vor allem bei den Diskussionen über den Budgetvoranschlag wird von der Opposition immer wieder bemängelt, dass der Bund den öffentlichen Personennahverkehr zu wenig fördere, der ja eigentlich vor allem Aufgabe der Länder und Gemeinden ist. Daher meine Frage: Wie gestaltet sich die Entwicklung bei den Förderungen für den öffentlichen Personennahverkehr durch den Bund?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Vorweg gesagt, Herr Abgeordneter: Sie gestaltet sich positiv, da ich sagen kann, dass die Förderung steigend ist. Im Jahr 2000 waren es 968 Millionen € an Förderung, im Jahr 2001 waren es 1,02 Milliarden €, im folgenden Jahr 1,05 Milliarden €, dann wieder 1,05 Milliarden €, dann 1,08 Milliarden €, und im Planwert für das Jahr 2005 haben wir eine Budgetposition von 1,09 Milliarden €.
Das heißt, die Förderungen für den öffentlichen Personennahverkehr wurden nicht gekürzt, allerdings musste auf Grund der großen Anzahl der Bestellung neuer Verkehre die Förderung ab 1. Jänner 2005 von 50 Prozent auf 33 Prozent zurückgenommen werden, um die große Anzahl der geförderten Projekte beibehalten zu können. In Summe – das haben Sie jetzt gehört – erhöht sich die Förderung von Seiten des Bundes.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Haben Sie konkrete Maßnahmen beziehungsweise Anreize gesetzt, um den Komfort für die Fahrgäste, die die Österreichischen Bundesbahnen verwenden, zu erhöhen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Natürlich gehört es zum permanenten Ziel, die öffentlichen Verkehre attraktiver zu gestalten, und ich habe schon gesagt, dass wir Anreize zu Qualitätssteigerungen, wie etwa den Qualitätsbonus, durch entsprechende Vorgaben in den Förderbedingungen schaffen.
Die 23 Millionen €, die ich erwähnt habe, sind solche Anreize, die nur dann ausbezahlt werden, wenn Qualitätsmerkmale aufgewiesen werden, wie selektive Türsteuerungen, Türraumüberwachung, Außenbeschallungsanlagen, Zugfunk, Mehrzweckabteile primär für Rollstuhl- und Kinderwagen-, Fahrrad- und Wintersportgerätemitnahme, ebener Einstieg, breite Türen oder der Betrieb von Temperaturabsenkanlagen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 22 |
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister, Sie haben gesagt, 23 Millionen € wird es geben, um die Qualität bei den ÖBB ganz konkret zu verbessern. Meine Frage ist: Wie viel davon fließt in den Bereich der Barrierefreiheit des öffentlichen Verkehrs, insbesondere im Bereich der ÖBB?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 23 |
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Exakt kann ich Ihnen das nicht beziffern. Barrierefreiheit spielt aber, wie Sie auf Grund mehrerer Gespräche mit mir und meinen Beamten wissen, eine sehr wichtige Rolle. Die Qualitätssteigerung ist für mich auch erst dann gegeben – wie ich erwähnt habe –, wenn die Anzahl der barrierefreien Zugänge erhöht wird.
Wir werden es nicht bis zu einer Abdeckung
von 100 Prozent schaffen, aber Ziel muss es sein, dass zumindest in allen
wichtigen Zügen, in allen wichtigen Garnituren und Verbindungen
Barrierefreiheit gegeben ist, sodass auch Behinderte, die den öffentlichen
Verkehr benutzen wollen, die Möglichkeit haben, den öffentlichen Verkehr auch
wirklich zu nutzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.
Abgeordneter Ing.
Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Vizekanzler! Die Bahntarife wurden seit dem
Jahr 2000 sechs Mal erhöht. Wie haben sich im Lichte dieser Tatsache die
Fahrgastzahlen der burgenländischen Pendlerinnen und Pendler entwickelt? (Abg.
Scheibner: Nach Altersstufen gegliedert, bitte! – Heiterkeit der
Abg. Lentsch.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte!
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Die Fahrgastzahlen der burgenländischen Pendlerinnen und Pendler habe ich jetzt natürlich nicht parat und auch nicht im Kopf. Aber natürlich: Das Anliegen, mehr auf öffentliche Verkehre aufmerksam zu machen und diese zu attraktivieren, hat ja nichts anderes zum Zweck, als auch mehr Pendler auf den öffentlichen Verkehr zu bringen und damit Individualverkehr einzusparen oder zu reduzieren.
Ich bin gerne bereit, Ihnen, wenn Sie das Thema interessiert, entweder in einem Gespräch mit meinem zuständigen Fachbeamten oder aber schriftlich genaues Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen.
Ich darf abschließend feststellen, dass ich
selbst einmal einen Pendlerzug besucht habe, um auch die Wünsche und Anregungen
der Pendlerinnen und Pendler persönlich entgegenzunehmen. Das Attraktivieren
gerade für diese Gruppe Berufstätiger, gerade im Burgenland, wo die sonstigen
Verbindungen nicht so optimal sind, ist mir ein großes Anliegen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zum zweiten Fragenkomplex an Sie, Herr Vizekanzler. Die Frage formuliert Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.
Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:
„Wie wollen Sie sicherstellen, dass der mit der Erstellung von Positionspapieren zum Thema Innovation in Vorbereitung der österreichischen EU-Präsidentschaft befasste Mitarbeiter Andreas Zacharasiewicz seine fragwürdigen privaten Ansichten nicht doch einbringt?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Das Produzieren von Stellungnahmen, Positionspapieren, Weisungen et cetera im Rahmen der Vorbereitung, aber auch der Durchführung und Aufarbeitung der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im Jahr 2006 erfolgt laufend und findet in einem Koordinierungsprozess auf mehreren Ebenen statt.
Der von Ihnen angesprochene Mitarbeiter wirkt dabei lediglich unterstützend, nicht eigenverantwortlich. Und im Übrigen darf ich Sie auf meine Beantwortung Ihrer schriftlichen parlamentarischen Anfrage vom 14. April 2005 verweisen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Michaela
Sburny (Grüne): Herr Zacharasiewicz beschreibt in seinem veröffentlichten
Beitrag in einer Zeitschrift des Rings Freiheitlicher Jugend Europa wörtlich
als Wiege der Weißen, und er bedauert, dass das Ziel, die ethnische Identität
des eigenen Volkes zu bewahren, durch mehrere Tendenzen erschwert werde, wie
zum Beispiel den Kulturverlust durch „Primitivkultur“ aus den USA. (Präsident
Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Meine Frage: Halten Sie die Weiterbeschäftigung von Herrn Zacharasiewicz angesichts seiner öffentlichen Aussagen für die Vorbereitung der EU-Ratspräsidentschaft weiterhin für tragbar?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für
Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Es ist
nicht die Aufgabe des Vizekanzlers oder Verkehrs- und Infrastrukturministers,
privat getätigte Aussagen (Abg. Brosz: Das ist ein Mitarbeiter Ihres
Büros!), mündlich oder schriftlich, von Mitarbeitern zu kommentieren und zu
bewerten. (Abg. Öllinger: Den haben Sie ausgesucht! – Abg. Brosz:
Würden Sie Herrn Gudenus auch beschäftigen in Ihrem Büro?)
Das wäre dann der Fall, wenn es
strafrechtliche Relevanz hätte. Da stehen in einem Rechtsstaat
selbstverständlich alle Wege frei. Ich würde diese auch keineswegs behindern.
Aber bitte verstehen Sie, dass ich solche Meinungen – egal, in welche
politische Ideologie sie gehen – nicht kommentieren werde. (Abg. Öllinger:
„Egal“ in welche!)
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.
Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Vizekanzler! Wie wollen Sie das alles einlösen, was Sie uns versprechen, wenn Sie gedanklich eigentlich schon bei Ihrem neuen Job in der Privatwirtschaft sind?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Wenn das Ihre Sorge ist, dann kann ich Sie ab sofort sorgenfrei machen. Gedanklich bin ich dort, wo momentan mein Hauptaugenmerk meiner politischen und überhaupt meiner Tätigkeit liegt, nämlich in der vielfältigen Bewältigung der Aufgaben als Infrastrukturminister (Abg. Eder: Das merkt man aber nicht! Im Ausschuss waren Sie nicht, Herr Minister!), insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaft und der vielen Herausforderungen, die ich jetzt nicht anführen muss. (Abg. Eder: Im Verkehrsausschuss waren Sie nicht, Herr Minister!)
Ich habe angesichts dieser vielfältigen Aktivitäten keine Zeit für privatwirtschaftliche Überlegungen. Ich lese aber so wie Sie auch Zeitungen, und es tut jedem Politiker gut, wenn er in seinen Handlungen ein bisschen auch privatwirtschaftlich gelenkt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 24 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Missethon. – Bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Herr Vizekanzler! Wo sehen Sie die Schwerpunkte im Bereich Innovation für die EU-Präsidentschaft?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter, das ist natürlich eine Frage, die, wenn ich sie hier vollständig beantworte, sicherlich den zeitlichen Rahmen sprengen würde. Ich darf deshalb, so wie es mein Kollege Bartenstein auch bei einer Beantwortung getan hat, nur die wichtigsten Dinge aufzählen.
Die formellen EU-Verkehrsministerräte sind am 27. und 28. März und am 8. und 9. Juni 2006 vorgesehen. Das bedeutet immer einen Schwerpunkt. Ein informelles Verkehrsministertreffen findet am 2. und 3. März in Österreich, nämlich in Bregenz statt, mit dem Schwerpunkt Verkehrssicherheit. Dieses Thema wird überhaupt der Schwerpunkt unserer Ratspräsidentschaft im Zusammenhang mit Verkehr sein. Weiters wird es einen Informellen Rat Wettbewerbsfähigkeit am 21./22. April in Graz geben. Es sind darüber hinaus High level groups zum Thema Verkehrssicherheit im Jänner in Wien vorgesehen. Darüber hinaus wird es eine Binnenschifffahrtskonferenz im Februar und eine Space-Konferenz im April geben.
Ich möchte nun einige Beispiele, was die Themenschwerpunkte betrifft, nennen. Ich darf im Landverkehr die schon erwähnte Straßensicherheit als Leitthema wiederholen. Die Fortentwicklung der Eurovignette wird auch ein Thema sein. Die technischen Vorschriften für Binnenschiffe, Drittes Eisenbahnpaket sind weitere Punkte. Beim Luftverkehr geht es um Passagierrechte, Drittstaatenbeziehungen und Kapazitäten der Flughäfen. Und im Bereich Forschung und Technologie wird die Vorbereitung des 7. Rahmenprogrammes automatisch einen Schwerpunkt darstellen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine letzte Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte, Frau Kollegin.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Welche konkreten Initiativen setzen Sie während der österreichischen EU-Präsidentschaft im Bereich Forschung und Technologie?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Im Bereich Forschung und Entwicklung werden wir uns insbesondere mit der Sicherheitsforschung beschäftigen. Dieses Thema habe ich in vielen bilateralen Gesprächen im Zuge meiner Treffen mit Kollegen auch vorbereitet. Es wird deshalb eine Sicherheitsforschungskonferenz und eine Weltraumkonferenz für den Bereich Luftfahrt geben, insbesondere um die Forschung auch für den Bereich Sicherheit sinnvoll einsetzen zu können.
Wir werden das frühere BIB und jetzt AT, Austrian Technology, besonders mit diesem Thema Sicherheitsforschung beschäftigen, und zwar nicht nur während der Präsidentschaft, sondern auch danach.
Präsident Dr. Andreas Khol: Die dritte Anfrage an den Herrn Vizekanzler stellt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Sicherheit im Verkehr ist ein Schwerpunkt Ihrer Verkehrspolitik. Meine Frage lautet daher:
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 25 |
„Welche Auswirkungen zur Steigerung der Verkehrssicherheit erhofft man sich von dem nun laufenden Gurtespot?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich könnte es sehr kurz machen und sagen, ich erwarte mir als Ergebnis, dass das eintritt, was das Kuratorium für Verkehrssicherheit schätzt, nämlich dass durch diesen Spot die Anzahl jener, welche Sicherheitsgurte dann auch verwenden, gesteigert wird und damit allein in Österreich jährlich 95 Verkehrstote eingespart werden können.
Tatsache ist, dass wir mit diesem Spot ganz besonders darauf reagieren, dass Österreicherinnen und Österreicher offensichtlich Gurtenmuffel sind. Nur 75 Prozent schnallen sich an, 90 Prozent ist der europäische Durchschnitt. Ich habe schon darauf hingewiesen, wie gefährlich es ist, nicht angeschnallt zu fahren. Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall getötet zu werden, ist sieben Mal größer, wenn ich nicht angeschnallt bin. Darüber hinaus werden wir uns auch auf die Kindersicherungen konzentrieren.
Wie die ersten Befragungen zeigen, wirkt dieser Spot enorm. Er hat auch eine dichte Breite durch die vielen Maßnahmen, Spots im Radio, im Fernsehen, in Kinos und in Tageszeitungen. Es wird darüber gesprochen. Ich darf zusammenfassend erfreut feststellen, dass eine Befragung von 300 Männern und Frauen im Alter zwischen 14 und 70 Jahren, die zu diesem Spot nach zwei Wochen befragt wurden, ergeben hat, dass die Message eindeutig verstanden wurde, dass die Befragten den Spot positiv beurteilen. Nur eine einzige Person von 300 empfand den Spot als zu brutal.
Die Beurteilung der Gefälligkeit des Spots liegt bei 1,37 nach dem Schulnotensystem. Der Durchschnitt bei anderen Spots ist bei 2,4. Der Gesamtaufmerksamkeitswert liegt bei 40 Prozent – der Durchschnitt bei anderen ist etwa bei 20 Prozent –, also doppelt so gut. Und der Erinnerungswert liegt bei 42 Prozent.
Ich erwarte mir also, dass mit dieser Maßnahme die Anschnallquote merkbar, spürbar erhöht werden kann.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Ursprünglich sollten Sie eine Frage zum Transitdebakel am Brenner beantworten, aber jetzt geht es um die Verkehrssicherheit. Meine Zusatzfrage dazu lautet: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die LKW-Kontrolldichte und die Sanktionen wegen Vergehen der LKW-Fahrer gegen die Verkehrssicherheit zu verbessern?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Wir werden die bereits eingesetzten Maßnahmen im Zuge der LKW-Kontrollplattform, die ich gemeinsam mit den Landeshauptleuten und zuständigen Regierungsmitgliedern ins Leben gerufen habe, fortsetzen. Diese haben sich sehr bewährt. Sie werden auch, wenn Sie durch Österreich fahren, feststellen, dass wir die Infrastruktur entsprechend verbessern oder neu schaffen. Beispielsweise in Radfeld in Tirol haben wir den modernsten LKW-Kontrollplatz Europas vor wenigen Wochen in Betrieb genommen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 26 |
Das heißt, wir können dadurch die Dichte erhöhen, weil die Abfertigung, die Behandlung schneller geht. Wir werden weiterhin durch eine optimale Koordinierung der zuständigen Stellen – Prüfanstalt, örtliche Polizei, wie es jetzt heißt, Bundespolizei, Verkehrsministerium und ASFINAG – versuchen, die Anzahl der Kontrollen zu erhöhen und die Effizienz zu steigern. Aber wir sind da schon sehr gut unterwegs und haben in den letzten Monaten einiges erreicht.
Die Ergebnisse – Sie wissen es – zeigen, dass zu Recht solche Kontrollen durchgeführt werden. Aber auch das Forcieren von Erleichterungen wie die Einführung des digitalen Kontrollblattes wird von mir sehr unterstützt. Gerade vorletzte Woche ist das auf europäischer Ebene bei einer Verkehrsministerkonferenz in Luxemburg geschehen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Binder. – Bitte, Frau Kollegin.
Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Eine kurze Frage: Wann wird es zu einer Ausstattungsverpflichtung mit Gurten bei Linienbussen kommen, beziehungsweise wann denken Sie daran, diese umzusetzen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich vertrete diese Idee und darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es bei neuen Produkten bereits europaweit Vorgabe ist, diese Pflichtgurten vorzusehen, die dann auch benützt werden müssen. Das heißt, die Umstellung bei älteren Produkten ist noch nicht zwingend vorgeschrieben. Ich unterstütze aber diese Anliegen, die von einigen Kollegen aus anderen Mitgliedsländern in der Europäischen Union immer wieder vorgetragen werden, ganz vehement, wobei es einige Ausnahmen gibt, die Sie vermutlich auch kennen.
Im öffentlichen Bereich wird das nicht überall möglich sein, vor allem dort, wo auch sehr stark Stehplätze frequentiert werden, aber bei typischen, klassischen Reisebussen zum Beispiel soll das sukzessive kommen, wenn die neuen Produkte die alten verdrängen. Und bei den älteren werde ich einer jener sein, die die Umstellung als Vorschrift unterstützen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte, Herr Kollege.
Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass im Rahmen der Mehrphasenführerscheinausbildung auf die Notwendigkeit, Wahl, Befestigung und Nutzung von Rückhalteeinrichtungen für Kinder verstärkt eingegangen wird?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sie sprechen mit Ihrer Frage einen sehr wichtigen Bereich an. Die schlechte Anschnallquote Österreichs ist in sehr wesentlichem Ausmaß auf das Nichtbenützen von Rückhaltevorrichtungen auf Hintersitzen, insbesondere im Bereich der Kindersicherungen zurückzuführen. Wir werden im Bereich der Fahrsicherheitstrainings weiterhin Schwerpunkte auf die richtige Kindersicherung setzen. Das Delikt der mangelhaften Kindersicherung ist auch im Katalog der Vormerkdelikte enthalten, und bei Nachschulungen wird darauf besonders Rücksicht genommen. Aber wie aus Ihrer Frage schon hervorging, ist das natürlich auch ein Thema bei der Ausbildung. Und beim Mehrphasenführerschein wird man speziell in der zweiten Phase auf diese Dinge Rücksicht nehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 27 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Den nächsten Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Verzetnitsch ein. – Bitte, Herr Präsident.
Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:
„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie seit Vorstellung der Studie ,Wirtschaftssektor Breitbrand – Handlungsfelder am Weg zur wettbewerbsfähigen Wissensökonomie’ durch die ,ARGE Breitband’ bis heute gesetzt, um die dort aufgezeigten schweren Defizite und Versäumnisse durch die jahrelange verfehlte IKT-Politik der Bundesregierung zu korrigieren?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter und Präsident Verzetnitsch, Sie wissen, dass ich mich sehr rasch nach Übernahme des Amtes als Verkehrsminister und Infrastrukturminister, in dem Fall Technologieminister, mit diesem Thema beschäftigt habe. Die Angelobung war am 28. Februar 2003. Am 13. Mai desselben Jahres habe ich einen Ministerratsvortrag eingebracht, der sich mit diesem Thema beschäftigt. Ich verweise auch darauf, dass im Rahmen der E-Government-Offensive der österreichischen Bundesregierung diesbezüglich entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.
Es gibt für die Bundesländer eine Sonderrichtlinie Breitbandinitiative vom 19. August 2004, die als Ergebnis dieser eingeleiteten Initiativen zu sehen ist, die noch bis Ende 2005 läuft. Ich kann Ihnen sagen, dass ich auf Grund der bisherigen Erfahrungen aus dieser Aktion insgesamt ein Investitionsvolumen von 100 Millionen € in den Infrastrukturausbau in Österreich erwarte, sodass wir der Wichtigkeit und Notwendigkeit der möglichst vollständigen Zurverfügungstellung von Breitband in allen Bereichen, auch in ländlichen Gebieten, Rechnung tragen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Verzetnitsch.
Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie wissen, dass wir bezüglich dieser Frage im internationalen Ranking leider zurückgefallen sind. Deswegen wurde meine erste Frage in diese Richtung gestellt, und ich möchte auch noch ergänzen, dass wir im Industrieausschuss dieses Hauses vor kurzem neuerlich darauf hingewiesen haben. Sie haben das jetzt kurz angesprochen.
Meine konkrete Frage lautet: Welche konkreten Maßnahmen, abgesehen von dem, was Sie gerade gesagt haben, werden Sie ergreifen, um die Chancengleichheit des ländlichen Raumes hinsichtlich Breitbandanbindung sicherzustellen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Durch die erwähnte Breitbandinitiative des Bundes werden Bundesländer animiert, auch mitzumachen und gerade jene Gebiete zu erschließen, die in eventuell vorhandenen Plänen der jeweiligen Bundesländer noch nicht enthalten waren. Das heißt, ich animiere, dort Breitband zu legen, wo es nicht vorgesehen ist, und verfolge mit einer Projektgruppe laufend die entsprechenden Schritte in den Bundesländern.
Ich kann Ihnen konkret mitteilen, dass Oberösterreich, Burgenland, Steiermark, Salzburg und Tirol ihre Ausschreibungen bereits auf Übereinstimmung mit der Sonderrichtlinie prüfen lassen. Vorarlberg hat diesbezüglich einen Regierungsbeschluss, Kärnten arbeitet noch am Ausschreibungstext, wird aber demnächst fertig sein.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 28 |
Niederösterreich hat angekündigt, diese Bundesmaßnahmen in seine Landesinitiative zu integrieren, und baut inzwischen die Hälfte aller förderbaren Siedlungspunkte aus; konkret sind das dann 8 500 von 15 000 Standorten, die versorgt sind. Wien ist zu 100 Prozent versorgt.
Mit Hilfe genauer Beobachtung und
Gesprächen mit den zuständigen Leuten in den Bundesländern und wenn notwendig
auch mittels neuerlicher Zurverfügungstellung von entsprechendem
Fördergeld – das sage ich auch dazu – werde ich dafür sorgen, dass in
diesem wichtigen Bereich Breitband Österreich nicht weiter zurückfällt, sondern
wieder den Weg nach vorne schaffen wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.
Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Vizekanzler! Österreich und die Bundesregierung haben in den letzten fünf Jahren großartige Leistungen erbracht, um den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern. Es sind aber weitere Maßnahmen erforderlich. Meine Zusatzfrage lautet daher: Was wurde im Zuge des Reformdialogs am 1. Mai 2005 für den IKT-Standort Österreich beschlossen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Abgeordneter! Es gibt einen Ministerratsvortrag, datiert mit 2. Mai – das heißt also, dieser ist sofort nach diesem Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung in Österreich, „Unternehmen Arbeitsplatz“, erstellt worden –, der am 3. Mai auch beschlossen wurde. Darin ist festgehalten, dass durch eine intensivierte Fortsetzung der Breitbandoffensive – das wurde vorher angesprochen – vor allem ländliche Regionen Zugang zum Breitband-Internet erhalten sollen. Der Bund wird dafür zusätzliche 10 Millionen € bereitstellen. Die Länder sollen sich in gleicher Höhe beteiligen. Das ist, glaube ich, im Moment die wichtigste Initiative und Aktivität, die man in diesem Bereich setzen kann und soll.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Österreich ist bei der Förderung moderner Kommunikationstechnologien von Platz 1 auf Platz 6 zurückgefallen. Versäumnisse wurden aufgezählt. Versäumnisse gibt es auch im Bereich der Vorsorgegrenzwerte bei der Handysendemasten-Technologie. Herr Minister! Warum kommen Sie nicht den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates nach?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler
Hubert Gorbach: Ich orientiere mich derzeit an den Empfehlungen und Vorgaben der
WHO. Es ist unrichtig, wenn Sie sagen, dass wir, was Richtlinien betrifft,
säumig sind. Der Bund ist da überhaupt nicht säumig. Wenn Sie von einzelnen
Bundesländern sprechen, dann ist das eine andere Sache, da fühle ich mich nicht
zuständig. Im Moment kämpfe ich in diesem Bereich darum, nicht eine neue
Steuer, nämlich eine Handymastensteuer aufkommen zu lassen; das ist für mich
ein ganz wichtiges Thema in diesem Zusammenhang. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Anfrage an den Herrn Vizekanzler formuliert Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte, Frau Kollegin.
Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Frage lautet:
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 29 |
„Welche Investitionen wurden in den Jahren 2000-2005 in die Schieneninfrastruktur getätigt?“
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 30 |
Bundesminister für
Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Frau
Abgeordnete Hakl! Ich kann mitteilen, dass in den Jahren 2000 bis 2005
insgesamt zirka 7,5 Milliarden € in den Ausbau der
Schieneninfrastruktur investiert wurden. Höhepunkt war das Jahr 2004 mit
1,436 Milliarden €, der Prognosewert für 2005 beträgt noch mehr,
nämlich 1,565 Milliarden €, und bis zum Jahr 2010 werden laut
Rahmenplan weitere 7 Milliarden € vorgesehen. Ich denke, dass
wir – zusammenfassend – mit der Feststellung, dass noch nie so viel
in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert wurde wie in den letzten
Jahren und derzeit und wie in Zukunft geplant ist, richtig liegen. (Beifall
bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Eder: Das ist falsch!)
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Bundesminister! Bei diesem riesigen Volumen von 7 Milliarden € würde mich noch interessieren, welche Schwerpunkte in diesem Bereich, insbesondere für den Sondierstollen des Brenner-Basistunnels gesetzt werden.
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Der Sondierstollen Brenner-Basistunnel ist ein gutes Beispiel dafür, dass intensives Bemühen und gute Kooperation auf europäischer Ebene fruchtbar sein können. Investitionen in der Höhe von 430 Millionen € und 50 Prozent Kofinanzierung wurden zugesagt, voraussichtlicher Baubeginn ist nächstes Jahr. Schwerpunkte darüber hinaus werden sein: viergleisiger Ausbau der Westbahn zwischen Wien und Linz, Südkorridorausbau, Neubaustrecke Unterinntal, die Koralmbahn, aber auch weitere Entwicklungen des intermodalen Eisenbahnknotens Wien sind mit vorgesehen. Insgesamt wird natürlich auch die Anbindung an den Osten großes Augenmerk verdienen.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Welche Mittel für die Schieneninfrastrukturprojekte konnten im Zuge der TEN-Förderung bislang von der EU lukriert werden?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: In den Jahren 1995 bis 2004 waren es 175,54 Millionen €, im Jahr 2004 waren es 30 Millionen €. Es sind aber in den nächsten Jahren durchaus noch mehr Mittel aus den Projekten, Kofinanzierungen zu erwarten.
Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.
Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister, warum unternahmen Sie nichts, dass der Schienenverkehr in Richtung unserer östlichen Nachbarn verbessert wurde, obwohl bereits seit 16 Jahren die Ostöffnung besteht? Warum sind Sie hier säumig gewesen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für
Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach:
Versäumnisse früherer Regierungen kann ich nicht von heute auf morgen wieder
gutmachen, aber ich bin dabei. Es ist unrichtig, wenn Sie sagen, ich unternahm
nichts: Die Weichen sind richtig gestellt. Das ist, wie ich vorher ausgeführt
habe, einer der Schwerpunkte im Schienenausbauprogramm. (Beifall der
Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Lentsch.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Kollege.
Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Vizekanzler! In die Errichtung der Güterzugumfahrung St. Pölten wurden gemäß Ihren eigenen Angaben bis jetzt über 153 Millionen € investiert, für die seit dem Baustopp 2000 jährlich mehr als 6 Millionen € Bauzins anfallen, ohne dass diese Investition genutzt werden kann. Für die Errichtung und den Betrieb der vierspurigen Hochleistungswestbahn ist aber die Güterzugumfahrung St. Pölten unbedingt notwendig.
Meine Frage an Sie, Herr Vizekanzler: Wann werden Sie dieses wichtige, notwendige Schieneninfrastrukturprojekt endlich fertig stellen lassen?
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter! An der Wichtigkeit dieser Güterzugumfahrung St. Pölten zweifle ich nicht, da gebe ich Ihnen Recht. Die Notwendigkeit ist aber mittelfristig und nicht kurzfristig, sodass meine Experten mir eben mitteilen – und ich teile diese Meinung –, dass es derzeit andere Prioritäten gibt und wir die vorhandenen Gelder – wie gesagt, so viel wie nie zuvor – anderweitig prioritär einsetzen und mittelfristig diese Umfahrung im Auge haben. Das wird nicht die nächsten drei bis fünf Jahre sein können, aber danach.
Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind alle Fragen der heutigen Fragestunde beantwortet. Ich bedanke mich beim Vizekanzler für die kurze Fragebeantwortung und beende damit die Fragestunde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat
folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte
Verhandlungsgegenstände:
Anfragebeantwortungen: 2948/AB bis 2955/AB.
B. Zuweisungen:
1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:
Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:
Petition Nr. 67 betreffend „Für
eine freie Wahl des Vornamens“, überreicht von der Abgeordneten Gabriele
Heinisch-Hosek,
Bürgerinitiative Nr. 27 betreffend
„Ein Import- und Handelsverbot von Hunde- und Katzenfellen und von Hunde- und
Katzenleder sowie von daraus hergestellten Produkten“.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 31 |
2. Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Finanzausschuss:
Antrag 655/A der Abgeordneten
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Gebührengesetz in der Fassung BGBl I 128/2004 geändert wird,
Antrag 668/A (E) der Abgeordneten
Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Vereinfachung der Steuererklärungen;
Justizausschuss:
Handelsrechts-Änderungsgesetz –
HaRÄG (1058 d.B.),
Bundesgesetz, mit dem die
Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das
Tilgungsgesetz geändert werden (1059 d.B.),
Antrag 659/A (E) der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Mietzinsobergrenzen,
Antrag 660/A (E) der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Kautionsrückzahlungen im Mietrecht,
Antrag 661/A (E) der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verjährung von
Ablösen im Mietrecht,
Antrag 663/A der Abgeordneten
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer,
Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden;
Kulturausschuss:
Antrag 667/A (E) der Abgeordneten
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend freier
Eintritt in die Bundesmuseen;
Verfassungsausschuss:
Antrag 658/A (E) der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der
Kompetenzen der Volksanwaltschaft,
Antrag 664/A der Abgeordneten
Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen
über Wahlkarten bei Landtags- und Gemeinderatswahlen ergänzt wird,
Antrag 665/A der Abgeordneten
Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem Kinderrechte in das Bundes-Verfassungsgesetz
eingefügt werden;
Verkehrsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das
Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4.
Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1000 d.B.),
Bundesgesetz, mit dem das
Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2005) (1060 d.B.),
Antrag 654/A (E) der Abgeordneten
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Viergleisiger
Ausbau der Westbahn (Salzburg – Attnang),
Antrag 657/A (E) der Abgeordneten
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behindertenparkplätze
bei Arztpraxen,
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 32 |
Antrag 666/A (E) der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von
Mobilfunkmasten sowie Maßnahmen zur geeigneten Verortung und zur
Emissions-Minimierung von Mobilfunkmasten;
Wirtschaftsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem die
Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz 2005)
(999 d.B.),
Informationsweiterverwendungsgesetz –
IWG (1026 d.B.),
Bundesgesetz, mit dem das
Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1027 d.B.).
*****
Ankündigung eines Dringlichen Antrages
Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klub der Grünen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 669/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gläserne Parteikassen“ dringlich zu behandeln.
Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 5 bis 9, 10 bis 14, 16 und 17 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.
Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen daher so vor.
Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.
Redezeitbeschränkung
Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt.
Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 158 Minuten, Freiheitliche 108 Minuten sowie Grüne 117 Minuten.
Weiters wurde folgende Redezeitordnung für die Debatte in der Zeit von 10.10 Uhr bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: zunächst eine Wortmeldung pro Fraktion mit 15 Minuten, anschließend eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 15 Minuten, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten, sodann eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 10 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten. Vor Beginn der letzten Runde wird die allenfalls verbleibende Redezeit von der den Vorsitz führenden Zweiten Präsidentin gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.
Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen werden.
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Über diese Redeordnung und Vereinbarung entscheidet das Hohe Haus.
Ich bitte daher jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der Präsidialkonferenz zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen. Wir werden daher so vorgehen.
Bericht des Ausschusses für innere
Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (952 d.B.): Bundesgesetz, mit
dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein
Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das
Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat,
das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das
Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das
Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und
das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005)
(1055 d.B.)
2. Punkt
Bericht des Ausschusses für innere
Angelegenheiten über die Petition (63/PET) betreffend „Gewalt gegen
Frauen – nicht mit ihnen – nicht mit uns!“, überreicht von den
Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Gabriele Heinisch-Hosek,
Dipl.-Ing. Elke Achleitner und Matthias Ellmauer (1056 d.B.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, worüber die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Im Einvernehmen mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde für die gemeinsame Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten abweichend vom § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung folgende Rednerreihenfolge festgelegt: Grüne, ÖVP, SPÖ, Freiheitlicher Parlamentsklub.
Im Sinne dieser Vereinbarung gelangt nun die Abgeordnete Mag. Stoisits ans Rednerpult und eröffnet damit die Debatte. – Bitte, Frau Kollegin.
10.05
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Dobro jutro! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Prokop! Frau Ministerin Miklautsch! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist noch nicht lange her – es war im Jahre 2003 –, als hier im Nationalrat ein von der damaligen und auch noch jetzt im Amt befindlichen Regierung vorgelegtes neues Asylgesetz sehr intensiv diskutiert wurde. Das meine ich jetzt wirklich ehrlich; auch aus der Sicht der Opposition ist das so zu bewerten.
Es wurden Expertenhearings veranstaltet, es wurde die Opposition beim Entstehungsprozess des Gesetzes – miteinbezogen zu sagen, wäre vielleicht übertrieben – zumindest über die einzelnen Schritte informiert. Die damals geschlossen agierenden Oppositionsparteien sind gegen den beabsichtigten Fahrplan der Bundesregierung, dieses Gesetz noch vor dem Sommer, so wie das jetzt der Fall ist, zu beschließen, um damit Einwände und Verbesserungsvorschläge sozusagen so schnell wie möglich abzuservieren, vorgegangen, und es ist nicht gelungen, die damalige Vorlage betreffend das Asylgesetz in einem parlamentarischen Husch-Pfusch-Verfahren, umgangssprachlich
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ausgedrückt, zu beschließen, sondern es wurde intensiv diskutiert, wobei eindringlich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das Asylgesetz 2003 verfassungswidrige Bestimmungen enthält.
Das alles wurde jedoch von der Regierung – Schwarz-Blau damals – ignoriert, und nur einige Monate später wurde dieses Gesetz vom Verfassungsgerichtshof in den am intensivsten kritisierten Punkten als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben. Das alles geschah voriges Jahr, meine Damen und Herren. Es sind erst ein paar Monate seither vergangen – es war im Dezember letzten Jahres.
Dass sich jene Kritik, die Verfassungsexperten und die Opposition im Parlament vorgebracht haben, bewahrheitet hat, ließe eigentlich den Schluss zu, dass man künftig, wenn es um Menschen und grundrechtlich so relevante Materien wie ein Asylgesetz zum Beispiel geht, mit mehr Bedacht vorgeht und solchen Einwänden auch Rechnung trägt. Ich sage Ihnen ehrlich: Für keinen Parlamentarier und für keine Parlamentarierin ist es angenehm, wenn der Verfassungsgerichtshof Gesetze, die wir hier beschließen, als verfassungswidrig aufhebt.
Das sage ich auch als Oppositionsabgeordnete, obwohl ich als Oppositionsabgeordnete mit der grünen Fraktion in den letzten Jahren, seit es Schwarz-Blau gibt, aber auch noch in der Zeit, in der es eine große Koalition gab, immer wieder unter jenen war, die auf mögliche Verfassungswidrigkeiten hingewiesen haben, die sich dann in der Regel auch bestätigt haben. Es ist aber trotzdem unangenehm, denn es ist die Pflicht und die Verantwortung von ParlamentarierInnen, Gesetze zu beschließen, die verfassungskonform, grundrechtskonform sind. Das ist unser Job! Das ist unsere Aufgabe hier! (Beifall bei den Grünen.)
Deshalb war die Freude über die damalige
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs eine große – Sie werden es
verstehen –, weil auf Grund dieser Kritikpunkte der Bundesregierung der
Auftrag erteilt wurde, ein grundrechtskonformes, ein verfassungskonformes
Asylgesetz in Österreich vorzulegen und dann im Nationalrat zu beschließen. –
Das ist die Vorgeschichte dieses Fremdenrechtspaketes, meine Damen und Herren. (Die Rednerin hält ein Exemplar des
Fremdenrechtspaketes 2005 in die Höhe.)
Der bloße Gesetzestext, ohne Erläuterungen und ohne Kommentierungen, umfasst 118 Seiten. Das ist nicht irgendetwas, meine Damen und Herren, sondern das ist die umfassendste Reform, die es im Bereich des Fremdenrechts in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. (Abg. Scheibner: Danke für das Lob, Frau Kollegin!) Das ist sozusagen der Schluss, den die zuerst schwarz-blaue und jetzt schwarz-orange Bundesregierung, die Schüssel-Haider-Regierung aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes: Bitte, korrigiert ein verfassungswidriges Asylgesetz!, gezogen hat, nämlich ein 118 Seiten dickes Fremdenrechtspaket, das nur so strotzt – ich sage es jetzt vorsichtig – vor bedenklichen Bestimmungen.
Bei diesen Bestimmungen ist die Grundrechtskonformität zumindest diskussionswürdig. Das wurde in einigen Punkten von sehr vielen wirklichen Experten bestätigt. Ich sage jetzt „wirklichen Experten“, weil ich uns Abgeordnete nicht für Verfassungsexperten par excellence halte. Soweit ich einen Überblick habe, ist außer dem Präsidenten Khol, der Staatsrechtslehrer ist, kein weiterer Staatsrechtslehrer im Kreis der Abgeordneten.
Deshalb ist ja meine Enttäuschung, Herr Präsident, so groß, weil Sie als Staatsrechtslehrer und unser Präsident hier im Nationalrat auf diese Vorgangsweise der Bundesregierung, statt ein verfassungswidriges Asylgesetz im Sinne des Auftrags des Verfassungsgerichtshofs zu korrigieren, hier ein Fremdenrechtspaket vorzulegen, das – und das ist jetzt jenseits der Diskussionen der letzten Tage, beispielsweise zum
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Punkt Zwangsernährung – unglaubliche Punkte enthält, die diesem Geist, den wir aufgebaut haben, dem Geist der Aufenthaltsverfestigung, widersprechen, nicht reagieren.
Unter diesen Menschen, die nach Österreich zuwandern und bei uns sozusagen eine neue Heimat finden, sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Migranten und Migrantinnen, Menschen, die nach Österreich kommen und entsprechend ihrer Qualifikation Arbeit finden, etwa als Fliesenleger oder als Computertechniker oder als Universitätsprofessor. Die Palette von Berufen, die von Zuwanderern in Österreich ausgeübt werden, ist sehr groß, und diese Zuwanderer leisten auch einen ganz wichtigen Teil zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortkommen unserer Republik.
Daher sind diese Materien, meine Damen und Herren, auch so sensibel, bei welchen man danach trachten muss, zwei Aspekte zu vereinen: erstens Grundrechte und Rechtsstaat zu wahren und zweitens die gesellschaftliche Akzeptanz für Maßnahmen, die auf diesem Gebiet getroffen werden, auch dafür zu bekommen. Aber keinesfalls – und das ist der wesentliche Punkt; das ist auch Gegenstand der Diskussion in Bezug auf das zu erwartende Stimmverhalten der sozialdemokratischen Fraktion hier im Plenum – eignen sich fremdenrechtliche Gesetze und Absichten auf legistischer Ebene dazu, rechtspopulistische Ansagen zu machen. (Beifall bei den Grünen.)
Jeder Staat – auch wir, die wir den Staat als Abgeordnete repräsentieren – hat das Recht, sich gegen Missbrauch, der in seinem Staat passiert, zu wehren. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Ja, selbstverständlich hat er das Recht dazu! Aber er hat gleichzeitig die Pflicht, diesen Missbrauch mit grundrechtskonformen Mitteln abzustellen. Das ist der Punkt, der bei diesem Fremdenrechtspaket so problematisch ist.
Es wird hier eine Materie unter dem Titel
„Asylmissbrauch“ geregelt. Ich möchte an dieser Stelle auch eine
Begriffsklärung vornehmen. Was wird von dieser Regierung und leider auch von
der SPÖ unter „Asylmissbrauch“ verstanden? – Die Tatsache, dass Menschen
in Österreich einen Asylantrag stellen, jahrelang den Ausgang ihres Verfahrens
hier in Österreich abwarten, und dann stellt sich am Ende dieses Verfahrens
heraus, dass ihnen nicht Asyl zuerkannt wird. (Abg. Scheibner: Warum ist das so?) Denn die Anerkennungsquote
jener, die bei uns einen Asylantrag stellen, beträgt nicht hundert Prozent. Und
einer, der einen Asylantrag gestellt hat und bei dem sich dann herausstellt,
dass bei ihm keine Fluchtgründe nach dem österreichischen Asylgesetz und nach
der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen, weshalb er kein Asyl bekommt, hat
dann das Asylrecht missbraucht. (Zwischenruf
der Abg. Silhavy.)
Meine Damen und Herren, sind Sie schon einmal zu schnell mit dem Auto gefahren? Falls Sie das tun und vom Radar erfasst werden, bekommen Sie eine Strafe, und Sie sagen dann: Jessas, ich weiß es nicht genau, bin ich zu schnell gefahren oder bin ich nicht zu schnell gefahren, aber ich mache jedenfalls einen Einspruch, denn auch die können sich irren!, und Sie bringen Ihre Argumente.
In der Regel sind der Radar und die Polizei Ihnen mit Ihren Argumenten immer voraus, und Sie werden die Strafe, die Ihnen auferlegt wurde, zahlen müssen. Niemand von Ihnen käme auf die Idee zu sagen: Ich bin ein Verfahrensrechtsmissbraucher, weil ich mir erlaube, einen Einspruch zu machen gegen eine Verwaltungsstrafe für einen Gesetzesverstoß, den ich begangen habe. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das ist eine verfahrensrechtliche Sache!)
Das Asylverfahren, meine Damen und Herren, ist in einem Asylgesetz geregelt, und deshalb kann es nicht sein, dass jene, die Rechtsmittel im Asylverfahren nutzen, die ihnen von Gesetzes wegen zustehen, als Missbraucher bezeichnet werden. Damit wird nur kaschiert, dass es in diesem Land auf dem Gebiet der Zuwanderung eine verfehlte Politik gibt. Es gibt auch eine verfehlte Politik auf dem Gebiet der Kriminalitäts-
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bekämpfung, wo die Erfolge mäßig sind, sodass die Entwicklung im Bereich der Kriminalität eine negative ist. Es geht aber nicht an, das dann auf dem Rücken jener zu lösen, die ZuwanderInnen sind oder die in Österreich Schutz vor Verfolgung in ihrer Heimat suchen. (Beifall bei den Grünen.)
Die wesentlichsten Punkte, meine Damen und Herren, wie sich diese Republik – diese Republik repräsentiert durch die Bundesregierung, möchte ich sagen – den Umgang mit dem Rechtsstaat sozusagen vorstellt, hat ja Ihr Vorgänger, Frau Bundesministerin, Herr Dr. Strasser, unmittelbar nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs am besten zum Ausdruck gebracht. Er hat nämlich zur Tatsache, dass der Verfassungsgerichtshof das Asylgesetz aufgehoben hat, gesagt: Nicht alles, was Recht sei, sei auch gut!
Das ist die Haltung der Bundesregierung, die wir jetzt haben, zum Rechtsstaat: Der Verfassungsgerichtshof sagt, dass das Asylgesetz nicht verfassungskonform ist, und der zuständige Innenminister sagt darauf: Nicht alles, was Recht ist, ist auch gut!
So schaut dieses Gesetz jetzt auch aus! Wäre die Haltung der Regierung eine andere, dann hätte sich etwas geändert, Frau Bundesministerin, dann gäbe es einen Unterschied zwischen dem, was Strasser im Dezember vertreten hat, und dem, was jetzt, im Juli 2005, hier vorliegt, dann sähe dieses Gesetzespaket mit den 118 Seiten anders aus, dann wäre in diesem Gesetzespaket nicht die Problematik der Traumatisierten enthalten, die über die Grenze zurückgeschoben werden, dann wären darin nicht Gebietsbeschränkungen für Asylsuchende am Beginn ihres Asylverfahrens enthalten, dann gäbe es nicht die Möglichkeit der Zwangsernährung für AsylwerberInnen, dann gäbe es keinen erhöhten Strafrahmen für Menschen, die nichts anderes tun, als Flüchtlingen beizustehen. (Beifall bei den Grünen.)
Menschen, die bis 1989 Auszeichnungen von
der Republik bekommen haben, weil sie damals, als noch der Eiserne Vorhang
bestanden hat, Fluchthelfer waren, macht dieses Gesetz heute zum Teil zu
Schwerkriminellen, was den Strafrahmen betrifft. (Abg. Scheibner: Das ist doch etwas ganz anderes, was Sie da
vergleichen!) Das
ist der Geist, den diese Republik durch diese Bundesregierung verströmt (Abg. Scheibner: So kann man die
Wahrheit umdrehen!) – leider mit Duldung der großen, angeblich
antifaschistischen Oppositionspartei SPÖ! (Zwischenrufe
bei der ÖVP.)
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Mich schmerzt das wirklich, weil es in meinem Kopf, in meiner Vorstellung auch einige Optionen, die es gibt, verbaut. Ich habe immer die Hoffnung, dass ich sagen kann, na gut, eine rechtsgerichtete Regierung macht rechtsgerichtete Politik, aber eine ... (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Mitte-rechts!) – Der Herr Bundeskanzler sagt „Mitte-rechts“. Herr Bundeskanzler! Wenn Sie dieses Gesetz lesen, dann können Sie nicht mehr guten Herzens behaupten, das sei Mitte-rechts. Herr Bundeskanzler, das ist ganz rechts! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Ganz recht, nicht ganz rechts!)
Es ist ganz rechts, wenn es in Österreich künftig die Möglichkeit gibt – und diese wird nicht beseitigt; das ist ja der Skandal! –, dass Kinder in Schubhaft genommen werden, nämlich Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern auf der Flucht sind.
Frau Bundesministerin, Sie können zum wiederholten Male sagen, es sei nicht so. – Dieses Gesetz, das Sie heute hier beschließen werden, lässt das zu! Wir wollen, dass solche Dinge nicht möglich sind, nämlich dass Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche, die nichts angestellt haben – bitte, was können Säuglinge anstellen? –, die mit ihren Eltern Schutz vor Verfolgung suchen, in Österreich im Häfen landen. (Beifall bei den Grünen.)
Das ist es, Herr Bundeskanzler, was uns Sorge macht. Deshalb haben wir in den letzten Monaten auch so vehement versucht, hier einen Beitrag zu leisten. Aber, Frau
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Bundesministerin Prokop,
der Beitrag der Grünen hat Sie nie interessiert. Über dieses wirklich
schwerwiegende Paket hat es auf Ebene der Mitarbeiter des Kabinetts zwei Mal
Besprechungen gegeben, und zwar noch lange vor der Regierungsvorlage, als es
noch die Punktationen gab, und das war es. (Präsident
Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Sie, Frau Innenministerin, Sie, Herr
Bundeskanzler, und Sie, Frau Justizministerin, werden es verantworten müssen, dass in Österreich
Rechtsstaat abgebaut wird, ...
Präsident Dr. Andreas Khol (neuerlich das Glockenzeichen gebend): Das ist der Schlusssatz, Frau Abgeordnete!
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Ja, ist es, ich formuliere ihn. ... dass Grundrechte von In- und von Ausländern unterschiedlich betrachtet werden und dass wir in diesem Land, was Grundrechte angeht, ein Zweiklassensystem bekommen. Wir machen da nicht mit! (Beifall bei den Grünen.)
10.21
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich darf alle Rednerinnen und Redner darauf aufmerksam machen: Wenn das rote Licht ständig leuchtet, ist die Redezeit zu Ende!
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Auch er verfügt über 15 Minuten. – Bitte.
10.21
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Frau Abgeordnete Stoisits, diese Bundesregierung macht richtige Politik, und das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.)
Wir haben heute mit der Beschlussfassung des Asylgesetzes, des Fremdenpolizeigesetzes und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes den klaren Nachweis für die Richtigkeit der Politik und der Maßnahmen. Und, Frau Abgeordnete Stoisits, die Österreichische Volkspartei, die Abgeordneten unserer Fraktion werden geschlossen für dieses Paket stimmen. Ich sage Ihnen auch, warum: weil wir uns mit diesem Paket eins mit der breiten Mehrheit der österreichischen Bevölkerung fühlen und auch sicher sind, dass wir mit dieser Entscheidung die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land hinter uns haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Es ist daher
dieser heutige Tag ein guter Tag für Österreichs Sicherheit. Einige Feststellungen
sind nach den Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits aber notwendig.
Österreich hat eine lange und eine gute Tradition als Asylland. (Abg. Dr. Van der Bellen: Gehabt!) Uns als Regierungsparteien ist selbstverständlich bewusst, dass aus dieser Verantwortung als Asylland auch eine Verpflichtung erwächst, dass auch in Zukunft unser Land seiner Verpflichtung und Tradition treu bleiben kann. Wir sind uns dieser Verpflichtung bewusst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Damit das aber so bleiben kann, meine Damen und Herren, damit wir diese Tradition und diese Verpflichtung auch hochhalten können, müssen wir einfach auch den Realitäten ins Auge blicken. Wenn wir so tun, als hätten wir keine Probleme im Bereich Asyl, dann schaden wir unserer eigenen Tradition. Wir würden einen gravierenden Fehler machen, wenn wir hier nicht handeln, meine Damen und Herren! All jenen, die heute an dieser Abstimmung nicht teilnehmen, und all jenen, die gegen dieses Gesetz stimmen werden, sei ins Stammbuch geschrieben: Wenn wir nicht Fehler korrigieren
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und Missstände beseitigen, dann schaden wir unserer Tradition als Asylland Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das ist unsere Verpflichtung – das sei gerade den Grünen gesagt und auch jenen, die an dieser Abstimmung nicht teilnehmen; das ist eine Frage, die die einzelnen Abgeordneten selbst beantworten müssen, ob dieses Verhalten auch mit parlamentarischer Usance vereinbar ist (Abg. Mag. Wurm: Freies Mandat!) –, und wer die Augen vor den Missständen verschließt, meine Damen und Herren, handelt gegen die Sicherheit des Landes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das ist der Grund dafür, dass wir, weil wir für die Sicherheit Österreichs eintreten und uns der Verpflichtung bewusst sind, weil wir auch in Zukunft Menschen, die Asyl brauchen, Asyl geben wollen, konsequent handeln und den Missbrauch des Asylrechtes abstellen müssen. Wegschauen gilt nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das ist die entscheidende Aufgabe von Politik: auch in schwierigen Fragen Linie zu halten und einen richtigen Kurs für das Land, für die Menschen und für die Sicherheit in Österreich zu gehen!
Was ist denn eigentlich die Ausgangslage? Ich denke, dass die Bürgerinnen und Bürger auch wissen sollen, warum wir diesen Schritt in einem breiten Konsens gehen und machen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)
Die Ausgangslage ist Folgende: Die Zahl der Asylsuchenden in Österreich sinkt – das stimmt –, im Jahr 2002 haben wir noch 39 354 Asylwerber gehabt, im vergangenen Jahr nur noch 24 634. Diese sinkende Zahl der Asylwerber, das ist meine Überzeugung, hängt übrigens auch mit der Erweiterung der Europäischen Union zusammen, die Erweiterung ist daher ein Sicherheitsgewinn für unser Land. Aber, meine Damen und Herren, wir können nicht nur die absoluten Zahlen, die sehr, sehr hoch sind, miteinander vergleichen, sondern wir müssen auch die Zahlen in der Relation sehen!
Österreich beispielsweise hat mit diesen rund 24 600 Asylwerbern einen Anteil von 8,5 Prozent aller Asylwerber in der Europäischen Union. Wir haben aber nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung. Allein daraus ersehen Sie, dass Österreich eigentlich einen überproportionalen Beitrag zur Lösung dieser Frage leistet. Es ist daher auch legitim, dass sich Österreich nicht nur selbst dieser Frage stellt und handelt, sondern auch auf europäischer Ebene die Frage der gemeinsamen europäischen Vorgangsweise thematisiert.
Noch plausibler, meine Damen und Herren, vor allem liebe Zuseherinnen und Zuseher, wird es wohl, wenn wir uns die Zahl der Asylwerber je tausend Einwohner ansehen. Wir haben in Österreich je tausend Einwohner drei Asylanträge. Jetzt erklären Sie mir, warum etwa beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland eine Relation je tausend Einwohner von 0,4 hat! Es kann doch niemand plausibel erklären, warum wir in Österreich einfach überproportional viele Asylwerber haben, während andere Länder eine andere Relation haben. Es ist doch geradezu unsere Aufgabenstellung, auf eine derartige Situation richtig zu reagieren – in Österreich und auf europäischer Ebene!
Die Grünen verstehe ich in dieser Frage überhaupt nicht, dass sie diese Bundesregierung kritisieren. Was ist denn dann der Grund dafür, dass eine rot-grüne Regierung, beispielsweise Schily, in Deutschland eine, wie ich sagen würde, sehr konsequente Politik macht, die immerhin genau zu diesem Ergebnis führt, das ich Ihnen jetzt geschildert habe? (Abg. Dr. Van der Bellen: Sind wir jetzt in Deutschland? Ich glaube, Sie verwechseln Wien mit Berlin!)
Ich sage Ihnen, Sie mit Ihrem Stimmverhalten, mit Ihrem heutigen Nein, und auch jene, die nicht mitstimmen, machen einen schweren Fehler, weil Sie nicht vordergründig die
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Interessen der Sicherheit des Landes im Auge haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Unglaublich!)
Meine Damen und Herren! Damit ist aber der Effekt verbunden, auch mit der Zahl, die ich Ihnen jetzt genannt habe, dass wir einen Rückstau bei den Verfahren haben. Das ist ein Problem, das müssen wir einfach offen ansprechen. Wir haben mit 31. Mai 37 674 offene Asylfälle. Es kann doch nicht im Interesse der Asylwerber liegen, meine Damen und Herren, weder im Interesse derjenigen, die einen positiven, noch im Interesse derjenigen, die einen negativen Bescheid bekommen, dass sie monatelang auf eine Entscheidung warten.
Es ist daher richtig, dass wir auch in diesem Bereich handeln und versuchen, mit diesem neuen Gesetzespaket eine entsprechende Beschleunigung der Verfahren zu erreichen.
Den Missbrauch des Asylrechtes, Frau Kollegin Stoisits, gibt es einfach. Ich habe mir die Mühe gemacht – und ich nehme an, Sie wissen das auch selbst ganz genau – und nachgeprüft: Es gibt eine Reihe von Fällen, und zwar sehr, sehr viele, die die jetzige, noch geltende Rechtslage des Asylrechtes dafür missbrauchen, illegalen Aufenthalt in Österreich einfach zu verlängern.
Beispiel: Eine Frau, die bereits drei Mal
rechtskräftig einen negativen Asylbescheid erhalten hat – drei Mal
rechtskräftig! –, erreicht nun kurz vor der Abschiebung, die auch
rechtskräftig ist und wo sogar das Zielland die Zustimmung gegeben, mit einem
vierten Asylantrag, dass sie nicht abgeschoben wird. Sie ist neuerlich im
Verfahren, es wird neuerlich keine Entscheidung herbeigeführt, und somit wird
der illegale Aufenthalt einfach verlängert. (Abg.
Murauer: Das kann es doch nicht
sein!)
Was ich nicht ganz verstehe: Ich hatte vor wenigen Wochen einmal den Eindruck, bei den Grünen gibt es eine Bewegung. Van der Bellen hat einmal gesagt: Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass es Asylmissbrauch gibt. – Was ist denn geschehen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben? Ich sage Ihnen noch einmal: Schauen Sie sich das an! Ich denke, wenn Sie heute dagegen stimmen, entscheiden Sie falsch.
Es gibt viele Beispiele dafür, ich könnte noch viele aufzählen, dass dieses Gesetz, das jetzt besteht, in einer meiner Meinung nach absolut missbräuchlichen Art und Weise ausgenutzt wird, um andere Ziele als Asyl zu erreichen. Das soll man einmal deutlich ansprechen, meine Damen und Herren! Wenn Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern reden und in Kontakt stehen, dann wird Ihnen doch zu Ohren kommen, dass etwa die Frage der Asylproblematik in manchen Fällen – ich verallgemeinere sicher nicht – selbstverständlich mit dem Problem der Straffälligkeit zusammenfällt. Ja, sollen wir einfach nur zuschauen, wenn uns die Menschen Beispiele dafür bringen, dass dieses Recht für Straftaten missbraucht wird? Sagen wir doch offen, wie die Realitäten sind!
Wir werden nicht zusehen, sondern wir werden handeln, weil für uns, meine Damen und Herren, und für die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land der Reformbedarf außer Streit steht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Bei dieser Diskussion sind für uns drei
Ziele im Vordergrund gestanden: Jeder Schutzbedürftige soll diesen Schutz
bekommen, Missbrauch muss, dort, wo nötig, auch mit strafrechtlichen Mitteln,
konsequent bekämpft werden, und die Verfahren müssen beschleunigt werden, den
Behörden müssen Durchsetzungsmechanismen in die Hand gegeben werden, dass die
Verfahrensbeschleunigung auch tatsächlich in die Realität umgesetzt
wird. – Das sind unsere Ziele, meine Damen und Herren! (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ganz selbstverständlich gelten für diese Bundesregierung der Maßstab der Menschenrechtskonformität und der Maßstab der Verfassungskonformität. Dieses Paket ist
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selbstverständlich menschenrechts- und verfassungskonform, und es trifft die richtige Balance, weil es eine richtige Entscheidung ist in einem, ja, Frau Stoisits, Spannungsfeld. Wir haben diese Balance richtig getroffen – im Interesse der Sicherheit des Landes auf der einen Seite und aus den selbstverständlich gegebenen menschenrechtlichen Verpflichtungen auf der anderen Seite heraus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Was sind die Schwerpunkte? – Ich erwähne nur einige, weil sie mir so wichtig sind.
Mit dem neuen Asylrecht ist etwa die Verfahrensbeschleunigung dadurch umgesetzt, dass wir die Asylwerber zur Mitwirkung verpflichten. Das war ein Teil des Problems der jetzigen Rechtslage, dass einfach niemand mitgemacht hat. Jetzt wird die Mitwirkung verpflichtend, und ein Verstoß wird durchaus auch mit gewissen Sanktionsmechanismen versehen. Ich halte das für das Natürlichste der Welt: Wer an einem Verfahren teilnimmt, ein bestimmtes Ziel hat, soll letztendlich auch einen Beitrag leisten.
Oder: die Frage der schnelleren Entscheidung bei straffällig gewordenen Asylwerbern. Die Fristen sind ganz klar definiert, drei Monate in den Instanzen. Das ist richtig, weil ich einfach nicht einsehe, dass jemand durch Straftaten eine Situation missbraucht, was der Sicherheit des Landes schadet.
Auch die Gebietsbeschränkung für Asylwerber halte ich für richtig; ebenso die Verhinderung des Untertauchens und die entsprechenden Maßnahmen dagegen.
Ich denke, dass auch bei der Traumatisierung eine ausgewogene Lösung gewählt worden ist. Selbstverständlich ist die Traumatisierung auch in Zukunft als Tatbestand im Gesetz verankert – sogar verbessert, das ist aus der Begutachtung eingebracht –, aber selbstverständlich soll eine Abschiebung auch im Bereich der Traumatisierung in Richtung Dublin möglich sein.
Ich halte auch die Möglichkeit der Verhängung der Schubhaft nach der Strafhaft für absolut richtig, weil ich ganz genau, wie Sie übrigens auch, weiß, dass in vielen Fällen einfach ein Asylantrag gestellt wurde, das Strafausmaß abgesessen worden ist und die Betreffenden dann untergetaucht sind, einfach in die Illegalität verschwunden sind.
Natürlich ist auch die Debatte um die Frage des Fremdenpolizeigesetzes eine notwendige, auch in Bezug auf die Frage Zwangsernährung/Heilbehandlung. Ich führe an dieser Stelle ganz klar die rechtliche Situation, die in der politischen Diskussion häufig nicht gesehen wird, aus:
Es gibt seit dem Jahr 1969 das
Strafvollzugsgesetz, das selbstverständlich auch für den Vollzug der Schubhaft
gilt, und im Fremdenpolizeigesetz ist eben die Heilbehandlung umgesetzt, damit
wir auch die Möglichkeit haben,
die Sicherheit zu gewährleisten und die Verhältnismäßigkeit abzusichern. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei Ministerin Prokop, bei Ministerin Miklautsch und bei den Verhandlungspartnern, auch bei den Sozialdemokraten: Wir haben mit diesem Paket ein großes Stück Arbeit geleistet – eine große politische Leistung und ein Sicherheitsgewinn für Österreich! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.37
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. 15 Minuten Redezeit. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.
10.37
Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ein
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Satz gleich zu
Beginn, Frau Kollegin Stoisits, bei
aller Wertschätzung: Die SPÖ ist keine angeblich antifaschistische Partei,
sondern sie ist eine
antifaschistische Partei, das hat sie in ihrer Geschichte bewiesen! (Beifall
bei der SPÖ.)
Wir verhandeln heute eine sehr sensible Materie. Die Frage des
Flüchtlingswesens, des Asylbereichs ist mit einer großen, international
anerkannten Tradition für Österreich verbunden. Ich erinnere in diesem
Zusammenhang nur an die Rolle Österreichs, beispielsweise, neben anderen
Fällen, im Jahr 1956, Ungarn-Aufstand, im Jahr 1968, ČSSR-Krise, im Jahr 1989, als
es darum gegangen ist, am Beginn des Zerfalls des Kommunismus DDR-Flüchtlinge,
die über Ungarn, über das Burgenland, mein Heimatbundesland, nach Österreich
gekommen sind, aufzunehmen – Österreich hat damals eine Rolle eingenommen,
die international anerkannt wurde –, bis ins Jahr 1991,
Jugoslawien-Krise, Jugoslawien-Krieg, als Österreich im internationalen
Vergleich und in Relation zu allen anderen europäischen Staaten eine sehr
positive Rolle eingenommen hat, auch, das möchte ich dazusagen, eine starke
Integrationsrolle eingenommen hat, wie man an den heutigen Zahlen erkennen
kann. (Abg. Dr. Van der Bellen:
Deswegen fahren sie alle zurück!)
Für die SPÖ als Partei mit einer starken humanistischen Tradition ist es
gerade auf Grund dieser Markierungen, die ich angesprochen habe, auch immer
klar gewesen, dass wir es für wichtig erachten, eine humane Flüchtlingspolitik
im Interesse der politisch Verfolgten, die nach Österreich kommen, auch im
Interesse derer, die aus humanitären Gründen nach Österreich kommen,
durchzuführen und auch daran mitzuwirken. Alles andere wäre eine Verkennung
der Rolle der SPÖ in ihrer historischen Tradition.
Es steht für die SPÖ daher auch als Oppositionspartei, Herr Kollege Van
der Bellen, außer Streit, dass wir versuchen, einen wichtigen und vernünftigen
Beitrag zu leisten, um eine humane, menschengerechte Gesetzgebung im
Asylbereich zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte es gleich am Beginn ansprechen: Wir haben daher, als es darum gegangen ist, ein neues Gesetz zu schaffen, um die Jahreswende, innerhalb der SPÖ klar festgelegt, dass wir ein neues Asylgesetz mit ausverhandeln wollen, dass wir einem neuen Asylgesetz den Stempel aufdrücken wollen, dass wir unsere Handschrift erkennen lassen wollen, wenn vier Eckpfeiler erfüllt sind:
Erstens – das ist das Wichtigste –: Ein gutes Asylgesetz muss rasche und effiziente Verfahren gewährleisten, unter der klaren Voraussetzung: Wer Anspruch auf Asyl hat, soll rasch wissen, dass er in Österreich bleiben kann; wer diesen Anspruch nicht hat, soll rasch wissen, dass er das Land verlassen muss.
Zweitens: Ein
modernes Asylgesetz muss natürlich allen Punkten der Flüchtlingskonvention von
Genf und den Menschenrechten entsprechen. (Abg.
Mandak: Das tut es aber nicht!)
Drittens: Ein effizientes, gutes Asylgesetz muss mit der österreichischen Bundesverfassung im Einklang stehen.
Viertens – auch das wurde schon angesprochen –: Ein gutes Asylgesetz darf auch nicht die Augen vor der Realität verschließen, muss daher Asylmissbrauch, den es in der Praxis gibt – Herr Kollege Van der Bellen, Sie haben das selbst vor einigen Wochen in der Öffentlichkeit gesagt –, hintanstellen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Eh, aber das soll man nicht verallgemeinern, und das tun Sie mit diesem Gesetz!) Und dass es Asylmissbrauch gibt, ist wohl unbestritten.
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Diese vier Prämissen waren die Verhandlungsgrundlage der SPÖ für dieses Gesetz, und wir haben keinen einzigen dieser vier Punkte verlassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das war ja auch nie bestritten!)
Ich sage heute hier ganz klar und deutlich: Wir verabschieden gemeinsam ein Paket, das einen humanen und fairen Umgang mit Asylwerbern und Flüchtlingen vorsieht, das gleichzeitig aber Missbrauch in den sensiblen Bereichen verhindert; das ist deutlich erkennbar. Ich bekenne mich daher persönlich zu dieser Beschlussfassung.
Aber ich muss kurz zurückblenden: Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen vor allem von der ÖVP, haben es uns nicht leicht gemacht. Ich sage Ihnen auch, warum.
Warum diskutieren wir diese Materie heute
überhaupt? – Weil ÖVP-Minister Strasser ein Asylgesetz zu verantworten
hatte, das vom Verfassungsgerichtshof in vielen sensiblen und wichtigen Punkten
aufgehoben wurde, und weil der gleiche Minister sich entschlossen hatte, nicht
die aufgehobenen Passagen zu reparieren, sondern ein neues Gesetz zu
erarbeiten. (Abg. Scheibner: Das war auch gescheit!)
Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt: Dieses neue, von Strasser vorgelegte Konvolut entsprach in keinem der Eckpunkte, die ich angesprochen habe, unseren Vorstellungen, weder im Bereich der Menschenrechte (Abg. Dr. Lopatka: Das ist eine Märchenstunde!) noch im Bereich der Flüchtlingskonvention noch im Bereich der Verfassungsmäßigkeit noch im Bereich der Steigerung der Effizienz der Verfahren.
Aber die SPÖ hatte zu diesem Zeitpunkt entschieden, dass sie in Verhandlungen eintreten möchte, weil sie für Asylwerber und für die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ein gutes Gesetz ausverhandeln wollte – nur deshalb sind wir in Verhandlungen eingetreten. Und ich kann guten Gewissens sagen: Das Verhandlungsergebnis, mit Ministerin Prokop – nicht mit Minister Strasser! – ausverhandelt, rechtfertigt diese Verhandlungsbereitschaft.
Auch da ein offenes Wort: Ich nehme Kritik zur Kenntnis und ernst, aber bei genauer inhaltlicher Betrachtung des heute zu verabschiedenden Gesetzes muss ich sagen, dass diese Kritik nicht standhält. (Beifall bei der SPÖ.)
Was ist der SPÖ gelungen, und was haben wir gemeinsam erreicht? – Erstens – und das steht über allen anderen Argumenten –: Es ist uns gelungen, dass es zu einer rascheren Abwicklung der Verfahren kommt. (Abg. Dr. Van der Bellen: Geh bitte!) Durch eine Aufstockung des Personals in der ersten Instanz – über 100 Personen, Herr Kollege Van der Bellen! (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist Ihr Verdienst? Das wollten wir alle!) – und eine Aufstockung in der zweiten Instanz mit bis zu 20 zusätzlichen Senatsmitgliedern und Richtern ist gewährleistet (Abg. Dr. Van der Bellen: Das fordert Stoisits seit Jahren!), dass jeder Asylwerber in Österreich rasch Bescheid bekommt, ob er in Österreich Asyl bekommt oder nicht. Das ist ein großer Verhandlungserfolg, denn das war in der ersten Regierungsvorlage nicht enthalten. Zu dem stehen wir, und zu dem stehen wir ganz offensiv. (Beifall bei der SPÖ.)
Damit werden sich viele Probleme auch lösen, sage ich ganz offen, denn wenn die Raschheit der Verfahren geklärt ist, dann wird es auch leichter sein, dafür zu sorgen, dass gewisse Missbräuche in diesem Bereich hintangestellt werden.
Der zweite
Punkt – das ist für mich unumstößlich –: Wir müssen zur Kenntnis nehmen –
auch das wurde vom Kollegen Molterer angesprochen –, dass Österreich im
Jahr zirka 25 000 bis 30 000 Asylanträge zu bearbeiten hat.
Deutschland hat mit einer zehnmal so großen Bevölkerungszahl maximal um
5 000 bis 6 000 Asylanträge mehr. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek:
Was hat das zu bedeuten, wie viele Asylanträge gestellt werden? Was haben Sie
damit für ein Problem?)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 43 |
Österreich hat eine Anerkennungsrate im
Asylbereich – ich habe die Tradition schon angesprochen – von
25 bis 30 Prozent, Deutschland eine zwischen 2 und 8 Prozent.
Die Slowakei, ein neues Mitglied der Europäischen Union, hat eine Anerkennungsrate
im Asylbereich von 0,09 Prozent. Auch deshalb sollte man mit Vehemenz
darangehen, auch hier im Hohen Haus und mit den Vertretern, die das auf
europäischer Ebene ermöglichen können, dafür zu sorgen, dass die
Asylgesetzgebung, dass das Asylrecht europäisiert wird. Das wäre eine
lohnenswerte Aufgabe für die ohnehin imagegeschädigte Europäische Union. (Beifall
bei der SPÖ.)
Es ist mir klar, es geht um eine grundsätzliche Debatte. Und es ist von meinen beiden Vorrednern, speziell von den Grünen, kein einziges Argument auf den Tisch gelegt worden, warum man diesem Gesetz nicht zustimmen kann. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Kein einziges Argument?) Es ist kein einziges Argument hier auf den Tisch gelegt worden. Ich möchte daher einige Punkte inhaltlich ansprechen.
Erstens: Es geht um rasche Verfahren, es geht um einen humanen Umgang mit Asylwerbern, es geht um die Bekämpfung des Asylmissbrauchs.
Die Regierung wollte ursprünglich –
ich betone: ursprünglich – keinerlei Verbesserungen bei der Personalsituation
im Asylbereich. Wir haben erreicht, dass es einen eigenen Asylgerichtshof geben
soll, dass jeder Asylwerber in Österreich rasch Klarheit hat, ob er Asyl
bekommt oder nicht. Bis zum Jahresende wird es diesen Asylgerichtshof geben. (Abg. Mag. Stoisits: Ja, sind wir auch dafür, aber wo ist es?) Das war
unsere wichtigste Forderung und ist der wichtigste Verhandlungserfolg der
Sozialdemokraten – im Sinne der Asylwerber. (Beifall bei der SPÖ.)
Zweiter Punkt – und in diesem Zusammenhang bitte ich um einen ehrlichen Umgang; ich weiß, dass diese Diskussion in den Medien anders geführt wird, vielleicht auch weiter geführt wird –: die Frage der so genannten Zwangsernährung.
Es soll mir jemand in diesem Haus zeigen,
welcher Paragraph des Fremdenpakets Zwangsernährung ermöglicht. (Abg. Mag. Stoisits: 78!) § 78 Absatz 6 – ich habe mich
damit beschäftigt – sagt klar und deutlich: Asylwerber, die einen
Abschiebungsbescheid schon in Händen haben, deren Rückkehrmöglichkeit in ein
Land, aus dem sie kommen, gegeben ist, können, wenn sie sich selbst Schaden
zufügen, in eine medizinische Abteilung einer Justizanstalt überführt werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)
Die Regierung hatte vor, mit dem § 69 im Strafgesetz Asylwerber, Schubhäftlinge mit Strafgefangenen gleichzustellen. Das wurde von der SPÖ herausverhandelt. Jeder, der hier Gegenteiliges behauptet, sagt die Unwahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin hier in guter Gesellschaft – nicht nur mit den Verfassungsrechtlern Öhlinger, Funk, Wegscheider, die wörtlich gesagt haben: Zwangsernährung ist in Österreich nicht möglich!, sondern auch mit dem Bundespräsidenten der Republik Österreich, Heinz Fischer, der gestern dezidiert festgestellt hat: Es gibt auf Grund dieses Gesetzes keine Möglichkeit, Schubhäftlinge zwangszuernähren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)
Zur Frage der Schubhaft – ich bin offensichtlich der Einzige, der sich auch mit den Inhalten auseinander setzt –: Der Regierungsentwurf war, die Schubhaft soll in Österreich endlos dauern. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sie können ja zustimmen, aber uns Seriosität abzusprechen bei ...!) Jetzt ist die Vorlage, die wir heute zu beschließen haben, so formuliert, dass Schubhaft bis zu zehn Monate dauern darf.
Ich gebe zu, uns wäre es lieber gewesen, einen kürzeren Zeitraum zu formulieren. Man muss aber sehen, dass nach dem Gesetz Schubhaft eigentlich nicht länger als zwei Monate dauern darf. Es gibt die klare Festlegung: Schubhaft darf nicht länger als zwei
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Monate dauern, nur in Ausnahmefällen sechs Monate und in Ausnahme-Ausnahmefällen zehn Monate. (Abg. Sburny: Ausnahme-Ausnahmefälle wie Zwangsernährung!) Ich glaube, dass es gerechtfertigt ist, dieser Regelung in dieser Form zuzustimmen.
Der Umgang mit traumatisierten Schubhäftlingen: Der Regierungsentwurf war folgendermaßen: Die Traumatisierung gilt nur, wenn sie schon im Flüchtlingsland passiert ist. – Wir konnten hineinverhandeln, dass Traumatisierung natürlich auch dann gilt, wenn sie auf der Flucht erfolgt ist. Das gilt zum Beispiel, Frau Kollegin Stoisits, logischerweise für vergewaltigte Frauen, das gilt für Menschen, die auf der Flucht Unvorstellbares erlebt haben.
Und ich stehe dazu: Wenn ein Facharzt – und das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen und in der öffentlichen Diskussion auch ehrlich so darstellen – feststellt, dass ein Asylwerber traumatisiert ist und dass durch diese Traumatisierung eine Abschiebung auch in ein sicheres Drittland nicht möglich ist, dann gibt es keine Abschiebung in ein sicheres Drittland! Ich würde bitten, dass wir in der Diskussion ehrlich miteinander umgehen. Das ist eindeutig so im Gesetz festgeschrieben, einer anderen Regelung hätte die SPÖ nie zugestimmt! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage noch etwas zum Gesetz (Zwischenruf des Abg. Brosz): Es war für uns nicht einfach, noch einmal gesagt, mit der Regierung dieses Paktum auszuverhandeln, weil die ÖVP versucht hat, in dieses Fremdenpaket mehrere Punkte hineinzuverhandeln, auch die Frage des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes beispielsweise.
Ich sage auch dazu ein offenes Wort: Wenn
die SPÖ hier nicht Verhandlungsstärke bewiesen hätte (Zwischenruf des Abg. Großruck),
dann hätte die ÖVP einfachgesetzlich mit dem Partner BZÖ oder FPÖ im Bereich
des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes Dinge beschließen können, die
beispielsweise dazu geführt hätten, in den §§ 60 und 62 des
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, dass Scheinselbständigkeit in
Österreich möglich gewesen wäre (neuerlicher
Zwischenruf des Abg. Brosz),
dass bis zu 40 000 zusätzliche Personen auf den österreichischen
Arbeitsmarkt gedrängt wären und über die Hintertür Lohndumping und Sozialabbau
stattgefunden hätten. Schon allein deshalb kann ich sagen, dass wir von der SPÖ
mit der Zustimmung zu diesem Gesetz einen guten und richtigen Schritt gesetzt
haben, weil wir dadurch sehr viele Grausamkeiten verhindern konnten. (Beifall
bei der SPÖ.)
Zum Schluss sei gesagt: UNHCR hat zwölf Punkte kritisiert – jetzt ist noch ein Punkt aufrecht. Das gebe ich zu: Ein Punkt ist noch aufrecht.
Die Caritas hat viele Punkte kritisiert. – Bis auf einen Punkt sind alle aus dem Gesetz herausverhandelt.
Das BKA, das Bundeskanzleramt, sein
Verfassungsdienst, hat 50 Verfassungswidrigkeiten im Gesetz festgestellt
oder zumindest Punkte, die verfassungsrechtlich bedenklich sind – jetzt
sind sie draußen. (Abg. Scheibner: Das waren alles Sie?!)
Ich hätte nie einem Gesetz zugestimmt, das
der Verfassung nicht entspricht. (Abg. Gaál: 50 Einwände!) Das ist
kein Schielen sozusagen auf den Boulevard und die Meinungen der Menschen, aber
ich fühle mich bestätigt, wenn 67 Prozent der Österreicherinnen und
Österreicher sagen (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen –
Abg. Scheibner: Das haben alles Sie
herausverhandelt? Man muss Ihnen gratulieren!), die Zustimmung der SPÖ zu
diesem Bereich ist richtig. Wir haben guten Gewissens entschieden, wir stehen
zu diesem Gesetz und stimmen daher auch zu. (Anhaltender Beifall bei der
SPÖ.)
10.52
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Ihre Redezeit beträgt 15 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 45 |
10.52
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Zuerst wende ich mich einmal an Frau Stoisits. Frau Stoisits, Sie beklagen sich darüber, dass die Meinung der Grünen nicht so sehr interessiert. Frau Abgeordnete Stoisits, erstens stimmt das nicht, und zweitens sollten Sie sich einmal fragen, warum eigentlich bei Ihnen dieser Eindruck entsteht. Allein die Tatsache, dass es ein Asylgesetz und ein Fremdengesetz gibt, ist für Sie schon Grund genug, alles als bedenklich zu sehen.
Sie wollen, dass jeder nach Österreich einreisen kann (Abg. Dr. Van der Bellen: Stimmt überhaupt nicht! Ist ja völliger Unsinn!), dass er sich ohne Rechtsgrund hier aufhalten kann, dass er ausreisen kann, dass er arbeiten kann. Das ist Ihre Intention. Sie wollen in Wirklichkeit überhaupt keine Regelung haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Das ist völliger Unsinn!) – Frau Abgeordnete Stoisits, das geht ja aus all Ihren Debattenbeiträgen hervor!
Da Sie meinen, der Missbrauchsvorwurf träfe diejenigen, die ein Rechtsmittel ergreifen – das ist ja Ihr Vorwurf –, möchte ich Ihnen jetzt kurz einen Fall schildern, auf Grund der kurzen Redezeit kann ich ihn nur gerafft bringen.
Ein angeblich algerischer Staatsbürger versucht im Februar 2004, über Italien illegal nach Österreich einzureisen – er wird nach Italien zurückgeschoben. Fünf Tage später: neuerliche Einreise aus Italien – er wurde in Innsbruck angehalten und in Schubhaft genommen wegen illegalen Aufenthaltes. Einen Monat später stellt er einen Asylantrag aus der Schubhaft, nach der Beratung durch eine Organisation. Er wird aus der Schubhaft entlassen wegen des Asylantrages. Noch in der Schubhaft hat er sich den Mund mit einem Draht zugenäht und ist in den Hungerstreik getreten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Im März 2004, also einen Monat später, bekommt er mehrere Anzeigen: Diebstahl, Körperverletzung, absichtliche schwere Körperverletzung, versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Geldfälschung, Suchtmitteldelikte. Im Juli stellt sich heraus, dass er schon in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat. Daraufhin wird er nach Italien überstellt. Er kommt wieder nach Österreich zurück, wird wieder aufgegriffen, es wird wieder die Schubhaft verhängt, und so geht das weiter. – Und dann reden Sie davon, dass wir sagen, Missbrauch bestehe schon darin, dass jemand ein Rechtsmittel ergreift!?
Viele – ich würde nicht sagen alle, aber viele (Abg. Brosz: „Viele“ nähen sich den Mund zu!) – missbrauchen ganz einfach unsere Gesetze, und da ist eben Handlungsbedarf gegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann heute eigentlich von einem Sieg der Vernunft sprechen (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek), denn fast alle Abgeordneten des Nationalrates werden diesem Gesetz zustimmen. Auf die SPÖ wird sicher durch die Wahlen ein gewisser Druck ausgeübt, sodass man sich besonnen hat und doch zustimmen wird, aber im Großen und Ganzen weiß natürlich jeder – das haben ja auch schon meine Vorredner gesagt, außer Frau Stoisits –, dass es in Österreich einen enormen Asylmissbrauch gibt. Jeder hier weiß, dass viele Menschen, die nach Österreich kommen, keine Gründe nach der Genfer Konvention haben, sondern ganz einfach hier einwandern wollen. Sie wollen sich hier sesshaft machen und wollen hier Aufenthalt finden.
Da hat sich ja ein ganz dramatisches Szenario herausgebildet. Es geht nicht nur darum, dass jemand ein Rechtsmittel gegen eine Berufung ergreift – Frau Abgeordnete, das müssten Sie doch endlich auch einmal einsehen –, sondern da ist das Schlepperunwesen, das wirklich ganz groß agiert, um Asylanten nach Österreich zu bringen. Da gibt es so genannte Asylwerber, die ihre Papiere wegwerfen, damit man die Identität nicht mehr feststellen kann. Dann gibt es welche, die gar kein Interesse an
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der Beendigung oder Fortführung ihres Asylverfahrens haben, weil sie untertauchen – 5 000 sind es ungefähr im Jahr. Dann gibt es welche, die immer wieder neue Fluchtgründe vorbringen, wenn ein abweisender Bescheid vorhanden ist, um das Verfahren zu verlängern. Weiters gibt es den Asyltourismus: nicht im ersten Land, in das man kommt, stellt man den Asylantrag, nein, man sucht sich das Land aus, in dem es offensichtlich am günstigsten ist.
Seit wir die Traumatisierung eingeführt haben, im Jahr 2003, behaupten 30 Prozent der Asylwerber, dass sie traumatisiert sind. Die Zahl dieser Behauptungen hat sprunghaft zugenommen!
Und dann gibt es noch diejenigen, die nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel mit einem abweisenden Bescheid in Schubhaft sind, abgeschoben werden sollen, aber sich aus der Schubhaft freipressen und hoffen, dass sie damit nicht mehr in Gewahrsam sind und in Österreich bleiben können.
Das sind
Missstände, und mit diesen müssen wir uns befassen, und als Politiker haben wir
die Aufgabe, dem gegenzusteuern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der
ÖVP.)
Natürlich – das gebe ich auch zu – sind es wahrscheinlich in jedem Fall tragische Umstände, die jemanden dazu bringen, nach Österreich zu kommen, außer wenn es um die organisierte Kriminalität geht, die ja bei den Drogendealern sehr stark im Hintergrund steht. Sonst sind es sicher sehr tragische Umstände. Aber wir können nicht mit unserem Asylrecht die Armut in der gesamten Welt bekämpfen, da müssen andere Instrumentarien her, da muss die Entwicklungshilfe einsetzen, europaweit, weltweit. Da muss es Maßnahmen geben, die wirklich in dem jeweiligen Land greifen. Wir können nicht die Türen öffnen und sagen: Kommt alle zu uns, wir werden euch schon aus eurer Armut befreien! – So geht es ganz einfach nicht!
Wie gesagt, diese
Missbräuche sind evident. Interessanterweise leugnen allerdings die Grünen
diese Missbräuche, die NGOs leugnen diese Missbräuche ebenfalls teilweise. Sie
wollen glauben machen, dass bei uns nur jemand ansucht, der wirklich verfolgt
ist, dass er dann, wenn wir ihn zurückschieben, der Folter ausgeliefert ist,
der Todesstrafe und so weiter. Aber, wie gesagt, so ist es nicht! Ein Großteil,
der hierher kommt, ist nicht verfolgt, sondern möchte nur seine Lebensgrundlage
verbessern. Es ist sein gutes Recht, dass er es versucht, aber unser gutes
Recht ist es, dass wir ihm klarmachen, dass das ganz einfach nicht geht. Wer
zu uns kommt, muss nach den Einwanderungsgesetzen einwandern, und
Asylmissbrauch wird strengstens geahndet. (Beifall bei den Freiheitlichen
und der ÖVP.)
Ganz empörend
finde ich ja, dass jemand, der über die Missbräuche spricht und Maßnahmen
verlangt, dann von Frau Stoisits, von den Grünen und von den NGOs an den
Pranger gestellt wird. (Abg. Öllinger: Sie Ärmste!) Wir sind
dann die Unmenschen, wir sind dann diejenigen, die die Menschenrechte
missachten. Das stimmt doch überhaupt nicht, sondern wir sind diejenigen, die den
Rechtsstaat achten. (Abg. Öllinger: Ja, ja!)
Gott sei Dank hat ja die SPÖ eine Kehrtwendung vorgenommen. Ich habe schon erwähnt, Druck ist natürlich dadurch entstanden, dass im Herbst Wahlen anstehen, in der Steiermark, im Burgenland, aber insbesondere in Wien. Und Herr Bürgermeister Häupl weiß natürlich ganz genau, dass die Aufnahmekapazität in Wien und auch die Annahmewilligkeit der Österreicher erschöpft sind und dass Handlungsbedarf gegeben ist. So ist jetzt die Sinnesänderung der SPÖ zu verstehen. Das muss man sich schon klarmachen, denn im Grunde genommen gehören ja auch Sie zu jenen, die immer alles schönreden wollen und jede Maßnahme, die wir gesetzt haben, verdammt haben.
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Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren,
für uns und für mich ist wichtig, dass wir auch die Interessen jener vertreten,
die mit der Situation befasst sind, die beispielsweise tagtäglich mit
Drogendealern konfrontiert sind, von denen sich herausstellt, dass sie zum
Großteil Asylwerber sind. Im Jahre 2004 sind 2 400 wegen Drogenhandel
festgenommen worden, davon sage und schreibe 98 Prozent Asylwerber. Das
sind nicht Asylanten, die hier sein wollen und hier ihr Asylverfahren abwarten,
sondern das sind diejenigen, die von der organisierten Kriminalität nach
Österreich geschickt werden und denen der Asylantrag die Möglichkeit gibt,
sich hier aufzuhalten. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den
Vorsitz.)
Das sind eben viele, die nicht nur das Asylrecht, sondern auch das Gastrecht missbrauchen. Wir brauchen keine kriminellen Asylwerber! Wir müssen gegen die kriminellen Asylwerber entschieden vorgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wir hatten im Jahre 2002 39 354 Asylwerber in Österreich, 2003 32 359, 2004 ist die Zahl, auch auf Grund des neuen Gesetzes, auf 24 634 gesunken. Man muss schon auch den Staatsbürgern sagen, welche Kosten damit verbunden sind: Im Monat kostet die Bundesbetreuung rund 20 Millionen €. Das müssen ja die Österreicher aufbringen. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, diejenigen gut zu versorgen, deren Asylverfahren schnell abzuwickeln, die wirklich verfolgt sind, aber denjenigen, die missbräuchlich unser Asylrecht in Anspruch nehmen, einen schnellen Weg zu zeigen, wie sie wieder in ihr Heimatland oder in das Land, wo sie den ersten Asylantrag gestellt haben, zurückkommen.
Und dem dienen eben verschiedene Instrumentarien im neuen Gesetz, wie beispielsweise das schnelle Zulassungsverfahren. Innerhalb von 20 Tagen soll abgeklärt werden, wer hat eine Chance auf ein Asylverfahren und wer ist nur da, ohne dass Gründe vorhanden sind.
Wir haben die Schubhaft deshalb verlängert, um eben abzuklären, woher jemand, der nicht an der Identitätsfeststellung mitwirkt, kommt. Wir haben auch das Dublin-Verfahren gesichert. Dublin-Verfahren heißt, dort, wo der erste Asylantrag gestellt wird, muss auch das Asylverfahren durchgeführt werden. Es wird auch bei Traumatisierten das Dublin-Verfahren gelten, nur wird eben untersucht, ob jemand transportfähig ist. Wenn festgestellt worden ist, dass es jemandem trotz Traumatisierung möglich ist zu reisen, dann kommt er in den Dublin-Staat.
Wir haben auch die so genannte
Gebietsbeschränkung vorgenommen, das heißt, während des Zulassungsverfahrens
darf der Asylwerber sich nur in einem bestimmten Bereich der
Bezirkshauptmannschaft aufhalten und nicht woanders. Wir wollen damit die
Drogenreisen verhindern, die von Traiskirchen aus nach Wien erfolgen. Das ist
etwas, was ganz einfach nicht hingenommen werden kann und wo wir von der Bevölkerung
ununterbrochen aufgefordert werden, zu handeln und das nicht anstehen zu
lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir haben jetzt auch die so genannte Zwangsernährung in das Gesetz aufgenommen. Das heißt, wenn jemand versucht, sich freizupressen, damit er der Schubhaft entkommt, dann wird er überstellt in eine Justizanstalt, in das Inquisitenspital, und von dort kann er dann in ein Krankenhaus überstellt werden.
Warum in den letzten Tagen nur noch über die Zwangsernährung gesprochen worden ist, das ist mir eigentlich überhaupt nicht klar. Es ist doch völlig einsichtig, dass sich der Rechtsstaat nicht erpressen lassen kann. Wenn Sie eine Verkehrsstrafe erhalten, wenn Sie eine Steuerstrafe zu verbüßen haben und Sie zahlen nicht, dann kommen Sie in Verwaltungshaft, und dann möchte ich wissen, ob es da möglich ist, sich freizupressen. – Nein, es ist nicht möglich, und es tut auch niemand! Aber es hat sich
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eingebürgert, dass sich immerhin 1 000 Schubhäftlinge im vergangenen Jahr freigepresst haben. Und dass man dagegen etwas tun muss, das liegt doch eigentlich auf der Hand.
Wenn Herr Abgeordneter Darabos gesagt hat,
es gibt keine Zwangsernährung, dann meine ich, da machen Sie nichts anderes als
eine Selbsthypnose, denn Sie suggerieren Ihren Abgeordneten, damit sie
zustimmen, händeringend bitten Sie, doch zur Kenntnis zu nehmen, dass es die
Zwangsernährung in Wirklichkeit nicht gibt. (Abg. Schieder: Vorlesen!)
Herr Abgeordneter Darabos, wesentlich für ein funktionierendes Asylsystem ist nicht, was die SPÖ-Führung ihren Abgeordneten suggeriert, sondern es ist wesentlich, was im Gesetz steht, und im Gesetz steht, dass unter bestimmten Umständen die Zwangsernährung durchgeführt werden kann. Und wir bekennen uns dazu. (Weitere Rufe bei der SPÖ: Vorlesen!) Wissen Sie, es ist ja auch paradox, denn da gibt es ja auch einen Widerspruch. Herr Bundespräsident Fischer möchte von jedem Fall erfahren, und Sie wollen es leugnen. Schauen Sie, Sie können sich in die eigene Tasche lügen, das ist mir eigentlich völlig egal, wir haben das Gesetz, wir haben das wirklich durchgesetzt.
Ich kann Sie ja schon wieder beruhigen. Wir haben im Ausschuss auch den Verfassungsexperten Raschauer gehabt. Er hat gesagt, „nach Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention sei ein Staat verpflichtet, Personen, die in seinem Gewahrsam sind, am Leben zu erhalten“. Irgendetwas muss er machen, es geht nur um die Frage: wie. Und bitte ja nicht romantisch träumen von „die Alternative heißt Freilassen“, denn Freilassen ist keine Alternative, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss sich ändern, und das wird sich auch ändern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Herr Posch ist ja heute daheim geblieben. Aber da sieht man ja, welche Kräfte in der SPÖ wirklich wirken. Herr Posch hat sich ja schon dagegen gewehrt, dass die Schubhaft verlängert wird, er hat sich gegen die Gebietsbeschränkung gewehrt, er hat sich selbstverständlich auch gegen die Zwangsernährung gewehrt. Aber, wie gesagt, wir werden Missbräuche nicht mehr zulassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bekenne mich dazu, Österreich wird weiterhin ein Asylland bleiben für diejenigen, die echt verfolgt sind, die Gründe nach der Genfer Konvention haben, aber Österreich wird sich sicher nicht den Missbrauch, der bisher geherrscht hat und nicht genügend bekämpft worden ist, gefallen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
11.08
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Prokop. 15 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Bundesministerin.
11.08
Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Regierungskollegin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Bei meiner Antrittsrede am 22. Dezember vorigen Jahres habe ich zwei große Schwerpunkte, die die Sicherheit unseres Landes betreffen, definiert. Das, was in dieser Legislaturperiode geschehen sollte und geschehen muss, war zum einen die Schaffung einer modernen, einheitlichen Polizei und zum Zweiten eines wirkungsvollen und zugleich menschlichen Asylsystems, eingebettet in einen entsprechenden fremdenpolizeilichen Rahmen.
Wir haben uns sehr bemüht, diese Themen der Sicherheit auf möglichst breiter Basis zu diskutieren, und es wird jetzt an uns liegen, diese Themen auch möglichst breit umzusetzen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 49 |
Vor einer Woche ist die neue Polizei Realität geworden. Es ist die größte Modernisierung in der Geschichte der Exekutive, und heute sollen ein neues Asylgesetz, ein neues Fremdenpolizeigesetz, ein neues Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz durch den Nationalrat verabschiedet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dieses Gesetz ist nicht, wie wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten in den Medien vernehmen konnten, im „stillen Kämmerlein“ entstanden, sondern ist auf breiter Basis diskutiert worden, und es ist auch kein theoretisches Gesetz und Konzept. Wir haben ganz bewusst sehr breit in alle Abläufe all jene Bereiche eingebunden, die mit dem Vollzug betraut sind, die den Vollzug genau kennen und analysiert haben.
Wir haben eine Reihe von Praktikern, auch NGOs, in diese Diskussion eingebunden und Verbesserungsvorschläge erhalten. Wir haben hervorragende Rechtsexperten laufend kontaktiert, und schließlich haben wir in einer großen, auch sehr offenen Diskussion mit den Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien versucht, dieses Thema aufzuarbeiten und zu einem Gesetz zu machen, das auch breiten Konsens findet.
Ich freue mich über diesen breiten Konsens. Ich halte das für eine notwendige Maßnahme. Vor allem haben wir in der notwendigen Zielsetzung im Bereich Asyl und Migration deutlich gesehen, dass es quer durch die Parteien und Organisationen, quer durch die Expertenreihen Konsens gibt. Dieser Konsens lautet einfach: Hilfe, wo es um Hilfe geht, Stopp dort, wo es um Missbrauch geht – und es gibt Missbrauch, Herr Abgeordneter Van der Bellen; wir verallgemeinern das nicht, aber es gibt Missbrauch –, und Strafe, wo es um Kriminalität geht. Und auf diesem Konsens baut das Gesetz auf.
Zum Ersten wollen wir möglichst menschliche Rahmenbedingungen schaffen, und da sind noch viele Maßnahmen notwendig. Vor allem möchte ich auch betonen: Eine Schubhaft kein „Häf´n“, sondern wir werden versuchen, Rückführungszentren so zu installieren, dass sie menschlich sind. (Beifall bei der ÖVP.) Es geht auch darum, dass wir rasch Hilfe geben.
Der zweite Punkt, der ganz wichtig ist, ist, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern eine möglichst hohe Sicherheit bieten können, dort, wo es um Missbrauch geht, dort, wo es auch um kriminelle Handlungen durch Schlepper oder andere Kriminelle geht. Aber wir wollen und wir müssen auch rascher jene Missbräuche durch solche Menschen abstellen, die Asyl auch als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge missbrauchen.
Ganz, ganz wichtig ist, dass wir wirksame Maßnahmen und Verfahren für jene Asylwerber entwickeln, die straffällig werden. Wir hatten allein im vergangenen Jahr 12 000 Tatverdächtige, die auch um Asyl angesucht haben.
Ich danke allen, die diesen Konsens mit erarbeitet haben: aus sicherheitspolitischer Notwendigkeit, aber auch um der Menschlichkeit zu dienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich weiß, dass es für eine große Oppositionspartei nicht leicht ist, hier mitzugehen. Aber ich sage danke für diese wirklich wichtige Diskussion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist genau das, was die Menschen von uns, von der Politik erwarten, dass wir in grundlegenden Fragen gemeinsam Lösungen suchen und sie letztlich auch finden. Dieser parteiübergreifende Konsens ist auch eine Bestätigung dafür, dass wir mit Sorgfalt an die Sache herangegangen sind, um das Ziel in diesem neuen Gesetz, eine Übereinstimmung mit Verfassungsrecht, Menschenrecht und Völkerrecht, zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solange es Juristinnen und Juristen gibt, wird es gerade in sensiblen Bereichen auch unterschiedliche juristische Meinungen geben.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 50 |
Und da ist die Verantwortung der Politik gefragt, mit besonderer Sorgfalt und unter Abwägung all dieser Meinungen Entscheidungen zu treffen. Das ist unsere Aufgabe. Und wir werden nunmehr dann im Vollzug mit sehr viel Sensibilität, aber auch Transparenz darauf achten, dass das auch entsprechend vollzogen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Diese Aufgabe hatten wir in diesem Paket Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Das ist meiner Meinung nach das umfassendste Gesetzeswerk, das es zu dieser Materie je gegeben hat. Daher glaube ich auch, Frau Abgeordnete Stoisits, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass wir all diese Themen zusammenfassen, denn wir haben in der Diskussion mit den Parteien, mit den NGOs, den Kirchen und Interessensvertretern gesehen, dass das ineinander fließt, dass wir da richtig liegen und dass diese Bereiche wie Zahnräder ineinander greifen. Sie können daher auch nur gemeinsam zufrieden stellend geregelt werden.
Wir brauchen klare Bestimmungen, unter welcher Voraussetzung Fremden Aufenthalt und Niederlassung in Österreich gewährt wird und sie dazu berechtigt sind. Wir brauchen aber auch – und das ist ganz wichtig – eine verbesserte Integration, da insbesondere bei der Sprache, und das wird in der Integrationsvereinbarung auch kommen. Wir brauchen eine möglichst gute und zügige Integration jener Zuwanderer, die legal und dauerhaft in Österreich sind und sein werden.
Da diese Materien so eng miteinander in Verbindung stehen, ist es umso wichtiger, auch eine inhaltliche Unterscheidung zwischen Asyl und Migration zu treffen. Wer diese beiden Bereiche inhaltlich vermischt, der schadet jenen, die wirklich Hilfe vor Verfolgung brauchen, und schadet auch dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir haben versucht, diese Trennung zwischen Asyl, Schutz für Verfolgte, Migration und weltweiter Wanderbewegung aus den verschiedensten Gründen von Nicht-Schutzbedürftigen auch wirklich genau zu beachten. In Hinkunft werden wir versuchen, zwei Ziele zu erreichen: zum einen die wirklich große Tradition der Hilfsbereitschaft in unserem Lande – wir haben das immer wieder unter Beweis gestellt, und es wird weiterhin genauso möglich sein –, zum Zweiten die Erfüllung der berechtigten Sicherheitsinteressen unserer Bürgerinnen und Bürger.
Österreich leistet heute schon Gewaltiges; es sind schon Zahlen genannt worden. Derzeit sind es jährlich rund 28 000 Menschen, die gemeinsam mit den Ländern, mit den NGOs in Österreich betreut werden. Die Statistik des UNHCR zeigt auch, dass Österreich mit drei Asylwerbern pro 1 000 Einwohner weltweit absolut im Spitzenfeld liegt.
Es ist mir daher wirklich gerade auch am heutigen Tag ein vom Herzen kommendes Bedürfnis, den Österreicherinnen und Österreichern für ihre Hilfsbereitschaft, aber auch für ihre Bereitschaft, Fremde aufzunehmen, zu danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Umso mehr ist es auch ein Anliegen, den Menschen in unserem Lande Hilfe oder Schutz vor Missbräuchen des Asyl- und Fremdenrechtes zu geben, denn das ist die logische Konsequenz aus der Bereitschaft der Österreicher.
Abschließend möchte ich allen danken, die diesen Weg der Menschlichkeit und der Sicherheit mitgegangen sind: den beteiligten hochrangigen Rechtsexperten, den Praktikern, den Praktikern aus dem NGO-Bereich, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung – es haben da viele Ministerien zusammengearbeitet. Last but not least möchte ich den Politikerinnen und Politikern der verschiedenen Parteien in diesem Haus ein ganz herzliches Danke sagen. Es war eine konstruktive, manchmal eine sehr
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harte, aber sehr intensive Diskussion, die wir über lange Strecken geführt haben; aber ich habe das für sehr wichtig gehalten.
Ich hoffe nunmehr, dass wir bei der Umsetzung dieses Gesetzes diesen breiten Weg des Konsenses auch in Zukunft gehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.18
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abgeordnete der Grünen halten Tafeln mit Bildern ehemaliger Flüchtlinge in die Höhe.)
11.18
Abgeordnete
Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der
grüne Klub zeigt Ihnen jetzt deswegen noch einmal diese Bilder, weil sie ein
ganz, ganz wichtiges Prinzip in Demokratien beschreiben, nämlich dass man
Verfolgten Schutz gewährt – ein antifaschistisches Prinzip,
übrigens das antifaschistische Prinzip. (Abg. Neudeck: Das
haben wir ja weiter vor! – Zwischenrufe des Abg. Scheibner.)
Diese Menschen haben in anderen Ländern Schutz gefunden. Wir sollten diesen Ländern dankbar sein – und wir sollten diese Tradition als Basis für solche Gesetze, wie wir sie heute beschließen, nehmen, nicht aber andere Prinzipien. (Beifall bei den Grünen.)
Von Seiten der ÖVP, vom Klubobmann der ÖVP war heute zu hören, es sei das ein guter Tag für die österreichische Sicherheit. Wenn man so ein Bild verwendet, es geht hier um die österreichische Sicherheit, kann ich nicht folgen. (Abg. Neudeck: Wann war denn das, dass diese Leute geflohen sind? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ich meine, wenn man über Sicherheitsinteressen debattiert, dann habe ich im Hintergrund im Kopf: Diskussion über Abfangjäger, Diskussion über militärische Bedrohungen, Kriminalität, aber ich habe nicht im Kopf Menschen, die vor Verfolgung geschützt werden wollen und deswegen nach Österreich kommen. (Beifall bei den Grünen.)
Herr Klubobmann Molterer, Sie haben heute
gesagt: Wer gegen dieses Gesetz ist, wer dieses Gesetz heute nicht
mitbeschließt, ist gegen die Sicherheit Österreichs. (Rufe bei der ÖVP:
Genau!) – Das ist eine beispiellose Verdrehung und Verwirrung,
beispiellos, weil Sie als Hintergrund, als Grundprinzip dieses Asylrechts,
dieses Fremdenpaketes (Abg. Dr. Brinek: Verdrehen und
vereinfachen!), das Bild haben, dass Menschen, die vor Verfolgung geschützt
werden wollen und deswegen nach Österreich kommen, per se kriminell seien. Und
das ist zutiefst verwerflich und einer christlichen Partei nicht würdig! (Beifall
bei den Grünen. – Abg. Großruck: Sie vergleichen das demokratische
Österreich mit dem Nazi-Regime?!)
Wer heute für dieses Gesetz stimmt, nimmt in Kauf, dass Menschen, die unter Umständen Asylgründe nicht im richtigen Moment vorbringen können, abgeschoben werden können und letztendlich vor der Frage Leben oder Tod stehen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Mein Gott!) Das nehmen Sie mit diesem Gesetz in Kauf! Und die Tradition, die Sie hier so sehr loben, die Tradition von 1956, 1968, der siebziger Jahre, die hat Österreich einmal gehabt im Bereich Flüchtlingshilfe, aber diese Tradition ist spätestens mit dem heutigen Tag beendet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ellmauer: Völlig falsch! Schauen Sie sich doch die Zahlen an!)
Frau Innenministerin, Sie sprechen von „Flüchtlingsströmen“, von denen Österreich überschwemmt werde Wissen Sie wirklich, was Flüchtlingsströme sind? – Diese folgen auf Ereignisse in afrikanischen Ländern beispielsweise, die nichts haben – Darfour
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zum Beispiel –, die wirklich von Hunderttausenden von Flüchtlingen umgeben sind und die mit dem fertig werden müssen, aber nicht ein reiches Land wie Österreich. Da verwechseln Sie völlig die Tatsachen!
Ich möchte noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Warum ist überhaupt eine Reparatur des Gesetzes notwendig gewesen? – Weil der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, das Gesetz ist in wesentlichen Punkten verfassungswidrig. Dieses Ihr Paket bedeutet eine drakonische Verschärfung des gesamten Bereiches Asyl, Menschenrechte, Fremdenpolizeirecht, aber auch Grundrechte von Österreicherinnen und Österreichern. Es geht auf einmal um mehr Polizei, um Strafen, um drakonische Strafen, um Kriminalisierung, um Kriminalisierung jedes Österreichers/jeder Österreicherin, die mit ausländischen Staatsbürgern zu tun haben.
Und noch einmal das Beispiel: Bis 1989 sind
Menschen, die Nicht-Österreichern bei der Flucht aus ihrem Land geholfen haben,
noch vom Landeshauptmann mit Ehrenurkunden ausgezeichnet worden. – Mit
diesem Gesetz werden sie mit Tagsätzen, mit Straftagsätzen bis zu einem Jahr
bestraft, kriminalisiert. (Abg. Mag. Molterer schüttelt
verneinend den Kopf.)
Sie, Herr Klubobmann Molterer, brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln! Der Geist dieses Gesetzes ist geprägt von dem Unterschied zwischen Mensch und Mensch, den wir in Europa schon einmal hatten, einen Unterschied zwischen Mensch und Mensch, zwischen Kindern.
Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Zwei Kinder, die beide in Österreich geboren sind; der eine heißt Anton, der andere heißt Ali. Stichwort: jedes Kind ist gleich viel wert: Beide kommen in die Pubertät, beide kommen in die „wilden“ Jahre; schwierige Burschen, ja, sie werden beide straffällig. Was passiert mit Ali? Was passiert mit Anton? – Ali kommt vielleicht zurück in die Türkei, wo er noch nie gewesen ist, in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht, und Anton wird in die österreichische Gesellschaft re-integriert.
Ist das nicht ein Unterschied zwischen Mensch und Mensch, den niemand mehr verstehen kann? Können Sie das in irgendeiner Weise verantworten?! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja keine Asylangelegenheit! Und Kriminelle haben wir selber genug!)
Frau Partik-Pablé, ein anderes Beispiel,
das sich in diesem Gesetz findet. Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor,
Sie sind eine bosnische Frau, Sie haben sexuelle Gewalt erlebt und müssen das
in Österreich in erster Instanz alles nachweisen, alles vorbringen. Sie kommen
in diesen Raum und wissen: Wenn ich es jetzt nicht sage, habe ich keine Chance
mehr, Asyl zu bekommen. Sie sitzen drinnen, und Sie müssen dann einem Mann
erklären, was Ihnen passiert ist. Sie haben kein Recht auf eine Frau als
Dolmetscherin in Ihrer Sprache, die das übersetzt, was Ihnen passiert ist. Wie
können Sie das vertreten? Können Sie sich in solche Frauen
hineinversetzen? – Ich glaube nicht! (Beifall bei den Grünen. –
Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das stimmt ja nicht! Nicht einmal das stimmt! – Abg. Scheibner:
Sie lesen das Gesetz nicht!)
Das ist nach wie vor im Gesetz drinnen. Lesen Sie die Stellungnahmen von „amnesty“ und so weiter!
Ein anderes Beispiel. Wir reden von Traumatisierten und Folteropfern. Wissen Sie, was traumatisierte Menschen sind? Wissen Sie, was Menschen passiert, die traumatisiert sind? – Das sind Kinder, das sind Jugendliche, das sind erwachsene Männer und Frauen, die Schreckliches mitansehen mussten, zum Beispiel die Erschießung ihrer Familie, zum Beispiel die Vergewaltigung ihrer Tochter, die so etwas mitansehen mussten. Diese Menschen haben ein Trauma, diese Menschen tragen etwas unglaublich Schweres mit sich herum. Und dafür hat es eine Schutzklausel gegeben in dem
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Asylrecht, das bis jetzt gegolten hat. Diese Schutzklausel wird abgeschafft. Diese Menschen, Traumatisierte und Folteropfer, unterliegen keinem besonderen Schutz mehr. Wie können Sie das verantworten, Frau Partik-Pablé?! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie reden lauter Blödsinn! Das ist falsch, was Sie sagen! Lesen Sie das Gesetz! Sie waren in keinem Ausschuss, Sie haben das Gesetz nicht gelesen!) Nein, das sind alles Beispiele! Das ist nicht falsch! (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte Ihnen noch ein paar Beispiele bringen. Kollege Molterer hat gesagt, dieses Gesetz sei garantiert konform mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Das haben Sie das letzte Mal auch gesagt. Sie haben gesagt: Wir garantieren dafür, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist! Wer soll Ihnen noch glauben, Herr Kollege Molterer?! (Beifall bei den Grünen.)
Ein ganz simpler Vergleich: der Begriff „Verfolgung“
in der Genfer Flüchtlingskonvention – und jetzt in dem neuen Gesetz.
Stellen Sie sich vor, Herr Kollege Molterer, Sie sind ein freiheitsliebender und demokratiebewusster Kurde und wollen in Österreich dagegen auftreten, dass Ihre Bevölkerungsgruppe dort unterdrückt wird, ihre Sprache nicht sprechen kann, und Sie werden hier in Österreich aktiv, um Ihrer Verwandtschaft, Ihrer Familie, Ihren Volksgruppenangehörigen im Iran, im Irak, in Syrien und in der Türkei zu helfen. Sie werden hier aktiv und müssen deswegen, wenn Sie zurückkehren nach Syrien, Iran, Irak, Türkei, mit Verfolgung rechnen. (Abg. Großruck: Sie werden nie Parteiobfrau werden!) Das wird nicht mehr als Flüchtlingsgrund anerkannt. Sie können dort hinfahren und sich direkt ins Gefängnis setzen, vielleicht sogar der Todesstrafe ausgesetzt sein. Das verantworten Sie mit diesem Gesetz! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Aber warum haben Sie dem alten, guten Asylgesetz nicht zugestimmt?)
Die Schutzklausel für Traumatisierte und Folteropfer. – Sie wissen, was mit diesen Menschen passiert, wenn sie in Schubhaft sind? Wie kann man jemanden, der Schreckliches erlebt hat, in eine Einzelzelle stecken, wenn er dann vielleicht in einen Hungerstreik tritt? Und das Beispiel, das Sie genannt haben, das Beispiel des Menschen, der sich mit einem Draht den Mund zunäht, wo Sie geradezu anklagend sagen: Wie kann jemand so etwas machen? Wie kann uns jemand so etwas antun, dass er den Rechtsstaat erpresst? Sie fragen sich nicht, warum ein Mensch sich selber so was antut, was einem solchen Menschen widerfahren sein muss, dass er zu solchen Mitteln greift, zu solchen verzweifelten Mitteln greift, dass er so etwas tut! Fragen Sie sich das nicht? Was haben Sie dort, wo andere Menschen Mitgefühl haben?! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Fragen Sie einmal das Opfer von dem! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie nehmen einen Vergewaltiger in Schutz!)
Zwangsernährung. – Wem soll man glauben? Die FPÖ sagt, Zwangsernährung ist explizit im Gesetz geregelt, die SPÖ sagt: definitiv nicht. § 78 Abs. 6 mit Verweis auf das Fremdenpolizeigesetz und so weiter und so fort. Und jetzt möchte ich Sie eines fragen. Wie stellen Sie sich das vor? Das ist eine äußerst blutige, unangenehme Angelegenheit, jemandem, der sich wehrt, über die Nase eine Magensonde einzuführen. Was glauben Sie, wie das in unseren Justizanstalten ablaufen wird? Glauben Sie tatsächlich, das geht ohne Unfälle, ohne Zwischenfälle, ohne Todesfälle über die Bühne? Es wird wohlweislich in ganz Europa nirgendwo gemacht – nirgendwo!
In anderen Ländern war man entsetzt darüber, dass das in Österreich ernsthaft diskutiert wird, bei Menschen, die nichts getan haben, die sich von uns nur dadurch unterscheiden, dass sie nicht österreichischer Staatsbürger sind. Die haben gegen kein Gesetz verstoßen, sind nicht kriminell geworden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Illegal eingewandert! Kriminell!), sondern sie sollen abgeschoben werden. Sie sind keine Kriminellen, das ist etwas anderes. Und gegen diese Menschen wollen Sie solche
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drakonischen, brutalen Maßnahmen verhängen?! Ich finde das letztklassig, und ich finde, das ist genau der Unterschied, den es in Europa nie wieder geben darf, nämlich den Unterschied zwischen Mensch und Mensch, nur weil jemand nicht etwas in der Tasche hat, was wir in der Tasche haben, nämlich den österreichischen Reisepass. (Beifall bei den Grünen.)
Nun noch an die SPÖ gerichtet, deren Reihen jetzt leer sind. SPÖ-Chef Gusenbauer hat gesagt, die Schubhaft zu einer Dauereinrichtung zu machen, sodass die Möglichkeit besteht, dass jeder Asylwerber während der gesamten Dauer des Asylverfahrens im Gefängnis sitze, ohne dass er sich etwas zu Schulden habe kommen lassen, sei mit dem Grundrecht nicht vereinbar und nicht akzeptabel. Das Ministerium müsse sich bewegen.
Ich hätte dem Kollegen Darabos, der heute im „NEWS“ sagt, er müsse jetzt durch ein „Stahlbad“ gehen, gewünscht, dass er vor den Verhandlungen durch ein Stahlbad gegangen wäre – und nicht, ohne irgendeinen nachweislichen Verhandlungserfolg, in einem so ungeheuer sensiblen Bereich umzufallen!
Und ein Letztes noch. Kommentatoren haben vermutet, die SPÖ mache das, um hier eine Imagekorrektur, eine strategische Neupositionierung im Bereich Sicherheit vorzunehmen. Ich finde, der Bereich Grundrechte, Menschenrechte, Asylverfahren ist für eine Neupositionierung der völlig falsche Ort. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)
11.28
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kößl. Auch für Sie, Herr Abgeordneter, 10 Minuten Redezeit. – Bitte.
11.28
Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister für Inneres! Frau Bundesminister für Justiz! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe mir jetzt erwartet, dass einige Argumente kommen, warum die Grünen diesem Gesetz nicht zustimmen. – Es sind jedoch keine Argumente gekommen. (Abg. Mag. Stoisits: Haben Sie nicht zugehört?) Das, was gekommen ist, war nicht richtig.
Ich beginne bei Frau Kollegin Stoisits, die gesagt hat, Kinder kämen in Schubhaft! Da ist sie nicht richtig informiert. Sie weiß ganz genau, dass es seit Jahren einen Erlass gibt, dass Kinder nicht in Schubhaft genommen werden dürfen! Das wird also nicht gemacht.
Das Nächste ist, dass Frau Kollegin
Glawischnig erklärt hat, Frauen würden von Männern befragt. (Abg. Mag. Stoisits:
Es gibt keine weiblichen Dolmetscher!) – Das ist ebenfalls nicht
richtig! Man weiß ganz genau, dass Frauen von Frauen befragt und einvernommen
werden. (Abg. Mag. Stoisits: Ja, und von Männern gedolmetscht!
Das ist die Realität! Waren Sie schon einmal beim Bundesasylamt? –
Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Ich bitte Sie: Zeigen Sie nochmals die Bilder, die Sie jetzt in Händen haben, denn kein einziger der da abgebildeten Menschen ist irgendwo und irgendwann einmal kriminell geworden! Heute aber ist es erforderlich, ein neues Asylgesetz zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... verstehen nur etwas von der Polizei, sonst nichts! – Abg. Mag. Stoisits: Kein Wunder! Er ist ja auch der Sicherheitssprecher – und nicht der Menschenrechtssprecher!)
Geschätzte Damen und Herren, klar ist – ich glaube, davon können wir alle ausgehen; Frau Kollegin Partik hat es bereits erwähnt –: Für die Bevölkerung ist es in keiner Weise verständlich, wenn wir nicht gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, straffällige Asylwerber außer Landes zu bringen beziehungsweise
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Maßnahmen zu setzen, dass Missbrauch und natürlich auch solche Straftaten verhindert werden.
Es ist den Menschen nicht erklärlich, dass die Täter, die Postler in Wien überfallen haben, nach zahlreichen Straftaten – obwohl sie natürlich auch verurteilt worden sind – immer noch in Österreich waren und weitere Straftaten setzen konnten. Das kann man niemandem erklären!
Ich habe mich vergangenen Sommer in Traiskirchen überzeugen können bei einem Kaufmann, der erklärt hat: Es ist für uns unverständlich, dass Asylwerber jeden Tag zu uns kommen und bei uns Ladendiebstähle durchführen. Das wird angezeigt, die Exekutive kommt, holt sie – und am nächsten Tag sind sie wieder da.
Genau das sind die Fälle, die es erforderlich machen, heute in Österreich ein neues Asylgesetz zu beschließen.
Das sind keine Einzelfälle! Es sind Hunderte, es sind Tausende derartige Fälle, und die Bevölkerung sieht nicht ein, dass Österreich diesen Leuten nicht nur Hilfeleistung zukommen lässt, sondern dass ihre Gastfreundschaft von diesen Menschen rigoros missbraucht wird.
Wenn wir dieses Geld einsetzen für all jene, die tatsächlich der Hilfe bedürfen, die tatsächlich einen Asylgrund vorbringen, dass sie in unserem Land rasch und unverzüglich zu ihrer Rechtssicherheit kommen, dann hat es Sinn. Aber es hat keinen Sinn, Geld auszugeben für Asylwerber, die unsere Gastfreundschaft missbrauchen und kriminelle Handlungen in unserem Lande setzen.
Geschätzte Damen und Herren! Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 wird heute ein wesentlicher Schwerpunkt im Sicherheitsbereich gesetzt. Diesem Gesetzesvorhaben sind intensive Diskussionen, Verhandlungen, Besprechungen und Sitzungen vorausgegangen, und ich freue mich wirklich, dass es diese Gesetzesvorlage gibt und diese einen breiten Konsens gefunden hat.
Ich möchte von dieser Stelle aus allen Danke sagen, die einen konstruktiven Beitrag zum Zustandekommen dieses Asylgesetzes geleistet haben. Mein besonderer Dank gilt der Frau Innenministerin und ihrem Team: Sie haben da eine großartige Leistung erbracht! – Und es ist ja schon angeklungen, dass es eine Reform ist, die es im Innenressort wahrscheinlich noch nie gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)
Der erzielte Konsens ist außerdem sehr erfreulich, weil es sich gerade beim Asylbereich um eine sehr heikle und komplexe Materie handelt, um eine Materie, die auch in der Bevölkerung mit sehr vielen Emotionen verbunden ist.
Österreich bleibt auch mit dem neuen Asylgesetz eine Insel der Menschlichkeit in allen Belangen, und ich glaube, dass es in keiner Weise einen Grund dafür gibt, dieses Gesetz anzuzweifeln: weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach der Menschenrechtskonvention oder nach unserer Bundesverfassung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Es ist heute auch schon gesagt worden, dass Österreich bezogen auf seine Bevölkerungszahl, was Asylanträge angeht, europaweit führend ist. 24 600 Personen haben im Jahre 2004 in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt, rund 28 000 Personen befinden sich in der Grundversorgung. Hier möchte ich auch den Bundesländern ein herzliches Dankeschön sagen, die auf Grund der Artikel 15a-Vereinbarung einen wesentlichen Beitrag für die Versorgung dieser Menschen leisten.
Tatsache ist aber auch, dass Österreich ein sehr humanes und tolerantes Asylgesetz hat und immer bemüht war und immer bemüht sein wird, bei Veränderungen alle
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Verantwortungsträger mit einzubinden. Auch das ist bei diesem neuen Asylgesetz geschehen.
Es ist aber natürlich klar, dass auf Grund unserer geographischen Situation und auf Grund des sehr humanen Asylgesetzes auch viele Probleme auf uns zugekommen sind. Daher ist es auch erforderlich, verschiedene Veränderungen vorzunehmen – und nicht nur wegen des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses. Ich möchte auch klarstellen, dass der Verfassungsgerichtshof nicht das Gesetz aufgehoben hat – 95 Prozent des Asylgesetzes 2003 sind bestätigt worden –, sondern das Asylgesetz nur in drei Punkten beeinsprucht wurde, und das muss natürlich fristgerecht behoben werden.
Aber eines ist auch klar: Die Verfahren dauern nach wie vor zu lange; da muss eine Änderung vorgenommen werden. Es ist immer wieder vorgekommen, ja es kommt tagtäglich vor, dass Asylwerber, die bereits in Erfahrung gebracht haben, dass es einen negativen Bescheid gibt, untertauchen, sodass das Asylverfahren verzögert wird. Auch das muss durch das neue Gesetz unterbunden werden. Es ist nach wie vor in einigen Bereichen dem Asylmissbrauch Tür und Tor geöffnet, und da sind eben entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Viele kommen – das habe ich bereits erwähnt –unter dem Deckmantel Asyl in unser Land, und in der Folge kommt es zu kriminellen Machenschaften. Diese Art von Kriminalität muss konsequent und mit Nachdruck bekämpft werden!
Zusammenfassend möchte ich festhalten: Ziel dieses neuen Asylgesetzes ist die Beschleunigung der Verfahren, die Verhinderung von Missbrauch und das konsequente Vorgehen gegen straffällige Asylwerber. Ich glaube – das möchte ich abschließend noch einmal betonen – , dass dieses Asylgesetz wirklich ein Gesetzeskonvolut ist, wo die Menschlichkeit im Vordergrund steht, wo der Asylwerber im Vordergrund steht, der tatsächlich Hilfe braucht, der unsere Unterstützung braucht – aber keinesfalls Asylwerber, die kriminelle Handlungen in Österreich gesetzt haben oder nach Österreich kommen, um kriminelle Handlungen zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.37
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Parnigoni. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.
11.37
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Asyl-Problematik ist in unserer Gesellschaft eine ganz offensichtliche. Und damit es zu keinen Geschichtsfälschungen kommt, darf ich nochmals an einige Dinge in diesem Zusammenhang erinnern.
Erstens hat diese Regierung – noch unter Innenminister Strasser – trotz massiver Bedenken ein völlig vermurkstes Asylgesetz durchgedrückt, das vom Verfassungsgerichtshof, wie wir ja wissen, aufgehoben wurde. – Das ist übrigens eines der traurigen Beispiele für die Inkompetenz dieser Regierung. Und deshalb, Herr Klubobmann Molterer, ist Ihre Aussage, dass diese Regierung nur richtige Politik mache, einfach falsch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Warum geht die SPÖ dann mit? Warum schwenkt die SPÖ dann auf Regierungslinie?)
Aber nicht genug damit, meine Damen und Herren: Diese Regierung hat durch ihre kurzsichtige Personalpolitik – trotz massiver Bedenken der SPÖ bei jeder Budgetdebatte – nicht genügend Beamte beim Bundesasylamt und beim UBAS bereitgestellt. Daher war es auch nicht möglich, die Verfahren rasch und fair abzuwickeln, was ja eigentlich im Sinne aller Asylwerber gewesen wäre.
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Zum Zweiten: Es ist natürlich nicht zu
leugnen, meine Damen und Herren, dass in vielen Fällen auch die Zahl jener
Menschen angestiegen ist, die Asyl für sich reklamieren, obwohl ihnen kein
solches zusteht. Auf Grund dieser widrigen Verhältnisse in der Asylpolitik und
durch gewisse Strukturen der organisierten Kriminalität, die da entstanden
sind, ist auch die Kriminalität in der Gruppe der Asylwerber gestiegen, wobei
die widrigen Lebensumstände dieser Menschen dies oftmals geradezu erzwungen
haben. Das ist ein Faktum, meine Damen und Herren, an dem niemand vorbeikommt,
und dieser Umstand hat in den letzten Jahren die Beunruhigung innerhalb der Bevölkerung
mehr und mehr ansteigen lassen.
Zum Dritten: Derzeit haben wir rund 28 000 offene Asylverfahren. Das sind, Hohes Haus, aber auch 28 000 Menschenschicksale, ungewisse Menschenschicksale, und diese Situation machen sich leider auch kriminelle Organisationen zunutze, sodass die Gefahr einer fremdenfeindlichen Stimmung in der Bevölkerung wächst. Und das, meine Damen und Herren, gilt es unbedingt zu verhindern, und zwar nicht nur durch Worte, sondern auch durch entsprechende Maßnahmen.
Auf Grund dieses Debakels – Erkennntis des Verfassungsgerichtshofes – musste die Regierung nachsitzen. Und statt einer Reparatur wurde ein neues Gesetz entwickelt, weil das alte offensichtlich nicht mehr reparabel war.
Allerdings war unsere Enttäuschung groß,
als Sie, Frau Innenministerin, den ersten Entwurf vorgelegt haben. Der
Aufschrei bei den NGOs, beim UNHCR war vollkommen berechtigt, und wir von der SPÖ
konnten ja mehr als 40 – übrigens der Verfassungsdienst des BKA
auch – Verfassungsverletzungen nachweisen. (Abg. Dr. Spindelegger: Zuerst
waren es gerade noch 50!)
In dieser schwierigen Ausgangssituation hat sich die SPÖ im Sinne der österreichischen Staatsbürger, aber auch im Sinne der Asylwerber dazu entschlossen, in Verhandlungen mit der Regierung einzutreten, um einen neuen und vernünftigeren Gesetzestext zu erreichen.
Uns ging es um vier Punkte, die ich jetzt nochmals klarstellen möchte: Die SPÖ wollte ein Gesetz, das auf eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren abzielt. Es musste zum Zweiten auch eine brauchbare Grundlage zur Bekämpfung des Asylmissbrauchs erreicht werden. Zum Dritten muss das Gesetz grundrechtskonform sein und den Menschenrechten entsprechen und vor allem – viertens – auch unserer Verfassung. – Diese Vorgaben konnten nach monatelangen Verhandlungen letztendlich erfüllt werden.
Hohes Haus! Wir haben verantwortungsbewusst gehandelt. Andere, Herr Professor Van der Bellen, vornehmlich die Grünen, haben sich von vornherein auf eine Rolle der Besserwisser und der unkonstruktiven Kritiker festgelegt. (Abg. Scheibner: Dass ihr das einmal merkt!) Das ist die Rolle, die Sie selbst gewählt haben – und Ihre Taferldemonstration hat das ja eigentlich bewiesen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Weil Sie vergessen haben, wie das zugegangen ist!) Sie hätten lieber in Kauf genommen, meine Damen und Herren, dass alles so geblieben wäre, wie es in diesem Regierungsentwurf vorgeschlagen war: mit all den Verfassungswidrigkeiten und den Verschärfungen. Das war für uns keine Lösung! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! In diese wesentliche Materie nicht einzugreifen und dann vielleicht von einer etwas abgehobenen Warte aus das Ergebnis zu bekritteln, war nicht Auftrag und auch nicht Sache des SPÖ-Verhandlungsteams. Wir haben im Vergleich zu den Regierungsvorstellungen ein besseres, ein menschlicheres, ein gerechteres Gesetz erreicht.
Hohes Haus! Ich will nicht verhehlen, dass wir eine andere Vorgangsweise gewählt hätten, dass wir es anders versucht hätten, aber wir standen vor der Alternative, das
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hinzunehmen – oder Verbesserungen zu versuchen. Lange Zeit hat es ja so ausgesehen, als ob eine konkrete Verbesserung etwa bei der Personalsituation in den Asylinstitutionen nicht möglich wäre. Aber schlussendlich haben unsere Argumente doch gegriffen.
Ich darf daran erinnern, dass ich bei einem Besuch in Deutschland vor wenigen Tagen in Gesprächen erfahren habe, dass dort Mitte der neunziger Jahre ein Rückstau von 480 000 unerledigten Asylanträgen vorhanden war und dass dieser Rückstau durch eben solche Maßnahmen wie Aufstockung des Personals in den Institutionen in wenigen Jahren abgebaut werden konnte und in Deutschland heute die Frage des Asyls, die Asylproblematik kein tagespolitisches Thema ist.
Daher ist es ein Faktum, dass wir eine Aufstockung des unabhängigen Asylsenates um bis zu 20 unbefristete Richter erreichen konnten. Damit wird es zu einem schnelleren Abbau der etwa 28 000 offenen Verfahren kommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ganz wesentlich ist uns aber auch die politische Vereinbarung, wodurch das Bundesasylamt, also die erste Instanz, um etwa 120 BeamtInnen aufgestockt wird, mit deren Hilfe es möglich sein wird, die Verfahren viel schneller, effizienter und trotzdem mit hoher Rechtsqualität abzuwickeln.
Hätten wir so wie Sie von den Grünen nichts getan, dann hätten wir in Kauf genommen, dass etwa die Schubhaft endlos gedauert hätte. (Abg. Mag. Stoisits: Sechs Monate ...!) So haben wir in den Verhandlungen zumindest erreicht, dass die Schubhaft grundsätzlich nicht länger als zwei Monate dauern darf.
Hohes Haus! Hätten wir den Erstentwurf zur Kenntnis genommen und wie andere die Hände in den Schoß gelegt, dann wäre es zu einer generellen Abschiebung traumatisierter Asylwerber gekommen, wenn ein anderes Land erstzuständig ist. – Durch Verhandlungen haben wir erwirkt, dass es keine generelle Abschiebung traumatisierter Asylwerber gibt.
Jene, die uns so scharf kritisiert haben, hätten durch ihre Kooperationsverweigerung gröbliche Verstöße gegen das Grundrecht auf Datenschutz hingenommen. Durch das besondere Engagement der Sozialdemokraten konnte im Datenschutzrat einstimmig, auch mit den Stimmen der Grünen, eine Empfehlung beschlossen werden, die jetzt in einem Gesetz umgesetzt ist.
Meine Damen und Herren, wäre alles so
geblieben, wie die Regierung es wollte, wäre Zwangsernährung für
hungerstreikende Asylwerber möglich gewesen ‑ eine Gleichstellung mit
Strafgefangenen. – Nach intensiven Verhandlungen ist Zwangsernährung gegen
den Willen von Asylwerbern nicht möglich, und das hat auch der
Herr Bundespräsident unmissverständlich klargestellt. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek:
... auf jeden Fall informiert werden will?) Und, liebe Frau
Partik-Pablé, der Bundespräsident hat sich zu Recht ausgebeten, dass, wenn ein
Fall von Gesetzesbruch in diesem Bereich bekannt wird, ihm das unverzüglich zu
melden ist. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Hat er nicht
gesagt!)
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Alleine anhand dieser punktuell genannten Veränderungen steht fest, dass die beiden Ministerinnen nicht immer Recht gehabt haben. Sie haben nämlich gemeint, es habe sich nichts geändert. Da stellt sich aber dann die Frage: Warum haben Sie nach dem Erstentwurf einen völlig neuen Regierungsentwurf im Parlament eingebracht? Warum hat es dann nach dem Expertenhearing und nach weiteren langen Verhandlungen einen Dutzend Seiten langen Abänderungsantrag gegeben? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Man kann es verbessern!) Warum hat es 15 Ausschussfeststellungen gegeben, die heute zum Beschluss vorliegen? – Ganz einfach, meine Damen hinter mir auf der Regierungsbank: Sie müssen
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wider
besseres Wissen behaupten, es habe sich wenig geändert, damit Ihr zerbröckelnder,
chamäleon-artiger Koalitionspartner sein Gesicht nicht verliert. (Ironische Heiterkeit des Abg. Scheibner. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jetzt hat er so angenehm
geredet – und jetzt so ein Ende!)
Meine Damen und Herren! Die SPÖ hat es sich
nicht leicht gemacht – da werden Sie mir zustimmen –, und das konnte
man ja in den Medien in den letzten Tagen sehr deutlich
nachvollziehen. (Abg. Scheibner: ... erst durch den
Bürgermeister Häupl in den letzten zwei Tagen! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Meine Damen und Herren! Schöne und pietätvolle Worte (Abg. Scheibner: Wer hat denn verhandelt: der Häupl oder der Darabos? – Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen) sind natürlich immer sympathisch. Wir haben uns aber dazu entschlossen, mitzugestalten, weil für uns das Schicksal der betroffenen Menschen wichtig ist und weil wir im Interesse der Bevölkerung unseres Landes handeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
11.48
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Fauland zu Wort. Herr Abgeordneter, auch für Sie 10 Minuten Redezeit. – Bitte.
11.48
Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Parnigoni, es freut mich ja, dass Sie sich Sorgen machen über unseren innerparteilichen Zustand, aber ich kann Sie beruhigen: Es ist alles im Lot, und es funktioniert alles bestens (ironische Heiterkeit der Abgeordneten Gaál und Mag. Gaßner – Abg. Dr. Niederwieser: „Bestens“?!), wogegen ich bei Ihrer Partei derzeit nicht so ganz diesen Eindruck gewinnen kann, angesichts des Sinneswandels, den Sie da jetzt vollzogen haben: vom vormaligen Gegner des Asylgesetzes zum jetzt schon fast „Retter“ des Asylgesetzes, wie Sie sich hier darstellen, als ob Sie das jetzt im Sinne der Österreicher und Österreicherinnen gerettet hätten! – Ganz so ist es nicht, denn die Eckpfeiler wurden nicht verrückt, und die Eckpfeiler sind immer die Tragsäulen eines Gesetzes! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Weiters von
dieser Stelle aus auch die besten Genesungswünsche an die Kollegen, die heute nicht
anwesend sind, denn es dürfte ja gestern in der Klubsitzung eine
Epidemie ausgebrochen sein und ein Virus sozusagen die Runde gemacht haben.
Wenn man hier in die leeren Reihen der SPÖ blickt, dann muss man zu dem Schluss
kommen, dass dies ja nur auf den Gesundheitszustand zurückzuführen sein kann,
weil Sie ja doch so eine geschlossene Partei darstellen! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Frau Kollegin Glawischnig, Sie haben hier Bilder sehr honoriger Personen auf Ihre Taferl hinaufgeklebt, wobei ich aber schon eine leichte Irritation verspüre, denn Sie wollen doch nicht wirklich jetzt diesen Personen unterstellen, Asylmissbrauch betrieben zu haben? Dieses Gesetz zielt nämlich ganz genau auf diese Leute ab: Diejenigen, die Asyl benötigen, werden es auch bekommen, und vor jenen Leuten, die Asylmissbrauch betreiben, wollen wir uns schützen. – Daher ist das äußerst unverständlich!
Ich will mich auch thematisch noch ein bisschen mit Ihren Ausführungen auseinander setzen, was ja bei Ihrer Rede doch nicht sehr einfach ist. Sie haben hier behauptet, dass Österreich das einzige Land sei, das über Zwangsernährung nachdenkt (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Nicht „nachdenkt“, das sie tatsächlich ...!) oder Zwangsernährung einführt. – Das ist nicht ganz der Fall, denn in zahlreichen europäischen Ländern gibt es diese Möglichkeit, etwa in Deutschland (Abg. Mag. Stoisits: Nein! Das
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ist falsch!) – da ist es aber länderspezifisch –, in Belgien, Norwegen, Ungarn, England, Dänemark, Portugal und Spanien. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... in Deutschland ist das jemals getan worden?) – Aber ich lasse mich dann sehr gerne auch eines Besseren belehren.
Kommen wir jetzt aber zum wirklichen Thema, nämlich zum Asylgesetz. – Im Jahre 2003 wurde ein Asylgesetz durch den Nationalrat gebracht, das herzeigbar war, aber das als Hauptzielsetzung die Abwehr der explodierenden Zahl an Asylwerbern hatte. Wenn wir uns jetzt einmal vergleichsmäßig damit auseinandersetzen, so möchte ich, was die Zahlen betrifft, ein bisschen weiter zurückgehen, weil uns ja immer vorgeworfen wird, dass gerade unter Schwarz-Blau die Anzahl der Asylwerber so ins Immense gestiegen ist. Das hat aber ganz sicher nichts mit der Regierung zu tun, denn mit jemandem, der als Asylwerber nach Österreich kommt, muss man zuerst einmal sprechen; man kann nicht von Haus aus sagen, man nimmt das nicht zur Kenntnis.
Wenn man sich die Zahlen anschaut: In den achtziger Jahren waren wir bei etwa 9 000. Wir hatten dann 1990 aus Gründen, die ja jedem bekannt sein sollten – Jugoslawien-Krise –, einen Anstieg auf 22 000, haben dann den Zenit im Jahre 2002 mit fast 40 000 erreicht, 2003 waren es 32 000, und im Jahre 2004, als das Asylgesetz 2003 seine ersten Wirkungen zeigte, reduzierte sich diese Zahl auf 24 600. – Über die Zahlen – es gibt unterschiedliche – kann man streiten, aber sie sind sicher ein Anhaltspunkt.
Wenn man sich aber einmal – Kollege Parnigoni hat das angesprochen, aber, wie eben auch sonst manchmal, nicht ganz präzise – die noch offenen Asylanträge anschaut, so haben wir noch auf das Asylgesetz 1997 zurückgehend – und daran sieht man, wie lange Asylverfahren derzeit noch dauern – mit Stand vom 31. Mai 2002 noch 23 000 offene Asylanträge, und vom Asylgesetz 2003 über 12 000. Das heißt, wir sprechen von fast 35 000 offenen Fällen.
Wenn man sich jedoch anschaut, was 2004 im Vergleich dazu erledigt wurde, so stellt man fest, dass 26 000 Zurückweisungen, 4 000 Zurückschiebungen, 6 000 Ausweisungen, 5 000 Abschiebungen erfolgten und 9 000 Aufenthaltsverbote ausgesprochen wurden. – So viel zu diesem Vergleich.
Was das Gesetz 2003 betrifft, so wurden – es wurde schon angesprochen – 95 Prozent bestätigt, 5 Prozent beziehungsweise drei Punkte wurden vom Verfassungsgerichtshof hinterfragt. Das hat uns dazu geführt, zu überlegen: Soll man jetzt diese 5 Prozent reparieren, oder soll man nicht auf Grund der Schwächen, die trotz allem im Gesetz 2003 erkannt wurden, ein neues Gesetz machen? – Die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, ein neues, noch zielgerichteteres Gesetz zu entwerfen, und zu guter Letzt, nach dem Meinungsumschwung der SPÖ, wird es auch von den Sozialdemokraten mitgetragen.
Gerade wir Freiheitlichen sehen es doch als unsere Hauptaufgabe an, als gewählte Mandatare der österreichischen Bevölkerung auch die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten. Es ist hinlänglich bekannt und wurde heute auch schon angemerkt, dass die Interessen der Österreicher, was das Asyl betrifft, ganz klar definiert sind. Es gibt die Asylproblematik in der Bevölkerung, die Umfragen sind ganz klar: Die Österreicher sehen sich in gewisser Weise bedroht durch die Asylproblematik. Deswegen ist es an uns, diese Problematik in den Griff zu bekommen. Das wird sich mit diesem neuen Gesetz auch ermöglichen lassen. Es wird das ein Ende oder eine Einschränkung des Asyl-Tourismus und auch ein Ende des Asyl-Missbrauchs nach sich ziehen – und das sind wir auch unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
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Mit der Verbesserung der Treffsicherheit werden wir dann auch einen strengen, restriktiven und funktionierenden Vollzug haben. Dies ist auch vonnöten, denn die Zahlen sprechen für sich, und aus diesem Grund wird es zu einer Verbesserung kommen müssen. Gerade was die Traumatisierung betrifft, stellt man fest, wenn man sich die Dublin-Verfahren anschaut, dass alleine im Jahre 2005 bei 30 Prozent aller abgegeben Anträge eine anzunehmende Traumatisierung angegeben wurde und 35 Prozent der Antragsteller dann sogar noch untergetaucht sind. Daran sieht man, dass wir dieser Lage derzeit noch nicht Herr sind.
Ich möchte abschließend noch auf ein paar Details dieses Asylgesetzes eingehen, die aus unserer Sicht gut gelungen und auch sehr wichtig sind.
Der erste Punkt ist die Verbesserung im Bereich der Integrationsvereinbarung. Die Integrationsvereinbarung war im Jahre 2002 eine Forderung der Freiheitlichen, die 2003 dann auch umgesetzt wurde, und sie hatte zur Folge, dass Asylwerbende, die nach Österreich kommen, sich auch mit der österreichischen Sprache auseinander zu setzen hatten. Man geht jetzt auf Grund der positiven Erfahrungen dazu über, das noch auszubauen. Es kommt zu einem modularen Aufbau in zwei Teilen. Im ersten Teil wird dem Asylwerber einmal das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache näher gebracht. Er soll den Status A2 erreichen, das heißt, dass er sich mit der deutschen Sprache kommunikativ in Österreich bewegen kann.
Der zweite Teil, der aus meiner Sicht noch viel wichtiger ist, ist eine Einführung in den Bereich der Staatsbürgerschaftskunde, ein Kennenlernen der österreichischen Kultur, denn nur das bietet die Möglichkeit, solche Leute dann langfristig auch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich glaube, dass die Erhöhung der Stundenanzahl von 100 auf 300 sehr zielführend ist und dass sich auch diese Integrationsverpflichtung dann bewähren wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Zusammenfassend und abschließend möchte ich noch anmerken, dass es natürlich nicht nur österreichische Gesetze sind, die zu berücksichtigen sind. Wir unterliegen im europäischen Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention, wir unterliegen den Richtlinien, die die Europäische Union ausgibt, wir unterliegen der Genfer Flüchtlingskonvention und natürlich auch unserem eigenen Verfassungsrecht.
Der nationale Spielraum ist auf Grund dieser Fülle von Gesetzesmaterien natürlich eingeschränkt; das muss man auch berücksichtigen. Man kann nicht alles haben, was man sich als Österreicher wünscht, denn der Gesamtrahmen des Ganzen ist eben zu beachten.
Unter Bedachtnahme auf und vor allem in Kenntnis all dieser Materien ist es uns aus unserer Sicht trotzdem gelungen, ein treffsicheres und den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher gerecht werdendes Gesetz zu schaffen. Es wird dazu beitragen, dass wir den Asylmissbrauch massiv einschränken, nur all jenen Asyl bieten, die es tatsächlich brauchen – und all jene, die es missbrauchen, auch langfristig daran hindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Österreich ist und bleibt aus unserer Sicht kein Einwanderungsland. Das heißt aber nicht, dass wir uns gegenüber Asylwerbern, die es wirklich benötigen, verschließen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
11.58
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch zu Wort. Frau Bundesministerin, auch für Sie 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.
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11.58
Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungskollegen! Sehr geehrte Damen und Herren des hohen Nationalrates! Für mich ist es heute hier auf der Regierungsbank ein ganz besonderer Tag, nämlich deswegen, weil wir hier heute ein neues Fremdenrechtspaket beschließen werden, das einerseits vom Grundgedanken des Schutzes von Verfolgten nach der Genfer Flüchtlingskonvention geprägt ist, aber auf der anderen Seite auch mit aller Härte gegen Missbrauch des Systems und gegen Kriminalität vorgehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die Regierung zeigt auch da wieder, dass wir mit aller Konsequenz für dieses Land und seine Menschen arbeiten – und dies immer tun wollen. Es wurde hier schon mehrfach, sowohl von Herrn Abgeordnetem Molterer als auch von den Grünen angesprochen, dass Österreich ein Asylland mit Tradition ist. – Das ist richtig! Wenn wir uns die Zahlen ansehen: In Österreich wurden seit dem Jahre 1945 zirka 2 Millionen Menschen als Flüchtlinge aufgenommen; 700 000 davon sind in Österreich geblieben.
Dieses Gesetzespaket wird nunmehr dafür sorgen, dass Österreich diese Tradition als Asylland wird fortsetzen können – aber ich betone hier ausdrücklich: als Asylland für jene Flüchtlinge, die der Genfer Flüchtlingskonvention unterliegen und die die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllen, nicht aber für jene Flüchtlinge, die über den Umweg des Asylsystems aus anderen, meist wirtschaftlichen Motiven nach Österreich einwandern wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die Ziele, die wir uns im Rahmen dieses Fremdenrechtspaketes gesetzt haben, waren, ein rechtsstaatlich einwandfreies, menschenrechts- und verfassungskonformes Gesetzespaket umzusetzen.
Die Schwerpunkte lagen sicherlich darin, ein schnelles und rechtssicheres Verfahren durchzuführen – dies im Sinne jener Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die ein Recht darauf haben, eine schnelle Entscheidung zu erhalten, aber natürlich auch im Hinblick auf jene Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen, denen jedoch kein Asyl gewährt wird, weil die Gründe hiefür nicht vorliegen, denn diese Menschen haben ebenfalls ein Recht auf eine schnelle Entscheidung, damit sie wissen, wie sie dran sind.
Ein weiterer, wesentlicher Punkt, der für mich mit der erwähnten Beschleunigung des Verfahrens verbunden ist, ist das Recht unserer Bevölkerung auf einen schonungsvollen und sparsamen Umgang mit den Steuermitteln, denn es ist der Aufenthalt von Asylwerbern, die in weiterer Folge kein Asyl in Österreich bekommen werden, ein sehr kostenintensiver Faktor. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wichtig war es uns – auch das ist von meinen Vorrederinnen und Vorrednern schon mehrfach angesprochen worden –, im Sinne der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger Missbrauch abzustellen. Es wird nun zum Beispiel strengere Strafbestimmungen für Schlepperei und so genannte Aufenthaltsehen – man nennt sie auch Scheinehen – geben, es wird raschere Verfahren bei kriminell gewordenen Asylwerbern geben. Es wird – auch das hat es bisher nicht gegeben – nunmehr möglich, die Anschlussschubhaft nach der Strafhaft durchführen zu können.
Weiters wird es wirkungsvollere Maßnahmen
gegen das Freipressen aus der Schubhaft durch Hungerstreik geben; auch das
wurde bereits mehrfach angesprochen. Es wird eine verstärkte Mitwirkungspflicht
der Asylwerber geben, es wird Maßnahmen gegen das Untertauchen geben, und es
sind noch zahlreiche, weitere Maßnahmen vorgesehen. (Abg. Dr. Niederwieser:
Was ...?)
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Angesichts der Kritik vor allem der Grünen, aber auch von Teilen der SPÖ und vielfach von den NGOs muss ich sagen: Ich habe durch diese Darstellungen oft den Eindruck bekommen, dass Österreich eine wirklich unmenschliche Diktatur sein muss – und das ist bei Gott nicht der Fall!
Es wurde heute schon von mehreren meiner Vorredner angesprochen: Warum ist Österreich als Asylland so interessant? – Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern drängen sehr viele Menschen nach Österreich, weil sie in unserem Land Asyl bekommen wollen. Der Grund dafür ist, dass wir ein ordentliches, rechtsstaatliches Asylverfahren gewährleisten, weil wir mit unserer Asylpolitik den Aufenthalt der Asylwerber gemäß Aufenthaltsrichtlinie ordnungsgemäß sicherstellen und weil wir in Zukunft ein rasches Verfahren durchführen wollen.
Vor allem und gerade aus den Reihen der Grünen hat es heftige Kritik an unserem neuen Asylpaket gegeben. – Ich hätte mir ehrlich gesagt gewünscht, Sie hätten dieses Asylpaket auch durchgelesen. (Abg. Mag. Stoisits: Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir es nicht durchgelesen haben? Wie kommen Sie da oben auf diese Idee?) – Darf ich Ihnen sagen, wie ich auf diese Idee kommen? (Abg. Mag. Stoisits: Halten Sie sich ein bisschen zurück mit solchen Beurteilungen, Frau Minister! – Rufe bei der ÖVP: Mein Gott! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Frau Abgeordnete Stoisits, darf ich bitte weiter reden, dann kann ich Ihnen sagen, wie ich auf diese Idee komme.
Frau Abgeordnete Glawischnig hat ganz konkret ausgeführt, dass eine sexuell missbrauchte Frau, eine vergewaltigte Frau nach unserem Asylrecht (Abg. Mag. Stoisits: Kein Recht auf einen weiblichen Dolmetscher hat!) kein Anrecht auf eine gleichgeschlechtliche Einvernahme hat. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in § 20 Asylgesetz (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: „Dolmetscher“ habe ich gesagt!) ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass jeder selbstverständlich das Recht auf eine Einvernahme durch Menschen gleichen Geschlechtes hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Ja eh, das steht ja schon im jetzigen Asylgesetz! – Ruf bei der ÖVP: Nichts wissen, aber ...!)
Ähnliches gilt auch für den mir als sehr eindrucksvoll in Erinnerung gebliebenen Fall von „Anton“ und „Ali“. (Abg. Mag. Stoisits: Sie können ... lesen, aber verstehen das Gesetz nicht!) Allerdings haben Sie darauf vergessen, auszuführen ... (Abg. Mag. Stoisits: Lesen Sie ! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Sie haben sehr
anschaulich geschildert, den Fall von „Anton“ und „Ali“, nur haben Sie
vergessen, zu erwähnen, dass „Ali“ nur dann wieder in seine Heimat
zurückgeschoben werden kann, wenn er eine Straftat begangen hat (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Habe ich gesagt!) und zu einer unbedingte
Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurde. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist ein Österreicher! Der
ist noch nie woanders gewesen!) –
Das ist kein Österreicher! (Abg. Mag. Stoisits: Sie haben ... Vertreter ...! – Abg. Scheibner: Frau Präsidentin, könnten
Sie nicht einmal für Ruhe sorgen?)
Präsidentin Mag.
Barbara Prammer: Am Wort ist die Frau Bundesministerin! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg.
Mag. Stoisits: ... polemisieren ...! –
Präsidentin Mag. Prammer gibt
das Glockenzeichen.)
Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch (fortsetzend): Ich hätte es mir wirklich gewünscht, weil dieses Fremdenpaket ein sehr ausgewogenes ist.
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Ich kann auch nur die Frau Innenministerin darin bestätigen, dass wir sehr wohl mit allen Interessenvertretungen und auch mit der grünen Partei Gespräche geführt haben. Wir waren bemüht – und es ist uns auch hervorragend gelungen –, ein Asyl- und Fremdenrechtspaket zu schnüren, das unseren Anforderungen in Richtung verfassungskonformes, menschenrechtskonformes und rechtsstaatliches Asylverfahren auch in der Praxis tatsächlich gerecht wird.
Ich bin mir sicher, dass wir durch dieses Paket zum Wohle Österreichs einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung machen werden. – Danke. (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei der ÖVP.)
12.06
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben, ebenso wie die folgenden Redner, 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.06
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich diese Gelegenheit ergreifen, den vor den Fernsehgeräten sitzenden Abgeordneten der SPÖ gute Besserung zu wünschen! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen sowie demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Nun eine grundsätzliche Feststellung zum Asylrecht – und mich wundert, dass das insbesondere bei den Vertretern der Regierungsparteien, aber auch jenen der SPÖ bis jetzt keine Rolle gespielt hat –: Das Asylrecht ist die knappste und konzentrierteste Zusammenfassung der wichtigsten Menschenrechte, nämlich des Rechts auf Leben und des Rechts auf Freiheit!
Bei einem Thema, bei dem wir heute über Menschenrechte sprechen sollten, haben Sie, meine Damen und Herren von ÖVP, FPÖ und BZÖ sowie insbesondere Sie, Herr Klubobmann Molterer, ausschließlich von Sicherheit gesprochen!
Ein Asylrecht, das keine solide Basis aus Menschenrechten hat, wird auch keine Sicherheit schaffen können! – Das ist eine alte Erfahrung aus gescheiterter und falsch verstandener freiheitlicher, sozialdemokratischer und auch volksparteilicher Sicherheitspolitik. – Und jetzt sind wir wieder dort! (Beifall bei den Grünen.)
Jetzt haben wir schon wieder den Entwurf eines freiheitlichen Asylgesetzes, dem die ÖVP zustimmt, weil das der Preis für den Fortbestand der Koalition ist, und dem erstmals die SPÖ in dieser Form zustimmt. – Da ist doch die Frage erlaubt: warum?
Reicht es wirklich aus, im Klub oder in der Parteizentrale eine Umfrage zu studieren und zu glauben, da stünde drinnen, etwas mehr Ausländerfeindlichkeit wäre vielleicht ganz populär? Reicht wirklich die Überlegung aus: Wenn Jörg Haider am Ende ist, dann kann die SPÖ wieder sein Terrain besetzen!? Ist das wirklich ein politisches Konzept? Oder haben Sie nicht schon einmal, nämlich zu Zeiten eines Innenministers Löschnak, die Erfahrung gemacht, dass Sie dann gut beraten sind, wenn Sie nicht versuchen, die Ersatz-Freiheitlichen und die Ersatz-Haider zu sein!
Wenn Sie diesen politischen Fehler machen, dann werden Sie auch in aller Öffentlichkeit für diesen politischen Fehler geradestehen müssen. (Beifall bei den Grünen.)
Frau Justizministerin, ich habe die Befürchtung, dass, wenn ich mir die Ereignisse der letzten Tage und die heutige Debatte ansehe, über Ihren Ausführungen folgendes Motto stehen könnte: Nachgiebig gegenüber iranischen Terroristen, hart gegenüber traumatisierten Asylwerbern und Asylwerberinnen!
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Ich frage Sie: Sind traumatisierte Menschen, die versuchen, Schutz in Österreich zu bekommen, wirklich ein Problem für die öffentliche Sicherheit? Ist Österreich von traumatisierten Asylwerberinnen und Asylwerbern bedroht? Ist es notwendig, diese Menschen zu verfolgen? Sind diese wirklich ein Sicherheitsrisiko?
Und: Können Sie – Punkt 2 – all die offenen Fragen nach der Zwangsernährung beantworten? Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, wo wollen Sie Ärzte und Ärztinnen finden, die diese menschenunwürdigen Praktiken in österreichischen Justizanstalten durchführen? Die Ärzte aus den Anstalten haben Ihnen schon signalisiert, sie machen es nicht. Mit wem wollen Sie es machen?
Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, erklären, es gebe keine Zwangsernährung, die Regierungsvertreter aber sagen, es gebe sehr wohl eine Zwangsernährung. Ja, wer setzt das dann in die Praxis um? (Abg. Reheis: Lesen Sie es nach! Glauben Sie sich selber!) Wer ist die Regierungspartei, wer bestimmt wie das Gesetz umgesetzt wird? Welche Möglichkeit haben Sie als SPÖ, Zwangsernährung zu verhindern? Sie lassen sich nicht missbrauchen? – Sie bieten sich für den politischen Missbrauch durch die Regierungsparteien geradezu an! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Die Regierungsparteien missbrauchen niemanden, Herr Pilz!)
Als Letztes, meine Damen und Herren, noch
kurz zur Kriminalität. Ich habe die Frage des Missbrauchs des Asylrechtes in
den letzten Monaten sehr oft mit Kriminalpolizisten besprochen. Und sogar die
Kriminalpolizei warnt davor, dem Irrglauben anzuhängen, dass eine Verschärfung
des Asylrechts bei der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels helfen könnte.
Die Kriminalpolizei sagt Ihnen ständig: Es helfen nur bessere Instrumente für
die Kriminalpolizei und eine vernünftige, nicht populistische Drogenpolitik. (Abg. Gaál:
Das waren falsche Kriminalbeamte! – Präsidentin Mag. Prammer gibt
das Glockenzeichen.)
Und an genau diesem Punkt sind wir: Wir müssen das Asylrecht vor einer falsch verstandenen Sicherheitspolitik schützen, um Menschenrechte und Sicherheit in dieser Republik zu garantieren! (Beifall bei den Grünen.)
12.12
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ellmauer zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.12
Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu den Grünen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, bitte hören Sie auf damit, unser Heimatland Österreich immer schlecht zu reden! (Beifall bei der ÖVP.)
An die Kollegen von der SPÖ, die so plötzlich erkrankt sind: Ich wünsche Ihnen eine baldige Genesung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich blickt als Asylland auf eine lange und gute Tradition zurück und kann stolz darauf sein. Wir haben zum Beispiel Hunderttausende Ungarn beziehungsweise Tschechen aufgenommen, als diese ihr Heimatland verlassen mussten. Ebenso haben wir während des Balkan-Krieges über 90 000 Menschen aus Bosnien Asyl gewährt, 60 000 von ihnen in unsere Gesellschaft integriert. Kein anderes Land in Europa kann auf solche Großzügigkeit in der Asylpolitik verweisen!
Nach wie vor nimmt Österreich im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl viele Flüchtlinge auf. Im Jahre 2004, also im vergangenen Jahr, lag Österreich in puncto
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Asylanträge an vierter Stelle in der Europäischen Union. Mehr als 8,5 Prozent der Asylanträge in der EU wurden in Österreich gestellt – bei nur 2 Prozent der Bevölkerung. Auch im ersten Quartal dieses Jahres haben wir nach Angaben der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR 4 222 Anträge zu verzeichnen. Unser Nachbar Deutschland hingegen, mit einer zehn Mal so großen Bevölkerungszahl wie Österreich, hat nur 6 662 Anträge zu bearbeiten. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir verstärkt Handlungsbedarf.
Es darf nicht sein, dass unsere Tradition der Hilfsbereitschaft ausgenützt wird. Die internationale Kriminalität und die Schlepperbanden müssen wissen, dass in unserem Land nur jene Menschen aufgenommen werden, die auch wirklich Schutz und Hilfe brauchen. Kriminelle Machenschaften, die mit dem Schicksal und der Not anderer Menschen ihr böses Spiel treiben, dürfen bei uns keine Chance haben. (Beifall bei der ÖVP.) Darum sieht das Fremdenpolizeigesetz strengere Strafen bei Scheinehen, Schlepperei und Schein-Adoption vor.
Mit dem Fremdenrechtspakt 2005 ist uns ein wichtiger Schritt hin zu einer fairen Behandlung im besonders sensiblen Bereich des Asyl- und Fremdenrechts gelungen. Besonders wichtig ist mir als Menschenrechtssprecher, dass das neue Gesetz mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention im Einklang steht und selbstverständlich auch verfassungskonform ist.
Die Prämisse des neuen Asylgesetzes ist, dass klar unterschieden wird zwischen jenen, die Hilfe brauchen, und jenen, die Hilfe missbrauchen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Prinz.) Für Letztere müssen wirkungsvolle gesetzliche Regelungen und Instrumente vorhanden sein, um dem Missbrauch durch falsche Angaben der Identität, der Staatsangehörigkeit oder durch Vorlage falscher Dokumente und dergleichen entschieden und in entsprechender Form entgegentreten zu können.
Für alle, die aus religiösen, sozialen, ethnischen oder politischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, soll die Asyltradition in Österreich weiterhin hochgehalten werden; es soll ihnen auf unkompliziertem und schnellem Weg Unterstützung und Asyl gewährt werden. Übrigens ist dies auch die Haltung unserer Bevölkerung; und für diese Haltung bedanke ich mich bei Österrreichs Bevölkerung ganz, ganz herzlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Daher war es notwendig, sowohl die erste Instanz, das Bundesasylamt, als auch die zweite Instanz, den Unabhängigen Bundesasylsenat, mit zusätzlichem Personal auszustatten, denn es geht darum, einerseits den enormen Rückstand endlich aufzuarbeiten und andererseits die Verfahren in Hinkunft schneller abwickeln zu können; die vorgesehene Außenstelle des UBAS in Linz wird dazu entsprechend beitragen. Die Idee, den UBAS in einen Asylgerichtshof umzuwandeln, muss gut überlegt und vorbereitet werden; diese wird weiter verfolgt.
Um die Arbeit der Asylbehörden weiter zu erleichtern, wird eine Länderdokumentation eingerichtet, auf welche die österreichischen Behörden und Gerichte zugreifen können, um mit dem gleichen Datenmaterial zu arbeiten.
Neben der effizienten Abwicklung der Verfahren ist es vor allem der Sicherheitsaspekt, der für uns wichtig ist, denn je strenger die Strafen bei Missbrauch und je rascher die Asylverfahren abgewickelt werden, desto effizienter können Asylwerber in Österreich integriert werden. Zudem wird im Fremdenpakte die Möglichkeit, in die Illegalität unterzutauchen, sowie ein Abgleiten in kriminelle Verhaltensmuster so weit wie möglich erschwert. All das ist wiederum für das Sicherheitsgefühl der Österreicherinnen und Österreicher enorm wichtig.
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Internationale Kriminalität in Form von Menschenhandel und Schlepperei werden daher auch im kommenden Jahr nach neuen Methoden intensiv bekämpft. Wir werden den Vorsitz Österreichs in der Europäischen Union auch dazu nutzen, um im europäischen Gleichklang Aktionsmöglichkeiten zu suchen und eine möglichst einheitliche europäische Asylgesetzgebung anzustreben.
Ich bedanke mich bei den beiden Ministerinnen für ihre hervorragende Arbeit und stimme gerne dem vorliegenden Fremdenrechtspaket zu. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
12.18
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Hlavac zu Wort. In der Zwischenzeit wird wahrscheinlich auch die Rednerliste elektronisch korrigiert sein; danke. – 5 Minuten Redezeit.
12.18
Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte meine Rede auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz konzentrieren. Vorher gestatten Sie mir jedoch bitte, Frau Präsidentin, dass ich mein Entsetzen und meine Abscheu vor den Terrorakten in London zum Ausdruck bringe. (Allgemeiner Beifall.)
Ich
denke, wir alle sind in dieser schwierigen Situation – der englische
Innenminister spricht von einer „schrecklichen Situation“ – solidarisch mit den Opfern dieser Anschläge:
mit der Bevölkerung Londons und mit ihrem Bürgermeister Ken Livingstone.
Nun zum
zu behandelnden Tagesordnungspunkt. Es geht beim Niederlassungsgesetz um den
Aufenthalt von MigrantInnen und um ihre Integration in unsere Gesellschaft. Das
ist etwas, was auch in der Debatte hier bereits mehrmals mit der Asylfrage vermischt
worden ist, das man aber getrennt behandeln muss.
Der Entwurf, der uns hier vorliegt, enthält einiges, was positiv zu bewerten ist. Vor allem der Zugang zum Arbeitsmarkt für Angehörige nach einem Jahr stellt eine Verbesserung dar und ist sehr zu begrüßen, weil dadurch die Chance, auf eigenen Beinen zu stehen, verbessert und die Chance auf einen legalen und regulären Arbeitsplatz eröffnet wird. Wir begrüßen das besonders für Jugendliche, aber auch für Frauen, damit sie selbständig und selbstbestimmt hier leben können.
Ebenso ist zu
begrüßen, dass Angehörige im Falle des Todes des Partners oder Elternteils oder
bei Scheidung oder bei Gewalt in der Familie einen eigenen Aufenthaltstitel
erhalten. Das ist von den Interventionsstellen gegen Gewalt verlangt worden,
das ist auch in der Petition, die uns überreicht worden ist, gefordert worden,
und es freut mich, dass wir das erreichen konnten. Bis jetzt war es so, dass
Frauen, die nicht mindestens fünf Jahre lang hier gelebt haben, abhängig waren
von ihrem Ehemann, und wenn dieser gewalttätig war, dann konnten sie sich aus
dieser Gewaltbeziehung nicht befreien. Wir halten das für sehr wichtig, dass
das jetzt geändert wird, denn wir treten gegen jede Gewalt an Frauen ein –
egal, von wem sie kommt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wichtig ist auch, dass wir SozialdemokratInnen der Schein-Selbständigkeit einen Riegel vorschieben konnten, denn Schein-Selbständigkeit unterminiert unseren Arbeitnehmerschutz und führt zu Lohndumping und Ausbeutung. Ich sehe es als Erfolg, dass wir das verhindern konnten.
Auch beim Zuzug von Selbständigen wird es eine sehr strenge Regelung geben. Auch das schützt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich – egal, ob sie MigrantInnen oder österreichische StaatsbürgerInnen sind. (Beifall bei der SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 68 |
Leider gibt es aber Bereiche, wo Schwarz-Rot nicht bereit war, mit uns zu reden. (Abg. Scheibner: „Schwarz-Rot“?) Das trifft vor allem auf die Integrationsvereinbarung zu, die sogar noch verschärft wurde. Wir werden dieser Integrationsvereinbarung daher nicht zustimmen, da wir dieses Konzept für falsch halten. Wir stellen daher auch ein Verlangen auf getrennte Abstimmung zu diesen Paragraphen. Ich möchte diese Ablehnung kurz begründen.
Die SPÖ war immer schon gegen die bestehende Integrationsvereinbarung, weil wir nicht glauben, dass Zwang und Angstmache der richtige Weg zur Integration sind. Es ist für uns selbstverständlich, dass Migrantinnen und Migranten Deutsch lernen sollen; das haben wir auch immer betont. Aber es ist notwendig, dass das gemeinsam mit ihnen geschieht, und Wien führt in ausgezeichneter Weise vor, wie das geschehen soll. (Abg. Scheibner: Wie führt Wien das vor? Gar nicht!)
2004 sind in Wien 3 000 TeilnehmerInnen an den Deutschkursen gefördert worden; 2005 werden es sogar 6 000 Kurse sein. Wien hat gemeinsam mit der Arbeiterkammer und dem Wiener ArbeitnehmerInnenfonds eine Reihe von weiteren Kursen gefördert. Und sehr, sehr viele der an diesen Kursen teilnehmenden Personen sind Frauen. Auch das ist uns sehr wichtig. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Daher: Wir wollen, dass der erfolgreiche
Wiener Weg fortgesetzt wird. – Die Integrationsvereinbarung lehnen wir
ab. (Beifall bei der SPÖ.)
12.24
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Scheibner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.24
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Satz zu meiner Vorrednerin: Frau Abgeordnete Hlavac, Ihre Ausführungen haben daran erinnert, dass nicht nur das Asylgesetz heute hier zur Debatte und Abstimmung steht, sondern auch andere fremdenrechtliche Bestimmungen. Und ich verstehe nicht ganz, warum Sie eine Maßnahme kritisieren, die wir jetzt mit diesem Gesetz im Rahmen des Integrationsvertrages einführen, nämlich dass die Zahl der verpflichtenden Deutschkurse für zugewanderte Ausländer erhöht und auch die Kontrolle verstärkt wird.
Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie sagen, gerade in Wien werde das vorbildhaft umgesetzt. Der Grund, warum wir dieses Gesetz hier ändern müssen ... (Zwischenruf des Abg. Gaál.) – Natürlich ist es eine Verpflichtung, und es soll auch eine Verpflichtung sein, denn wir wissen, dass diese Integrationsvereinbarung in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht eingehalten worden ist, dass da alle möglichen Schlupflöcher genutzt wurden. Auch in Wien besteht dieses Problem und ist ungelöst.
Selbstverständlich ist das Erlernen der
deutschen Sprache eine der wichtigsten Maßnahmen, um Integration erst zu
ermöglichen. Und Sie wissen auch ganz genau, dass viele der Zugewanderten zwar
diese Kurse besuchen wollen, es aber nicht dürfen, weil sie
selbst in ihren Familien unter Druck gesetzt werden; das betrifft im Besonderen
die Frauen. Deshalb ist es ein richtiges Signal, dass diese Verpflichtung
ausgeweitet wird, und ich hoffe, dass Sie das doch noch unterstützen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Aber nun zurück zum Asylgesetz. Man kann jetzt dafür sein und dagegen, man kann seine Argumente haben, das ist alles in Ordnung. Die Grünen sind konsequent immer gegen Maßnahmen zur Behebung des Asylmissbrauchs gewesen (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Und das ohne Argumente!), die SPÖ lange Zeit auch – auf Druck von
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Bürgermeister Häupl ist das jetzt anders. Ich verstehe nur nicht, warum man nicht zugelassen hat, dass jene, die in Ihrer Fraktion nach wie vor dagegen sind, das auch hier mit ihrem Stimmverhalten zum Ausdruck bringen können und sie krank werden müssen; aber das ist Ihre Art der innerfraktionellen Demokratie. (Abg. Gaál: Krank ist krank!)
Aber ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren von den Grünen: Man sollte, bei aller Zulässigkeit der Argumentation, schon aufpassen, welche Argumente man bringt und wie man sie hier positioniert. Wenn Sie hier Bilder von Kreisky und Einstein und anderen Verfolgten des Nazi-Regimes und der -Diktatur zeigen und Vergleiche zur Jetztzeit ziehen, so weise ich diese Vergleiche auf das Schärfste zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) – Mich hat wirklich gewundert, dass das so ruhig zur Kenntnis genommen wurde.
Österreich bekennt sich nicht nur zu seiner
Tradition, sondern zum Prinzip, dass wir Menschen – wie damals Kreisky,
Einstein und anderen –, deren Leben durch eine Diktatur gefährdet ist,
Menschen, die verfolgt werden, alle notwendige Unterstützung und Aufnahme angedeihen
lassen. Das haben wir in all den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg immer
wieder unter Beweis gestellt; da brauchen wir nicht Ihre unpassenden
Vergleiche. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der
ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits:
Wieso machen Sie dann so ein Asylgesetz?)
Aber was wir wollen, ist, dass genau solche Fälle dann nicht entsprechend unterstützt werden können, weil es eben ungeahndeten Missbrauch gibt. Und wenn dann immer gesagt wird: Was glauben Sie, was jene, die das Asylrecht missbrauchen, alles erlebt haben!?, dann frage ich: Was müssen jene erleben, die dann zum Handkuss kommen?!
Ein Beispiel, meine Damen und Herren, und man muss das an Beispielen festmachen: Es geht hier um einen Bulgaren – und Sie wissen, Bulgarien ist EU-Beitrittskandidatenland, also kein Land, wo man davon ausgehen kann, dass da Menschenrechtsverletzungen stattfinden. 1991 hat ein Bulgare in Österreich einen Asylantrag gestellt, im Jahre 1992 einen negativen Bescheid bekommen und dagegen beim VwGH Beschwerde erhoben. 1996 ist dann – also fünf Jahre nach dem Asylantrag! – der abschlägige Bescheid gekommen.
In dieser Zeit hat dieser Asylwerber mehrfache Straftaten begangen: Wegen Vergewaltigung, wegen Raub, wegen Einbruch, wegen Mitgliedschaft bei einer kriminellen Vereinigung, wegen Urkundenfälschung, wegen gefährlicher Drohung und, und, und ist er zu insgesamt acht Jahren Haft verurteilt worden. In der Strafhaft hat er einen Asylantrag gestellt, weshalb das Verfahren wieder aufgenommen wurde und eine Abschiebung nicht mehr möglich gewesen ist. Das Asylverfahren wurde am 22. März 2004 eingestellt, weil dieser Asylwerber, dieser Kriminelle, untergetaucht ist. Meine Damen und Herren, mehr als zehn Jahre nach dem abschlägigen Bescheid durch die Asylbehörde!
Das sind die Fälle, meine Damen und Herren, die wir bewältigen wollen, die wir verhindern wollen in der Zukunft! (Abg. Öllinger: Da ändert sich ja nichts!) Wir wollen dafür sorgen, dass dieser Missbrauch in Zukunft in Österreich nicht mehr möglich ist, und das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wie kommen denn die Österreicher dazu, die sehr wohl unterscheiden können, wer wirklich einen Asylgrund hat und wer nicht, dass sie Opfer von derartigen Straftätern werden!?
Wenn in Wien 90 Prozent der aufgegriffenen Drogen-Dealer Asylanten sind, die in einem Asylverfahren sind, dann kann hier doch nicht von Einzelfällen sprechen, die
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Missbrauch begehen, sondern dann ist das leider fast die Regel. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Mit diesem Gesetz werden wir dafür sorgen, dass jenen, die Asyl brauchen, dieses auch zukommt, dass aber jenen, die es missbrauchen, ein Riegel vorgeschoben wird, damit auch der Glaube an den Rechtsstaat wiederhergestellt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.29
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich werde die verbleibende Restzeit unter den vier Fraktionen mit jeweils 7 Minuten aufteilen.
Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.30
Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerinnen! Hohes Haus! Ich möchte gleich bei einer der Ministerinnen bleiben. Frau Ministerin Miklautsch hat nämlich meiner Kollegin Eva Glawischnig empfohlen, das Asylgesetz hinsichtlich des von ihr kritisierten Tatbestandes „Einvernahme von Frauen nicht automatisch durch Frauen“ genauer zu lesen. – Frau Ministerin Miklautsch, da haben Sie sich jetzt auf sehr dünnes Eis begeben, denn es reicht nicht, den Passus oberflächlich zu lesen. Ich habe den selbst mit Minister Strasser dazumals verhandelt, also ich weiß ziemlich genau, was da drinnen steht. Da steht nämlich drinnen: In Fällen, wo als Asylgrund der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung geltend gemacht wird, besteht das Recht auf Einvernahme durch eine Person des gleichen Geschlechtes.
Frau Ministerin, auch Sie werden mir
bestätigen müssen, dass das nur heißen kann: Wenn ich als betroffene Frau dem
im Regelfall männlichen Beamten gegenüber geltend gemacht habe, bei mir liegt
der Asylgrund „Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vor“, erst dann
bekomme ich mein Recht auf eine Einvernahme durch eine Frau. Vielleicht sollten
Sie selber das Gesetz einmal genauer anschauen! (Beifall bei den Grünen.)
Das, was ich Ihnen sowieso empfehlen würde, als Tatbestand ernst zu nehmen, den es zu korrigieren gilt, ist die Tatsache, dass selbst dann kein Recht auf eine Dolmetschung durch eine Frau vorliegt, sondern jedenfalls der männliche Dolmetscher dabeisitzt. Also Ihr Schutz von Frauen, die von Verfolgung betroffen sind, ist jedenfalls ausbauwürdig, falls man etwas, was praktisch nicht existiert, noch ausbauen kann.
Jetzt zum Gesetz selbst. Wir haben hier ein Gesetzespaket vorliegen, das einen ganz klaren Tenor hat, nämlich Verschärfung, quer durch. Ich werde einige Beispiele herausgreifen, wo wir Probleme haben und sehen und wie darauf mit diesem Gesetz reagiert wird.
Wir haben zum Beispiel das Problem, dass junge Leute nicht-österreichischer Abstammung, genauso wie übrigens auch junge Leute österreichischer Abstammung, straffällig werden können. Nehmen wir das Beispiel eines jungen Mannes, der im Alter von einem Jahr mit seinen Eltern nach Österreich eingewandert ist und jetzt straffällig wird. Was macht die Regierung mit diesem Menschen, wenn er straffällig geworden ist? – Sie sagt: Wir schieben dich zurück in dein Heimatland! Was immer das sein mag für diesen Menschen, der in Österreich aufgewachsen ist. Ist das dann Vorarlberg, wenn er dort aufgewachsen ist? Nein, für Sie ist es das Land, aus dem seine Eltern ursprünglich kommen. Das ist eine völlig abstruse Geschichte. Das war damals eine Errungenschaft des Fremdenrechtspaketes 1997, dass es nicht mehr ein Aufenthaltsverbot für Menschen gibt, die hier aufgewachsen sind. Das ist unmenschlich, was Sie
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hier tun, dass Sie Leute abschieben in Gegenden, die
sie noch nie gesehen haben! (Beifall bei den Grünen.)
Wir haben gesehen, was die Regierung macht. Was macht die SPÖ? – Zustimmen! Ist ja kein Problem.
Wir haben das Problem, dass wir unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben. Was tut die Regierung mit diesen Minderjährigen, mit zum Teil Kindern? – Sie steckt sie in Schubhaft! Das ist die menschliche, die humane, die christlich-soziale Art, mit Kindern umzugehen, sie einzusperren wie in einem Gefängnis?! (Abg. Scheibner: Das stimmt ja nicht! – Abg. Ellmauer: Völlig falsch! – Abg. Miedl: So etwas von unwahr!)
Was macht die SPÖ? – Sie stimmt zu! Ist ja
nichts dabei, oder? (Zwischenruf des Abg.
Dr. Matznetter.) – Ich
weiß schon, es tut weh, Herr Kollege Matznetter, aber Sie können es sich noch
immer überlegen, ob Sie zustimmen oder nicht. (Beifall bei den
Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und der ÖVP.)
Ein weiteres Problem betrifft die Menschen, die schwer traumatisiert in Österreich ankommen, vielleicht weil sie selber unter einer Diktatur im Gefängnis unglaublichen Dingen ausgesetzt waren, vielleicht weil sie unfassbare Gräuel angesehen haben, so schlimme Dinge erlebt haben, dass ihre eigene Psyche zumacht, sie sich oft nicht einmal erinnern, ihnen nicht bewusst ist, was Tatsache ist, damit sie irgendwie das seelisch überstehen und überleben können. Solchen Menschen verlangen Sie ab, dass sie möglichst gleich in der Ersteinvernahme sagen: Ich bin schwer traumatisiert! Kann ich bitte einen Arzt sprechen?, wenn sie schon nicht ein ärztliches Attest mitbringen. Und dann schieben Sie sie ab.
In Bezug auf jene Fälle, wo man angeblich schon etwas herausverhandelt hat, sagt man dann: Wir schieben sie nicht gleich ab, wir sagen ihnen nur, dass wir sie erst in ein paar Monaten abschieben.
Das ist Ihr Umgang mit traumatisierten Menschen! Die Regierungsvorlage sagt: weg mit Traumatisierten, wenn sie an Dublin-Staaten zurückgeschoben werden können!
Was sagt die SPÖ? – Wir stimmen zu, wir haben da keine Bedenken mehr!
Und schließlich haben wir den Fall der
Zwangsernährung. Wenn ein Mensch derart verzweifelt ist ob seiner Bedingungen
in der Schubhaft, ob der Aussichtslosigkeit seiner Lage, dass er in den
Hungerstreik tritt, was macht diese Regierung womöglich mit ihm? – Sie
schnallt ihn an Händen und Beinen fest auf ein Bett, fixiert ihn und führt ihm
eine Sonde ein, damit sie ihn zwangsernähren kann. (Abg. Murauer: Damit er
nicht stirbt!) – Da wird er nicht sterben, meinen Sie, das ist dabei
Ihr einziges Bedenken. Ihr einziges Bedenken bei einer groben
Menschenrechtsverletzung ist nur: stirbt er oder stirbt er nicht? (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. –
Präsidentin Mag. Prammer gibt das
Glockenzeichen.)
Ja, ich weiß, die Zwangsernährung ist ein Thema, das Ihnen zu Recht Bauchweh und Kopfweh macht. Vielleicht sollten Sie auch einen Krankenstand überlegen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Das, was wir in diesem Gesetz haben, stellt eine grobe Menschenrechtsverletzung dar. Ein Sprecher der Ministerin sagt ganz klar – ich zitiere aus der Zeitung –: Natürlich wird es Zwangsernährung für Schubhäftlinge per Gesetz geben.
Was macht die SPÖ? – Sie sagt: Wir stimmen
zu! Wir glauben eh nicht, dass es so weit kommen wird – Das ist Ihre
Antwort auf ein Gesetzespaket (Abg. Silhavy: Ihre Antwort ist Polemik!),
von dem Sie bis vor ein paar Wochen noch gesagt haben, es sei völlig
inakzeptabel. Das müssen Sie aber mit sich selbst ausmachen. (Beifall bei
den Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)
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Die Regierung und die SPÖ haben dieses
Gesetzespaket so verhandelt, dass sich absolut nichts von den Kernforderungen
der SPÖ im Gesetzestext wiederfindet, nicht einmal das neue Gericht für
Berufungsverfahren. Ja, man musste eigens noch Ausschussfeststellungen, so als
Art Zusatzprotokoll, schreiben, weil all die Forderungen von der SPÖ nicht
durchgesetzt werden konnten, wo wieder haarsträubende Dinge drinstehen. (Abg. Murauer:
Die Redezeit ist aus!) Es steht zum Beispiel drinnen: In Österreich gilt
schon als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn von irgendeiner Person
angenommen werden kann, dass sie in der Zukunft die Wertvorstellung eines europäischen
Staates in Wort, Bild oder Schrift kritisieren könnte. (Abg. Murauer: Redezeit!)
Das heißt, wenn irgendjemand findet, die Homosexuellen-Ehe in Spanien stört ihn, und er möchte ein Flugblatt dazu in der Zukunft machen, gefährdet er schon heute die öffentliche Sicherheit. Oder wenn jemand findet, der Mensch hat Recht, und er heißt gut, dass er so denkt, gefährdet er auch schon die öffentliche Sicherheit. (Abg. Dr. Spindelegger: Frau Präsidentin, gibt es eine Redezeit auch noch?)
Das ist reine Willkür, die sich auch gegen Österreicherinnen und Österreicher richtet, gegen jene Menschen, die Flüchtlingen geholfen haben und helfen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Denen stellen Sie jetzt das Strafgesetzbuch in Aussicht.
Das kann nicht die Antwort
Österreichs auf die Not von Menschen sein! (Beifall bei den Grünen.)
12.38
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Miedl. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.38
Abgeordneter
Werner Miedl (ÖVP): Frau Präsidentin!
Frau Innenministerin! Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Namens der ÖVP möchte ich mein tiefstes Bedauern über die dramatischen
Vorfälle in London hier zum Ausdruck bringen und gleichzeitig auch darauf
hinweisen, dass Sicherheit und Sicherheitspolitik niemals zum
Experimentierfeld der österreichischen Innenpolitik werden dürfen. Ich sage
Ihnen das angesichts dieser dramatischen Entwicklungen. (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Was wollen Sie uns damit sagen?)
Ich komme dazu, Frau Kollegin. Ich habe
nämlich enormes Bauchweh, wenn hier mit Bildern gearbeitet und
Österreich in der Öffentlichkeit so dargestellt wird, als wäre es vergleichbar
mit dem seinerzeitigen Nazi-Regime. Das ist schlicht und einfach unwahr! Sie
arbeiten hier mit Emotionen, die weder der Sache gut tun noch zu einer Versachlichung
dieses ohnedies schwierigen politischen Feldes beitragen, meine Damen und
Herren von den Grünen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Ein Wort an Kollegen Darabos. Am 18. Dezember 2004 hat Kollege Darabos eine Presseaussendung gemacht, in der Folgendes steht:
„Eigenartig, wenn man eine 63-jährige Frau ohne Erfahrung in diesem Bereich als Ressortverantwortliche für einen derart wichtigen Bereich der österreichischen Politik bestellt.“ (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren, diese 63-jährige Frau hat profunde Sachkenntnis bewiesen, diese Frau ist sensibel und entschlossen, hat die größte Verwaltungsreform seit 1945 zustande gebracht und hat uns jetzt ein Gesetz vorgelegt, das eine der schwierigsten Materien beherrscht. Meine Damen und Herren, ich gratuliere Innenministerin Liese
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Prokop zu ihrem Werken innerhalb der letzten sechs Monate! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bravorufe bei der ÖVP.) Frau Kollegin Glawischnig, Frau Kollegin Stoisits und Frau Kollegin Weinzinger! (Abg. Dr. Stummvoll – in Richtung Bundesministerin Prokop –: Tolle Performance!) Wir dürfen ganz einfach nicht darauf verzichten, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Ich möchte es ganz klar widerlegen, Frau Kollegin Weinzinger, wenn Sie hier herinnen mit Mitteln operieren und so tun, als ob Österreich nichts anderes vorhätte, als Schutz und Hilfe suchenden Asylwerbern etwas aufzuerlegen. (Abg. Mag. Weinzinger: ... ins Auge sehen können!)
Frau Kollegin, es ist einfach nicht wahr, wenn Sie sagen, dass wir Jugendliche nach Hause schicken, obwohl sie hier geboren sind. Wissen Sie, welche kriminelle Entwicklung ein Jugendlicher, der zwei Jahre unbedingt bekommen hat, hinter sich haben muss? – Da sind mehrere Raubüberfälle passiert (Abg. Mag. Stoisits: Er ist trotzdem hier aufgewachsen!), da sind möglicherweise Vergewaltigungen passiert. (Abg. Mag. Stoisits: Er ist trotzdem hier aufgewachsen!) Bis ein Jugendlicher überhaupt in unbedingte Strafhaft geht (Abg. Mag. Stoisits: Er hat trotzdem sein ganzes Leben hier verbracht), vergeht normalerweise einiges an Zeit, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stoisits: Seine Heimat ist trotzdem Österreich!)
Sie operieren hier mit völlig falschen Zahlen, Frau Kollegin Stoisits. Und – ich habe es Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt – Sie operieren hier mit falschen Annahmen. (Abg. Mag. Stoisits: Nein!) Das ist nicht richtig, was Sie tun! Sie emotionalisieren in einer Sache, in der Sachlichkeit geboten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Wenn 5 000 Asylwerber jährlich untertauchen, wenn sich mehr als 1 000 jährlich freipressen, dann hat der Staat die Verpflichtung, sich nicht weiter erpressen zu lassen! Ich bin gerne dazu bereit – und ich habe das schon im Ausschuss mehrmals gesagt –, über die Grundsätze zu reden, die darüber entscheiden, wann Asyl zu gewähren ist. Das ist ein politisches Thema. Aber, Frau Kollegin Stoisits, wenn diese Grundsätze, die wir gemeinsam beschlossen haben, unterminiert und nicht eingehalten werden, dann muss doch der Staat in Einhaltung der Spielregeln ganz einfach auch reagieren können! Wir dürfen uns nicht erpressbar machen, meine Damen und Herren!
Zur nächsten Unwahrheit: Kinder in Schubhaft. – Das gibt es nicht! Es sind keine Kinder in Schubhaft, es gibt eine ganz klare Bestimmung, dass das nicht erlaubt ist. (Abg. Mag. Stoisits: Das wird es aber geben!) Auf Kinder, die abzuschieben wären, sind gelindere Mittel anzuwenden; da werden Wohnungen angemietet. Meine Damen und Herren, erwecken Sie doch nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck, als ob wir Kinder einsperren, damit wir sie in Schubhaft nehmen können. Das ist nicht wahr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Frau Kollegin Stoisits, Sie haben erwähnt, dass wir hergehen und einen Menschen, der in seiner Heimat mit der Todesstrafe bedroht wäre, abschieben wollen. – Genau für diese Fälle ist das Asylrecht geschaffen! Genau den Menschen, der in seiner Heimat mit dem Tod bedroht ist, werden wir nicht abschieben, denn genau dafür ist das Instrument des politischen Asyls geschaffen, meine Damen und Herren! Daher: Operieren Sie nicht permanent mit falschen Zahlen und mit falschen Annahmen! Das ist unseriös und unlauter, Frau Kollegin Stoisits! Das hätte ich mir nicht gedacht, dass Sie so operieren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Nein! ... die Dublin-Praxis sein!)
Frau Kollegin Stoisits, wir haben ganz klar gesagt: Wer in seiner Heimat mit dem Tod bedroht wird – aus politischen, rassischen, ethnischen oder religiösen Gründen –, für den werden wir hier Schutz haben und dem werden wir Hilfe anbieten. Wir haben jetzt
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national unsere Spielregeln gemacht. Das sind die Spielregeln, und Sie von den Grünen haben sich nicht eingebracht, indem Sie gesagt hätten: Ich hätte die Spielregeln gerne in der einen oder anderen Weise verändert. Nein, sondern was tun Sie von den Grünen? – Sie gehen her und helfen denjenigen, die unsere Spielregeln permanent unterlaufen. Sie tragen somit dazu bei, dass jene, die rasch unsere Hilfe brauchen, sie erst viel später bekommen können!
Wir bekennen uns zu den Grundsätzen, dass
diejenigen, die Hilfe brauchen, sie auch bekommen, und dass sie sie rasch
bekommen! Das wäre ein Grundsatz, bei dem ich gerne gehabt hätte, dass Sie sich
auch einmal dazu bekennen, Frau Kollegin Stoisits! (Beifall bei der
ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)
Meine Damen und Herren! Österreich ist ein Asylland. Österreich hat in der Vergangenheit, in der Gegenwart und wird in der Zukunft jenen, die in Not sind, auch Hilfe gewähren. Dazu bekennen uns wir von der ÖVP, und das findet heute auch im Asylgesetz seinen Ausdruck. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)
Ich bitte alle um Zustimmung zu diesem notwendigen Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)
12.44
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass mich Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen ersucht hat, bekannt zu geben, dass der grüne Klub den Dringlichen Antrag in Hinblick auf die Ereignisse in London zurückgezogen hat.
*****
Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.
12.44
Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPÖ hat es sich nicht leicht gemacht, hier die Entscheidung zu treffen, diesem Fremdenrechtspaket zuzustimmen. Sicherlich nicht zugestimmt hätten wir Regelungen, wie sie in den beiden ersten Entwürfen enthalten waren. Es ist unseren Verhandlungsführern, Kollegen Darabos und Kollegen Parnigoni, zu verdanken, dass diese Bestimmungen entschärft wurden. – Herzlichen Dank, Norbert! Herzlichen Dank, Rudi! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich verhehle nicht, dass ich einige Bestimmungen dieses Fremdenrechtspaketes als Jurist sehr kritisch sehe, insbesondere § 115, aber auch andere Bestimmungen. Ich kann Ihnen nur versichern: Wenn die Sozialdemokratische Partei wieder in der österreichischen Bundesregierung ist, werden diese Problembereiche beseitigt werden! (Oje-Rufe bei der ÖVP.) Wir stehen gegenüber bestimmten Problemen auch für eine andere Auslegung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stoisits: ... mit der ÖVP eine große Koalition!)
Nur, um auch ganz klare Worte in Richtung der grünen Fraktion auszusprechen: Wir sehen hier Erfolge, denn, Kollegin Stoisits, wären diese Bestimmungen gekommen, wie sie im ersten Entwurf vorhanden waren, dann hätten wir dagegen gestimmt. Schubhaft endlos, das war vorgesehen, Frau Kollegin Stoisits – jetzt kann eine Schubhaft in der Dauer von zehn Monaten über zwei Jahre verhängt werden, immer unter besonderen Voraussetzungen. Ist das nicht ein Erfolg? (Abg. Mag. Stoisits: Das ist ein „Erfolg“, wenn ich von sechs auf zehn Monate hinaufgehe? Was ist das für ein Erfolg?)
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Oder die Frage der Verfahrensdauer: Frau Kollegin Stoisits, die Frage der Verfahrensdauer ist ein ganz zentraler Punkt. Es gibt 37 000 offene Fälle, wir haben überproportional viele Asylwerber. Es müssen die Verfahren beschleunigt werden. Daher gibt es jetzt zusätzliches Personal, daher sollen mit diesem Regelwerk die Verfahren beschleunigt werden.
Eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nämlich nicht mehr passieren: dass ein politisch verfolgter Kurde – wie wir es vor kurzem in den Medien lesen konnten – zwölf Jahre warten musste, bis er einen positiven Asylbescheid bekommen hat! Das halten wir für unmenschlich, das halten wir für untragbar, und daher bekennen wir uns zu dieser neuen Regelung!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auch die datenschutzrechtlichen Probleme ansprechen. Ich darf daran erinnern, dass der österreichische Datenschutzrat eine einstimmige Empfehlung beschlossen hat, und zwar auch mit der Stimme des Vertreters der Grünen. Die Bundesregierung beziehungsweise die Regierungsparteien haben diesem Anliegen Rechnung getragen und dies berücksichtigt.
Ich meine als Konsumentenschützer der SPÖ, nachdem sich der Datenschutzrat hier durch ein wirklich exzellentes Gutachten bewährt hat: Denken Sie darüber nach, ob diese Konfiguration eines Konsumentenschutzrates nicht ebenfalls Eingang in die österreichische Rechtsordnung finden könnte. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)
Wir bekennen uns aber auch dazu – das sage ich als Sozialdemokrat mit aller Deutlichkeit –, dass Asylmissbrauch abgestellt werden soll und Asyltourismus verhindert werden soll. Wir bekennen uns auch dazu, dass Asylwerber, die Straftaten, und zwar schwere Straftaten, begehen, mit der Strenge des Strafgesetzbuches verfolgt werden. Das sagte übrigens auch Caspar Einem wortwörtlich so in unserer Klubsitzung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist es nämlich nicht nachvollziehbar, wenn ich mir diesen Schlepperbericht des BMI ansehe (der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Organisierte Schlepperkriminalität“ in die Höhe) und darin lese, was hier passiert und wie organisierte Kriminalität das Asylrecht in Österreich missbraucht, insbesondere im Bereich der Frauen, die aus Nigeria nach Österreich geschleppt werden und dann wiederum als Prostituierte am Straßenstrich in Graz und in Wien arbeiten. (Abg. Scheibner: Und in Wien wird die Prostitution dann anerkannt!)
Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist Menschenhandel. Das lehnen wir ab, und daher sind wir in diesem Bereich für eine Verschärfung. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir werden daher für dieses Gesetz, für dieses Gesamtpaket stimmen, weil auch in anderen Bereichen wie etwa dem Niederlassungsrecht Vorteile zu sehen sind. In der Gesamtbeurteilung sagen wir, dieses Gesetz entspricht der österreichischen Verfassung und sichert den Schutz für die Schutzbedürftigen, nämlich diejenigen, die tatsächlich Flüchtlinge sind und zu uns kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
12.50
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Auch sie hat 5 bis 6 Minuten Redezeit.
Ich möchte das Hohe Haus davon unterrichten, dass wir anschließend des schrecklichen Terrors in London gedenken werden. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 76 |
12.50
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Hlavac, Sie haben vorhin die verpflichtenden Deutschkurse angesprochen, die Frauen machen sollen. – Ich finde es sehr gut, dass gerade jene Frauen, die von den Ehemännern nicht die Erlaubnis dazu hatten – und da wissen wir, dass es einige waren –, nun die Möglichkeit haben, ihre Unabhängigkeit dadurch zu erreichen, dass sie verpflichtend Deutschkurse machen müssen und daher bessere Chancen haben, sich in Österreich integrieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren, das vorliegende Fremdenpaket ist konsequent. Es ist aber auch gerecht und entspricht ganz klar der Tatsache, dass all denjenigen, die tatsächlich verfolgt werden, Schutz gewährt wird und dass dem Missbrauch endgültig drastisch entgegengewirkt wird.
Ich spreche insbesondere die organisierte Kriminalität an. Es ist ja auch ein Fall, der insbesondere die Frauen betrifft, wenn wir zum Thema Schlepperei gehen. Wenn man sich den Schlepperbericht 2004 anschaut, dann haben sich gegenüber dem Jahr 2003 die Fälle zwar relativ um 13 Prozent verringert; wenn man sich aber die absolute Zahl von über 17 500 Fällen im Jahre 2004 anschaut, dann ist ganz klar, dass hier Handlungsbedarf besteht und Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dieser organisierten Kriminalität entgegenzuwirken. Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass jegliche Unterstützung, sowohl für die Einreise als auch für die Durchreise, strafbar ist, und zwar auch dann, wenn diese Unterstützung kostenlos erfolgt, und nicht nur dann, wenn damit Geschäfte gemacht werden.
Auch Beförderungsunternehmen werden in Zukunft stärkere Strafen hinzunehmen haben, wenn Daten über die Identität der Personen – der Fremden, die sie nach Österreich bringen – nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Das heißt zum Beispiel, ein Autobusunternehmer muss Daten über die Identität der jeweiligen Fremden, über die Reisedokumente, aber jetzt zusätzlich auch noch über den Reiseverlauf bekannt geben. Ein ganz wesentlicher Unterschied, um dem Missbrauch entgegenzuwirken, besteht auch darin – denn bis jetzt war es so, dass als Strafausmaß eine Pauschale vorgesehen war –, dass bei Nichtbereitstellung dieser Daten in Zukunft über 3 000 € pro Person eingehoben werden. Auch das ist wiederum ein maßgeblicher Punkt, um den Missbrauch des illegalen Einschleusens von Fremden zu verhindern. Dies wirkt insbesondere dem bewussten Verschwinden-Lassen von Dokumenten entgegen, wie es vermehrt vorgekommen ist, wodurch die Verfahren erschwert und drastisch verzögert worden sind.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verschärfung bei Missbrauch ist eine Tatsache, und wir stehen dahinter. Aber es dient dieses Fremdenpaket ganz klar auch zum Schutz für diejenigen, die ihn brauchen und die legal in Österreich leben.
Frau Kollegin Weinzinger, Sie beschäftigen sich immer sehr viel mit Frauenrechten. Etwas haben Sie heute nicht erwähnt, weil das etwas Positives ist; aber es ist für die Grünen natürlich schwer, in diesem Gesetz auch etwas Positives zu sehen. Gerade bei der Familienzusammenführung wird in Zukunft der völligen Abhängigkeit, die bis jetzt bestanden hat, entgegengewirkt, weil die Frauen ab sofort eine eigene Aufenthaltsmöglichkeit haben, auch dann, wenn der Mann strafbar wird. Das ist gerade dann wichtig, wenn Gewalt gegen die Frauen angewendet wird. Diese haben sich ja bis jetzt nicht getraut, irgendwo Anzeige zu erstatten, weil sie damit rechnen mussten, dass sie dadurch ihren Aufenthaltstitel verlieren. Gerade das ist ein positiver Punkt, der auch in Richtung jener Petition wirkt, die wir unter Tagesordnungspunkt 2 nun ebenfalls mit behandeln, dass wir nämlich alles tun, um der Gewalt gegen Frauen in der Familie entgegenzuwirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 77 |
Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass Frauen in Österreich im 21. Jahrhundert – ganz egal, ob es Österreicherinnen oder Migrantinnen sind – männlicher Gewalt hilflos ausgeliefert sind. Es muss ganz einfach von allen Menschen zur Kenntnis genommen werden, dass die Zeit eines uneingeschränkten Patriarchats in Österreich (Präsidentin Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) ein für alle Mal der Vergangenheit angehört. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.55
Gedenkminute anlässlich der Terroranschläge in London
Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen und sich von Ihren Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen.)
Hohes Haus! Eine Serie von Terroranschlägen hat heute in London zahllose Verwundete und jetzt bereits über hundert Tote hervorgerufen. Wir wollen heute im österreichischen Nationalrat klarmachen: Wir haben Mitgefühl für die Opfer, wir stehen zu ihnen, wir denken an ihre Angehörigen mit Sympathie und Mitleid.
Der Terrorismus hat wiederum seine scheußliche Fratze gezeigt. Er trifft ganz Europa: No man is an island – kein Mensch ist eine Insel!
Großbritannien trifft es auch als das Land, das den Vorsitz in der Europäischen Union einnimmt, und daher ist London nicht von ungefähr zum Opfer der Terroristen geworden. Wir alle gehören zu Europa. Ich glaube, wir müssen uns in dieser Stunde bewusst sein, dass der Kampf gegen die Ursachen des Terrorismus und gegen den Terrorismus unsere gemeinsame Aufgabe ist; denn Gewalt und Brutalität dürfen nicht den Sieg über Frieden und Demokratie davontragen.
In diesem Sinne bitte ich Sie alle, eine
Minute des Schweigens, des Gedenkens und des Gebets für die Opfer einzuhalten. (Die
Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke
Ihnen. (Die Plätze werden wieder eingenommen.)
*****
Ich gebe in diesem Zusammenhang bekannt, dass die Grünen im Hinblick auf die Situation in London ihren gemäß § 74 eingebrachten Dringlichen Antrag zurückziehen.
Gleichzeitig wird vereinbart, dass der Dringliche Antrag als nicht eingebracht gilt und somit die Reihenfolge bei der Einbringung und die Anzahl der Dringlichen Anfragen unverändert bleiben.
Ich bedanke mich bei den Grünen für dieses Zeichen des Verständnisses und übergebe den Vorsitz Herrn Präsidenten Prinzhorn.
*****
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Freund. Ich erteile es ihm.
12.58
Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf nach dieser Trauer- und Gedenkminute die Debatte über das vorliegende Fremdenrechtspaket wieder aufnehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 78 |
Mit dem vorliegenden Fremdenrechtspaket 2005 kommt unsere Bundesregierung der Lösung eines großen Problems einen weiteren Schritt näher. In vielen Sitzungen des Innenausschusses wurde mit Experten intensiv beraten. Vorausschicken möchte ich, dass ich für eine menschliche und gerechte Asylpolitik bin; diese muss gemacht werden. Ich bin aber dagegen, dass Asylmissbrauch möglich ist, und dieser kommt in Österreich erwiesenermaßen vor.
Die Fremdenpolizei in meinem Heimatbezirk hat mir auf meine Anfrage hin sehr aufschlussreiche Zahlen und Erfahrungen im Zusammenhang mit Asylwerbern mitgeteilt. Als Probleme wurden erkannt: Kettenasylanträge, Überlastung der Behörde, Identitätsverweigerung der Asylwerber, die in Österreich straffällig werden. Im heurigen Jahr gab es in der Justizanstalt Ried im Innkreis bis Mai bereits 72 Häftlinge, die fremdenpolizeilich behandelt wurden. 40 von ihnen mussten nach Beendigung der Haftstrafe auf freien Fuß gesetzt werden, größtenteils, weil ein Asylverfahren beim UBAS anhängig war oder ist.
Bei den begangenen Delikten handelt es sich hauptsächlich um Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, um Eigentums- und Gewaltdelikte, aber auch um Schlepperei. Ich bin froh, dass mit dieser Gesetzesänderung Asylwerber nach der Strafhaft in Schubhaft genommen werden können. Bisher war das nicht möglich. Die Asylanträge werden vorrangig behandelt und die Verfahren damit rascher abgeschlossen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass die Antragsteller nach der Haft untertauchen und womöglich noch weitere Straftaten in Österreich begehen.
Bei dieser Asylgesetznovelle geht es darum, Missbrauch zu verhindern, jene herauszufinden, die Gründe für die Gewährung von Asyl haben, um diese besser und rascher in die Gesellschaft zu integrieren, und es geht darum, die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu gewährleisten.
Wesentlich beim Fremdenrechtspaket ist auch die Aufstockung des UBAS. Sogar in Linz soll eine Außenstelle entstehen, die den Rückstau aufarbeiten soll, denn in Oberösterreich haben wir einen Rückstau von mehr als 2 300 und weiteren 4 000 Ansuchen.
Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abschließend darf ich sagen: Ich bin für ein humanes und vor allem schnelleres Asylverfahren, aber Missbrauch muss verhindert werden. Die Menschenrechte dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden, aber auch die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande darf nicht auf der Strecke bleiben. Ich danke der Frau Bundesminister für die Vorlage dieses ausgewogenen Fremdenrechtspakets, dem ich gerne meine Zustimmung gebe. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
13.02
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Öllinger, ich lade Sie zu einer tatsächlichen Berichtigung ein. – Bitte.
13.02
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter Parnigoni hat in seiner Rede behauptet, dass die Dauer der Schubhaft mit zwei Monaten begrenzt sei. – Das ist unrichtig!
§ 80 des Fremdenpolizeigesetzes legt fest, dass die Dauer der Schubhaft abhängig vom Stadium des Verfahrens zwei, sechs, aber auch bis zu zehn Monate betragen kann.
Es gibt also keine Begrenzung auf zwei Monate. (Beifall bei den Grünen.)
13.02
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 79 |
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.
13.02
Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Verfassung und Menschenrechte werden beachtet, werden garantiert, besonders auch in diesem sehr sensiblen Gesetzeswerk. Das haben uns die Experten im Ausschuss und in besonderem Maße beim Hearing auch auf konkrete Nachfrage bestätigt. Wir haben daher nichts über Bord geworfen, keine Grundsätze, schon gar nicht in Bezug auf Bürger- und Menschenrechte. Nichts davon ist in Frage gestellt.
Die Regierungsvorlage ist sehr umfassend und ausführlich diskutiert worden. Es gab natürlich Abstriche und Zugeständnisse. Das hat ein gesunder Kompromiss so an sich. Das Asylgesetz hat aber Fortschritte und Verbesserungen gebracht, wenn man bemüht ist, es wirklich objektiv zu lesen. Viele unserer konstruktiven Vorschläge wurden berücksichtigt, aber es blieben Fragen offen, Frau Bundesministerin.
Besonders die Frau Innenministerin darf ich daran erinnern, dass die SPÖ immer wieder für ein eigenes Verwaltungsgericht für Asylverfahren plädiert hat. Wir halten diese Forderung weiterhin aufrecht, weil wir die Rechtsstaatlichkeit hier mehr denn je garantieren müssen. Daher ist alles zu unternehmen, alle Bemühungen zur Schaffung eines Asylgerichts müssen fortgesetzt werden. Daher hoffe ich auch, dass dieser gemeinsam zu beschließende Entschließungsantrag dann wirklich auch zum Tragen kommt. (Beifall bei der SPÖ.)
Uns geht es natürlich auch darum, dass die Erhöhung des Personalstandes sehr rasch durchgeführt wird, damit wir zu rascheren Verfahren kommen und qualitativ bessere Bescheide erhalten. Uns geht es auch darum, sehr rasch den Rückstand aufzuarbeiten. Ziel bleibt jedenfalls dieses eigene Verwaltungsgericht für Asylverfahren.
Meine Damen und Herren! Es muss die gleiche Stellung haben wie ein ordentliches Gericht mit unkündbaren und unversetzbaren Richtern. Das garantiert die richterliche Unabhängigkeit, und eine solche Investition in die Zukunft ist anzustreben. Dies wäre auch eine Qualitätsoffensive bei der Flüchtlingsbetreuung, im Asylverfahren und natürlich auch in der gesamten Fremdenpolitik. Das muss unser Ziel sein und bleiben!
Wir treten für einen respektvollen Umgang
mit allen Menschen ein! Und diesen Weg werden wir auch gemeinsam in Zukunft
weitergehen. Wir werden darauf achten, dass gerade in diesem sensiblen Bereich
des Fremdenrechts und Asylwesens die Gesetze im Geiste der Humanität und der
Menschlichkeit vollzogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)
13.06
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.
13.06
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wer die Debatte, die wir hier vor zwei Jahren im Sommer 2003 geführt haben, mit der heutigen vergleicht, der wird feststellen, dass sich beinahe nichts geändert hat. Beinahe, denn ein Unterschied besteht darin, dass sich die Sozialdemokraten in die Reihe derer eingereiht haben, die eine realistische Einschätzung dieses Problems pflegen. Auch damals ist betont worden, dass Österreich eine große humanitäre Tradition hat: 1956 Ungarn, 1968 Tschechien, Polen, 1986, auch die Balkankrise. Immer hat Österreich seine Aufgaben auf dem Gebiet des Schutzes der Flüchtlinge vor Verfolgung vorbildlich erfüllt.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 80 |
Vor zwei Jahren ist auch darauf hingewiesen worden, dass sich offenbar im Verlaufe der neunziger Jahre Entscheidendes verändert hat. Die Asylwerberzahlen sind massiv angestiegen. Auch damals ist darauf hingewiesen worden, dass wir im Vergleich der europäischen Länder an der Spitze stehen, was die Anzahl der Asylanträge betrifft. Bereits damals wurde die Diagnose gestellt, dass das wohl nicht mehr als Asyl im engeren Sinne betrachtet werden kann, sondern dass unter dem Titel „Asyl“ offenbar eine massive Einwanderungsbewegung nach Europa stattfindet. Zum Zweiten wurde festgestellt, dass sich auch die organisierte Kriminalität dieses Instruments, Aufenthalt im wohlhabenden Europa zu bekommen, bemächtigt hat.
Das kann man auch für heute nur bestätigen, wenn man sich die Zahlen anschaut und die Länder nach der Anzahl derer reiht, die Asylanträge stellen: So steht Serbien-Montenegro an der Spitze, ohne dass dort erkennbar politische Ereignisse stattfänden, die Fluchtgründe nahe legten. Das Herkunftsgebiet der zweitgrößten Gruppe ist die Russische Föderation, dann schon Indien, die größte Demokratie der Welt, dann die Türkei, die sich um einen Mitgliedstatus in Europa bemüht. Ganz offenkundig stimmt der Schluss, dass es sich hier auch im weitesten Sinne nicht mehr um Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention handelt, sondern um Einwanderer, die unter diesem Titel zu uns kommen.
Auch der Schluss, den heute die Frau Innenministerin gezogen hat, dass es nämlich notwendig ist, eine saubere Trennung durchzuführen zwischen dem Schutz vor Verfolgung im Asylgesetz und dem Ausschließen all jener, die aus anderen Gründen zu uns kommen, ist absolut richtig. Damals wurde behauptet, dass mit dem vorliegenden Gesetz all dies geleistet werden könne.
Wenn ich die heutige Debatte verfolge, muss ich sagen: Es ist eigentlich alles gleich geblieben. Die Zahlen sind in Gesamteuropa etwas gesunken, wie Klubobmann Molterer gesagt hat. Da das Dublin-Verfahren nun auch für die neuen Länder der EU gilt, haben sich also die Probleme etwas entschärft. Österreich steht nach wie vor an der Spitze. Die Herkunftsländer sind Länder, in denen keine politische Ereignisse stattfinden, die Asylgründe liefern könnten.
Es ist ein Déjà-vu-Erlebnis: Es hat sich seit damals nichts geändert, obwohl damals beteuert worden ist, es sei jetzt ein taugliches Instrument geschaffen worden, das die Probleme löst und das Asyl tatsächlich den Schutzbefohlenen nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorbehält.
Auch das vorliegende Gesetz wird präsentiert, indem man behauptet: Jetzt haben wir das Problem gelöst! – Die Botschaft höre ich wohl, allein ich kenne die Gesetzesvorlage und erlaube mir daher, daran zu zweifeln, dass es diesmal gelingt. (Abg. Neudeck: Aber ein Schritt in die richtige Richtung ist es schon!)
Dies aus zwei Gründen: Erstens, weil wieder diese Trennung nicht sauber vollzogen ist – ich werde das dann gleich an einem Paragraphen beweisen – und zum Zweiten, weil wir nach wie vor massive Anreize aussenden, gerade zu uns zu kommen. Das ist angesichts der Arbeitsmarktlage ein sehr bedauerliches Versäumnis.
Ich frage mich auch, warum man es sich auflädt, umstrittene Regelungen, die erst am Ende eines langen Prozesses greifen, nämlich wenn bereits Schubhaft verhängt wird, in ein Gesetz einzubauen, die – ohne die Zahl zu unterschätzen – nur relativ wenige Personen – etwa 1 000 – betreffen. Zu diesem Zeitpunkt sind nämlich meistens schon viele Jahre vergangen, viel an Steuergeldern in den Prozess hineingeflossen.
Zugleich verzichtet man darauf, in höchst komfortabler Weise, im Einklang mit internationalen Regelungen, im Einklang mit europäischen Richtlinien, Maßnahmen zu setzen, die schon von vornherein die Inanspruchnahme von Asyl ausschließen –
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 81 |
vermutlich, wenn es nicht berechtigt ist – und die zig-, zig-, zigtausende Personen betreffen würden.
Zwei konkrete Hinweise dazu: Zur Trennung von Asyl und Immigration. – Die Genfer Flüchtlingskonvention schlägt vor, in regelmäßigen Abständen von Amts wegen zu prüfen, ob Asylgründe noch vorliegen. Sie geht davon aus, dass Asyl natürlich ein Schutz auf Zeit ist. In Österreich dagegen gilt auch mit diesem neuen Gesetz: einmal Asyl – immer Asyl. Asyl geht geradezu zwangsläufig nach vier oder fünf Jahren in Staatsbürgerschaft über. Das ist ein massiver Anreiz für all jene, die über die Zuwanderungsquote nicht kommen können, es über die Asylschiene erfolgreich zu probieren und tatsächlich einzuwandern. Solange dies so bleibt, sehe ich nicht, dass wir maßgeblich Anreize verringern werden.
Und zum Zweiten: Zu Recht und in sehr realistischer Einschätzung der Wirkungen schlägt die europäische Statusrichtlinie, die eine gemeinsame Asylpolitik koordinieren soll, in ihrem Artikel 26 vor, verschiedene Rechte – zum Beispiel auch den Zugang zum Arbeitsmarkt – dem tatsächlich Verfolgten, dem tatsächlich anerkannten Flüchtling zu gewähren, nach positivem Abschluss des Asylverfahrens. Wir – und da werden wir sicher die Einzigen bleiben, kein anderes europäisches Land wird das machen – gewähren dieses Recht – nämlich den Zugang zum Arbeitsmarkt – bereits dem Asylwerber, wenn innerhalb von drei Monaten – das ist praktisch nie der Fall – sein Asylantrag nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Das bedeutet einen massiven Anreiz für alle, die hier – es steht ihnen zu, das ist schon gesagt worden; aber uns steht es auch zu, unseren Arbeitsmarkt zu schützen – für höheren Lohn und zu besseren Bedingungen arbeiten wollen.
Ich frage mich, warum man diese einfachen Dinge, die man absolut konform mit allen internationalen Verpflichtungen, mit europäischen Regelungen durchführen kann, nicht macht. Ich bedauere es wirklich – ich bedauere es, denn dieses Problem ist eines der größten in diesem Land –, sagen zu müssen, dass ich überzeugt davon bin, dass wir auch diesmal nichts Effizientes zusammengebracht haben und dass die Kategorie Verschärfung oder Nicht-Verschärfung keine Kategorie ist, die überhaupt irgendeine Rolle spielt.
Vielmehr geht es darum: Ist dieses Gesetz effizient? – Und ich befürchte und bin überzeugt davon: Nein!, und werde also nicht zustimmen.
13.13
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.13
Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Heute haben wir eigentlich schon alles gehört: die Faschismus-Keule für die SPÖ, völlige inhaltliche Falschdarstellungen von Schubhaft und lebensrettenden und lebenserhaltenden Maßnahmen sowie eine ganz neue und eigenartige Definition für Menschenhändler und Schlepper, welche mit Fluchthelfern der Ungarn- und Tschechen-Krise verglichen wurden. – Ich sage Ihnen aber: Gerecht, fair und orientiert an den demokratischen Grundsätzen unseres Rechtsstaates wird nun ein neues Fremdenrechtspaket beschlossen werden.
So wird im neuen Asylgesetz nun definierte Rechtssicherheit gewährleistet: Hilfe für diejenigen, die sie brauchen – und nicht nur das, sondern darüber hinausgehend auch Integration und bei Willen und Wollen eine neue Heimat. Für Kriminelle aber wird in unserem Rechtsstaat kein Platz sein, und auch nicht für die, die die Asylschiene missbräuchlich verwenden wollen. Gegenüber Drogendealern, Geldwäschern, Men-
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 82 |
schenhändlern, Schleppern, Extremisten und Terroristen wird es kein Zwinkern mit dem linken Auge geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Fair ist diese Gesetzeslage auch deshalb, weil den vielen tausenden Wirtschaftsflüchtlingen keine falschen Hoffnungen gemacht werden. Es werden keine paradiesischen Botschaften ausgegeben, und damit untergräbt man wahrlich den Menschenhandel und das Schlepperwesen im Vorhinein.
Und abschließend für die ewigen Realitätsverweigerer: Lassen Sie sich nicht belehren, aber lernen Sie dazu! Die jetzige Debatte gibt Ihnen noch die Möglichkeit dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Glauben Sie wirklich, was Sie da sagen?)
13.14
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.14
Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nach langen und sehr ausführlichen Hearings und Ausschusssitzungen liegt nun der Vorschlag für das Fremdenrechtspaket vor. Dieser sensible Bereich wurde ernsthaft und ausführlich diskutiert, und auch sämtliche Bedenken wurden angemeldet und zum Teil ausgeräumt.
Eines möchte ich feststellen: Die SPÖ hat es sich dabei nicht leicht gemacht. Faktum ist: Das von den Regierungsparteien beschlossene Gesetz wurde im Oktober 2004 in drei Punkten vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Daher musste ein neues Gesetz verhandelt werden. Damit es ein vernünftiges, verfassungskonformes Gesetz wird, das nicht noch einmal vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, hat sich die SPÖ entschlossen, mitzuverhandeln.
Der Grund für unsere Mitarbeit war aber vor allem der, dass wir verhindern wollten, dass die Regierungsparteien einen noch viel härteren einfachgesetzlichen Beschluss fassen. Wichtig war für uns aber auch die Aufstockung der zweiten Asylinstanz um 15 bis 20 unbefristete Richterstellen, damit Asylverfahren rascher abgewickelt werden können, denn das ewige Warten, ob ein Asylwerber/eine Asylwerberin in Österreich Schutz findet oder nicht, dieses ewige Warten ist auch für die einzelnen Asylwerber belastend. Und hier haben wir von der SPÖ uns durchgesetzt: Mit diesem Gesetz wird es mehr Personal geben, die Asylverfahren können in Hinkunft rascher abgewickelt werden.
Für uns war auch die Schaffung eines eigenen Asylgerichtshofes ganz wichtig. Auch hier hat sich die SPÖ durchgesetzt. Dazu wird es noch einen Entschließungsantrag geben.
Meine Damen und Herren! Ein paar Worte noch zu der so genannten Zwangsernährung oder Heilbehandlung: Ich gebe ganz offen zu, das war beziehungsweise wäre auch für mich ein Problem gewesen. Diese Art von Lebenserhaltung kommt meiner Meinung nach einer Folter gleich. (Abg. Murauer: Bitte, Frau Kollegin, sprechen Sie doch nicht von „Folter“!)
Wenn man sich die Vorgangsweise erklären lässt – hören Sie mir zu! – und wenn sich sogar Ärzte weigern, das durchzuführen, so bin ich sehr froh, dass es zu dieser Zwangsbehandlung nicht kommt. Wichtig, meine Damen und Herren, ist es jetzt, den Vollzug zu beobachten, ob wirklich alles so wie beschlossen durchgeführt wird. Ich bin auch sehr froh, dass unser hoch geschätzter Bundespräsident, Dr. Heinz Fischer, über alle Vorkommnisse informiert werden möchte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 83 |
Das vorliegende Gesetz, meine Damen und Herren, ist ein Kompromiss, der zwischen Regierung und SPÖ ausgehandelt worden ist. Nach Abwägung aller Pros und Kontras und unter Einbeziehung dieser wichtigen Aspekte werde ich diesem Gesetz meine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)
13.17
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.
13.18
Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Stoisits hat gesagt: Jeder Staat hat das – Pardon – jeder Staat hat das Recht, ... (Der Redner versucht, das Mikrophon einzurichten, was Rückkoppelungsgeräusche verursacht. – Ruf bei der SPÖ: Hände weg!) Hände weg, ja. – Jeder Staat hat das Recht, sich gegen Missbrauch zu wehren.
Ich behaupte: Er hat nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, sich gegen Missbrauch zu wehren, insbesondere dann, wenn damit der zweckmäßige, ja der erforderliche Schutz der Bürger unseres Landes verbunden ist beziehungsweise hergestellt werden kann.
Geschätzte Damen und Herren, es kommt ja nicht von ungefähr, wenn man sich die Zahl der Asylwerber bezogen auf die Bevölkerung anschaut, dass in Österreich eine überdurchschnittliche, eine überproportionale Zahl an Asylwerbern auftritt. Österreich hat 8,5 Prozent der Asylwerber der Europäischen Union und lediglich 2 Prozent der Bevölkerung. Hier ist etwas verschoben, etwas verzerrt.
Das Prinzip bei uns lautet: Schutz für Schutzbedürftige. Das war in der Vergangenheit so und wird in der Zukunft so sein. Missbrauch ist abzustellen. Wir haben festgestellt, dass beispielsweise im Bereich der Traumatisierung reichlich Missbrauch stattgefunden hat. Es ist menschenrechtskonform vorzugehen und selbstverständlich verfassungskonform, und es ist eine zeitliche Angemessenheit der Verfahren zu garantieren.
Frau Bundesministerin Prokop, gestatten Sie mir noch ein Wort zu einer, wie ich meine, absolut nicht zufrieden stellenden Situation. Dies betrifft das Erstaufnahmezentrum Thalham bei St. Georgen. Die freiheitliche Position war es ja immer, Erstaufnahmezentren in Grenznähe zu installieren. Aus dieser Bundesbetreuungsstelle Thalham wurde ein Erstaufnahmezentrum gemacht – ich sage dazu: flächenwidmungsmäßig falsch –, und mit dieser Umwandlung in ein Erstaufnahmezentrum hat auch die Akzeptanz, die vorher zwischen Bevölkerung und den in Bundesbetreuung Befindlichen gegeben war, aufgehört zu existieren. Es ist ein gewaltiger Anstieg der Kriminalität in dieser Region zu verzeichnen. Die Bevölkerung ist nicht nur unzufrieden, sondern sie leidet darunter. Die vorhergehende gegenseitige Akzeptanz, die ein Verdienst des freiheitlichen Bürgermeisters Sepp Pichler war, hat aufgehört zu existieren. Der Handel leidet, der Tourismus leidet.
Hier ist Abhilfe zu schaffen. Die St. Georgener Bevölkerung hat sich das, wie ich meine, nicht verdient. Hier bedarf es dringend einer Änderung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Pendl: Die Asylwerber sind Ihnen Wurscht!)
13.21
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 84 |
13.21
Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Herr Dr. Pilz hat für mich – und ich hoffe, auch für die Grünen in diesem Fall, vielleicht auch für die einen oder anderen von der Sozialdemokratie – etwas Wichtiges gesagt, und zwar: Die Grundelemente der Menschenrechte sind das Recht auf Leben und auf Freiheit.
Das Recht auf Leben haben wir zu erfüllen. Deswegen verstehe ich nicht, dass, wenn jemand sich entschieden hat, seine Interessen durch einen Hungerstreik durchsetzen zu wollen, und er dann knapp vor dem Verhungern lebensrettende Maßnahmen von uns bekommt, dies als Folter oder als etwas anderes bezeichnet wird, sondern ich denke, wir haben die Verpflichtung, Menschen in unserem Staat am Leben zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir machen das auch mit jenen, die verunfallt sind. Wir haben diese Verpflichtung auch bei jenen, die meinen, mit ihrem Leben Schluss machen zu müssen, weil sie verzweifelt sind. Wir sind doch aufgerufen, diesen Menschen in letzter Konsequenz zu helfen und sie vom Tod abzuhalten. Und das, glaube ich, sollten wir auch mit jenen machen, die meinen, mit einem Hungerstreik Interessen durchsetzen zu wollen.
Es kann auch nicht sein, meine Damen und Herren, dass sich ein Staat wie Österreich mit solchen Maßnahmen erpressen lässt. Das ist nicht akzeptabel, das können wir nicht signalisieren, das dürfen wir nicht zulassen.
Mit diesem Gesetz, glaube ich, wird Österreich seiner Tradition gerecht, nämlich ein Asylland zu sein, in dem jene, die Aslyberechtigung haben, Rechtssicherheit haben und ihnen Schutz, Arbeit und Integration gewährt wird.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist unterm Strich wirklich ein gutes, ein ausdiskutiertes, ein humanes Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)
13.24
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.
13.24
Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs eine Feststellung treffen: Dass wir seit Wochen Verhandlungen durchgeführt haben und dass wir heute hier stehen und einen Beschluss fassen werden über das vorliegende Fremdenrechtspaket, hat eine Vorgeschichte. Vor zwei Jahren haben wir in der Diskussion sowohl im Ausschuss als auch im Plenum immer wieder darauf hingewiesen, dass das bestehende Gesetz verfassungsrechtlich nicht halten wird und dass das wahre Problem in der Verwaltung, im Vollzug gelegen ist, weil es mit den vorhandenen Verwaltungsressourcen ganz einfach nicht umzusetzen ist.
Ich höre noch alle Debattenbeiträge der Abgeordneten der Regierungsparteien. Wider besseres Wissen wurde ein Gesetz beschlossen, das dann der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, und wir haben heute eine komplett neue Gesetzesmaterie zu beschließen.
Meine geschätzten Damen und Herren! Das vorliegende Paket ist ein Kompromiss, wobei für mich persönlich, der ich zu diesem Kompromiss stehe, wichtig ist, dass die Verfassungsmäßigkeit garantiert ist, dass die Menschenrechte garantiert sind, dass jener Punkt, über den wir gemeinsam bereits vor zwei Jahren diskutiert haben, nämlich eine Beschleunigung des Verfahrens, zustande kommt und dass der Missbrauch des Asyls so gut wie möglich hintangehalten wird.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 85 |
Eine der zentralen Fragen aber ist nach wie vor – die Frau Bundesministerin ist nicht hier, sie hat es aber zugesagt –, dass wir vor allem im UBAS eine Personalaufstockung umsetzen werden müssen. Wenn wir diesen Rückstau von rund 28 000 zu behandelnden Fällen ernstlich aufarbeiten wollen, dann ist das im Vollzugsbereich und nicht im legistischen Bereich umzusetzen.
Dazu, meine geschätzten Damen und Herren
der Regierungsparteien, lade ich Sie wirklich ein. Lassen Sie dem Ressort die
notwendige Unterstützung zukommen, damit diese Personalaufstockungen auch
vorgenommen werden können. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird ein gemeinsamer Entschließungsantrag – so nehme ich an – hier im Haus beschlossen werden, und ich hoffe, dass dieses unabhängige Asylgericht mit unabhängigen, weisungsfreien Richtern dazu beitragen wird, dass wir auch in diesem Bereich einen Quantensprung nach vorne im Interesse aller Menschen und auch, wenn wir so wollen, im Namen der Humanität vollziehen können.
Ich möchte aber, da es sich um einen Kompromiss handelt, noch einen Abänderungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Schieder, Krainer, Bettina
Stadlbauer, Gisela Wurm und KollegInnen betreffend die Regierungsvorlage 952 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein
Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz,
das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz
zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz,
das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967,
das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert
werden (Fremdenrechtspaket 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes
1055 d.B.
Das
Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz
2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das
Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat,
das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das
Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das
Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und
das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005) in
der Fassung des Ausschussberichtes 1055 d.B. wird wie folgt geändert:
In Art. 3 § 115 wird nach dem Wort „Fremden“ die Wortfolge „gegen einen Vermögensvorteil“ eingefügt.
*****
Ich lade Sie ein, diesem Abänderungsantrag
im Sinne der Solidarität und der Menschlichkeit Ihre Zustimmung zu geben, und
wünsche mir und hoffe, dass auch dieser von mir mitgetragene Kompromiss, ein
wichtiger Schritt für die Menschen in unserer Heimat und für die in Not
Suchenden, wenigstens in die richtige Richtung geht! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Gaál – in Richtung des
sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Pendl –: Bravo, Otto!)
13.28
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 86 |
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Schieder, Krainer, Stadlbauer, Wurm, Kollegen und Kolleginnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.
13.28
Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Asyl stammt aus dem griechischen „asylon“ und bedeutet Zufluchtsstätte. In früheren Zeiten waren Asyle meist geheiligte Orte, die den Flüchtenden vor dem Zugriff der weltlichen Macht beziehungsweise der Gerichtsbarkeit schützten.
Die rechtsphilosophische Begründung des Asylbegriffes nimmt gegenwärtig auf die bürgerliche Freiheit Bezug, da manche Rechte nur voll gewährleistet werden können, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre menschliche Gemeinschaft auch selbst auswählen können. Das Recht, diese Gesellschaft zu verlassen, muss mit einem Recht korrespondieren, in eine andere überzutreten.
Von dem Recht, sich in Europa ein neues Heimatland zu suchen, machen viele Gebrauch. Im Jahre 2004 suchten 282 480 Menschen in der Europäischen Union um Asyl an, davon alleine in Österreich 8,7 Prozent.
Im Zentrum des neuen Asylgesetzes steht daher die rasche Hilfe für Asylsuchende und die Entscheidung darüber, ob sie tatsächlich als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt werden oder nicht.
Wenn ich mir die SPÖ-Abgeordneten so angehört habe und immer wieder von Kompromiss die Rede war, dann habe ich schon das Gefühl, dass sie sich da irgendwie auch am großen Michael Häupl orientiert haben, der dieser Tage donnerte und alle erzittern ließ. Ich glaube, wir haben, insgesamt gesehen, ein neues Asylgesetz, ein ausgewogenes Paket hier vorliegen, durch das einerseits wie bisher Personen, die des Schutzes bedürfen, diesen auch rasch bekommen und andererseits Missbrauch ausgeschlossen werden kann.
Zusammenleben braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Wir müssen – das steht uns allen hier gut an – die Menschen, die in diesem Land leben, ernst nehmen und ihre Befürchtungen ernst nehmen. Ich glaube, die kennen wir alle. Daher ist es ein gutes Gesetz, und daher sollten wir dem auch alle zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
13.30
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.
13.30
Abgeordnete
Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr
Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen
Hauses! Frau Kollegin Tamandl, ich glaube, wir müssen die Menschenrechte aller
Menschen ernst nehmen. – Nur so viel zu Ihrer Rede. (Abg. Mag. Regler: Das
machen wir!)
Ich persönlich finde es sehr schade, dass heute in dieser Debatte wieder einmal sehr schwarz-weiß gemalt wurde. Auf der einen Seite, so habe ich es empfunden, haben die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und den Freiheitlichen vor allem und hauptsächlich von der Kriminalität der AsylwerberInnen und in diesem Zusammenhang von der Sicherheit in Österreich gesprochen. Auf der anderen Seite haben sich die VertreterInnen der grünen Fraktion als einzige moralische Instanz in diesem Land dargestellt.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 87 |
Das finde ich sehr schade. Ich finde, das ist keine ehrliche Diskussion, und ich finde, das geht auch – zumindest meinem Gefühl nach – an einem großen Problem der Asylproblematik vorbei, nämlich dass wir uns alle gemeinsam Gedanken darüber machen sollten, menschliche Schubhaftbedingungen zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich würde mir wirklich von Herzen wünschen, dass wir viel mehr über ein anderes, über ein menschlicheres Mittel als die Schubhaft für unbescholtene AsylwerberInnen sprechen würden. Frau Bundesministerin Prokop hat es heute in ihrer Rede auch schon gesagt, dass man da Maßnahmen finden sollte. Die Frau Bundesministerin ist jetzt leider nicht da, aber vielleicht kann man es ihr ausrichten: Wir werden sie immer daran erinnern, denn das ist auch ein ganz großes Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir werden diesem Gesetz heute zustimmen, obwohl ich schon zugebe, dass auch ich Bedenken hatte und dass ich sehr viele Stunden über diesem Regierungsvorschlag gesessen bin. Ich finde, es ist eine ungeheuerliche Unterstellung von Kollegen Pilz, dass er meiner Fraktion und auch mir unterstellt, dass wir auf Grund von Umfragewerten diesem Gesetz heute zustimmen. Das ist für mich einfach ungeheuerlich. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion auch noch eines sagen: Sie wissen ganz genauso gut wie wir, dass die Regierungsparteien den Entwurf dieses Asylgesetzes auch alleine mit einfacher Mehrheit hätten durchbringen können. Warum wir uns entschlossen haben, mitzuverhandeln, war, ein verfassungskonformes, ein menschenrechtskonformes Asylgesetz zu beschließen, ein Asylgesetz zu beschließen, das vor allem die Verfahren beschleunigt. Ich glaube, das wollen wir alle. Das war unser Ziel, das haben wir erreicht, und deshalb stimmen wir diesem Gesetz heute auch zu. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich hätte mir gewünscht, dass die Frau Bundesministerin in ihrem Beitrag vielleicht ein einziges Mal unsere Verhandler namentlich genannt hätte und sich auch bei ihnen bedankt hätte. Ich möchte mich bei Norbert Darabos und Rudi Parnigoni bedanken (Beifall bei der SPÖ) für ihre Hartnäckigkeit und ihre Verhandlungen, die es erst möglich gemacht haben, dass es heute ein Gesetz gibt, dem wir zustimmen können.
Ich möchte nun noch folgenden Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Bayr, Bettina Stadlbauer, Mag. Gisela Wurm, Ulrike Königsberger-Ludwig, Katharina Pfeffer, Dr. Cap, Krainer und KollegInnen betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, einen Kriterienkatalog mit geschlechtsspezifischen Asylgründen zu erstellen, welcher als Richtlinie im Verordnungsweg zu erlassen ist. Unbedingt enthalten sein müssen drohende Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und systematische Gewaltausübung gegen Frauen. Bei der Erstellung des Kriterienkatalogs sollen externe ExpertInnen von in dieser Angelegenheit tätigen NGOs und anerkannte MenschenrechtsexpertInnen beigezogen werden.
Die Bundesministerin für Inneres wird weiters aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese Traumatisierungen bei allen weiteren Verfahrensschritten zu berücksichtigen sind. Insbesondere soll bei traumatisierten Personen keine Zurückschiebung erfolgen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 88 |
Darüber hinaus wird die Bundesministerin ersucht, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen, der den Vollzug des neuen Asylgesetzes im Bereich der traumatisierten Personen analysiert.
*****
Erlauben Sie mir noch einen Schlusssatz. Ich möchte zum Schluss betonen, dass es mir persönlich sehr, sehr wichtig ist, dass wir alle, die wir hier gemeinsam in diesem Hohen Haus sitzen, dazu beitragen, dass in Österreich ein Klima herrscht, in dem Schutz und Würde der Menschen im Vordergrund stehen und nicht die Ängste gegenüber Fremden geschürt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.35
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Bayr, Stadlbauer, Wurm, Königsberger-Ludwig, Pfeffer, Dr. Cap, Krainer ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.
Der
Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der
Abgeordneten Petra Bayr, Bettina Stadlbauer, Mag. Gisela Wurm, Ulrike
Königsberger-Ludwig, Katharina Pfeffer, Dr. Cap, Krainer und KollegInnen
betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen Menschenrechtsverletzungen
im Asylverfahren, eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage
betreffend das Fremdenrechtspaket 2005
Es
gibt eine Reihe von Verfolgungsgründen, die rein geschlechtsspezifisch sind und
von denen eine große Zahl Frauen betroffen ist. Dazu gehören unter anderem die
weibliche Genitalverstümmelung (FGM) und die Zwangsheirat. Diese Verbrechen an
der Menschlichkeit und im speziellen an den Frauenrechten sind hinreichend
politisch bekannt und wissenschaftlich dokumentiert und doch finden sie im
österreichischen Asylrecht nicht die erforderliche Berücksichtigung. Durch
diesen Umstand kann es passieren, dass die Diskriminierung von Frauen und die
Verletzung von Frauenrechten nicht nur im Ursprungsland stattfindet, sondern
ein weiteres Mal in der Vollziehung des Asylgesetzes.
Viele
Frauen, die das Martyrium einer weiblichen Genitalverstümmelung durchlitten
haben, sind traumatisiert und leiden physisch und psychisch. Diese
Traumatisierung führt oft dazu, dass von Seiten der Betroffenen das reguläre
Zustandekommen eines Asylverfahrens nicht gewährleistet ist. Daher ist es
notwendig, traumatisierten Menschen in jedem Fall die Möglichkeit eines
Asylverfahres zu eröffnen.
Die
unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, einen Kriterienkatalog mit geschlechtsspezifischen Asylgründen zu erstellen, welcher als Richtlinie im Verordnungsweg zu erlassen ist. Unbedingt enthalten sein müssen drohende Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und systematische Gewaltausübung gegen Frauen. Bei der
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 89 |
Erstellung des Kriterienkatalogs sollen
externe ExpertInnen von in dieser Angelegenheit tätigen NGOs und anerkannte
MenschenrechtsexpertInnen beigezogen werden.
Die Bundesministerin für Inneres wird
weiters aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese Traumatisierungen bei
allen weiteren Verfahrensschritten zu berücksichtigen sind. Insbesondere soll
bei traumatisierten Personen keine Zurückschiebung erfolgen.
Darüber hinaus wird die Bundesministerin
ersucht, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes dem
Nationalrat einen Bericht vorzulegen, der den Vollzug des neuen Asylgesetzes im
Bereich der traumatisierten Personen analysiert.
*****
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.
Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich war und ist ein Land, das seit vielen Jahrzehnten Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat. Als traditionelles Asylland zeigen wir viel Verständnis für das Leid in der Welt. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben Verständnis und Mitgefühl mit Menschen, die in Not geraten sind.
Ich erinnere an die Flüchtlingsströme nach dem Zweiten Weltkrieg. Mein Großvater, meine Großmutter, mein Vater sowie Hunderte asylsuchende Sudetendeutsche wurden allein in meiner kleinen Heimatgemeinde Kautzen aufgenommen, und es verging kein Jahrzehnt im vorigen Jahrhundert, in dem Österreich nicht Zigtausenden Asylsuchenden zur neuen Heimat geworden ist.
Bedauerlicherweise muss festgestellt werden, dass in den letzten Jahren durch international organisierte Schlepperbanden aus finanziellen Gründen viele Menschen nach Österreich gebracht werden, die keine Asylanten sind oder sogar strafbare Handlungen begehen.
Nach den neuesten Angaben der Flüchtlingsorganisation UNHCR betrug die Anzahl der Asylanträge im ersten Quartal 4 222 Personen. Deutschland mit einer zehnmal höheren Bevölkerungszahl verzeichnete hingegen nur etwas über 6 000 Asylanträge. Eine siebenfach höhere Anzahl an Asylwerbenden pro Einwohner bei uns gegenüber Deutschland zeigt, dass Österreich gegenüber dem rot-grün regierten Deutschland über wesentlich moderatere gesetzliche Regelungen verfügt.
Seit Herbst 2004 wurde im Bundesministerium für Inneres unter Einbindung aller relevanten Ressorts, der Länder, des UNHCR und bedeutender NGOs an der Erstellung eines Entwurfes zur Neudefinition des Asylrechtes gearbeitet, an einem ausgewogenen Paket, mit dem das Asylrecht, das Fremden- und das Fremdenpolizeirecht sowie das Aufenthalts- und Niederlassungsgesetz einer umfassenden Neuregelung zugeführt wurden.
Schwerpunkte des nunmehr vorliegenden Entwurfes sind
erstens: sicherzustellen, dass alle, die schutzbedürftig sind, diesen Schutz auch erhalten;
zweitens: die Verfahren zu beschleunigen;
drittens: Missbrauch abzustellen und, wo erforderlich, auch mit entsprechenden Sanktionen vorzugehen.
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Die zentrale Frage bei der Gewährung von Asyl ist der Grund der Flucht, also ob politische, religiöse Verfolgung oder andere in der Vorlage genau beschriebene Gründe zur Asylgewährung vorliegen. Es ist uns ein Anliegen, jenen, die Hilfe brauchen, diese auch schnell und unbürokratisch zu gewähren. Österreich soll sehr wohl ein gerechtes und geschätztes Asylland sein und bleiben. Es soll jedoch nicht Zielland für internationale Schlepperorganisationen, die lukrative Geschäfte machen wollen, werden.
Meine Damen und Herren! Es ist gewiss, dass es sich hier um eine sehr sensible Materie handelt. In langen und intensiven Gesprächen wurden vielfach mildere, manchmal auch strengere Auslegungen des Verfahrens verlangt. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage wurde ein guter und gangbarer Weg gefunden. (Beifall bei der ÖVP.)
13.38
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Liechtenstein. – Bitte.
13.38
Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin, wenn nötig und berechtigt, stets für die Gewährung von Asyl, aber ein Großteil der Asylwerber kommt wegen materieller Vorteile zu uns. Das wurde heute hier auch schon gesagt. Gemeint ist einerseits die soziale Hängematte, andererseits Bereicherung durch Verbrechen.
Österreichs Bevölkerung ist beunruhigt über die hohe Ausländerkriminalität und besonders über straffällige Asylwerber, die das Gastrecht missachten. Sicherheit hat Vorrang. Das Parlament musste handeln, denn Vertrauen ist die Atemluft der Demokratie.
Das neue Asyl- und Fremdenpolizeigesetz härtet Österreichs Schutzdamm. Der Rechtsstaat muss in diesem Fall auch Stärke zeigen. Wird er zahnlos, kehrt das Gesetz des Dschungels zurück. Der nächtliche Park – die Verunsicherungen sind stark. Weltoffenheit ist Grundlage herausragender Leistungen. Den echten Flüchtlingen, die auf Hilfe angewiesen sind, reichen wir die Hand. Sie finden in Österreich Schutz, Asylbetrüger nicht. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)
13.40
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.
13.40
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat im Bereich des Asylwesens eine lange Tradition, auf die wir stolz sein können, denn kaum ein anderes Land steht Hilfe suchenden Menschen so offen gegenüber wie wir.
Wir haben aber auch eine Verpflichtung der Welt gegenüber, denn es gab eine Zeit, in der Österreich selbst auf fremde Hilfe angewiesen war und viele Menschen nur durch diese überleben konnten.
Die Bilder, die von den Grünen gezeigt wurden, sind Beispiele für einige der bekanntesten Personen, doch – und ich bin froh, das sagen zu können – all diesen Menschen würde mit der heutigen Gesetzesvorlage selbstverständlich auch Asyl gewährt werden. Das steht außer Frage.
Um aber jenen Menschen, die Asyl brauchen, besser helfen zu können, müssen wir eine Handhabe schaffen, die jeglichem Asylmissbrauch einen Riegel vorschiebt. Ich begrüße daher die schnelleren Entscheidungen gegenüber straffälligen Asylwerbern
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und auch die nun möglichen Abwesenheitsentscheidungen, durch die verhindert wird, dass Asylwerber durch gezieltes Untertauchen ein Verfahren verschleppen.
Auch die Entscheidung, dem UBAS mehr Personal zur Verfügung zu stellen, ist der richtige Weg zu einer Entschärfung der Situation. Es ist den Menschen nicht zuzumuten, oft monatelang auf eine Entscheidung warten zu müssen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den wichtigsten Forderungen, auch der Bevölkerung, nämlich Hilfe den Hilfesuchenden, Härte gegenüber den Missbrauchenden und Strafe für Kriminelle entsprochen wird.
Ich möchte unserer Frau Minister gemeinsam, ich glaube, mit über 80 Prozent unserer Bevölkerung für die hervorragende Gesetzesvorlage danken und werde dieser gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
13.42
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.
13.42
Abgeordneter
Christoph Kainz (ÖVP): Herr Präsident!
Frau Bundesminister! Hohes Haus! Eingangs wünsche ich den Abgeordneten Posch,
Trunk, Kuntzl, Muttonen und Einem baldige Besserung, die wahrscheinlich auf
Grund der SPÖ-Klubsitzung ihre Krankheit bereits vor einigen Tagen verspürt
haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Man sieht, dass die Regierung und die
Mandatare der Regierung ihre Aufgaben zum Wohle der Bevölkerung wahrnehmen. Die
Bilder am Beginn der Debatte zum heute vorliegenden Asylgesetz, auf denen die
Grünen verfolgte Personen gezeigt haben, die Asyl bekommen haben, zeigen auch
ihre bewusste Desinformation. (Abg. Brosz: Was ist daran
„Desinformation“?)
Interessant dabei war, als Herr
Abgeordneter Scheibner auf dies hingewiesen hat, dass der SPÖ-Parlamentsklub dazu applaudiert hat. Heute
in der Früh war die „Volkshilfe“ vor dem Parlament, die ja eine Organisation
der SPÖ ist. Auf diesen Bildern ist auch Dr. Bruno Kreisky zu sehen. (Der
Redner hält ein solches Bild in die Höhe.) Sie wissen genau, dass das
Asylgesetz, das wir heute beschließen, genau jenen Personen Asyl gewähren wird,
so wie das auch im Jahre 1938 der Fall war.
Ich freue mich
daher, dass dieses Asylgesetz heute mit großer Mehrheit beschlossen wird, und
danke auch allen, quer durch die Parteien, die hiezu etwas beigetragen haben. (Zwischenruf
des Abg. Brosz.)
Herr Abgeordneter
Brosz, Sie kommen aus demselben Wahlkreis, wissen genau, welche Probleme es mit
der bestehenden Situation gibt, und werden diesem neuen Asylgesetz heute
trotzdem nicht zustimmen. Denken Sie daran!
Bei dieser
Gelegenheit möchte ich mich auch beim Abgeordneten Pendl bedanken. Wir haben im
Arbeitskreis Sicherheit im Februar dieses Jahres mit der Frau Minister viele
Punkte besprochen, wo wir aus der Praxis wissen, dass eine Veränderung
notwendig war, und wir das heute auch dementsprechend beschließen werden, weil
dies eingearbeitet wurde.
Ich möchte mich
an dieser Stelle als Mandatar des Bezirkes Baden, so wie du (in Richtung des
Abg. Brosz) auch einer bist, bei der Bevölkerung von Traiskirchen
dafür bedanken, dass sie letztendlich auch die Last der Asylpolitik in den
letzten Jahrzehnten getragen hat. Aber durch eine gezielte, vernünftige und
praxisorientierte Asylpolitik ist diese Last für Traiskirchen in den letzten
Jahren deutlich besser geworden. – Dafür danke!
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Danke auch an
die Frau Bundesminister dafür, dass sie hier solch einen praxisgerechten
Gesetzestext mit erarbeitet hat. Danke allen, die heute zustimmen werden. Die
Bevölkerung in Österreich weiß, was sie an diesem Hohen Haus und an jenen
Mandataren hat, die heute zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.44
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöls. – Bitte.
13.45
Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Beginn meiner Rede allen danke sagen, die dazu beigetragen haben, dass wir heute in der Lage sind, mit großer Mehrheit ein Asylgesetz zu beschließen, das der guten Tradition unseres Heimatlandes gerecht wird. Ich binde in diesen Dank nicht nur die Frau Bundesminister und ihren Mitarbeiterstab, sondern auch alle Verhandler in den Klubs und in den Parteien ein, weil letztlich die Vernunft bei diesem Kompromiss gesiegt hat.
Allen aber, die heute durch ihr Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen, dass sie mit diesem Beschluss nicht mitgehen können, oder ihren Schmerz über die reale Lebenswelt zu Hause in den Kopfpolster weinen, empfehle ich, dass sie einmal das Gespräch suchen mit jenen, die tatsächlich mit Immigranten zu tun haben, nämlich mit jenen, die im Assistenzeinsatz an der Grenze stehen, mit jenen, die in der Fremdenbehörde arbeiten und Exekutivbeamte sind.
Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird jenen geholfen, die Asyl brauchen! Es kann doch nicht schlecht sein, dass wir der Tendenz zu Scheinehen und Scheinadoptionen entgegenwirken. Es kann doch nicht schlecht sein, dass die Mitwirkungspflicht für die Asylsuchenden verstärkt wird, und es kann auch nicht schlecht sein, dass es in den ersten 20 Tagen nach Stellen des Asylantrags nicht möglich ist, quasi als Tourist durch ganz Österreich zu fahren.
Ich habe mir auch im Hearing die Argumente angehört. Ich muss sagen, für mich war das Argument, das Professor Raschauer vorgebracht hat, in dem die Verpflichtung des Staates hervorgehoben war, wichtiger als alles andere.
Den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen darf ich noch Folgendes sagen: In der „Welt“ von vor vier Wochen hat die grüne Staatssekretärin Uschi Eid in Deutschland die Migrationspolitik ihrer Partei gerügt (Abg. Öllinger: Wir reden aber von der Asylpolitik!) und hat gesagt:
„Die Grünen
müßten ,der Realität in die Augen sehen’ und ,glasklar’ deutlich machen, ,daß
nur der in unser Land kommen und dort bleiben darf, der unsere Werte
respektiert und das Grundgesetz achtet’ (...)“. (Abg. Öllinger: Wir
reden von der Asylpolitik!)
Was für die Grünen in Deutschland Gültigkeit hat, wo rigorosere Bestimmungen herrschen, das sollte auch Ihnen ein Denkanstoß sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sie verwechseln Einwanderung mit Asyl!)
13.47
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. (Abg. Prinz – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Weinzinger –: Begründen Sie, warum Sie nicht mitstimmen!)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 93 |
13.47
Abgeordnete
Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus!
Auf einige Vorredner eingehend, stelle ich mir die Frage, wenn es Ihnen,
insbesondere den Bürgermeistern einiger Gemeinden, so ein Anliegen ist, Traiskirchen
als Flüchtlingslager zu schließen: Vielleicht sagen Sie auch, was Sie mit den
Flüchtlingen machen würden? – Wir Grüne würden vorschlagen, dass man für
jeden Flüchtling eine menschengerechte Unterkunft und ausreichende Versorgung
in jedem Fall sicherstellt. (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte jetzt
kurz auf den Entschließungsantrag eingehen, der gerade eben von der
Abgeordneten Petra Bayr und KollegInnen eingebracht wurde, der ja nicht
unbrisant ist. (Die Rednerin hält ein Exemplar dieses Antrages in die Höhe.)
Erstens freue ich mich darüber, dass unser Vorschlag aus der Ausschussdebatte,
einen Kriterienkatalog für geschlechtsspezifische Asylgründe zu erstellen,
aufgegriffen wird, weil ich das inhaltlich jedenfalls sinnvoll finde, aber ein
bisschen eigenartig ist das schon:
Sie beschließen
heute ein Gesetz, in dem von all dem, was Sie hier jetzt fordern, nichts drinnen
steht. Sie werden diesem Gesetz zustimmen, Sie haben sogar über dieses Gesetz
verhandelt – angeblich ausführlich. Ich meine, vielleicht hätten Sie Ihrem
Chefverhandler, dem Kollegen Darabos, die Liste mitgeben sollen, was er noch
mitverhandeln soll, denn entweder hat er zum Thema Frauen und Schutz von Frauen
vor Verfolgung überhaupt nichts in den Verhandlungen durchgebracht oder –
was ich, ehrlich gestanden, eher glaube – es war nie wirklich Gegenstand
der Verhandlungen, dass Schutz von Frauen vor Verfolgung jedenfalls auch für
die SPÖ in das Gesetz hineinverhandelt gehört.
Dass man dann
aber dazu übergeht und so klammheimlich in einen Entschließungsantrag
hineinschreibt: „Insbesondere soll bei traumatisierten Personen keine Zurückschiebung
erfolgen.“, während man gleichzeitig einem Gesetz zustimmt, in dem genau diese
Schutzklausel für traumatisierte Personen gestrichen wird, das ist – im
besten Falle – schizophren. Seien Sie mir nicht böse! Es fällt mir
manchmal schwer, Ihr Bemühen ernst zu nehmen. Das kann nicht Ihr Ernst sein,
sich das in einer Entschließung zu wünschen, aber gleichzeitig einem Gesetz
zuzustimmen, mit dem das Abschieben von traumatisierten Personen erleichtert
wird. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy
und Dr. Puswald.)
Wir werden diesem Entschließungsantrag
trotzdem unsere Zustimmung geben, weil wir glauben, dass damit dringlich
notwendige Dinge angesprochen werden. Und wir hoffen, dass Sie es damit ein
bisschen ernster nehmen als mit Ihrer Kritik am Asylgesetz in den letzten
Monaten. (Beifall bei den Grünen.)
13.50
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.
Daher gelangen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz, ein Fremdenpolizeigesetz und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden
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sowie das Fremdengesetz aufgehoben wird, samt Titel und Eingang in 1055 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Hlavac, Kolleginnen und Kollegen vor.
Ich werde zunächst über den von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil, dann über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Die Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen haben einen
Abänderungsantrag betreffend Artikel 3 § 115 eingebracht.
Ich
ersuche jene Abgeordneten, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Es ist dies
die Minderheit. Damit abgelehnt.
Wir
kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung
des Ausschussberichtes.
Wer
hiefür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die
Mehrheit. Damit angenommen.
Wir kommen
nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 4 §§ 14 bis 16 des Gesetzentwurfes
in der Fassung des Ausschussberichtes.
Jene
Abgeordneten, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein Zeichen. – Es ist
dies die Mehrheit. Damit angenommen.
Schließlich
komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des
Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um
ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich
stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch
in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches
Zeichen. – Es ist dies ebenfalls mehrheitlich mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1055 der
Beilagen angeschlossene Entschließung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen. (E 120.)
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung von frauenspezifischen
Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 95 |
Ich bitte
jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen
der Zustimmung. (Abg. Silhavy: Kollegin Steibl!) – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.
(Abg. Amon: Kollege Einem stimmt auch nicht
mit!)
Nun
gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten,
seinen Bericht 1056 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.
Bericht des Ausschusses für innere
Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (973 d.B.): Bundesgesetz, mit
dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den
Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das
Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert
werden (ZDG-Novelle 2005) und über den
Antrag 540/A (E) der Abgeordneten
Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und
Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.)
Präsident Dipl.-Ing.
Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu
Punkt 3 der Tagesordnung.
Auf eine
mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Erste Debattenrednerin
ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.
13.54
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das jetzt zum Beschluss vorliegende Zivildienstgesetz und seine Novelle sind ein Desaster, denn eigentlich hätten wir heute ein Zivildienstgesetz beschließen sollen, das eine Verbesserung für Zivildienstleistende darstellt, aber dazu ist es leider nicht gekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesheerreformkommission hat damals festgestellt, dass auch der Zivildienst zu verändern ist. Deshalb wurde die Zivildienstreformkommission eingesetzt. Diese hat von September letzten Jahres bis Ende Jänner gearbeitet.
Am Anfang war eigentlich einiges bereits sehr klar. So wie uns das Ganze vorgestellt worden ist, wie es zu laufen hat und wie auch die Geschäftsordnung gemacht wurde, da war schon klar, was herauskommen soll, nämlich eine Verkürzung des Zivildienstes auf neun Monate und sonst nichts.
Das heißt, diese Kommission war eigentlich nur ein Scheingefecht oder ein Scheininstrument, für die Zivildienstleistenden etwas verbessern zu wollen, denn es war eigentlich klar, was dort passieren soll.
Wir haben wochen- und monatelang gearbeitet, und ich glaube, die Inhalte, die die Grünen eingebracht haben, waren sehr gut. Diese Bewertung stelle nicht nur ich für uns auf, sondern sie wurde auch von Teilorganisationen der SPÖ, von Behindertenorganisationen und von Zivildienstorganisationen mitgetragen. Wir haben dann sogar gemeinsam einen Minderheitsbericht verfasst, in den wir ganz klare Ziele und ganz klare Forderungen hineingeschrieben haben.
Eine Forderung davon war die Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate. Die zweite große Forderung war die Erhöhung des täglichen Verpflegungsgeldes auf mindestens 11,60 € und die dritte große Forderung war, dass man zusätzlich, aber unabhängig vom Zivildienst, den sozialen Dienst ausbauen muss, um dann, wenn die
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Wehrpflicht abgeschafft wird, das Vakuum, das durch die nicht mehr vorhandenen Zivildiener entstehen würde, durch das so genannte freiwillige soziale Jahr zu ersetzen.
Das war die Position der Grünen. Bei der SPÖ gab es ein langes Hin und Her, sie wollte sofort sechs Monate. Sechs Monate seien genug und alles andere sei eine Ausbeutung der Zivildiener, hat es geheißen. Herr Darabos, kennen Sie diesen Ausspruch? – Er stammt von Ihnen.
Wir haben gesagt, wir können das nicht so schnell machen. Schreiben wir in das Gesetz hinein, dass wir die Verkürzung des Zivildienstes in zwei Etappen haben wollen, nämlich Etappe eins, Reduktion auf acht Monate, und nach zwei Jahren, Etappe zwei, Gleichstellung mit der Wehrpflicht, sechs Monate, damit eben die Trägerorganisationen auch die Möglichkeit haben, sich auf die neue Situation vorzubereiten. Es wäre nicht möglich gewesen, dass man von heute auf morgen sechs Monate sagt, denn das hätten die Betreuungsorganisationen nicht leisten können. Wir haben versucht, die SPÖ davon zu überzeugen; es war erfolglos. Sie haben gesagt, auf acht Monate gehen wir nicht mit euch mit, sondern wir wollen gleich nur sechs Monate, ohne Kompromiss, alles andere sei Ausbeutung.
Was liegt heute zur Beschlussfassung vor? – Wir haben eine Zivildienstgesetz novelle, die nicht acht Monate und in einer zweiten Etappe sechs Monate festschreibt, sondern durchgängig neun Monate. Und wir haben heute eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung, die an der Höhe des Verpflegungsgeldes nichts ändert, das heißt, Zivildiener werden auch in Zukunft knapp 6 € an täglichem Verpflegungsgeld bekommen und keinen Cent mehr.
Herr Darabos, ich denke, Sie haben da einige Fragen zu beantworten. Was ist denn aus Ihrer Forderung geworden, dass das Verpflegungsgeld auf mindestens 11,60 € angehoben werden muss? – Heute ist Ihnen das völlig Wurscht! Sie stellen diese Forderung nicht mehr. Sie stellen auch nicht mehr die Forderung, dass der Zivildienst im Endeffekt auf sechs Monate verkürzt werden soll. Sie haben gesagt: Neun Monate sind besser als zwölf.
Den Gedanken haben Sie dann fortgespielt und gesagt: 6 € Verpflegungsgeld sind wahrscheinlich auch besser als 12 €. Wie sonst könnte ich Ihren Beschluss deuten, dass Sie nicht bereit waren, wirklich etwas zur Verbesserung der Verpflegung von Zivildienern beizutragen?
Sie hatten alle Möglichkeiten, Herr Darabos, alle! An Ihnen hängt es, ob die Verfassungsbestimmungen heute hier durchgehen oder nicht. Sie haben allem, was die ÖVP wollte – und das haben wir von Haus aus gewusst –, zugestimmt, ohne auch nur irgendetwas für die Zivildienstleistenden in Österreich zu verlangen oder zu verbessern.
Herr Darabos, ich brauche es Ihnen nicht noch hundertmal zu sagen, Sie haben es von Ihren Vorfeldorganisationen bis zu den gesamten Zivildienstvertretungsorganisationen ohnehin schon hundertmal gehört: Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Herr Darabos, dass Sie neun Monaten zustimmen, und auch nicht für die Tatsache, dass Zivildiener auch in Zukunft gleich schlecht gestellt sind wie jetzt. Da haben Sie Erklärungsbedarf! (Beifall bei den Grünen.)
Ich habe Ihnen das auch schon im Ausschuss gesagt. Dann sind Sie gekommen und haben gesagt: Na ja, wir wissen ohnehin, dass das alles nicht gut ist, aber was sollen wir denn tun? Es ist halt so, wir können nichts machen. – Ja selbstverständlich hätten Sie etwas machen können, Sie müssen ja nicht zustimmen! (Abg. Mag. Darabos: Dann bleibt es bei zwölf Monaten!) – Sie müssen nicht zustimmen! Wenn im Zivil-
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dienstgesetz alles so geblieben wäre, wie es jetzt ist, nämlich bei den zwölf Monaten, und Sie nur ein bisschen politisch geschickt wären, dann hätten Sie das ganze Desaster der ÖVP umgehängt, denn diese hätte nämlich verhindert, dass der Zivildienst verkürzt wird. Sie haben aber keine Forderungen gestellt! (Beifall bei den Grünen.)
Herr Darabos, Sie haben keine Forderungen gestellt. Sie haben im Ausschuss nur gejammert, was Sie nicht alles haben wollen und nicht bekommen, weil Sie es nämlich nicht gefordert haben. Dann sind Sie noch mit einem Entschließungsantrag gekommen, mit dem Sie die Forderungen, die ich jetzt genannt habe, alle eingebracht haben, und haben gesagt: Aber das brauchen wir auch! – Dann hätten Sie es verlangt!
Sie haben es nicht verlangt! Da brauchen Sie nicht zu erwarten, dass wir diesem Antrag zustimmen und damit mehr oder weniger Ihre – unter Anführungszeichen – „Suderei“ unterstützen, nur weil Sie nicht fähig sind, ordentlich zu verhandeln! (Rufe bei der ÖVP: Ah! – Abg. Mag. Darabos: Das ist ja unglaublich!) Das haben Sie verspielt! Das ist vorbei! Ich habe es Ihnen im Ausschuss noch einmal gesagt: Verhandeln Sie das noch ein, Sie haben noch die Möglichkeit! – Aber Sie haben die Zeit bis heute verstreichen lassen und haben gar nichts mehr gemacht. (Abg. Parnigoni: Theresia, das ist ungerecht!)
Was haben Sie gefordert? – Die 17 Verfassungsbestimmungen müssen aufgehoben werden. Wie viele sind denn auf Grund Ihrer Verhandlungen aufgehoben worden, Herr Darabos? – Gar keine, nicht eine einzige! Sie haben wirklich alles verspielt, was es in diesem Bereich zu verspielen gibt.
Ich meine, politisch bleibt das an Ihnen hängen, das ist mir Wurscht, mit dem müssen Sie selbst zurechtkommen, aber die Problematik, die sich daraus ergibt, ist, dass sich die Situation für die Zivildienstleistenden in Zukunft nicht verbessern wird. Das ist das Dilemma und das Desaster, vor dem wir stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe deshalb einen Abänderungsantrag ein, in dem wir noch einmal klarstellen, was sich die Grünen für Zivildienstleistende in Österreich erwarten: eine Verkürzung auf de facto sechs Monate und eine Erhöhung des täglichen Verpflegungsgeldes auf 11,60 € , so wie es die Frau Ministerin, die jetzt nicht da ist, bereits am 22. ... (Abg. Prinz: Die begründet nicht da sein kann!) – Bitte? Ja, ist ja Wurscht. Sie ist nicht da. (Abg. Prinz: Das hat auch eine Begründung!) – Ich habe ja nicht gesagt, dass es bösartig oder schlimm ist, ich habe nur gesagt, dass sie nicht da ist. Die Frau Ministerin hat am 22. Dezember der APA gegenüber bereits gesagt, dass es mindestens 11,60 € Verpflegungsgeld geben wird. Wo sind die denn? – Sie sind nicht da und es wird sie auch nicht geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines – und da gehört die SPÖ inzwischen auch dazu –: Ihnen geht es nur um eines, nämlich darum, dass Sie Billigstarbeitskräfte haben und das mehr oder weniger über die Zivildiener spielen.
Herr Darabos, ich habe es immer gemeinsam mit Ihnen vertreten – das sage ich Ihnen auch noch –, wenn es geheißen hat: Zivildiener dürfen nicht weiter ausgebeutet werden! – Auch das waren Ihre Worte. Aber hiemit haben Sie festgeschrieben, dass Zivildiener weiter ausgebeutet werden, und zwar so lange, solange Sie das haben wollen, weil Sie immer wieder zustimmen. – Es ist halt so.
Ich kann mich noch an Herrn Krainer erinnern, der heute nicht einmal auf der Rednerliste stehen darf, warum auch immer! (Abg. Bures: Bei uns kann jeder auf der Rednerliste sein, der will!) Das ist nicht mein Problem.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 98 |
Was haben Sie versprochen und was haben Sie gehalten? – Sie haben den Zivildienern viel versprochen, Sie haben aber nichts, absolut nichts gehalten!
Ich erinnere Sie
nur an den Minderheitenbericht, den wir in der Zivildienstreformkommission
abgegeben haben. Wissen Sie noch, was da alles drinnen steht? Herr Darabos,
wissen Sie noch, was da alles drinnen steht? (Abg. Mag. Darabos:
Ja!) – Das wissen Sie noch. Und was haben Sie davon umgesetzt? (Abg.
Mag. Darabos: Das werde ich Ihnen nachher sagen!) – Gar
nichts, absolut nichts! (Abg. Parnigoni: Das ist eine falsche
Interpretation!) Ich bin nicht dafür zuständig, wie Sie verhandeln, ob Sie
es können oder nicht und wie gut und wie schlecht. Das ist nicht mein Problem. (Abg.
Gaál: Sie sind so streng! –
Abg. Parnigoni: Seien Sie nicht so streng!)
Herr Darabos, Sie
lassen die Zivildiener im Regen stehen! Sie unterstützen es in Zukunft mit,
Herr Darabos, dass Zivildiener ausgebeutet werden! Vor zwei Monaten hat der
Herr Darabos noch so wie ich gesagt: Man darf Zivildiener nicht ausbeuten! Das
waren seine Worte. Und jetzt ist er dabei, gesetzlich mit zu beschließen, dass
Zivildiener selbstverständlich auch in Zukunft unter denselben Bedingungen
ausgebeutet werden, so wie es bis jetzt der Fall war. (Abg. Gaál: Seien Sie nicht so streng!)
Außer der Reduktion auf neun Monate, die sowieso durchgegangen wäre, weil es vom ersten Tag an klar war – das haben der Herr Vorsitzende und alle anderen nicht bestritten –, dass wir auf neun Monate reduzieren müssen, ist nichts herausgekommen. Sie haben eine wichtige Chance verspielt. Ich weiß nicht, warum Sie die Zivildiener geopfert haben. Sie brauchen es mir auch nicht zu erklären, aber Sie werden es anderen erklären müssen. Ich finde es nur schade, dass Sie die Zivildiener weiterhin ausbeuten, obwohl Sie es waren, der mit mir gesagt hat: Zivildiener dürfen nicht mehr ausgebeutet werden. Sie machen es aber auch in Zukunft. Das ist traurig. (Beifall bei den Grünen.)
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Haidlmayr, Sie haben zwar angesetzt, den Abänderungsantrag einzubringen, nur verlesen haben Sie ihn nicht. Es war nicht beantragt, ihn zu erläutern. Verlesen haben Sie ihn nicht! Da muss ich Sie enttäuschen. Es tut mir Leid. Kommen Sie gerne zurück und verlesen ihn. – Bitte.
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (973 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) und über den Antrag 540/A(E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes (1057 d.B.).
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Regierungsvorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 99 |
Zu Artikel 3
Zivildienstgesetz 1986
1. In Ziffer 5 betreffend § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 5 neu) ist in der Ziffer 1 die Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ zu ersetzen.
2. Die Z 55 lautet wie folgt:
„55. § 28 Abs. 1 lautet:
‘(1) Der Bund hat auf dem Wege der Zivildienstserviceagentur für die Auszahlung der Pauschalvergütung gemäß § 25a und für das Verpflegungsentgelt des Zivildienstleistenden in der Höhe von 11,60 Euro pro Tag Sorge zu tragen. Die Einrichtungen haben für die Leistung der für den Zivildienst erforderlichen Ausbildung, für die Bekleidung samt deren Reinigung und die Beiträge für die Kranken- und Unfallversicherung – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 vorgesehenen Leistungen, aufzukommen.’“
Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
14.09
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.
14.09
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr! Ihnen darf ich schon
mitgeben: Heute ist ein guter Tag für den Zivildienst und vor allem auch für
die österreichischen Zivildiener. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Gott sei Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich der Zivildienst in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Säule in unserem Sozial- und Gesundheitsbereich entwickelt. Es ist eine Art Win-Win-Situation entstanden, sowohl für den Zivildienstleistenden als auch für die einzelnen Trägerorganisationen, weil wir wissen, dass sehr hohe Zufriedenheit bei beiden herrscht.
Wie kam es überhaupt zu dieser Zivildienstgesetz-Novelle? – Seit rund einem Jahr gibt es in Österreich eine breite Diskussion über den Zivildienst. Das haben wir unserem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu verdanken, der im vorigen Jahr eine 42-köpfige Zivildienstreformkommission einberufen hat. Es hat sehr intensive Diskussionen und sehr intensive Sitzungen über den Zivildienst gegeben. Es hat Übereinstimmungen gegeben, aber natürlich auch unterschiedliche Meinungen. Letzten Endes ist es am 27. Jänner dieses Jahres zu einem Beschluss gekommen, bei dem der Bericht und die Empfehlungen mit 25 : 15 Stimmen abgesegnet wurden. Das sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, 62,5 Prozent!
Auf dieser Grundlage basierend hat Frau Bundesministerin Prokop eine Regierungsvorlage erarbeitet. Was sind die wesentlichen Inhalte beziehungsweise die am meisten diskutierten Punkte dieser Vorlage? – Das wesentlichste Thema ist die künftige Dauer des Zivildienstes. Diesbezüglich ist unser Vorschlag und auch jener in der Regierungsvorlage: neun Monate Pflichtdienst, drei Monate freiwillige Verlängerung.
Warum neun und nicht sechs Monate? – Ich möchte das begründen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben eine gewisse Anzahl an tauglichen Jungmännern, zirka 35 000 pro Jahr. Wir wissen vom Bundesheer, dass vor allem in den nächsten Jahren zwischen 22 000 und 25 000 Präsenzdiener pro Jahr für das Bundesheer unbedingt benötigt werden. Wir haben jetzt pro Jahr 10 000 Zivildiener. Ver-
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kürzten wir den Zivildienst um die Hälfte, nämlich auf sechs Monate, würden wir nicht 10 000 Zivildiener, sondern 20 000 Zivildiener benötigen, damit wir unser Gesundheits- und Sozialsystem so aufrechterhalten können, wie es derzeit ist, und das wollen wir. Jeder, der die vier Grundrechnungsarten beherrscht, weiß, dass sich das rein rechnerisch einfach nicht ausgehen kann. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein weiterer Punkt ist, dass vor allem bei den Rettungsorganisationen sehr lange Ausbildungszeiten bei den Zivildienern nötig sind, die bis zu zehn Wochen dauern. Es gibt auch von Blaulichtorganisationen Beschlüsse, die feststellen, dass es bei einer Zeit unter neun Monaten für sie undenkbar ist, Zivildiener zu nehmen. Darauf nehmen wir Rücksicht, weil wir wollen, dass der Zivildienst auch in Zukunft vor allem in diesen Organisationen verbleibt. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein Wort möchte ich noch zum SPÖ-Modell anfügen. Die SPÖ hat zum Schluss vorgeschlagen: sechs plus drei. Das heißt, jene, die den Zivildienst bei den Blaulichtorganisationen leisten, sollen neun Monate Dienst machen, alle anderen sechs. Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie mir nicht böse: Das ist eine Diskriminierung innerhalb der Zivildiener. Dem konnten wir beim besten Willen nicht zustimmen. Das geht nicht, das ist in der Praxis nicht durchführbar. (Beifall bei der ÖVP.)
Der zweite Punkt betrifft die freiwillige Verlängerung um drei Monate. Das soll eine wirkliche Förderungsmaßnahme für die Freiwilligenarbeit sein. Der Zivildiener erhält während dieser freiwilligen Verlängerung 500 € pro Monat auf die Hand. Als Mitarbeiter des Roten Kreuzes weiß ich, dass es im Bereich der Schüler und Studenten viele gibt, die dieses Jahr sehr wohl in Anspruch nehmen werden. Es ist wirklich daran gedacht, dass das eine Förderung der Freiwilligenarbeit sein soll.
Ein sehr wichtiger Punkt und eine sehr wesentliche Verbesserung für unsere Zivildiener ist die Anhebung der Grundpauschale um 70 € auf 256 €. So wird mit den Präsenzdienern gleichgezogen. 70 € mehr pro Monat sollte man schon auch erwähnen. (Beifall bei der ÖVP.)
Das ergibt immerhin Mehrkosten von 8,8 Millionen €. Das heißt, dass dieser Bundesregierung und dem Staat Österreich der Zivildienst sehr wohl etwas wert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Die Zivildienstserviceagentur wird ab 1. Oktober 2005 wieder ins Bundesministerium eingegliedert. Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der jetzigen Zivildienstverwaltungs-GmbH bedanken. Dort wird hervorragend gearbeitet. Es gibt eine sehr rasche und gute Beratung und Betreuung der Zivildiener. – Herzlichen Dank den Mitarbeitern der Zivildienstverwaltungs-, in Hinkunft Zivildienstserviceagentur. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass künftig auch die Praxis für die Zivildiener, die vor allem auch im Sozial- und Gesundheitsbereich tätig sind, angerechnet werden kann. (Abg. Haidlmayr: Auf was?) Es muss hier noch eine GuKG-Novelle folgen, das muss im Gesundheitsbereich noch angepasst werden. Ich habe bereits mit der Frau Ministerin gesprochen. Sie signalisiert diesbezüglich Zustimmung. Ich halte es für wichtig, dass den Zivildienern die Praxis angerechnet werden kann.
Ein strittiger Punkt, auf den Frau Kollegin Haidlmayr sehr intensiv eingegangen ist, ist der Punkt der Verpflegung. Wir wissen, dass es sehr unterschiedliche Situationen bei den Trägerorganisationen gibt. Viele Zivildiener werden verpflegt oder werden sehr kostengünstig verpflegt. Wir haben einen Entschließungsantrag, der aussagt: Sobald das Enderkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, wird die Ministerin per Verordnung eine Mindestgrenze beim Verpflegungsgeld festlegen. (Beifall bei der ÖVP.)
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Die freiwillige Öffnung des sozialen Dienstes für Frauen ist uns ein sehr großes Anliegen, gerade im Hinblick auf die Bürgergesellschaft. Auch dazu gibt es einen Entschließungsantrag, der aussagt, dass ein eigenes Gesetz für die Förderung von freiwilligen sozialen Diensten in Bezugnahme auf das derzeit schon bestehende freiwillige soziale Jahr geschaffen werden soll.
Ich fordere auf, dass man rasch zur Umsetzung kommt, denn diese Parallelstruktur sollte man im Hinblick auf weitere Veränderung betrachtet – nämlich darauf, was mit der Wehrpflicht passiert – schon mit 1. Jänner 2006 starten können. Deshalb ist meine große Bitte, dass die Sozialministerin und die Bundesregierung die nötigen Schritte für das Zustandekommen dieses Gesetzes für das freiwillige soziale Jahr in die Wege leiten.
Zusammenfassend, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich sagen, es freut mich als ehemaligen Zivildiener ganz besonders, dass wir in dieser wichtigen Frage einen breiten Konsens gefunden haben und dass die SPÖ zustimmt. Dafür bedanke ich mich. Das ist positiv und das freut mich.
Die Zweidrittelmehrheit möchte ich noch erwähnen, weil uns angeboten wurde, dass wir sie aufheben sollten. Ich sage eines dazu: Sie ist mit gutem Recht im Jahre 1997 in Fragen des Zivildienstes – vor allem bei der Dauer – in den Verfassungsrang gehoben worden. Das gibt Sicherheit sowohl für die künftigen Zivildienstleistenden als auch für die vielen Hunderten Trägerorganisationen. Denn somit können sie planen, und sie wissen, was ihnen bevorsteht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sie wissen genau, dass das wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde!)
Es gibt auch einen weiteren, dritten Entschließungsantrag, der ganz klar aussagt, dass dieses System nach drei Jahren evaluiert wird. Dann können weitere Maßnahmen für den Zivildienst gesetzt werden.
Abschließend, meine sehr geehrten Damen
und Herren, möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Ministerin Prokop, bei ihren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch bei unseren Klubsekretären, allen
Kollegen im Parlament und vor allem den Experten in der Reformkommission
bedanken. Ich denke, alle waren um eine gute Lösung bemüht. Diese gute Lösung
liegt mit wesentlichen Verbesserungen für die Zivildiener zur Abstimmung vor,
und ich bitte um Ihre Zustimmung. (Rufe bei der ÖVP: Bravo! –
Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
14.18
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, der nachträglich verlesene Abänderungsantrag Ihrer Fraktion, verlesen durch Frau Abgeordnete Haidlmayr, steht bereits mit in Verhandlung; er ist ausreichend unterstützt.
14.18
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Danke für den Applaus! (Abg. Steibl: Der war nicht für Sie! Der war für den August Wöginger!) – Der hat ihn nicht verdient! (Abg. Steibl: Seien Sie nicht so eingebildet! Jeder Applaus ist nicht für Sie!) Das werde ich jetzt im Detail noch ausführen.
Das Grundproblem ist: In drei Jahren wird es etwas ganz anderes zu evaluieren geben, nämlich ob es überhaupt noch einen Zivildienst gibt. Der Zivildienst ist – da liegt der große Irrtum Ihrer ganzen Planungen – nicht das billige Zwangsarbeitsmodell zur Verschleierung des Pflegenotstandes, sondern eng mit dem Präsenzdienst verbunden.
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Sie werden doch nicht ernsthaft nach In-Kraft-Treten von Schengen II und dem Ende des Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres – das ist der letzte sicherheitspolitische Grund für den Präsenzdienst – sagen: Damit es den Zivildienst zur Verbilligung des Pflegenotstandes weiterhin gibt, müssen junge Männer in Österreich zum Präsenzdienst einrücken. Das ist doch völlig verrückt!
Wenn Sie alles zusammenzählen, dann sehen Sie, das ist ja kein billiger Pflegedienst, Krankentransportdienst und so weiter mehr, sondern ein ausgesprochen unsinniges und teures System. (Beifall bei den Grünen.)
Wir wissen, dass viele der jungen Männer, die sich zum Zivildienst melden, das auch tun, weil sie sich sagen: Wenn ich schon gezwungen werde, sechs, acht, zehn, zwölf Monate meines Lebens einen Zwangsdienst zu verrichten, möchte ich wenigstens etwas Sinnvolles machen. – Das ist kein ausreichendes Argument.
Es wird nach Schengen II auch in Österreich zu einer ernsthaften Debatte über die Abschaffung der Wehrpflicht kommen. Wie die Bundesrepublik und viele andere Staaten der Europäischen Union wird auch Österreich früher oder später die Wehrpflicht abschaffen, und dann ist es mit dem Zivildienst automatisch vorbei, weil die Fortführung des Zivildienstes ohne Präsenzdienst menschenrechtskonventionswidrig wäre: Das wäre Zwangsarbeit nach der Menschenrechtskonvention, und das geht nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)
Sie wissen ganz genau, dass wir mit der Änderung der europäischen Sicherheitspolitik auf einen offenen Pflegenotstand hinsteuern, weil es dann plötzlich keine Zivildiener mehr geben wird, und tun so, als ob das kein Problem wäre! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)
Dieses Problem ist absehbar! Mit der Abschaffung des Präsenzdienstes wird aus einem schleichenden und verschleierten Pflegenotstand ein akuter und offener Pflegenotstand. Die kranken, älteren und pflegebedürftigen Menschen haben sich aber etwas anderes verdient als eine kurzsichtige Volkspartei, eine kurzsichtige SPÖ und zwei kurzsichtige freiheitliche Parteien! Das ist der Punkt! (Abg. Dr. Mitterlehner: Finden Sie irgendwann einmal auch etwas Positives?)
Es geht also darum, sich darauf vorzubereiten, dass der Zivildienst rechtzeitig durch ein System qualifizierter Pflege mit engagierten, gut bezahlten und hoch motivierten Menschen ersetzt wird. Insgesamt wird das billiger sein als die Summe aus Präsenzdienst und Zivildienst, und insgesamt werden die älteren und kranken Menschen im Hinblick auf die Qualität der Pflege und Betreuung mehr davon haben. –Das ist einmal das Erste.
Das Zweite: Das ist schon bald eine Selbstverständlichkeit. Ich sage es nur der Ordnung halber, weil ich das auch aus der SPÖ immer öfter höre, aber das ist ja zum Glück nicht unser Problem: Wenn man den Darabos in Verhandlungen schickt, dann kommt ein Problem zurück. (Abg. Bures: Das sagt bei uns niemand!)
Das war beim Asyl so, und das ist auch beim Zivildienst so. Überlegen Sie sich das! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Das ist wirklich nicht unser Problem! Obwohl es uns lieber wäre, wenn die Opposition hier gemeinsam auftreten könnte! Was ist beim Zivildienst geschehen? – Die SPÖ gewinnt beim Verfassungsgerichtshof, verzichtet dann aber auf die Umsetzung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, nützt nicht einmal ihre Zweidrittelmehrheitsbeschaffungsposition aus, gibt nach – vielleicht auf Grund schlechterer Nerven, vielleicht auf Grund irgendwelcher taktischer Kalküle, die Motive dafür sind mir verborgen geblieben – und lässt sich von der ÖVP unter
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Druck setzen, und zwar mit dem simplen und gar nicht besonders starken Argument: Wir schieben euch den schwarzen Peter beziehungsweise die Schuld für eine mögliche Beibehaltung von zwölf Monaten Zivildienst zu.
Da könnte man
doch auch als Sozialdemokratie bei den Positionen nicht nur der eigenen Partei,
sondern auch des Verfassungsgerichtshofes bleiben! Da hätten Sie mit gutem
Gewissen hart bleiben können! Ich weiß nicht, welches politische Kalkül dahinter
steckt, vom Asyl bis zum Zivildienst so öffentlichkeitswirksam umzufallen! (Abg. Dr. Mitterlehner: Sie zerbrechen sich immer den Kopf der anderen!
Sie sollten sich einmal Ihren eigenen Kopf zerbrechen!)
Faktum bleibt,
dass wir in beiden Punkten – und das war vor Monaten noch nicht
abzusehen – eine rot-schwarz-blau-orange Koalition haben, und das ist eine
Koalition, die auf Kosten von Menschenrechten und auf Kosten der Qualität der
Pflege geht und die auch auf Kosten der Zukunft der österreichischen
Sicherheitspolitik geht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)
Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir Grüne viel stärker werden, damit all das endlich nicht mehr eine solche Rolle spielt. Dann wird alles in dieser Republik viel besser. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Parnigoni: Oje, oje, das wird in die Hose gehen!)
14.24
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Abgeordneter Grillitsch, könnten Sie ein bisschen leiser telefonieren? – Danke.
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt fängt der Kampf an!)
14.24
Abgeordneter
Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr
geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Pilz, Ihre
Demagogie in Ehren, aber seien Sie mir nicht böse, wenn ich Ihnen sage: Sie
wissen genau, dass Sie Unrecht haben! Sie haben – das sage ich
Ihnen gleich am Beginn –
nicht die Stärke im Parlament, um eine
Zweidrittelmehrheit im Parlament zu verhindern. Es ist eben so, dass nur die
Sozialdemokratie diese Stärke hat und dass die Sozialdemokratie deswegen auch
für sich selbst abschätzt, wenn es um Zweidrittelmaterien geht, welchem
Gesetzesbeschluss sie zustimmen und welchen Gesetzesbeschlüssen sie nicht
zustimmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage Ihnen gleich am Beginn: Ich werde den Abänderungsantrag auch einbringen. Wissen Sie, wer im Ausschuss für sechs Monate Zivildienst gestimmt hat? – Die Sozialdemokratie! Die grüne Fraktion hat nicht für sechs Monate gestimmt! Das war eine interessante Vorgangsweise im Innenausschuss: Die einzige Partei in diesem Haus, die im Innenausschuss für sechs Monate gestimmt hat, war die Sozialdemokratie! (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)
Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wir werden heute einen Abänderungsantrag einbringen, Herr Präsident, da wir noch immer hoffen, dass die ÖVP bereit ist, in dieser Frage die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung und somit die Zweidrittelmehrheit aufzuheben, weil es aus sozialdemokratischer Sicht nicht erkennbar und verantwortbar ist, dass zwar betreffend Länge des Wehrdienstes eine einfachgesetzliche Regelung möglich ist, dass das aber beim Zivildienst nicht möglich ist, sondern die Zweidrittelmaterie erforderlich ist, hingegen der Wehrdienst sogar mit einer Ministerweisung von acht Monaten auf sechs Monate verkürzt werden kann.
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Ich bringe daher folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Darabos, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes 1057 d. B.
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Regierungsvorlage (973 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Zivildienstgesetz 1986, das Bundesfinanzgesetz 2005 und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (ZDG-Novelle 2005) in der Fassung des Ausschussberichtes 1057 d. B., wird wie folgt geändert:
1. In Art. 3 Z 5 entfällt der Ausdruck „(Verfasssungsbestimmung)“. Folgende Z 5a wird eingefügt:
„5a. (Verfassungsbestimmung) In § 2 (§ 1 neu) entfällt der Begriff „(Verfassungsbestimmung)“ vor dem Abs. 1 und wird der Begriff „(Verfassungsbestimmung)“ jeweils am Beginn der Absätze 1 bis 4 eingefügt.“
2. In der Ziffer 5 betreffend § 2 Abs. 5 (§ 1 Abs. 5 neu) ist in der Ziffer 1 die Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ zu ersetzen.
*****
Das heißt, dass die SPÖ in erster Linie für
die Aufhebung der Zweidrittelmehrheit analog zum Wehrdienst ist und dass die
SPÖ für sechs Monate Zivildienst ist. (Beifall bei der SPÖ. –
Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)
Frau Kollegin Haidlmayr, ich bin ganz persönlich enttäuscht von Ihrer Rede! (Abg. Parnigoni: Genau!) Wir haben Seite an Seite ein halbes Jahr gekämpft. Wir haben ehrlich miteinander gekämpft. Wir haben es ermöglicht, dass es im Gegensatz zur Kommission fürs Bundesheer gemeinsam eine klare Minderheitsmeinung gegeben hat. Wir sind für diese sechs Monate eingetreten. Wir haben Organisationen auf unsere Seite gezogen, die gesagt haben, dass es für sie logistisch schwierig ist, diese sechs Monate durchzuziehen, aber ... (Abg. Haidlmayr: Sie sind umgefallen!) – Nein, wir sind nicht umgefallen! Wir stehen zu den sechs Monaten! Wir bringen das ja hier im Hohen Haus ein.
Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass
neun Monate besser als zwölf Monate sind. Wer immer das nicht zur Kenntnis
nimmt, sieht die Realitäten nicht. Das sage ich Ihnen ganz offen. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)
Ich bin mit der ÖVP in dieser Frage nicht einer Meinung. Aber um Himmels willen, es muss doch jeder in Österreich verstehen, dass neun Monate besser sind als zwölf Monate! Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen! Dass Sie als Partei, die keine Verfassungssperrminorität hat, so dieses Kleingeld wechseln wollen, das sehe ich ein! Es tut mir auch Leid, dass wir einander heute sozusagen ein Match Darabos und SPÖ gegen Grüne liefern! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Missethon.) Aber man muss doch in dieser Frage ehrlich sein!
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Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich habe im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben, mit der ÖVP Dinge ausverhandelt, die über das, was Sie hier einbringen und dem wir auch zustimmen werden, hinausgehen. (Abg. Haidlmayr: Was?) Sie haben in Ihrem Antrag beispielsweise 11,60 €. (Abg. Haidlmayr: Neun Monate, sonst nichts!)
Wir haben mit Frau Minister Prokop ausgemacht – und ich verlasse mich auf die Handschlagqualität –, dass das Verfassungsgerichtserkenntnis festlegt, wie hoch die Verpflegung für Zivildiener sein wird. Das kann auch höher als 11,60 € sein, zumal Sie wie ich wissen, dass im letzten Verfassungsgerichtshoferkenntnis von13,60 € die Rede war. – Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof im Herbst eine ähnliche Regelung verabschieden wird. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)
Zweiter Punkt: Wir haben in den Verhandlungen mit der ÖVP durchgesetzt – und Sie haben den Entwurf in Händen gehabt –, dass es keinen Zivildienst für Frauen gibt und dass es keinen Zivildienst für EWR-Bürgerinnen und EWR-Bürger gibt. (Abg. Haidlmayr: Das wäre sowieso nicht gekommen!) Das hätte nämlich geheißen, dass durch die Hintertür in diesem Bereich Sozialdumping um 400 € X eingeführt worden wäre, dass wir im Sozialbereich ungarische, slowakische, slowenische, polnische „Freiwillige“ – unter Anführungszeichen – in Österreich gehabt hätten. – Die Sozialdemokratie hat durchgesetzt, dass das im Gesetz nicht kommen kann, und darauf bin ich stolz und dazu stehe ich! (Beifall bei der SPÖ.)
Der letzte Punkt: Es hat mich an der Debatte gestört – da bin ich durchaus bei Ihnen –, dass die Frage des Zivildienstes als rein sozialpolitische Frage gesehen wurde. Ich meine, die Frage der Länge des Zivildienstes ist eine Frage der gesellschaftspolitischen Realität und der gesellschaftspolitischen Dimension.
Als ich im Jahre 1987 Zivildienst geleistet habe, hat es noch ein Image gegeben, dass „Drückeberger“ eine der nobelsten Bezeichnungen für Zivildiener war. Die Zivildiener selbst haben sich in den Jahren von 1987 bis jetzt einen Status erkämpft, der eine Gleichbehandlung und Gleichberechtigung mit Wehrdienern gewährleisten sollte, und das ist in der öffentlichen Meinung bereits gewährleistet: 53 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher sagen laut neuesten Umfragen, dass sie für eine Gleichstellung von Zivildienern und Wehrdienern sind, 80 Prozent sprechen sich für eine Verkürzung der Dienstzeiten insgesamt aus.
Ich bin nicht zufrieden mit diesem Paket, das sage ich auch ganz offen. (Abg. Haidlmayr: Dann stimmen Sie nicht mit!) Wenn aber die Sozialdemokratie dagegen gestimmt hätte, dann würden Zivildiener ab dem 1. Jänner 2006 weiterhin zwölf Monate Zivildienst zu leisten haben. (Abg. Haidlmayr: Das ist die Schuld der ÖVP!)
Außerdem haben wir mit der ÖVP eine bessere Verpflegung beziehungsweise mehr Verpflegungsgeld ausverhandelt. Wir haben das Monatsentgelt von 185 € auf 256 € angehoben. Wir haben im Gegensatz zum ÖVP-Vorschlag erreicht, dass der Urlaub nicht bei einer Woche bleibt, sondern zwei Wochen beträgt.
Unter diesen Voraussetzungen und Prämissen können wir diesem Kompromiss zustimmen. Er ist gut für die Zivildiener. Er ist gut für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
14.32
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Darabos, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Prokop. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 106 |
14.32
Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch ganz kurz zu diesem Thema Stellung nehmen.
Ich möchte betonen, dass der als Wehrersatzdienst geschaffene Zivildienst längst eine eigenständige Bedeutung für die soziale Sicherheit und für das zivile und gesellschaftliche Engagement in unserem Lande erlangt hat. Das wissen wir, und das kann ich auch persönlich unterstreichen.
Im vorigen Jahr haben 10 000 Zivildiener bei 1 000 anerkannten Trägern ihre Tätigkeit durchgeführt. Ich weiß auch aus meiner Zeit als Soziallandesrätin, wie dringend Zivildiener heute in verschiedensten Einrichtungen notwendig sind. Ich weiß, was der Zivildiener leistet, ich weiß, was die Hilfe-, Pflege- und Rettungsorganisationen leisten, und ich weiß, dass der Zivildienst für das Funktionieren all dieser Dinge unverzichtbar ist. – Daher habe ich bei meinem Amtsantritt drei Ziele angesprochen und definiert.
Zum einen ist ganz wichtig, den Zivildienst auf ungefähr demselben Stand, in derselben Situation und in der Größenordnung aufrechtzuerhalten, wie er sich heute darstellt, um die soziale Sicherheit auch tatsächlich gewährleisten zu können. Zweitens sind bestmögliche Rahmenbedingungen für die Zivildienstleistenden zu schaffen. Und zum Dritten soll es eine Verkürzung der Zivildienstdauer bei einer eventuellen Verkürzung des Grundwehrdienstes geben.
Wir müssen dabei aber auch die verschiedenen Interessen berücksichtigen und wahrnehmen, um dieses System, das ich am Anfang angesprochen habe, nicht kurzfristig zusammenbrechen zu lassen. Das heißt, es muss die Notwendigkeit für die Trägerorganisationen beachtet werden, und zwar auch im Hinblick auf ein tragbares Verhältnis zwischen Ausbildung und Einsatzzeit. Die Anforderungen, die an die jungen Männer hinsichtlich eines verantwortungsbewussten Umgangs mit ihrer Lebenszeit, aber auch mit ihren Fähigkeiten gestellt werden, sind zu berücksichtigen, und letztlich müssen wir das vor allem auch im Hinblick auf die künftige Sicherstellung solcher Dienstleistungen im Falle einer derzeit allerdings nicht zur Diskussion stehenden Abschaffung der Wehrpflicht im Hinterkopf behalten.
Deswegen soll es auch eine gesetzliche Vorlage geben, die einen freiwilligen sozialen Dienst sicherstellt. Daher war es von Anfang an klar, dass es nicht reicht, den Zivildienst zu verkürzen. Vielmehr muss dieser auch deutlich attraktiver gestaltet werden, wenn seine bisherige Bedeutung auch unter den neuen Rahmenbedingungen aufrechterhalten werden soll.
Ich möchte das in sechs Punkten zusammenfassen:
Erstens: Die finanzielle Leistung an die Zivildiener muss angehoben und mit dem Militärdienst gleichgestellt werden. Es handelt sich hiebei um ein Grundpauschale von 256 €.
Zweitens: Die
Zeit des Zivildienstes soll als gewonnene Zeit für den Einzelnen erlebt werden.
Seine persönlichen Erfahrungen, seine zusätzlichen Qualifikationen, vor allem
hinsichtlich sozialer Kompetenz, sollen deutlich und klar dokumentiert werden.
Das heißt, es sollen ein Kompetenznachweis und ein Praxisnachweis eingeführt
werden. In Zukunft sollen – und daran müssen wir noch weiter
arbeiten – die Kenntnisse und Fähigkeiten, die erworben wurden, dann auch im
praktischen Leben Verwendung finden können. Wir sind diesbezüglich in
Gesprächen mit den Ländern, aber auch mit dem Gesundheits- und
Sozialministerium, um eine eventuelle Anrechnung für künftige Ausbildungen etwa
im Sozial- und Behindertenbereich, in der Alten- und Krankenbetreuung zu
erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 107 |
Vielleicht können wir damit das dritte Ziel erreichen, nämlich dass sich mehr junge Männer verstärkt der sozialen Arbeit zuwenden, denn das werden wir in Zukunft brauchen, um den Pflegebereich tatsächlich aufrechterhalten zu können, eventuell später auch über freiwillige soziale Leistungen.
Viertens ist in diesem Zusammenhang auch ein Anreiz für das freiwillige Engagement jetzt zu schaffen, das heißt, im Anschluss an den Zivildienst soll es die Möglichkeit einer Verlängerung von drei Monaten geben, in welchen der Betroffene eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung hat und die Freiwilligenförderung auf 500 € angehoben wird.
Darüber hinaus wollen wir die Ableistung des Dienstes erleichtern. Wir streben flexiblere und zusätzliche Zuweisungstermine an, damit Beruf und Studium besser planbar werden und vor allem auch die freiwillige Verlängerung leichter wahrgenommen werden kann. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Auch die Zivildienstagentur wird stärker mit dem Servicegedanken für den Zivildienstleistenden, aber auch für die Träger befasst werden, auch sie soll dem Rechnung tragen.
Fünftens: die Dauer des Zivildienstes. Ich halte die Verkürzung auf neun Monate, also um ein Viertel der derzeitigen Zeit, für absolut gerechtfertigt, denn auch die Träger müssen diese Übergangszeit verkraften. Wir müssen bedenken, dass wir jetzt um ein Drittel mehr Zivildiener benötigen, um den heutigen Stand aufrechterhalten und die Leistungen, die ich anfangs angesprochen habe, sicherstellen zu können. Das heißt, wir brauchen in Zukunft auch weiterhin eine ausreichende Zahl von ausgebildeten Zivildienern.
Der sechste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft natürlich auch die Verbesserung für die Trägereinrichtungen, insbesondere Sozial- und Behinderteneinrichtungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch hier dafür danken, dass diese Neufassung möglich war. Ich möchte den Mitgliedern der Zivildienstreformkommission unter dem Vorsitz von Präsidentem Fredy Mayer für die geleistete Arbeit danken: Es wurde ja ein sehr umfangreicher Bericht verfasst. Vor allem möchte ich aber auch allen beteiligten Vertreterinnen und Vertretern der Hilfs-, Pflege- und Rettungseinrichtungen für ihre konstruktiven und auch kritischen Beiträge sowie für ihre Hinweise ein Dankeschön sagen. Schließlich möchte ich den Beamtinnen und Beamten vor allem für die konsequente und professionelle Umsetzung dieses Paketes danken, an dem hier gearbeitet wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vor allem den Parlamentsfraktionen für die aktive Beteiligung an diesem Erneuerungsprozess ein Dankeschön sagen. Wir haben versucht, alle Meinungen ernsthaft zu prüfen, in den Entscheidungsprozess einzubinden und nach größter Machbarkeit auch umzusetzen. Der Zivildienst wird, wie es verfassungsgemäß vorgesehen ist, auf der Grundlage eines breiten parlamentarischen Konsenses verkürzt und gleichzeitig wesentlich attraktiver gestaltet. Damit glaube ich – und ich bin überzeugt davon –, dass ein wichtiger Beitrag für die soziale Sicherheit auch im Interesse der Zivildiener geleistet werden kann. Ich möchte noch einmal ein herzliches Danke für den breiten Konsens sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
14.40
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 108 |
14.40
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich richte mich vor allem an die Damen und Herren von der SPÖ! Ich wollte Herrn Darabos etwas sagen, aber er ist leider nicht mehr da. Ich frage mich nämlich schön langsam, ob es sich eigentlich für Sie lohnt, dass Sie immer mit den Grünen Anträge stellen, dass Sie applaudieren, dass Sie immer wieder Aktionen mit den Grünen machen. Sie müssten schön langsam einsehen, dass es sich nicht lohnt. Besser wäre es, wenn Sie mit uns gemeinsam Politik für Österreich machen würden, anstatt weiterhin mit den Grünen zu arbeiten.
Sie glauben immer, Sie haben an den Grünen einen guten Freund gefunden. Herr Darabos bettelt fast, dass Frau Haidlmayr seinen Standpunkt versteht, aber das wird sie nie tun. Wie gesagt, Sie haben keinen Kumpel gefunden, der mit Ihnen durch dick und dünn geht, sondern Sie haben eine Partei gefunden, die nur ihre eigene sehr enge Sicht durchsetzen möchte und jeden anderen durch Sonne und Mond haut, der nicht mitgeht. Merken Sie sich das, mit uns haben Sie einen viel treueren Partner als mit den Grünen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Frau Abgeordnete Haidlmayr, keiner von den Zivildienern wird „ausgebeutet“, wie Sie sagen. Ausbeuten ist nämlich etwas Rechtswidriges. Und Sie werden doch wohl nicht sagen, dass Präsenzdienst und Zivildienst rechtswidrig sind! Wenn Sie schon meinen, dass das etwas Ausbeutungsähnliches ist, dann folgt daraus, es ist auch der Präsenzdienst eine Ausbeutung. Aber am Präsenzdienst rütteln Sie persönlich nicht. Herr Abgeordneter Pilz hat gesagt, es werde ihn bald nicht mehr geben, was möglicherweise stimmt, aber wir reden darüber, was jetzt geschieht, was jetzt zu planen ist. Für die Zukunft werden wir uns dann einstellen.
Wie gesagt: Wenn man diese Meinung hat, dann muss man sagen, dass jede Leistung an der Allgemeinheit eine Ausbeutung ist. Die jungen Männer, die Präsenzdienst leisten, leisten einen Dienst an der Allgemeinheit und diejenigen, die Zivildienst leisten, ebenfalls.
Zur Gleichstellung: Ich weiß schon und sehe das auch ein, dass diejenigen, die sich zum Zivildienst entschlossen haben, gerne gleich lang dienen möchten wie diejenigen, die Präsenzdienst leisten. Aber ich sage das jetzt noch einmal – wir haben in diesen vielen Sitzungen all unsere Standpunkte bereits dargelegt –: Der Zivildienst ist kein Alternativdienst. Ich kann nicht sagen, ich mache entweder Präsenzdienst oder Zivildienst, sondern er ist ein Ersatzdienst. Und da mit diesem Ersatzdienst gewisse – ich würde nicht Erleichterungen sagen – andere Bedingungen verbunden sind als mit dem Präsenzdienst, ist es gerechtfertigt, dass der Zivildienst länger dauert.
Der Präsenzdiener hat eine Uniformtragepflicht, er ist kaserniert und unterliegt einem ganz strengen Disziplinargericht. Bei bestimmten Verfehlungen kann er sogar strafgerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Schütteln Sie nicht den Kopf, Frau Haidlmayr, das stimmt ganz einfach. Das heißt also, dass die Erschwernisse, die der Präsenzdiener hat, durch den längeren Zivildienst sozusagen abgegolten werden sollen. Und schließlich ist auch noch der Aufgabenbereich anders. Der Präsenzdiener wird für den Ernstfall ausgebildet, und Ernstfall heißt, dass er sein Leben riskiert für sein Heimatland, für die Gemeinschaft. All das findet sozusagen seinen Ersatz darin, dass der Zivildiener etwas länger dienen muss. Der Präsenzdiener und der Zivildiener sind also nicht in der gleichen Lage, sondern da gibt es gravierende Unterschiede.
Bei aller Wertschätzung, die ich der Arbeit der Zivildiener entgegenbringe, muss man diese Unterschiede akzeptieren, und man muss auch berücksichtigen, dass sie ihre Arbeit für längere Zeit verrichten müssen.
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Ich komme jetzt auch auf die Dauer zu sprechen, darauf, was von Seiten der Trägerorganisationen dazu gesagt wurde. Das Rote Kreuz und auch die Lebenshilfe haben gesagt, zwölf Monate waren ideal für sie, weil die Zivildiener eine außerordentlich wichtige Aufgabe erfüllen. Unser gesamtes Sozialsystem könnte ohne Zivildiener nicht existieren, das muss man zugeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Zwölf Monate waren gerade ausreichend. Man darf nicht vergessen, diese Menschen müssen eingeschult werden, müssen sich eingewöhnen und so weiter. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) – Frau Haidlmayr, Sie waren lange genug am Rednerpult, jetzt lassen Sie bitte mich einmal reden!
Die Organisationen haben gesagt, neun Monate seien das Äußerste, womit sie noch einverstanden sein könnten. Zehn Monate wären einigermaßen gegangen, neun Monate funktionieren mit Ach und Krach. Und Sie wollen jetzt noch weiter verkürzen, das hieße, den ganzen Zivildienst für die Organisationen sinnlos zu machen, denn sechs Monate sind viel zu kurz. Dazu kommen noch die Ausbildungszeit und die Eingewöhnungszeit, das heißt, es bleibt gerade ein Monat, an dem Mann oder an der Frau zu arbeiten, und das bringt es ganz einfach nicht. Das heißt also, diese neun Monate sind eine sinnvolle Lösung, ein Kompromiss.
Frau Abgeordnete Haidlmayr, Sie haben gesagt, es hätte sich für den Zivildiener überhaupt nichts geändert und das sei negativ. Sie vergessen – nein, Sie vergessen nicht, sondern Sie machen es mit Absicht –, Sie erwähnen mit Absicht nicht, dass sein Taggeld mit dem des Präsenzdieners gleichgestellt ist. Das heißt, dass das eine ungeheure Aufwertung ist, dass er viel mehr Geld bekommt als in der Vergangenheit. Aber all das ist für Sie nichts. Das kostet Millionen, aber für Sie ist all das nichts. – Nehmen Sie doch einmal auch diese Verbesserungen zur Kenntnis, Frau Abgeordnete!
Sie reden immer wieder von der Verpflegung und verlangen einen Betrag, den der Präsenzdiener nur in Ausnahmefällen bekommt. Der Präsenzdiener bekommt 3,40 € pro Tag, also am Samstag und am Sonntag und so weiter. Wenn er sich auf Befehl von der Garnison entfernt, dann bekommt er das Vierfache, nämlich 13,6 €. Aber ich habe schon im Ausschuss gesagt, das Wort „Befehl“ würden Sie für einen Zivildiener nie akzeptieren. Der Präsenzdiener bekommt aber, wie gesagt, nur mehr Geld auf Befehl. Er geht nicht freiwillig weg von der Garnison (Abg. Parnigoni: Der Zivildiener auch nicht!), sondern nur auf Befehl, und dann bekommt er das Vierfache.
Lassen Sie die Kirche im Dorf, und vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen, sondern sehen Sie das Positive! (Abg. Gaál: Die Kirche kann nichts dafür!) Und bei der Verpflegung ist der Zivildiener noch immer besser gestellt als der Präsenzdiener.
Schließlich möchte ich noch etwas Positives
erwähnen: Die Rechtsträger bezahlen eine monatliche Vergütung an das
Bundesministerium. Und dabei ist uns etwas gelungen, was wirklich großartig
ist, und dafür möchte ich mich auch bei der Frau Ministerin bedanken. Es geht
nicht darum, dass es noch immer drei Stufen gibt. (Die Rednerin dreht sich
um zur Ministerbank, auf der nur Bundesminister Platter sitzt.) – Sie
sind jetzt da! (Abg. Gaál: Er wirbt für den Wehrdienst!)
Es gibt noch immer drei Stufen, das gefällt mir nicht, aber die sozialen Organisationen bekommen jetzt 310 € statt bisher 218 €, und das wird die sozialen Organisationen sehr erleichtern. Natürlich muss es unser Ziel sein, dass wir von diesen drei Stufen weg und auf eine Stufe kommen, damit alle dasselbe bekommen beziehungsweise dasselbe bezahlen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben monatelang verhandelt, stundenlang sind wir mit allen Experten, Vertretern von Trägerorganisationen und so weiter
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zusammengesessen. Das ist jetzt ein Kompromiss, der tragbar ist. Frau Kollegin Haidlmayr! Machen Sie nicht wieder wie in Ihrer gewohnten Weise alles schlecht und alles kaputt, denn damit säen Sie nur Unfrieden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haidlmayr: Ich unterstütze die Zivildiener!)
14.49
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.
14.49
Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt beginne, bringe ich folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen zum Ausschussbericht (1057 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (ZDG-Novelle 2005)
Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
In Artikel 3 Z 98 lautet § 76c Abs. 21:
„(21) Die §§ 2a samt Überschrift, 4 Abs. 4 Z 3 und Abs. 6, 5 Abs. 1 und 2 mit Ausnahme des Klammerzitats (§ 1 Abs. 2), 3 und 4, 5a Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1 dritter und vierter Satz sowie Abs. 3 Z 3 samt Schlusssatz und Abs. 4, 8, 8a Abs. 1 und 6, 10 Abs. 3, 11 Abs. 2, 12 Abs. 2, 13 Abs. 1, 3 und 4, 13a Abs. 2, 14 Abs. 1, 2 und 5, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, 17, 18, 19, 19a Abs. 5, 19b Abs. 1 und 2, 21 Abs. 1 und 4, 23 Abs. 3 und 4, 23c Abs. 1, 28a Abs. 2, 31 Abs. 4 und 8, 32 Abs. 1, 2 und 4 bis 6, 32a Abs. 1, 34 Abs. 1 bis 3, 34b Abs. 1 Z 2, Abs. 2 und Abs. 3, 37b, 37c, 37d mit Ausnahme des Abs. 5, 38 Abs. 5, 39 Abs. 1 Z 1, 2 und 3, 40, 51 Abs. 3, 56, 57a Abs. 1, 2 und 4, 75a und 76e in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2005, Art. 3 treten mit 1. Oktober 2005 in Kraft. Die Klammerzitate (§ 1 Abs. 2) in § 5 Abs. 1 und 2, die §§ 4 Abs. 5 und 5a, 5a Abs. 1 Z 3 und Abs. 3, 6 Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie der erste Halbsatz des Abs. 3, 7a samt Überschrift, 23a Abs. 2, 25a Abs. 2 Z 1, 28 Abs. 2 und 4, 31 Abs. 3, 37, 37d Abs. 5, 41 samt Überschrift, die Überschrift zu Abschnitt VII, 43, 44 Abs. 1 und 2, 45, 46, 47 Abs. 1 bis 4, 49 Abs. 1, 50, 51 Abs. 1, 53, 54 Abs. 1 und 2, 55 Abs. 4 und 5, 57a Abs. 3 und 75 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2005, Art. 3, treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft.“
Begründung:
Die Änderung des § 6 Abs. 3 ZDG in zwei Novellierungsanordnungen (Z 19 und 20) bedingt zwei unterschiedliche In-Kraft-Tretenstermine, da die Z 3 samt Schlusssatz (Z 20) analog zu § 5 Abs. 5 am 1. Oktober 2005 und die Umbenennung des Zivildienstrates in Zivildienstbeschwerderat (Z 19) analog der übrigen Anordnungen (siehe Z 77ff) am 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll.
*****
(Beifall bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 111 |
Geschätzte Damen und Herren! Diese Vorlesung hat jetzt ergeben, dass ich zum heutigen Tagesordnungspunkt Zivildienst nichts mehr anfügen kann.
Ich sage nur abschließend: Es war und ist ein vernünftiger Kompromiss, und diesem Zivildienstgesetz kann jederzeit zugestimmt werden. (Beifall bei der ÖVP.)
14.54
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihr ausgezeichnet verlesener Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.
14.54
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bei dieser Vorlage geht es um die Zivildienstdauer von zwölf Monaten oder sechs Monaten. Das Zweite war die Frage, ob eine Zweidrittelmehrheit bei Abstimmung über die Dauer des Zivildienstes notwendig ist oder nicht. Für mich ist es unverständlich und auch zutiefst bedauerlich, dass die Österreichische Volkspartei im Ausschuss die Zustimmung zu einem Antrag auf Verkürzung der Dauer des Zivildienstes auf sechs Monate verhindert hat. Diese Regelung wäre analog zum Wehrdienst, weil Zivildienst schlussendlich Wehrersatzdienst ist.
Weiters ist auch nicht verständlich, dass auf der einen Seite der Minister, der hinter mir sitzt, die Möglichkeit hat, die Dauer des Wehrdienstes mittels Verordnung, Erlass zu verkürzen, aber wir im Parlament brauchen eine Zweidrittelmehrheit dazu. – Auch das ist mir unverständlich, und das versteht niemand. Schlussendlich müssten doch Wehrdienst und Wehrersatzdienst zumindest in diesen Bereichen gleich behandelt werden.
Meine Damen und Herren! Was mich noch
erschüttert, ist – und das sei der ÖVP ins Stammbuch geschrieben –
die Vorgangsweise bei der Schaffung der Zivildienstserviceagentur. In letzter
Zeit hat die ÖVP mit ihrem willfährigen Partner einerseits Tausende Planstellen
im öffentlichen Dienst und auch im Innenministerium eliminiert, man hat also
Beamtendienststellen gestrichen, streicht auch in diesem Budgetjahr
Beamtendienststellen und wird dies auch im Jahr 2006 tun, aber andererseits
holt man für diese Zivildienstserviceagentur Mitarbeiter von außerhalb zur
Erfüllung dieser Aufgabe in das Ministerium. Das ist in Wirklichkeit eine
Desavouierung aller Beamtinnen und Beamten im Innenministerium, denen man de
facto damit signalisiert, dass sie anscheinend unfähig sind, diese Aufgabe zu
erfüllen. (Abg. Haidlmayr: Herr Parnigoni, Sie stimmen aber zu!)
Meine Damen und Herren von der ÖVP, das ist schon ein starkes Stück, und das macht es mir wirklich schwer, meine Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage zu geben!
Zum Dritten darf ich Folgendes festhalten: Ich stimme deshalb zu, weil es gelungen ist, doch eine Reihe von Verbesserungen zu schaffen, die schon angesprochen worden sind. Es ist ein Unterschied, ob die Dauer zwölf Monate oder neun Monate beträgt. Diese neun Monate sind auf Grund der Verfassungsbestimmung nur dann möglich, wenn die SPÖ zustimmt. Es ist auch die Pauschalvergütung auf 256 € erhöht worden.
Es ist auch ein Erfolg der Sozialdemokraten, dass der Urlaub, der vorher nur mit einer Woche festgesetzt war, auf zwei Wochen erhöht wird. Das heißt also, in Wirklichkeit dauert der Zivildienst achteinhalb Monate. Es ist ein Erfolg, dass wir uns politisch darauf geeinigt haben, meine Damen und Herren, dass, wenn das Verfassungsgerichtshoferkenntnis im Herbst vorliegt, es zu einer Entscheidung hier im Haus kommen wird und wir diesem Erkenntnis folgen werden. Dann werden wir beim Taggeld eine vernünftige Lösung treffen und auch eine entsprechende finanzielle Absicherung der Zivildiener vornehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 112 |
Zum Schluss: Frau Kollegin Partik ist im Moment nicht da, aber ich möchte ihr schon – du richtest es ihr aus, danke – Folgendes sagen: Wir verhandeln natürlich auch mit den Grünen, und wir wollen auch die Grünen von unseren Standpunkten und unseren Positionen überzeugen. Aber es ist manchmal schwierig – Kollegin Partik kommt gerade in den Saal –, das möchte ich Ihnen schon sagen, Frau Kollegin Partik-Pablé ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) – Ja, ich habe es versucht!
Ich möchte Ihnen sagen: Seit Sie mit der ÖVP mitklatschen, haben Sie Ihre Mandatszahl von 52 auf 18 minimiert, und nach den Meinungsumfragen tendiert das gegen null. Ob das eine besonders erfolgreiche Politik ist, wage ich auch zu bezweifeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Was hat das mit dem Thema zu tun?)
14.59
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fauland. – Bitte.
15.00
Abgeordneter
Markus Fauland (Freiheitliche): Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Parnigoni, es freut mich ja, dass Sie
sich um uns Sorgen machen, aber Sie werden eines Besseren belehrt werden. (Abg. Parnigoni:
Das ist das demokratische Verständnis!)
Was das Thema Ausschließen betrifft: Ich
glaube, das ist mehr mit der SPÖ besetzt, denn wir sind dafür bekannt, mit
jedem zu sprechen; Sie hingegen haben das, glaube ich, schon einmal etwas
anders artikuliert. (Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)
Nun aber zum eigentlichen Thema: Was den
Zivildienst betrifft, so vergisst man immer wieder – und das ist auch in
den heutigen Redebeiträgen zum Ausdruck gekommen –, woher sich der
Zivildienst an sich ableitet: und zwar vom Wehrrecht. Er bietet eine
Alternative für all jene jungen Österreicher, die sich gegen das Bundesheer und
für den Zivildienst entscheiden. Nichtsdestotrotz liegt die Notwendigkeit der
Existenz eines Zivildienstes im Wehrdienst begründet. (Abg. Dr. Pirklhuber:
Die Betroffenen sehen das ganz anders!)
Somit ist es auch wichtig, dass hinsichtlich der Priorität zuerst der Wehrdienst zu sehen ist und dann eigentlich erst der Zivildienst. – Zumindest hat das der Gesetzgeber so vorgesehen. Daher auch die unterschiedliche Dauer: Die Priorität liegt darin, dem Bundesheer vorrangig einmal die notwendige Anzahl an freiwilligen jungen Rekruten und Rekrutinnen zuzuführen und erst in zweiter Linie den Bedarf im Zivildienst zu decken.
Dass sich jedoch im Laufe der Jahre der Bereich der Zivildiener zu einem – ich würde fast sagen – Wirtschaftszweig entwickelt hat, der aus dem sozialen Bereich nicht mehr wegzudenken ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt und wird, sollte es einmal Diskussionen über die Abschaffung der Wehrpflicht geben, zu einem Problem werden, über das man sich dann auch frühzeitig unterhalten wird.
Was mich aber nicht erfreut und eher bestürzt, ist die Aussage des Kollegen Pilz, der hier verlauten hat lassen, dass man, wenn es schon einen Zwangsdienst in Österreich gibt, zumindest Zivildienst machen soll, da der Präsenzdienst ja nichts wert ist.
Gegen diesen Vorwurf verwahre ich mich absolut im Namen all jener, die sich freiwillig für den Dienst im Bundesheer entscheiden, denn das haben sich diese Leute nicht verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Zusammengefasst: Die Reduktion des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate ist gerade noch vertretbar, einerseits was die Organisationen betrifft, andererseits aber was die Notwendigkeit eines Unterschiedes zwischen Zivildienst und Bundesheer
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 113 |
betrifft, um dem Hauptzweck nachzukommen – der Verteidigung des Landes im Rahmen des Wehrdienstes. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.02
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. 3 Minuten Redezeit wird wunschgemäß eingestellt. – Bitte.
15.02
Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich muss schon sagen, es ist für einen jungen Menschen eine große Freude, gerade während der letzten Tage und auch Wochen hier im Hohen Haus tätig zu sein. (Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Regler.) Wir haben erst jüngst den Präsenzdienst auf sechs Monate verkürzt, heute verkürzen wir den Zivildienst, und Ende der Woche besprechen wir noch große Bildungspunkte, die Auswirkungen für junge Menschen haben. – Da sieht man, dass das österreichische Parlament und diese Bundesregierung wirklich jugendgerechte Politik betreiben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich war selbst Mitglied der Zivildienstreformkommission, und ich glaube, dass das, was heute vorliegt, ein sehr vernünftiger Kompromiss und erste gute und wichtige Schritte in die richtige Richtung sind. Eine Verkürzung des Zivildienstes um 25 Prozent stellt eine Gleichstellung dar, die wir auch beim Präsenzdienst vorgenommen haben. – Auch da wurden 25 Prozent der Zeit gekürzt.
Die Dauer allein ist es aber nicht, sondern es gibt noch zahlreiche andere Verbesserungen wie zum Beispiel einen Anreiz für jene, die sich entscheiden, länger Zivildienst zu leisten. Sie werden in Zukunft 500 € im Monat erhalten, und ich glaube, das ist wirklich ein deutliches Signal und eine Chance für all jene, die sich entscheiden, einen Sozialberuf in Angriff zu nehmen.
Diese haben dann noch die Möglichkeit, für ihren späteren Beruf ein Zeugnis beziehungsweise eine Bestätigung für den geleisteten Zivildienst zu bekommen, der natürlich als Dienst- und Praxisnachweis gilt.
Aber auch die Grundvergütung wird analog zum Präsenzdienst um 71 € angehoben. Das sind dann in Summe 256 € für jeden Zivildiener. – Pro Jahrgang sind das eine ganze Menge, nämlich 10 000 an der Zahl.
Es wird für junge Menschen in Zukunft auch die Möglichkeit geben, eine Anlaufstelle zu kontaktieren, wenn es Probleme gibt, nämlich eine Beschwerdestelle, die beim Bundesministerium für Inneres eingerichtet ist: die Zivildienstserviceagentur. Ich glaube, dass das – analog zum Bundesheer, wo es ja eine Bundesheerbeschwerdekommission gibt – der richtige Schritt ist.
Nach drei Jahren
wird evaluiert, und ich bin auch der Frau Ministerin sehr dankbar dafür, dass
sie sich dieser Evaluierung unterzieht, denn ich glaube, erstens kann sich die
Zeit bis dahin verändern, und zweitens muss man auch immer auf Verbesserungen
und Neuigkeiten aus sein. (Abg. Lackner: Das Gesetz wird evaluiert, nicht die Ministerin!)
Was dann in Richtung Verpflegungsentgelt oder in Bezug auf eine weitere Verkürzung passiert, ist offen. Jetzt ist der richtige Weg in Angriff genommen worden, und ich glaube, wenn wir diese Woche – wie ich eingangs gesagt habe – erfolgreich hier im Hohen Haus bestreiten, wissen die jungen Menschen wieder einmal zu schätzen, wie
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wichtig es ist, dass es jemanden in diesem Land gibt, der Politik für junge Menschen gestaltet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.05
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Gaál. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.
15.05
Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! 30 Jahre Zivildienst waren ein steiniger Weg. Frau Haidlmayr, Sie waren immer eine sehr erfolgreiche Vertreterin der Interessen der Zivildiener. Wir kennen einander schon sehr lange, und ich war 1974 dabei, als man diese Abteilung im Innenministerium aufbaute – eine Initiative der SPÖ.
Kreisky hat das damals versprochen, weil es darum gegangen ist, nicht ein Land von jungen Österreichern mit Vorstrafen zu werden, sondern dass diese jungen Menschen, die bei der Leistung des Präsenzdienstes in Gewissensnot geraten, einfach die Chance haben, einen Wehrersatzdienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten und nicht vor dem Strafrichter zu landen. Es ist aber darauf zu achten, dass die Schlagkraft und die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres dadurch nicht geschmälert werden.
Es wurde sehr viel von „Drückebergern“ gesprochen, man sagte, das seien keine „richtigen“ Männer und Ähnliches mehr. Die Zivildiener haben aber gekämpft, und ihnen ist da Großartiges gelungen. Sie leisten einen guten Dienst für die Gemeinschaft, ihre Arbeit dient dem allgemeinen Wohl, ist notwendig und nützlich. Sie helfen, wo Hilfe notwendig ist, und sie verdienen Lob und Anerkennung, aber auch faire Bedingungen bei ihren Dienstleistungen.
Dem muss man Rechnung tragen und dem haben wir Rechnung getragen. Sie sind da sehr streng, Frau Haidlmayr, wenn Sie von Ausbeutung sprechen, denn es wurde heute immer wieder gesagt ... (Abg. Haidlmayr: Das hat der Herr Darabos gesagt! Das ist eine Aussage von Herrn Darabos!) – Da hat er Ihnen halt einmal nach dem Mund geredet, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen, „Ausbeutung“ ist schon ein sehr hartes und strenges Wort.
Es gibt Verbesserungen, die sich sehen lassen können. Es gibt immerhin 256 € im Gegensatz zu 185 € und – bei freiwilliger Weiterverpflichtung – 500 € pro Monat. Ich persönlich hoffe natürlich, dass sich die jungen Österreicher eher für den Wehrdienst entscheiden, so sehr auch im Rahmen des Zivildienstes sehr wichtige Arbeit geleistet wird.
Frau
Bundesministerin, wir finden geänderte sicherheitspolitische Gegebenheiten in
unserem Land vor: Die Bedrohung von außen fällt weg, und das wirkt sich eins zu
eins auch auf das österreichische Bundesheer aus. Das war sicher auch mit ein
Grund dafür, dass wir den Grundwehrdienst auf sechs Monate verkürzt
haben – aber leider nur per Ministerweisung. Wir sind ja dafür
eingetreten, das rechtlich zu verankern und mehr Rechtsicherheit zu schaffen. Das
ist bis dato nicht gelungen. (Abg.
Dipl.-Ing. Regler: Das ist
schon im Gesetz!)
Aber diese „Friedensdividende“ – wie ich sie bezeichne – für die Grundwehrdiener sollte doch auch für die jungen Österreicher zum Tragen kommen, die Zivildienst leisten. Es ist schwer erklärbar, dass man dem nicht nachkommt. Wir haben uns sehr bemüht und sind nun diesen Kompromiss eingegangen, weil es tatsächlich stimmt: neun Monate sind besser als zwölf Monate.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 115 |
Wir wollten die Diskussion nicht auf dem Rücken der Zivildiener austragen, sodass es bei diesen zwölf Monaten bleibt, denn es widerspricht ja der Philosophie des Zivildienstes, wenn man sagt, es rechnet sich für die Trägerorganisationen dann nicht mehr, wenn es nicht mindestens diese neun Monate gibt. Da müsste man eben andere Rechtsträgereinrichtungen suchen, denn die Philosophie des Zivildienstes ist doch, dass jemand, der bei Leistung des Präsenzdienstes in Gewissensnot gerät, die Chance hat, einen Wehrersatzdienst zu leisten. Da wäre uns, so glaube ich, gemeinsam sicher einiges gelungen, wenn wir flexibler gewesen wären, Frau Bundesministerin!
Daher hoffe ich, dass wir uns künftig doch verstärkt in Richtung der sechs Monate bewegen werden. Wir halten unsere Forderungen aufrecht, betrachten diese neun Monate als ersten Schritt in die richtige Richtung und sehen in dem vorliegenden Kompromissvorschlag die Bemühungen um eine gemeinsame Lösung. Jetzt haben wir ein erstes Etappenziel erreicht und werden daher dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.10
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.
15.10
Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Kollegin Haidlmayr, es geht bei dieser Zivildienstgesetz-Novelle nicht um Scheingefechte, es geht nicht um Billigarbeitskräfte, und es geht auch nicht um ein unsinniges, teures System, wie Kollege Pilz in den Raum gestellt hat, sondern es geht um 10 000 junge Menschen, welche ehrlich Zivildienst leisten, und es geht um 1 000 soziale Einrichtungen in Österreich.
Mit dieser Novelle stellen wir sichern, dass es auch in Zukunft soziale Dienstleistungen gibt, welche junge Menschen erbringen, dass es beim Zivildienst kalkulierbare Rahmenbedingungen gibt und dass auch Zivildienstpflichtige besser gestellt beziehungsweise den Wehrdienern gleichgestellt werden. Es gibt eine Verkürzung, eine Erhöhung der Grundpauschale, flexible Zuweisungstermine und natürlich auch mehr Service für die Zivildiener durch die neue Bundesagentur.
Ich möchte an
dieser Stelle erwähnen, dass die Zivildienstserviceagentur sehr massiv
kritisiert wurde, als wir sie hier beschlossen haben. Aus der Praxis kann man
nun behaupten und diese Kritik daher richtig stellen, dass die Zuweisungen sehr
gut funktionieren und durch diese Eingliederung auch in Zukunft sehr gut
funktionieren werden. (Beifall des Abg. Wöginger.)
Das Thema Verpflegung wird nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes neu geregelt. Wir werden mit dieser Reform ein faires Modell umsetzen. Außerdem gibt es die Möglichkeit der freiwilligen Verlängerung. Dieses Gesetz garantiert, dass es in Zukunft ein faires Nebeneinander von Wehrdienst und Zivildienst gibt. Ich glaube, das ist auch wichtig, da Kollege Gáal ja über das Bundesheer gesprochen hat.
Mit dieser Novelle wurde ein lang gehegter Wunsch vieler junger Menschen umgesetzt. Ich freue mich natürlich als ÖVP-Abgeordneter auch mit der jungen Volkspartei darüber. Wir sichern 1 000 sozialen Einrichtungen in Österreich, dass sie zukünftig kostengünstig, punktgenau und leistbar soziale Dienstleistungen erbringen können. Es lebe ein fairer, gerechter und verlässlicher Zivildienst! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.12
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 116 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.12
Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist alles gesagt. Wirklich interessant und spannend sind ja eigentlich noch die Aussagen von Frau Kollegin Haidlmayr, vor allem ihre ständigen Zwischenrufe.
Wir wollen Gleichheit und Gerechtigkeit. Sechs Monate für Grundwehrdiener, daher aliquot neun Monate für die Zivis. (Abg. Haidlmayr: Sechs Monate!) Das ist doch rechnerisch jeweils eine Verkürzung um ein Viertel und daher einwandfrei gerecht! Die Parität ist damit wieder gewährleistet, und die GWDs wie auch die Zivildiener können ihre hervorragende Arbeit einerseits im Sozialdienst und andererseits im Sicherheitsdienst tun. – Gewinner sind alle (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen): die Jungmänner, weil sie nun sechs beziehungsweise neun Monate ableisten müssen – die sind auch genug –, und unsere Bürgergesellschaft, weil beide Institutionen ungestört weiterarbeiten können und ihre Aufgabe hervorragend erfüllen werden.
Frau Haidlmayr, es ist doch alles in Ordnung, oder? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)
15.13
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pack. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.13
Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich muss meinem Kollegen August Wöginger auch einmal seitens der ÖVP-Fraktion und seitens der jungen ÖVP danken: für seine Arbeit und für seinen Einsatz im Rahmen der Zivildienstreformkommission! (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP.)
Der Zivildienst hat sich diesen Status, wie er heute schon oft erwähnt worden ist, meines Erachtens dadurch verdient, dass sich sehr viele Zivildiener engagiert und hart dafür gearbeitet haben. – Ich glaube, „erkämpfen“ ist das falsche Wort, wenn man sich mit dem Zivildienst befasst.
In diesem Vorschlag stehen wirklich sehr viele Verbesserungen. Sie wurden schon genauestens ausgeführt. Daher braucht man hier nicht mehr ins Detail zu gehen. Es ist nur witzig – das hat man bei den Verhandlungen heute Vormittag und auch jetzt gesehen –, dass die Grünen immer wieder Tatsachen verdrehen, um von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Novelle abzulenken.
Man kann es vielleicht auch so ausdrücken: Die Grünen behaupten, dass die SPÖ alles verspielt hat. Ich sage aber zu den Grünen: Diejenigen, die bei den Verhandlungen über eine der wichtigsten Einrichtungen, was die Unterstützung des Sozial- und Gesundheitssystems betrifft, von einem Spiel reden, haben sich eigentlich automatisch selbst disqualifiziert. (Beifall bei der ÖVP.)
Zu Herrn Abgeordnetem Pilz muss man sagen: Vor lauter – wie er es immer betont – Weit-Weit-Weitschauen hat sich mittlerweile der Blick der Grünen, was die Realität betrifft, sehr getrübt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.15
Präsident Dr. Andreas Khol: Vorderhand letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Dr. Liechtenstein. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 117 |
15.15
Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wesentlichen Dinge sind in Wirklichkeit gesagt worden. Ich glaube aber, man muss schon von einer Sache ausgehen: Die Novelle – die Frau Minister hat es geschildert – ist etwas Gutes, das durchgebracht werden muss, aber zweifelsohne muss man auch das sehen, was einer meiner Vorredner gesagt hat: Der Hauptzweck ist die Verteidigung der Heimat, und das Ganze ist ein Wehrersatzdienst, wo aber auch vieles geleistet wird.
Wir sehen es gerade an einem Tag wie heute, an dem in London so etwas passiert, dass wir eine starke Sicherheit brauchen – sowohl innere als auch äußere als auch in der Justiz –, dass wir umgekehrt aber auch ein gut funktionierendes Rotes Kreuz, Rettung und so weiter brauchen.
In diesem Sinn muss ich sagen: Ich weiß wie auch alle anderen, die Militärdienst geleistet haben, was Kasernierung war, ich weiß, was Uniform war, ich kenne die juridische und militärische Disziplin und die gerichtlichen Sachen. Dafür besteht überall eine Notwendigkeit, aber auch für die heutige Zivildienstgesetz-Novelle. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.16
Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen und das Zivildienstgesetz geändert werden, in 1057 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Weiters haben die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.
Ferner haben die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für diese Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen haben je einen gleich lautenden Abänderungsantrag hinsichtlich Art. 3 Z 5 betreffend den Ersatz der Wortfolge „neun Monate“ durch die Wortfolge „sechs Monate“ eingebracht.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist nicht die Mehrheit. Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.
Wir kommen nun zu diesem Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 118 |
Jene Abgeordneten, die hiefür sind, ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Ausdrücklich stelle ich die verfassungsgemäß erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Die Abgeordneten Mag. Darabos, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Z 5a in Art. 3 sowie Entfall des Ausdrucks „Verfassungsbestimmung“ in Art. 3 Z 5 eingebracht.
Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.
Die Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 3 Z 55 eingebracht.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.
Nun kommen wir zur Abstimmung über diesen
Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür
eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.
Daher ist das angenommen.
Nun kommen wir
zur Abstimmung über Artikel 3 Ziffer 98 in der Fassung des Ausschussberichtes,
unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Kößl,
Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist
mit Mehrheit angenommen.
Schließlich
kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile
des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist
wiederum mit Mehrheit angenommen.
Ausdrücklich
stelle ich fest, dass es eine Zweidrittelmehrheit gibt, also die verfassungsmäßigen
Erfordernisse berücksichtigt sind.
Wir kommen
sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in
dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. –
Das ist wiederum mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit, die
verfassungsmäßig erforderlich ist, angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1057 der
Beilagen aus Anlage 1 angeschlossene Entschließung
betreffend Förderung freiwilliger sozialer Leistungen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 121.)
Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht
1057 der Beilagen als Anlage 2 angeschlossene Entschließung
betreffend Verpflegssituation von Zivildienstleistenden.
Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das
ist mit Mehrheit angenommen. (E 122.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 119 |
Schließlich
kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1057 der Beilagen
als Anlage 3 angeschlossene Entschließung betreffend
Evaluierung der neuen Zivildienstregelungen.
Wer dafür
eintritt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit
angenommen. (E 123.)
Bericht des Rechnungshofausschusses
betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-149 d.B.) des Rechnungshofes über
das Kunsthistorische Museum mit Museum für Völkerkunde und Österreichischem
Theatermuseum (Reihe Bund 2005/5) (1009 d.B.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zu
Punkt 4 der Tagesordnung.
Auf eine
mündliche Berichterstattung wird verzichtet.
Zu Wort gemeldet
ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Seine Redezeit beträgt
7 Minuten; das ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte,
Herr Abgeordneter.
15.22
Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Folgende Feststellung einleitend zu treffen, ist mir wichtig: Angesichts des Terrorwahnsinns in London sind natürlich Probleme der Misswirtschaft und der Geldverschwendung im österreichischen Museumsbereich sehr, sehr relativ. Das heißt aber nicht, dass wir hier nicht die parlamentarische Arbeit im Zusammenhang mit dem Rechnungshofbericht zum Kunsthistorischen Museum verrichten.
Ich möchte vorausschicken, bevor behauptet wird, dass die Opposition hier mit Unterstellungen oder Behauptungen arbeitet, dass sich die relevanten Kommentatoren aus dem Kulturbereich eine eindeutige Meinung gebildet haben.
Beispiel: „Der Standard“: „Kulturministerin Elisabeth Gehrer ... und KHM-Direktor Wilfried Seipel spielen den RH-Bericht hinunter. RH-Präsident Josef Moser hingegen spricht von ‚gravierenden Mängeln’ ...“
Oder: Der „Kurier“: „Ministerin Gehrer und das Kuratorium stellen sich hinter Seipel, Rechnungshof bleibt bei Kritik.“
Oder: „Die Presse“: „KHM-Kuratorium attackiert Rechnungshof.“
Meine Damen und Herren! Es gibt einen mehr als kritischen Bericht des Rechnungshofes, und es wurde eigentlich von den Regierungsfraktionen, als der sehr kritische Rohbericht bekannt geworden ist, gesagt, mit den Konsequenzen werde man bis zum Endbericht abwarten.
Nun, wie sehen die Konsequenzen aus? – Die einzigen Konsequenzen, die gezogen wurden, sind einfach Versuche, die Kritik des Rechnungshofes wegzumanövrieren. – So kann es einfach nicht sein!
Es wird einfach in gutachtlichen Stellungnahmen zu der Frage: Was bleibt übrig an relevanten Feststellungen des Rechnungshofes? bemerkt, dass es entgegen den Erkenntnissen des Rechnungshofes doch eine ordentliche Buchhaltung und Bilanzierung gegeben habe. Es wird sogar gesagt, vom Rechnungshof ginge Schaden aus.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 120 |
Es wird eine öffentliche Veranstaltung organisiert, wo angeblich Daten und Fakten präsentiert werden – aber die Daten und Fakten, meine Damen und Herren, Hohes Haus, hat letztendlich der Rechnungshof vorgelegt (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend), und die sind, Kollege Fasslabend, vernichtend. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend.) Die Kritik ist vernichtend, und das sollten Sie und Ihre Partei endlich zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)
Das Sündenregister, meine Damen und Herren, ist abenteuerlich. Das fängt bei der Buchhaltung an, führt über den Fall mit der Sphinx und geht bis zu den gravierenden Sicherheitsmängeln; ich will das gar nicht alles aufzählen. Im Rechnungshofausschuss wurden diese Kritikpunkte einfach weggewischt.
Was den Autoverkauf betrifft, so wurde das als Ungeschicklichkeit bezeichnet, und die Geburtstagsfeier für den Herrn Staatssekretär bezeichnete man als Missverständnis.
Die Kritik des Rechnungshofes ist, was den Autoverkauf betrifft, unmissverständlich, und er stellt fest: „Mit Vertrag vom April 1999 verkaufte der Geschäftsführer seinen PKW dem KHM und unterzeichnete den Vertrag sowohl als Verkäufer als auch als Käufer.“
Meine Damen und Herren! Sie werden mir da doch wohl zustimmen, wenn ich sage: Das ist ein klassischer Entlassungsgrund. In jedem Unternehmen ist solch ein Geschäftsführer am selben Tag hinausgeschmissen. – Das ist die Realität! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Zinggl.)
Nun zu den „Konsequenzen“ – unter Anführungszeichen –, die gesetzt werden. – Mein Gott, wenn Frau Wolfmayr sagt, wir müssen ein Vier-Augen-Prinzip in der Geschäftsleitung einführen, dann kann ich nur sagen: Wenn der Geschäftsführer Seipel untragbar ist, wenn man ihm nicht mehr über den Weg trauen kann, dann zu sagen: Da müssen wir noch einen zweiten dazustellen!, ist wohl keine Lösung. – Das sind Konsequenzen?!
Oder, ein anderes Beispiel: Wenn Kollege Mitterlehner sagt – das war auch so ein besonderes Schmankerl –, man dürfe nicht vergessen, dass das Kunsthistorische Museum als vollrechtsfähige wissenschaftliche Anstalt nicht mehr den wirtschaftlichen Grundsätzen einer staatlichen Dienststelle unterliegt, sondern privatwirtschaftlich geführt wird, so muss ich ihm Folgendes entgegenhalten: Der Rechnungshof sagt, „die Steigerung der Bezüge des Geschäftsführers“ Seipel sind „keinesfalls privatwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend“.
Also, das ist eine „schöne“ Privatwirtschaft, die uns hier Herr Mitterlehner vorführt (Abg. Dr. Puswald: Selbstbedienungsladen!): offenbar eine des Selbstkontrahierens, des Fehlens von Bilanzen, des Fehlens von Spesennachweisen und des Hinaufschnalzens von Gehältern. – Dass so eine Privatwirtschaft sinnvoll ist, das kann ich mir nicht vorstellen!
Frau Ministerin, ich möchte einen letzten Versuch unternehmen, denn ich hege Zweifel, dass Sie wirklich verstehen, was die Dimension dieser ganzen Angelegenheit ist:
Millionen Österreicherinnen und Österreicher feiern Geburtstag und laden Freunde ein, je nach Vermögen, je nach Geldbörse. Man zahlt ein Bier oder ein paar Grillhenderl oder richtet ein Buffet aus – aber alle haben gemeinsam, dass sie sich das selbst bezahlen. Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher kaufen oder verkaufen Autos – aber niemand verkauft sich selbst als Geschäftsführer seiner Firma ein Auto!
Zehntausende ÖsterreicherInnen müssen peinlichst genau Spesen, Flugtickets und so weiter abrechnen und der Firma und der Finanz Nachweise liefern – und das alles soll nicht gelten beim Kunsthistorischen Museum, bei Herrn Seipel, bei Herrn Morak?!
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 121 |
Es war geradezu sonderbar, Frau Ministerin:
Ich habe Sie im Ausschuss
gefragt, ob Sie dafür sind, dass Herr Staatssekretär Morak diese
6 000 €, die aus öffentlichen Geldern, aus Steuergeld für sein
Geburtstagsfest aufgewendet wurden, zurückzahlen soll. – Es war eine
wirklich unverständliche und sonderbare Aussage, die Sie dazu gemacht haben.
Sie haben nämlich gesagt, Sie wollen keinen Ratschlag erteilen, weil Ratschläge
auch Schläge sein können.
Da wird ganz
offenbar etwas vollkommen umgedreht: Schützenswert ist doch nicht Herr Morak
mit seinem Staatssekretärgehalt, sondern die heimische Bevölkerung und der
österreichische Steuerzahler!
Ich frage Sie
daher noch einmal: Finden Sie es in Ordnung, dass Herr Staatssekretär Morak
sein Geburtstagsfest auf Staatskosten abfeiert?
Welch Geistes
Kind Herr Seipel ist – das möchte ich abschließend sagen –, ist auch
im Ausschuss deutlich geworden. Ich habe dort gefragt: Wie hoch sind die Kosten
von Herrn Dr. Bruckner, der auf Kosten der Steuerzahler Gutachten gegen
den Rechnungshof erstellt? – Wissen Sie, was Herr Seipel gesagt
hat? – Das sei Privatsache.
Meine Damen und
Herren! Daran sieht man genau, wie da privat und Staat, Mein und Dein ganz
offensichtlich verwechselt wird!
Dass aus einem
derartigen Rechnungshofbericht, der das alles hervorbringt und an die
Öffentlichkeit bringt, keinerlei Konsequenzen gezogen werden, ist eine
wirkliche Schande, Frau Ministerin!
Sie haben, Frau
Ministerin, heute noch ein letztes Mal die Gelegenheit, hier die entsprechenden
Worte zu finden und Konsequenzen zu ziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des
Abg. Dr. Zinggl.)
15.29
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.
15.29
Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau
Bundesminister! Geschätzter
Präsident des Rechnungshofes! Dieser Rechnungshofbericht ist kein
vernichtender Bericht, es ist ein sehr kritischer Bericht, Kollege Kräuter!
Wir haben drei sehr intensive Diskussionen geführt, und es ist in diesen
Diskussionen – bei der Dringlichen Anfrage, im Rechnungshofausschuss und
auch in der heutigen Debatte – einiges richtig gestellt worden, von
anderen Gesichtspunkten aus beleuchtet worden, und es wurde vieles klarer.
Für mich persönlich hat sich das Bild so
dargestellt: Nur der, der arbeitet, macht Fehler. Wer nicht arbeitet, der kann
keine Fehler machen. (Ironische
Heiterkeit bei der SPÖ.)
Unter diesem Gesichtspunkt muss man, glaube ich, auch die Ausgliederung
des Kunsthistorischen Museums sehen, die Überführung in die Eigenständigkeit.
Es ist heute ein dynamischer Museumsbetrieb.
Ja, es gab Kritik im kaufmännischen Bereich, aber es ist sehr viel
Positives geschehen, das wird jedoch mit keiner Silbe erwähnt. (Abg. Mag. Lapp: Wo?) Direktor Seipel hat ja sehr vieles
aufgeklärt, auch den Autokauf. Es ist ja ein Leasingvertrag. Es wurde auch die
Frage in Bezug auf Staatssekretär Morak geklärt.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 122 |
Meine
Damen und Herren, drei Jahre hat der Rechnungshof intensiv geprüft. Nehmen Sie
das zur Kenntnis! Frau Bundesminister Gehrer hat auf den Bericht sehr rasch
reagiert und Maßnahmen veranlasst, während andere mit Untergriffen agiert
haben.
Das
Kunsthistorische Museum hat seinerseits die Erstellung externer Gutachten und
auch die Durchführung einer Wirtschaftsprüfung veranlasst, und diese Ergebnisse
zeigen – ich möchte es nicht werten –, dass es ein anderes Bild und verschiedene
Sichtweisen geben kann.
Generaldirektor
Seipel und auch die Auskunftspersonen und die Mitglieder des Kuratoriums haben
im Ausschuss sehr vieles aufgeklärt und sind sehr offen Rede und Antwort
gestanden. Wer im Ausschuss dabei war, der wird bestätigen müssen (Abg. Mag. Lapp: Nein!),
dass vieles von der Kritik nicht in dem Maße, wie sie geübt wurde,
gerechtfertigt ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich war
schon im richtigen Ausschuss, und ich habe sehr intensiv an diesen Beratungen
teilgenommen. Es hat zwar Kritikpunkte betreffend den finanztechnischen und den
buchhalterischen Bereich gegeben, aber es gibt keine strafrechtlichen
Tatbestände. (Neuerliche Zwischenrufe bei
der SPÖ.)
Es ist ein Pilotprojekt, wo man sagen kann: Trotz Fehler ist das Kunsthistorische Museum eine Erfolgsgeschichte. Es gab in fünf Jahren mehr als 100 Sonderausstellungen und 6,6 Millionen Besucher. Der Eigendeckungsgrad (Abg. Mag. Kogler: Der Eindeckungsgrad!) konnte von 37,3 Prozent auf 40,9 Prozent gesteigert werden, Kollege Kogler. (Beifall bei der ÖVP.)
Eigentlich ist sehr vielem der Rechnungshofkritik bereits entsprochen worden. Es wurden von 38 detaillierten Empfehlungen 18 bereits umgesetzt. Es wird das Vier-Augen-Prinzip mit einem künstlerischen und wirtschaftlichen Direktor eingeführt. Es findet jährlich eine unabhängige Wirtschaftsprüfung und auch eine Gebarungsprüfung statt, und es gibt eine regelmäßige Berichtspflicht sowie eine interne Revision.
Die vielen Anregungen und Empfehlungen im Rechnungshofbericht – der ja dazu da ist, dass Empfehlungen gegeben werden, denen wir dann entsprechen – werden zügig umgesetzt.
Es ist kein Kriminalfall. Vorverurteilungen bringen uns bei dieser Thematik nicht weiter, meine Damen und Herren. Es gibt den klaren Auftrag, wirtschaftliche Angelegenheiten transparenter, genauer und nachvollziehbarer zu erledigen und zu bearbeiten.
Das Kunsthistorische Museum ist ein Aushängeschild für Österreichs Kunst und Kultur, ein positives Beispiel einer Ausgliederung.
Wir nehmen die Kritik ernst und werden daraus unsere Schlüsse ziehen. Aber Tatsache ist, dass wir mit diesem Kunsthistorischen Museum, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, in jedem Fall Österreich ein tolles und funktionierendes Museum bieten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Das Museum kann nichts dafür!)
15.33
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl. 7 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.34
Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Werte Präsidenten! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wer heute glaubt, dass noch einmal Dampf abgelassen werden kann und dann endlich Ruhe ist mit diesem ganzen Museumskrampf, der irrt. Ich meine, dass auch die irren sollten, die der Meinung sind, dass jemand
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 123 |
ungeschoren davonkommen soll, dem der Rechnungshof über 100 Seiten härteste Kritik umhängt. Wenn das nicht der Fall ist, dann stimmt doch in diesem Land irgendetwas nicht!
Soll tatsächlich ein Direktor, dem wertvolle Kunstschätze anvertraut wurden und der die Möglichkeiten ausnützt, sich persönliche Vorteile zu verschaffen, der sich ein Auto selbst verkauft, der zu ägyptischen Grabbeigaben kommt – das kann er nur als Direktor eines Museums, sonst kann er das gar nicht persönlich an sich ziehen (Abg. Hornek: Das ist ja unrichtig! Nehmen Sie das zurück!); das steht so im Rechnungshofbericht! (Abg. Dr. Sonnberger: Wenn Dinge behauptet werden, sind sie deswegen nicht richtig!) –, ein Direktor, der hohe unbelegte Spesen hat, der hohe unbelegte Reisekosten verrechnet, der 20 Prozent an Leistungsprämie erhält, obwohl die Leistungen mehr als fraglich sind, ein Direktor, der eigentlich den Laden hinunterwirtschaftet und risikofreudig agiert, bis zum Abwinken, und damit den gesamten Besitz gefährdet, soll so ein „Verantwortlicher“ oder eigentlich, genau genommen, so ein Unverantwortlicher weitermachen dürfen, als wäre überhaupt nichts geschehen?
Ich glaube, dass viele von uns größtes Verständnis dafür haben, dass manchmal personelle Fehlbesetzungen zustande kommen. Das kann passieren. Aber ich glaube, dass kaum jemand Verständnis dafür hat, dass in solch einem Fall überhaupt keine Konsequenzen gezogen werden.
Und es ist schon eigenartig, dass, obwohl die Prüflampen eigentlich nicht mehr blinken, sondern eigentlich schon konstant ganz hell leuchten und Alarm signalisieren, noch immer nichts geschieht. Es ist doch ganz klar, dass da jetzt Konsequenzen gezogen werden müssen, dass der Direktor des Kunsthistorischen Museums auf jeden Fall zurücktreten muss, Frau Ministerin, und dass auch die Museumsgesetze so geändert werden müssen, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann.
Doch was passiert? – Es passiert
überhaupt nichts. Es gibt nur leere Versprechungen. Es sind schon wieder einige
Wochen vergangen, und Sie überlegen noch immer. Sie haben ein ganzes Jahr Zeit
gehabt, zu überlegen, was denn alles geändert werden könnte, und wenn da jetzt
nicht bald etwas passiert, verliert auch die Bevölkerung ihr Vertrauen in die
Politik. (Zwischenruf des Abg. Dr. Sonnberger.)
Zum Rechnungshof kann man sehr wohl Vertrauen haben, der Rechnungshof hat da ganze Arbeit geleistet, und er hat eigentlich seit dem Rohbericht überhaupt nichts an Kritik zurückgenommen, im Gegenteil, er hat viele Dinge sogar noch stärker kritisiert. Jetzt ist die Politik gefordert, denn sonst dürfen wir uns nicht wundern, meine Damen und Herren, dass das Wiederholungstäter nach sich zieht. Da kann sich doch wirklich heute jeder Museumsdirektor überlegen, ob er das nicht so ähnlich machen könnte.
Na bitte, werden die sagen, es ist ja super ausgegliedert worden, wir nehmen uns ein Beispiel an Dr. Seipel, es kann uns eh nichts passieren. Los geht’s! Was der kann, das können wir noch lange!
Kollege Kräuter hat es schon angesprochen, ich sage es noch einmal: In der Privatwirtschaft kann man es sich eigentlich nicht vorstellen, dass ein Direktor jahrelang einen Flop nach dem anderen landet und der Aufsichtsrat darauf nicht nur nicht reagiert, sondern eigentlich genau genommen sogar auch noch attestiert, dass ohnehin alles in Ordnung ist und dass die Firma weiterhin floriert.
Ich sage – nicht nur ich, sondern auch der Rechnungshof, das steht im Rechnungshofbericht mehrere Male –, dass den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit nicht Folge geleistet wurde. Keinem dieser drei Grundsätze wurde entsprochen.
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In der Wirtschaft sind 2,7 Millionen € Fehlbetrag kein großartiger wirtschaftlicher Erfolg, und eine Eigenmittelquote von 7,5 Prozent bedeutet auch nicht gerade wirtschaftlichen Erfolg. Wenn die fiktive Schuldentilgungsdauer unendlich ist, dann ist ja eigentlich Reorganisationsbedarf mehr als angesagt.
Dass eine Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, ist ohnehin klar, aber es ist ja auch die Zweckmäßigkeit in Frage zu stellen. Wenn die Eintritte auf das Doppelte steigen und gleichzeitig die Zahl der Besucher und Besucherinnen um 30 Prozent sinkt (Abg. Dr. Sonnberger: Das stimmt ja nicht!), dann kann man doch wirklich nicht von Zweckmäßigkeit reden.
Kann man eigentlich von Zweckmäßigkeit reden, meine Damen und Herren, wenn der Ankauf einer Skulptur 3,6 Millionen € ausmacht und danach nichts mehr angekauft werden kann? Ist das nicht eher Großmannssucht? Von Zweckmäßigkeit kann da auf jeden Fall nicht die Rede sein.
Auch die Sparsamkeit, meine Damen und
Herren, ist in Frage zu stellen. Wenn die Personalaufwendungen ins Unendliche
steigen und gleichzeitig der Direktor 20 000 € und mehr im Monat
bekommt, dann ist das nicht sehr sparsam. (Abg.
Dr. Sonnberger: Es sind ja zwei Museen dazugekommen!)
Die Empfehlungen des Rechnungshofes sind, glaube ich, nicht nur Empfehlungen, sondern eigentlich auch eine heftige Kritik an der herrschenden Museumspolitik, an den gegenwärtigen Zuständen, und zwar nicht nur in dem einen Museum.
Frau Ministerin, Sie werden wahrscheinlich in wenigen Minuten wieder die bekannte Erfolgsstory mit den uns schon bekannten Modulen hier predigen. Und Sie werden wahrscheinlich bei Gelegenheit dem Herrn Direktor Seipel sagen: Du, das ist nicht so gut, was du da machst! Die Leute auf der Straße regen sich schon auf! So was macht man nicht! Die schimpfen schon! Schauen wir jetzt, dass wir das in Zukunft irgendwie besser machen!
So kann es wohl nicht gehen! Ich bin der Ansicht, es gibt in Österreich keine besonders ausgeprägte Kultur, was die Reaktionen auf Fehlleistungen und nach Einsicht des Fehlverhaltens betrifft, aber in diesem Fall gibt es nicht einmal eine Einsicht. Das merkt man schon daran, dass – obwohl der Rechnungshof ganz eindeutige Beurteilungen abgibt – Wirtschaftskanzleien bemüht werden, die dem Rechnungshof sozusagen sagen sollen, was er alles falsch gemacht hat. Das heißt, hier mangelt es an Einsicht. Diese Wirtschaftskanzleien – Kollege Kräuter hat es schon erwähnt – gehen natürlich auch wiederum zu Lasten der Steuerzahler. Daher, so meine ich, braucht es dringend eine Korrektur!
Eines jedenfalls kann ich Ihnen ganz sicher sagen: Wir von den Grünen werden nicht aufhören, weiterhin alles – ob Mumien oder Leichen, das werden wir noch sehen – ans Tageslicht zu fördern, um zu zeigen, dass der Rechnungshof mit seiner Kritik nicht ein Zeugnis in Richtung Nachprüfung oder vielleicht auch Sitzenbleiben ausgestellt hat, sondern eigentlich ein Zeugnis Richtung „Bitte, Anstalt verlassen!“
Ich fordere Sie
noch einmal auf beziehungsweise bitte Sie, Frau Ministerin, die Konsequenzen
in folgender Weise zu ziehen: erstens Ablöse des Direktors und zweitens neue
Museumsgesetze, die derartige Geschehnisse nie wieder zulassen! (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ.)
15.41
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 125 |
15.41
Abgeordnete
Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr
geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zinggl, niemand glaubt, dass jemand
ungeschoren davonkommt, aber niemand soll glauben, dass man jetzt bis in alle
Ewigkeit immer wieder an denselben Mängeln herumhacken kann. (Abg. Öllinger:
Wenn nichts passiert!)
Sie haben angedroht, Sie werden Leichen ans Tageslicht fördern. (Abg. Öllinger: Mumien!) – Also bisher ist es Ihnen nicht gelungen, Leichen ans Tageslicht zu fördern. Sie bringen immer wieder dieselbe Leiche daher, das nennt man „ausbanln“. Das machen Sie: immer wieder dieselben Missstände aufzeigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Herr Abgeordneter Zinggl, ich muss Ihnen widersprechen! Der Rechnungshof hat nicht die gesamte Museumspolitik kritisiert. Überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil: Er hat sich jede Art künstlerischer Kritik untersagt und nur detaillierte Mängel festgestellt. Da muss man schon unterscheiden.
Ich möchte überhaupt nichts beschönigen. Es sind Fehler passiert, die vom Rechnungshof auch aufgezeichnet worden sind, und das sind keine Peanuts, die passiert sind, sondern das sind sicher gravierende Fehler. Aber erstens einmal muss man schon konzedieren, dass gewisse Schwierigkeiten bei der Umstellung von der Kameralwirtschaft auf die Privatwirtschaft mit verantwortlich waren für die Mängel, die aufgetreten sind. Zweitens sind die meisten Mängel schon behoben worden; jedenfalls hat die Frau Minister das belegt. Und drittens, und das ist für mich das Allerwichtigste, sind Kontrollen eingeführt worden. Es gibt jetzt eine Kontrolle, die den Direktor in seiner kaufmännischen Gebarung besser im Auge behalten soll. Das ist etwas Wesentliches, und das ist auch notwendig.
Aber, Frau Minister, generell glaube ich
schon, dass man den Museumsdirektoren überhaupt klarmachen müsste, dass sie
nicht ihr Privateigentum verwalten, sondern dass es sich dabei um öffentliches
Eigentum handelt, weshalb sie besonders hohe Sorgfalt aufzuwenden haben. Das
ist außerordentlich wichtig, dass man ihnen das klarmacht! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)
Das trifft zu ... (Neuerlicher
Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.) – Hören Sie mir doch zu! Sie waren
schon am Wort, warum lassen Sie jetzt nicht mich reden? (Abg. Scheibner: Unhöflich!
Sehr unhöflich! Keine Manieren!) Sie können sich ja noch einmal zu Wort
melden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Das trifft auf
den ... (Abg. Dr. Puswald –
nicht von seinem Sitzplatz aus –: ... Realitätsverweigerung!)
Präsident Dr.
Andreas Khol: Herr Abgeordneter Puswald, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf!
(Abg. Dr. Partik-Pablé: Was hat er g’sagt?) – Das ist ganz gleich.
Beharrlich redet er in jede Diskussion, nicht von seinem Platz aus, drein. Ich
habe Sie privat bereits dreimal verwarnt, Herr Abgeordneter! Das ist nicht
der Stil dieses Hauses. (Abg. Dr. Puswald: Es gibt keine private
Verwarnung!)
Am Wort ist Frau Abgeordnete Partik-Pablé! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Sie können sich zu Wort melden und mit mir reden. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Schauen Sie, ich schneide ja ein Thema an beziehungsweise ich fordere etwas, das wahrscheinlich auch Sie befürworten, nämlich: dass man den Generaldirektoren einmal klarmacht, dass sie nicht ihr eigenes Vermögen verwalten, sondern öffentliches Vermögen. (Abg. Riepl: Dann ziehen Sie Konsequenzen!)
Das trifft zu auf Generaldirektor Seipel, das trifft aber auch auf Direktor Schröder zu. Das fängt an beim „Hasen“, der verliehen worden ist, und hört auf bei jenen Gemälden vom Kunsthistorischen Museum, die offensichtlich nicht verleihfähig waren, die aber
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trotzdem verliehen worden sind. Der Bogen spannt sich über die Restaurierung jener Bilder, die Herr Direktor Schröder in die Schweiz geschickt hat und die offensichtlich nicht fachmännisch oder nicht genügend fachmännisch restauriert worden sind. (Abg. Dr. Matznetter: Wo ist die „Saliera“, Frau Kollegin?) Sie haben zwar gesagt, die Restauratoren im eigenen Haus haben sich positiv geäußert, aber das ist offensichtlich zu wenig. Man muss eben internationale Experten zu Rate ziehen, wenn man so wertvolle Dinge ins Ausland verleiht.
Frau Minister,
ich glaube schon, dass man gerade in Bezug auf die Verleihfähigkeit darauf
achten muss, dass sich die Direktoren an die Richtlinien halten, an die seinerzeit
im Jahre 1971 mit dem Ministerium abgeschlossene Verordnung oder an den
Erlass, in dem steht, dass eben bei besonders wertvollen Gemälden manche nicht
verleihfähig sind und man in diesem Fall die Meinung der
Restaurierungswerkstätte auch beachten soll. – Da müssen Sie eingreifen!
Es ist wahrscheinlich wichtiger, auf die Kunstgegenstände aufzupassen, damit
nichts passiert, als darauf, ob ein paar Belege vom Lipizzaner-Museum oder vom
Völkerkunde-Museum fehlen. (Abg.
Dr. Wittmann: „Ein paar
Belege“? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich muss man natürlich die Kritik des Rechnungshofes ernst nehmen, aber man darf auch nicht das Ganze aus den Augen verlieren (Abg. Öllinger: Das glaube ich! Sie wissen schon, was das Ganze ist!), nämlich dass das Kunsthistorische Museum vom künstlerischen Standpunkt sehr gut geführt worden ist, dass es erstklassige Ausstellungen gegeben hat und dass Direktor Seipel ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Herr Präsident,
Sie sind heute sehr nachsichtig! Ich kann fast nicht reden, weil ununterbrochen
dreingeredet wird, und Sie sagen überhaupt nichts! Ich würde Sie bitten, dass
Sie mir einmal ein bisschen Ruhe verschaffen! (Abg. Riepl: Wenn Sie reden,
sollten Sie auch etwas sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich komme zum
Schluss. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Sie sitzen auch nicht auf Ihrem Platz, Frau Kollegin Silhavy, und
machen einen Zwischenruf. (Abg. Dr. Puswald: Frau Platzanweiserin! –
Abg. Dr. Wittmann: Wer führt
jetzt die Sitzung?)
Was ich wirklich beachtlich finde, ist, dass es Generaldirektor Seipel gelungen ist, wertvolle Sponsoren aufzutreiben, die auch wertvolle Kunstobjekte in die Museen gebracht haben, was dazu geführt hat, dass das Kunsthistorische Museum ein äußerst zugkräftiges Museum ist.
Meine Damen und Herren! Hören Sie jetzt endlich einmal auf, runterzumachen, sondern bekennen Sie sich dazu, dass wir weltweit anerkannte Museen in Österreich bieten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
15.48
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Sie sind am Wort.
15.48
Bundesministerin
für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr
Präsident! Hohes Haus! Ich möchte gleich zu Beginn Folgendes feststellen: Es
gibt im Kunsthistorischen Museum keine Misswirtschaft und keine
Geldverschwendung! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Die Kritik des Rechnungshofes ist nicht
wegmanipuliert worden, sondern sehr ernst genommen worden, und es sind
Konsequenzen gezogen worden. (Abg. Riepl: Welche?)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 127 |
Der Herr Generaldirektor hat sich keine
„persönlichen Vorteile verschafft“ (Zwischenruf
des Abg. Dr. Kräuter), er
hat „den Laden“ nicht „heruntergewirtschaftet“ – ich wiederhole nur Ihre
Anschuldigungen –, er ist keine „personelle Fehlbesetzung“ (Abg. Dr. Wittmann: Ziehen Sie endlich die Konsequenzen und schicken Sie den
Seipel in die Wüste!), er ist kein „Wiederholungstäter“, und er baut nicht
„einen Flop nach dem anderen“. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Was denn sonst?)
Der Rechnungshof hat sorgfältig und intensiv die buchhalterischen Vorgangsweisen, die Abrechnungen, alles genau geprüft – und jawohl, es ist genau so, wie es Frau Kollegin Partik-Pablé gesagt hat: Es sind Fehler passiert, es sind manche Sachen nicht richtig gemacht worden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich setze voraus, dass Sie genauso wie alle anderen Österreicher und Österreicherinnen dann, wenn einige Fehler gemacht werden, nicht von einer generellen Misswirtschaft sprechen. Es sind Fehler gemacht worden, die aufgezeigt worden sind und die sehr intensiv behandelt worden sind. Von den Vorschlägen des Rechnungshofes, 38 Empfehlungen, waren 24 an das Kunsthistorische Museum gerichtet. Von diesen 24 Empfehlungen sind 18 Empfehlungen des Rechnungshofes bereits umgesetzt worden.
Ich stelle nachdrücklich fest: Der
Rücktritt des Generaldirektors ist nicht gefordert worden, auch wenn
das noch so oft behauptet wird! (Abg.
Dr. Wittmann: Oja, ich habe es
gefordert! Oder gehen Sie?)
Die 18 Empfehlungen des
Rechnungshofes, die bereits umgesetzt wurden (Abg. Mag. Kogler: Sind
welche?), beinhalten zum Beispiel die Auflassung des Palais Harrach, die
Kündigung von Versicherungen für Sammlungsobjekte, die Verbesserungen der
Dokumentation bei Dienstreisen und Repräsentationsaufwendungen. (Abg. Mag. Kogler: Sind erst drei und nicht 18!)
Andere Empfehlungen sind in Umsetzung; so zum Beispiel die totale Verwirklichung des Vier-Augen-Prinzips und die Verbesserung der inneren Revision, ebenso die Verbesserung der Kommunikation und die regelmäßigen Direktorenbesprechungen, die für die zukünftigen Ziele der Museen abgehalten werden.
Es ist genau so, wie Frau Abgeordnete Partik-Pablé gesagt hat: Es gibt Fehler, es gibt Versäumnisse, die ernst zu nehmen sind, es gibt aber eine enorm positive Entwicklung. (Abg. Riepl: Wieso? Sind schon wieder ein paar Dinge gefunden worden, die man vorher nicht gekannt hat? – Ruf bei der ÖVP: Sehr witzig!)
Ich möchte festhalten, dass ich sehr wohl die Erfolgsstory mit den bekannten Modulen vortragen werde, wie Herr Abgeordneter Zinggl sagt. Ich höre mir Ihre Module an, und ich nenne auch meine Module und schildere meine Sicht der Angelegenheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Die
österreichischen Museen haben seit 1995 eine enorm positive Entwicklung genommen:
Die Besucherzahlen sind von 2,3 auf 3,5 Millionen jährlich gestiegen. Die
Renovierung und Adaptierung der Museumsgebäude haben seit 1995 insgesamt
270 Millionen € erfordert. (Abg.
Riepl: Da gibt es jetzt aber schon
Belege?!) Die Museen sind in eine Teilrechtsfähigkeit übergeführt worden,
nicht in eine Gesellschaft, sondern in wissenschaftliche Anstalten mit einem
eigenen Gesetz, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, von der
SPÖ, mitbeschlossen, mitverhandelt und mitentwickelt haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)
Diese Erfolgsbilanz der Museen zeigt sich auch an der Beurteilung, der Evaluierung besonders für das Kunsthistorische Museum. Der Leiter des Evaluierungsteams, der anerkannte Museumsfachmann Professor Bernhard Graf, schreibt wörtlich:
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 128 |
„Das Kunsthistorische Museum fördert die
Einbindung Wiens in ein globales kulturelles Beziehungsfeld durch die
internationale Zusammenarbeit mit anderen Museen.“ (Abg. Dr. Wittmann: Das
kann selbst Seipel nicht verhindern!)
„Das Kunsthistorische Museum ist ein bedeutender Ort der Bildung und des lebensbegleitenden Lernens.“
Am Kunsthistorischen Museum gibt es „intensiven Forschungsaustausch mit fachfremden Institutionen im In- und Ausland“.
„Beeindruckende Professionalität der Restaurierungsarbeiten des Kunsthistorischen Museums“ wird vermerkt, „mit hohem wissenschaftlichem Ertrag“.
„Das Kunsthistorische Museum ist ein national und international gesuchter Partner.“
„In Österreich übertrifft kein anderes Museum den Rang und die Vielseitigkeit des musealen Lebens am Kunsthistorischen Museum.“ – Zitatende.
Meine Damen und Herren! So etwas entsteht nicht durch das Museum mit seinen Kunstgegenständen, so etwas entsteht durch Menschen – durch Menschen, die dort wirken, durch Menschen, die eine Ausstrahlung haben, durch Menschen, die dort positiv wirken. Dafür trägt Herr Generaldirektor Seipel auch die Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Das Kunsthistorische Museum hat über
100 Sonderausstellungen in fünf Jahren gemacht – so etwas gibt es
sonst überhaupt nicht –, das Kunsthistorische Museum hat einen enormen
Eigenfinanzierungsgrad erwirtschaftet, und ich bitte Sie, auch zur Kenntnis zu
nehmen, dass etliche Ausgaben, die im Kunsthistorischen Museum getätigt werden,
privatwirtschaftlich erwirtschaftet worden sind. Es ist falsch, zu
unterstellen, dass automatisch jede Ausgabe aus Steuergeldern finanziert wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)
Das Kunsthistorische Museum hat inzwischen seinen Eigenfinanzierungsgrad von 37,3 Prozent im Jahr 2001 auf 40,9 Prozent im Jahr 2004 erhöht. Das Kunsthistorische Museum hat im Jahr 2004 11,9 Millionen € selbst erwirtschaftet. – Das ist nur möglich durch das moderne Museumsgesetz, das wir haben, durch die Tätigkeit des Generaldirektors und aller seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das ist ein enormer Erfolg, den wir auch zur Kenntnis nehmen und werten müssen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Es gilt, nun weitere Verbesserungen anzubringen. (Abg. Mag. Kogler: Ist doch „eh alles super“!) Gemeinsam mit dem Kuratorium werden wir das Vier-Augen-Prinzip in den Museen verwirklichen, gemeinsam mit dem Kuratorium wird auch die innere Revision verbessert. Wir werden die Kommunikation untereinander verbessern, die Zielsetzungen genau definieren, und wir werden konstruktiv an der Weiterentwicklung der Museen arbeiten. Man wird peinlich genau darauf schauen, dass derartige Fehler, wie sie der Rechnungshof kritisiert hat, nicht mehr auftreten. Das ist, glaube ich, nämlich das Wichtige: dass man aus diesen Rechnungshofberichten lernt und dass derartige Fehler nicht mehr passieren!
Das ist die
Zukunft des Kunsthistorischen Museums. Ich glaube, dass das Kunsthistorische
Museum mit Generaldirektor Seipel weiterhin einen sehr guten Weg gehen wird. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Meinen Sie den Fehler mit dem Gehalt?)
15.56
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 129 |
15.56
Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Die Beschwichtigungsrede der Frau Ministerin kennen wir bereits. Ich habe sie jetzt schon zum dritten Mal gehört (Abg. Neudeck: Aber noch immer nicht verstanden!), sie wird aber dadurch nicht besser. Es geht nämlich darum, dass hier ein Direktor am Werk ist, der mit den Kunstschätzen, die es seit Jahrhunderten in Österreich gibt, umgeht, als wären sie sein privater Besitz, und der nicht unterscheiden kann zwischen Mein und Dein und dem, was die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Frau Ministerin! Sie haben sich überhaupt nicht geäußert zu der Geburtstagsparty für Herrn Staatssekretär Morak. Herr Direktor Seipel oder Herr Staatssekretär Morak sollten das Geld zurückzahlen, damit hier einmal klare Verhältnisse vorherrschen. (Abg. Dr. Kräuter: Darauf wollen wir eine Antwort hören!) Es gibt hier eine Feudalherrschaft, die Sie decken, die Sie unterstützen.
Die Arbeit des Rechnungshofes hat sich sehr schwierig gestaltet, das kann man im Bericht nachlesen. Sie reden immer davon, wie viele Maßnahmen und Veränderungen Sie bereits eingeleitet haben, Sie nennen immer nur Zahlen, aber nie die konkreten Maßnahmen. Das gehört einmal aufgedeckt und transparent gemacht!
Sie haben vorhin auf nonchalante Art und Weise gesagt: Wer arbeitet, der macht auch Fehler. – Sie haben Leute abgesetzt wie etwa Hauptverbandspräsidenten Sallmutter, der überhaupt keinen Fehler gemacht hat, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, der Ihnen einfach im Wege war (Abg. Neudeck: Also diese Meinung ist in der SPÖ nicht mehrheitsfähig!), aber bei jemandem, der mit Feudalherrschaft und mit Fehlern agiert, tun Sie überhaupt nichts! (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Direktor Seipel hat im Rechnungshofausschuss, von mir mehrmals darauf angesprochen, gesagt, er werde Informationen nachliefern. Es ging darum, dass die Zahl beim Personal von 322 Personen auf 400 Personen angestiegen ist. Ich habe nachgefragt: Warum gab es einen so großen Personalzuwachs? Gibt es vollzeitbeschäftigte Menschen, teilzeitbeschäftigte Menschen? Die Antwort war: Es hat einen Stau gegeben, diesen haben wir aufgearbeitet.
Das sind Ihre Antworten, die wir aber so nicht hinnehmen können. Wir wollen die Unterlagen! Herr Direktor Seipel hat gesagt, er liefert uns die Unterlagen – bis heute sind sie nicht gekommen. Das ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)
Auch gibt es keine Genehmigung der
Nebentätigkeiten des Herrn Direktors Seipel. Es fügt sich hier ein Mosaikstein
um den anderen zusammen: Es gibt eine Person, die unter dem Schutzmantel, unter
der Schutzdecke der ÖVP liegt und die sich leisten kann, was immer sie
will. – Das lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)
15.59
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. Auch er wünscht, 3 Minuten zu sprechen. – Bitte, Sie sind am Wort.
16.00
Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Opposition möchte ich zunächst ein Buch von Murphy empfehlen: „Die Kraft des positiven Denkens“. Meine Damen und Herren, das brauchen Sie wirklich (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), denn Sie sollten einmal die Leistungen des Kunsthistorischen Museums sehen, sehen, wie sich dieses Museum international positioniert hat.
Natürlich sind durch die Ausgliederung beziehungsweise Vollrechtsfähigkeit Fehler passiert; das wird ja nicht abgestritten. Der Rechnungshofbericht wurde aber äußerst
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 130 |
ernst genommen, denn von 24 Beanstandungen betreffend das Museum wurden bereits 18 umgesetzt. (Abg. Mag. Kogler: Welche? Welche?) Das heißt, die Kritik des Rechnungshofes wurde sehr wohl ernst genommen.
Die Kontrollstruktur ist vorhanden. (Abg. Mag. Kogler: Welche 18?) Ein Kuratorium, das mit besten Fachleuten besetzt ist: Herr Generaldirektor Püspök, der Verfassungsrechtler Dr. Öhlinger, Sektionschef Dr. Wran, das sind Ehrenleute! Und wenn Sie im Rahmen Ihrer Kritik sagen, dass sie alle versagt hätten (Abg. Mag. Kogler: Haben sie ja!), dann stimmt das einfach nicht – das kann man auch nachweisen.
Die Wirtschaftlichkeit dieses Unternehmens ist sehr in Ordnung. Mehr als 12 Millionen € werden mittlerweile selbst erwirtschaftet. Aber das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen!
Die Basisabgeltung ist seit dem Jahr 1998 eingefroren und gleich geblieben, nämlich in der Höhe von 20 Millionen €. Ich bin überzeugt davon: Wenn irgendjemand von Ihnen das Museum geführt hätte, dann hätten wir schon Steigerungen von 30, 40, 50 Prozent. Das wäre Ihre Museumspolitik – und nichts hätte sich geändert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Sie aber kritisieren diese Facts: 1,3 Millionen bis 1,4 Millionen Besucher pro Jahr. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Sie kritisieren das, obwohl es zu den bedeutendsten Museen gehört. Stellen Sie sich der Realität, der Wirklichkeit, und anerkennen Sie die tolle Arbeit der 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter der Führung des Generaldirektors Dr. Seipel, sie haben sich solch eine Behandlung nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP.)
Es hat auch Prüfvermerke gegeben. (Abg. Dr. Matznetter: Wieso „Generaldirektor“? Was kassiert der Herr?) Lesen Sie sich die Evaluierung der Bundesmuseen durch! Lesen Sie sich diesen Bericht durch, studieren Sie ihn, dann werden Sie sehen, dass die Bundesmuseumspolitik eine hervorragende ist (Abg. Dr. Matznetter: Was kassiert denn der Herr?) und die Vollrechtsfähigkeit und die Ausgliederung der richtige Schritt in die richtige Richtung waren.
Wir haben tolle Möglichkeiten der Kooperation mit den renommiertesten Häusern der Welt. Dieses Museum hat 2,41 Millionen Gegenstände. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Natürlich waren 150 000 nicht inventarisiert, nämlich 50 000 Münzen und 90 000 Briefe und Postkarten. Das ist die Wahrheit.
Sie reden von einem Auto, das der Herr Generaldirektor angeblich selbst gehabt hat. – Das stimmt überhaupt nicht. Es war ein Leasingvertrag, und dieser Leasingvertrag wurde im Zuge der Vollrechtsfähigkeit einfach vom Museum übernommen. Bei Ihrer Politik hätte man wahrscheinlich einen neuen Audi A8 gekauft, und das wäre dann auch noch richtig gewesen. (Abg. Faul – in Richtung Freiheitliche –: Das ist da drüben! Da müssen Sie den Neudeck fragen!) Das Museum hat ein altes Auto übernommen, und das war eine sparsame Maßnahme.
Sie wollen einfach immer nur das Schlechte sehen. Frau Bundesministerin! Wir von der ÖVP sind stolz auf diese Museumspolitik (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) und auch auf das Kunsthistorische Museum mit seinem verantwortlichen Generaldirektor Seipel. Er hat sich Anerkennung verdient – und nicht das, was Sie immer behaupten. (Beifall bei der ÖVP.)
16.03
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Herr Bürgermeister, Sie sind am Wort.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 131 |
16.03
Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Teures Mitglied der Bundesregierung! Der erste Satz des Rechnungshofberichtes sagt eigentlich schon, worum es geht: „Das Kunsthistorische Museum hielt die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung und Bilanzierung mehrfach nicht ein. Unterlagen wurden nur zögerlich und unvollständig vorgelegt bzw. fehlten.“
Schon der erste Satz in einem Buch, das eigentlich eine Dokumentation ist, zeugt vom Sittenbild dieser Bundesregierung, davon, wie sie sich aufführt, nämlich dass öffentliches Eigentum einem Herrn Direktor Seipel gehört, der eigentlich nur der Repräsentant einer ehemaligen Feudalherrschaft ist, die es offensichtlich leider noch immer – ich hatte geglaubt, sie sei schon ausgestorben – unter der Deckung der Frau Bundesministerin gibt.
Frau Bundesministerin, diese Vorwürfe in diesem Dokument des Rechnungshofes zeigen ein Scheitern Ihrer Museums- und Ihrer Kulturpolitik. Das muss man hier ganz offen sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wenn Kollege Gahr hier argumentiert: Wer arbeitet, macht Fehler, wer nicht arbeitet, macht keine Fehler!, muss man angesichts dieser Dokumentation sagen (Abg. Grillitsch: Da kann die SPÖ keine Fehler machen!): Der Rechnungshofbericht zeigt, dass Herr Direktor Seipel eigentlich der Fehler schlechthin ist. (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Und Fehler gehören beseitigt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine Damen und Herren! Das, was Sie perfekt können, ist aussitzen, ignorieren und vertuschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber es gibt Gott sei Dank, muss man sagen, den Rechnungshofbericht, der uns etwas anderes zeigt und ganz klar dokumentiert, wie diese Bundesregierung mit öffentlichem Eigentum umgeht.
Da verschwindet eine Saliera – immerhin eine „Kleinigkeit“ von 50 Millionen € –, aber Sicherheitsvorkehrungen brauchen wir nicht, sie werden ignoriert. Es wird das vertuscht. Es gibt einfach dieses Problem nicht, nach dem Motto: Was nicht sein darf, ist nicht! (Abg. Neudeck: Aber alle Minister haben ein Alibi, sie waren es nicht!) – Das ist das Motto dieser Bundesregierung.
72 Aufzählungen in diesem Rechnungshofbericht, allein in der Kurzfassung dieses Berichtes, offenbaren die Unfähigkeit des Direktors Seipel. Aber was geschieht? – Meine Damen und Herren! Man genehmigt sich eine tolle Gehaltserhöhung. Seipel hat seine von 1998 bis 2002 genehmigten Bezüge um 153,2 Prozent erhöht. Aber das ist noch nicht genug. Der Herr Direktor bekommt auch noch einen nicht ruhegenussfähigen Zuschlag von 7 267,28 € – 14 Mal jährlich! –, plus 31 395 € für die Ausgliederung, plus 28 778 € für die Umwandlung des Technischen Museums, plus 15 697 € als Geschäftsführer der „Museums Collection“, und, und, und.
Weiters stellt der Rechnungshof fest, dass sich der Geschäftsführer zusätzlich jährlich, weil er so „arm“ ist, anlässlich des Weihnachtsfestes eine Geldaushilfe zwischen 73 und 80 € hat auszahlen lassen. Meine Damen und Herren! Das ist sensationell, denn nach diesem Bericht sind die 80 €, also Geldaushilfen gemäß den Bestimmungen des Gehaltsgesetzes nur auf Antrag an Personen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, auszubezahlen. – Meine Damen und Herren! In dieser Notlage würden sich gerne einige befinden, die ein Mindestgehalt beziehen. (Beifall bei der SPÖ.)
16.07
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Neudeck. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Wittmann – in Richtung des
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 132 |
sich zum Rednerpult begebenden Abg. Neudeck –: Du hast auch nicht viel mehr Belege in deiner Buchhaltung, oder?)
16.07
Abgeordneter
Detlev Neudeck (Freiheitliche):
Kollege, diesen Zwischenruf hast du das letzte Mal schon gemacht, oder jemand
anderer von euch. (Abg. Dr. Wittmann: Habt ihr sie schon gefunden?)
Ich habe damals gesagt – und zu dem stehe ich auch heute –: Wir
haben zu viele Belege, vor allem zu viele im „profil“. (Heiterkeit.)
Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Zwischen dem Rechnungshofbericht und dem Jahresbericht des Museums spielt sich die Wirklichkeit ab. Ich möchte jetzt nicht in die große Verherrlichung des Generaldirektors Seipel einstimmen. Natürlich ist es ... (Abg. Dr. Wittmann: Vom Seipel kannst du noch etwas lernen! – Abg. Scheibner: Von dir nicht!) – Kollege Wittmann, ich beginne erst dann nachzudenken, wenn ich von dir etwas lernen kann. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Scherz beiseite,
heute ist kein so lustiger Tag. – Natürlich: 150 000 Stücke, die
nicht katalogisiert sind, sind ein Problem. Nur: Lassen Sie die Kirche im Dorf!
Wie der Kollege vorher schon gesagt hat, sind das zum Großteil Marken. (Abg. Dr. Matznetter: ... „Saliera“!) Die „Saliera“ war
katalogisiert, sonst wüssten wir heute nicht, dass sie gestohlen ist, Kollege
Matznetter. (Heiterkeit bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Es sind 90 000 Postkarten, Ansichtskarten und einige Zehntausend Marken, aber leider habe ich nicht gehört, dass eine Blaue Mauritius darunter war. Man sucht also einen Prügel, um jemanden zu schlagen, und das kommt schon in die Nähe der Menschenverachtung, Kollege.
Es ist typisch: Bis kurz vor Beginn der
Rede ist Klubobmann Cap auf der Rednerliste gestanden, ich bin dann
heruntergegangen, habe geglaubt, da ist Cap drinnen, aber Kräuter war da. Es
distanziert sich die Führung also schon von Ihrer Kritik! (Zwischenruf des
Abg. Dr. Jarolim.)
Sie werden in mir sofort einen Partner
finden, wenn es darum geht, dass das Gehalt von Generaldirektor Seipel etwas
ist, das man diskutieren muss und soll. (Abg.
Riepl: Kürzen soll man es, nicht
diskutieren!) Nur: Wenn wir ihn jetzt nach Hause schicken, so haben wir
noch immer das Gehalt und den Ruhegenuss, haben dann aber vielleicht einen
künstlerisch schlechteren Direktor. (Abg.
Parnigoni: Aber anstellen kann er
nichts mehr!) Ihn nur wegzuschicken und nicht arbeiten zu lassen, das ist
keine Lösung. (Zwischenruf des Abg.
Dr. Kräuter.)
Aber, Frau Minister, wenn der Museumsdirektor mehr verdient als Sie, wird Sie das auch nachdenklich machen. Das werden wir nicht vertuschen, das werden wir nicht entschuldigen.
Repräsentationen, Bewirtungen, all das sind Themen, die in Zukunft abgestellt werden. (Abg. Parnigoni: Ich habe mir gedacht, ihr seid von der Aufdeckerpartei!) Ja, aufgedeckt ist es ja. (Abg. Parnigoni: Jetzt seid ihr die Zudecker! Ihr seid die Zudecker!) – Kollege! Es wird ja nichts vertuscht, es ist aufgedeckt. Das, was Sie wollen, ist Rache. Aufgedeckt ist es – und Rache ist kein gutes Mittel! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Frau Bundesminister! Wenn jetzt ein kaufmännischer Direktor – ich habe es schon ein paar Mal gesagt – dazukommt und auch noch ein ordentliches Gehalt bekommt, dann ist das eine unwirtschaftliche Maßnahme. Ich bin für eine Lösung mit einer Holding, die für die Museen in wirtschaftlicher und auch marketingmäßiger Hinsicht ein Dach darstellt, ähnlich wie bei den Bundestheatern. Dann hätten wir auch nicht das Problem
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 133 |
der großen Konkurrenz bei den Ausstellungen, sondern dann könnten sie sich als Einheit präsentieren und müssten nicht konkurrenzieren.
Kollegin Partik-Pablé hat einmal gesagt – und dieser Satz gefällt mir besonders, daher sage ich ihn gerne –: Die Touristen, die in Scharen in die Museen gehen, kommen nicht wegen der Belegsammlung, sondern wegen der Kunstsammlung des Generaldirektors Seipel.
Frau Bundesminister! Herr Rechnungshofpräsident! Zum Schluss eine Frage – bei PISA haben wir ja so schlecht abgeschnitten, und ich kann es mathematisch nicht lösen –: Es wird hier immer vom Vier-Augen-Prinzip gesprochen. Wie viele Menschen brauche ich für das Vier-Augen-Prinzip (Abg. Faul: Das ist der Seipel und seine Brille!), wenn ein paar nicht hinschauen und einige ein Auge zudrücken? – Diese Lösung hätte ich gerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
16.11
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schönpass. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Das war aber sehr mäßig!)
16.11
Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Sonnberger, positiv denken – okay –, das positive Handeln wäre die Folge, aber das bleibt leider manchmal offen.
Im Kunsthistorischen Museum unter der Leitung von Wilfried Seipel wurden nicht einmal grundlegende Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Buch- und Geschäftsführung erfüllt. Das ist schon unglaublich genug. Noch unglaublicher ist jedoch, wie Herr Seipel und ÖVP-Regierungsmitglieder versuchen, die Ergebnisse des Rechnungshofes als positive Ergebnisse darzustellen oder überhaupt zu leugnen.
Seipel ist als Generaldirektor nicht tragbar, so viel steht fest! (Abg. Scheibner: Applaus, bitte! – Beifall bei der SPÖ.)
Der Rechnungshof hat öffentlich gemacht, dass zentrale Unterlagen wie zum Beispiel Rechnungen und Belege einfach nicht vorhanden sind beziehungsweise nicht vorgelegt werden konnten. Keine Begründungen gab es auch für die enorme Steigerung des Personalaufwandes, wie Herr Kollege Neudeck auch schon kritisiert hat, insbesondere des Aufwandes für den Geschäftsführer selbst.
Ich sehe keine Erklärung dafür, wenn die Bundesregierung jemanden, der so wirtschaftet, und zwar mit Steuergeldern wirtschaftet, in dieser Spitzenposition belässt. Auf der Suche nach möglichen Gründen bin ich auf einen Eintrag im Gästebuch der „MS Mariandl“ gestoßen (Abg. Scheibner: Da sind Sie aber dann auch mitgefahren!) – die „MS Mariandl“ ist ein exklusives Schiff, das man für diverse Feierlichkeiten auf der Donau buchen kann. Eine solche Feierlichkeit war im vergangenen Jahr die Geburtstagsfeier von Herrn Generaldirektor Seipel. Sein Eintrag im Gästebuch lautet: Eine Geburtstagsfahrt mit lieben Freunden. – Eine „liebe Freundin“ war dabei: die für die Museen zuständige Bildungs- und Kulturministerin Elisabeth Gehrer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Was haben Sie auf der „Mariandl“ gemacht? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, was lernen wir daraus? – Wer Ministerin Gehrer als „liebe Freundin“ hat, im selben Boot mit ihr sitzt, erleidet auch nach einem derart negativen Rechnungshofbericht nicht Schiffbruch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Schiffbruch, Frau Kollegin! Ein gelesener Witz geht immer unter!)
Während die Armut in Österreich steigt und viele Menschen auf Grund von Pensionskürzungen, Steuerbelastungen und Sozialabbau immer weniger Geld zum Leben
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 134 |
haben (Abg. Scheibner: Was haben Sie auf der „Mariandl“ gemacht? – Abg. Neudeck: Mit wem haben Sie gefeiert auf dem Schiff? – Abg. Scheibner: Vielleicht weiß das der Herr Präsident!), feiern Mitglieder der Bundesregierung mit dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums luxuriöse Feiern. So wurde auch Herr Staatssekretär Morak von Seipel im Oktober zu einem aufwendigen Geburtstagsfest eingeladen, bei dem ihm auch noch – gut aufgepasst! – ein Geschenk in der Höhe von 5 700 € überreicht wurde, finanziert aus Steuergeldern! Super, was? (Beifall bei der SPÖ.)
Müssen sich das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wirklich gefallen lassen? – Nein, danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neudeck.)
16.15
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.
16.15
Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! (Abg. Dr. Jarolim: Christian, sag wieder, was Sache ist!) – Danke, lieber Freund, ich sage es gerne.
Es gibt nämlich Menschen, die behaupten, er sei ein Pharisäer, nämlich Jörg Haider, weil er selbst der größte Spesen- und Privilegienritter sei. Im Sinne des Kollegen Detlev Neudeck muss man dann sagen: Er hat einen würdigen Lehrbuben gefunden, nämlich Direktor Seipel. Direktor Seipel hat ihm sogar eines voraus: Er sammelt nicht so viele Belege, die dann im „profil“ auftauchen könnten, sondern er sammelt gleich gar keine, gibt keine ab und kassiert trotzdem! (Abg. Dr. Jarolim: Er hat einen Häcksler! Den Seipel-Häcksler!) – Den Seipel-Häcksler.
Wenn Frau Kollegin Partik-Pablé zum Beispiel davon spricht, dass die Umstellung von der Kameralwirtschaft auf die Privatwirtschaft Probleme bereitet hat, dann muss man Ihnen vorhalten, dass eine Wirtschaftspartei – und eine solche sind ja angeblich die beiden an der Regierung befindlichen Parteien – professioneller vorgehen könnte, indem man nämlich, so wie man das etwa auch beim Hauptverband gemacht hat – die Kollegin hat das vorhin bereits angesprochen –, fähige Leute sucht und die, die sich ausreichend disqualifiziert haben, wie Direktor Seipel, auf diesem Wege einmal in Pension schickt.
Da muss man Detlev Neudeck, wenn er sagt, da müsste man ja Direktor Seipel weiter bezahlen, entgegenhalten: Es gibt ausreichend Gründe für eine Entlassung des Geschäftsführers. Wir sind ja bei einer GesmbH im Angestelltenrecht, Kollege Neudeck (Abg. Neudeck: Aber das heißt eigentlich, dass das mit dem Sallmutter richtig war!), wir wissen das, und da gibt es mit der Entlassung die Möglichkeit, ihn billig loszuwerden dafür, dass er Jahre hindurch die Collections-GmbH wirtschaftlich gegen die Wand gefahren hat, mit öffentlichem Steuergeld in das Kunsthistorische Museum übernommen hat und dort dann die Kunst zusammengebracht hat, im Kunsthistorischen Museum einen Einbruch um rund 30 Prozent zu erleiden, während die Frau Bundesministerin uns erzählt, dass sonst überall Publikumssteigerungen um 30 bis 50 Prozent eingetreten sind. Und für diesen Rückgang belohnt er sich selbst mit der zweieinhalbfachen Entlohnung.
Das wäre in der Privatwirtschaft ein ausreichender Grund, um sich eines solch untüchtigen Geschäftsführers allemal zu entledigen, ohne ihn weiter zu entlohnen. (Beifall bei der SPÖ.)
Noch ein Letztes, Frau Bundesministerin, wenn Sie 24 Kritikpunkte anführen, wovon 18 erledigt sind: Ich sage Ihnen, wie man einen Angeklagten, der verurteilt wurde, trösten
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 135 |
kann. Sie sagen ihm: Schauen Sie, Sie sind in 24 Punkten angeklagt worden, in 18 sind Sie eh freigesprochen worden, und wegen der letzten 6 Mordanklagepunkte müssen Sie halt leider lebenslänglich sitzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
16.17
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Auch er spricht 2 Minuten zu uns. – Bitte.
16.17
Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, ich habe während Ihrer Rede wirklich sehr genau zugehört, und ich habe mich gefragt: Wie unterscheiden sich Ihre Argumente von den Spesenaufzeichnungen des Dr. Seipel? – Ich habe herausgefunden: Gar nicht, beide sind nicht belegbar! (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn Kollege Neudeck das noch verteidigt, dann sage ich ihm: Du hast jeden Tag damit zu tun, dir muss das ja Gefallen bereiten, oder du bist es zumindest gewöhnt, in deiner Parteikasse das so zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was mich im Ausschuss schon gestört hat und was mich auch heute stört, Kollege Sonnberger, ist, dass ihr Direktor Seipel wider besseres Wissen hier zum Märtyrer macht.
Jetzt frage ich wirklich einmal – ich trete heran an die verantwortungsvollen Bürgermeister, an die Unternehmerinnen und Unternehmer, die bei euch in der Volkspartei sitzen, und frage Folgendes –: Was machen Sie mit einem Angestellten, der sich sein Gehalt ohne Ihr Wissen selbst verdoppelt, verdreifacht (Abg. Dr. Sonnberger: Das stimmt ja nicht! Das ist ein Schwachsinn, Herr Kollege! Das ist eine Beleidigung!), oder haben Sie es gewusst, Frau Bundesministerin?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was machen Sie mit einem Mann, der sich Aufwandsentschädigungen als Angestellter des Bundes selbst zukommen lässt und, Herr Kollege Stummvoll, den Bund in die Situation eines Schwarzarbeitgebers bringt? Er hat sich diese Sachen schwarz ausbezahlt. Er war ja beim Bund beschäftigt. Fragen Sie den Kollegen Haupt, er hat uns das dort auf Grund eines Erkenntnisses dargelegt.
Was machen Sie mit einem Angestellten, der sich, wenn er im Auftrag für den Staat Einkäufe tätigt, selbst mit bedient? Und bei uns – das ist überhaupt noch das Größte – erklärt er dann ganz weinerlich, dass er sich eh die schlechtesten Teile dieses Ankaufes genommen hat. Das heißt, wir müssen ihm noch dankbar sein dafür, dass er dem Staat die besseren Dinge hat zukommen lassen. Er hat sich die schlechteren Teile genommen. – Das schlägt ja dem Fass den Boden aus! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Herren Bürgermeister und Unternehmer! Was machen Sie mit einem Angestellten, der Repräsentationskosten verursacht, ohne dass er einen Auftrag gehabt hat? Oder, Frau Bundesministerin, hat er von Ihnen den Auftrag gehabt, dieses Geburtstagsfest für Ihren Kollegen Morak auszurichten? Das möchten wir auch gerne wissen.
Was machen Sie – ich möchte es gar
nicht mehr wiederholen – mit Geschäftsführern, die ohne Spesenbelege
Gelder kassieren und die die Frau auf Urlaubsreisen mitnehmen? Ich frage euch,
Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, als Unternehmerinnen und Unternehmer.
Ihr würdet diesen Mann auf der Stelle entlassen! Warum entlassen Sie ihn nicht
als Abgeordnete, als verantwortungsvolle Abgeordnete? (Beifall bei der SPÖ.)
16.20
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Krist 2 Minuten. – Bitte.
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 136 |
16.20
Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Nicht einmal eine Großpackung „Weißer Riese“ kann die Flecken wegwaschen, die auf der Weste des Direktors des Kunsthistorischen Museums leuchten.
Dir, lieber Peter Sonnberger, auch einen
kleinen Buchtipp. Es gibt ein sehr interessantes Buch über glücklose
Direktoren und Manager mit dem Titel „Nieten in Nadelstreifen“. Ich könnte dir
empfehlen, das auch einmal zu lesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer:
Vranitzky! – Abg. Neudeck: Ist das ein Buch über
„Arbeiter-Zeitung“ und „Konsum“?)
Meine Damen und Herren! 38 Feststellungen und Kritikpunkte – höflich gesagt: Empfehlungen – des Rechnungshofes sind im Wahrnehmungsbericht festgehalten, 38 Empfehlungen an die zuständige Ministerin, das Kunsthistorische Museum und auch das Kuratorium, nachdem zum Teil haarsträubende Missstände aufgedeckt worden sind, insbesondere im kaufmännischen Bereich. Das ist unbestritten.
In diesem Bericht wurden Vorgänge aufgezeigt, die in jedem privatwirtschaftlichen Betrieb – das wurde schon mehrfach angeführt – sofort zur Freisetzung des dafür Verantwortlichen führen würden. Das geht von wundersamen Gehaltserhöhungen – das haben wir schon gehört – bis zu kuriosen Geschäften, von nicht nachvollziehbaren Reisekosten, von einem furchtbaren Durcheinander in den Inventarlisten, von nicht mehr auffindbaren Kunstgegenständen und Bildern bis hin zu üppigen Repräsentationsausgaben und so weiter und so weiter – eine schier endlos lange Liste an Kritikpunkten. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit beim Rechnungshof, beim Präsidenten und seine MitarbeiterInnen für die gewissenhafte und sicher nicht leichte Arbeit einmal herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.) Denn Rechnungsbelege aus dem Schüttcontainer im Keller des Museums heraussortieren zu müssen, ist wahrlich keine leichte Aufgabe.
Die berechtigte Kritik der rot-grünen
Opposition – ich gebe gerne zu, dass auch Kollegin Partik-Pablé und
Kollege Haupt sehr kritisch hinterfragt haben – wird immer weggewischt,
wird nie ordentlich beantwortet und macht uns die Arbeit nicht wirklich
leichter. Die ÖVP erstarrt in kultureller Ehrfurcht vor Direktor Seipel. Das
ist absolut entbehrlich, denn es wäre allemal wichtiger, Konsequenzen aus
dieser Unfähigkeit zu ziehen und Direktor Seipel als Leiter des
Kunsthistorischen Museums sofort abzuberufen. (Beifall bei der SPÖ.)
16.23
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.
16.23
Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Herr
Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Auch ich probiere es positiv
und sage, auch wir sind stolz auf unser Kunsthistorisches Museum. (Beifall
bei der SPÖ.)
Gerade deshalb, meine Damen und Herren, verlangen wir von jenen Personen, die Verantwortung für derartige Einrichtungen haben, dass sie sehr sorgsam mit den ihnen anvertrauten Einrichtungen umgehen. Mein und Dein muss man sehr wohl unterscheiden.
Heute ist bereits der Ausdruck „Feudalherrschaft“, „Feudalherr“ im Zusammenhang mit Herrn Direktor Seipel gefallen. Da fällt mir ein, welche Geisteshaltung dieser Mann hat, wenn er am 3. Oktober anlässlich einer Präsentation einer Biographie über Karl I. Otto
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 137 |
Habsburg als „Kaiserliche Hoheit“ begrüßt hat. Privat und
Staat dürfte Herr Seipel absolut nicht trennen können! (Zwischenrufe bei der
ÖVP.)
Die Reihe der Verfehlungen, meine Damen und Herren, ist wirklich nicht enden wollend, und die Unzulänglichkeiten können weder verleugnet noch abgestritten, noch schöngeredet werden.
Der vorliegende Rechnungshofbericht zeigt dieses Fehlverhalten auf. Es geht um Fehlverhalten und nicht um Fehler! Herr Seipel muss ein sehr eigenartiges Rechtsbewusstsein und Rechtsempfinden haben. Bedauerlich ist, dass die Frau Ministerin diesem Treiben tatenlos zuschaut, so nach dem Motto „Augen zu und durch“. Und die Tollereien des Herrn Seipel gehen in unserem Kunsthistorischen Museum munter weiter.
Frau Ministerin, ich glaube, es ist an der
Zeit, Konsequenzen zu ziehen! (Beifall bei der SPÖ.)
16.25
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Auch er spricht 2 Minuten zu uns. – Bitte.
16.25
Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Die Affäre rund um Direktor Seipel ist wohl symptomatisch für das Wesen dieser Bundesregierung. Den kleinen Beamten, den Arbeitern, den Angestellten, den Pensionisten wird rundum weggenommen, aber der Spitzenbeamte Seipel – Randbemerkung: Freund des Bundeskanzlers – wird rundum bedient. (Beifall bei der SPÖ.) Der Müll, den der Herr Direktor in großen Bergen produziert, wird prominent zugedeckt.
Der Rechnungshofbericht vermittelt Zustände wie im alten Rom. Ein Selbstbedienungsladen, wie man ihn sich nur wünschen kann, aber so gestaltet, dass auch nichts nachvollziehbar ist.
Es gibt da nicht einige oder mehrere oder viele Unregelmäßigkeiten, sondern der gesamte Betrieb ist eine einzige Unregelmäßigkeit mit bisher nicht widerlegten Verdachtsmomenten, Verdachtsmomenten auf Geschenkannahme, Untreue, Betrug und Amtsmissbrauch.
Wenn Sie, Herr Kollege Gahr, all diese
Missstände mit steigender Besucherzahl rechtfertigen wollen, dann ist das mehr
als kühn. Wer also jetzt noch die Missstände leugnet, meine Damen und Herren,
der kennt entweder den Bericht nicht oder möchte ganz bewusst die Öffentlichkeit
in die Irre führen. Frau Bundesminister! Wer wegschaut, macht sich mitschuldig.
(Beifall bei der SPÖ.)
16.27
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Er wünscht, 4 Minuten zu sprechen. – Bitte.
16.27
Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes!
Hohes Haus! 26 Prozent Minus in den Besucherzahlen rechtfertigen nicht eine
Gage, die zweieinhalbmal höher ist als der Ausgangswert. Das ist Misswirtschaft
pur! Seipel erhält jetzt ein Gehalt, das gleich hoch ist wie jenes des Bundeskanzlers.
Das Einzige, was die beiden verbindet, ist, dass sie schlechte Arbeit machen,
der eine für Österreich, der andere für das Kunsthistorische Museum. (Beifall
bei der SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 138 |
Aber eines hat er verstanden: Er hat die
6 000 €, die er dem Morak für sein Geburtstagsfest zur Verfügung
gestellt hat, wirklich gekonnt eingesetzt, denn alle, die eingeladen waren,
verteidigen ihn jetzt – alle: die Frau Bundesminister, die anwesenden
Abgeordneten. So wäscht eine Hand die andere. (Beifall bei der SPÖ.)
Finden Sie das in Ordnung, wenn Sie, nur
weil Sie eingeladen waren, diese 6 000 € rechtfertigen? Herr
Bundeskanzler! Würden Sie es nicht in Ordnung finden, wenn er diese
6 000 € zurückzahlen würde, anstatt eine Geburtstagsfeier aus
öffentlichen Geldern zu bezahlen? Das ist doch eine unglaubliche Vorgangsweise!
Nur weil man Nutznießer davon war, verteidigt man ihn hier jetzt. Also das ist
ja wirklich der Höhepunkt eines Sittenbildes dieser Regierung! (Beifall bei
der SPÖ.)
Letztendlich glaube ich, dass es noch viel mehr zu untersuchen gäbe. Ich hätte nur eine einfache Frage an den Rechnungshofpräsidenten. Glaubt er wirklich, dass ein Geschäftsführer angesichts einer derartigen Vorgangsweise tragbar ist?
Bei 27 000 € Reisespesen kein
Vorweis eines Belegs! Also du, Herr Kollege, hast seit der heutigen
Pressekonferenz zu viele Belege in der FPÖ, die über das Geldausgeben Auskunft
geben. Da hingegen gibt es keine Belege für die Reisekosten. Dann setzt man einen
zweiten Geschäftsführer dazu, und die schauen sich dann mit vier Augen keine
Belege an. Das ist ja eine absurde Situation! (Beifall bei der SPÖ.)
Mit zwei Augen sieht er keinen Beleg, genauso gut sehen vier Augen keinen Beleg. Also, liebe Freunde, das ist doch eine unglaubliche Vorgangsweise und eine Misswirtschaft, die ihresgleichen sucht. (Abg. Scheibner: Wiener Neustadt!)
Nur ein Beispiel noch, die „Museums Collection“: Der Beschluss – die Feststellung der ordnungsgemäßen Gebarung – über den Jahresabschluss für das Jahr 1998 ist zu einem Zeitpunkt erfolgt, da ist nicht einmal noch der Wirtschaftsprüfungsbericht vorgelegen, der ist nämlich erst ein Jahr später gekommen! Das heißt, dem Entlastungsbeschluss ist nicht einmal ein Bericht zugrunde gelegen, meine Damen und Herren! – Und da sind wir jetzt meiner Meinung nach in einem sehr strafrechtlichen Bereich gelandet.
1999 gibt es zwei Gesellschafterbeschlüsse: der eine für den Geschäftsbericht, der eine wurde dem Gericht vorgelegt und enthält vier Punkte, der andere wurde dem Rechnungshof vorgelegt und enthält drei Punkte. – Also wenn es da nicht irgendeine Täuschung gibt! Da wurde entweder das Gericht getäuscht, oder es wurde der Rechnungshof getäuscht.
Ich habe den Straftatbestand der Täuschung hier. Ich brauche ihn nicht vorzulesen, denn lesen werden Sie ja noch können. Aber im Grunde genommen, Berichte vorzulegen, die es nicht einmal noch gibt, und diese als Grundlage für eine Entlastung heranzuziehen, das entspricht keiner ordentlichen kaufmännischen Vorgangsweise.
Schlichtweg: Der Mann gehört weg, der ist untragbar! Der kauft Figuren für das Museum, nimmt sich zwei mit! – Im Jahr 1999 kauft er sie, im Jahr 2003 wird dann eine Expertise ausgestellt, wo gesagt wird: Die zwei waren sowieso wissenschaftlich unbedeutend und außerdem ohne museales Interesse. – 2003 wurde dann dieses Gutachten erstellt von den Wissenschaftlern, 1999 wurde angekauft! Und das Gutachten wurde erst erstellt, als der Rechnungshof schon geprüft hat, weil man ja nicht einmal gewusst hat, was sich der mitgenommen hat! – Also, liebe Freunde, das ist untragbar! Das geht nicht mehr!
Der Mann legt keine Belege für Reiserechnungen vor, erhöht sich selbständig das Gehalt, fährt das Museum in Grund und Boden, die Besucherzahlen sinken und sinken, und letztendlich führt er Gesellschafterbeschlüsse herbei über Berichte, die es noch nicht gibt! Und wenn es Berichte gibt, dann legt er zwei Berichte vor – einen für den
Nationalrat, XXII.GP | 116. Sitzung / Seite 139 |
Rechnungshof, einen für das Gericht. Einer davon kann stimmen, der andere sicher nicht.
Meine Damen und Herren! Das ist letztklassig, entspricht keinem Management! Und dieser Mann bekommt so viel wie der Bundeskanzler. Als Bundeskanzler würde ich mich fragen: Wofür? (Beifall bei der SPÖ.)
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