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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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94. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 6. Oktober 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

94. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode               Dienstag, 6. Oktober 2015

Dauer der Sitzung

                                           Dienstag, 6. Oktober 2015:   9.01 –   9.03 Uhr

                                                                                                   12.00 – 15.39 Uhr

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 12

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz betreffend unter­schiedliche Vorgehensweise bei ORF-Liveübertragungen ................................................................................................ 20

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 10

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Bildungsreform 2015 – großer Wurf oder nächster Flop? (6657/J)          ............................................................................................................................... 12

Begründung: Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................. 20

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................. 26

Debatte:

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 34

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 36

Brigitte Jank .................................................................................................................. 38

Dr. Walter Rosenkranz .........................................................................................  40, 87

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 45

Ing. Robert Lugar ..................................................................................................  53, 87

Julian Schmid, BA ........................................................................................................ 55


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 2

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 57

Asdin El Habbassi, BA ................................................................................................ 59

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .......................................................................... 61

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 63

Ing. Waltraud Dietrich .................................................................................................. 69

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 70

Angela Lueger .............................................................................................................. 72

Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................................................... 73

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 74

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 76

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 77

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 80

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 81

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 82

Rupert Doppler ............................................................................................................. 83

Gerhard Schmid ........................................................................................................... 84

Elmar Mayer .................................................................................................................. 85

Sigrid Maurer ................................................................................................................ 87

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt und Ausbau der erfolgreichsten Schulform: des Gymnasiums – Ablehnung  43, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Deutschklassen“ für Schüler ohne ausreichende Kennt­nis der Unterrichtssprache – Ablehnung              44, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung des Bildungsbereiches – Ablehnung ..............................................  48, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung von Bildungsreform-Maßnahmen, die breiteste Unterstützung aus der Zivilgesellschaft haben – Ablehnung ................................................................................................................  49, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des 10-Punkte-Forderungpro­gramms der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung bezüglich Elementar­bildung – Ablehnung ........................  66, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulautonomie für Österreich“ – Ablehnung .......................................................  79, 89

Eingebracht wurden

Bürgerinitiativen ........................................................................................................... 11

Bürgerinitiative betreffend „Best- statt Billigstbieter bei Ausschreibungen im Li­nienbusverkehr. Qualitäts- und Sozialstandards, sowie verpflichtender Personal­übergang bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr“ (Ordnungsnummer 88)

Bürgerinitiative betreffend „Erhalt des Hubschrauberstützpunktes Vomp“ (Ord­nungsnummer 89)

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 10

806: Bundesgesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) geän­dert wird


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 3

Berichte ......................................................................................................................... 11

III-199: Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2014

III-204: Bericht Reihe Bund 2015/14; Rechnungshof

III-212: Sicherheitsbericht 2014 der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

Anträge der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des 10 Punkte Forderungprogramms der Sozialpartner und der Industriellenvereini­gung bezüglich Elementarbildung (1351/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der Defi­nition des Verwaltungs- und Verrechnungsaufwands bei den Sozialversicherungsträ­gern und im Hauptverband (1352/A)(E)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung von Bil­dungsreformmaßnahmen, die breiteste Unterstützung aus der Zivilgesellschaft haben (1353/A)(E)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung des Bildungsbereiches (1354/A)(E)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Schutz unseres Was­sers (1355/A)(E)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1356/A)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend unbefristete Sprachförder­kurse (1357/A)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Ver­antwortung für Sprachförderung in einem Ressort (1358/A)(E)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eingliederung der Elemen­tarpädagogik in die Kompetenz des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (1359/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Möglichkeit zur viertel­jährlichen Auszahlung der 13. und 14. Monatspension für Pensionisten“ (1360/A)(E)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reformbedarf bei den Lan­desschulräten: sofortige Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes“ (1361/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen (1362/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen (1363/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen (1364/A)(E)

Zurückgezogen wurden die Anträge der Abgeordneten

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Meldung und Veröffentli­chung von Spitalsinfektionsraten [(996/A)(E)] [(Zu 996/A)(E)]


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 4

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung landwirt­schaftlicher Bundesanstalten [(1312/A)(E)] [(Zu 1312/A)(E)]

Anfragen der Abgeordneten

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „EuGH-Urteil bezüglich Verweigerung der Sozialhilfe für EU-Bürger“ (6631/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Mehrwegsysteme (6632/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die finanzielle Unterstützung von pflegen­den Angehörigen für Ersatzpflege (6633/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integra­tion und Äußeres betreffend das Urteil gegen Khadija Ismayilova (6634/J)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend „MedAustron“ (6635/J)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „MedAustron“ (6636/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Folgen des Russlandembar­gos“ (6637/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Hinweise auf Ungereimtheiten bei ÖVAG-Abbaugesellschaft (6638/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Außeruniversitäre Forschungsinstitute (6639/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Mittelverwendung aus dem „Österreichfonds“ (6640/J)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Gefährdung der Speditionsbranche (6641/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend „Sponsoring der Militärmusik“ (6642/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend „Aktuelle Zahlen der tatsächlichen Pen­sionshöhen“ (6643/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Verwertung von geistigem Eigentum an Universi­täten (6644/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Senate der Studienbeihilfenbehörde (6645/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Älplerkinder (6646/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend hausgemachte Armut bei Alleinerziehenden (6647/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 5

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend: Triclosan weit verbreitet und gefährlich (6648/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend: Bakterien gegen Antibiotika resistent (6649/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend gefährliche LED-Glühbirnen (6650/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend: 20 000 Hektar werden täglich zubetoniert (6651/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Justiz betreffend mutmaßliche Schleppertätigkeit des Grünen Dipl.-Ing. Martin Margulies (6652/J)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz von Glyphosat (6653/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Zukunft des VKI“ (6654/J)

Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend „Geheimpapier“ aus Regierungskreisen (6655/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Briefing für Ex-Finanzminister Grasser vor der Aussage im U-Aus­schuss (6656/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Bildungsreform 2015 – großer Wurf oder nächster Flop? (6657/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit betreffend Ärztemangel durch Ärzte-Arbeitszeitmodell (6658/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung (6659/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung (6660/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Europa, Integration und Äußeres betreffend Flüchtlingskoordinator der Bundes­regierung (6661/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanz­ler betreffend Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung (6662/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Kontrolle der Sachverständigentätigkeit (6663/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit betreffend GKK-Leistungen für Asylwerber (6664/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Elektrosmog (6665/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 6

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Elektrosmog (6666/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Elektrosmog (6667/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Einsparungspotenzial bei Biosimilars (6668/J)

Gerhard Schmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Betreuung und Verpflegung von Flüchtlingen durch das ÖBH (6669/J)

Gerhard Schmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Betreuung und Verpflegung von Flüchtlingen durch das ÖBH (6670/J)

Gerhard Schmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend interaktives Szenarientraining 2 (6671/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Operations-Simulatoren (6672/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Dämmerungseinbrüche/markierte Wohnungen (6673/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Schulabbrecher (6674/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend ÖBB-Haltestelle in Gries im Pinzgau (6675/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend jugendliche Straftäter (6676/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Übergriffe durch Asylwerber in Vorarlberg (6677/J)

Hermann Lipitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend soziale und ökologische Kriterien bei der Ver­gabe von Busverkehrsdienstleistungen (6678/J)

Hermann Lipitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend soziale und ökologische Kriterien bei der Verga­be von Busverkehrsdienstleistungen (6679/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsprivilegien für Tiroler VP-Klubobmann Wolf (6680/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend möglicherweise vorliegenden Verstoß ge­gen das UG 2002 u.a. mit dem MORE-Programm der Alpen-Adria-Universität Klagen­furt (AAU) (6681/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze in den oststeirischen Bädern 2015 (6682/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend selbstfahrende Autos: Steiermark soll Testregion wer­den (6683/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 7

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Flüchtlingsunterbringung in der Badener Marti­nek-Kaserne (6684/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Flüchtlingsunterbringung in der Badener Martinek-Kaserne (6685/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Geheimnisse um den EURATOM-Vertrag (2) (6686/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Besucherschwund bei der „Langen Nacht der Museen 2015“ (6687/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Murec 2015 (6688/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad St. Peter am Ottersbach 2015 (6689/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad St. Stefan im Rosental 2015 (6690/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Tieschen 2015 (6691/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Weiz 2015 (6692/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Hallen- und Freibad Feldbach 2015 (6693/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Hallen- und Freibad Hartberg 2015 (6694/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Hallenbad Wenigzell 2015 (6695/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Gersdorf an der Feistritz 2015 (6696/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Seebad Riegersburg 2015 (6697/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Schwimmbad Fehring 2015 (6698/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze in der Parktherme Bad Radkersburg 2015 (6699/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Gleisdorf 2015 (6700/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 8

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Vorau 2015 (6701/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Erlebnisbad Pöllau 2015 (6702/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Bad Gleichenberg 2015 (6703/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Birkfeld 2015 (6704/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeieinsätze im Freibad Fürstenfeld 2015 (6705/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Brückenklassen“ im Flüchtlingszentrum Traiskirchen (6706/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6034/AB zu 6248/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6035/AB zu 6241/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6036/AB zu 6240/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6037/AB zu 6242/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6038/AB zu 6243/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6039/AB zu 6244/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6040/AB zu 6245/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6041/AB zu 6246/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6042/AB zu 6247/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen (6043/AB zu 6249/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen (6044/AB zu 6239/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gernot Dar­mann, Kolleginnen und Kollegen (6045/AB zu 6250/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Ro­bert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (6046/AB zu 6251/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (6047/AB zu 6253/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Wei­gerstorfer, Kolleginnen und Kollegen (6048/AB zu 6252/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen (6049/AB zu 6254/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 9

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Windbüch­ler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (6050/AB zu 6256/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (6051/AB zu 6379/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6052/AB zu 6258/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6053/AB zu 6257/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6054/AB zu 6260/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6055/AB zu 6261/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6056/AB zu 6259/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (6057/AB zu 6262/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen (6058/AB zu 6255/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (6059/AB zu 6294/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (6060/AB zu 6263/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (6061/AB zu 6267/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Ha­gen, Kolleginnen und Kollegen (6062/AB zu 6264/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lich­tenecker, Kolleginnen und Kollegen (6063/AB zu 6266/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lich­tenecker, Kolleginnen und Kollegen (6064/AB zu 6265/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen (6065/AB zu 6268/J)


 

 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 10

09.01.15Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf.

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Präsident Karlheinz Kopf: Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 94. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unter­stützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 91. Sitzung und das Amtliche Protokoll der 92. Sitzung, jeweils vom 23. September 2015, sowie das Amtliche Pro­tokoll der 93. Sitzung vom 24. September 2015 sind in der Parlamentsdirektion aufge­legen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Singer, Mag. Haider, Riemer und Mag. Aslan.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Finanzen Dr. Hans Jörg Schelling wird durch die Bundesminis­terin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin vertreten.

09.02.29Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Karlheinz Kopf: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 6631/J bis 6656/J

2. Anfragebeantwortungen: 6034/AB bis 6065/AB

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) geändert wird (806 d.B.)

4. Anträge:

Zurückziehungen: Zu 996/A(E) und Zu 1312/A(E)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 88 betreffend „Best- statt Billigstbieter bei Ausschreibungen im Li­nienbusverkehr. Qualitäts- und Sozialstandards, sowie verpflichtender Personalüber­gang bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr“

Bürgerinitiative Nr. 89 betreffend „Erhalt des Hubschrauberstützpunktes Vomp“;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2014 (III-199 d.B.)

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 1350/A(E) der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „48 Stunden Asylverfahrensdauer laut Schweizer Modell“

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/14 (III-204 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Antrag 1349/A(E) der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Entfall einer disziplinären Verfolgung von Beamten trotz voller Sanktionierung unter Diversion

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Antrag 1348/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Erleichterungen für die Wirt­schaft

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verkehrsausschuss:

Sicherheitsbericht 2014 der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-212 d.B.)

*****

09.02.37Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Karlheinz Kopf: Der Grüne Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsord­nung das Verlangen gestellt, die am Beginn der Sitzung eingebrachte schriftliche An­frage 6657/J der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Bildungsreform 2015 – gro­ßer Wurf oder der nächste Flop?“ dringlich zu behandeln.

*****

Der Aufruf der Dringlichen Anfrage wird um 12 Uhr erfolgen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 12

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 von 12 Uhr bis 13 Uhr und von ORF III in voller Länge live übertragen wird.

Nun unterbreche ich die Sitzung bis 12 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 9.03 Uhr unterbrochen und um 12 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

12.00.51Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Bildungsreform 2015 – großer Wurf oder nächster Flop? (6657/J)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 6657/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführerin.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

„Wir müssen die besten sein, wir wollen die europa- und weltweit beste Bildung
bieten.“ (Wolfgang Schüssel zusammen mit Elisabeth Gehrer, 27.10.1997) (http://
paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NetSchuleEinleitung.html)

„61 Reformmaßnahmen im Bildungsbereich sorgen für beste Bildung und beste Chan­cen unserer Kinder.“ (Claudia Schmied, 4.7.2013)

„Mein Ziel ist ganz klar die beste Bildung für alle“ (Bildungsministerin Heinisch-Hosek, 17.4.2015) (https://www.bmbf.gv.at/ministerium/vp/2015/20150417.html)

„Unser klares ÖVP-Ziel lautet: Die beste Bildung für jedes Kind!“ (ÖVP-Generalsekretär Ger­not Blümel, 2.5.2015) (http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150502_OTS0029/
bluemel-baustellen-beheben-statt-schoenreden-und-verantwortung-abschieben)

„Die beste Bildung für jedes Kind, kein Prekariat mehr. Dafür brauchen wir die besten Kindergärten, die besten Schulen. Das muss unser aller Ziel sein.“ (Harald Mahrer, 6.10.2014) (http://kurier.at/politik/inland/schule-streitgespraech-zwischen-gabriele-heinisch-hosek-und-harald-mahrer-haben-keine-magischen-bankomaten/89.423.638)

Im Gebrauch des Superlativs einer „besten Bildung“ zeigen Mitglieder der österreichi­schen Bundesregierungen Routine. Das Bekenntnis, die „beste Bildung“ für unsere Kinder verwirklichen zu wollen, hat sich bisher aber als nicht einmal ansatzweise ein­gelöstes Versprechen entpuppt. Die inflationäre Verwendung dieses Superlativs durch alle politischen Akteure und Akteurinnen zeigt bestenfalls den Reformbedarf auf, wirkt jedoch angesichts der vielen Baustellen im Bildungsbereich zunehmend wie eine popu­listische Leerformel.

Die Ansprüche der Bundesregierung gründen sich auf die bestehende Gesetzeslage. Die Schule hat laut §2 Schulorganisationsgesetz „die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbst­tätigen Bildungserwerb zu erziehen“. Und auch die Bundesverfassung nimmt in Arti­kel 14, Abs. 5a Bezug auf das Bildungssystem: „Demokratie, Humanität, Solidarität, Frie-


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de und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen sind Grund­werte der Schule, auf deren Grundlage sie der gesamten Bevölkerung, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, unter steter Sicherung und Wei­terentwicklung bestmöglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau sichert.“

Diesem Anspruch wird das österreichische Bildungssystem jedoch nicht gerecht. In­ternationale Vergleichsstudien bescheinigen Österreichs Bildungssystem seit Jahren bestenfalls durchschnittliche, meist sogar unterdurchschnittliche Leistungen. Die In­dustriellenvereinigung hält dazu fest: „Österreich leistet sich eines der teuersten Bil­dungssysteme dieser Welt. Doch die hohen Ausgaben bringen keine bessere Bildungs­qualität. Und an wichtigen Kompetenzen fehlt es. Obwohl Österreich mit jährlichen Ausgaben von 13.116 US-Dollar pro Kopf von der Volksschule bis zur Hochschule we­sentlich mehr ausgibt als der OECD-Durchschnitt, sind wir in punkto Bildungsqualität weit vom internationalen Spitzenfeld entfernt. Das Geld kommt zu wenig bei den Schü­lerinnen und Schülern in den Klassenzimmern an.“

Das intransparente System der Bildungsverwaltung, die zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist, ist ein unzählige Millionen verschlingendes Bürokratiemonster. Hinzu kom­men zwischen diversen Ministerien aufgeteilte Kompetenzen, die durchgängige Rege­lungen und den dringend notwendigen Informationsfluss, wie ein sinnvolles Über­gangsmanagement zwischen den bestehenden Bildungsschnittstellen – etwa vom Kin­dergarten zur Volksschule – fast undurchführbar machen.

Daniel Schraad-Tischler, Projektleiter einer im letzten Jahr präsentierten Bertelsmann-Studie, kritisiert „die frühe Selektion der Kinder im mehrgliedrigen Schulsystem“. Au­ßerdem brauche Österreich mehr UniversitätsabsolventInnen als derzeit. Die Per­formance des Bildungssystems sei angesichts des Mitteleinsatzes bescheiden, denn Österreich komme nur auf Platz 29 aller 41 untersuchten Länder. Nach wie vor, so der Bertelsmann-Experte, spiele in Österreich die soziale Herkunft bei den Bildungs­chancen eine zu große Rolle. Mängel gebe es auch bei der frühkindlichen Bildung. („Die Presse“ vom 8. April 2014)

Die Bundesregierung ist vor zwei Jahren angetreten, um diese Situation zu verbessern. Im September letzten Jahres wurde die Einrichtung einer „Bildungsreformkommission“ beschlossen, die „rasch ihre Arbeit aufnehmen und laufend beratend tätig sein“ sollte. (http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/oesterreich/3876188/Regierungsklausur_6PunkteProgramm-zur-Bildung-beschlossen) Tatsächlich trat die Reformkommission erst vier Monate später zum ersten Mal zusammen und verkündete als wichtigstes Ergeb­nis das harmonische Miteinander: „,Man hat niemanden schreien gehört und der Boden hat nicht gebebt’, sagte der Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP)“. (http://diepresse.com/
home/bildung/schule/4644819/Bildungsreform_Staendiges-Herumdoktern-soll-ein-Ende-haben) Eine für die Bildungsreformkommission eingesetzte „Expert/innengruppe Schulverwaltung“ stellt den Reformbedarf fest: „Die völlig geänderten gesellschaftli­chen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen eine umfassende Neugestal­tung unseres Bildungssystems dringend erforderlich. (...) Mit punktuellen Einzelmaß­nahmen alleine wird man in Zukunft keine besseren Ergebnisse erzielen.“ (Freiraum für Österreichs Schulen, März 2015)

Das von der ExpertInnenkommission erarbeitete Grundlagenpapier „Freiraum für Ös­terreichs Schulen“ empfiehlt eine wesentliche Ausweitung der Schulautonomie, we­niger bürokratischen Aufwand, eine bessere Ressourcensteuerung und ein besseres Controlling. Bemerkenswert ist die Formulierung: „Ein generelles Andenken einer Re­duzierung der ‚Schnittstellen“ (Übergangszeiten) im gesamten Schulsystem. Denkbar wäre es, eine Schnittstelle bei 14 anzusetzen.“ Dies kommt einer – wenn auch vorsich­tig formulierten – Forderung nach Einführung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jäh­rigen gleich. (ebda, 27)


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Vorarlberg ist diesbezüglich schon einen Schritt weiter. Dort hat eine unabhängige Ex­pertInnengruppe ihre Schlussfolgerungen aus der bislang umfassendsten Befragung von LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen zur Gemeinsamen Schule präsentiert und die Empfehlung ausgesprochen, das Schulsystem im gesamte Bundesland zu einer Modellregion Gemeinsame Schule umzuwandeln: „Für das Bundesland Vorarlberg wird mittelfristig landesweit die Einrichtung einer gemeinsamen Schule von der 5. bis zur 8. Schulstufe auf Basis von Individualisierung bzw. Personalisierung und innerer Dif­ferenzierung empfohlen. Unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen sind Lehrper­sonen, die bereit sind, pädagogische Konzepte umzusetzen, die alle Schüler/innen ent­sprechend ihren Fähigkeiten und Interessen gleichermaßen fördern und auch fordern.“ (http://haraldwalser.at/wp-content/uploads/Schule-10-bis-14-Kurzfassung-mit-Empfehlungen.pdf)

Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass es massiver legistischer und in­haltlicher Vorbereitungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene bedarf. Dazu gehören bundesgesetzliche Änderungen genauso wie die Umsetzung einer Pädagogik in den Schulen der Sekundarstufe I, die die individuellen Talente und Fähigkeiten der Schüler/innen berücksichtigt und unterstützt sowie die gemeinsame Qualifizierung der Lehrpersonen in der neuen Pädagog/innenbildung sowie in Fort- und Weiterbildung insbesondere in den Bereichen diagnostische Kompetenz und Individualisierung bzw. Personalisierung auf Basis innerer Differenzierung. Auch die Ausgestaltung der Schul­autonomie, gleichzeitig Zielvereinbarungen mit den Schulen und der Aufbau eines Rück­meldesystems zum Stand der Zielerreichung, die Vorbereitung geleiteter Übergänge, die Intensivierung der Elternzusammenarbeit und die Neudefinition der Schulsprengel werden genannt.

Die Reformkommission hat sich „inhaltliche Verbesserungen und in weiterer Folge eine Strukturreform“ zum Ziel gesetzt, so die Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabri­ele Heinisch-Hosek: „Wichtig ist, dass wir das Schulsystem effizienter und effektiver ma­chen, damit die Schülerinnen und Schüler die beste Bildung erhalten.“ Die Ergebnisse der Kommission sollen nun am 17. November präsentiert werden. Aus den Verhandlun­gen der ExpertInnengruppe zur Schulverwaltungsreform sickert durch, dass es zu kei­ner Vereinheitlichung und Zusammenführung der Schulverwaltung kommen wird. Enttäu­schend für die Landeshauptleute könnte eine Berechnung sein, wonach die Verwaltung der LehrerInnen durch die Länder deutlich teurer wäre als eine zentrale Verwaltung durch den Bund. Untermauert wird dies durch einen aktuellen Bericht des Rechnungshofes (http://www.rechnungshof.gv.at/aktuelles/ansicht/detail/
berichtsvorlage-lehrerpersonalverwaltung-landesschulraete-insolvenz-entgelt-fonds-und-truppenuebu.html),
der bei der Verwaltung von Lehrpersonal besondere Ineffizienz ortet. Es zeigt sich wie­der einmal, dass die Partikularinteressen von Bund und Län­dern, Gewerkschaften und Gemeinden, Parteipolitik und jenen, denen es nur um Be­sitzstandswahrung geht, zu weit auseinanderliegen. Die völlig unterschiedlichen Vor­stellungen wurden auch am Austritt der beiden Landeshauptmänner Erwin Pröll und Hans Niessel ersichtlich. Of­fensichtlich war die eingangs gefeierte Harmonie in der Re­formgruppe nach nur weni­gen Sitzungen bereits wieder am Ende. Es ist daher zu be­fürchten, dass die als großer Wurf angekündigte Reform wieder zu einem Reförmchen verkommt und so auch wei­terhin alles beim (teuren) Alten bleibt.

Inzwischen steuert das österreichische Bildungssystem aber auf ein dramatisches Fi­nanzierungsproblem zu. Schon für das laufende Jahr ist das Budget 2015 massiv zu niedrig dotiert. Der „Kurier“ berichtet: „Seit Längerem ist bekannt, dass ihr Ressort deut­lich zu wenig Geld hat – in diesem Jahr rund 340 Millionen, im kommenden Jahr schon über eine halbe Milliarde Euro.“ (http://kurier.at/politik/inland/heinisch-hosek-und-das-bildungsbudget-ministerin-in-der-zwickmuehle/124.892.344)


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Gleichzeitig kommen neue Herausforderungen auf unser Bildungssystem zu. Die de­mografischen Veränderungen und SchülerInnenströme machen die Finanzierung des Bildungswesens über den Weg des Finanzausgleichs immer schwieriger. Zu starr und schwerfällig reagiert das System auf Herausforderungen wie z.B. durch die Kinder und Jugendlichen unter den Flüchtlingen, die jetzt eingeschult werden müssen und in Kin­dergärten und Kollegs Zugang zu Bildung bekommen sollen. Aber allein schon die Dynamik der wachsenden Ballungsräume führt zu einem chronischen Lehrkräfteman­gel in Städten, während in ländlichen Gemeinden Schulen nur durch Überschreitung der Stellenpläne erhalten werden können.

Während sich also Bund und Länder gegenseitig die Schuld am Stillstand zuschieben, statt endlich eine Entscheidung zu fällen und eine neue, gerechte und flexible Schul­verwaltung zu gestalten, leiden die Schülerinnen und Schüler, deren Unterrichtsbedin­gungen sich stetig verschlechtern. Aber auch für Eltern und Lehrkräfte ist die Situation nur schwer erträglich. Wenn die Schule weiterhin nach dem Gießkannenprinzip des Fi­nanzausgleichs finanziert wird, wird es weder die dringend benötigte sozialindexba­sierte Mittelzuteilung für alle Bildungseinrichtungen geben noch die gewünschte personelle Autonomie oder die dringend notwendige Flexibilitätsreserve für besondere Herausforderungen. Stattdessen bleibt es bei parteipolitischem Proporz, verkrusteten Strukturen, Parteibuchwirtschaft und Intransparenz.

Während Österreich also noch an den „Basics“ einer Schulreform bastelt, geht das viel­zitierte Finnland bereits an den nächsten weitreichenden Umbau seines Schulsystems und plant eine völlige Neustrukturierung der Unterrichtsgestaltung. Bemerkenswert ist dabei, dass die Reformschritte in einem für Österreich undenkbar schnellen Tempo umgesetzt werden, obwohl die Veränderungen mit der Auflösung des bisherigen Fä­cherunterrichts einen tiefen Einschnitt in den Unterrichtsalltag nach sich ziehen wer­den. Zudem wurden jene befragt, die von der Reform betroffen sein werden, nämlich auch die SchülerInnen: „Ihren Satz, dass die Schüler im Mittelpunkt der Schule stehen soll, nehmen die Bildungsplaner in Helsinki sehr ernst. Auch die aktuelle Schulreform ist nicht an den Schreibtischen eines Ministeriums entstanden, sondern in intensiven Gesprächen mit den Beteiligten. 60.000 Schüler wurden befragt. Sie waren zwar zufrie­den mit dem System, wollten aber mehr aktive Teilnahme.“ (http://www.spiegel.de/
schulspiegel/wissen/schule-in-finnland-reform-fuer-weniger-faecher-a-1027561.html)

Diese demokratische Einbindung von den am Schulleben Beteiligten ist in Österreich unmöglich bzw. unerwünscht. Schon alleine daran ist ein fundamentales Defizit an den derzeitigen Diskussionen zur Bildungsreform erkennbar: Partei- und partikuläre Macht­interessen scheinen gegenüber den Interessen und Bedürfnissen von SchülerInnen, Eltern und Lehrenden Vorrang zu haben. Das Josefinische Prinzip der Reformen von oben ist aber schon im 18. Jahrhundert gescheitert. Dennoch wird nun über ein Bil­dungssystem entschieden, das für unsere Zukunft von fundamentaler Bedeutung sein wird. Wenn die Bundesregierung heute nicht konsequente Schritte zu einer Ge­samtreform einleitet, werden die kommenden Generationen dafür die Rechnung zu be­zahlen haben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

Schulreform:

1. Welche konkreten Maßnahmen wurden in der Bildungsreform-Gruppe bereits ver­einbart?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 16

2. Ist die Integration der Elementarpädagogik in die Agenden des Bildungsressorts Thema bei den Verhandlungen der ExpertInnengruppe zur Schulverwaltungsreform? Wenn ja, in welcher Form?

3. Wird eine Umgestaltung der Regierungsverantwortung erwogen, im Zuge derer eine Zusammenführung aller Bildungsagenden in einem Ministerium erfolgen soll?

4. Wenn ja, wird dieses neue Bildungsministerium tatsächlich alle Agenden von der Elementarpädagogik über das Schulwesen und die Universitäten und Fachhochschu­len bis hin zur Erwachsenenbildung betreuen?

5. In welcher Form wird das von Ihnen genannte und nun auch vom neuen Mitglied der Bildungsreform-Gruppe Bürgermeister Michael Häupl explizit genannte Ziel der Umsetzung einer Gemeinsamen Schule (http://www.ots.at/presseaussendung/
OTS_20150909_OTS0225/heinisch-hosek-gemeinsame-ganztaegige-schule-ist-schule-der-zukunft, https://derstandard.at/jetzt/livebericht/2000022714813/1000039215/
wien-wahl-haeupl-im-chat-wien-wird-mit-zahl-an-asylanten-leicht-fertigwerden) im Rah­men der Beratungen der ExpertInnengruppe vorangetrieben?

6. Unterstützt Sie als Bundesministerin für Bildung und Frauen den Vorstoß aus Vor­arlberg, das Schulsystem im gesamten Bundesland in eine Modellregion Gemeinsame Schule umzuwandeln? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welcher Form?

7. Gibt es derzeit Kontakte zwischen dem Land Vorarlberg und Ihrem Ministerium, um die Bedingungen für eine Modellregion Gemeinsame Schule zu klären? Wenn nein, werden sie in absehbarer Zeit Kontakt aufnehmen? Wenn ja, in welcher Form, mit wel­chen Personen und wie weit sind die Vorbereitungen gediehen.

8. Wird es zur von vielen Seiten geforderten Zusammenführung von Aufgaben-, Ausga­ben- und Finanzierungsverantwortung in der Schulverwaltung kommen? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum wird die anhaltende Kritik vor allem des Rechnungs­hofes, aber auch anderer Institutionen und ExpertInnen laufend ignoriert?

9. Welche Fragen wurden in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Finanzen erörtert?

10. Welches Verhandlungsziel verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Frauen in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Finanzen?

11. In der Diskussion um eine Verwaltungsreform gibt es zum Teil widersprüchliche Statements. Während VertreterInnen der Länder für ein Mehr an Effizienz und mög­lichen Einsparungsmaßnahmen bei einer „Verländerung“ der Verwaltung der Lehrkräfte argumentieren, gibt es auch gegensätzliche Argumente. Sind zur Vorbereitung der Dis­kussion Berechnungen angestellt worden, mit welchen Kosten im Falle einer „Verlän­derung“ bzw. einer „Verbundlichung“ zu rechnen ist?

Falls nein: warum nicht?

Falls ja: Wer hat diese Berechnungen angestellt?

Falls ja: Wie lautet das Ergebnis dieser Berechnungen?

a. im Falle einer „Verländerung?

b. im Falle einer „Verbundlichung“?

12. Es ist anzunehmen, dass sich die Bildungsreformgruppe mit dem Thema der Ver­waltung des Personals beschäftigt hat. Ist die Gruppe bereits zu einem Ergebnis ge­kommen?

Falls ja: Wie lautetet dieses Ergebnis?

Falls nein: Wie ist der derzeitige Stand der Diskussionen?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 17

13. Bilden/bildeten die finanziellen Folgewirkungen der Verortung der Lehrpersonalver­waltung die Grundlage einer Entscheidungsfindung?

14. Wird es eine sozialindexbasierte Finanzierung von Schulen geben? Wenn ja, wann und für welche Schulen? Wenn ja, welche Faktoren werden in die Berechnung des So­zialindex einbezogen?

15. Welche Fragen wurden in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Schulverwaltung erörtert?

16. Welches Verhandlungsziel verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Frauen in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Schulverwaltung?

17. Werden die Landesschulräte aufgelöst und eine neue Verwaltungsstruktur einge­richtet?

18. Wird es eine Entparteipolitisierung der Kollegien in den Landesschulräten geben?

19. Wird es an Stelle der bestehenden nach dem Parteiproporz besetzten Kollegien der Landesschulräte /des Stadtschulrates für Wien zu einer Reform kommen, die den parteipolitischen Einfluss zurückdrängt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welcher Form?

20. Werden an Stelle der bestehenden nach dem Parteiproporz besetzten Kollegien der Landesschulräte /des Stadtschulrates für Wien SchulpartnerInnenräte geben, in denen gewählte VertreterInnen der Schulpartner (Eltern, LehrerInnen und SchülerIn­nen) Sitz und Stimme haben?

21. Wird es zu einer flächendeckenden Ausweitung der Autonomie der Schulen hin­sichtlich schulorganisatorischer und den Schulunterricht betreffenden Agenden kom­men? Wenn ja, in welchen Bereichen werden Schulen künftig selbst gestalten können?

22. Wird es regionale Modellversuche zur Autonomie in der Schulverwaltung geben? Wenn ja, in welchen Bereichen werden diese Schulen Autonomie erhalten? Wenn ja, in welchen Regionen ist so ein Modellversuch vorgesehen?

23. Welche Fragen wurden in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Pädagogik er­örtert?

24. Welches Verhandlungsziel verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Frauen in der ExpertInnengruppe – Untergruppe Pädagogik?

25. Zu welchen Ergebnissen kommt die ExpertInnengruppe – Untergruppe Pädagogik in ihren Verhandlungen? Welche davon können kurzfristig, welche mittel- oder langfris­tig umgesetzt werden?

26. Wird es an Stelle des bestehenden Inspektionssystems an Schulen eine unabhän­gige und zeitgemäße Qualitätssicherung für Schulen geben? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum wird am ineffizienten und bürokratischen System der Schulinspektion fest­gehalten?

27. Für eine weitreichende Reform, wie sie angekündigt wurde, ist in bestimmten Ma­terien eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat notwendig. Wann werden - angesichts dessen, dass die Bildungsreform in exakt sechs Wochen präsentiert werden soll – Ver­handlungen mit den Oppositionsparteien aufgenommen werden?

28. Werden Sie Konsequenzen ziehen, wenn es im Zuge der Bildungsreform nicht zum angestrebten Ziel einer Verwaltungsreform kommen wird? Falls ja: welche?

Budget:

29. Wie groß ist die Finanzierungslücke im Unterrichtsbudget 2015 derzeit?


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30. Von der kolportierten Finanzierungslücke in Höhe von rund 340 Millionen € soll es gelungen sein, einen Teil zu überbrücken. Wie viel Geld konnten Sie einsparen? In welchen Bereichen haben Sie Einsparungen erzielt? In welchen Bereichen konnten Sie Struktureffekte (z.B. Pensionierungen, sinkende SchülerInnenzahlen in Pflichtschulen o.ä.) nutzen, um das Sparziel zu erreichen?

31. Durch Stellenplanüberschreitungen der Länder im Pflichtschulbereich entstehen dem Bund jährlich Mehrkosten in Höhe von rund 33 Millionen €. Konnten diese Aus­gaben reduziert werden? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

32. Ist die Auszahlung der LehrerInnengehälter angesichts der großen Finanzierungs­lücke im Bildungsbudget bis zum Jahresende 2015 gesichert?

33. Sind die für den Ausbau ganztägiger Schulformen reservierten Gelder 2015 in Hö­he von 160 Millionen € von den Ländern zur Gänze beansprucht worden? Wenn nein, werden die so frei gewordenen Mittel zur Überbrückung der Budgetlücke verwendet?

34. In welcher Höhe wurden im laufenden Jahr Mittel für den Ausbau ganztägiger Schulformen in Anspruch genommen? Mittel in welcher Höhe sind noch bis Jahres­ende 2015 verplant?

35. Gibt es Verhandlungen mit der Bundesimmobiliengesellschaft über die Stundung von Mieten, den Zahlungsaufschub fälliger Raten, die Reduktion von Mietzahlungen oder die Hintanstellung von Schulbau- und Schulsanierungsmaßnahmen, um Mittel für die Überbrückung der Budgetlücke im Bildungsressort frei zu machen? Wenn ja, in welcher Höhe und in welchem Zeitraum?

36. Die Budgetmittel für die Förderung und Unterstützung von SchülerInnen mit Behin­derungen bzw. Sonderpädagogischem Förderbedarf sind chronisch zu niedrig. Welche Anstrengungen gibt es, diesen Bereich ausreichend zu finanzieren und die Inklusion von SchülerInnen mit Behinderungen bzw. Sonderpädagogischem Förderbedarf ent­sprechend der UN-Behindertenrechtskonvention voranzutreiben?

37. Wird das Bundesministerium für Bildung und Frauen wie gefordert aus dem für 2016 mit 75 Millionen € dotierten „Integrationstopf“ des Bundesministerium für Finan­zen zusätzlich 25 Millionen € für die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind erhalten? Handelt es sich bei diesen Mit­teln um einen einmaligen Zuschuss oder stehen diese Gelder ab 2016 jährlich für Inte­grationsmaßnahmen zur Verfügung?

38. Werden die Mittel für die Sprachförderung von außerordentlichen SchülerInnen, die derzeit mit 24 Millionen € pro Jahr bzw. 440 Dienstposten dotiert sind, angesichts des Mehrbedarfs erhöht? Wenn ja in welchem Ausmaß?

39. Werden die Sprachförderkurse für außerordentliche SchülerInnen (gemäß § 8e Abs.1 des Schulorganisationsgesetzes), die mit Ende des Schuljahres 2015/16 auslau­fen, wiederum verlängert? Wenn ja, wann ist mit einer entsprechenden Gesetzesvor­lage zu rechnen? Wenn ja, wird es sich wieder um eine auf zwei Jahre befristete Maßnahmen handeln? Wenn ja, wird die Maßnahme wieder mit 440 Dienstposten oder 24 Millionen € gedeckelt sein? Wenn nein, welche alternativen Angebote der laufenden Sprachförderung für außerordentliche SchülerInnen sind geplant?

40. Wie kann abseits der starren Regelungen des Finanzausgleichs sichergestellt wer­den, dass bei wachsenden SchülerInnenzahlen während des Schuljahres ausreichend zusätzliches Lehrpersonal bereitgestellt wird?

41. Welche Möglichkeiten hat das Bundesministerium für Bildung und Frauen, einen durch die Flüchtlingssituation oder durch Binnenmigration kurzfristig auftretenden (re­gionalen) Mehrbedarf an Lehrkräften zu finanzieren?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 19

42. Gibt es zusätzliche Mittel, um den Mehrbedarf an Aus- und Weiterbildung für Leh­rerInnen im Bereich Deutsch als Zweitsprache zu finanzieren? Wenn ja, in welcher Hö­he und in welchem Zeitraum?

43. Gibt es bereits konkreten Zusagen des Finanzministers über Budgeterhöhungen im Jahr 2016? Wenn ja, welche?

Aktuelle Fragen:

44. Werden die Mittel für Basisbildung (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/
I/I_00324/index.shtml) und das Nachholen von Bildungsabschlüssen im Rahmen der Erwachsenenbildung, die in Kofinanzierung mit dem ESF (Europäischer Sozialfonds) abgehalten werden, angesichts des stark steigenden Bedarfs erhöht? Wenn ja, in wel­chem Zeitraum? Wenn ja, stehen Sie bereits in Verhandlungen mit dem ESF? Wenn nein, wie kann sichergestellt werden, dass all jene, die einen Bedarf am Nachholen ei­nes formalen Schulabschlusses oder an Basisbildung haben, auch Zugang dazu be­kommen?

45. Gibt es für ElementarpädagogInnen Ausbildungsangebote im Bereich Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache an den Pädagogischen Hochschulen, damit schon im Kindergarten eine professionelle Sprachförderung für Kinder mit nicht-deut­scher Muttersprache angeboten werden kann? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein, sind solche Ausbildungsangebote zumindest in Planung?

46. Werden Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung in Deutsch als Fremd­sprache/ Deutsch als Zweitsprache auch ohne Lehramtsstudium an Schulen und Kin­dergärten zur Sprachförderung eingesetzt? Wenn ja, auf welcher dienstrechtlichen Grund­lage?

47. Werden Sie jugendlichen Flüchtlingen und AsylwerberInnen zwischen 15 und 18 Jah­ren die Möglichkeit eröffnen, eine Polytechnische Schule zu besuchen und dort den Pflichtschulabschluss nachzuholen? Wenn ja, wann und in welchem Zeitraum? Wenn nein, welche alternativen Bildungsangebote gibt es für 15- bis 18-Jährige, die keinen formalen Pflichtschulabschluss vorweisen können, aber auch keine Eignung für den Besuch einer mittleren oder höheren Schulen bzw. keine Lehrstelle haben?

48. In Wien haben Jugendliche bis 18 Jahren im Rahmen der Ausbildungsgarantie Zu­gang zu einer allgemeinbildenden oder beruflichen Bildung. Gibt es Überlegungen Ihres Ressorts, diese Garantie auf ganz Österreich auszuweiten? Wenn ja, in welchem Zeitraum?

49. Werden Kinder und Jugendliche, die eine AHS oder BMHS als außerordentliche SchülerInnen besuchen möchten, bei der Zuteilung von Ressourcen (Werteinheiten) an die Schulen gleich behandelt wie ordentliche SchülerInnen? Wenn ja, wie erklären Sie sich Berichte, wonach die Zuteilung von außerordentlichen SchülerInnen dazu führt, dass die betreffenden Klassen zwar größer werden, allerdings die Teilung der Klassen entgegen der Teilungszahlenverordnung nicht erfolgt und somit der Unterricht in Groß­gruppen abgehalten werden muss?

50. Im Erstaufnahmelager in Traiskirchen bietet das Projekt „Brückenklassen“ Flücht­lingskindern einen Zugang zu Schulbildung ab dem ersten Tag in Österreich. Die Brü­ckenklassen helfen, erste Deutschkenntnisse zu erwerben, auf den Schulbesuch in Ös­terreich vorzubereiten und ein wenig Ruhe und Normalität in den Alltag der Kinder und Jugendlichen in den Lagern und Quartieren zu bringen. Ist geplant, solche Projekte auch auf andere Erstaufnahme- und Verteilzentren sowie vorübergehende Großquar­tiere auszuweiten?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.2 GOG verlangt.

*****

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Doris Bures: Ich erteile Frau Klubvorsitzender Dr. Glawischnig-Piesczek als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage (Rufe bei der FPÖ: Zur Geschäfts­ordnung!) – nach einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung von Herrn Abgeordnetem Dr. Rosenkranz – das Wort. – Bitte.

 


12.01.33

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Mit Verwunderung, aber auch Interesse haben wir bemerkt, dass die heutige Sitzung von 12 bis 13 Uhr auf ORF 2 direkt übertragen wird, im Anschluss in voller Länge auch auf ORF III. Vor zwei Wochen hat es auch ein interessantes Thema ge­geben, auch eine Sondersitzung. Diese wurde von 38 Abgeordneten eingebracht, über sie wurde auf ORF III zur Gänze berichtet, aber nicht auf ORF 2.

Nunmehr haben 24 Abgeordnete ein Begehren gestellt. Jetzt sieht es so aus, dass auf­grund der Rednerliste das – trotz des Unmuts der SPÖ … (Abg. Schieder: Ist das zur Geschäftsordnung, oder was?!) – Ich kann mir schon vorstellen, dass die SPÖ ange­sichts jeder Darstellung oder Berichterstattung Unmut hat, aber warum das daran liegt … (Abg. Schieder: Weil Sie zur Geschäftsordnung sprechen und nicht ...!) – Herr Kollege Schieder, bitte lassen Sie mich ausreden! Warum sind Sie so nervös? Ich verstehe das nicht. Sie müssen einmal zuhören lernen, auch wenn es die Nervosität natürlich schwer macht.

Frau Präsidentin, ist Ihnen das auch aufgefallen? Haben Sie bereits Rücksprache mit dem ORF gehalten, warum dieses unterschiedliche Verhalten so ausschaut, dass die Debatte heute zum Schluss in dieser einen Stunde zu einer rot-grünen Belangsendung wird? (Beifall bei der FPÖ.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz, wir werden diese De­batte, die an der Grenze einer Geschäftsordnungsdebatte ist, beziehungsweise die Frage, die Sie gestellt haben, am Freitag in der Präsidialkonferenz weiter besprechen.

*****

Ich erteile jetzt, wie angekündigt, Frau Klubvorsitzender Dr. Glawischnig-Piesczek zur Begründung der Anfrage das Wort. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass 20 Minu­ten Redezeit nicht überschritten werden dürfen. – Bitte.

 


12.03.29

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne)|: Frau Präsidentin! Ich kann Herrn Kollegem Rosenkranz in einem Punkt beruhigen: Es wird hier keine Belangsendung für irgendeine Partei geben (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Schaut schon so aus!), son­dern es sollte hier im Wesentlichen eine Belangsendung für die Zukunft unserer Kin­der, nämlich die Bildungszukunft der Kinder in Österreich, geben. (Beifall bei den Grü­nen.)

Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek! Wir haben Sie heute deshalb ins Parlament gerufen, weil wir in großer Sorge sind, weil wir mittlerweile sehr ungeduldig sind und weil mittlerweile auch die Kritik an der Vorgangsweise wächst, was eine Bildungsre­form in Österreich betrifft. Es spitzen sich jetzt einige sehr kritische Momente zu: Ei­nerseits wird am Mittwoch nächster Woche, also gleich unmittelbar nach der Wiener Landtagswahl, vom Herrn Finanzminister die Budgetrede gehalten werden. Damit ist der Fahrplan für das Budget auf dem Tisch. Dieses wird mit Ende November bereits beschlossen werden.

Sie, Frau Ministerin, wollen mit Ihrer Reformgruppe am 17. November ein Reformpa­pier vorlegen, wobei, unserem Verständnis nach, die ersten Ergebnisse – wir wissen


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nicht, was herauskommen wird – dann selbstverständlich auch bereits ins Budget ein­fließen sollten.

Wir haben auch Sorge, dass nach der Landtagswahl unter Umständen etwas passiert, was oft nach Wahlen passiert, nämlich so wie jetzt nach der Oberösterreich-Wahl: Das Arbeitsmarktpaket, an dem lange gearbeitet worden ist, wurde in der Sekunde abge­sagt. Wir haben Sorge, dass auch die Bildungsreform, die Bildungspolitik neuerlich in den Zustand der absoluten Lähmung gerät und für die Kinder und Jugendlichen wieder ganz wichtige Monate und Jahre verloren gehen. Und das wollen wir nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben die letzten Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, so viele Versprechungen gehört, was diese Frage der Zukunftsperspektiven für unsere Jugend betrifft, dass es fast schon unangenehm ist, dass sich das ständig wiederholt. Bereits 1997 hat – da­mals noch – Wolfgang Schüssel gemeinsam mit Elisabeth Gehrer von der „besten Bil­dung“ für unsere Kinder gesprochen. Das setzt sich über die letzten zwei Jahrzehnte fort. Auch Ihre Amtsvorgängerin Claudia Schmied hat von der „besten Bildung“ unmit­telbar und sofort für die Kinder gesprochen, „die beste Bildung für jedes Kind, kein Pre­kariat mehr“, „die besten Kindergärten, die besten Schulen“ – also diese Superlative hören wir mittlerweile jahrein, jahraus.

Auf der anderen Seite ist die Situation allerdings für sehr viele Kinder und Jugendliche sehr schwierig. Jeder versäumte Monat, jedes versäumte Jahr bedeutet für Tausende Kinder und Jugendliche ein Abschneiden ihrer Zukunftschancen. Ich erinnere nur da­ran, dass wir jedes Jahr 10 Prozent jedes Jahrgangs, 8 000 Kinder in diesem Sinn ver­lieren, dass sie ihre Schulpflicht de facto abgesessen haben, aber trotzdem von die­sem Schulsystem nicht mitbekommen haben, wie man sinnerfassend liest, wie man rechnet, wie man schreibt. Das ist jedes Jahr ein weiteres Versäumnis, zurückzuführen auf politisches Hickhack, Sich-nicht-einigen-Können, taktische Spiele – und dies auf dem Rücken genau dieser Kinder und Jugendlichen.

Deswegen darf es für 17. November keine Ausrede geben, und es muss wirklich ein großer Wurf und darf kein kleines Reförmchen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Die Zeichen sind jetzt allerdings nicht unbedingt auf absolut positiv eingestellt. Frau Ministerin, Sie wissen, dass Sie mit der grünen Fraktion, mit uns, mit Sicherheit eine Partei in diesem Hause haben, die ein dramatisches Interesse an der Verbesserung der Situation hat. Wir möchten Sie und auch die ÖVP unterstützen, eine gute Reform zu erarbeiten. Aber dafür müssen Sie etwas leisten und auch etwas vorlegen. (Neuer­licher Beifall bei den Grünen.)

Im Moment gibt es eine Arbeitsgruppe, die letztes Jahr ins Leben gerufen wurde, eine Bildungsreformkommission. Da wurde gesagt, sie werde rasch ihre Arbeit aufnehmen und laufend beratend tätig sein. Es hat vier Monate gedauert, bis diese Gruppe das erste Mal getagt hat. Bis jetzt weiß ich von drei offiziellen Treffen, das letzte fand Ende Juli statt. Was jetzt durchsickert, ist, so glaube ich, kein Anlass zur Freude. Durchge­sickert ist, dass gerade beim zentralen Punkt der Schulverwaltung keine Vereinheitli­chung und keine Zusammenführung der Kompetenzen geschehen oder gelingen soll, obwohl genau das der Punkt ist, wo wir wesentliche Ressourcen, wesentliche Mittel – von den Gebäuden, von der Verwaltung hin zu den Kindern – umschichten könnten. Dazu erwarten wir uns heute eine Erklärung beziehungsweise eine Antwort, sollte es anders sein. Wir wünschen uns, dass es anders ist.

Bedauerlich ist auch, dass bei dieser Reform nicht – nach dem Vorbild anderer Län­dern – zum Beispiel jene, die es eigentlich am meisten betrifft, nämlich die Schülerin­nen und Schüler, die Jugendlichen, miteingebunden sind – in keiner Form. Es sind SPÖ- und ÖVP-Vertreter, es ist der Bund, es sind die Länder, es ist die klassische Auf-


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teilung, die sehr oft für Stillstand und wenig für Bewegung sorgt. Betroffene Jugendli­che sind nicht integriert. Ich hätte Ihnen eines ans Herz gelegt: In Finnland sind gerade bei einem großen Schulreformprojekt 60 000 Schülerinnen und Schüler mit am Werk gewesen. Sie haben sich aktiv eingebracht, haben auch aktiv ihre Schule neu gestaltet, und das alles in einem dermaßen atemberaubenden Tempo, das sich in Österreich fast niemand vorstellen kann.

Deswegen ist es schade, dass die Betroffenen, um die es eigentlich gehen soll, so we­nig mitgedacht werden und dass von oben etwas verordnet werden soll, wo wir Sorge haben, dass es nicht wachsen kann und auch nicht ausreichend ist. (Beifall bei den Grünen.)

Meine persönliche Ungeduld, meine Kritik ist deswegen auch sehr berechtigt, weil wir alle, als Eltern oder auch im Bekannten- und Verwandtenkreis, immer wieder das Schick­sal von Jugendlichen und Kindern sowohl im Kindergarten als auch in der Schule er­leben, die in diesem Bildungssystem einfach auf der Strecke bleiben, weil man es in diesem politischen Hickhack zwischen Bund und Ländern, zwischen Landeshauptleu­ten und Ministerien, zwischen Rot und Schwarz nicht schafft, ihnen eine Chance zu ge­ben.

Letzte Woche wurde im Familienausschuss genau der Kindergartenbereich wieder ein­mal beerdigt, muss ich in aller Dramatik sagen – gerade wenn es um die Schwächsten und um die Kleinsten geht. Jahrelang haben wir diskutiert, was Elementarpädagogik heißt, wie wichtig es ist, den Kleinsten die beste Ausbildung zu geben. Alle bestätigen das selbstverständlich: Die PädagogInnen verdienen eine bessere Ausbildung, verdie­nen eine bessere Bezahlung, verdienen bessere Plätze.

Die Eltern verdienen es auch, wenn sie eine Familie planen, wenn sie die neun Monate Schwangerschaft miteinander verbringen, dass sie die Sicherheit haben, wenn sie einen Kindergartenplatz brauchen, dass sie auch einen Platz in ausreichender Qualität bekommen.

Jetzt ist das zweite Gratis-Kindergartenjahr de facto wieder beerdigt worden. Ich frage mich, was all diese Bekenntnisse eigentlich wert sind, die Kleinsten seien uns am wich­tigsten. Die Zukunft der Kleinsten sollte uns allen ein Anliegen sein. Vielleicht haben Sie dafür auch eine Erklärung. (Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß, das ist alles sehr kompliziert mit den Ländern und mit der Finanzierung, aber übel habe ich es gefunden, dass ideologische Gründe vorgeschoben wurden, dass man Kinder aus den Armen ihrer Eltern wegreiße, wenn man ein zweites Gratis-Kin­dergartenjahr verpflichtend einführt. Im Wesentlichen heißt das für 95 Prozent aller El­tern, einen fixen Platz zu haben – noch dazu kostenfrei. Das ist nichts, was mit Ideo­logie zu tun hat, sondern das ist echt lebenswerte Qualität, das ist auch Unterstützung, was die Brieftasche betrifft. Es macht einen riesigen Unterschied, ob man einen kostenfreien Kindergarten besuchen kann oder ob man sich in irgendeiner Form Privat­kindergärten leisten muss. Sie schütteln den Kopf (in Richtung der Abg. Belako­witsch-Jenewein), ich weiß nicht, warum, aber 95 Prozent der Eltern hätten das sehr dringend gebraucht: eine Entlastung, was gerade die Kindergartenkosten betrifft. (Bei­fall bei den Grünen.)

Jedes Jahr, jeder Monat, der verzögert wird, der aufgrund von politischem Hickhack, auf­grund von Hickhack zwischen Rot und Schwarz verzögert wird, bedeutet für Tausende junge Menschen, keinen Schlüssel zum Arbeitsmarkt zu haben, keinen Schlüssel zur Teil­habe, auch zur gesellschaftlichen Teilhabe zu haben. Ich spreche von jenen 8 000 jun­gen Menschen, die de facto ohne Schulabschluss ins Leben gestoßen werden. Ich möch-
te nicht, dass diese jungen Leute mit leeren Augen auf der Straße vor dem Arbeitsamt hocken. Wir wollen das nicht mehr. Und wir wollen, dass es sehr viel rascher angegan-


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gen wird, Schulabschlüsse zu ermöglichen, dass auch das Volksschulsystem und der Übergang in die Mittelschule anders organisiert werden, dass wir diese Kinder nicht einfach auf neun Jahren Schulweg verlieren, was im Moment der Fall ist. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen. – Unruhe bei der ÖVP.)

Ich orte eine gewisse Unruhe bei der ÖVP. Ich weiß nicht, ob das Thema Sie unruhig macht, aber vielleicht kann man das ein bisschen abstellen und diese wichtige Zu­kunftsfrage schon auch mit großer Ernsthaftigkeit diskutieren. (Abg. Kogler: Passt auf, dass ihr was lernt!)

Bildung ist der Schlüssel zu einem guten Zusammenleben in der Gesellschaft. Das wissen Sie. Wir müssen das für diese jungen Leute schaffen. Es sind mittlerweile 80 000 junge Menschen von 15 bis 24, die in Österreich keine berufliche und auch sonst keine gesellschaftliche Perspektive haben.

Dafür brauchen wir Volksschulen, die ein Ort sind, wo die Kinder ihre Erfolgserlebnisse haben können und ihnen auch Lernerfolgserlebnisse ermöglicht werden. Sie alle ken­nen die Fortschritte von Klein- und Kleinstkindern. Die wollen alle laufen lernen, die wollen alle Rad fahren lernen, die wollen alle endlich schreiben lernen – der Stolz, wenn ein Kind nach drei Wochen Volksschule das erste Mal „Mama“ schreiben kann, wie stolz dann die Kinder sind!

Dann, in der dritten, vierten Klasse, kippt das System auf einmal in Richtung Defizit­orientierung. Das hat einen Grund. Das hat eben den Grund, dass mit dem Halbjah­reszeugnis in der vierten Klasse Volksschule die Kinder de facto mit der Rasierklinge getrennt und in zwei Töpfe geworfen werden: die einen, die fähig sind für das Gymna­sium, und die anderen, die es nicht sind. Bereits in dieser Phase, in der dritten, vierten Klasse Volksschule, beginnt es, dass man sich mit Schwächen beschäftigt, dass man nicht mehr die Stärken in den Mittelpunkt rückt, sondern die Schwächen.

Da gibt es so viele traurige Geschichten von so begabten Kindern in der Volksschule, die wunderbare Aufsätze schreiben können, die wunderbare Geschichten schreiben können, aber halt im Rechnen noch ein bisschen hintennach sind. Dann bleibt die Tür zum Gymnasium einfach zu. Auch umgekehrt: Kindern, extrem begabt, die mehrstellig multiplizieren können, im Kopf dahinmultiplizieren können, die vielleicht noch ein sprach­liches Defizit haben, vielleicht, weil sie nicht in Österreich geboren sind, vielleicht auch aus einem anderen Grund, bleibt die Tür zum Gymnasium versperrt.

Und das ist schon etwas, was wir uns überlegen müssen: Wollen wir Neun-, Zehn- und Elfjährigen dieses unsichtbare Zeichen in der Schule auf die Stirn drücken: „zweite Wahl“ – du warst nicht gut genug für das Gymnasium? Wollen wir das wirklich? Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, das zu überdenken. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steinbichler: Das ist eine Wahnsinns...!) – Es ist so. Es ist tatsächlich so. Wenn Sie ein Kind haben, das einen Dreier in der Volksschule hat, dann kann es nicht in das Gymnasium seiner Wahl gehen. Sie wissen, wie unterschiedlich die Kinder in diesem Alter sind und wie sehr es davon abhängt, ob ein Kind im Jänner oder im Juli geboren ist. Gerade im Alter zwischen sechs und zehn Jahren sind die Entwicklungsunterschie­de extrem. Warum nicht jedem Kind die gleiche Chance geben? Warum nicht jedes Kind individuell so fördern, dass es die bestens Chancen erhält? Wenn Sie da dagegen sind – ich kann das nicht nachvollziehen! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist eine Situation, da entstehen Ängste, da entsteht Druck, da wird Nachhilfe ge­geben – Nachhilfe in der Volksschule, das muss man sich einmal vorstellen!

Jetzt haben wir mit Vorarlberg ein ganzes Bundesland, in dem sich Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, die Schulen, die Politik vor allem, entschlossen haben, das als Modellre­gion „Gemeinsame Schule“ zu machen, wo man genau diese Trennung nicht macht und wo man Kinder individuell mit viel Einsatz, nicht nur persönlichem Einsatz, sondern


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auch mehr Mitteleinsatz, auch wirklich fördert. Es liegt jetzt am Bund, es liegt jetzt an ÖVP und SPÖ, zu ermöglichen, dass Vorarlberg das auch machen darf.

Auch meine Frage an Sie, Frau Ministerin: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass ein Bundesland das einfach einmal ausprobieren darf, oder wird die rot-schwarze Mehrheit genau diese Entscheidung des Bundeslandes Vorarlberg weiter blockieren? Auch dazu würden wir uns heute eine Antwort wünschen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen, dass es an vielen Faktoren liegt. Wir wissen aber auch, dass es oft auch an den Eltern liegt. Viele Eltern haben den Willen zur Bildung, haben persönlich eine gute Ausbildung genossen, haben einen höheren Bildungsabschluss. Genau solche El­tern legen sehr viel Wert auf den Bildungszugang ihrer Kinder, bemühen sich, haben vielleicht die finanziellen Ressourcen und haben auch die Möglichkeit, das mit dem Kind zu machen, es zu unterstützen. Aber es gibt auch viele Kinder, die nicht solche Eltern haben – aus welchen Gründen auch immer –, die weder die finanziellen Res­sourcen noch vielleicht die persönlichen Ressourcen haben, ihren Kindern wirklich Zu­gang zu höherer Bildung zu ermöglichen, sie zu unterstützen und mit ihnen etwas zu machen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die bleiben dann in den untersten Stockwer­ken!) Und diese Kinder bleiben bei uns im System de facto auf der Strecke. Das kön­nen wir nicht mehr länger tolerieren.

Das Faktum, dass, je höher die Eltern gebildet sind, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Kind auch eine höhere Ausbildung hat, ist einfach unerträglich, denn jedes Kind sollte dieselben Chancen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen brauchen wir eine Schule, die genau diesen Kardinalfehler unseres Bil­dungssystems beseitigt, dass Bildungsarmut im Wesentlichen vererbt wird und Bil­dungschancen von solchen weitergegeben werden, die schon hohe Bildungsabschlüs­se haben. Genau diesen Kardinalfehler wollen und müssen wir aufbrechen.

Wir brauchen Unterstützung für die Lehrerinnen und Lehrer in der Volksschule. Sehr viele, die genau den Ansatz verfolgen, nämlich wirklich jedes Kind mitzunehmen, bei jedem Kind zu schauen, wie es individuell gefördert werden kann, fühlen sich im Stich gelassen. Im Grunde braucht man in jeder Klasse zwei PädagogInnen – einen Leh­rer/eine Lehrerin, einen Zweitlehrer/eine Zweitlehrerin, die die Kinder wirklich individuell mitnehmen können.

Dort, wo das funktioniert ... – Sie (in Richtung der Abg. Belakowitsch-Jenewein) schüt­teln schon wieder den Kopf. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Lehrerin oder Lehrer und haben 20 Kinder mit ganz unterschiedlichen Talenten und sollen diese alle unter­schiedlich fördern. Ich glaube, dass sich diese Lehrerinnen und Lehrer mehr Unterstüt­zung erwarten dürfen als ein Kopfschütteln von einer Abgeordneten der FPÖ. Das muss ich Ihnen wirklich sagen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wir machen diese Vorschläge auch immer wieder. Ich vertrete das wirklich mit Vehemenz. Denken Sie darüber nach, was diese Trennung der Kinder in diesem Alter bedeutet, was es für sie bedeutet, für ihre Familien bedeutet, was es für einen Druck bedeutet, welche Blockaden aufgebaut wer­den, welche Ängste aufgebaut werden und vor allem, was es für jene bedeutet, die dann sozusagen nicht in die beste Schule gehen dürfen.

Ich bin auch eine ganz vehemente Verfechterin von Schulautonomie. Wir haben das auch schon lange diskutiert. Ich weiß nicht, was Sie (in Richtung des Abg. Deimek) mir immer mit Ihren komischen Handbewegungen deuten wollen. Ich bitte Sie nur, sich ein­mal konstruktiv auf das einzulassen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Mit Ihren bil­dungspolitischen Vorschlägen, wo Sie mehr – was haben Sie gefordert? – Disziplinie­rungsmöglichkeiten für Lehrer wollten: Das Einzige, was mir dabei eingefallen ist, ist die „Tetschn“ von Ihrem Kollegen in Kärnten, die „g’sunde Watschen“ von Uwe Scheuch.


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Aber ich glaube, dass das kein konstruktiver Beitrag zu einer Bildungsdiskussion ist. Nein, echt jetzt! (Beifall bei den Grünen.)

Autonomie ist also mit Sicherheit eines der Schlüsselthemen in dieser Reformkommis­sion. Wir unterstützen das. Vor Ort weiß man mit Sicherheit am besten, was für wen gebraucht wird: Unterrichtsmethoden, Lehrmittel, Schwerpunkte, Leistungsbeurteilung, Tageseinteilung, auch mehr Mitsprache der Kinder, der Jugendlichen, auch Team­teaching ist selbstverständlich etwas, das man ermöglichen sollte, Stärken stärken, Förderstunden, Freigegenstände, freiwillige Übungen, sehr viel mehr in der Schule er­ledigen, nicht Leistungserfordernisse an Eltern delegieren, die damit auch teilweise über­fordert sind, und selbstverständlich auch Gesundheit fördern, von der gesunden Jause bis zum gesunden Mittagessen, und selbstverständlich auch die täglichen Bewegungs­einheiten, die man sehr leicht in jede Unterrichtsstunde einbauen kann, wenn die Räum­lichkeiten einfach passen. Da wäre sehr viel mehr möglich, das können, denke ich, alle unterschreiben.

Der letzte Punkt, der, glaube ich, unumgänglich ist und ohne den diese Reform nicht auskommen kann, ist: Parteibuch und Proporz raus aus den Schulen! Es ist völlig un­verständlich, warum die Besetzung der LandesschulratsdirektorInnen nach wie vor nach Parteienproporz erfolgt und warum da mitgeredet wird. Das soll sehr viel transpa­renter erfolgen, in einer Schulpartnerschaft, und ich glaube, es gibt kein vernünftiges Ar­gument dafür – weder von Rot noch von Schwarz –, diese Parteibuchwirtschaft, diesen Proporz aufrechtzuerhalten. Das wäre mit Sicherheit einer unserer Knackpunkte für ei­ne Schulreform. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Strolz.)

Frau Bildungsministerin, ich habe es anfangs gesagt: Wir sind in Sorge! Wir erleben das schon lange – auch ich persönlich, aber jene, die sich mit dem Thema Bildungsre­form beschäftigen, erleben das mittlerweile schon über zwei, drei Jahrzehnte –, und die Schlüsselbotschaft, die wir Ihnen heute mitgeben wollen, ist: Jeder verlorene Monat, jedes verlorene Jahr kostet einfach Tausenden Kindern ihre Bildungszukunft. Deswe­gen dürfen solche bürokratischen Ausreden wie jene, wer jetzt welche Kompetenz hat und wer welchen Landeshauptmann beleidigt, weil er ihm irgendwelche Verwaltungs­tätigkeiten wegnimmt – insbesondere bei der Lehrerinnen- und Lehrerverwaltung –, ein­fach kein Argument mehr dafür sein, dass wesentliche Reformvorhaben nicht umge­setzt werden.

Österreich hinkt da wirklich hinterher. Bildung ist der Schlüssel, nicht nur für gesell­schaftlichen Zusammenhalt, sondern auch für die persönliche Entwicklung jedes Men­schen, für die persönliche Stärke, für das Selbstbewusstsein, natürlich für den Arbeits­markt, und es darf nicht sein, dass an so vielen Kindern – unter Anführungszeichen – „ein Schaden angerichtet“ wird, dass sie de facto bildungsfernst von der Schule einfach auf die Straße gesetzt werden. Das ist, glaube ich, auch einzigartig, dass bei uns die Schulpflicht de facto durch Absitzen abgeschlossen wird und nicht durch eine Garantie, dass jedes Kind Schreiben, Lesen und Rechnen kann oder dass zumindest dann, wenn es nicht geklappt hat, der Staat die Verantwortung übernimmt, diesen Kindern danach Bildungsabschlüsse zu ermöglichen.

Das ist wirklich eine der Schlüsselfragen, und wir möchten nicht zusehen, wie weitere Monate und Jahre im Parteienstreit und im Hickhack zwischen Bund und Ländern ver­geudet werden – dies auf dem Rücken genau dieser Kinder! (Beifall bei den Grünen so­wie des Abg. Strolz.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bundesminis­terin Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. Frau Bundesministerin, Ihre Redezeit soll 20 Mi­nuten nicht überschreiten. – Bitte.

 



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12.22.53

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek|: Frau Präsiden­tin! Hoher Nationalrat! Ich freue mich wirklich – und das meine ich ganz ehrlich –, dass eine Sondersitzung einberufen wurde, um ein ganz wesentliches Zukunftsthema zu be­sprechen, dass wir nicht nur darüber reden, was bisher im österreichischen Bildungs­system schon geschehen ist, sondern auch darüber, was noch geschehen muss; dafür bin ich sehr dankbar. Es sind 50 Fragen zu beantworten. Ich werde versuchen, diese nach einer kurzen Einleitung, so gut es geht, der Reihe nach zu bearbeiten. Aber las­sen Sie mich bitte zu Beginn einfach erzählen, was die Realsituation in unseren Schu­len ist!

Ich habe in den letzten drei Wochen – also in den ersten drei Schulwochen – 16 Bil­dungseinrichtungen in sechs Bundesländern besucht – Volksschulen, Kindergärten, Volkshochschulen, Pädagogische Hochschulen – und habe in unterschiedlicher Art und Weise mitbekommen, wie engagiert die Leute sind, die dort arbeiten, egal, ob es jetzt ErwachsenenbildnerInnen mit Flüchtlingsjugendlichen waren oder ob es – erst gestern – KindergartenpädagogInnen und VolksschulpädagogInnen im Campus Sonn­wendviertel waren, die Kindergartenkinder und Volksschulkinder gemeinsam in das neue Jahr begleiten – sprich in das neue Kindergartenjahr oder in das neue Schul­jahr –, ob es die Europaschule in Linz war, wo ich erlebt habe, wie um 7 Uhr die Türen geöffnet werden, die Kinder miteinander frühstücken, wo Therapietiere in der Schule vorhanden waren, die Kinder am Gang und in der Klasse – nach dem Morgenkreis selbstverständlich – in Gruppen oder alleine mit der Lehrerin, den Lehrern, mit Unter­stützungspersonal gearbeitet haben, sei es in Niederösterreich, wo wir die Jugendrot­kreuz-Aktion für unsere Flüchtlingskinder begründet haben, nämlich eine Willkom­menssäckchen-Aktion, im Rahmen derer mittlerweile 3 300 Säckchen für Kinder befüllt wurden, die es bitter nötig haben, oder sei es, dass es zum ersten Mal möglich war – und das haben die Rektorinnen und Rektoren der vier Universitäten und der vier Päda­gogischen Hochschulen, die in Graz zusammengekommen sind, unlängst als Jahrhun­dertreform bezeichnet –, dass acht Institutionen gemeinsam die neue LehrerInnenaus­bildung in einem Vertrag begründet haben und die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer auf Augenhöhe gemeinsam durchführen, was noch in drei weiteren Clustern, in drei weiteren Regionen geschehen wird.

So könnte ich jetzt alle 16 Beispiele aufzählen und hätte Ihnen doch nur einen kleinen Ausschnitt dessen gebracht, was unser System jetzt schon kann. Ich bin es leid – Entschuldigung, wenn ich das sage! –, immer wieder zu hören, wie furchtbar und wie schrecklich es ist. Ja, das System ist verbesserungswürdig, ja, zu diesem Thema sind wir nicht nur heute zusammengekommen, zu diesem Thema sind wir auch gemeinsam mit dem Koalitionspartner mit den Bundesländern in Verbindung, um für den 17. No­vember vorzubereiten, was in diesem Land noch nicht geschehen ist.

Ja, auch ich stehe natürlich dazu, dass Bildungsbenachteiligungen, die Eltern eventuell mitbringen, nicht an die Kinder weitergegeben werden dürfen, dass das System diese Kinder auffangen soll, und zwar so früh wie möglich, schon vor der Schule – ja, auch das ist kein Geheimnis.

Ein zweites Kindergartenjahr ist jetzt nicht für alle verpflichtend, aber es gibt zumindest verpflichtende Gespräche mit den Eltern. Ja, ich hätte es mir gewünscht, aber jetzt ma­chen wir einmal den ersten Schritt und schauen zumindest, wie man Kinder vom Kin­dergarten in die Volksschule so hineinbegleiten kann, dass sie nicht im Alter von sechs Jahren aufgrund eines einzigen Schulreifegespräches in Vorschulkinder, Regelschul­kinder oder sogar Sonderschulkinder eingeteilt werden. Das sollte der Vergangenheit angehören. Das haben wir uns nicht nur ins Regierungsprogramm geschrieben, son­dern das haben wir bereits in 73 Kindergärten und 110 Volksschulen. Wir erproben die­ses System gerade und schauen, wie diese Übergänge sanft erfolgen können. Wir ha-


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ben gerade dieser Tage ein Instrument, den sogenannten Lese-PHILIPP, an über 7 000 Kinder in diesen Netzwerk-Projekten übergeben, mit dem Ziel, dass das Lesen schon im Kindergarten durch Vorlesen, durch spielerisches Lernen trainiert wird, damit die Kinder es in der Volksschule dann leichter haben. Genau an diesen Themen in die­sen Bereichen arbeiten wir.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Bildungssystem – das gestehe ich durchaus zu –, in dem 2 100 Gemeinden quasi als Schulerhalter fungieren, in dem neun Bundesländer ihre Durchführungsgesetze auslegen, in dem der Bund nicht nur allein durch das Bildungsministerium, sondern durch fast alle Ressorts in irgendeiner Weise mit Bildung zu tun hat – sei es das BMF mit dem Finanzausgleich und den Bil­dungsausgaben direkt, seien es die Ressorts, die etwa für Jugendliche zuständig sind, wenn sie Arbeit suchen, wenn sie aus der Pflichtschulzeit heraußen sind, sei es das Ressort, das für die Kindergartenzeit zuständig ist, denn die ist wieder woanders ge­parkt –, und all das wollen wir jetzt nicht nur unter den sprichwörtlichen großen Hut bringen, sondern auch in eine Form bringen, durch die Schulverwaltung, Bildungsver­waltung einfacher, vielleicht kostengünstiger und vor allem auch durchsichtiger für die Kinder und die Eltern wird und weniger Stress verursacht.

Das, was ich mir wünsche und was sich wahrscheinlich viele von Ihnen auch wün­schen, ist, dass Kinder einfach in einem System groß werden und aufwachsen, in dem sie den Tag in einer sinnvollen Abfolge verbringen. Wir alle haben einen Biorhythmus, auch die Kinder, und dieser lässt sich nicht allein so auslegen, dass man von acht bis eins Unterricht konsumiert und danach vielleicht ein bisschen Hausübungen macht und Zeit in der Nachmittagsbetreuung verbringt. Nein, die Schule der Zukunft, meine Vi­sion der Schule von morgen beinhaltet selbstverständlich eine sinnvolle Abfolge von Unterricht und Freizeit in verschränkter Form, und natürlich gehört es da dazu, dass die Schule offen ist, dass das Schulgebäude in der Früh öffnet, eine gewisse Zeit offen hat, dass vielleicht in den Ferien auch jemand da ist, damit sich jene, die wollen oder die benachteiligt sind und es brauchen, nicht sündteure Nachhilfe leisten müssen, was sie oft gar nicht können, sondern im System ihren Platz finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht egal – ich habe es schon gesagt –, in welche Familie ein Kind geboren wird. Es ist Tatsache, dass die Chancen von Kindern unterschiedlich sind, und auch wenn die einen immer sagen, die Familie möge dieses und jenes: Die Familie ist ganz wertvoll, ganz wichtig, aber alles kann Familie nicht leisten, das wissen wir. Und daher kann das Bildungssystem diese Bereiche auffangen.

Für diese Schule der Zukunft arbeiten wir in der Bundesregierung, arbeiten wir mit den Bundesländern. Auch wenn Sie anderer Auffassung sind: Wenn zwischen zwei Termi­nen offiziell zwei, drei Monate vergehen, so wird dazwischen – glauben Sie mir das! – auf Ebene unserer Kabinette, der Bundesländer, der Beamtinnen und Beamten wö­chentlich akribisch zum Beispiel daran gearbeitet, dass wir am 17. November so fit sind, dass wir Ihnen von der Frühpädagogik bis zur Erwachsenenbildung eine Bil­dungsreform aus einem Guss vorlegen können.

Ich glaube auch, dass es die wichtigen Fragen sind, die uns zu beschäftigen haben, nämlich: Wer arbeitet mit den Kindern im System? – Das sind hervorragend motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Mit der neuen Ausbildung werden wir da noch weitere Schritte setzen betreffend Dinge, die jetzt vielleicht noch mehr oder weniger vernachlässigt sind. Es sollten die sein, die wirklich erkennen können: Bin ich geeignet für den Beruf, mag ich in diesem Beruf bleiben? Und wenn sie nicht geeignet sind, dann sollten sie auch wieder aussteigen können.

Im Moment ist das System ein bisschen schwierig, Einsteigen, Aussteigen ist nicht so leicht. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, was wir mit PädagogInnen ma­chen, die sich im System nicht wohlfühlen. Welche Möglichkeiten haben wir für sie?


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Kann ein Schuldirektor, eine Schuldirektorin auch sagen: Es passt mit dir nicht; was können wir tun, damit wir eine Lösung finden, die für uns beide gut ist? Kann ein Schul­direktor, eine Schuldirektorin sagen: Ich glaube, dir fehlt genau diese Ausbildung, und ich verpflichte dich jetzt, dass du sie machst, denn es ist für die Kinder gut!?

All das diskutieren wir in dieser Bildungsreformkommission, und nicht nur das, sondern vieles mehr, auf das ich dann bei der Beantwortung der Fragen noch eingehen kann.

Was wird gelehrt? – Die PädagogInnenbildung Neu – von den Rektoreninnen, Rekto­ren selbst als Jahrhundertreform bezeichnet – beginnt jetzt, und ich glaube, dass das eine gute Ausbildung ist. Wir werden sie begleiten und im Laufe der Jahre sehen, wie wir auch die Lehrpläne – das Wort „entrümpeln“ gefällt mir nicht – adaptieren sollten an die Zeit, in der sich unsere Kinder in der Schule befinden. Es sind doch fast 300 Lehr­pläne, die laufend angeschaut und adaptiert werden, und es sind Lehrpläne, die uns allen einen Rahmen bieten, in dem wir uns bewegen können, wo man sich nicht akri­bisch an das halten muss, was in einem Buch von Seite 1 bis 147 steht, sondern auch Mut zur Lücke haben und den Lehrplan auslegen kann.

Wir diskutieren in der Bildungsreformkommission selbstverständlich auch Teile des Lehrplans, darüber, selbst zu gestalten, sich in Zukunft selbst Gruppengrößen einteilen zu können, sich vielleicht ein ganzes Semester einem Thema zu widmen und andere Themen im nächsten Semester zu machen.

Da muss ein Team gut funktionieren, und deswegen ist es total wichtig, dass die, die eine Schule managen und leiten, auch gut geeignet sind. Wir denken bei den Schul­leiterinnen und Schulleitern natürlich auch daran, sie nicht sofort und auf Lebenszeit zu bestellen, sondern sie können sich wieder bewerben, und nach fünf Jahren wird – wie im gesamten öffentlichen Dienst bei Führungspositionen – geschaut, ob das den Men­schen guttut und ob sie gut geeignet sind.

Und dann ist noch wichtig: Wie agiert man in der Schule? Wie agiert man in Verbün­den, wenn Schulen zu klein sind, als dass sie alleine eine Existenzberechtigung hätten. Ich rede nicht vom Zusperren, explizit nicht, sondern ich rede davon, wie man sinnvoll Verbünde bilden kann.

Ich bin eine Freundin von Modellregionen – nicht, dass Sie glauben, dass ich das nicht befürworte! –, aber Vorarlberg soll einmal ein Modell vorlegen. Die Vorarlberger haben gesagt, sie brauchen noch ein bisschen Zeit und werden im Herbst so weit sein. – Herbst wäre schon; ich warte darauf, und dann werden wir das beraten.

Auch das kann man Schritt für Schritt angehen, dass eine gemeinsame Schule in ein­zelnen Bundesländern und Regionen erprobt wird und wir dann dazu übergehen, dass Eltern sagen: Eigentlich ist es mir ziemlich egal, ob meine Kinder mit zehn Jahren in diese oder in jene Schule gehen, Hauptsache, sie bleiben beieinander und fühlen sich wohl! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen ganz offen und ehrlich sagen: Uns ist der Handlungsbedarf mehr als bewusst. Wir wissen, was wir schon erreicht haben, und wissen genauso gut, was wir noch erreichen müssen – gemeinsam, miteinander –, und wir werden am 17. Novem­ber das System so darstellen, dass es einfacher ist, dass es vielleicht günstiger ist, dass es für die Kinder etwas bringt, den Eltern ein bisschen weniger Stress bereitet und für die Lehrerinnen und Lehrer, die sich im System befinden, eine Wohlfühlzone bietet, dass wir sehen, das österreichische Bildungssystem hat sich weiterentwickelt, und dass wir sehen, es hat sich auf einen guten Weg gemacht.

Ich komme nun zur Beantwortung der 50 Fragen und möchte die Fragen 1 und 2 zu­sammenziehen.


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Zu den Fragen 1 und 2:

Da geht es um die Elementarpädagogik, ein sehr wichtiges Thema, und es geht darum, was wir in der Reformgruppe schon vereinbart haben. Sie müssen bitte Verständnis haben; ich kann Ihnen quasi technisch sagen, wir kümmern uns um Pädagogik und Qualität, wir kümmern uns um Finanzierung und Controlling, und eine Gruppe kümmert sich um Legistik und Verwaltungsreform. Nach der Logik, die der Rechnungshof, das IHS und andere vorschlagen, nämlich Finanzierung, Verwaltung und Organisation in eine Hand zu geben, wurde auch die Elementarpädagogik mitgeprüft.

Mir ist es ganz wichtig, dass man erstens bei der Ausbildung der ElementarpädagogIn­nen selbst weitere Schritte setzt, zweitens aber auch einheitliche Kriterien in Österreich anlegt, damit die Kinder von Vorarlberg bis zum Neusiedler See die gleichen Möglich­keiten haben. Wir werden das am 17. November mit einbeziehen und vorlegen.

Zu den Fragen 3 und 4:

Da geht es um die Zusammenführung aller Agenden in einem Ministerium, über alle Bereiche hinweg. Die Bündelung von Aufgaben diskutieren wir; wir haben in unserer Gruppe jetzt noch keine Ressorts abgeschafft, um sie nur einem Ressort zuzuordnen, und wir nehmen selbstverständlich die elementarpädagogischen Agenden der Bundes­länder mit in die Debatte. Einigen werden wir uns bis zum 17. November und dann, denke ich, auch etwas Gutes vorlegen können.

Zur Frage 5:

Mitglied der Reformgruppe Bürgermeister Häupl nennt die gemeinsame Schule als Ziel. Das ist auch mein Ziel, das ist das Ziel der Sozialdemokratie. Eine ganztägig ge­führte gemeinsame Schule mit verschränktem Unterricht, das bleibt unser Ziel – und der erste Schritt könnten die Modellregionen sein. (Abg. Bösch: Alles wird besser!) – Ein Vorarlberger redet – vielleicht könnten Sie in Vorarlberg ein bisschen Werbung ma­chen, damit die Modellregion dort bald Wirklichkeit wird. Wir stehen dem sicher nicht entgegen.

Die Fragen 6, 7 und 22 würde ich gerne zusammenfassen:

Da geht es noch einmal um Autonomie, Modellregionen, gemeinsame Schule. Vom Zeitplan her: Ich habe schon im April im Rahmen des Bildungsdialogs mit Frau Lan­desrätin Mennel in Vorarlberg, dem Rektor der PH Brauchle, Kollegin Böheim-Galehr und zahlreichen SchulleiterInnen das Konzept von Vorarlberg diskutiert. Wir haben im Juni Arbeitsgespräche mit den LandesschulratspräsidentInnen dazu geführt. Wir wer­den demnächst mit den BildungslandesrätInnen das Thema aufgreifen und sind lau­fend im Austausch auf Ebene der BeamtInnen und MitarbeiterInnen der Schulaufsicht.

Ich bin der Meinung, wenn ein Modell vorliegt, sollten wir es so schnell wie möglich be­werten, diesen berühmten § 7a des Schulorganisationsgesetzes nachschärfen und schau­en, dass in Österreich eine Ausdehnung auf Modellregionen möglich wird.

Zur Frage 8:

Aufgaben-, Ausgaben-, Finanzierungsverantwortung: Natürlich werden die Empfehlun­gen des Rechnungshofes sehr, sehr intensiv diskutiert; ich kann nur jetzt nicht – und das ist ja nicht der Rechnungshof alleine – Verhandlungsergebnissen vorgreifen.

Die Fragen 9 und 10 würde ich gerne zusammenfassen:

Da geht es darum, was in der Untergruppe Finanzen diskutiert worden ist. Natürlich ist das sehr komplex, ich habe es schon erwähnt: die Schulerhalterschaft der Gemeinden, die neun Bundesländer mit ihren Durchführungsgesetzen und zum Teil eigenem Dienst­recht, der Bund selbst, die anderen Ressorts, die da mitmischen, der Städtebund, der


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Gemeindebund, der Interessen hat, selbstverständlich auch die Sozialpartner an sich, die ja seit Jahren Bildungspapiere vorlegen, zahlreiche Expertinnen, Experten, Organi­sationen, die Industriellenvereinigung, und, und, und. Also es gibt jede Menge an Mo­dellen, die den Fortschritt beschreiben, und wir werden genau diese Modelle, die von überall herkommen, auch bedenken.

Die Finanzgruppe hat sich folgenden Fragen gewidmet: Welche Verrechnungsmodelle unterliegen dem pädagogischen Personal? Wie kann man ein normkosten- und index­basiertes Ressourcensteuerungsmodell entwickeln, quasi eine Ressourcenzuteilung je nachdem, was am Standort, in der Region gebraucht wird, nicht mit der Gießkanne, wie es ja zum Teil jetzt geschieht? Wie kann man da wirklich steuernd eingreifen? Was braucht eine Schule an Grundausstattung, und was kann eine Schule sonst noch brauchen? Was alles kann Schulautonomie umfassen? Was kann ich am Schulstand­ort selbst entscheiden? Wie kann die Elementarpädagogik einfließen? Das waren die Themen der Finanzgruppe.

Die Fragen 11, 15 und 16 würde ich gerne zusammenfassen:

Da geht es wieder um Berechnungen und um Finanzierungsströme, um Schulverwal­tung. Die Untergruppe Behördenstruktur hat sich mit der Schulverwaltung beschäftigt, und ich weiß, dass der Rechnungshof, dessen Expertise wir da auch immer wieder heranziehen, sicher keine Empfehlungen abgibt, die zu Mehrkosten führen. Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, dass laut unseren bisherigen Berechnungen eine Verlän­derung zu Mehrkosten führen würde – zu ziemlich hohen Mehrkosten.

Die Fragen 12 und 13 würde ich ebenfalls gerne zusammenfassen:

Da geht es um die Verwaltung des Personals und um die Frage, was die finanziellen Folgewirkungen sind, wenn man das Lehrpersonal irgendwo verortet oder eben – wie bisher – geteilt lässt. Es gibt jetzt nicht nur die Dienststelle, die abrechnet und auszahlt, das muss zur Diskussion stehen, würde ich meinen.

Es geht in diesem Kontext genauso darum, wer pädagogisches Personal ist, wer Un­terstützungspersonal ist, wer nicht lehrendes Personal ist – das ist zu unterscheiden, weil ja die unterschiedlichen Schulerhalter da auch unterschiedliche Anstellungsver­hältnisse haben. FreizeitpädagogInnen in den Gemeinden werden zum Teil von der Gemeinde oder von Vereinen angestellt, in den Bundeschulen werden sie von uns be­schäftigt.

Also all diese Dinge muss man ja unterscheiden, wenn man Dinge zusammenführen will, und einmal die Komplexität begreifen, damit man das zusammenführen und die unterschiedlichen Interessenlagen überhaupt bewerten kann.

Zur Frage 14:

Ja, natürlich, es geht um sozialindexbasierte Ressourcenmodelle, die wir diskutieren, und wir haben auch schon Modelle gerechnet. Diese müssen wir in der Bildungsre­formkommission bewerten und uns entscheiden, wie wir da weiter vorgehen wollen.

Die Fragen 17 bis 20 möchte ich zusammenfassen:

Ich möchte sagen, dass alle vier Fragen quasi noch nicht im Detail beantwortet werden können und ich Ihnen die Ergebnisse noch nicht weitergeben kann, weil das noch schwierige Findungsprozesse, Entscheidungsprozesse sind. Sobald wir uns in der nächsten Sitzung der Bildungsreformkommission über diese Verwaltungsstruktur auf der einen Seite, die Autonomiearbeitsgruppen auf der anderen Seite einig sind, werden wir natürlich sofort den Kontakt mit dem Hohen Haus suchen, weil wir ja auch – so naiv ist niemand – wissen, dass wir Zweidrittelmaterien haben. Wenn wir da Veränderungen wollen, brauchen wir Sie als Unterstützung, als PartnerInnen.


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Zur Frage 21:

Ja, natürlich, die Schulstandorte wollen wir mehr stärken. Wie wollen wir sie stärken? – Durch mehr Autonomie! Was heißt das? – Sie sollen gestalten können, eigenverant­wortlich gestalten können. Die Frage des Auf- und Zusperrens, ob die Glocke läutet oder nicht, ist nicht das Hauptthema, sondern andere Fragen: Wie kann man Fächer besser kombinieren oder anders kombinieren? Wie kann man inhaltliche Schwerpunkte setzen, darf man etwas überschreiten, kann man eigene Dinge kreieren, ohne gleich Gesetzesbruch zu begehen? All das wollen wir mit der flächendeckenden Ausweitung der Autonomie der Schulen möglich machen.

Wenn zum Beispiel in Frage 22 regionale Modellversuche zur Autonomie in der Ver­waltung angesprochen werden, wenn gemeint ist, dass Schulverbünde auch autonom gemeinsam ganz neue Wege gehen können, dann sage ich, es kann auch von einem Schulverbund entschieden werden, dass in der Verwaltung autonom neue Wege be­schritten werden, dass quasi eine Leitung sich pädagogischer Leitungen befleißigt, be­dient und so weiter; man kann auch kreativ sein, indem man zugeteilt in den einzelnen Filialen, wenn ich das so sagen darf, die Schulen führt, leitet und vor allem begleitet.

Die Öffnungszeiten und die Unterrichtszeiten der Schule habe ich schon angespro­chen. Diese sollten völlig frei und flexibel gestaltet werden können.

Wir wollen natürlich die 5 300 Schulversuche, so gut es geht, eliminieren. Allein 2 000 Schulversuche gibt es deswegen, weil man sich zwischen Note und „Nichtno­te“ – verbaler Beurteilung – in der Volksschule nicht entscheiden kann und immer ei­nen Schulversuch anmelden muss. Das ist also gleich einmal der erste Schritt.

Es gibt auch viele Schulversuche in der Oberstufe – Module heranzuziehen, nicht starr nach dem Stundenplan alles hintereinander tun zu müssen –; das sind noch einmal 80 Schulversuche. Diese werden wir sukzessive los, und wir wollen natürlich möglichst viele Schulversuche eliminieren. Man soll nur ganz Neues im Versuch erproben kön­nen, und wenn man etwas erprobt hat – das ist ja der Sinn von Schulversuchen –, soll­te es ins Regelschulwesen übergehen.

Zur Frage 26:

Eine gut funktionierende autonome Schule braucht natürlich Qualitätssicherung. Ich le­ge sehr viel Wert darauf, dass das ein ganz wichtiger Teil unserer Debatte ist: Schul­aufsicht alt soll es in Zukunft nicht mehr geben. Es können zum Teil die gleichen Per­sonen sein, aber eine Qualitätssicherungsbehörde schaut in die Schulen hinein, be­gleitet die Schulen, kontrolliert im Positiven auch, ob der Weg der richtige ist, und er­stellt bei Veränderungsbedarf Vorlagen.

Eine Schule soll in Zukunft so begleitet werden, dass man auch sieht, ob man auf dem richtigen Weg ist, ob die Standards passen, ob man drunter ist – drüber ist immer gut –, ob man sich im Mittelfeld bewegt, wie man aus dem Mittelfeld kommen kann, um noch besser zu werden. Diese neue Qualitätssicherungsbehörde ist Teil der Gesamtdebatte.

Zur Frage 27:

Wenn mit dem Koalitionspartner, wenn mit den Ländern der nächste Schritt erfolgt ist, dann: Einbindung aller – das habe ich vorhin bei einer anderen Frage schon gesagt –, dann: intensive Verhandlungen, Verhandlungen auch mit dem Hohen Haus, mit den Gewerkschaftern der Lehrerinnen und Lehrer; das ist ganz selbstverständlich. Ich bitte aber noch um ein bisschen Geduld, damit wir das komplexe System jetzt so zusam­menführen können, dass wir es Ihnen auch vorlegen können.

Zur Frage 28:

Es ist nur wichtig, wer in der Schule ist, was unterrichtet wird, wie es unterrichtet wird – und die Verwaltungsreform muss kommen. Also ich glaube nicht, dass wir uns an der


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Frage festklammern sollten, wer den Gehaltszettel unterschreibt. Das ist für die Lehre­rinnen und Lehrer vielleicht wichtig, aber es ist nicht wichtig für eine Verwaltungsre­form.

Die Fragenkomplexe zum Budget:

Zur Frage 29:

Das Bildungsbudget – und das wird nicht immer dazugesagt – wird laufend erhöht. Das wird der Finanzminister wahrscheinlich in seiner Budgetrede erwähnen, aber Sie kön­nen es dann auch in den Budgetbegleitgesetzen nachlesen: Es wird laufend erhöht, nur: ein strukturelles Defizit begleitet sozusagen seit vielen Jahren – ich möchte fast sagen: Jahrzehnten – das Bildungsbudget. Dieses Defizit wird wie immer eliminiert werden, da bin ich ganz sicher. Dieses Delta ist bekannt, ich brauche es nicht extra zu erwähnen, es wurde von Ihnen ohnehin schon in vielen Interviews in vielen Bereichen richtigerweise in der richtigen Höhe beziffert.

Zur Frage 30:

Ja, es ist immer das Ziel, nicht in der Klasse zu sparen, das ist ganz klar. Das Ziel ist, dass die Finanzierungslücke beseitigt wird – das strukturelle Defizit –, und sonst haben wir, denke ich, unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben, so gut es geht, dem Fi­nanzminister vorgelegt, wie wir das Jahr 2016 mit der Vorgabe und der Vorgabe, die wir vom Finanzministerium bekommen haben, bedecken können. Ich glaube, dass der Plan ein guter ist und dass er auch so angenommen werden wird.

Zur Frage 31:

Diese Regelungen betreffend Stellenplanüberschreitungen haben wir immer wieder. Das ist im Finanzausgleich geregelt, und einiges davon wird jetzt dort auch geprüft, denn es muss ja dann in einer Controllingverordnung geregelt werden, sodass wir den Überzug auch wirklich zurückfordern können. Das ist Sache des Finanzministeriums, aber da sind wir in guten Gesprächen, dass das demnächst erfolgen kann, dass das im Rahmen des Finanzausgleichs mitgeregelt wird.

Zur Frage 32:

Ich gehe davon aus, dass die Auszahlung der LehrerInnengehälter nicht gefährdet ist –logischerweise.

Die Fragen 33 und 34 möchte ich zusammenfassen:

109 Millionen € sind es für Infrastrukturmaßnahmen, die für ganztägige Schulformen heuer aufgewendet werden, der Rest auf 160 Millionen € sind Personalkosten. Wir ge­hen davon aus, dass sie bis zum Jahresende – es kommt im November noch eine große Auszahlungstranche – auch beansprucht und abgeholt werden.

Zur Frage 35:

Klare Antwort: Nein.

Zur Frage 36:

Das ist alles im Finanzausgleich zu regeln.

Zu den Fragen 37 und 38:

Noch einmal: Vier Projekte von mir liegen auf dem Tisch. Wir haben eine neue Logik. Es wird in der Bundesregierung beschlossen, wie Integration von Kindern im Schulbe­reich – abgesehen von der Sprachförderung – in Zukunft auch budgetär dargelegt wer­den kann. Die vier Projekte sind vier gute Projekte; zwei beziehen sich auf die Pflicht­schule, zwei beziehen sich auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, also auf Kinder, Jugendliche, die nach der Pflichtschule ins System kommen. Damit diese die Sprache


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und andere Dinge vermittelt bekommen, habe ich, wie gesagt, vier Projekte einge­reicht. Die Entscheidung erwarte ich demnächst.

Zur Frage 39:

Dazu möchte ich Folgendes sagen: Ja, eine Verlängerung ist notwendig, und ich bin davon überzeugt, dass sie positiv erledigt wird. Da geht es um die Sprachförderung, da muss alle zwei Jahre von mir beim Finanzminister angesucht werden. Ich gehe davon aus, dass gerade in Zeiten wie diesen die Verlängerung kein Problem darstellen sollte.

Zur Frage 40:

Bei jeder Überschreitung, wenn sozusagen mehr Schülerinnen und Schüler ins System kommen, muss auch zusätzliches Personal aufgenommen werden. Das bedingt ein Automatismus im Finanzausgleich, daher wird es wie in der Vergangenheit auch hei­ßen: mehr SchülerInnen – mehr LehrerInnen.

Zu den Fragen 41 bis 43:

Noch einmal: Wir haben versucht, mit diesen vier Projekten – interkulturelle Teams an Schulen, mehr Sprachförderung im Pflichtschulbereich auf der einen Seite, auf der an­deren Seite in berufsbildenden mittleren Schulen den Sprachförderbedarf durch Sprach­kurse zu decken, aber auch Basisbildung und Pflichtschulabschluss in der Erwachse­nenbildung, das sind die anderen zwei Projekte – das Auslangen zu finden, damit wir die Zugänge von Kindern und Jugendlichen, die in unser System kommen, bewältigen können.

Zur Frage 44:

Die Mittel bis 2017 sind gesichert; im Bereich der Basisbildung konnten wir sogar ver­doppeln. Wir haben 75 Millionen € im System im Bereich der Erwachsenenbildung; da­von profitieren nicht nur Jugendliche ab 15, sondern auch Erwachsene, die nicht gut lesen, schreiben und rechnen können und dadurch Abschlüsse machen können. Es könnte immer mehr sein, aber ich gehe davon aus, dass es verlängert wird. Das ist neu zu verhandeln.

Zur Frage 45:

Ja, natürlich. An Pädagogischen Hochschulen gibt es jetzt schon Fortbildungsange­bote, Lehrgänge zu frühsprachlichen Förderungen, Förderungen für Kindergartenpäda­gogInnen, für LehrerInnen in der Volksschule, für LehrerInnen an den BAKIPs. Inhalt sind Modelle der frühen Sprachförderung, Erstsprache, Zweitsprache, und Fragen wie etwa wie individuell der Unterricht sein kann und wie Fördermaßnahmen ausschauen können.

Zur Frage 46:

Es ist möglich, über Sonderverträge Menschen mit abgeschlossener Ausbildung in Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Zweitsprache auch ohne Lehramtsstudium in unseren Bildungseinrichtungen einzusetzen. Die Genehmigungspflicht unterliegt dem Bundeskanzleramt, und wir müssen da natürlich das Ausländerinnen-, Ausländerbe­schäftigungsgesetz berücksichtigen – aber das ist ja Voraussetzung.

Zur Frage 47:

Diese Variante – zehnte Schulstufe wo? – wird gerade von meinen RechtsexpertInnen geprüft, und wenn die Prüfung positiv ausfällt, braucht man eine Diskussion über die Ressourcenzuteilung. Also wenn das mehr Planstellen in diesem Bereich bedeutet, dann müssen diese auch genehmigt werden. Wenn das nicht der Fall wäre – zum Bei­spiel in unseren Handelsschulen, wo wir weniger Schülerinnen und Schüler haben –, kann man genauso mit guter Sprachförderung über 15-jährige Jugendliche unterbrin­gen. Für diesen Weg würde ich sehr plädieren.


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Zur Frage 48:

Wir haben laufend Sitzungen, Treffen dazu, wie man diese Ausbildungsgarantie weiter­entwickeln kann. An der sind ja mehrere Ressorts beteiligt, das ist nicht nur Sache des BMBF, meines Ressorts, und in der Zwischenzeit liegen sogar schon Maßnahmen vor. Nur zur Erinnerung: Die Praxishandelsschule gibt es, die Schulsozialarbeit an etlichen Standorten gibt es, das Jugend- und Lehrlingscoaching gibt es, die Lehrabschlüsse im zweiten Bildungsweg gibt es, und die überbetrieblichen Ausbildungen, Lehrausbildun­gen gibt es ja auch schon. Das heißt, das noch zu verfeinern, um möglichst wenige junge Leute im System zu verlieren, ist selbstverständlich unser Ziel.

Zur Frage 49:

Selbstverständlich liegt bei der Bemessung der Ressourcen kein Unterschied zwischen außerordentlichen SchülerInnen und den übrigen SchülerInnen vor. Die Bemessung der Ressourcen bezieht sich aufs Kind, und allein für dieses werden sie ausgeschüttet.

Zur Frage 50:

Im Erstaufnahmelager Traiskirchen haben wir eine Not-, Sonder-, Überbrückungslö­sung in Form der sogenannten Brückenklassen. Ich bin der Auffassung – und das sind wir alle hier in der Bundesregierung, auch Sie, denke ich –, dass Erstaufnahmezen­tren, dass Massenquartiere nicht geeignet sind, um dort eigene Schulen einzurichten, dass es aber notwendig ist, in der hoffentlich kurzen Zeit, die Kinder mit ihren Familien dort verbringen, natürlich jede Sekunde zu nutzen, um Kindern auch unsere Sprache beizubringen und ihnen näherzubringen, wie wir leben. Das kann nur eine Übergangs­lösung darstellen und funktioniert in Traiskirchen ausdrücklich gut. Ich sehe es aber nur als eine Übergangslösung für die Kinder und Jugendlichen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Herr Abgeordneter Dr. Walser, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.

 


12.53.39

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Ministerin, danke für Ihre Antworten, auch wenn sie nicht immer befriedigend waren und nicht immer jene Präzision hatten, die wir uns gewünscht hätten. Sie haben Geduld eingefordert. Ich glaube, wir sind nicht die Einzigen, die keine Geduld haben in Österreich, was Schulreformen anlangt. Die meis­ten Eltern haben keine Geduld, Schülerinnen und Schüler haben keine Geduld mehr, und Lehrerinnen und Lehrer sind auch müde, ständig darauf hinzuweisen, dass wir eine grundlegende Schulreform in Österreich brauchen.

Sie haben den Lostag 17. November angesprochen, wir harren alle gespannt darauf. Aber da Sie hier diese Geduld von uns eingefordert und uns vertröstet haben, darf ich Sie genau auf ein zentrales Problem hinweisen: Sie führen eine Schulreform als Ge­heimprojekt durch. Das kann nicht funktionieren! (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der NEOS.)

Es funktioniert nirgendwo. Wenn Sie die Menschen nicht mitnehmen, dann wird die Be­geisterung eine enden wollende sein. Das ist vollkommen klar. Schauen Sie sich Bei-


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spiele an, wo entsprechende Projekte funktioniert haben! Finnland momentan: Obwohl sie in sämtlichen Kategorien deutlich vor uns liegen, machen sie, weil sie merken, es muss etwas getan werden, eine große Reform. Und was machen sie? – Sie sprechen mit Lehrerinnen und Lehrern. Sie sprechen mit den Eltern, und sogar die Schülerinnen und Schüler werden systematisch in die Reform eingebunden. Und der Zeithorizont, den man sich in Finnland für eine grundlegende Reform gibt, das sind wenige Jahre. – Nicht wie bei uns, wir zählen ja schon fast in Jahrzehnten, wenn es um Reförmchen geht, von Reformen gar nicht zu sprechen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Analyse, die Sie uns hier präsentiert haben, kann ich größtenteils unterstützen. Ja, Sie haben die Probleme erkannt, Sie haben die Probleme geschildert, Sie haben auch gesagt, dass Ihnen der Handlungsbedarf bewusst ist. Diesen Handlungsbedarf kennen wir auch seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Und wenn Sie hier Projekte als Lösung vorstellen – den Lese-PHILIPP –, dann muss ich sagen, wir alle werden zum Zappel­philipp, wenn nicht endlich etwas Grundlegendes getan wird! Und diese grundlegende Geschichte ist nicht in Sicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Was wir im Nationalrat schon erwarten dürfen, ist, dass wir bei einer derart grundlegen­den Reform rechtzeitig miteingebunden werden, dass man Ross und Reiter nennt, dass man darauf hinweist, was gemeint ist, wenn es um Verwaltungsreform geht, was gemeint ist, wenn es um andere Kompetenzverteilungen geht, als es derzeit der Fall ist.

Geschätzte Frau Ministerin, aber vor allem auch Kolleginnen und Kollegen der Re­gierungsparteien! Was die Leute wollen, was die Eltern, Kinder und LehrerInnen wol­len, ist klar: Die ORF-Sendung „Schule fürs Leben“ hat das sehr schön gezeigt. Man hat versucht, eine Neue Mittelschule mit einem Gymnasium zusammenzuführen, man hat sie mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet, und es gab frappante Ergebnisse nach wenigen Monaten: mehr Begeisterung bei den Kindern, mehr Lernfreude. Die Kinder sind plötzlich wesentlich lieber in die Schule gegangen, als das davor der Fall war. Die Leistungen sowohl im unteren Bereich als auch im Spitzenbereich wurden deutlich besser.

Der ORF hat vorgezeigt, was wir hier im Hohen Haus nachvollziehen sollten und was die Eltern wollen: Schülerinnen und Schüler, die in die Schule gehen und keine Schul­tasche brauchen, Eltern, die zu Hause nicht wieder belastet werden mit den Hausübun­gen, die eigentlich ihre Kinder machen sollten. Das sind Forderungen, die, glaube ich, nachvollziehbar sind – auch die Forderung, dass man in der Schule ein gesundes Mit­tagessen bekommt. Das alles sollten wir jetzt endlich einmal festschreiben und uns dann die Wege überlegen, wie wir dorthin kommen. Aber wir sind ja noch nicht einmal bei diesem ersten Schritt.

Frau Ministerin, zur Modellregion Vorarlberg: In Vorarlberg hat der grüne Einfluss zu­mindest so weit gereicht, dass wir alle Landtagsparteien überzeugt haben, dass es in Richtung gemeinsame Schule gehen muss. (Beifall bei den Grünen.) Was wir in Vor­arlberg gemacht haben, ist, dass wir die Menschen dort eingebunden haben. Es hat keine Umfrage gegeben, sondern es hat eine Vollbefragung gegeben. Alle betroffenen Eltern, alle Lehrerinnen und Lehrer wurden miteinbezogen, wurden befragt: Was wollt ihr: Soll es in diese Richtung gehen, soll es in jene Richtung gehen?

Und diesen Mut sollten wir jetzt endlich auch in Wien aufbringen, denn die Ergebnisse bitte waren: 78 Prozent der Eltern und Lehrer in Vorarlberg sagen, ja, die gemeinsame Schule bringt mehr Chancengerechtigkeit. – 78 Prozent! Vier von fünfen sind dafür, dass wir einen Schritt weitergehen, und 72 Prozent, also drei von vieren, sagen, es ist ein eindeutiger Vorteil, wenn wir Kinder später trennen. 

Kollege Rosenkranz schüttelt den Kopf, er ist nicht so überzeugt davon. – Herr Kollege Rosenkranz, die Freiheitlichen in Vorarlberg sind mit im Boot! Die sind von uns über-


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zeugt worden. Sie haben zwei Vorarlberger Kollegen hier im Klub, fragen Sie Kollegen Themessl! (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Die einzige Kritik der Vorarlberger FPÖ an diesem Modell gemeinsame Schule ist: Es geht ihnen nicht schnell genug, sie wollen es noch schneller!

Da sagen wir Grüne mit Verlaub: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zeit lassen, sorgsam dieses System umstellen, schauen, dass das auch wirklich funktioniert, die notwendi­gen Ressourcen bereitstellen, damit es dann nicht wieder am Geld hapert, schauen, dass Schulkantinen vorhanden sind, dass wir in den Schulen auch die Kinder so un­terbringen, so unterrichten können, dass der Lernerfolg garantiert ist!

Ich habe alle KollegInnen aller Parlamentsparteien, alle Bildungssprecherinnen und Bil­dungssprecher eingeladen, diese Diskussion zu führen. Ich habe allen die sehr um­fangreichen Exemplare des Forschungsergebnisses Vorarlberg präsentiert. Ich habe gebeten, dass wir das im Unterrichtsausschuss diskutieren. Es ist bislang nicht mög­lich. Bislang ist man nicht bereit, über dieses Projekt zu diskutieren, weil vor allem der konservative Flügel in der ÖVP natürlich weiß, das geht dann eindeutig in Richtung moderne Schule. Da würde ich mir schon ein bisschen mehr Unterstützung von den Vorarlberger Abgeordneten in beiden Regierungsparteien erwarten, dass das, was in Vorarlberg ihre Parteikolleginnen und Parteikollegen sagen, auch hier endlich umge­setzt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein Hinweis, der an die KollegInnen der Sozialdemokratie geht, Frau Ministerin: Herr Bürgermeister Häupl hat erfreulicherweise gesagt, er möchte die gemeinsame Schule. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Der redet viel!) Ich zitiere, was er da am Wo­chenende von sich gegeben hat: Als Kompromiss kommt hoffentlich eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen im Stil der Wiener Mittelschule, und von mir aus auch unter Beibehaltung der AHS.

Meine Damen und Herren! Ein bisschen schwanger sein, das wird es nicht spielen. Entweder haben wir die AHS-Unterstufe oder wir haben eine gemeinsame Schule. Bei­des wird nicht gehen. Vielleicht klären Sie den Herrn Bürgermeister auf.

Aus der ÖVP höre ich heute sehr positive Töne. Die Tiroler Schullandesrätin spricht Klartext zu Ihnen: „Ich appelliere auch an meine eigenen Parteikollegen, sich endlich auf den Versuch einzulassen, damit wir Ergebnisse vorlegen können, mit denen man arbeiten kann.“ Das sagt Ihre Tiroler Landesschulrätin. Sie möchte die gemeinsame Schule, sie möchte in diese Richtung gehen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aha!)

Meine Damen und Herren! Bürokratieabbau wäre ein weiteres Thema, so wie Finan­zen, die Frage der Ganztagsschule, die Frage der Gerechtigkeit. Aber lassen Sie mich abschließend wieder eine Morgengabe an die Kollegen der konservativen Fraktion bringen, lassen Sie mich einen deutschen CDU-Politiker zitieren, der das richtige Wort, glaube ich, für den Reformrückstau gefunden hat, den es auch in Deutschland gibt, nämlich Wolfgang Bosbach. Er hat darauf hingewiesen, dass die Bodenressourcen
in Deutschland endlich sind. Eine ähnliche Situation haben wir in Österreich. Unser Potenzial ist die Zukunft unserer Kinder, unser Potenzial ist die Ausbildung. Wolfgang Bosbach sagt sehr drastisch: „Wer nichts im Boden hat, der muss was in der Birne haben.“ – Sorgen wir dafür, dass das bei unseren Kindern eintritt!
(Beifall bei den Grü­nen.)

13.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. – Bitte.

 


13.04.12

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ)|: Frau Präsidentin! Werte Regierungs­mitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann nie genug über Bildung


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reden. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt!) Und deshalb freue ich mich wirklich sehr, dass wir heute erneut im Rahmen dieser Sondersitzung Gelegenheit dazu haben, nachdem wir schon vor einigen Tagen im Rahmen einer Aktuellen Stunde das Thema Bildung aus­führlich erörtert haben.

Auch wenn wir es heute vielleicht der bevorstehenden Wien-Wahl zu verdanken haben (Abg. Walter Rosenkranz: Geh! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das glaub’ ich nicht! – Abg. Walser: Wie der Schelm denkt, so spricht er!), so ist es aber meines Erachtens durchaus naheliegend, dass Wien inspiriert, über Bildung zu reden. Schließlich ist Wien mit dem Gratiskindergarten, mit dem guten ganztägigen schulischen und Kinderbetreu­ungsangebot, mit der ausgezeichneten Sprachförderung, mit der Gratisnachhilfe, mit einem hervorragenden berufsbildenden Schulwesen einschließlich Lehre, einschließ­lich Berufsschule und dem Hochschulwesen und vielem mehr ein Bildungsvorzeige­land, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bela­kowitsch-Jenewein: Ehrlich?! Darum gibt es so viele arbeitslose Jugendliche!) Und das im Vergleich mit allen Weltstädten. Schauen Sie sich um in der Welt! Der Vergleich macht uns sicher, was hier geleistet wird. Also reden wir durchaus darüber.

Wir haben natürlich auch, und das kann man nicht verheimlichen, durchaus Reformbe­darf im österreichischen Schulwesen, und das wird von der Ministerin, von der Bil­dungsreformkommission, von uns gemeinsam auch beherzt angegangen.

Aber eines möchte ich Ihnen schon sehr ans Herz legen, liebe Kolleginnen und Kolle­gen: Unser Bildungssystem ist wesentlich besser als sein Ruf und vor allem wesentlich besser, als es jene darstellen, die aus dem Thema Bildung politisches Kapital schlagen wollen. Also wenn die Leistungen der österreichischen Schülerinnen und Schüler ge­nerell als unterdurchschnittlich dargestellt werden, wenn das Bild gezeichnet wird, dass aus dem österreichischen Schulsystem sozusagen nur Analphabeten hervorgehen, dann ist das wirklich schädigend für Österreichs Schülerinnen und Schüler, und es ist auch schädigend für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Walser: Jeder Vierte kann nicht sinnerfassend lesen! – Abg. Lugar: Die Zahlen lügen nicht!)

Also bitte seien Sie vorsichtig mit Pauschalurteilen, mit pauschalem Schlechtreden, auch wenn es natürlich Reformbedarf gibt – ganz klar, das ist auch offensichtlich. Aber schauen Sie sich auch die Leistungen an, die unsere Jugendlichen erbringen bei Be­rufsolympiaden, bei den verschiedensten internationalen Wettbewerben, wie sich die Absolventinnen und Absolventen im Berufsleben im In- und Ausland bewähren! Das ist auch ein eindrucksvoller Beweis für die Qualität des Bildungswesens und für die Qua­lität der Arbeit der Bildungsverantwortlichen (Beifall des Abg. El Habbassi), für die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer, denen ich an dieser Stelle für ihre hervorra­genden Leistungen auch herzlichst danken möchte.

Wenn hier in den Raum gestellt wird, dass alles schlechter wird: Also bitte schauen Sie sich auch das Zahlenverhältnis Lehrer/Lehrerin – Schüler/Schülerin an! Das hat sich stetig verbessert. Wir haben die Klassenschülerhöchstzahlen gesenkt. Es stehen jetzt wesentlich mehr Lehrerinnen und Lehrer für den Schuldienst zur Verfügung. (Zwi­schenruf des Abg. Peter Wurm.)

Das Gegenteil haben wir – weil gerade aus der Reihe jetzt Zwischenrufe kommen – unter Schwarz-Blau erlebt. Ministerin Gehrer hat Schulstunden gekürzt, vor allem Sport­stunden. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Peter Wurm.) Jetzt gehen wir einen anderen Weg. Jetzt verbringen Kinder mehr Zeit in der Schule, auch nachmittags, und sind nach­mittags nicht mehr sich selbst, der PlayStation oder dem Fernseher überlassen, son­dern sie finden auch sinnvolle Freizeitmöglichkeiten vor, und das bitte ich auch zu be­herzigen! (Abg. Belakowitsch-Jenewein: … Pauschalurteil!)


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Reformbedarf besteht, gerade im ganzen Strukturwesen. Aber es muss das Kind, muss die Schülerin, der Schüler im Mittelpunkt stehen, und danach muss dann die Struktur aufgebaut werden! Da bin ich froh, dass die Ministerin das so professionell mit der Bildungsreformkommission angeht. Zuerst muss gefragt werden: Was soll das Sys­tem Schule leisten? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Wer kann diese Leistungen bestmöglich erbringen? Und danach setzt man die Struktur auf. Versuchen Sie diese Diskussion bitte nicht umgekehrt zu führen!

Schulautonomie ist nicht nur ein Schlagwort, es wird mit Leben erfüllt. Die Ministerin hat es dargestellt. Aber mit einem darf Schulautonomie nicht verwechselt werden, näm­lich mit Landeshauptmann-Autonomie. Da ist auch entsprechende Wachsamkeit gebo­ten, dass nicht Begehrlichkeiten in die andere Richtung geweckt werden. Im Mittel­punkt jedenfalls muss die Schülerin, muss der Schüler stehen. In diesem Sinne bitte ich Sie um konstruktive Mitarbeit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jank. – Bitte.

 


13.10.03

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders herzlich begrüßen möchte ich den Bundesschulsprecher und den Obmann der Schülerunion und auch – sofern noch einige da sind – die Schülerinnen und Schüler der NMS Jenbach in Tirol. Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Jeder konstruktive Beitrag zur Verbesse­rung der Qualität in unserem Bildungssystem ist willkommen. Es liegen viele gute Vor­schläge auf dem Tisch und werden in der Bildungsreformkommission diskutiert. Der 17. November ist ein von der Kommission selbst festgesetzter Tag, an dem Ergebnisse präsentiert werden, die dann natürlich zu bewerten und natürlich auch einer Diskussion zu unterziehen sind, aber – die Frau Ministerin hat es ausgeführt – es soll ein ordent­liches Paket auf dem Tisch liegen, das dann hoffentlich auch in geeigneter Form zur Umsetzung gelangen wird.

Natürlich – weil heute irgendwie in den Raum gestellt worden ist, es ginge gar nicht um diese Thematiken – geht es um die Elementarpädagogik, um die Schulautonomie, na­türlich geht es um die Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen, um klare Kompeten­zen und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Das sind die Themen in der Kommission – was denn sonst?! Und selbstverständlich werden auch die Stakeholder eingebunden. Die Frau Ministerin hat bereits ausgeführt, es hat Gespräche gegeben. Im Übrigen haben wir für übernächste Woche eine Einladung zu einem Gespräch unter den Bildungssprechern erhalten – danke vielmals dafür –, bei dem wir auch unsere persönlichen Vorstellungen aus der Sicht der Bildungssprecher zur Sprache bringen werden.

Ich möchte jetzt kurz ein paar Themen ansprechen, die in unserem Schulsystem neu zu denken, neu aufzusetzen und neu zu gestalten sind.

Thema Autonomie: Die Schulautonomie halte ich für einen wirklich zentralen Punkt in der Veränderung unseres Systems. Es muss der Schulleitung ermöglicht werden, bei der Personalauswahl, bei der Personalentwicklung, beim Teambuilding, bei der ge­meinsamen Qualitätsentwicklung einer Schule autonom zu entscheiden. Wir haben un­terschiedliche Strukturen, aber das – auch wenn Österreich üblicherweise als kleines Land beschrieben wird –, was zum Beispiel Wien braucht, ist vielleicht für Vorarlberg oder ein anderes Land nicht das Passende. Daher müssen die Schulen standortbezo­gen agieren können.


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Es müssen auch die Leistungen der Schulen transparent gemacht werden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Beitrag. Wettbewerb beflügelt, das kann ich Ihnen aus der Wirt­schaft bestätigen (Beifall bei der ÖVP), und daher müssen wir diese Transparenz her­stellen.

Jede Bildungseinrichtung soll künftig auf Grundlage bundesweit einheitlicher Rahmen­bedingungen und Bildungsziele selbst entscheiden können. Derzeit haben Schulleiter viel zu wenig Spielraum. Auch dazu wieder ein Vergleich mit der Wirtschaft: Hätte ein Manager eines großen Unternehmens so wenig Spielraum, könnte er wahrscheinlich diese Leistungen, die gebraucht werden und gefordert sind, nicht erbringen. (Beifall der Abg. Nachbaur.)

Bei aller Kritik am System, wir werden die vielen engagierten und guten Lehrerinnen und Lehrer nicht demotivieren, wir werden das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern das System weiterentwickeln! Schule ist ein Dienstleister, Dienstleistung wird von Menschen erbracht, es kommt auf die Menschen an. Und daher ein Dankeschön an die Lehrerinnen und Lehrer, die sich täglich sehr engagiert dieser Aufgabe stellen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Als weiterer wichtiger Schwerpunkt des Reformprozesses – die Frau Ministerin hat es ausgeführt – sind die Bereiche Elementarpädagogik und der Übergang vom Kindergar­ten in die Volksschule zu nennen. Wir sehen den Kindergarten selbstverständlich als erste Bildungseinrichtung. Daher ist es wichtig, dass wir dort sicherstellen, dass Sprach­defizite frühzeitig erkannt werden. In Wien haben sechs von zehn Kindergartenkindern Deutsch nicht als Muttersprache. Das heißt, wir haben in Wien vielfach die Situation, dass Kinder, wenn sie in die Schule eintreten, nicht ausreichend Deutsch können. Daher ist es notwendig, frühzeitig einzugreifen. 94 Prozent der Vierjährigen besuchen bereits einen Kindergarten. Also wird es doch wohl möglich sein, die restlichen 6 Pro­zent auch noch in das System einzubinden.

Zur Volksschule: Aufgabe der Volksschule ist es, sicherzustellen, dass die Kinder am Ende der vierten Klasse in der Sprache, im Rechnen, im Schreiben und im Lesen sat­telfest sind.

Das, was uns hier von vielen anderen Ländern positiv unterscheidet, ist unser diffe­renziertes Schulsystem. Wir treten für ein differenziertes System ein. Für uns ist ganz klar, dass wir auf das beste Schulangebot, auf die Schule mit den besten Ergebnissen, nämlich auf das Gymnasium, nicht verzichten werden. (Beifall bei der ÖVP.) Für uns ist ganz klar, dass wir den besten Mann, wie man im Sport sagen würde, nicht aus dem Teamkader nehmen und auch nicht dafür eintreten, dass zum Beispiel ein Unterneh­men wie Manner die Manner Schnitten aus dem Sortiment nimmt. Daher verzichten wir auch nicht auf das Gymnasium.

Ich halte es für unverantwortlich, dass in Wien in den letzten Jahren Neue Mittelschu­len errichtet wurden und auch weitere geplant sind – 23 sind es an der Zahl, und es ist grundsätzlich auch gut, dass neue NMS entstehen –, aber im selben Zeitraum und auch für die Zukunft kein einziges Gymnasium vorgesehen war und ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Ge­plante Neue Mittelschulen – Aus- und Neubau“, auf der die geplanten Standorte ein­gezeichnet sind, vor sich auf das Rednerpult.)

Die Wiener ÖVP, und das unterstütze ich aus ganzem Herzen, tritt dafür ein, dass es sechs weitere neue Gymnasium-Standorte in Wien geben soll (Beifall bei der ÖVP), und zwar in Gebieten dieser Stadt (Zwischenruf des Abg. Walser), wo es auch einen hohen Migrantenanteil gibt. (Die Rednerin stellt eine weitere Tafel mit der Aufschrift: „Unsere Forderung: 6 echte neue Gymnasien!“, auf der die gewünschten Standorte abzulesen sind, vor sich auf das Rednerpult.) Die Jugend in Floridsdorf, in Aspern, in


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der Brigittenau, in Penzing, in Liesing und in Favoriten hat ein Recht auf ein Gymna­sium, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Vielleicht abschließend noch zum Thema Modellregionen. – Lieber Harald Walser, du hast wahrscheinlich auch Zeitung gelesen, und ich möchte dir vorweg sagen, Herr Mag. Türtscher hat darin (Abg. Walser: Eine Außenseiterposition!) – aus deiner Sicht eine Außenseiterposition! –, er hat darin folgenden Sachverhalt aufgezeigt: Evident ist, dass eine hohe Akademikerquote – und ich verwahre mich gegen die Diskriminierung all jener Schülerinnen und Schüler, all jener jungen Menschen, die einen anderen Weg als den der Matura wählen – immer einhergeht mit einem hohen Anteil an Arbeitslosig­keit. Das hört ihr nicht gern, das verweigert ihr, aber das ist Tatsache! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Walser: Die ÖVP-Vorarlberg hört das nicht gern!)

Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass alle die Möglichkeit haben, einen den ei­genen Wünschen, Bedürfnissen, Neigungen und Ausbildungen entsprechenden Beruf zu ergreifen. Wir haben sichergestellt, dass die Systeme durchlässig sind. Das ist un­ser Bildungskonzept, und daran werden wir auch in der Zukunft festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

13.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ro­senkranz. – Bitte.

 


13.18.55

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Zunächst eine bemerkenswerte Randnotiz; ich zitiere aus der 93. Sitzung des Nationalrats. Ich stelle im Abgleich mit der heutigen Rednerliste fest, dass Frau Kollegin Meinl-Reisinger in der letzten Sitzung gemeint hat: „Das heißt, das ist heute meine Abschiedsrede im Parlament. (Beifall bei den NEOS.)“ Warum auch immer. Darauf folgt der Zwischenruf von Abgeordnetem Strache: „Wir sehen Sie hier noch länger!“

Jetzt muss ich sagen: Wer die Zukunft derart realistisch einschätzen kann, den kann man getrost wählen, und jemanden, der nicht einmal seine eigene Lebensplanung rich­tig sieht, wird man wahrscheinlich weniger wählen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Was uns auch ein wenig irritiert hat, es dürfte dort offensichtlich auch ein Paralleluni­versum geben: Wir haben auf „orf.at“ gesehen, dass die Grünen 50 Fragen zur Bildung angekündigt haben, die Frau Bundesministerin hat auch auf die 50. Frage geant­wortet – wir haben allerdings einen Anfragetext mit nur 49 Fragen bekommen! (Abg. Walser: 50!) Offensichtlich, wie ich bereits in meinen Ausführungen zur Geschäftsord­nung festgestellt habe, dürfte es zwischen dem ORF und anderen unterschiedliche Wissensinhalte geben. Zum einen gibt es 50 Fragen, zum anderen 49 Fragen. (Abg. Walser: Wenn man umblättert, dann geht’s weiter!) Kollege Walser, da hilft auch um­blättern nichts! Sie als Oberzensor des Hauses (Beifall bei der FPÖ) sollten sich einmal Ihre eigene Anfrage anschauen, in der Sie auf Seite 2 mit kleinem Anfangsbuchstaben begonnen und offensichtlich sogar Textbausteine vergessen haben! Sie haben in Ihrer eigenen Anfrage einen schweren Fehler drinnen, Herr Oberzensor, Herr Oberlehrer der Republik! (Abg. Walser: 50!) Seien Sie weniger aufgeregt!

Und eines muss man Ihnen schon sagen … (Abg. Walser: Wenn Sie immer umblät­tern, dann sehen Sie es!) – Im verteilten Exemplar sind es nicht 50! Schauen Sie halt, was bei Ihnen auf den Kopierer gelegt wird, wenn Sie so unkoordiniert vorgehen! Ich kann nicht von dem ausgehen, was Sie sich zu Hause am Abend schnitzen, sondern nur von dem, was an die Abgeordneten hier im Haus verteilt wird. So oft kann die Wirklichkeit auseinanderklaffen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Aber eines, Kollege Walser, aber auch Frau Kollegin Glawischnig, muss man Ihnen wirklich attestieren: Mut haben Sie! Wenn ich als Vorarlberger beziehungsweise hier in Wien sehe, dass zum Beispiel Bundesländer nach Erreichung der Bildungs… (Anhal­tende Zwischenrufe des Abg. Walser.) – Kollege Walser, hören Sie doch einmal zu! Wir sind jetzt nicht in Ihrer Schulklasse, wo Sie irgendetwas anschaffen können. Jetzt hören Sie einmal zu, dann kann ich Ihnen nämlich aus den Bildungsstandards etwas vorlesen, was Ihren Horizont erweitert, das ist ja wesentlich:

Vorarlberg und Wien verzeichnen deutlich weniger Schüler und Schülerinnen, die die Standards erreichen oder übertreffen. Und: Die höchsten Anteile an den leistungs­schwächsten Schülerinnen und Schülern finden sich in Wien, 17 Prozent, und Vorarl­berg.

Wien kann man sich also wirklich als rot-grünes Musterbeispiel, als „Erfolgsmodell“ an­schauen. Wenn in Mathematik die leistungsschwächsten Schüler in einer rot-grünen Bildungsverantwortung entstehen, dann lässt das auf einiges schließen.

Aber jetzt einiges Grundsätzliches. Ich bin gespannt, ob die Grünen nach dieser An­fragebeantwortung überhaupt gescheiter geworden sind. Die einzigen Begriffe, die ich nämlich jetzt während der Ausführungen der Frau Bundesminister mitbekommen habe, waren: jetzt nicht, austauschen, diskutieren, entwickeln, berechnen, beschäftigen, noch nicht im Detail, schwierig, kreieren, ein bisschen Geduld, zusammenführen, und so weiter. (Abg. Höbart: Wie schon seit Jahren!) Das sind die Auskünfte, die wir ganz kurz, relativ kurz vor dem 17. November, dem großen Tag der Bildungsreform in Öster­reich, von der Frau Bundesministerin heute bekommen haben. Frau Kollegin Gross­mann hat ja gesagt, man kann über Bildung sehr viel und nie genug reden. – Ja, das stimmt wirklich. Was hier herinnen bereits über Bildungspolitik geredet, geredet, gere­det und nicht getan wurde – worauf es nämlich letztlich ankommt –, das füllt wirklich schon Bände der Stenographischen Parlamentsprotokolle. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich möchte auf ein paar ganz grundsätzliche Dinge, wie wir uns ein Bildungssys­tem vorstellen, eingehen, und das weicht von dem ab, was hier von grüner und von SPÖ-Seite gekommen ist.

Die Frau Bundesministerin hat gesagt, es wird jetzt alles getan werden, dass sich die Schüler in der Schule einfach wohlfühlen. Dazu sagt der große österreichische Bil­dungswissenschaftler: Früher hat man die Kinder gefragt, wenn sie aus der Schule nach Hause gekommen sind: Habt ihr heute etwas gelernt? Heute muss man die Kin­der fragen: Habt ihr euch wohlgefühlt? – Das trifft es auf den Punkt. Es geht nicht nur darum – nicht nur darum –, dass man sich in der Schule wohlfühlt, sondern auch da­rum, dass man in der Schule etwas lernt. Das Augenmerk ist jetzt leider Gottes zu sehr auf das Wohlfühlen gerichtet worden und nicht darauf, dass man tatsächlich Bildung erwirbt. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Dass da ein Zusammenhang besteht zwischen Freude und Lernen …!) Da können Sie jetzt Ihre Sachen deuten, wie Sie wollen.

Etwas anderes: Was wollen Sie denn sagen, wenn die Lehrkräfte in den Schulen auf­zeigen, dass 70 Prozent der Unterrichtszeit darauf verwendet werden, zunächst einmal für Disziplin in der Schulklasse zu sorgen, bevor es überhaupt zu einer Wissensver­mittlung kommt? Welche Antworten liefern Sie denn da? – Überhaupt keine! (Abg. Glawischnig-Piesczek: Welche Schulen kennen Sie? Von welchen Schulen reden Sie eigentlich?)

Frau Kollegin Glawischnig, jetzt zitiere ich aus Ihrer Rede zur Begründung der Anfrage. Sie haben gesagt, man müsse die Eltern aus diesen Erziehungsaufgaben – Hausübun­gen und so weiter – entlassen. Das ist der Punkt! – Und ich sage Ihnen, unser Punkt ist: Die Macht im positiven Sinn – die Macht im positiven Sinn – für ihre Kinder sollen noch immer die verantwortungsvollen und vor allem liebevollen Eltern haben. (Beifall


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bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist der Punkt und nicht Ihre Doktrin, Kinder möglichst rasch dem Elternhaus zu entziehen, damit Sie Eltern und Kinder überwachen können! Sie regen sich auf über den Überwachungsstaat, darüber, was NSA und Sonstige mit uns machen, bis hin zum Sicherheitspolizeigesetz. Sie wollen nichts anderes, als im Stil einer DDR-Bildung die Kinder von früh bis spät in die Schule zu drängen (Abg. Walser: Das ist eine unglaubliche Entgleisung!), damit Sie mit Ihrem Umerziehungswerk fortschreiten können. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walser: Ausge­rechnet Sie haben es nötig!) – Ja, Kollege Walser, Sie sollten Ihren Puls wieder einmal senken!

Es geht darum, dass man erkennen muss, dass es selbstverständlich Eltern gibt, die nicht imstande oder willens sind, Erziehungsarbeit für ihre Kinder zu leisten, und denen muss der Staat natürlich zur Seite stehen, um auch die Chancen dieser Kinder zu wahren. Aber Sie wollen die Situation umdrehen. (Abg. Walser: In einem modernen Schulsystem …!) Sie sagen „modern“ – es ist uralt. (Abg. Walser: Das, was Sie wollen, ist 19. Jahrhundert!) Es war vorhin die Rede davon, dass man was „in der Birne haben“ muss, Kollege Walser. Wissen Sie, was Sie vorhaben? – Sie haben die Abriss­birne im Kopf, die Abrissbirne für ein gutes Schulsystem haben Sie im Kopf! Das wollen Sie, das ist die einzige Birne, der Sie Verständnis entgegenbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ein gesellschaftspolitischer Entwurf, den Sie vorhaben, aber wir sagen Ihnen ganz klar, wie wichtig die Eltern, Lehrer und Schüler in dem System sind. Und sind sie in der Bildungsreformkommission vertreten? Nicht einmal Frau Kollegin Jank sitzt selbst in der Bildungsreformkommission, sie hofft nur, dass es ein Paket geben wird. Ich bin sehr skeptisch, zumal sich ja durchaus einige namhafte Politiker – ich denke da an Landeshauptmann Pröll oder Landeshauptmann Niessl – schon verabschiedet ha­ben. Sie haben offensichtlich erkannt, dass die Zeit, die sie dort investieren, nicht gut genützt ist, denn es wird nichts Gutes herauskommen. So schätze ich jedenfalls diese Politiker ein.

Aber – und da kann ich jetzt auch die ÖVP nicht ganz aus der Verantwortung entlas­sen –, und natürlich lese und höre ich vom „Erhalt des Gymnasiums“, Kollege Walser verweist ja darauf, was alles seitens der ÖVP in den westlichen Bundesländern gesagt wird, das Gymnasium bleibt, und so weiter, wir haben die Lippenbekenntnisse gehört, aber das Gymnasium nagt am Hungertuch! Es erreichen mich täglich Briefe von Eltern­vereinen, weil das Gymnasium ausgehungert wird. Es ist halt ein sozialistischer Reflex: Wenn etwas nicht hineinpasst, dann wird es kaputt gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Beim Bundesheer ist es unter SPÖ-Ministern so gewesen, und bei der Bildung ist es nicht anders. In den Briefen heißt es: schlechte Raumsituation, keine Garderoben, die Oberstufenschüler stehen den ganzen Tag in den Schuhen, auch im Winter, die Klei­dung liegt beziehungsweise hängt in den Klassen – ich habe das auch schon in der letzten Sitzung gesagt –, es ist kein Geld fürs Heizen da. Es gibt Probleme, weil das Gymnasium ausgetrocknet wird. (Abg. Krainer: Das ist das Problem des Gymnasiums!)

Das ist das Problem des Gymnasiums?! Wer von der SPÖ hat denn das gesagt? Auf­zeigen! (Rufe bei der FPÖ: „Professor“ Krainer!) Aufzeigen! – Professor Krainer zeigt auf. Professor Krainer, ich darf jetzt aber einmal für die ÖVP, die ja heute in Form der Frau Kollegin Jank hier dieses bedeutende Beispiel abgegeben hat, zwei Entschlie­ßungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt und Ausbau der erfolgreichsten Schulform: des Gymnasiums


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert dafür Sorge zu Tragen, dass ausreichend Plätze in der AHS-Unterstufe zur Verfügung gestellt werden, sodass alle berechtigten Schüler einen Platz in dieser Schulform bekommen.“

*****

Daran krankt es nämlich auch: dass die Kinder nicht einmal dann einen Schulplatz be­kommen, wenn sie das Recht darauf haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Krainer.) – Kollege Krainer hat momentan irgendeinen kompletten Wordrap, oder was ist mit ihm? (Heiterkeit.)

Ein zweiter Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Deutsch­klassen“ für Schüler ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Bildung und Frauen werden aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, dass Schüler mit man­gelnder Kenntnis der Unterrichtsprache in eigenen Klassen solange unterrichtet wer­den, bis sie über ausreichende Kenntnisse der Unterrichtssprache verfügen.“

*****

Ich zitiere dazu Herrn Außen- und Integrationsminister Kurz vom 13. August: „Die Un­terrichtsministerin hat sich leider lange gewehrt und diese Idee als Ghetto-Klasse ab­getan. Ich glaube, jetzt ist es höchste Zeit, diese Idee endlich umzusetzen, denn das wäre die richtige Förderung für all diese Kinder.“ – Zitat Minister Kurz.

In diesem Sinne ist die ÖVP herzlich eingeladen, uns zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29


Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rosenkranz und weiterer Abgeordneter betreffend Erhalt und Aus­bau der erfolgreichsten Schulform: des Gymnasiums

eingebracht in der 94. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 6. Oktober 2015 im Zu­ge der Behandlung der dringlichen Anfrage betreffend „Bildungsreform 2015: Großer Wurf oder nächster Flop“

Wien wächst jährlich um 20.000 bis 30.000 Menschen. Der Ansturm auf die AHS-Un­terstufen ist ungebrochen. Jährlich werden viele AHS-reife Kinder (mit Einsern und Zweiern im Volksschul-Zeugnis) von den AHS wegen fehlender Schulplätze abgewie­sen. Dennoch werden in Wien keine AHS-Unterstufen mehr eröffnet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 44

Wann immer ein Gymnasium in Wien neu gebaut und eröffnet wird, gibt es nur eine Oberstufe. Die Unterstufe wird als NMS oder WMS geführt. Damit wird über die Hin­tertür das Gymnasium in der Langform in Wien abgeschafft und die Gesamtschule eingeführt und das, obwohl das Gymnasium bei jedem PISA-Test die erfolgreichste Schulform ist.

Auch in anderen Bundesländern haben immer mehr Schüler keinen Platz in einer AHS-Unterstufe. So berichtete die Tiroler Tageszeitung, dass „es keinen Platz für Vorzugs­schüler in Innsbrucker Gymnasien gibt. Die Situation an den Gymnasien hat sich heuer zugespitzt. Nach aktuellem Stand bekommen 180 Tiroler Kinder im Herbst keinen Platz, obwohl sie laut Zeugnis ein Recht darauf hätten.“

Der Standard berichtete über die Situation in Graz, dass „es jedes Frühjahr dasselbe Drama ist: Kinder werden aus oft unerklärlichen Gründen vom Gymnasium, das sie nach der Volksschule besuchen wollen, abgewiesen.“

Die abgefragten Bildungsstandards in Mathematik und Englisch belegen jedoch die Vorreiterrolle des Gymnasiums. Warum soll man also etwas aufgeben, das nachweis-lich funktioniert? Alle AHS-reifen Kinder sollen auch einen AHS-Platz bekommen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert dafür Sorge zu Tragen, dass ausreichend Plätze in der AHS-Unterstufe zur Verfügung gestellt werden, sodass alle berechtigten Schüler einen Platz in dieser Schulform bekommen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rosenkranz und weiterer Abgeordneter betreffend „Deutschklas­sen“ für Schüler ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache

eingebracht in der 94. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 6. Oktober 2015 im Zu­ge der Behandlung der dringlichen Anfrage betreffend „Bildungsreform 2015: Großer Wurf oder nächster Flop“

„Der Expertenrat für Integration hat schon vor Jahren vorgeschlagen, dass es Deutsch­klassen geben soll für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen um den Unter­richt zu folgen. Die Unterrichtsministerin hat sich leider lange gewehrt und diese Idee als Ghetto-Klasse abgetan. Ich glaube, jetzt ist es höchste Zeit diese Idee endlich um­zusetzen, denn das wäre die richtige Förderung für all diese Kinder“, erklärte Integra­tionsminister Sebastian Kurz am 13.8.2015 im Ö1-Mittagsjournal.

Tatsächlich steigt die Zahl der außerordentlichen Schüler, das sind laut §4 Schul­unterrichtsgesetz Kinder, die der allgemeinen Schulpflicht unterliegen, aber deren Auf­nahme als ordentliche Schüler wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache nicht zulässig ist, dramatisch an: Vom Schuljahr 2011/12 bis zum Schuljahr 2013/14 allein in Wien um 22% auf 9.412; österreichweit um 15% auf 23.343 Schüler.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 45

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Bildung und Frauen werden aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, dass Schüler mit man­gelnder Kenntnis der Unterrichtsprache in eigenen Klassen solange unterrichtet wer­den, bis sie über ausreichende Kenntnisse der Unterrichtssprache verfügen.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


13.30.01

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Schülerinnen und Schüler, herzlich willkommen, wir reden über euch und über eine bessere Schule!

Ich habe ein bisschen etwas mitgebracht. Herr Rosenkranz, zuerst für Sie: Essen Sie einen Snickers (der Redner zeigt einen solchen), denn immer wenn Sie hungrig sind, werden Sie zur Diva! Bitte abholen für die anschließende Pause! (Heiterkeit.)

Ich glaube, wir haben sehr klar dargelegt, wie das ist mit der Beate Meinl-Reisinger. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.) – Oder essen Sie ihn gleich, dann können Sie sich abreagieren, ein bisschen Zucker hilft. (Abg. Walter Rosenkranz: Eine Leberkässemmel, da gehe ich mit dem Otto Pendl! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Beate Meinl-Reisinger wird – sie hat das Schriftstück im Innenministerium hinterlegt – mit 9. Oktober ihr Mandat zurücklegen. Das ist nach meinem Wissen ein einmaliger Vorgang in der Zweiten Republik, dass man hier ins Risiko geht, dass man mit diesem aufrechten Gang in Richtung Wien geht.

Sehen Sie, das ist der Unterschied: Während Herr Strache nicht einmal bei einer Son­dersitzung hier ist (Zwischenruf des Abg. Darmann), ist Beate Meinl-Reisinger erstens hier und zweitens bereit, da ins Risiko zu gehen. Der Herr Strache verschaukelt die Bevölkerung zum dritten Mal mit derselben Nummer (Beifall bei den NEOS): Er macht hier auf Wiener Duellant und wird in zwei Monaten wieder hier sitzen, zumindest als parlamentarischer Frühstücks-Klubobmann: kurz kommen und dann schnell gehen. Aber das ist nicht aufrichtig, und das ist halt der Qualitätsunterschied! (Abg. Walter Ro­senkranz: Der frühstückt gerade mit Lopatka und Schieder!)

Der zweite Punkt: Frau Brigitte Jank, das habe ich Ihnen mitgebracht: Manner Schnit­ten. (Der Redner zeigt eine Packung.) Sie haben die Manner Schnitten hier als gute Referenz für das österreichische Bildungssystem angeführt. Aber, bei aller Liebe zu den Manner Schnitten, da steht drauf: „125 Jahre Manner“, und so kommt es mir auch hier herinnen bei einer Bildungsdebatte vor! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Walser.) Es ist die 150. Auflage des 100-jährigen Kampfes einer ideologisch aufgeladenen Debatte, bei der Sie sagen: Wir brauchen die AHS!, und die andere Seite sagt: Wir brauchen die gemeinsame Schule, die Schule für alle zwischen 10 und 14 Jahren, die wir in eine Schablone packen! (Abg. Walser: Was sa­gen NEOS?)

Ich bin der Meinung – ich weiß nicht, ob es mich langweilen oder nerven soll, ich bin da immer hin- und hergerissen –, wir können diesen 100-jährigen Kampf beenden, wir müs­sen nur wollen.

Als Vertrauensvorschuss haben wir, Harald Walser, in Vorarlberg auch tatsächlich dem Antrag zur gemeinsamen Schule zugestimmt, weil wir einfach in die Gänge kommen wollen. Wir glauben aber, dass die gemeinsame Schule kein geschönter Aufguss der


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klassischen Gesamtschulidee sein sollte, einfach eine Schablone über alle drüber, und ich glaube auch nicht, dass wir mit der Abrissbirne an die AHS heranrücken sollten – da bin ich schon bei Ihnen.

Ich glaube, die SPÖ hat recht, wir müssen mit der dumpfen Zweiteilung abfahren. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Die Grünen, aber auch wir sehen es so: weg mit der dumpfen Zweiteilung der Neun- oder Neuneinhalbjährigen!

Ich habe eine Tochter, die gerade in diesem Alter ist, und ich sehe und erlebe, wie elend das ist. Ich sehe auch, wie die Kinder der FPÖ-Politiker, der SPÖ-Politiker, der ÖVP-Politiker, der Grün-Politiker in Wien dann trotzdem ins Gymnasium drängen. Das, was wir hier herinnen im Rahmen einer ideologisierten Debatte erzählen, stimmt ja nicht mit dem überein, was wir selbst leben. Das ist ja eigentlich verlogen. Und des­wegen sollten wir das auch anders anlegen, nicht als so eine ideologisierte Debatte. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir wollen es ja auch, die Macht der Familie und nicht die Macht des Geldbeutels!) – Ich bin noch nicht fertig.

Die SPÖ, die Grünen und die NEOS haben also recht, wenn sie sagen: Hören wir auf mit der Zweiteilung mit neuneinhalb Jahren! Das ist eine Stigmatisierung, die einfach elend ist. Bei jeder Gartenparty werden dann die Kinder, wenn es Geschwister sind, gefragt: Wohin gehst du? Aha, du gehst in das Gymnasium. Und du nicht? Wie scha­de! – Der junge Mensch hat durch diese Stigmatisierung einen Schaden fürs Leben; durch diese Stigmatisierung, die bei jeder Weihnachtsfeier, bei jeder Familienfeier statt­findet. Hören wir auf mit diesem Blödsinn! – Das regt mich wirklich auf. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die ÖVP hat, das sage ich, bevor Sie schimpfen, auch recht. Die ÖVP sagt seit Jahren und Jahrzehnten: Wir brauchen Individualisierung! – Ja, wir sind bei Ihnen, wir NEOS sind Verbündete. Wir brauchen eine vielfältige Schule, so vielfältig, wie das Leben ist und wie die Talente der jungen Menschen sind. Wir brauchen keine militärische Schab­lone. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Jetzt bitte ich Sie, sich für den dritten Weg zu öffnen, denn es gibt einen dritten Weg. Stellen Sie sich vor, der 100-jährige Kampf der Ideologien ist vorbei. Seit Otto Glöckel in dieser Stadt für die Gesamtschule geworben hat und keine Mehrheit bekommen hat, streiten wir. Seit 100 Jahren streiten wir in dieser Ideologie-Debatte. Und stellen Sie sich vor, wir beenden diesen Kampf nach 100 Jahren! Stellen Sie sich vor, die eine Seite hat recht und die andere Seite hat recht, wie wir festgestellt haben! (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Stellen Sie sich vor, es gibt, wenn beide recht haben, einen ge­meinsamen dritten Weg, und diesen dritten Weg sollten wir gemeinsam gehen.

Wir haben das auch in dem Buch „Die mündige Schule“ ausgeschildert, gemeinsam mit vielen Expertinnen und Experten. (Rufe bei der FPÖ: Welchen?! – Abg. Walser: Hallo!) – Ja, Sie haben mitgeschrieben, großartig. Ich lobe auch den Harald Walser, wir sind nicht so weit auseinander. Mir ist nur wichtig, dass wir die gemeinsame Schule als eine gemeinsame Schule der Vielfalt begreifen. Das halte ich für ganz wichtig.

Frau Ministerin! Mir ist auch wichtig, auf Folgendes hinzuweisen: Es gab im September einen „Bildungssummit der Zivilgesellschaft“, da haben sich fast 30 Initiativen zusam­mengeschlossen. Da haben sich Leute aus den verschiedensten Ecken zusammenge­schlossen, von Volksbegehren Bildungsinitiative, Industriellenvereinigung, Hilfswerk, Dia­konie, jedesK!nd, Verein Wirtschaft für Integration, Plattform EduCare, Verband der El­ternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, Teach For Austria, Katholischer Aktion, Ös­terreichischem Rotem Kreuz, Caritas, all die sind sich einig und zeichnen diesen dritten Weg. Die sind auch bereit, den 100-jährigen Kampf hinter sich zu lassen. Die wollen mitarbeiten, die kommen aus vielen Initiativen, die tatsächlich im täglichen Leben be­weisen, dass es auch anders geht – und die sind nicht genügend eingebunden, Frau Ministerin!


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Deshalb werbe ich hier um Einbindung der Zivilgesellschaft. Wir sollten tatsächlich das eine verabschieden und das andere hereinlassen. Wir sollten das Parteibuch als das wichtigste Buch in der österreichischen Schule verabschieden, das hat keinen Platz mehr. Raus damit! (Beifall bei den NEOS.)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Entpoliti­sierung des Bildungsbereiches

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass der partei- und machpolitische Zugriff auf das Bildungssystem zukünftig hintange­halten wird.

Diesbezüglich werden folgenden Ziele festgeschrieben:

Bis 1. Dezember 2015 ist dem Parlament ein dahingehendes, verbindliches Bekenntnis der Bundesregierung vorzulegen.

Bis 1. März 2016 wird von der Bundesregierung eine Strategie vorgelegt, in der das Zurückdrängen der parteipolitischen Einflussnahme im Bildungsbereich mit konkreten Handlungsfeldern, Maßnahmen und verbindlichen Zeitplänen unterlegt wird.“

*****

Wir können das Parteibuch aus der Schule verdrängen, wenn wir es wollen. Wir wer­den heute sehen, ob Sie es wirklich wollen. Ich bitte zuzustimmen!

Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich kann Ihnen versichern, die ÖVP und die SPÖ wol­len das nicht, denn es geht ihnen bei Bildungspolitik um Machtpolitik, um nichts ande­res! Deswegen sind sich sogar zwei Landeshauptleute nicht zu (Ruf bei der FPÖ: Blöd!) – das Wort sagen wir jetzt nicht –, nicht zu schade, in der Bildungsreform-Dis­kussion aufzustehen und zu sagen: Was, ich kriege nicht den machtpolitischen Zugriff auf die Bundeslehrer?! Dann mache ich nicht mehr mit! – Das ist jenseitig! Zu keinem Zeitpunkt wurden da die Interessen der Schüler in den Mittelpunkt gestellt. Zu keinem Zeitpunkt! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Mayer.) Sondern nur machtpolitische Interessen. Das ist eine echte … – Auch dieses Wort lassen wir jetzt.

Wenn das Parteibuch draußen ist, dann haben wir Platz für Neues. Holen wir doch, Frau Ministerin, die Zivilgesellschaft stattdessen herein! Holen wir die vielen beherzten Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern, Lehrer, Leute, die im Bildungsbereich engagiert sind, herein!

Daher bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Umset­zung von Bildungsreform-Maßnahmen, die breiteste Unterstützung aus der Zivilgesell­schaft haben

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Bildung und Frauen, wer­den aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Forderungen des Bildungssummit der


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Zivilgesellschaft im Rahmen der Bildungsreformkommission Berücksichtigung finden. Die von der Zivilgesellschaft formulierten Reformvorschläge sollen mit in die Umsetzungs­planung genommen werden. In einem ersten Schritt sind sowohl Vertreter_innen der Zivilgesellschaft als auch der Oppositionsfraktionen des Nationalrats in die Beratungen zur Bildungsreform aufzunehmen – mit dem Ziel, dem Parlament bis Dezember 2015 eine Umsetzungsstrategie für eine umfassende Bildungsreform vorzulegen.“

*****

Frau Ministerin! Sie müssen, wenn Sie eine tragfähige Bildungsreform in Umsetzung bringen wollen, breite nationale Konsensmechanismen anwerfen, damit Sie einen brei­ten nationalen Konsens schaffen. Harald Walser – ein weiteres Lob, Harald, für dich – hat das schon angesprochen, und er hat vollkommen recht, das zeigen uns sämtliche andere Länder: Wenn wir da etwas wirklich Großes in die Welt bringen wollen, dann müssen wir das auf breite Beine stellen. – Das ist bisher nicht geschehen! Frau Mi­nisterin, seit Monaten liege ich Ihnen mit der Frage im Ohr: Wann binden Sie uns als Oppositionsfraktionen ein? (Staatssekretär Mahrer: Wofür?) – „Wofür?“, fragt Staatssekretär Harald Mahrer. (Weitere Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mah­rer.) Ich werd’ narrisch! Wofür? – Weil wir gewählte Vertreter des Volkes sind! Halle­luja! Geht es noch? Wofür? Wissen Sie, wir waren gemeinsam in den Niederlanden. (Zwischenruf des Abg. Walser.) – Nein, Harald Walser, das ist eine Ignoranz, die ist unglaublich! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Frau Ministerin setzt sich da auf die Regierungsbank und sagt: Sie wissen eh, dass mir 343 Millionen fehlen, aber ich sage Ihnen nichts Genaueres, woher wir die holen! – Und das im Oktober des Jahres!

Sie ignorieren das Parlament und die Bevölkerung in einer Art und Weise, dass es himmelschreiend ist. Und es wird leider auch nicht besser, das ist die Tragik! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.40


Präsidentin Doris Bures: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß ein­gebracht und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Entpolitisierung des Bildungsbereiches

eingebracht im Zuge der Sondersitzung „Bildungsreform 2015: Großer Wurf oder der nächste Flop“

Der Bildungsstandort Österreich gerät zunehmend in Bedrängnis. Strukturelle Versäum­nisse und das Fehlen klarer Entwicklungsstrategien für die Zukunft ergeben ein be­drohliches Zukunftsszenario. Zudem forciert das bestehende System die parteipoliti­sche Vereinnahmung der Schulen aufgrund von Strukturen, die Doppelgleisigkeiten und Kompetenzzersplitterungen seit Jahrzehnten tolerieren und immer weiter einze­mentieren. Dieser Missstand wird seit Langem und von unterschiedlichen Stellen re­gelmäßig befundet:

„Die Funktionen im österreichischen Schulsystem sind auf die verschiedenen Verwal­tungsebenen derart verteilt, dass eine effiziente Leistungserbringung nicht gewähr­leis­tet ist. Nicht nur in Bezug auf die Erhaltung und Errichtung von Schulen sind Planungs­kompetenz und Kostenträgerschaft der allgemeinen Pflichtschulen auf unterschiedli­chen politischen Zuständigkeitsebenen angesiedelt, sondern auch in Bezug auf Verwal-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 49

tung und Aufsicht des Lehrpersonals.“ (Ökonomische Bewertung des österreichischen Bildungswesens - Studie des IHS im Auftrag des BMUKK 2007)

„Die derzeitige Schulverwaltung stammt aus dem Jahr 1962 und ist nicht mehr zeitge­mäß. Sie ist durch vergleichsweise hohe Ausgaben (Input) und durchschnittliche Erfol­ge (Output) gekennzeichnet. (…). Konkrete Vorgaben für bildungspolitische Ziele sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Schulqualität kann nicht beurteilt wer­den; die Zielerreichung ist nicht messbar. Die Gründe liegen vor allem in der verfas­sungsrechtlich komplexen Kompetenzverteilung und der fehlenden Übereinstimmung von Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und allenfalls auch Gemeinden. Dies führt zu unterschiedlichen Sichtweisen bzw. In­teressenslagen und so zu Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und Zielkonflikten. Hinzu kommt eine unzureichende Datenlage.“ (Rechnungshof Arbeitsgruppe Verwaltung Neu - Schulverwaltung, Zusammenfassung, Wien 2009)

Gleiches findet sich im aktuellen Bericht des Rechnungshofes vom September 2015 „Schulbehörden in Oberösterreich und Tirol: Landesschulräte“. Darin heißt es schon im ersten Absatz der Zusammenfassung: „Die Ausgestaltung der Behördenstruktur der Landesschulräte war einzigartig im Verwaltungssystem des Bundes. Die politische Doppelspitze Präsident (Landeshauptmann) und Amtsführender Präsident hatte einen starken Landeseinfluss zur Folge. Der in den fünf einwohnerstärksten Ländern verfas­sungsrechtlich vorgesehene Vizepräsident des Landesschulrats hatte lediglich das Recht auf Akteneinsicht und Beratung.“

Die Blockade einer gelingenden Weiterentwicklung unseres Schulsystems wird durch die mannigfaltigen macht- und parteipolitischen Interessen verstärkt und einzementiert Die bürokratische und parteipolitische Gängelung der Schulen ist umfassend und im Sinne der Schüler_innen und Eltern dysfunktional. Das wichtigste Buch in der österrei­chischen Schule ist das Parteibuch. Diese auf Machtpolitik abzielenden Strukturen und Handlungsmuster verhindern auch die Partizipation der Betroffenen an Reformprozes­sen. Wir fordern daher nachdrücklich, dass sich die Parteipolitik aus der Schulverwal­tung sowie dem gesamten Bildungsbereich zurückzieht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass der partei- und machpolitische Zugriff auf das Bildungssystem zukünftig hintange­halten wird.

Diesbezüglich werden folgenden Ziele festgeschrieben:

Bis 1. Dezember 2015 ist dem Parlament ein dahingehendes, verbindliches Bekenntnis der Bundesregierung vorzulegen.

Bis 1. März 2016 wird von der Bundesregierung eine Strategie vorgelegt, in der das Zurückdrängen der parteipolitischen Einflussnahme im Bildungsbereich mit konkreten Handlungsfeldern, Maßnahmen und verbindlichen Zeitplänen unterlegt wird.“

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Umsetzung von Bildungsreform-Maßnahmen, die breiteste Unterstützung aus der Zivilgesellschaft haben


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eingebracht im Zuge der Sondersitzung „Bildungsreform 2015: Großer Wurf oder der nächste Flop“

Aufgrund ihrer interessens- und parteipolitischen Verstrickungen ist die Bundesregie­rung außer Stande oder nicht willens, einen transparenten und partizipativen Reform­prozess im Bildungsbereich aufzusetzen. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Oppo­sitionsfraktionen im Parlament werden – trotz teils gegenteiliger Ankündigungen – sys­tematisch aus den Diskussionen der Bildungsreformkommission und den Beratungen des Bildungsministeriums ausgeschlossen. Daher ist es notwendig, den Druck auf die Regierung aus der Zivilgesellschaft und auch aus dem Parlament heraus zu erhöhen.

Für eine gelingende Bildungsreform brauchen wir eine breite Allianz der konstruktiven Kräfte, abseits von machtpolitischem Kalkül und parteipolitischer Taktik. Bildung ist ein Themenfeld, das jede Bürgerin und jeden Bürger umfassend betrifft – weit über die mindestens zehn Jahre, die er oder sie im Kindergarten und in der Schule verbringt. Für eine echte Bildungswende gilt es daher, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Die Zivilgesellschaft ist DIE erfolgskritische Verbündete für jede Bildungsreform, sollte sie grundlegend und erfolgreich sein wollen. Und die Zivilgesellschaft zeigt sich für diese Form der Einbindung und Verantwortung auch bereit. Ein erfreulicher und he­rausragender Beleg dafür war der „Bildungssummit der Zivilgesellschaft“ am 14. und 15. September 2015, der von der Bildungsinitiative „Neustart Schule“ organisiert wur­de. Hier ein Auszug[1] der dort formulierten Forderungen:

Zentrale Ziele einer Neuorganisation

Schulorganisation ist nicht Selbstzweck, sondern hat zu gewährleisten, dass schuli­sche Bildung in hoher Qualität für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von sozia­lem Status und Herkunft möglich wird. Nach internationalen Studien und Beispielen gelingt dies dort besonders gut, wo kompetente PädagogInnen in autonomen Schulen eigenverantwortlich an der Erfüllung vorgegebener Bildungsziele arbeiten. Statt Steue­rung bis ins Detail ist deutlich mehr schulische Autonomie sinnvoll und erfolgsverspre­chend. Dazu gehört auch das Vertrauen in die PädagogInnen, diese Verantwortung gut wahrnehmen zu können. Autonome Schulen sind lebendige Organisationen, wo Päda­gogInnen und andere ExpertInnen gemeinsam mit den Eltern Verantwortung für die Bildungslaufbahn der SchülerInnen übernehmen. Es braucht einen Paradigmenwech­sel von der „Schulverwaltung“ zu einer modernen Organisation von Bildung. Dazu ge­hören unter anderem: klare Zuständigkeiten ohne Doppelgleisigkeiten, Effizienz und Transparenz der Mittelzuweisung, die Entpolitisierung der Schulorganisation.

Hohe Autonomie der Schulen

1. Personal: Verantwortung der Schulleitung für die Auswahl und den Einsatz des Per­sonals, für schulbezogene Weiterbildung und Personalentwicklung. Einbindung der Schulpartnerschaft in die Bestellung der Schulleitung.

2. Finanzen: Freiräume beim Mitteleinsatz je nach Bedarf und Erfordernissen des je­weiligen Standorts, eigene Schulbudgets für Schulentwicklung, Weiterbildung, Lehrbe­auftragte und Leistungsprämien.

3. Pädagogik: Entwicklung eines Schulprofils und schulautonome Schwerpunktsetzun­gen, abgestimmt auf den Bedarf der jeweiligen SchülerInnenpopulation und unter Be­rücksichtigung eines bundesweit einheitlichen inhaltlichen Rahmens und Kompetenz­niveaus.

4. Support: Administratives Unterstützungspersonal und mittleres Management ab ei­ner gewissen Schulgröße. Auf die Herausforderungen der Schulgemeinschaft vor Ort abgestimmte Ressourcen für non-formale Bildungsarbeit und Schulsozialarbeit.


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5. Organisation: Eigenverantwortliche Anordnung der Unterrichtszeit und Gestaltung des Tagesablaufs, Ganztagsschulen mit Unterscheidung von Unterrichts- und Öffnungs­zeiten, Öffnung der Schulen in Ferienzeiten.

6. Qualität: Selbstevaluation und Qualitätsentwicklung verknüpft mit externer Qualitäts­kontrolle und Teilnahme an systemischen Outcome-Überprüfungen (Bildungsstandards).

Wirkungsorientierte Steuerung durch das Bildungsressort

1. Rahmenbedingungen: Gesetzgebungskompetenz beim Bund und Entfall der Ausfüh­rungsgesetzgebung, neues und verschlanktes Schulgesetz, einheitliches Dienstrecht.

2. Inhaltliche Steuerung: Definition von Bildungszielen und Festlegung der Lehrpläne in allen Schulstufen und -arten, Festlegung der Bildungsstandards und der zu erreichen­den Kompetenzniveaus.

3. Qualitätssicherung: Verbindlicher Qualitätsrahmen für alle Schulen sowie neue, wei­sungsunabhängige Qualitätssicherungsstelle für die externe Evaluierung der Schulen.

4. Aus- und Weiterbildung: Verantwortung für die Ausbildung aller PädagogInnen, Qua­lifizierung für Führungsfunktionen im Schulwesen, Sicherstellung des Fort- und Wei­terbildungsangebots.

5. Finanzierung: Anhand einer formelbasierten (Pro-Kopf-)Finanzierung für die einzel­nen Schulstandorte außerhalb des Finanzausgleichs. Darüber hinaus gibt es zusätzli­che Mittel für sozialindizierte Schwerpunkte.

Schlankes Unterstützungssystem für Bildungseinrichtungen

1. Unterstützung: Wenn Schulen hohe Autonomie mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben und eine wirkungsvolle Steuerung durch den Bund existiert, ist der Bedarf an „Schulverwaltung“ gering. Die mittlere Ebene der Schulorganisation wird zu einer schlan­ken „Supporteinheit“, die nahe bei den Schulen arbeitet.

2. Ansprechpartner: Diese mittlere Ebene ist zentraler Ansprechpartner für die Schulen und den Bund. Sie unterstützt die Schulen in Fragen der pädagogischen Entwicklung, des Personalmanagements und bei finanziellen Angelegenheiten wie der Ressourcen­zuteilung und dem Controlling des Mitteleinsatzes.

3. Schulträger: In Ländern wie Südtirol oder den Niederlanden haben sich solche Mo­delle bewährt: Jede Schule hat einen Schulträger, er kann und soll mehrere Schulen betreiben. Bund, Länder und Gemeinden, Gemeindeverbünde, Organisationen und Ein­zelpersonen können (einzeln oder in Zusammenarbeit) Schulträger sein. Schulträger öffentlicher Bildungseinrichtungen sind gemeinnützig und agieren nicht hoheitlich. Schulträger werden vom Bundesministerium nach zu definierenden Standards akkredi­tiert.

4. Koordination: „Educational Boards“ unterstützen den Bund bei regionalen Standort­konzepten und Schwerpunktsetzungen sowie der Initiierung eines ausreichenden schu­lischen Angebots. Ihre Verantwortungsgebiete orientieren sich organisch (auch über Bezirks- und Landesgrenzen hinweg) an den Erfordernissen regionaler Bildungsein­zugsgebiete.

Folgende Proponent_innen betonen ihren Willen und ihre Entschlossenheit zur Mitar­beit bei einer umfassenden Bildungsreform. Sie alle haben ihre Bereitschaft zur Zu­sammenarbeit klar gemacht und tragen diese Forderungen auch mit:

Hannes Androsch, Volksbegehren Bildungsinitiative, Initiator

Georg Kapsch, Industriellenvereinigung, Präsident

Othmar Karas, Hilfswerk Österreich, Präsident


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Michael Chalupka, Diakonie Österreich, Direktor

Karl Dwulit, Jedes K!nd, Vorstandsmitglied

Erwin Greiner, Bildung Grenzenlos, Stv. Vorsitzender

Raphaela Keller, ÖDKH, Vorsitzende

Christa Koenne, Universität Wien

Veronika Kotzab, Wissensfabrik - Unternehmen für Österreich, Geschäftsführerin

Georg Kraft-Kinz, Verein Wirtschaft für Integration, Obmann

Michael Landertshammer, Wirtschaftskammer Österreich, Leitung Abt. Bildungspolitik

Heidemarie Lex-Nalis, Plattform EduCare, Sprecherin

Anja Linhart, Wiener Kindertheater, Projektleitung

Elisabeth Menasse-Wiesbauer, ZOOM Kindermuseum, Direktorin

Christian Morawek, Österr. Verband d. Elternvereine öffentl. Pflichtschulen, Vorsitzender

Therese Niss, Junge Industrie, Vorsitzende

Martina Piok, COOL - cooperatives offenes lernen, Koordination LehrerInneninitiative

Christina Planitzer, Teach for Austria, Vorstand TFA Alumniverein

Josef Pumberger, Katholische Aktion Österreich, Generalsekretär

Gerald Schöpfer, Österreichisches Rotes Kreuz, Präsident

Christiane Spiel, Univ. Wien, Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirt­schaft

Johanna Tradinik, Bundesjugendvertretung, Vorsitzende

Irene Varga, Köck Stiftung, Projektleitung „Initiative Neues Lernen“

Bernd Wachter, Caritas Österreich, Generalsekretär

Die überparteiliche Initiative Talente blühen! (www.talentebluehen.at) ist im Rahmen eines einjährigen, österreichweiten Dialoprozesses zu fast identen Vorschlägen für eine Schulreform gekommen. Das Konzept für eine umfassende Schulautonomie wur­de unter anderem im Buch „Die mündige Schule: Buntbuch Schulautonomie“ im Früh­jahr 2015 präsentiert und an 7.500 Meinungsbildner im ganzen Land verschickt. Auf http://www.strolz.eu/publikationen/ findet sich das Buch bzw. Konzept auch zum kos­tenfreien Download.

Die inhaltlich-strategische Stoßrichtung für eine umfassende Schulreform scheint klar und von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen: Rigorose Verschlankung und Vereinfachung der Schulverwaltung sowie umfassende Autonomie in pädagogi­scher, finanzieller und personeller Hinsicht.

Eine Reform kann jedoch nur gelingen, wenn sämtliche macht-, partei- und interessen­politischen Verstrickungen in den Hintergrund treten. Wo sich in den letzten Jahrzehn­ten tiefe ideologische Gräben aufgetan oder interessenspolitische Blockaden verhärtet haben, ist es wichtig, über die Parteigrenzen hinweg und unter Einbindung der Zivilge­sellschaft sowie der betroffenen Menschen neue Wege zu gehen.

[1] Quelle: https://mitmachen.neustart-schule.at/page/-/PK%20Schule%20neu%20Starten/Erwartungen%20an%20die%20Bildungsreform_SchuleNeuStarten_20150915.pdf)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Bildung und Frauen, wer­den aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Forderungen des Bildungssummit der Zivilgesellschaft im Rahmen der Bildungsreformkommission Berücksichtigung fin­den. Die von der Zivilgesellschaft formulierten Reformvorschläge sollen mit in die Um­setzungsplanung genommen werden. In einem ersten Schritt sind sowohl Vertre­ter_innen der Zivilgesellschaft als auch der Oppositionsfraktionen des Nationalrats in die Beratungen zur Bildungsreform aufzunehmen – mit dem Ziel, dem Parlament bis Dezember 2015 eine Umsetzungsstrategie für eine umfassende Bildungsreform vorzu­legen.“

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Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


13.40.27

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH)|: Nach der Rede des Herrn Strolz muss ich sagen, ich sollte vielleicht auch einmal einen Baum umarmen, denn da kriegt man, diesen Eindruck gewinnt man, richtig Energie. Das ist, glaube ich, keine schlechte Idee.

Wenn man in Österreich – so wie ich – schulpflichtige Kinder hat, dann sind zwei Dinge hilfreich: erstens, wenn man in einer guten Gegend lebt, und zweitens, wenn man et­was Glück mitbringt, denn genau Glück braucht man in unserem Schulsystem. Man braucht das Glück, dass das Kind, wenn man es in die Schule gibt, eine motivierte, engagierte und auch geeignete Lehrerin bekommt. Ich habe so viel Glück, Gott sei Dank. (Zwischenruf der Abg. Glawischnig-Piesczek.) Denn wenn das nicht der Fall ist, hat man in unserem Schulsystem ein Problem.

Es kommen laufend Eltern zu mir, die genau dieses Problem haben: Die haben ein schulpflichtiges Kind, haben nicht das Glück, eine entsprechende Lehrerin zu haben – und es gibt keine Handhabe dagegen! Das heißt, man kann die Kinder, wenn man ausreichend Geld hat, in eine Privatschule geben, aber wenn man nicht genug Geld hat oder nicht so viel ausgeben will, dann hat man ein Problem. Und wenn man dann zum Direktor geht, sagt einem der Direktor Folgendes: Dieser Lehrer/diese Lehrerin ist aus meiner Sicht nicht geeignet! – Sie, Frau Minister, haben es heute ja auch zuge­geben, es gibt solche Lehrer. Das Problem ist allerdings, in unserem System hat der Direktor nicht die Möglichkeit, diese Lehrerin einfach zu ersetzen und ihr vielleicht eine neue Perspektive in einem anderen Beruf zu eröffnen. Nein, wenn er Glück hat, kann er sie ein, zwei, drei Jahre nachdem er sie auf die Schüler losgelassen hat, als Wan­derpokal an die nächste Schule weitergeben.

Genau so funktioniert unser System – und dann haben die Eltern in der nächsten Schule wieder das gleiche Problem, nämlich dass da ein Lehrer ist, der einfach nicht geeignet ist. Das System bietet keinerlei Möglichkeiten, das zu verhindern, und der Di­rektor ist auch machtlos.

Da fragt man sich natürlich: Warum ist das so? Warum ist der Direktor machtlos und warum muss der Direktor zu Ihnen kommen und flehen: Bitte, bitte, versetzen Sie die­sen Lehrer/diese Lehrerin!? – Wenn Sie das dann entsprechend würdigen, was nicht immer der Fall ist, wird er in eine andere Schule versetzt. Warum ist das so? – Die Antwort darauf ist ganz einfach: weil Sie Ihr Machtinstrument nicht aus der Hand geben wollen. Sie wollen das Machtinstrument Schule nicht aus der Hand geben! Es geht


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nicht um die Kinder, es geht auch nicht um das, was heute eine Kollegin von Ihnen gesagt hat, nämlich dass wir gar nicht wissen, was wir von der Schule wollen. Ist es wirklich so, wissen wir das nicht? Wissen wir nach so vielen Jahrzehnten nicht, was wir wollen?

Ich kann Ihnen sagen, was wir von der Schule wollen – das ist gar nicht viel –: Wir wollen, dass jeder lesen und schreiben lernt. Ein Viertel kann das nach der Pflicht­schule nicht! Nach neun Jahren Schule kann ein Viertel nicht lesen und schreiben! Ich sage: Wir wollen, dass alle lesen und schreiben lernen! (Beifall beim Team Stronach.)

Und ich sage dazu: Ich will, dass einige von denen, die in die Schule gehen, heraus­ragende Leistungen vollbringen und danach auch in der Wirtschaft und in anderen Be­reichen herausragende Leistungen erbringen können, für uns alle. – Das ist das, was ich will. Das ist nicht viel. Das schafft aber die Schule nicht. Und warum schafft sie es nicht? – Weil Sie zentral von oben bis hinunter in jede kleinste Klasse regieren wollen und gemeinsam mit den Landeshäuptlingen da den Einfluss nicht aufgeben wollen. Sinn macht das überhaupt keinen, denn Sie haben überhaupt nichts beizutragen. Sie kommen mir vor wie in der DDR oder auch in der Sowjetunion, wo das Zentralkomitee entschieden hat, wie viele Schuhe und vor allem welche Größen produziert werden. Das hat das Zentralkomitee für das ganze Land entschieden. Wissen Sie, was dann passiert ist? – Die meisten sind entweder mit zu großen oder zu kleinen Schuhen he­rumgelaufen. Genau das Gleiche passiert in der Schule: Für die einen passt es nicht, ist es zu wenig, und für die anderen ist es eine Überforderung. Und das protegieren Sie mit Ihrem System. (Beifall beim Team Stronach.)

Viele haben ja gesagt: Man kann doch die Schule nicht der Politik entziehen, denn da geht es ja um etwas! Das ist ja gesellschaftspolitischer Selbstmord, wenn die Politik hier nicht eingreift, da kann ja wirklich etwas passieren! – Ich bringe Ihnen nur ein Beispiel: Wenn ein Installateur zu Ihnen nach Hause kommt und quer durch das Haus eine Gasleitung legt – da könnten Menschen sterben, da könnte das ganze Haus in die Luft fliegen –, sagen Sie dann dem Installateur, was er machen muss, wie er es ma­chen muss? Stellen Sie den Installateur an und entscheiden darüber, wer Chef und wer Installateur sein darf, wer auf die Baustelle kommt? – Das machen Sie auch nicht.

Da gibt es Regeln, da gibt es ganz genaue Verfahren, nach denen man vorgeht, und dann passiert eben praktisch nichts. Und so sollte es auch im Schulbereich sein: Sie sollten ordentliche Regeln machen und vorgeben, was wir von der Schule haben wollen – wir wollen, dass jeder lesen und schreiben kann, wenn er die Schule verlässt, wir wollen auch herausragende Leistungen, wir wollen eine Förderung von besonderen Talenten, und wir wollen niemanden zurücklassen; das reicht an und für sich schon –, und ein Kontrollsystem machen, im Rahmen dessen Sie regelmäßig, zweimal im Jahr, überprüfen, ob die Schule das tut, was sie tun soll. Und der Rest liegt bei der Schule. Der Rest liegt bei der Schule! (Beifall beim Team Stronach.)

Das heißt, den Rest entscheiden der Direktor vor Ort, die Lehrer vor Ort gemeinsam mit den Eltern. Den Rest machen jene vor Ort, die wissen, wo der Bedarf ist. Ich sage Ihnen eines: Eine Schule in Wien braucht etwas ganz anderes als eine Schule zum Beispiel in Perchtoldsdorf, in Baden oder sonst wo. Und wer weiß am besten, was das ist? Wissen Sie das am besten? Sie haben sich heute gerühmt, Sie haben jetzt 16 Schulen besucht – na bravo. Glauben Sie, dass Sie jetzt mehr wissen als die Di­rektoren vor Ort? Glauben Sie, dass Sie jetzt mehr wissen als die Lehrer vor Ort? – Das ist eben nicht der Fall, und genau das ist der Punkt. (Zwischenruf des Abg. Wal­ser. – Abg. Brosz: Vor allem wir wissen weniger als Sie!)

Wer nicht glaubt, dass Sie nicht wissen, worum es vor Ort geht, braucht sich nur anzu­schauen, dass Sie Hunderte Flüchtlingskinder – ohne dass Sie überhaupt eine Ahnung haben, was die Kinder dort machen – in Klassen stecken, wo sie weder dem Unterricht


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folgen können noch überhaupt etwas mitbekommen. Das macht doch keinen Sinn! Das würde ein Direktor vor Ort nicht machen. Der würde sagen: Okay, hier sind fünf Flücht­lingskinder, jetzt mache ich eine eigene Klasse oder fasse sie vielleicht mit Flücht­lingskindern aus anderen Schulen zusammen, sodass wir auf 10, 15 Kinder kommen, dass das auch Sinn macht, und dann wird einmal Deutsch gelernt, bis sie dem Re­gelunterricht folgen können! – Das sagt einem doch der Hausverstand. Das machen Sie ja auch in Ihrer Neuen Mittelschule, wo Sie mit Ihren ideologischen Phantasien alle in eine Klasse pferchen und hoffen, dass das funktioniert, wenn Sie mit der Klasse auf Schiurlaub fahren: Das Erste, was Sie machen, ist, Sie teilen die Kinder am ersten Tag in Leistungsgruppen ein, damit jene, die Stemmpflug fahren, nicht mit jenen, die schon perfekt Rennen fahren können, mitfahren müssen und mitlernen müssen, denn das funktioniert nicht, denn derjenige, der nicht fahren kann, ist deprimiert, weil er immer alle aufhält, und die, die gut fahren, können auch nichts lernen, weil sie immer auf den warten müssen, der nicht mitkommt.

Das ist Hausverstand, aber diesen Hausverstand bringen Sie nicht mit, wenn es um den Schulbereich geht. (Beifall beim Team Stronach.) Sie bringen den Hausverstand nicht mit, der sagt, dass man so lange separieren muss, bis das Leistungsniveau in et­wa gleich ist. Dann können Sie die Schüler wieder in eine gemeinsame Klasse geben, und dann funktioniert das auch. (Abg. Brosz: Ist das vor der Matura oder nach der Matura?)

Das, was Sie jetzt machen, ist Folgendes: Sie geben Kindern mit Migrationshintergrund nicht einmal eine Chance mitzukommen, weil Sie sie behindern. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Sie behindern sie, indem Sie sie in diese Klassen stecken und ihnen nicht die Möglichkeit geben mitzukommen. Welchen Sinn macht es, wenn ein syrisches Kind in der dritten Klasse einer Volksschule sitzt, weder lesen noch schreiben kann und auch nicht die deutsche Sprache beherrscht, einfach überfordert ist mit dem, was dort ge­lehrt wird? Das bringt doch nichts, da sind ja alle nur frustriert.

Sie sagen, dass diese Kinder schon aufholen werden. Das mag sein, aber welchen Preis zahlen alle dafür? – Die Klasse insgesamt zahlt einen Preis dafür, weil man per­manent auf den warten muss, der nicht mitkommt. Der Schüler selbst zahlt einen Preis dafür, weil er deprimiert ist. Er fühlt sich als Aussätziger, als nicht angenommen, weil er eben in den Klassenverband nicht entsprechend integriert werden kann, auch in der Pause aufgrund der Sprachbarriere nicht integriert werden kann. (Abg. Brosz: Sie ha­ben eine Schule besucht?)

Warum macht man nicht, was vernünftig wäre, eine eigene Klasse, damit die Kinder einmal die Sprache lernen? Und dann könnten auch – das werden Sie dann sehen – die Flüchtlingskinder durchaus mithalten, denn die sind ja nicht dumm, die sind eben nur aufgrund der Sprachbarriere behindert. Und deshalb muss man ihnen eine Mög­lichkeit geben mitzuhalten. – Das tun Sie nicht, weil Sie ideologisch verblendet sind.

Deshalb sage ich – ich kann es nicht oft genug sagen –: Politik raus aus der Schule! Die Politik hat in der Schule nichts verloren! Es gibt nichts, was Sie besser wissen als die Lehrer, die Eltern und die Direktoren vor Ort. Deshalb: Politik raus aus der Schule! (Beifall beim Team Stronach.)

13.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


13.49.21

Abgeordneter Julian Schmid, BA (Grüne): Sehr geehrte Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte ein bisschen grundsätzlicher werden als Herr Lugar, nämlich: Albert Ein­stein hat einmal gesagt: „Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du einen Fisch danach beur-


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teilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“

Der Sinn dieses Zitats ist: Wir sind alle gleich, aber jeder Mensch hat einen anderen Hintergrund, kommt aus einer anderen Familie, hat andere Bedürfnisse, hat andere Ta­lente, und das Wichtigste, was eine Schule machen kann, ist, jeden Menschen, jeden Jugendlichen dort abzuholen, wo er ist, und auch, ihm irgendwie ein gewisses Selbst­bewusstsein für das Leben mitzugeben, ihn zu stärken und auch ein bisschen Feuer in ihm zu entfachen. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Schulen schauen aber leider im Moment ziemlich anders aus, die stammen so­zusagen vom Modell her großteils aus dem 18. Jahrhundert. Damals hat sich die Kai­serin gedacht: Wir brauchen Fabriken, wo wir Jugendlichen sozusagen Wissen ein­trichtern, mit 30, 40 Schülerinnen und Schülern in einer Klasse, mit einem Lehrer, der im Frontalunterricht in 50-Minuten-Einheiten unterrichtet, das Ganze wie am Fließband, und wer sozusagen nicht mitfließt auf diesem Fließband, der fliegt hinaus. – Das Ziel waren eigentlich brave Arbeiter und Arbeiterinnen, die keine weiteren großen Fragen stellen.

Klarerweise hat sich seit damals einiges gebessert, aber im Kern ist es noch immer das gleiche Modell, und das Problem ist, dass dieser Kern, dieses Modell der Fabrik, nicht mehr in die heutige Zeit passt und ganz viele Schülerinnen und Schüler wirklich unglücklich macht, ganz vielen nicht Selbstbewusstsein gibt, sondern Selbstbewusst­sein nimmt und uns und natürlich auch unserer Gesellschaft eher unglaublich viel Geld und Ressourcen und Kreativität kostet.

Was heißt das also ganz konkret? Was würden wir Grüne tun, um dieses System zu ändern und ein bisschen mehr Individualität hineinzubringen?

Der erste Punkt, den ich unglaublich wichtig finde, ist: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. – Ich kann Ihnen zum Beispiel Folgendes sagen: Mein Vater hat bis vor zwei Jahren an einer HTL unterrichtet, er war HTL-Lehrer in Kärnten und hat 250 Schü­lerinnen und Schüler in zehn Klassen im gleichen Jahr unterrichtet – 250 Schülerinnen und Schüler! Da kann man sich vorstellen, in so einem Setting ist Individualität oder individuelles Eingehen auf Schülerinnen und Schüler de facto nicht mehr möglich. Da kann man froh sein, wenn man sich die Namen merkt, da kann man froh sein, wenn man ein paar wenige fördert, aber mehr ist nicht möglich. Deshalb sagen wir Grüne ganz konkret, dass wir zum Beispiel jetzt für Wien 1 000 Lehrerinnen und Lehrer mehr brauchen, und dafür müssen wir auch Geld in die Hand nehmen. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Neubauer: Der war gut!)

Zweiter Punkt: Wir brauchen ein Modulsystem. – Das heißt, es muss mehr in die Rich­tung gehen, dass man nicht die ganze Zeit nur in dem Bereich lernt, wo seine eigenen Schwächen liegen, und dann eher frustriert wird, sondern dass man in dem Bereich lernt, wo die eigenen Stärken liegen und was einem Spaß macht. Das heißt zum Bei­spiel für uns Grüne, dass wir ein Modulsystem wollen, wo man sich ab der Oberstufe wirklich selber seine eigenen Schwerpunkte setzen kann. Ich finde zum Beispiel, dass die Zentralmatura, wenn man nichts anderes an der Politik ändert, in diesem Punkt genau in die falsche Richtung geht.

Dritter Punkt: Wir brauchen mehr Projektunterricht. Das heißt, wir müssen mehr dahin kommen, dass wir nicht diese starren 50-Minuten-Fließband-Einheiten haben, sondern dass wir mehr in die Richtung gehen: Warum nicht einmal eine Woche, zwei Wochen oder einen Monat an einem Projekt arbeiten, das Spaß macht? – Genau das sind die zentralen Punkte!

Vierter Punkt: Wir brauchen mehr Ressourcen in Richtung dessen, woran es in den Schulen wirklich einen Bedarf gibt. Unterschiedliche Schulen brauchen unterschiedli-


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che Förderungen, zum Beispiel bei der Sprachförderung. In Wien hat mittlerweile die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, die anfangen, nicht mehr Deutsch als Mutter­sprache. Der Punkt ist, dass wir Grünen uns fragen, wie wir das nützen können, wie wir jeden Jugendlichen individuell fördern können. – Und der Unterschied ist zum Beispiel, dass, ich weiß nicht, das freiheitliche Bildungsprogramm einfach das ist: Alle abschie­ben! (Abg. Neubauer: Das stimmt ja nicht! – Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!) Wir Grüne sagen, wir sollten da einfach fördern. – Entschuldigung, jetzt tun Sie doch nicht so un­schuldig! (Abg. Neubauer: Na, das ist ja ein Unsinn!)

Der Punkt ist, Sie haben zum Beispiel in Wien im Gemeinderat jede einzelne Maßnah­me abgelehnt, die in Richtung Deutschunterricht und Förderunterricht gegangen ist. Jede einzelne Maßnahme hat die FPÖ abgelehnt! Das ist nämlich die Wahrheit! Ihnen sind die Jugendlichen in Wirklichkeit völlig wurscht. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wollen, dass alle Jugendlichen, und das ist jetzt auch etwas ... (Abg. Walter Ro­senkranz: Glauben Sie nicht alles, was Ihnen der Herr Ellensohn immer erzählt!) – Ja, ich weiß, dass Sie das jetzt schockiert, aber wir Grüne finden, dass alle Jugendlichen wirklich gleich viel wert sind, egal, ob sie arm sind oder ob sie reich sind oder aus welchem Elternhaus sie kommen (Abg. Walter Rosenkranz: Das stimmt leider nicht ganz! Das stimmt leider nicht ganz! Fragen Sie einmal durch unter Ihren Privatschü­lern!), egal, ob man eine Frau ist oder ein Mann oder schwul oder hetero oder mit Behinderung oder ohne Behinderung. Wir Grüne wollen, dass alle Jugendlichen die gleichen Chancen und die gleichen Möglichkeiten in Österreich kriegen. Dort wollen wir hin, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein. – Abg. Walter Rosenkranz: Fragen Sie einmal die Frau Stoi­sits!)

Übrigens kostet das natürlich etwas. Wir haben leider ein großes Loch im Bildungssys­tem, und das kostet etwas, aber der zentrale Punkt ist: Jeder Euro, den wir jetzt in die Bildung investieren, kommt erstens in vier Jahren zurück, und zweitens ist das etwas, wovon meine Generation, wovon wir Jungen wirklich noch massiv profitieren werden.

Deshalb: Wer gegen diesen Stillstand ist – ich hoffe ja wirklich, dass bei der Reform­kommission ein bisschen was herauskommt, aber ich fürchte, dass das leider nicht so sein wird –, wer also wirklich den Stillstand in der Bildungspolitik beenden will, der sollte, bitte – kommenden Sonntag ist wieder eine Wahl –, nicht immer nur die wählen, die sowieso schon seit Jahrzehnten an der Macht sind (Abg. Neubauer: Nicht die Grü­nen! – Abg. Walter Rosenkranz: Nein, „Jahrzehnte“ hat er gesagt!), denn genau die sind auch das Problem in der ganzen Debatte. – Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen.)

13.55


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort. – Bitte.

 


13.55.55

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bin sehr froh, dass als Thema für die heutige Sondersitzung das Thema Bildungsre­form gewählt wurde, denn wir können hier nicht oft genug darüber diskutieren, wie wir uns vorstellen, dass die Bildungschancen für unsere Kinder und Jugendlichen weiter verbessert werden, und auch, wie wir die immer näher kommenden konkreten Umset­zungsschritte gemeinsam entwickeln und ausarbeiten.

Aus unserer Sicht gibt es ein paar Grundsätze, die bei der Bildungsreform besonders wichtig sind und im Zentrum stehen, und da ist natürlich einer der zentralen, dass die Neugierde der Kinder, die Neugierde, mit der die Kinder in die erste Klasse kommen, er­halten bleiben muss und dass die Freude beim Lernen erhalten bleiben muss, denn –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 58

Kollege Rosenkranz, da komme ich zum Thema Wohlfühlen in der Schule – ich weiß nicht, wo Sie da das Problem sehen. (Abg. Walter Rosenkranz: Wenn man sich nur mehr wohlfühlt!)

Wir alle – fast alle – wissen, dass Kinder dann mehr lernen, wenn sie sich wohlfühlen. (Abg. Walter Rosenkranz: Sie lernen nicht! Sie lernen eben nicht!) Ich sehe da über­haupt keinen Widerspruch zwischen Lernen und Wohlfühlen in der Klasse – ganz im Gegenteil! In einer Situation des Drills und des Widerwillens werden die Kinder weniger lernen. (Abg. Walter Rosenkranz: Ja, darum haben wir diese gut gelaunten Analpha­beten!)

Der zweite wichtige Grundsatz aus meiner Sicht ist, dass die Stärken der Kinder ge­stärkt werden müssen und die Schwächen geschwächt werden müssen. Das klingt so selbstverständlich und einfach. Es wären manchmal auch nur einfache Maßnahmen und Unterstützungen notwendig, geringfügige innere Differenzierungen innerhalb einer gemeinsamen Schule, um den einzelnen Kindern auch entsprechend unter die Arme zu greifen und sie individuell, nach ihren Bedürfnissen, zu fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

Und was aus Sicht der sozialdemokratischen Fraktion besonders wichtig ist: Wir wollen kein Kind zurücklassen. Es kann nicht angehen, dass ein Kind, das aus einem Eltern­haus kommt, wo die Brieftasche dicker ist, die besseren Bildungschancen hat.

Wenn man sich diese Grundsätze vor Augen hält, dann zeichnet sich auch ab, in wel­che Richtung sich eine Bildungsreform entwickeln muss.

Aus unserer Sicht ist es deshalb auch besonders wichtig gewesen, dass der Wiener Bürgermeister sich gleich dazu entschlossen hat, in die Bildungsreformkommission zu gehen, nachdem die Frau Unterrichtsministerin ihn dazu eingeladen hat – und zwar mit großer Freude in diese Reformkommission zu gehen, weil er einer jener Spitzenpoli­tiker in unserem Land ist, denen die Bildungspolitik, die Chancen unserer Kinder und Jugendlichen, ganz besonders am Herzen liegt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Walser: Aber das mit der gemeinsamen Schule ... erklären, wie die funktioniert!)

Natürlich müssen wir uns die Frage stellen, was unsere Kinder brauchen, und dann die Strukturen dementsprechend entwickeln. Es wurde vorhin schon in einer Rede dar­gestellt, wie elend – das ist so gesagt worden, und ich kann dem zustimmen – das ist, bei Kindern mit neuneinhalb Jahren Schicksal zu spielen und zu entscheiden: Du darfst in die eine Schule und du in die andere Schule!, und wenn dann in der vierten Klasse oder bei Kinderfesten oder bei Familienfesten und so weiter gefragt wird, wer ins Gym­nasium darf, und einige aufzeigen und andere nicht.

Also ich bin ganz bei Ihnen: Auch ich glaube, dass diese Entscheidung für die Kinder viel zu früh gefällt wird und dass wir hier die gemeinsame Schule der 9- bis 14-Jähri­gen entwickeln und diesem wichtigen Projekt für unsere Kinder endlich zum Durch­bruch verhelfen sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Von den Freiheitlichen wurde hier gemeint, man will mit dieser Schule den Eltern die Kinder wegnehmen. – Ich glaube, „Blödsinn“ darf ich hier im Haus nicht sagen (Abg. Glawischnig-Piesczek: Doch, doch, doch! Kann man schon! „Schwachsinn“ kann man nicht sagen! – Ruf bei der SPÖ: Schon geschehen!), aber es wäre naheliegend nach so einer Behauptung. – Ich sage es nicht, aber ganz das Gegenteil ist der Fall! (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Es geht ja darum, die Eltern zu unterstützen, die ja das Beste für ihre Kinder wollen, die aber nicht permanent Nachhilfelehrer oder Nachhilfelehrerin für ihre Kinder sein können. Und die, die es sich nicht leisten können, Nachhilfe zu zahlen, die bleiben dann auf der Strecke. – Darum geht es, und deshalb wäre diese Reform so notwendig.


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Ich bin aber sehr froh, dass man sich für diese Zwischenzeit, in der wir diese Schulform noch nicht haben, in Wien dazu entschlossen hat – das war dem Wiener Bürgermeister ein ganz großes Anliegen –, in Wien in der Zeit, bis die Schulform geändert wird, Gra­tis-Nachhilfe anzubieten für jene Kinder, deren Eltern sich das nicht leisten können.

Ich habe mich heute sehr gewundert: In der Rede des ersten freiheitlichen Redners hat es relativ lange gedauert, bis er zu den Kindern mit nicht deutscher Muttersprache ge­kommen ist. Aber dann hat er einen Antrag eingebracht, dass man diese Kinder get­toisieren und in eigene Klassen stecken soll. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist der völlig falsche Weg! Kinder lernen voneinander so viel, und deswegen ist es besonders wichtig, dass diese Kinder mit den anderen Kindern in der Klasse bleiben und speziell unterstützt werden. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Und zum Abschluss möchte ich Sie noch raten lassen: Wer stimmt in Wien immer wie­der gegen unterstützende Maßnahmen, gegen Sprachförderung, gegen Integrations­förderung? – Das ist die Freiheitliche Partei (Zwischenrufe der Abgeordneten Kitzmül­ler und Schimanek), und es ist der Verdacht sehr naheliegend, dass die Freiheitlichen gar kein Interesse haben, da ein Problem zu lösen (Abg. Schimanek: ...! Sie haben nicht zugehört!), sondern sehr froh sind, wenn es Probleme gibt, die nicht gelöst wer­den, und sie sich wie der Fisch im Wasser bewegen.

Um diese Entscheidung geht es am Sonntag: ob wir weiter konstruktiv Schritt für Schritt in Richtung Bildungsreform gehen – oder in Richtung Verhetzung (Abg. Schi­manek: Jetzt aber bitte, Frau Kollegin!), aber das kann sich von uns heute niemand wirklich vorstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter El Habbassi zu Wort. – Bitte.

 


14.02.08

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin­nen! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe als Politiker das Ziel gehabt, Bildung zum Thema Nummer eins zu machen, und habe mich gefreut, dass wir heute endlich wieder einmal über Bildung diskutieren, denn das sollten wir in diesem Haus viel öfter tun. Ich bin dankbar dafür, dass wir diskutieren, aber trotzdem würde ich mir wünschen, wir würden uns manchmal hineinversetzen in die Zuhörerin­nen und Zuhörer, die vielleicht diese Diskussionen vor dem Fernsehschirm anhören.

Und wenn man dann so lauscht – einmal abgesehen davon, dass ein kritischer Be­obachter sich wundern oder auch nicht wundern wird, dass diese Diskussion jetzt, just fast einen Monat vor den geplanten ersten Ergebnissen einer Reformkommission und rein zufällig eine Woche vor einer Gemeinderatswahl in Wien stattfindet –, dann sollte es uns einmal zu denken geben, und wir sollten uns fragen, ob wir Bildung nicht viel­leicht in einem Rahmen diskutieren sollten, wo es nicht darum geht, irgendwelche Wahlkampfbotschaften in letzter Minute zu übermitteln und vielleicht noch einmal ein bisschen Aufmerksamkeit für die eigene Fraktion zu bekommen, sondern wo es um die Frage geht: Was ist das Beste für die Kinder in unserem Land? – Das würde ich mir wünschen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Wenn man hier so zuhört, dann hat man das Gefühl, in Österreich gibt es ein wahn­sinnig schlechtes Bildungssystem, es geht damit sogar bergab und es wird immer schlechter, und die Angebote, wie man das lösen kann, sind: Wir brauchen eine Ge­samtschule und wir sollten uns nur mehr auf Lesen und Schreiben konzentrieren. – Ich frage mich eines: Eines der Hauptprobleme, die wir haben, ist, dass wir in Mathematik nicht wirklich vorankommen; also, Herr Lugar, sollte man Rechnen da vielleicht auch noch mit einbeziehen?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 60

Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass Schule mehr ist als nur Lesen, Schrei­ben und Rechnen, sondern dass gerade in Zeiten wie diesen auch soziale Kompe­tenzen, auch Kompetenzen im EDV-Bereich, in wirtschaftlichem Wissen, in den Natur­wissenschaften und so weiter auch eine Rolle spielen. – Ich glaube, Schule muss mehr sein als nur so wenig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube nicht, dass die Eltern, die die beste Bildung für ihre Kinder wollen, und Schülerinnen und Schüler, die in der Schule sind, oder Menschen wie der Bundes­schulsprecher, die sich tagtäglich dafür einsetzen, dass Bildung in Österreich noch besser wird, ein Interesse daran haben, diese alten ideologischen Debatten zu verfol­gen. Und ich glaube nicht, dass die Menschen, die dieser Debatte folgen, Interesse da­ran haben, zu hören, wie schlecht alles ist, Interesse daran haben, immer wieder die­selben Vorschläge zu hören, sondern die würden gerne wissen, was unsere Antworten sind auf die Fragen (Zwischenruf des Abg. Neubauer): Was ist der Inhalt einer Schule der Zukunft? Was sind die Lehrinhalte, die wir brauchen? Welche Freiräume können wir für Pädagoginnen und Pädagogen schaffen? Wie können wir sie mit Stützkräften entlasten? Wie schaffen wir die Übergänge von der Volksschule in die Unterstufe, da­mit es da nicht den Druck auf die Lehrerinnen und Lehrer gibt, nur ja Einser zu ver­geben, damit ein jeder beziehungsweise die große Mehrheit dann ins Gymnasium ge­hen kann?

Und apropos Gymnasium: Die ÖVP steht nicht deshalb für das Gymnasium, weil sie nicht bereit wäre, über andere Dinge nachzudenken (Abg. Darmann: Herr Kollege, wer ist denn in der Bundesregierung?) – wenn die Vorarlberger eine Idee über die Mo­dellregion präsentieren oder in Tirol andere Dinge vorgeschlagen werden, dann wer­den wir uns das anschauen und dann werden wir anhand dieser Vorschläge disku­tieren –, sondern wir sind für die Beibehaltung des Gymnasiums, weil der Großteil der Eltern ihr Kind in ein Gymnasium bringen will, weil das Gymnasium im Vergleich mit anderen die besten Ergebnisse für die eingesetzten Mittel bringt. – Das sind Dinge, die sollte man in dieser Debatte nicht ausblenden, nur weil man vielleicht andere ideolo­gische Ziele verfolgt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Darmann: Ihr seid ja in der Bundes­regierung!)

Herr Walser, Sie haben ja letzte Woche sechs Punkte in diese Diskussion eingebracht. Ich möchte auf diese Punkte kurz eingehen.

„Bundeseinheitliche Verwaltungsstruktur“: Das hat zwar keine Auswirkung auf die Qua­lität in der Schule, ist aber ein Thema, über das wir auf jeden Fall reden sollten.

„Ein Bildungsministerium“: Das hat wieder null Auswirkung auf die Qualität der Schule, wird keinem einzigen Kind irgendetwas nutzen; wir reden in Wirklichkeit wieder über Verwaltungsthemen. Darüber kann man reden, ich glaube nur, dass diese Einsparun­gen, die man vielleicht beim Punkt vorher gemacht hat, bei diesem Punkt wieder drauf­gehen, denn wir alle wissen ja, und wer schon einmal ein Unternehmen zusammen­geführt hat, weiß ja, welche Kosten ein solcher Strukturwandel mit sich bringt. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Aber Elementarpädagogik als Bildung zu begreifen ...!)

Elementarpädagogik ist der dritte Punkt, nicht der zweite, Frau Klubobmann, und da sind wir dabei, das ist ein wichtiger Punkt. Damit beschäftigt sich jetzt die Reformkom­mission, mit einem Rechtsanspruch für Eltern auf den Kindergarten für Kinder ab dem ersten Lebensjahr. Ich würde Sie nur einmal bitten, reden Sie einmal mit einer Bür­germeisterin oder einem Bürgermeister, rechnen Sie sich einmal durch, was das kos­ten wird, und vergleichen Sie es mit den Realitäten, vor denen wir jetzt stehen! (Abg. Walser: Fragen wir zuerst, was wir brauchen, und dann schauen wir uns an, wie wir es finanzieren! ... einverstanden, aber zuerst fragen: Was ist sinnvoll?) Das wird sicher keine Lösung dafür sein, dass wir jetzt ein besseres Bildungsangebot in Österreich be­kommen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Nächster Punkt: „Ausbau der Ganztagsschulen“: Ich darf erinnern, dass das etwas ist, das sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat und das vorangetrieben wird. Sie schrei­ben es ja schon selber. Und trotzdem sollte man da eines bedenken: Es gibt einen guten Grund, warum wir in der ÖVP die Ganztagsschulen forcieren wollen: weil die Leute so etwas brauchen. Aber man muss immer unterscheiden zwischen verpflich­tend für alle, verschränkt – oder für all jene, die es brauchen, für all jene, die es wollen, das Angebot schaffen. Das ist nämlich die Position der ÖVP in dieser Debatte. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Walser: Fragen wir vielleicht zuerst, was pädagogisch sinnvoller ist! Das wäre die Frage! Was nützt den Kindern am meisten, das ist die Frage!)

Und dann geht es um Druck von der Regierung bezüglich gemeinsame Schule – damit sind solche Modellregionen gemeint. Dazu habe ich vorhin schon angemerkt, dass wir jetzt einfach auf die Vorschläge, die jetzt aus Vorarlberg kommen, warten. Da hat es eine Studie gegeben, da wird jetzt innerhalb der Regierung an den Punkten gefeilt, die von der Regierung gewünscht sind. Wenn diese dann eingebracht werden, dann, glaube ich, werden die Ministerin und alle anderen Beteiligten sie sicher einmal in die Diskussion aufnehmen.

Und am Ende des Tages kommen wir zu einem Punkt, der der Kern dieser Bildungs­reformkommission ist, nämlich die Schulautonomie. Also das Problem haben wir alle erkannt, und wir alle wünschen uns Freiheit in der Gestaltung – in der pädagogischen, in der personellen, aber auch in der organisatorischen Gestaltung –, wir wünschen uns Einheit in den Grundsätzen – was die Ziele, die Inhalte, die Fortbildungsangebote und so weiter angeht –, und wir wünschen uns, dass all diese Dinge schlank umgesetzt werden. Da geht es dann darum: Form follows function – zuerst schaut man, was man will, und dann schaut man, wie man die Verwaltung und die Organisation dafür auf­baut. Das ist der Weg, dem in der Bildungsreformkommission nachgekommen wird.

Dinge, die wir schon brauchen, wie die Lehrerausbildung neu, die sind auf dem Weg, der Ausbau der Ganztagsschule ist auf dem Weg, und die Bildungsreformkommission beschäftigt sich jetzt mit den Themen Autonomie und mit den Punkten, wie ich sie er­wähnt habe.

Ich möchte – weil heute der Herr Bundesschulsprecher da ist – am Ende nur eine Bitte äußern: Ja, die Stakeholder gehören eingebunden, und ja, sie werden teilweise einge­bunden – ich weiß, dass Staatssekretär Mahrer auf ÖVP-Seite in sehr engem Aus­tausch mit vielen Stakeholdern steht –, aber ich würde mir wünschen, dass ein Bun­desschulsprecher die Diskussion nicht nur hier von der Galerie aus verfolgen kann, sondern dass die Ministerin auch eine Einladung ausspricht, und zwar nicht nur an die Schülervertreter, sondern auch an die Elternvertreter und – last, but not least – auch an die Lehrerinnen und Lehrer, dass die direkt eingebunden werden. (Abg. Walser: Wer ist denn im Parlament, wo die Entscheidung fällt?)

Das ist, glaube ich, ein Weg, wo die Saat einer Reformkommission dann auch auf ei­nen Boden fällt, wo etwas Neues entstehen kann, nämlich die beste Schule für die Österreicherinnen und Österreicher. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dar­mann: Bist du jetzt bei der ÖVP und in der Regierung oder nicht?)

14.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


14.10.01

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Herr Kollege, Sie werden ja dann, nachdem Sie jetzt ge­sagt haben, die ÖVP ist für das Gymnasium, weil die Eltern das wollen und weil es sich


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rentiert, unserem Entschließungsantrag zustimmen, der vorsieht, dass es auch ausrei­chend Plätze geben muss. Wir werden ja dann Ihr Abstimmungsverhalten sehen.

Frau Kollegin Kuntzl! Ihnen möchte ich schon auch sagen, weil Sie sich gar so aufge­regt haben, dass wir jetzt Gettoklassen fordern mit dem Antrag, den mein Kollege Ro­senkranz hier eingebracht hat: Das ist eine Forderung des Außenministers bezie­hungsweise Integrationsministers Kurz, also Ihres Koalitionspartners! Haben Sie ihm auch schon gesagt, er will Gettoklassen? Haben Sie sich da auch schon so aufge­regt? – Also ganz kann ich das nicht nachvollziehen. Für mich war das ein bisschen eine Justament-Kritik. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wird heute wieder einmal über das Bildungswesen in Österreich diskutiert. In letzter Zeit ist es permanent in der Debatte. Man kann aber auch etwas zerreden. Ich habe manchmal das Gefühl, es wird hier ein bisschen viel zerredet. Die gesamte Bildungs­debatte ist seit Jahren eine ideologische Spielwiese. Da wird versucht, mit Schulver­suchen einerseits und mit Reformen andererseits immer irgendetwas zu verändern, um dort hinzukommen, wo man eigentlich hin will. Die Frau Bundesminister hat es heute gesagt, ihr Traum ist die ganztägige gemeinsame Schule.

Frau Bundesminister! Dieser Ihr Traum ist für mich ehrlich gesagt ein Albtraum. Das möchte ich nicht. Ich möchte nicht eine Zwangsverpflichtung haben, dass alle Kinder den ganzen Tag in der Schule sitzen müssen. Das ist der falsche Weg! Das sage ich Ihnen ganz offen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja, es ist richtig, es hat sich natürlich die Gesellschaft verändert. Es gibt viele allein erziehende Mütter. Es gibt berufstätige Frauen, die brauchen oftmals eine Betreuung in der Früh. Zu meiner Zeit hat die Schule um 8 Uhr begonnen, heute gibt es Schulen, die sperren bereits um 6.30 Uhr auf, wo es eine Art Sammelgruppen für Kinder gibt, die eben früher in die Schule gehen müssen. Dem kann das System Rechnung tragen, ja dem muss das System Rechnung tragen.

Und ja, es gibt Nachmittagsbetreuung, und das ist gut, wichtig und richtig für jene Kinder, die es brauchen. Aber auf freiwilliger Basis! Denn eines sage ich Ihnen auch: Ich halte es für eine Pauschalverurteilung, sich hier herzustellen und zu sagen, alle Kinder spielen am Nachmittag mit dem Gameboy oder schauen fern. Das ist mit Si­cherheit nicht richtig. Kinder haben Freizeitbeschäftigungen, lernen Musikinstrumente, gehen in Sportvereine. (Beifall bei der FPÖ.) Da gibt es ganz, ganz viele Betätigungs­felder, und das soll auch so sein, denn ich glaube, das ist der richtige Weg. Und ganz ehrlich, es haben auch die Eltern noch ein bisschen ein Recht, mit zu entscheiden, wie Kinder ihre Freizeit gestalten. Und es muss auch so etwas wie ein Recht auf Familie geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Mein Vorredner hat jetzt das Recht auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebens­jahr kritisiert. In meiner Heimatstadt Wien gibt es eine Stadtschulratspräsidentin, die fordert einen verpflichtenden Kindergartenbesuch ab dem ersten Lebensjahr. Das ist abzulehnen, meine Damen und Herren, denn das ist reine Ideologie! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister! Sie haben heute in Ihrer Rede gesagt, es gehe hier gar nicht um Ideologie. Na selbstverständlich, es geht hier rein um ideologische Spielereien, die Sie hier machen. Es wird hier herumgetrickst, und man sieht das vor allem am Beispiel Wien. Wenn die Kollegin Grossmann sagt, Wien ist Bildungsvorbild, weil es so tolle Bil­dungseinrichtungen gibt, dann muss ich Ihnen die Gegenfrage stellen: Warum hat Wien den höchsten Anteil an Jugendlichen, die keinen Arbeitsplatz finden? Warum hat Wien den höchsten Anteil an Jugendlichen, die nicht sinnerfassend lesen können? – Ihre Rechnung kann also nicht ganz stimmen. Das stimmt so nicht! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 63

Wir haben in Wien nämlich ein ganz großes Problem: einen sehr großen Anteil an Mi­granten, die acht, neun Jahre in der Schule sitzen und nicht Deutsch können und daher dem Unterricht nicht folgen können. Da macht es einfach Sinn, zu sagen: zuerst Deutsch lernen und dann Schule. Und das hat nichts mit Getto zu tun. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, als ich noch in die Schule gegangen bin, gab es in meinem Gymnasium auch eine Klasse nur mit Iranern, die nach einem Jahr aufgelöst worden ist. Ich glaube nicht, dass sich die als Getto gesehen haben. Die konnten dann aber dem Unterricht folgen, und das ist sinnvoll, denn alles andere macht keinen Sinn. Diese Kinder und Jugendlichen schleppen dieses Defizit nämlich dann ihre ganze Schulzeit lang mit. Und das sind dann die Jugendlichen, die wir verlieren. Das sind auch die Jugendlichen, die dann ihre Ausbildungen abbrechen.

Es ist auch nicht von ungefähr, dass so viele Jugendliche, die die Pflichtschule abge­schlossen haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Lehrstelle mehr bekommen, weil sie eben, wie man aus der Wirtschaft hört, nicht sinnerfassend lesen können, nicht rechnen können. Die werden dann in überbetrieblichen Lehrwerkstätten um teures Geld ausgebildet. – Das ist das Versagen der Schule! Da müssen wir doch schon vor­her in der Schule ansetzen, damit wir uns das nachher sparen können. Das ist doch das eigentliche Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wollen es nicht hören, aber auch die sogenannte PISA-Studie bestätigt dieses Problem. Sie zeigt es ganz genau, wenn Sie es auseinanderrechnen: Kinder mit nicht­deutscher Muttersprache haben signifikant schlechtere Ergebnisse. Das ist auch ein Versagen der Schule, weil diese Kinder nicht ausreichend Deutsch lernen.

Herr Kollege Schmid! Weil Sie gesagt haben, die FPÖ hätte im Wiener Gemeinderat gegen sämtliche Maßnahmen gestimmt, sage ich Ihnen, das ist völlig unrichtig. Völlig unrichtig! Die Freiheitliche Partei hat im Wiener Landtag und Gemeinderat dann da­gegen gestimmt, wenn es darum gegangen ist, Vereine zu fördern, die beispielsweise „Mama lernt Deutsch“ mit Kaffee und Kuchen anbieten. Das ist nämlich nicht ziel­führend. Da geht es einzig und allein nur darum, Ihre Vereine zu fördern. Da haben wir stets dagegen gestimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Gegen sinnvolle Maßnahmen, Deutsch-Lernen zu fördern, haben wir nie gestimmt. Aber es wäre auch einmal vonseiten der Grünen sinnvoll zu sagen, ja, wir wollen, dass Deutsch vor dem Unterrichtseintritt gelernt wird. Das wäre einmal ein Thema, da könn­ten sich die Grünen vielleicht auch profilieren und etwas dazu überlegen. Das wäre schon sinnvoll. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns anschauen, wo denn die Grünen ihre Kinder hingeben, dann sehen wir, es sind die Privatschulen oder es sind öffentliche Eliteschulen. (Abg. Walser: Kein einziger Grüner!) Oh doch! Es sind öffentliche Eliteschulen. Lesen Sie es doch nach in Ihrem Zentralorgan, dem „Falter“! (Abg. Walser: Alle Kinder der grünen Nationalrats­abgeordneten gehen in öffentliche Schulen!) Im 16. Bezirk die bilinguale Volksschule in der Herbststraße. Diese Schule besuchen, vor allem im oberen Stockwerk die engli­schen Klassen, Politikerkinder der Roten und der Grünen. Die teuerste Schulform Wiens! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walser: Blaue Lügenpropaganda!)

14.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger zu Wort. – Bitte. (Abg. Lopatka – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Meinl-Reisinger –: Wie viele Abschiedsreden halten Sie eigentlich? – Abg. Krainer: Ist das wieder eine Abschiedsrede, oder ist das schon wieder eine Antrittsrede?)

 


14.16.34

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Frau und Herr Staatssekretär! Werte


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 64

Kolleginnen und Kollegen! Ja, zunächst einmal: Ich habe offensichtlich für Verwirrung in der FPÖ-Fraktion gesorgt. Das tut mir unendlich leid, denn nichts läge mir ferner, als Sie verwirren zu wollen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, Sie haben uns nicht verwirrt! Das ist Abschiedsrede, die Zweite!) Ich habe das Gefühl, Sie sind eh schon verwirrt genug.

Ich zeige Ihnen jetzt hier – Herr Darmann, ich gebe es Ihnen dann – das Schreiben be­züglich meines Mandatsverzichts (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Wien, am 23. Sep­tember, also am Tag meiner, wie ich damals vermutet habe, letzten Rede hier im Na­tionalrat an das Innenministerium geschrieben, dass ich mit Freitag, dem 9., mein Man­dat zurücklege. Das ist bereits eingelangt, und somit ist das alles kein Thema mehr. Ich gebe es Ihnen einfach nachher.

Schauen Sie, das ist der Unterschied: Ich habe gesagt, ich werde vor der Wahl mein Mandat zurücklegen – und ich tue es. Das ist der Unterschied zwischen mir und Herrn Strache, der jetzt wiederholt als Spitzenkandidat in die Wahl geht und überhaupt nicht den Nationalrat verlassen will, nicht ein Stückerl. Ich glaube einfach, dass es wichtig ist, Glaubwürdigkeit in der Politik zu schaffen. Aber noch einmal, es tut mir unendlich leid, dass ich Sie verwirrt habe. Nichts läge mir ferner, Sie sind eh schon verwirrt ge­nug. (Abg. Neubauer: Reden Sie einmal etwas von Bildung!)

Ich danke den Grünen, dass ich jetzt Gelegenheit habe, hier noch einmal zu sprechen. Es freut mich sehr. (Abg. Walser: Gerne! Extra wegen dir!) Ich werde jetzt aber keine Abschiedsrede mehr halten, sondern zum Thema sprechen, weil es mir sehr am Her­zen liegt, und daher bin ich sehr dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit habe, hier noch einmal zum Bildungsthema zu sprechen. Ich möchte zunächst einmal einen Aspekt herausgreifen, der mir sehr wichtig ist – wie Sie wissen, habe ich in diesem Be­reich sehr viele Anträge gestellt –, das ist der Bereich der Elementarpädagogik, der Kin­dergärten.

Diese sind ja für uns die erste Bildungseinrichtung, und wir haben immer wieder darauf hingewiesen. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass wir insbesondere nach dem nötigen quantitativen Ausbau auch einen wirklich dringend notwendigen qualitativen Schub in diesem Bereich machen müssen, um das zu erreichen, was tatsächlich das Ziel ist, nämlich das als erste Bildungseinrichtung zu verstehen. Da gibt es jetzt auch Vorschläge von den Sozialpartnern, die seit kurzer Zeit auf dem Tisch liegen. Es ist ja eigentlich eine ungewöhnliche Situation, dass Sozialpartner, und zwar wirklich alle Sozialpartner, von der IV bis zur Gewerkschaft, ein 10-Punkte-Forderungsprogramm auf den Tisch gelegt haben, auf das man sich geeinigt hat, 10 Punkte, deren Umset­zung dringend notwendig wäre. – Es ist das alles nur nicht so neu. Zu vielen Bereichen haben wir, auch die Grünen, ja immer wieder Anträge gestellt.

Ich greife jetzt ein paar Dinge raus, zum Beispiel Bundeskompetenz für Elementarpä­dagogik. Damit beginnt es einmal. Zweitens: mit einem bundeseinheitlichen Qualitäts­rahmen. Auch das halte ich für ganz wesentlich, weil es niemand verstehen kann, wie­so unterschieden wird zwischen einem Kind im Kindergarten in Niederösterreich und einem Kind im Kindergarten in Wien. Es gibt natürlich auch die Notwendigkeit eines echten Qualifizierungsschubs in der Ausbildung. Und was auch angesprochen wurde – es steht mir auch gar nicht an, das zu kritisieren –, ist die Notwendigkeit eines viel fließenderen Überganges von den Kindergärten in die Schulen.

Ich halte das tatsächlich für die Wurzel, die wichtigste Wurzel, für den Bildungserfolg der Kinder und möchte Ihnen einfach einen Gedanken mitgeben. Ich habe erst kürzlich mit jemandem, einem Journalisten übrigens, gesprochen, der seine Kinder in Niederös­terreich in einem Kindergarten hat und sagt, es ist ihm eigentlich unverständlich, dass immer wieder die Diskussion – sehr aufgeheizt, sehr emotional – zum Thema Studien­gebühren geführt wird. Er zahlt pro Kind pro Monat in Niederösterreich, ich glaube,


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zwischen 350 und 400 € für den Platz. Und das ist aber die Wurzel, um die es geht. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das ist ein Privatkindergarten! Das ist ein Blödsinn!) – Na, das ist so, er hat mir das so gesagt.

Deshalb möchte ich folgenden Entschließungsantrag entlang dieses Sozialpartnerpa­piers einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger und Kollegen

betreffend Umsetzung des 10-Punkte-Forderungprogramms der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung bezüglich Elementarbildung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Familie und die Bundes­ministerin für Bildung und Frauen, werden aufgefordert, sich zu den Forderungen der Industriellenvereinigung, der Bundesarbeitskammer Österreich, der Landwirtschafts­kammer Österreich, des Österreichische Gewerkschaftsbund sowie der Wirtschafts­kammer Österreich, aus deren gemeinsamen Konzept „Der Zukunft der Elementarbil­dung in Österreich“ zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass diese ehestmöglich umgesetzt werden. In einem ersten Schritt ist dem Parlament bis Dezember 2015 eine dahingehende verbindliche Umsetzungsstrategie inklusive Zeitplan vorzulegen.

*****

Ich möchte jetzt auch noch auf das zu sprechen kommen, was Herr Kollege El Hab­bassi gesagt hat. Er hat gesagt, es sei so schändlich, dass mit diesem Thema Wahl­kampf gemacht wird. – In Abwandlung eines Zitats: Wahlkampf sind offensichtlich immer die anderen. Auch Ihre Kollegin Jank hat ja hier durchaus mit Taferln für Wien Wahlkampf gemacht. Aber ja! – Erlauben Sie mir auch, noch einmal zu sagen: Ich halte die Jubelchöre, was die Bildungspolitik in Wien angeht, für weit überzogen.

Wir haben tatsächlich eine Situation, in der ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler, die die Pflichtschule verlassen, nicht sinnerfassend lesen kann, und darunter sind sehr viele Kinder aus sozial benachteiligten Familien und auch sehr viele Kinder aus Fa­milien mit Migrationshintergrund. Das heißt: Wir sind nicht gut genug!

Sich hier zurückzulehnen und zu sagen: Aber wir sind eh so großartig!, halte ich für ein großes Problem. Und in Richtung Grüne: Julian Schmid, auch wir wünschen uns mehr Lehrerinnen und Lehrer für Wien, gerade für den Spracherwerb. Wir wünschen uns auch einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin fix an jeder Pflichtschule. Wir ha­ben aber auch den Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie wir es finanzieren können, und das halte ich in diesen Zeiten für nicht ganz unwesentlich.

Ein letzter Punkt: Es würde mich sehr freuen, wenn es gelänge, auch in Wien eine Mo­dellregion, eine echte Modellregion Autonome Schule in den nächsten Jahren auf den Weg zu bringen. Ich glaube, das wäre gut. Das ist die entscheidende Zukunftsfrage: nicht ob das Gymnasium in der Langform erhalten bleibt, sondern ob wir es in den Pflichtschulen und in den Kindergärten ausreichend schaffen, jedes Kind mitzuneh­men. – Danke sehr. (Beifall und Bravorufe bei den NEOS.)

14.23


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Frau Abgeordneter Meinl-Reisinger einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 66

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger und Kollegen

betreffend Umsetzung des 10 Punkte Forderungprogramms der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung bezüglich Elementarbildung

eingebracht im Zuge der Sondersitzung „Bildungsreform 2015: Großer Wurf oder der nächste Flop“

In Fragen der elementaren Bildung herrscht derzeit leider Stillstand in Österreich. Die Verabschiedung eines Bundesrahmengesetzes für Kindergärten zur Sicherstellung qualitativer Mindeststandards wird bis heute blockiert. Gleiches gilt für das zweite ver­pflichtende Kindergartenjahr. Die Bundesregierung hat es immer noch nicht geschafft, die Zuständigkeit für elementare Bildungseinrichtungen einheitlich in Bundeskompe­tenz zu überführen, sie ist entweder nicht in der Lage oder nicht willens, die anste­henden Herausforderungen mit nachhaltig tauglichen Strategien anzugehen. Die Ver­mutung liegt nahe, dass hier macht- und parteipolitische Interessen der Landeshaupt­leute die Ursache dieser Blockade sind. Es kann aber nicht sein, dass der Bund zahlt, während die Landeshauptleute anschaffen. Diese Art des Spendierföderalismus tut uns im Gesundheitssystem nicht gut und schadet uns auch massiv im Bildungsbereich. Da­bei ist die inhaltliche Stoßrichtung seit Langem klar. Diesbezüglich gibt es aber auch erfreuliche und bemerkenswerte Entwicklungen in jüngster Zeit. Die Industriellenver­einigung, die Bundesarbeitskammer Österreich, die Landwirtschaftskammer Österreich, der Österreichische Gewerkschaftsbund sowie die Wirtschaftskammer Österreich ha­ben sich in dem gemeinsamen Konzept „Der Zukunft der Elementarbildung in Öster­reich“ auf folgende zehn Forderungen geeinigt (Quelle: http://www.iv-net.at/d4689/
zukunft_der_elementarbildung_in_oesterreich_sozialpartner_und_iv.pdf):

1. Elementarbildung in Bundeskompetenz

Änderung der Bundesverfassung mit einer Kompetenzverlagerung zum Bund in Hin­blick auf Struktur- und Organisationsfragen: Elementare Bildungseinrichtungen erfüllen einen Bildungsauftrag. Der Bund (Bildungsressort) muss seine Verantwortung vor al­lem hinsichtlich der Gesetzgebung wahrnehmen, wie das in fast allen EU-Staaten die Regel ist. Vorletztes und letztes Kindergartenjahr verpflichtend und kostenfrei: Ausge­nommen davon ist nur die Verpflegung. Auch für die ersten vier Jahre darf keinem Kind aus Kostengründen die Inanspruchnahme elementarer Bildung verwehrt sein. Mittel­fristiges Ziel ist es, die gesamte vorschulische Bildung kostenfrei zu stellen.

2. Aus 9 mach 1 − ein Bundesrahmengesetz für elementare Bildungseinrichtungen

Österreichweites Bundesrahmengesetz mit einheitlichen und verbindlichen Standards auf hohem Niveau: Es regelt u.a. den Bildungsplan für Null- bis Sechsjährige, die Aus- und Fortbildung des Personals (einschließlich der unterstützenden Kräfte), die Kinder­anzahl pro Gruppe und Fachkraft-Kind-Schlüssel, Vor- und Nachbereitungszeiten, räum­liche Erfordernisse und Ausstattung, Öffnungszeiten und Elternbeiträge sowie perspek­tivisch den Rechtsanspruch auf einen Platz. Dieses Bundesrahmengesetz soll auch Ta­geseltern umfassen.

3. Flächendeckendes Angebot mit umfassenden Öffnungszeiten

Ausbau der Plätze in der elementaren Bildung: Ziel ist ein flächendeckendes Angebot auch bei den Unter-3-Jährigen. Ausweitung der Öffnungszeiten: Für die Eltern der be­treuten Kinder muss eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung möglich sein. Ausbildungs­offensive: Damit soll ausreichend qualifiziertes Personal gesichert werden. Zusätzliche


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Betreuungsangebote für Randzeiten und Wochenenden (z.B. Tageseltern): Elementare Bildungsangebote sollen optimal ergänzt werden.

4. Fortsetzung der Bundesförderung und laufende Finanzierung nach Leistungserbrin­gung

Weiterentwicklung der Anstoßfinanzierung des Bundes: Sie soll bis zur Einführung ei­nes Bundesrahmengesetzes bzw. der Erreichung flächendeckender Versorgung mit umfassenden Öffnungszeiten weitergeführt und um konkrete Wirkungsziele ergänzt werden. Verknüpfung der laufenden Finanzierung mit der Leistungserbringung: Künftig soll die Finanzierung mit dem tatsächlichen bereitgestellten Angebot verknüpft werden, indem Zuschüsse pro betreutem Kind (differenziert nach Alter der Kinder, Öffnungszeit etc.) ausbezahlt werden. Umsetzung des im Regierungsprogramm verankerten Pilot­projekts zur Aufgabenorientierung im Finanzausgleich: Dies versteht sich als erster Schritt. Mittelfristig sollen weitere Schritte für einen direkten Zugang der Einrichtungen zu den Mitteln geprüft werden.

5. Qualifizierungsschub in der Ausbildung

Anhebung des gesamten Ausbildungsniveaus auf mehreren Ebenen: Dies erfolgt durch eine einheitliche und bessere Ausbildung der unterstützenden Kräfte auch zur pädago­gischen Assistenz, eine Neuausrichtung der BAKIP als BMHS sowie die schrittweise Tertiärisierung für Elementar- und HortpädagogInnen. Für die Ausbildung der Tagesel­tern sind bundesweit einheitliche Qualitätskriterien vorzusehen, die an die Ausbildungs­standards der pädagogischen Berufe anschließen und somit eine schrittweise Höher­qualifizierung ermöglichen. Ausbau der Lehrstühle für Elementarpädagogik und Ein­richtung von Kooperationsmodellen der Ausbildungsstätten mit PH, FH, und Universi­täten: Die Ausbildungsschiene der derzeitigen BAKIP bzw. der BAKIP-Kollegs ist bis zur Erarbeitung und Verwirklichung tertiärer Modelle als (post-)sekundäres Angebot weiter anzubieten. Verpflichtende Fort- und Weiterbildung für alle Fachkräfte: Die Aus­bildungsinhalte des Bildungs-Rahmen-Plans werden in allen Ausbildungs- und Weiter­bildungscurricula verankert. Eine Anhebung der Entlohnung auch im Hinblick auf Hö­herqualifizierung ist für alle MitarbeiterInnen in diesem Bereich erforderlich.

6. Ganzheitliches Lernen und Fördern

Verbindliche Umsetzung der Inhalte des bundesländerübergreifenden Bildungs-Rah­men-Plans in elementaren Bildungseinrichtungen: Kinder sollen sich spielerisch in un­terschiedlichen Lernfeldern optimal entfalten können – sprachlich, musisch, gestalte­risch, motorisch oder im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Tech­nik (MINT). Dabei bedarf es auch eines gendersensiblen und interkulturellen Zugangs. Sprachbildung als Teil eines durchgängigen, strukturierten und nachhaltigen Bildungs­sprachförderkonzepts: Es erstreckt sich über alle Bildungsstufen und bis zum Ende der Schullaufbahn. Der Fokus ist dabei – unter gleichzeitiger Wertschätzung der jeweiligen Erstsprache – auf das Erlernen von Deutsch als relevanter Bildungssprache zu legen. Laufende Entwicklungsstandsfeststellungen: Sie sind auch Basis für individuelle För­dermaßnahmen, Sprachbildungsaktivitäten und die Unterstützung beim Übertritt in die Schule. Sie werden unterstützt durch ressourcenorientierte Beobachtungsinstrumente und die Dokumentation der individuellen Entwicklungsschritte (z.B. Portfolios).

7. Mehr Diversität

Mehr Wertschätzung und Anerkennung für elementarpädagogische Berufe als gleich­wertige pädagogische Professionen: Zur Erhöhung der Diversität im Berufsfeld sind zu­dem umfassende Maßnahmen in Bezug auf Geschlecht, Kultur und Sprache, sowie (Zusatz-)Qualifikation notwendig. Erhöhung des Männeranteils: Dies erfordert klare Zielvorgaben, Förderprogramme für „Männer in die Elementarpädagogik“, den Ausbau der tertiären bzw. post-sekundären Angebote, Schwerpunktsetzungen bei den Ausbil-


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dungsinhalten und eine Verbesserung der Außendarstellung. Diversität als Ressource nützen: Durch den Einsatz von mehrsprachigem, interkulturell bzw. gen-dersensibel geschultem Personal sowie von PädagogInnen mit Migrationshintergrund kann die Di­versität eines Teams in der pädagogischen Arbeit als Ressource genutzt werden.

8. Erfolgreicher Übergang in die Schule ohne „Brüche“

Zwei verpflichtende Kindergartenjahre für alle Kinder ab Vier („Basisphase“): Sie finden weiterhin in Verantwortung der Kindergärten und im letzten Kindergartenjahr in Koope­ration mit der Schule statt. Im zweiten Basisjahr werden altersgerecht und spielerisch vorschulische Inhalte sowie sprachliche, motorische, emotionale und soziale Vorläufer­fähigkeiten mit Fokus auf das Erlangen der Schulfähigkeit vermittelt. Optimaler Über­gang vom Kindergarten in die Schule: Notwendig dafür sind u.a. eine professionelle, wertschätzende und gleichberechtigte Zusammenarbeit der PädagogInnen beider Institutionen, gemeinsame Basismodule in der Ausbildung, gemeinsame Fort- und Wei­terbildung, wechselseitiges „Hospitieren“ oder institutionenübergreifende Übergangs­konzepte. Dafür sind ausreichende Ressourcen vorzusehen. Vision ist die Weiterent­wicklung von der Basisphase und der ersten beiden Schuljahre zu einer gemeinsamen Einheit. Neustrukturierung der bisherigen Schulreifefeststellung: Sie soll von einer punktuellen Entscheidung hin zu einer gemeinsamen (Kindergarten, Schule) Beglei­tung und Feststellung der Schulfähigkeit im letzten Kindergartenjahr weiterentwickelt werden. Dokumentationen über den Entwicklungsstand (z.B. Portfolio) sind kein Se­lektionsinstrument, sondern geben der Schule Auskunft, was das Kind an gezielter För­derung braucht und an Talenten mitbringt.

9. Systematische Qualitätssicherung

Qualitätssicherungsstelle: Eine beim Bund angesiedelte, weisungsfreie Qualitätssiche­rungsstelle überprüft Rahmenbedingungen und pädagogische Qualität anhand be­stimmter Kriterien. Qualitätsbeauftragte: Innerhalb der Einrichtungen sollen Qualitäts­beauftragte für die kontinuierliche Qualitätsentwicklung und -feststellung verantwortlich sein.

10. Elternarbeit stärken und ausbauen

Bildungspartnerschaft zwischen Einrichtungen und Familie: Eltern müssen von Anfang an eingebunden werden und ihre Verantwortung für das positive Gelingen elementarer Bildungsprozesse wahrnehmen. Zur partnerschaftlichen und transparenten Zusam­menarbeit zwischen Einrichtungen und Familie gehören u.a. Elternabende, Entwick­lungsgespräche und Transitionsbegleitung. Akzeptanz von Elementarpädagogik als ei­genständiger Bildungsbereich: Bei den Eltern muss das Bewusstsein gestärkt werden, dass in diesem Bereich Bildungsarbeit geleistet wird.

Langfristig könnten elementare Bildungseinrichtungen zu Familienzentren weiterentwi­ckelt werden: (Beispiel: Großbritannien – Early Excellence Centers – dort werden Fa­milien bei ihrer täglichen Erziehungsarbeit unterstützt und Angebote und Anregungen zur (Weiter-)Bildung angeboten).

Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine derartige Einigung nicht auch auf politischer Ebene möglich sein soll.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Familie und die Bundes­ministerin für Bildung und Frauen, werden aufgefordert, sich zu den Forderungen der Industriellenvereinigung, der Bundesarbeitskammer Österreich, der Landwirtschaftskam-


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mer Österreich, des Österreichische Gewerkschaftsbund sowie der Wirtschaftskammer Österreich, aus deren gemeinsamen Konzept „Der Zukunft der Elementarbildung in Ös­terreich“, zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass diese ehestmöglich umgesetzt werden. In einem ersten Schritt ist dem Parlament bis Dezember 2015 eine dahinge­hende verbindliche Umsetzungsstrategie inklusive Zeitplan vorzulegen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Dietrich. – Bitte.

 


14.23.26

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine Sondersitzung der Grünen zum Thema Bildung. Wahrscheinlich wollen die Grünen mehr Licht in die Bildung, in die Bildungsreform bringen und davon ihre Zustimmung abhängig machen. Aber ich sage Ihnen, geschätzte Kollegen, jeder Einzelne hier in diesem Raum geht davon aus, dass Sie zustimmen werden, weil Sie bisher bei allem zugestimmt haben (Abg. Walser: Weil wir uns durchgesetzt haben! Ganz einfach!), sei es die Aufhebung des Bankgeheimnisses, sei es das Durchgriffs­recht, sei es die Registrierkassenpflicht. Alles haben Sie hingenommen, nur um an die Macht zu kommen. (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Und, Herr Kollege Walser, wenn Sie davon sprechen, dass diese Bildungsreform ein Geheimprojekt ist. Auch das wird Sie nicht daran hindern, einfach zuzustimmen. Wir wissen es und wir sehen es nach der Oberösterreich-Wahl: Es ist egal, wenn es nicht wie gewünscht ausgegangen ist. Wenn es sich zu zweit nicht ausgeht, dann wird es sich zu dritt ausgehen, Hauptsache, man ist bei der Macht dabei. (Abg. Walser: Das wird Ihnen nicht mehr passieren!) Ich würde mir von einer Oppositionspartei wünschen, die Dinge wirklich klar anzusprechen – unabhängig davon, ob man letzten Endes an der Macht teilhat, in der Regierung sitzt – und für den Bürger politisch zu arbeiten. (Bei­fall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren, bei dieser Bildungsdebatte müssen wir fest­stellen, dass Österreich eines der teuersten Systeme hat. Wir geben am meisten Geld für Bildung aus, berechnet pro Kopf/Schüler. Wenn wir so viel Geld in einen Bereich geben, dann könnte man sich doch als Bürger erwarten, dass wir dann auch die Besten sind, dass wir Vorreiter sind. Aber nein! Das Gegenteil ist der Fall. Jahr für Jahr zeigt uns die PISA-Studie, wie wir im internationalen Vergleich abfallen, und nicht des­halb, weil unsere Schüler nicht so begabt sind wie die Schüler anderer Länder, nein, sondern weil das Bildungssystem verfehlt ist, weil diese Bildungspolitik ausschließlich parteipolitisch bestimmt ist.

Meine geschätzten Damen und Herren, wenn wir die nackten Zahlen anschauen – dass ein Fünftel der Schulabgänger sekundäre Analphabeten ist, dass jedes zehnte Kind bereits in eine Privatschule geht –, dann sage ich Ihnen: Das ist ein Hilfeschrei der Eltern. Die Eltern sind bereit, Hunderte Euro im Monat auszugeben, damit ihre Kin­der eine ordentliche Schulausbildung haben, weil eben dieses staatliche System ver­sagt. (Beifall beim Team Stronach.)

Ein weiterer Faktor sind die Nachhilfekosten, die explodieren. Die Eltern sind mit so ei­nem Schulsystem gefordert und zum Teil auch überfordert.

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der wirklich jeden betrifft: die Integration, denn sie betrifft nicht nur den städtischen Bereich, sondern mitunter auch schon den ländliche


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n.

Die Bildungsexpertin Heidi Schrodt sagt im Hinblick auf Integration, dass wir in Öster­reich gerade im Bildungssystem riesige Versäumnisse haben. Schauen wir einmal ge­nauer hin! In den Sonderschulen sind 27,5 Prozent der Schüler Kinder mit Migrations­hintergrund. Warum ist das so? – Das ist deshalb so, weil den Kindern zu wenig Deutschkenntnisse vermittelt werden und man den einfachen Weg geht: Man schiebt sie einfach in die Sonderschule ab. Oft werden hochbegabte Kinder in die Sonderschu­le abgeschoben.

Der zweite Faktor: Es gibt bereits Schulen, in denen es ein Fünferverbot gibt. (Abg. Steinhauser: In Privatschulen!) Da gibt die Direktorin die Devise aus, es darf keiner ein „Nicht genügend“ erhalten, damit man die Schüler so rasch wie möglich durch­bringt. Am Ende des Tages können sie weder lesen noch schreiben noch rechnen. Mei­ne geschätzten Damen und Herren, diese Kinder beraubt man jeglicher Zukunft.

Es gibt aber auch Schulen, in denen es sehr gut funktioniert. Ich nenne die Schule in St. Peter in Klagenfurt, die beispielgebend ist, weil sie einen hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund hat und diese Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet wer­den. Sie haben zwei oder drei Stunden in der Woche, in denen sie in ihrer Mutterspra­che unterrichtet werden, weil – und jetzt hören Sie genau zu! – die Kinder in der zweiten und dritten Generation weder Deutsch noch ihre Muttersprache können, son­dern ein Mischmasch reden. Man besinnt sich wieder darauf und lehrt sie quasi ihre Muttersprache, damit die Sprachkompetenz erhöht wird und sie über diese Schiene auch die deutsche Sprache besser verstehen können.

Wenn man sich die Rahmenbedingungen dieser Schule in Klagenfurt ansieht: Sie sind eine Schande für das österreichische Schulsystem! In dieser Schule ist es nämlich so, dass es durch die Fenster zieht, dass die Decke halb herunterfällt, dass die Rollos ste­cken, dass die Sanitäranlagen derart desolat sind, dass Fäkalwasser regelmäßig die Gänge überflutet, weil kein Geld da ist. (Rufe bei SPÖ und Grünen: Wo denn? Wo? Wo ist die Schule?) Da sage ich Ihnen: Das dürfte es in Österreich nicht geben! (Abg. Walser: Wo ist die Schule? Fäkalwasser auf dem Gang?) – Das ist St. Peter, Kla­genfurt. (Abg. Walser: Das zeigen wir sofort an, wenn es der Wahrheit entspricht!) Da gibt es einen Zeitungsbericht darüber, in welchem die Direktorin genau diese Mängel aufzeigt. (Abg. Walser: Die Schule muss geschlossen werden! Sagen Sie, wo sie ist!)

Ich habe es gesagt – bitte zuhören! –: St. Peter, Klagenfurt, eine Neue Mittelschule, die Mittelschule NMS 6, wo mehr als 150 Schülerinnen und Schüler tagtäglich hineingehen (Abg. Walser: Und Fäkalwasser auf dem Gang ist?), Fäkalwasser regelmäßig auf dem Gang ist. (Abg. Walser: Regelmäßig?) – Das steht in diesem Zeitungsartikel.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Bildungsreform ist dringend notwendig, und ich würde mir wünschen, dass wirklich alle Betroffenen mit eingebunden werden, dass auch die Schülerunion als Vertretung der SchülerInnen mit dabei ist. Denn es sind immerhin 1,1 Millionen betroffene Schüler, die diese Bildungsreform ertragen müs­sen, die mit dem Ergebnis leben müssen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Schule in Zukunft entpolitisiert wird, dass die Bildungsreform wirklich im Sinne der SchülerInnen, der Eltern und der Lehrer statt­findet, denn die Kinder sind die Zukunft unseres Staates. Und wenn wir auf diese Zu­kunft nicht schauen, dann hat die gesamte Gesellschaft keine Zukunft. (Beifall beim Team Stronach.)

14.31


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Jarmer zu Wort. – Bitte.

 


14.31.39

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschaue-


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rinnen! Wir haben sehr viel gehört zum Thema, und sehr oft geht es um Segregation, um Aussortierung, um Ausgruppierung. Das, finde ich, ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr angemessen. Die Barrieren in den Köpfen gehören beseitigt.

Inklusion heißt gemeinsam unterschiedlich leben. Wir brauchen dringend einen Pers­pektivenwechsel. Sie kennen den Begriff der Integration. Integration bedeutet, ein Kind muss sich an das System anpassen. Wenn vielleicht ein behindertes Kind in der Klas­se ist, bekommt es vier Stunden Sonderförderbedarf zuerkannt – oder das Kind be­kommt gar nichts, wenn es nicht gemeldet ist. Wenn das Kind in der Inklusion in die Schule gehen kann, dann wird geschaut: Welcher Bedarf besteht? Welche Ausstattung wird gebraucht? Ein Kind braucht gebärdensprachliche Förderung, ein anderes Kind braucht eine Rampe und so weiter. Das ist die Zukunft!

Die Einstellung ist oft noch so, dass – wie soll ich sagen? – Wohlfahrt das Thema ist und dass man schaut: Das arme behinderte Kind, was braucht es? Nein, ein gehör­loses Kind braucht nicht in den Musikunterricht zu gehen, ein Rollstuhlfahrer braucht keinen Sportunterricht. – Man soll, hin zum selbstbestimmten Leben, einen anderen Zugang finden, andere Fächer, andere Möglichkeiten anbieten, die passend sind, da­mit man Chancen hat und später einen interessanten Beruf wählen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz wichtig ist auch, dass man das behinderte Kind nicht als Objekt sehen sollte! Die Behinderung ist nicht das, worauf man sich konzentrieren sollte. Man soll nicht auf die Behinderung schauen, sondern auf den Menschen, auf das Kind, auf seine Stärken, seine Fähigkeiten: Wo kann man etwas fördern? Wo ist Interesse vorhanden? – Die Stärken gehören gefördert!

Ein weiteres Problem ist auch oft, dass man behinderte Menschen als Patienten sieht. Viele Lehrer sagen: Nein, das schaffen wir nicht, da sind wir überfordert!, und die lehnen dann oft auch behinderte Kinder ab. Ein Kind mit Down-Syndrom hat in einer privaten Schule keine Möglichkeit, aufgenommen zu werden. – Jedes Kind soll als Bür­gerIn gesehen werden. Inklusion und Demokratie für alle! Man muss schauen: Wel­chen Bedarf hat man? Braucht man einen Stützlehrer? Braucht man einen Assis­tenten? Braucht es Physiotherapie? Braucht es ein spezielles Fach?

Wenn zwei Kinder eine bestimmte Behinderung haben, ist es natürlich besser. Wenn in einer Klasse nur ein Kind alleine behindert ist, fühlt es sich sehr isoliert und denkt auch – ich habe das oft schon gehört –, nach der Schule werde ich wahrscheinlich sterben, denn erwachsene behinderte Menschen hat dieses Kind nie gesehen.

Es ist so dringend notwendig, dass man Vorbilder schafft! Ich weiß, es gibt gehörlose Erfinder. Wenn man das den Kindern in der Schule erzählt, entsteht eine Motivation, entsteht ein Interesse. Ein Role Model ist unbedingt notwendig. (Beifall bei den Grü­nen.)

Später auf dem Arbeitsmarkt ist das für alle nur von Vorteil. Man sieht positive Vorbil­der. Man muss nicht das arme behinderte Kind in die geschützte Werkstätte bringen. Nein, ein positives Vorbild ist notwendig! Gehörlose und behinderte Kinder sind kein Problemfall! Nein, es geht um ein Recht auf ein gemeinsames Leben!

Ich finde, die Zeit ist einfach reif dafür, dass wir nicht mehr auf die Segregation schau­en, nicht sagen, der gehört in die Hauptschule und der gehört in die Sonderschule. Nein, die Zeit ist reif für ein gemeinsames Leben!

Inklusion bedeutet, in der Gemeinschaft unterschiedlich zu sein. Und diese Aufgabe liegt beim Ministerium. Wir haben eine Broschüre gemacht zum Thema Inklusion, In­klusion in der Bildung. Die kann ich sehr empfehlen, und ich würde mich freuen, wenn Sie sie durchlesen würden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.36



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 72

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. – Bitte.

 


14.36.20

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kinder haben in der Diskussion der Bildung im Vordergrund zu stehen – ich glaube, Frau Kollegin Jarmer, da sind wir uns sicherlich einig. Und wir haben ein gemeinsames Ziel, und das gemeinsame Ziel heißt gemeinsame Schule. Und gemeinsame Schule bedeutet, nicht darüber zu disku­tieren, wer dort nicht aufgenommen ist, sondern die gemeinsame Schule ist für alle Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, dass Bildung weder im Kindergarten beginnt noch in der Schule beginnt, sondern Bildung beginnt bereits im Elternhaus. Und wir sind sogar schon einen Schritt zurückgegangen: Leider ist es derzeit so, dass Bildung vererbt wird. Von dem wollen wir weg. Daher ist es ganz einfach notwendig und wich­tig, dass diese Expertenkommission jetzt arbeitet und dass der Kindergarten die erste außerhäusliche Bildungseinrichtung ist. Und ich bin schon sehr froh, denn es hat sich in den Reden schon durchaus eingeschliffen, dass der Kindergarten keine Betreuungs­einrichtung, sondern eine Bildungseinrichtung ist.

Wir haben im letzten Familienausschuss darüber diskutiert, dass die alte 15a-Verein­barung für das verpflichtende letzte Kindergartenjahr ausgelaufen ist und es leider nicht mehr Geld gibt, um das zweite verpflichtende Kindergartenjahr daraus zu finan­zieren. Daher gibt es jetzt die ersten Zwischenschritte in der Form, dass man sagt, es gibt eine Beratung, eine verpflichtende Beratung der Eltern. – Ja, es geht mir auch al­les zu langsam, ja, wir würden uns auch alle wünschen, dass es schneller geht, aber nichtsdestotrotz ist das jene Einigung, die die Bundesländer in ihrer 15a-Vereinbarung getroffen haben und die sie auch erfüllen können. Und es hat ja keinen Zweck, dass die Bundesländer einem Papier zustimmen, wenn sie von Haus aus sicher sind, dass sie das nicht erfüllen können.

Wenn ich mir dann die PädagogInnenbildung selbst hernehme: Ja, wir wollen alle ha­ben, dass die PädagogInnen im Elementarpädagogikbereich, sprich im Kindergarten­bereich, sehr, sehr gut ausgebildet sind. Auch die, die jetzt ihren Dienst leisten, sind sehr gut ausgebildet, aber man versucht das, auch europäisch gesehen, auf die ter­tiäre Ebene zu heben. (Abg. Walser: Europäisch ist es durchgesetzt, nur in Österreich nicht!) – In Malta auch noch nicht. (Abg. Walser: Malta hat es vor zwei Jahren nachge­holt!)

Okay, gut, aber nichtsdestotrotz, wir sind auf dem Weg: Es gibt eine Fachhochschule in Wien, wo jetzt bereits LeiterInnen oder KindergärtnerInnen, KindergartenpädagogIn­nen, die bei der Stadt Wien arbeiten, die Möglichkeit haben, die tertiäre Ausbildung für ihre LeiterInnenfunktion zu machen, bei der es ja nicht nur um den Umgang mit Kin­dern geht, sondern ganz einfach auch um organisatorische Dinge. Das ist gut, wichtig und richtig. Und wir wissen, dass es einen Lehrstuhl in Innsbruck gibt und dass es einen Lehrstuhl in Graz für diese Ausbildung geben soll. Wir wissen aber auch ganz genau, dass diese noch nicht so weit sind, weil wir die Lehrenden noch nicht haben, welche die PädagogInnen ausbilden sollen.

Wir sind in Wien sehr weit mit dem Ausbau der Kindergartenplätze für Null- bis Sechs­jährige. Wien ist damals vorgeprescht. Der Kindergarten in Wien ist gratis für Null- bis Sechsjährige, das sollte auch österreichweit das Ziel sein. Wir haben einen sehr hohen Versorgungsgrad, wir stecken auch noch zusätzlich sehr viel Geld hinein, damit wir in Summe jetzt 81 300 Kindergartenplätze in Wien haben, wobei 24 400 den Null- bis Dreijährigen zugehören.


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Sprachstandsfeststellungen im Kindergarten sind eine legitime Forderung, und diese werden bereits von den KindergärtnerInnen durchgeführt. Wenn Sie, Frau Kollegin Be­lakowitsch, jetzt sagen: Es wird seitens der FPÖ den Integrationsmaßnahmen zuge­stimmt!, dann möchte ich Sie gerne eines Besseren belehren. In Wien gab es in den letzten fünf Jahren im Wiener Gemeinderat 49 Vorschläge für Integrationsmaßnahmen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Da geht es um Vereinsförderungen!) Ganz einfach he­runtergebrochen, Sprachkurse für Kinder (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, Ver­einsförderungen!), Sprachkurse für Jugendliche, Sprachkurse für Eltern. (Abg. Belako­witsch-Jenewein: Nein, das sind Vereinsförderungen!) 49-mal hat die FPÖ im Wiener Gemeinderat dagegen gestimmt. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das sind alle 49 Ver­einsförderungen!) Und jetzt erklären Sie nicht, dass Sie für Integration sind! Das ist ganz einfach nicht Ihr Ziel! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!)

Die Schule ist nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, die Schule ist ganz einfach auch ein Ort, wo der Habitus des Menschen geformt werden soll, auch in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit, und wo ganz einfach das Individuum und seine Leistung zählen, die es dort erbringt. Ich habe mit der Direktorin der Volksschule Hertha-Firn­berg gesprochen. Sie sagt: Zu uns kommen Kinder und sie gehen als Persönlichkeiten. Das ist der richtige Weg, wo wir uns hinbewegen. Darum ist es jetzt so wichtig, die Expertenkommission mit all ihren Ergebnissen abzuwarten und dann letztendlich die große Reform zu machen.

Dass es bereits immer neue Fortschritte gibt, die von einigen Bundesländern gesetzt werden, steht außer Frage. Ich bin Wienerin, und das mit Leidenschaft, und glauben Sie mir: Wir haben bereits eine Schule der Zukunft, und das ist für mich das Wiener Campusmodell.

Ich möchte nur von Floridsdorf und der Donaustadt sprechen. In Floridsdorf und der Do­naustadt haben wir zwei Campusmodelle in Betrieb, und es sind vier weitere in Pla­nung. Das ist diese Verschränkung, die wir uns wünschen, nämlich dass die Über­gänge vom Kindergarten zur Schule und letztendlich von der Schule ins Berufsleben gut abgefedert werden. Das muss das Ziel sein, um den Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.42


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Töchterle zu Wort. – Bitte.

 


14.42.55

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Einiges an dieser Debatte ist so, dass man zustimmen kann. Zum Beispiel danke ich Ihnen, Frau Ministra, für den Hinweis auf die nun in Gang kom­mende neue Lehrerbildung, die auch die Elementarbildung betrifft und zum Beispiel für die Volksschule nun eine wesentlich längere und wissenschaftlich unterlegte Ausbil­dungszeit vorsieht und damit diesen sehr schwierigen Bereich, wo die Lehrer ganz neue Herausforderungen bewältigen müssen, sicherlich besonders fördert. Durch die­se neue Ausbildung wird auch das Lehrerbild insgesamt, glaube ich, gestärkt, und es werden vielleicht die Lehrerschelte und der Lehrerspott, der auch vor dem Wiener Bür­germeister nicht haltgemacht hat, dadurch weniger werden.

Auch finde ich es richtig, Frau Grossmann, dass Sie darauf hinweisen, dass wir die Bil­dung nicht in Bausch und Bogen hier schlechtreden sollten. Die österreichische Bil­dung ist immer noch gut. Besonders gut ist zum Beispiel unsere Berufsbildung, das sagen mir internationale Konzerne und das bestätigen jährliche Lehrlingswettbewerbe, bei denen wir weltweit zu den Besten zählen. Das führt mich aber auch zur Kritik an dieser Debatte.


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Vor allem finde ich die Frage des Übergangs von der Volksschule zur Neuen Mittel­schule oder zum Gymnasium überaus dramatisiert. Wenn ich solche Ausdrücke höre wie wir spielten hier „Schicksal“, Frau Kuntzl, oder, wir würden den Kindern ein „Zei­chen ... auf die Stirn drücken“, Frau Glawischnig, oder, das wäre eine „Stigmatisie­rung“, Herr Strolz, dann finde ich das maßlos übertrieben, aus zwei Gründen. Erstens: Weniger als 30 Prozent unserer Maturanten kommen aus der AHS-Langform. Das zeigt also, dass eine Neue Mittelschule mit weiterführenden Schulen überhaupt keine Sackgasse sein muss. Und zweitens ist es auch deswegen keine Sackgasse, weil sie in Richtung Berufsbildung führen kann. Und hier von „Stigmatisierung“ oder „Schicksal“ zu sprechen, wenn Leute dann in eine Berufsausbildung und nicht in eine Maturaklas­se oder an die Universität gehen, empfinde ich als eine ganz arge Diskriminierung dieser Menschen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.) Das ist wirklich uner­träglich und eine einseitige Bewertung.

Herr Strolz, Sie applaudieren, das freut mich, und dann möchte ich Ihnen im Gegenzug sagen: Ich habe auch die Ausführungen von Herrn Schmid sehr deplatziert gefunden. Wenn er historische Exkurse macht, dann sollte er vorher Geschichte lernen. Denn wenn er hier behauptet, dass im 18. Jahrhundert die Bildungsreformen auf Gleich­schaltung und Fließbandarbeit hingezielt haben, dann ist das das Gegenteil von dem, was Sache ist. Die damaligen Bildungsreformen eines Herbart, eines Pestalozzi, eines Humboldt oder Schleiermacher zielten genau auf das Individuum und auf die Förde­rung des Individuums ab, und zwar auf eine möglichst breite Förderung des Indivi­duums. (Beifall bei der ÖVP.) Und das ist auch immer noch der Kern des heutigen Gymnasiums, und deswegen wird dieses Gymnasium auch so geschätzt und ist ge­fragt, und darum muss man es auch verteidigen.

Ich bin aber bei Ihnen, Herr Strolz! Man soll einen Weg zwischen den scheinbar unver­söhnlichen Lagern finden und sehen, wo man sich treffen kann. Es kann nicht sein, dass wir über 100 Jahre in dieser Frontstellung stehen – und wir stehen so. Und des­wegen finde ich die Modellregionen und die Versuche im Westen Österreichs gut. Es muss einen Weg aus dieser Konfrontation geben. Dieser Weg kann aber nicht damit enden, dass wir diese so beliebte und so erfolgreiche Schulform abschaffen, sondern es muss einen Weg geben, der beiden Anliegen Rechnung trägt. Ich hoffe, dass das auch eine Weichenstellung sein wird am 17. November. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.)

14.46


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Rosen­kranz zu Wort. – Bitte.

 


14.46.42

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wie immer bei solchen Debatten haben die Grünen einen Reformstau beklagt und eigentlich damit gemeint, dass sie ihre Kon­zepte noch nicht – Gott sei Dank! – durchgesetzt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Wir sehen keinen Reformstau, sondern wir sehen etwas ganz anderes, nämlich dass zwei völlig unterschiedliche, um nicht zu sagen in manchen Punkten stark gegensätz­liche Konzepte aufeinander prallen. Das ist einerseits in der Strukturfrage der Fall. Ich wiederhole, weil man es gar nicht genug herausstreichen kann, das, was auch meine Vorredner und auch der ehemalige Wissenschaftsminister betont haben: Jeder Mensch ist gleich an Würde und Rechten, und er ist völlig unterschiedlich, erfreulicherweise, in seinen Neigungen und Talenten. (Abg. Walser: Da gibt es zwei Typen, demnach: Den klassischen Hauptschüler und den klassischen …!) Und diesem Prinzip wird ein diffe-


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renziertes Schulwesen einfach besser gerecht als eine Gesamtschule. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe zum Beispiel, wie Sie wissen, einige Kinder, und manche waren in der Haupt­schule und sind so bis zu einem Wirtschaftsstudium gekommen, und die anderen wa­ren in der AHS-Langzeitform. Also bei mir hat das wirklich gut funktioniert. Es waren nicht zwei Typen oder Klassen, es gab auch keine Stigmatisierung, wobei das übrigens auch sozial bedenklich ist, dass Sie nur die Absolventen einer Universität für nicht stig­matisiert halten, gerade bei Ihnen sehr verwunderlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweites wichtiges Anliegen ist die Ganztagsschule, und da ergänzt sich das hervorra­gend mit Ihrer Frauen- und Familienpolitik, die zusammengenommen heißt, beide El­tern stehen dem Arbeitsmarkt vollständig zur Verfügung, der Staat übernimmt die Kin­dererziehung. Das ist Ihr Konzept, und da braucht es natürlich dann diese Institutionen. Wir dagegen meinen, der Familie steht ein Recht auf Erziehung zu (Beifall bei der FPÖ), und deswegen muss es auch eine Wahlfreiheit über die Dauer der Anwesenheit in der Schule geben.

Wir sind aber nicht nur unterschiedlicher Meinung in diesen Fragen, sondern auch in Fragen der Didaktik, was meint: Was sollen Schüler lernen und aus welchem Grund? – Das Reizwort ist schon gefallen: entrümpeln. Wir müssen entrümpeln, wir müssen weg­gehen vom sturen Auswendiglernen, von abfragbaren Wissensbeständen, üben ist über­haupt völlig unmöglich geworden. Was wir brauchen, sind Kompetenzen.

Und was heißt das jetzt? – Kompetenz heißt zum Beispiel, dass ich keine Vokabeln lerne, sondern mir die Kompetenz erwerbe, im Wörterbuch nachzuschlagen und das auch bei Prüfungen so machen kann. Und wenn ich jetzt in einer Schule bin, die auch internetmäßig auf dem letzten Stand ist, dann mache ich das mit dem internetbasierten Wörterbuch Leo, und dann freuen sich alle Lehrer. Aber so lernt man keine Sprache, so wird es schwierig, einen Text zu erfassen, da man damit beschäftigt ist, ihn über­haupt erst zu übersetzen, und jedenfalls kann man auf diesem Niveau keine Wissen­schaft betreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Kompetenzorientierung ist natürlich auch Ihrem Misstrauen gegenüber Leistung geschuldet, und da tun Sie unrecht, denn der Mensch ist grundsätzlich schon als Kind beim Spiel leistungsbereit. Und wer den Menschen nicht fordert – nicht überfordert –, der macht ihn kleiner, als er ist.

Zum Dritten aber: Es geht also nicht nur um Kompetenzen – wir haben das jetzt schon gehört, die Frau Abgeordnete Lueger hat das Wort gesagt –, sondern auch um Habi­tus, um Einstellungen. Da ist vielleicht der Abgeordnete Schmid ein Opfer dieser Ein­stellungspädagogik geworden. Einstellungen heißt, ich mache Module, ich mache Pro­jektunterricht.

Ein Beispiel auch dazu: Die attische Polis ist uninteressant, der Übergang von der Tyrannis zur Demokratie ist egal. Ich behandle das Thema unter dem Titel Geschlech­tergerechtigkeit, und dann komme ich zum Beispiel drauf, dass in der attischen Polis die Geschlechtergerechtigkeit nicht so ausgeprägt war wie bei uns jetzt. Dann habe ich eben die notwendige Distanz dazu und dann habe ich mir den richtigen Habitus er­worben, denn sonst könnte es ja nicht sein, dass diese historische Großleistung Öster­reichs, als zweiter Staat auf der Welt eine allgemeine Schulpflicht – natürlich gegen den Widerstand vieler Familien, die die Kinder als Arbeitskräfte wollten – für Mädchen und Buben in gleicher Weise zum selben Zeitpunkt einzuführen, so beschrieben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sehen, dass Österreich vom Grund her ein absolut taugliches Schulsystem hat. Es ist differenziert und vielfältig; noch – ich betone noch – kann man im öffentlichen Schul­wesen so gute Leistungen vollbringen und Kompetenzen und Fähigkeiten erwerben,


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dass man auch an die Spitze der Wissenschaft kommen kann. Auf dieser Grundlage sollten wir das System behutsam und sorgfältig entwickeln. Es zusammenzuschlagen und völlig zu verändern hat keinen Sinn. (Beifall bei der FPÖ.)

14.51


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


14.51.50

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! Zur Frage der Stigmatisierung möchte ich Professor Töchterle noch nach­reichen: Es geht darum, wie sich Peers untereinander verhalten und wie unter den Peers Stigmatisierungen entstehen. Es war in keinem Moment auf die Lehrer bezogen, und ich glaube, mit etwas gutem Willen hätte man diese Botschaft auch heraushören können.

Ich möchte noch einen Bezug zwischen der Bildung und dem Arbeitsmarkt herstellen. Wir wissen, dass es für die jungen Menschen in Österreich immer schwieriger wird, nach Ende der Ausbildung einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden; aber das ist auch kein Wunder, wenn wir auf der anderen Seite feststellen, welch große Lern- und Lese­schwächen Fünfzehnjährige oft haben. Das Bildungssystem legt mit diesem Nichterfolg in der Bildung den Grundstein für eine spätere Karriere als Hilfs- und Gelegenheitsar­beiter, wenn es gutgeht, wenn wir nicht überhaupt diese Menschen zu Dauerkunden beim AMS machen, da wir sie nicht von vornherein gut ausgebildet haben.

6,5 Prozent der Arbeitslosen haben überhaupt keinen Schulabschluss, 40 Prozent der Arbeitslosen haben einen Pflichtschulabschluss und 30 Prozent der Arbeitslosen ha­ben einen Lehrabschluss. Man sieht, dass weiterführende Ausbildung eine gute Pro­phylaxe gegen spätere Arbeitslosigkeit ist. Wir setzen das Geld oft falsch ein, nämlich reparativ beim AMS, während das Bildungssystem über die Talente der jungen Men­schen oft im Dunklen ist.

Da komme ich zu einem Punkt, wo wir das Geld noch effizienter einsetzen können, wenn wir einen Blick auf das Lehrerdienstrecht werfen.

Wir haben in der jüngeren Vergangenheit einige Rechnungshofberichte gehabt, die sich damit auseinandergesetzt haben, wie viele Lehrer bis zum gesetzlichen Pensions­antrittsalter im Dienst bleiben und wie viele irgendeine Form von vorzeitigem Ruhe­standsantritt in Anspruch nehmen. Laut dem Rechnungshofbericht waren es bei den Landeslehrern drei Viertel, bei den Bundeslehrern die Hälfte, die eine Form von Hacklerpension in Anspruch genommen haben, und es gibt eine ungeklärte Anzahl von Dienstunfähigkeitspensionen. Das darf man aber nicht nur darauf zurückführen, dass es unter Umständen finanziell attraktiv war, früher zu gehen; da gibt es ganz andere Faktoren, die eine Rolle spielen.

Parallel sind nämlich im Zeitraum 2008 bis 2014 die Krankenstandstage bei den Leh­rern gestiegen, während sie bei der Arbeitnehmerschaft insgesamt zurückgegangen sind. Da gilt es vielleicht auch darauf hinzuweisen, dass unser System den Lehrern im­mer mehr und mehr Aufgaben zumutet, ohne auf der anderen Seite für Entlastung zu sorgen.

Es bräuchte in Schulen oft mehr und zusätzliches Sonderpersonal für besondere, für soziale Aufgaben. Wenn wir den Lehrern immer mehr Aufgaben zumuten, dann ist das eben auch gesundheitsschädlich, und das äußert sich in weiterer Folge auch.

Was es nämlich zusätzlich für Schulen braucht – das Wort Schulautonomie führen ja mittlerweile alle Parteien im Mund –, ist, dass es eine personelle Autonomie für die


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Schulen gibt, dass sie ein eigenes Budget haben, auch jenseits von Lehrpersonen Per­sonaleinstellungen vorzunehmen, und es braucht auch ein flexibleres Lehrerdienst­recht, denn das, was wir heute an Starrheit haben, führt eben auch zu psychischen Be­lastungen. Die Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrer sind einigermaßen begrenzt, die Ent­wicklungspotenziale muss der Lehrer an sich selbst heben, denn das wird kein anderer für ihn tun, und die Umstiegsmöglichkeiten in andere Berufe sind gering.

Die einzelnen Tätigkeiten, die eine Lehrperson in der täglichen Arbeit umsetzen muss, sind bis in die dritte Kommastelle einer Unterrichtsstunde hinunter normiert, und es gibt nichts, was zum Beispiel einem Jahresarbeitszeitkonto entsprechen würde. Lehrer ha­ben in vielen Schulen keine adäquaten Arbeitsplätze, teilen sich Schreibtische mit an­deren Lehrkräften, haben keinen angemessenen Platz für ihre Unterlagen – das sind Arbeitsumstände, die wir sonst Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Österreich nicht zumuten würden.

Dazu kommt, dass die Gehaltsschemata so starr sind, dass man, egal, ob man fleißig ist oder nicht, immer gleich viel bezahlt bekommt. Umgekehrt hat mir aber auch noch niemand erklären können, warum ein Lehrer nicht kündbar ist wie ein ganz normaler Angestellter in der Privatwirtschaft auch, warum es da einen besonderen geschützten Kündigungsrahmen braucht.

Da gibt es einiges an Starrheiten im Lehrerdienstrecht, die gelockert gehören, wie über­haupt im öffentlichen Dienst mehrere Dinge im Dienstrecht massiv geändert gehören. Dort wird auch Geld verlocht, das wir gezielter bei den jungen Menschen einsetzen könnten. (Beifall bei den NEOS.)

14.57


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Stein­bichler. – Bitte.

 


14.57.05

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Frau Minister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und an den Fernsehgeräten! Ich habe hier ein Plakatsujet aus Oberösterreich mitgenommen (der Redner zeigt ein Plakat mit einem Zunge zeigenden Mädchen mit der Aufschrift: „Gscheite Bildung wär nicht blöd.“), da ich denke, dass das Wahlergebnis für die Grünen, die ja heute diese Sitzung zum Thema Bildung verlangt haben, sicherlich besser ausgefallen wäre, wenn man hier ein freundliches (Abg. Walser: Wolltest du nicht kandidieren in Oberösterreich? – weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Walser und Pirklhuber) – Herr Kollege Walser, wenn du nicht zuhörst, dann kriegst du die Lösung nicht! –, ein grüßendes, ein lächelndes Kind plakatiert hätte, denn solche Gesichter – ich gebe es schon wieder weg – wollen wir in Oberös­terreich nicht plakatiert haben. Leider ist Frau Kollegin Glawischnig nicht da, die kommt auch vom Land, und am Land wird das noch ein bisschen anders gesehen, das hat auch mit Bildung zu tun. Das ist die erste Form der Bildung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich komme aber schon zu den weiteren Punkten und darf bei der Frau Minister an­schließen. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) – Herr Kollege Pirklhuber, nicht so auf­regen, wir sind bei vielen Themen einer Meinung! Die Frau Minister hat sich heute – und da möchte ich mich voll anschließen – bei den Eltern und bei den Lehrerinnen und Lehrern bedankt, die hier bei uns in Österreich im Rahmen der Bildung und der ge­meinsamen Bildungsarbeit einen wesentlichen Grundstein legen. Ich darf trotz aller Kritik, die berechtigt vorgebracht wurde, auch darauf verweisen, dass eine Vielzahl von Managerinnen und Managern aus Österreich international in den verschiedensten Bereichen tätig sind, und ich darf auch diesen ganz, ganz herzlich gratulieren.


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Heute wurde bereits einige Male angesprochen: Politik raus aus der Schule! Das kann ich nur unterstreichen. Ich war 20 Jahre im Bezirksschulrat. (Abg. Walser: Jessas na! Das erklärt vieles!) Wenn wir im Bezirksschulrat so viel über Unterricht gesprochen hät­ten wie über Leiterbesetzungen, wo man einen jungen Leiter oder eine junge Leiterin braucht und wo man jemanden mit ganz einfachen Kursen positioniert, damit er die nötige Anzahl von Objektivierungspunkten hat – das ist doch nicht die Aufgabe! Und dann hat man gesagt, man löst die Bezirksschulräte auf. Jetzt sind sie Außenstellen von den Landesschulräten; da hat sich – außer Etikettenschwindel – nichts geändert. Das ist zu wenig! Leider dienen diese Einrichtungen allzu oft dem Machterhalt und nicht der Bildung und der Schule.

Frau Klubobfrau Glawischnig – sie ist leider jetzt nicht hier – hat nach meinem Dafür­halten heute mit ihrer Kategorisierung Schüler zweiter Klasse, wenn jemand nicht das Gymnasium macht und die Hauptschule besucht, Hunderttausende Facharbeiter, Ar­beiterinnen und Arbeiter diskriminiert. Ich glaube, so eine Einteilung kann man nicht machen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, so sind sie, die Grünen!) Das ist wirklich eine intensive Beleidigung der vielen wertvollen Facharbeiter – von der Friseurin bis zur Köchin, vom Automechaniker bis zum Bauhandwerker –, die oftmals, alleine weil sie aus dem ländlichen Raum kommen, gar nicht die Möglichkeit gehabt haben, ein Gymnasium zu besuchen. (Beifall beim Team Stronach.)

Da ist die Situation eine völlig andere als im urbanen Raum, wo natürlich das Schul­angebot – und nicht einmal da ist es ausreichend, wie wir von den Wiener Kolleginnen und Kollegen gehört haben – wesentlich dichter und wesentlich leichter erreichbar ist als am Land, wenn jemand irgendwo in einem abgelegenen Tal lebt. Das war aber in meiner Familie nicht der Fall. Wir haben so eine Zweiklassenfamilie – angeblich; ich sehe es nicht so, denn wir lieben alle gleich –, der Sohn hat das Gymnasium gemacht, aber die drei Mädchen nicht.

Ich bin überzeugt, für die Wirtschaft, für einen funktionierenden Staat sind alle gleich wichtig, egal, in welchem Bereich sie arbeiten. Ich habe es so oft hier an dieser Stelle gehört: Mit Bildung kann man die Arbeitslosigkeit lösen. – Na, das können wir gleich ausprobieren! Fragt einmal meinen Sohn, was es ändert, wenn er den Kühen auf La­teinisch oder auf Russisch sagt – denn darin hat er maturiert –, dass die Milch zu billig ist und er davon nicht mehr leben kann! (Beifall beim Team Stronach.)

Da muss man aufpassen, dass man nicht mit vordergründigen Argumenten eine Lö­sung in den Raum stellt, die gar keine Lösung ist, weil wir tatsächlich den Ursachen auf den Grund gehen müssen. Natürlich ist Bildung extrem wichtig, aber es müssen auch die Plätze dafür vorhanden sein. Wie oft erleben wir auf dem Arbeitsmarkt – reden Sie einmal mit Leuten vom AMS! –, dass gesagt wird: überqualifiziert, brauchen wir nicht, können wir nicht bezahlen, zu viele Kurse. Und wenn wir keinen Arbeitsplatz haben, dann schicken wir sie zur Umschulung. Das ist doch keine Arbeitsmarktpolitik! Das hat auch etwas mit Bildung zu tun, denn das ist die Fortsetzung der Schulbildung. (Beifall beim Team Stronach.)

Ein wesentlicher Punkt, und ich denke, hier sollte man noch viel mehr ansetzen, sind die Schulbibliotheken, neben der neuen Elektronik, die heute zur Verfügung steht. Wo­zu führt das? – Die Schüler haben von der ersten Klasse weg den elektronischen Rech­ner, und wenn sie im Kopf 13 mal 13 ausrechnen müssen, wie wir das früher gemacht haben, dann müssen sie das Handy herausnehmen und zu tippen anfangen, da sie nicht wissen, dass es 169 ist.

Das ist auch eine ganz gefährliche Entwicklung, und ich denke, neben der Elektronik brauchen wir gute Schulbibliotheken, brauchen wir gute Bücher, aufklärende Bücher, nicht nur historische – Geschichte ist ganz wichtig –, sondern auch welche über die Zu-


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kunft, die auch erklären, was wir mit unserem täglichen Tun, mit unserer täglichen Wirt­schaftsweise, mit unserer täglichen Denkweise wirklich bewirken. Ich habe wieder das Buch von Kurt Langbein mitgenommen: „Landraub“. (Der Redner zeigt ein Buch.)

Wir brauchen den Hausverstand nicht im Billa-Sackerl! Wir brauchen den Hausver­stand im Kopf der Österreicherinnen und Österreicher, der jungen Schülerinnen und Schüler, damit sie tatsächlich diese Entwicklungen abschätzen können.

Wir haben gerade bei der Asyldebatte das Ergebnis, dass man nur pauschal von Flücht­lingen spricht und in keinster Weise unterscheidet, ob das Asylanten oder Wirtschafts­migranten sind, was sie wirklich sind. Sonst kommt einmal eine Gesellschaft, die sagt: Okay, das ist Butter. (Der Redner zeigt ein Päckchen Margarine. – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist Regenwald, richtig, das wird nicht anders!

Herr Bürgermeister, das wäre ein Thema für deine Schule; ich weiß eh, du hast keine, aber sonst wäre das ein Thema für deine Schule: zu erklären, was unsere tägliche Le­bensweise macht. Das ist ja das Problem des ländlichen Raums, das ist ja das Pro­blem der ländlichen Bevölkerung. Diese Lüge hat sich so klass über die Hintertüre ein­geschlichen, und heute glauben alle, das ist normal. Wir brauchen ein paar bäuerliche Betriebe fürs Plakat, und das Lebensmittel kommt aus internationaler Produktion, leider oft aus zerstörender, umweltvernichtender und klimaschädigender Produktion.

Deshalb möchte ich mit Peter McDonald vom Hauptverband der Sozialversicherungs­träger schließen, der gesagt hat, er will die Gesundheitskosten mit Bewegung senken. Ich habe ihm dann einen Brief und ein E-Mail geschrieben. Natürlich ist Bewegung wichtig, aber es geht nicht nur um die tägliche Turnstunde, sondern ich glaube, wir sollten auch in der Schule erklären, wie wichtig eine gesunde, regionale Ernährung für die Zukunft der Leute, für die Gesundheit der Leute, für die Einsparung bei den Bud­gets ist, denn die Krankheitskosten sind enorm. Schauen wir uns die amerikanischen Kinder an, die dann so übergewichtig sind durch diese Zuckerersatzstoffe, und, und, und. Wollen wir das in Österreich? Da gilt es anzusetzen! Das ist auch Bildung, eine wesentliche Bildung.

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulautonomie für Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zur Beschlussfassung zuzuleiten, der darauf abzielt, den österreichischen Schulen die Voll­autonomie zuzuerkennen.“

*****

Wir bitten um Unterstützung. (Beifall beim Team Stronach.)

15.05


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Steinbichler eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend „Schulautonomie für Österreich“

eingebracht im Zuge der Debatte des Nationalrates am 6.10.2015 zur Dringliche An­frage betreffend „Bildungsreform 2015 – großer Wurf oder nächster Flop?“

Eine Volkswirtschaft, die den Wert der Bildung außer Acht lässt, verspielt ihre Wettbe­werbsfähigkeit. Wir benötigen für Österreich ein Bildungssystem, das im internationa­len Vergleich wieder zu den Besten zählt.

Das ist nur durch eine Gesamtreform mit dem Ziel einer autonomen und schlanken Schulverwaltung mit einheitlichen Vorgaben durch den Bund möglich. In der Ausfüh­rung sollen beispielsweise die einzelnen Direktoren als „Manager“ direkt vor Ort für alle Belange ihrer Schule verantwortlich sein und insbesondere die Auswahl des bestqua­lifizierten Lehrpersonals vornehmen können. Gleichzeitig ist der Einfluss der Politik auf das Schulsystem zu beenden. Deswegen sollen beispielsweise die Schuldirektoren von den Eltern direkt gewählt werden.

In Österreich beherrschen 20% der Pflichtschulabgänger die wesentlichen Kulturtech­niken nicht ausreichend. Abhilfe schafft hier nur ein transparentes Bildungssystem mit klar definierten Bildungszielen. Jedem Schüler sind die zentralen Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen in ausreichendem Umfang zu vermitteln. Jede Schule hat dabei dieselben, vom Bund vorgegebenen Bildungsziele zu erreichen – garantiert wird das durch eine halbjährliche Kontrolle durch externe Prüfer. Erreichen die jungen Menschen einer Schule die Bildungsziele nicht, soll die Schule unterstützt werden – so lange bis es funktioniert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zur Beschlussfassung zuzuleiten, der darauf abzielt, den österreichischen Schulen die Voll­autonomie zuzuerkennen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


15.05.44

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! (Abg. Steinbichler versucht, Bundesministerin Heinisch-Hosek ein Päckchen Margarine zu überreichen.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Steinbichler!

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (fortsetzend): Jeder Mensch ist etwas Beson­deres. Jeder Mensch ist einzigartig. Jeder Mensch hat seine unterschiedlichen Fähig­keiten und Talente. Daher kann die Antwort für alle Kinder nur ein differenziertes Schul­system sein, damit man möglichst allen gerecht werden kann, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Walser: Zwei Typen sind das!)

Herr Kollege Walser! Wenn Sie mir jetzt sagen, dass es nur zwei Typen von Menschen gibt, glaube ich, dass die Mehrheit der Bevölkerung ganz klar der Meinung ist, dass es viel, viel mehr verschiedene Menschen gibt mit viel mehr unterschiedlichen Talenten und Neigungen. Und danach, glaube ich, sollte man den Menschen ganz, ganz, ganz viele Möglichkeiten geben. (Abg. Walser: AHS und Neue Mittelschule! Sie sagen das! Wir wollen Differenzierung!)


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Sie, Herr Kollege Walser, haben von Mut in Wien gesprochen. – Ja, dazu kann ich Sie nur ermuntern. Es ist Zeit, wie Julian Schmid gesagt hat, dass wir eine Veränderung in Wien haben, denn es darf nicht weiter sein, dass man in Wien keine Wahlfreiheit mehr hat, ob man in eine verschränkte Ganztagsschule oder in eine offene Volksschule geht. Es ist ganz wichtig, dass auch hier die Erziehungsberechtigten und die Lehrer die Mög­lichkeiten haben, mitzustimmen für eine verschränkte Ganztagsschule oder eine offene Ganztagsschule. (Abg. Walser: Das ist die Gesamtschule!) Wir sollten ihnen die Wahl­freiheit lassen und ihnen diese nicht nehmen, wie Sie es gerade in Wien tun, sodass an bestimmten Standorten nur mehr eine verschränkte Ganztagsschule ist, wobei die Eltern erst um 15.30 Uhr die Möglichkeit haben, ihre Kinder abzuholen, und ihren Kin­dern keine andere Freizeitmöglichkeit mehr zukommen lassen. (Abg. Matznetter: Nicht nur in Wien! Auf der ganzen Welt!) Das ist leider der falsche Weg, Herr Kollege Walser! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ganz wichtig, dass wir den Kindern auch Freude am Lernen lassen. Sie lernen gerne gehen, sie lernen gerne reden, und sie lernen auch gerne lernen, und das ganz unterschiedlich. Nicht nur Wissensvermittlung steht an, es steht auch Sozialverhalten an. Es geht auch darum, dass die Menschen ihre ganze Persönlichkeit wirklich entwi­ckeln können. Und da geht es auch um musische Bildung, da geht es um handwerkli­che Fähigkeiten, um ganz, ganz viel, und das hat alles seine gleiche Wertigkeit.

Daher, Frau Kollegin Kuntzl, ist es nicht wichtig, dass wir Nachhilfe für alle anbieten, weil es nicht notwendig ist, dass alle in die gleiche Schule gehen, sondern es sollte jedem Kind die Schule zukommen können, die ihm gefällt und die nach seinen Nei­gungen auch für das Kind geeignet ist. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Ich denke, dass wir da ganz bewusst wirklich die Schule zum Kind kommen lassen sollten und nicht umgekehrt, das Kind immer in die Schule gehen lassen müssen, wobei es keine Wahl­möglichkeit hat.

Es liegt an den handelnden Personen in der Schule, ob Schule gelingt. Und daher hier von meiner Seite noch eine Bitte: Unterstützen Sie die Lehrerinnen und Lehrer! Die brauchen jetzt auch vonseiten der Politik jeden Support, gerade in Wien. Wir haben eine große Anzahl von Flüchtlingskindern, die brauchen auch Vorbereitungskurse in Deutsch. Die brauchen die Möglichkeit, dass, wenn sie in den Unterricht kommen, sie ihm auch folgen können. Hier können Sie von Rot-Grün in Wien einmal wahre Bei­spiele setzen, wo Sie den Menschen unmittelbar helfen können – den Flüchtlingen und den Kindern, die jetzt schon in der Klasse sind –, damit ihnen die Leistung gebührt, die sie sich verdienen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Walser: Wir tun das!)

15.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.

 


15.09.13

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Frau Staatsse­kretärin! Hohes Haus! Was wir heute in dieser Bildungsdebatte wieder einmal sehen, ist, dass sie wie ein Ei dem anderen Ei gleicht, das in dieser bildungspolitischen Dis­kussion gelegt wird und immer mit den gleichen, sage ich einmal, Schlagwörtern ge­schmückt wird – mit Jahrhundertreform, Wohlfühloasen und dergleichen fort –, und dass da über eine schöne heile Welt bramarbasiert wird, die es da draußen in unseren Schulen geben soll. Die Realität, das wissen wir aber alle, schaut natürlich etwas an­ders aus und wird sich, das ist zu befürchten, mit dieser Bildungsreform, die da kom­men wird, auch nicht ändern.

Wir alle wissen, dass die Ankündigungen, dass es mehr Geld gibt, zwar schön und nett sind, dass aber im harten Schulalltag etwa Kleinschulen geschlossen werden, dass


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Stunden gekürzt werden, dass es – das ist gerade wieder in den Medien gewesen – weniger Skikurse geben soll und dass es in den letzten Jahren und Jahrzehnten weni­ger Leistungs- und Neigungsgruppen gibt. Da braucht man, glaube ich, nicht davon zu reden, dass man da dann ein neues Schulprojekt umsetzt, wenn man das bestehende nicht in den Griff bekommt.

Wir sind schon der Meinung, dass es einen Handlungsbedarf gibt – das ist überhaupt keine Frage –, aber nicht notwendigerweise unter dieser Prämisse, dass man sagt, dass man hier eine sozialistische Bildungsutopie mit der gemeinsamen Schule schafft, sondern der besteht unseres Erachtens gemeinsam mit dem Erhalt des bestehenden Systems, das wir haben, dem differenzierten Schulsystem. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Heinisch-Hosek.) Darüber hinaus glaube ich auch, dass wir einen erhöhten Handlungsbedarf in der Volksschule, die bereits eine bestehende Gesamt­schule oder gemeinsame Schule ist, haben.

Kollege Lugar hat es heute, glaube ich, schon auf den Punkt gebracht. Was wollen wir von der Schule? – Wir wollen, dass die Kinder lesen und schreiben, vielleicht auch noch rechnen können. Wenn das nicht funktioniert, dann müssen wir da etwas ändern.

Im Zusammenhang mit der Bildungsreformkommission wurde heute auch schon mehr­fach gesagt, dass nicht alle Stakeholder oder alle Interessenvertreter eingebunden wurden. Ich kann Ihnen, glaube ich, insofern weiterhelfen und sagen, warum das bei­spielsweise bei den Schülervertretern nicht der Fall war. Da wissen wir nämlich, dass diese mehrheitlich die Beibehaltung des differenzierten Schulsystems fordern, und das steht ja wohl dem, was die Ministerin will, entgegen. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Mit denen bin ich andauernd in Kontakt!) – Aber eingebunden in die Reform­kommission sind sie nicht.

Wir alle wissen oder befürchten, dass bei dieser Reform nichts Gutes herauskommen wird, dass es durch diese sozialistische Reform weiteren Zwang in den Schulen geben wird – wir haben das heute schon ausführlich besprochen –, dass – Stichwort Zentral­matura – das Niveau weiter nach unten gedrückt werden wird und dass unsere Kinder nicht mehr ihren Talenten entsprechend gefördert werden können. Ich befürchte an dieser Stelle auch, dass es nicht zu mehr Chancengleichheit führen wird, sondern eher zu weniger, weil dann natürlich jene, die es sich leisten können, in Privatschulen flie­hen werden. (Beifall bei der FPÖ.) Damit wird im Grunde genommen erst recht eine Zweiklassengesellschaft gefördert.

Wenn ich die ÖVP heute höre, dann sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass da durch­aus positive Grundsätze zum Besten gegeben werden. Ich möchte aber auch fragen, wo sich denn dann diese Grundsätze in der Regierungsarbeit wiederfinden. Ich sehe das derzeit leider nicht; da werken nur die Sozialisten herum.

In diesem Sinne möchte ich zum Schluss festhalten, dass die Bildungspolitik, die diese Regierung betreibt, ein weiterer Bereich ist, der als gescheitert zu betrachten ist, und ein weiterer Grund dafür ist, dass wir endlich Neuwahlen brauchen, um diesem Trau­erspiel ein Ende zu setzen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.12


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais zu Wort. – Bitte.

 


15.12.43

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Meine Damen und Herren! Ausbildung und Schule sind die entscheidenden Fak­toren für unsere Jugend und für ihre Zukunft. Bei aller Diskussion – wir haben es heute schon gehört –, das Kind ist einfach das Wichtigste. Es muss mit all seinen Fähigkeiten


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und Begabungen im Mittelpunkt stehen, und es ist ganz egal, ob die Fähigkeiten geis­tig oder manuell sind.

Wenn 7 Prozent der Jugendlichen die Schule abbrechen, wenn bei den Schulabbre­chern eine Arbeitslosenrate von 20 Prozent vorherrscht und das vor allem durch die fehlenden Grundkenntnisse aus der Grundschule begründet ist, dann ist es notwendig, dass wir gerade unseren Jungen stabile Grundkenntnisse mitgeben, denn sie kommen mit den verschiedensten Voraussetzungen. Wir sehen, dass schon jedes sechste Kin­dergartenkind nicht Deutsch als Muttersprache hat. Daher ist es besonders wichtig, den jungen Leuten die Grundfächer – auch das sinnerfassende Lesen – zu vermitteln.

Um das besser in den Griff zu bekommen, müssen wir einen besseren Übergang zwi­schen Kindergarten und Volksschule schaffen und Sprachstartkurse für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache anbieten. Die Förderung ist da etwas besonders Wich­tiges, aber nicht nur die Förderung, sondern auch die Forderung, denn wir wollen Kin­der, die dann in ihrem Berufsleben auch ihren Mann stellen. Daher ist die Forderung auch notwendig.

Auch das differenzierte Schulsystem ist mir wichtig, denn neben der Neuen Mittel­schule muss es auch das Gymnasium geben, und da ein Aufnahmeverfahren, sodass der Druck von den Lehrern weggenommen wird.

Auch die ganztägigen Schulformen soll es für unsere berufstätigen Familien geben, aber mit Wahlfreiheit, denn – das ist uns ganz wichtig – dort, wo das Kind am Nach­mittag zu Hause sein kann, soll auch die Möglichkeit dazu vorhanden sein.

Zu Doppelgleisigkeiten – Verantwortung beim Bund und bei den Ländern – und dem Stärken der Verantwortung möchte ich sagen, dass die Bundeszuständigkeit für die Lehrpläne, die Ziele und die Standards da sein soll und dass die Länder für die Ausfüh­rung und Durchführung zuständig sein sollen, denn die Regionalität ist natürlich bei den Ländern besser aufgehoben. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) – Ich hät­te noch viel zu sagen.

Zum Schluss vielleicht noch Folgendes: Das Wichtigste für die Qualität sind die Lehrer und Lehrerinnen an den Schulen; und denen möchte ich wirklich meinen herzlichen Dank für das, was sie leisten, sagen. Ich denke mir, die Bildungsreform wird ein gutes Ergebnis zum Wohl unserer Kinder bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.15


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


15.15.28

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute sehr genau zugehört, und eigentlich kommt von jeder Partei die Aussage, dass Ausbildung und Bildung eine ganz wichtige Grundlage für das Leben sind.

Die gesellschaftlichen Änderungen und Anforderungen machen auch vor unserem Bil­dungssystem nicht halt, nur: Noch immer werden Schulgremien wie das Kollegium des Landesschulrates parteipolitisch besetzt. Die Schule, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf nicht zum Spielball der Politik werden. Die Schulleiterinnen und Schulleiter sollen aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz ausgesucht werden und nicht als verlän­gerter Arm von Rot, Schwarz und Grün fungieren – vor allem das, hat die Frau Minister heute gesagt hat, wäre ihr ganz wichtig. (Abg. Brosz: Sie können ruhig Blau auch sa­gen, Sie sind eh nicht mehr dabei! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das oberste Ziel jeder Schule muss es sein, den Schülerinnen und Schülern bestmögliches Wissen und die Befähigung für ihren weiteren Lebensweg mitzugeben, die Begabten zu fördern und die schwächeren Schü-


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lerinnen und Schüler zu unterstützen, damit sie einen ordentlichen Schulabschluss er­reichen. Die Realität schaut aber ganz anders aus. Wir haben heute schon gehört, es gibt sehr viele Jugendliche, die nach neun Pflichtschuljahren nicht ordentlich rechnen und lesen können, massive Defizite in Deutsch und Mathematik haben. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren!

Wir haben gehört, dass es immer mehr Schulabbrecher gibt. Wir haben immer mehr, die ihre Lehre abbrechen. Die Lehrpersonen werden mit der Bürokratie überhäuft, so­dass sie ihren ursprünglichen Aufgaben nicht mehr nachkommen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt auch ein Streichkonzert in den Schulen – zum Beispiel in Salzburg –, und es heißt, der Sparkurs gilt nur heuer. Das glaubt niemand. Seit Schulbeginn wurden insgesamt 320 Stunden gestrichen, fielen Freifächer und ver­tiefter Sprach- und Musikunterricht an vielen Gymnasien weg. Wo gespart wird, heißt es, kann jede Schule selbst entscheiden – eine großartige Errungenschaft, meine Da­men und Herren.

Ich sage, das ist ein Kahlschlag für das gesamte Bildungssystem und stellt dieser Bun­desregierung ein schlechtes Zeugnis aus. – Herzlichen Dank. (Beifall beim Team Stro­nach.)

15.18


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


15.18.04

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Staatssekretär und Staatssekretärin! Zur Bildung, zum Bildungs­notstand: Für mich ist die parteifreie Bildung die Grundlage für jede spätere Erwerbs­form – egal, ob als Arbeiter, Angestellter, Selbständiger oder im öffentlichen Dienst.

Die Bildung unserer Kinder außerhalb des Elternhauses beginnt zu einem gewissen Teil bereits im Kindergarten und zieht sich – der jeweiligen Eignung, aber auch dem je­weiligen Fleiß und Willen entsprechend – über die Pflichtschule bis hin zur Matura, Pflichtmatura oder Fachmatura oder bis hin zu einem möglichen Studienabschluss.

Diese österreichischen Bildungsstrukturen mit ihren verschiedenen, den Kindern ange­passten Bildungsmöglichkeiten genossen im Großen und Ganzen bisher überaus ho­hes Ansehen und damit auch Zustimmung in der Bevölkerung. Nunmehr fühlt sich un­sere Bundesregierung gezwungen – ganz dem Zuruf aus Brüssel folgend –, unser Bil­dungssystem dem sogenannten internationalen Standard anzupassen und in ein Ein­heitssystem zu verwandeln. Diese Anpassung bedeutet jedoch zunehmend den Rück­bau anerkannter Bildungssysteme, wie zum Beispiel des nach wie vor wichtigen Gym­nasiums.

Die Beherrschung unserer deutschen Muttersprache ist wichtigste Grundlage eines Bil­dungserfolgs in unserem Heimatland sowie Grundlage eines anzustrebenden Dienst­verhältnisses. Dies wird jedoch durch einen viel zu hohen Anteil der deutschen Spra­che nicht mächtiger Schüler erschwert. Durch diese grenzenlose Zunahme an nicht deutschsprachigen Schülern und Auszubildenden besteht die Notwendigkeit, Grund­kenntnisse in separat geführten Klassen und Vorschulen zu vermitteln. Dies hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, ist jedoch für den Bildungserfolg heimischer wie auch nicht deutschsprachiger Kinder und Jugendlicher dringend erforderlich.

Das Bildungsniveau beziehungsweise die Aussetzung der Teilnahme am PISA-Test sprechen eine deutliche Sprache. Der amtierenden Bundesregierung, insbesondere dem Bundesministerium ist hier Versagen vorzuwerfen. Bildungsdefizite bestehen in hohem Ausmaß gerade bei jenen Schülern, welche nach der Pflichtschule einen Lehrberuf an­streben. Seitens der Wirtschaftskammer wird mit Recht kritisiert, dass Hauptschulab-


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gänger viel zu oft weder die Grundrechnungsarten beherrschen noch ausreichend le­sen und schreiben können. Darüber hinaus nimmt die Zahl von Schulabbrechern sowie von solchen Jugendlichen, welche ihre Lehre oder sogar mehrere Lehren mit Verzicht auf die Lehrabschlussprüfung abbrechen, dramatisch zu. (Präsident Kopf gibt das Glo­ckenzeichen.)

Die Umbenennung von Hauptschulen in sogenannte Neue Mittelschulen und die stück­weise Demontage von Gymnasien ist kein erfolgreicher Weg, unseren Bildungsnot­stand entscheidend zu bekämpfen. Eine sinnvolle ...

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, den Schlusssatz, bitte!

 


Abgeordneter Gerhard Schmid (fortsetzend): ... ist dringend erforderlich. – Danke. (Bei­fall des Abg. Hagen.)

15.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


15.21.42

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Staatsse­kretärin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich dem Dank der Frau Ministerin und unserer Bildungssprecherin an die Grünen dafür an­schließen, dass dieses wichtige und aktuelle Thema heute noch einmal behandelt wird. Ich meine, man hat die Unterschiede auch klar herausgearbeitet, wo man den Hebel ansetzen kann, wo etwas geschieht, etwas getan wird und was eigentlich alles in Vor­bereitung ist.

Was mich am meisten ärgert, ist, dass diejenigen die bisherigen Ergebnisse betreffend Bildungssystem am meisten kritisieren, die am wenigsten irgendwelche Reformen zu­lassen wollen. Da muss alles so bleiben. (Beifall bei der SPÖ.) Man kritisiert das Sys­tem, man kritisiert die Ergebnisse. Wenn man sagt, was die Möglichkeiten wären – un­terstützt von einer breiten Öffentlichkeit, von wirklich fundierten Ergebnissen in der Wis­senschaft, von Praktikern, von Eltern, von Studien, die wir gehört haben –, und dann wird gesagt, dass es aber keine Reform sein darf, dass alles so bleiben muss, wie es ist, dass einem das, was herauskommt, aber zu wenig ist, das ist die Unehrlichkeit, die ich besonders Ihnen von der blauen Fraktion vorwerfen muss. (Abg. Walter Rosen­kranz: Geh! Geh!) Sie kritisieren alles, und jeder Vorschlag, der gemacht wird, wird von vornherein schlechtgeredet. Das ist das, was ich Ihnen vorwerfen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Bereich ist der Bereich Schulautonomie. (Abg. Walter Rosenkranz: Das Gute ist nicht neu und das Neue nicht gut!) Ich weiß, dass die Ministerin sehr engagiert dafür kämpft, dass es uns gelingt, den Schulstandort aufzuwerten. Wer, wenn nicht der Schulstandort selbst, kann entscheiden, wie man am besten die Mittagsbetreuung, die Ganztagsbetreuung macht, wie man am besten die Kinder, die man hat, in seine Gemeinde integrieren kann. Die wissen, wie man am besten auch Schwächere fördern, wie man am besten Vereine in seine Ganztagsbetreuung einbinden kann. Das kann der Schulstandort.

Für mich ist ein Satz ganz wichtig; den vergesse ich nicht mehr. Ich glaube, es war eine Kollegin der ÖVP, die den ersten Satz gesagt hat, als wir einen Verfassungsunter­ausschuss zum Thema Schulreform hatten, bei dem IHS, Rechnungshof und alle mit dabei waren. Eine Kollegin von der ÖVP hat gefragt, ob Herr Präsident Moser ihr ein­mal sagen kann, wie viele Lehrer an unseren Schulen sind, aber nicht in einer Klasse stehen, nicht unterrichten. Die Antwort war einhellig von allen Kontrollbehörden, von allen, die da waren, dass sie das nicht wissen, weil die Länder es ihnen nicht sagen. Das ist aber in jedem Bereich der Schulreform ein wesentlicher Punkt: Es darf nicht mehr sein, dass der, der zahlt, nicht mehr anschaffen kann, dass der, der zahlt, nicht


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mehr weiß, wo die Leute, die er bezahlt, auch tatsächlich beschäftigt sind. Das ist eine wichtige und zentrale Forderung im Bereich dieser Schulautonomie. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Nicht zuletzt sind erfreulicherweise von allen wichtige Sätze gesagt worden, nämlich dass die Schule mit dem Lehrer, mit der Lehrerpersönlichkeit steht und fällt. Das steht außer Streit. Eine der wichtigsten Reformmaßnahmen – Kollege Töchterle hat es noch einmal unterstrichen –, die man gesetzt hat, ist die neue PädagogInnenausbildung für alle Bereiche – auch im Bereich der Frühpädagogik, Sonderpädagogik bis hinauf zu den AHS und Oberstufen. Es ist sehr wichtig und ich habe schon selbst vor Vertretern anderer Länder darüber referieren dürfen, was wir hier mit der neuen Pädagogikreform auf die Beine gestellt haben.

Zum Dienstrecht: Derzeit habe ich sehr viele Anfragen, wie man in das neue Dienst­recht, das so breit kritisiert wurde und von allen verteufelt wurde, kommen kann, wie man in dieses Dienstrecht switchen kann, weil man das neue Dienstrecht möchte. Tag­täglich bekomme ich – ich nehme an, dass es auch vielen von euch so geht –, bekom­men wir Mails, dass jemand in dieses neue Dienstrecht möchte und fragt, warum er oder sie das nicht kann.

Das sind aus unserer Sicht ganz wichtige Bereiche, die wir vorantreiben sollten, denn die Zukunft unserer Kinder liegt tatsächlich in den Händen der Lehrer, und bis auf we­nige Ausnahmen – ein Schimpfwort wurde schon genannt, nämlich „Wanderpokal“ – wird hier tatsächlich beste pädagogische Arbeit geleistet.

Ein Satz sei mir noch gewährt, weil hier auch sehr viel Kommunalpolitisches gesagt wurde: Ich bin mit Stolz Vorarlberger und würde nichts über mein Heimatland kommen lassen; aber ich sage Ihnen, ich bin genauso stolz auf unsere Bundeshauptstadt. Ich führe nicht nur Schüler- und Erwachsenengruppen durchs Parlament, sondern auch durch die Stadt Wien. Ich hatte noch keinen, der so kritische Begriffe wie Wasserkopf und viele andere Dinge verwendet. Ich habe noch keinen gefunden, der nur ein schlech­tes Wort über diese Stadt gefunden hätte.

Genauso geht es mir dann, wenn ich in meinem eigenen Heimatbundesland zum Bei­spiel ganztägige Betreuungsformen suche. Da kann ich mit dem Zirkel einen Kreis über zehn Kilometer machen – das ist bei uns draußen fast ein Bezirk –, ich finde für Eltern, die das wollen, keine ganztägige Betreuung für ihre Kinder. Ich finde sie nicht. Wenn Alleinstehende berufstätig sein müssen, dann finden sie keine Ganztagsbetreuung. Ich glaube, es wäre es wert, ohne das schlechtzumachen, diesen Kampf der Ministerin zu unterstützen, dass tatsächlich alle, die es brauchen und die es benötigen, eine solche Förderung bekommen. Dass alles der Staat regeln soll, will niemand; aber wir möchten allen Kindern die Chance geben, die sie haben, nämlich dass jedes Kind seine Chan­cen wahrnehmen kann. Diese Maßnahmen, die die Regierung bis jetzt gesetzt hat, die auch in Planung sind, dienen alle ausschließlich dazu, das Bildungssystem nachhaltig zu verbessern.

Zum Schluss – und auch das sei einigen ins Stammbuch geschrieben – möchte ich et­was zitieren, weil ich immer das Beispiel nenne, dass die Bildung ein riesiger Dampfer ist und dass es seine Zeit dauert, bis man die Auswirkungen einer Bildungsreform er­kennen kann. Zum Schluss vielleicht ein Zitat von Bildungspädagogin Christiane Spiel, die, wie ich meine, in unserem Kreis außer Streit steht: „Ein Hauptproblem im Bildungs­bereich ist, dass man Erfolge von Reformen erst spät einfährt.“

Das wird auch bei diesen Maßnahmen wie neue Matura, Oberstufenreform, Bildungs­reform insgesamt so sein. Daher bitte ich alle – auch diejenigen, die laufend Ergebnis­se kritisieren –, endlich zuzustimmen, sodass Reformen möglich sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28



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Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Ing. Lu­gar. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 1 Minute. – Bitte.

 


15.28.44

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir ha­ben heute die eine zentrale Frage nicht beantwortet bekommen, und zwar lautet die zentrale Frage: Was kann die Politik besser als alle vor Ort? Was kann die Frau Mi­nisterin besser als die Direktoren, die Lehrer, die Elternvertreter vor Ort? – Diese zen­trale Frage wurde heute nicht beantwortet, denn mit dieser zentralen Frage könnte man auch erklären, warum man nicht Autonomie gibt. Der einzige Grund, warum man keine Autonomie gibt, wäre, dass es die Frau Ministerin besser weiß als die vor Ort. (Zwi­schenbemerkung von Bundesministerin Heinisch-Hosek.) Das ist aber nicht der Fall, und deshalb will man diese Frage auch nicht klären.

In Wirklichkeit werden wir hier nur verschaukelt. Wir werden in dieser Debatte genauso wie in der Asylfrage verschaukelt, denn es gibt Hinweise, dass Herr Faymann gerade auf den Knien vor Frau Merkel herumrutscht, um sie zu bitten, die Grenzen erst nach der Wien-Wahl zu schließen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genau das ist der Punkt. Dieses Ansinnen hat nur einen Zweck, nämlich dass man verschleiert, dass man hier die Wahrheit nicht ans Licht kommen lässt, dass die Re­gierung weder in der Bildungsfrage noch in der Asylfrage den Durchblick hat. (Präsi­dent Kopf gibt das Glockenzeichen.) Das soll hier verschleiert werden, und das ist hier auch dementsprechend anzuprangern. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

15.29


Präsident Karlheinz Kopf: Als vorläufig letzter Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. Restredezeit Ihres Klubs: 1 Minute. – Bitte.

 


15.30.11

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kollege Mayer hat gemeint: Lassen Sie alles zu, Reformen, alles muss neu oder sonst irgendetwas werden! – Kollege Mayer, auch wenn man überall das Wort neu hinschreibt, muss es nicht gut sein.

Ich erinnere da an das Dichterwort des Gotthold Ephraim Lessing, der bei Theater­kritiken immer gesagt hat: Dieses Theaterstück enthielt viel Gutes und Neues, nur das Neue ist nicht gut und das Gute ist nicht neu. – Zitatende.

In diesem Sinne kann ich nur sagen: Die Verbesserung des differenzierten Schulsys­tems liegt nicht in der Gesamtschule, sondern im verbesserten differenzierten Schul­system. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.30


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich noch Frau Abgeordnete Maurer zu Wort ge­meldet. Restredezeit Ihres Klubs: 4 Minuten. – Bitte.

 


15.31.00

Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Mitglieder der Regierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt die letzten dreieinhalb Stunden über die anstehende Bildungsreform diskutiert, die die Bundesregierung großmundig für den 17. November ausgerufen und angekündigt hat. Wir haben das gemacht in der Befürchtung, dass diese Reform ein durchaus übliches Schicksal österreichischer Reformen erleidet, nämlich dann am 17. November nur mehr zu einem kümmerlichen Reförmchen wird und nur sehr wenig von den großen Ankündigungen übrig bleibt. Wir wollten dieses Thema hier diskutieren, um ein biss­chen Licht ins Dunkel zu bringen, in dieses – mein Kollege Walser hat es so genannt – „Geheimprojekt“ Bildungsreform.


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Frau Ministerin, Sie und auch Ihre SPÖ-Kollegin Frau Grossmann haben über Ihre letz­ten Wochen, über Ihre Besuche in 16 Bildungseinrichtungen berichtet und gesagt, es sei nicht alles schrecklich in diesem Schulsystem. Sie haben berichtet von innovativen Schulprojekten, von motivierten LehrerInnen, von Schulcampussen, die sehr toll sind. Frau Grossmann hat betont, dass es in Wien sehr viele tolle Projekte gibt, dass es da sehr wenige Probleme gibt und so weiter.

Ja, Sie haben recht, es ist nicht alles schrecklich an diesem Schulsystem, es gibt gute Schulen, und es gibt auch gute Bildungseinrichtungen hier. Schrecklich ist aber, dass sehr viele Kinder nicht die Möglichkeit haben, in eine innovative Campusschule im Sonn­wendviertel zu gehen, sondern es nach wie vor in allererster Linie davon abhängig ist, welchen Bildungsstand die Eltern haben, ob sie arm oder reich sind, ob sie auf dem Land oder in der Stadt aufwachsen. Aus all diesen Gründen wollen wir die gemein­same Schule, wir wollen die Auseinandersortierung mit zehn Jahren aufheben. Das entspricht auch Ihrer eigenen Argumentation, das ist ja der Grund, warum wir diese Diskussion überhaupt führen, also kann nicht alles so wunderbar sein, wie Sie uns das hier darzulegen versuchen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zum Ansinnen, diese gemeinsame Schule einzuführen, verhält sich die ÖVP nach ih­rem klassischen Muster; wir haben es heute wieder sehr schön präsentiert bekommen: Während der Beton im Westen dieses Landes langsam zu bröckeln beginnt, während man in Vorarlberg und Tirol bei ÖVP-KollegInnen dort eine sehr deutliche Bereitschaft erkennt, einen wichtigen Schritt in diese richtige Richtung zu gehen, treten heute hier wieder Kollegin Jank und Kollege El Habbassi auf. Während der Beton im Westen brö­ckelt, zementiert man sich in Wien offenbar wieder bis zum Hals, bis zur völligen Un­beweglichkeit ein. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben dasselbe Bild wie eh und je: Die SPÖ beschönigt die Situation, während die ÖVP betoniert und blockiert.

Wir haben heute diese 50 Fragen gestellt, um eben Licht ins Dunkel zu bringen und herauszufinden, was uns denn am 17. November, Ihrer eigens gesetzten Deadline, er­wartet; und die meisten unserer Fragen, Frau Ministerin, haben Sie wie so oft sehr vage beantwortet. Allerdings ist eine Frage nicht vage beantwortet worden, sondern Sie haben uns eine deutliche Antwort gegeben, und die ist sehr erfreulich, muss man dazusagen.

Unsere Frage, wie denn die Berechnungen der Bildungsreformkommission aussehen in der Frage: Ist die Verländerung der Schulverwaltung teurer oder nicht?, haben Sie eindeutig mit Ja beantwortet. Sie haben gesagt, es sind erhebliche Kosten. Damit ist die Verländerung der Schulverwaltung, die Verländerung des österreichischen Bildungs­systems tot. Alles andere wäre absurd. Das halte ich für einen sehr, sehr wichtigen Punkt in dieser Beantwortung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Vielleicht stimmt’s aber nicht!)

Die ÖVP-Landeshauptleute haben diesen Kampf verloren, ganz eindeutig. Was aller­dings (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen) mit Blick auf den 17. November zu be­fürchten ist: Die Frage ist, gibt es einen rot-schwarzen Abtausch, keine Verländerung, aber dafür auch keine Gesamtschule. Herr Häupl hat in einem Zitat, das Herr Walser vorher gebracht hat, gesagt, das Gymnasium könnte seiner Meinung nach vielleicht auch bleiben.

Wir werden weiterhin ganz stark darauf schauen und darauf pochen, dass es nicht
nur eine Minireform wird, und werden Sie dann an den Ergebnissen messen. Der 17. November kommt nämlich sehr schnell. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

15.35



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 89

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt und Ausbau der erfolgreichsten Schul­form: des Gymnasiums.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Deutschklassen“ für Schüler ohne ausreichende Kennt­nis der Unterrichtssprache.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Entpolitisierung des Bildungsbereiches.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung von Bildungsreform-Maßnahmen, die breites­te Unterstützung aus der Zivilgesellschaft haben.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abge­lehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend Umsetzung des 10-Punkte-Forderungsprogramms der Sozial­partner und der Industriellenvereinigung bezüglich Elementarbildung.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Lugar, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Schulautonomie für Österreich“.

Wer ist für diesen Antrag? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1351/A(E) bis 1364/A(E) eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 6657/J bis 6706/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 15.39 Uhr ein; das ist gleich im An­schluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

15.38.38Schluss der Sitzung: 15.39 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien