Stenographisches Protokoll
847. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 19. November 2015
847. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 19. November 2015
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 19. November 2015: 9.05 – 17.52 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (SprG-Novelle 2015)
2. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya – March
3. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen
4. Punkt: Sicherheitsbericht 2014
5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird
6. Punkt: Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen
7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird
8. Punkt: Grüner Bericht 2015
9. Punkt: Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird
11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz, das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und das Postmarktgesetz geändert werden
12. Punkt: Vierter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees
13. Punkt: Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014
14. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung 2014
15. Punkt: Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015
16. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3091/15 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2014
*****
Inhalt
Bundesrat
Ansprache des Präsidenten Gottfried Kneifel zum Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris ................................................................................................................................. 8
Schreiben des Bundeskanzlers betreffend neuerliche Nominierung des österreichischen Mitgliedes des Gerichtes der Europäischen Union als Kandidaten als Richter gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ......................................................................................................... 31
Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 58
Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 59
Personalien
Verhinderung .................................................................................................................... 8
Aktuelle Stunde (37.)
Thema: „Asyl: Aktuelle Herausforderungen brauchen europäische Antworten“ 8
Redner/Rednerinnen:
Gerhard Schödinger ...................................................................................................... 9
Stefan Schennach ........................................................................................................ 11
Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 13
Marco Schreuder .......................................................................................................... 16
Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ................................................... 18, 30
Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 22
Peter Heger ................................................................................................................... 24
Werner Herbert ............................................................................................................. 25
David Stögmüller .......................................................................................................... 27
Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 28
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 30
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 33
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................................. 33
Verhandlungen
1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (SprG-Novelle 2015) (822 d.B. und 865 d.B. sowie 9471/BR d.B.) ............................................................................................................................... 33
Berichterstatter: Gregor Hammerl ................................................................................ 34
Redner/Rednerinnen:
Armin Forstner, MPA ................................................................................................... 34
Martin Weber ................................................................................................................. 35
Christoph Längle .......................................................................................................... 36
Marco Schreuder .......................................................................................................... 36
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 37
Gemeinsame Beratung über
2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya – March (844 d.B. und 866 d.B. sowie 9472/BR d.B.) ........................................ 37
Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ........................................................................ 37
3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (783 d.B. sowie 9473/BR d.B.) ....................................................................................... 37
Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ........................................................................ 37
Redner/Rednerinnen:
Gerhard Schödinger .................................................................................................... 38
Stefan Schennach ........................................................................................................ 39
Werner Herbert ............................................................................................................. 40
Marco Schreuder .......................................................................................................... 40
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 41
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 41
4. Punkt: Sicherheitsbericht 2014 (III-561-BR/2015 d.B. sowie 9474/BR d.B.) ............ 41
Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ......................................................................... 41
Redner/Rednerinnen:
Werner Herbert ............................................................................................................. 42
Gerhard Schödinger .................................................................................................... 44
Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 46
Martin Weber ................................................................................................................. 48
David Stögmüller .......................................................................................................... 50
Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .......................................................... 51
Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 52
Dr. Andreas Köll ........................................................................................................... 54
Ewald Lindinger ........................................................................................................... 56
Günther Novak ............................................................................................................. 58
Entschließungsantrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherungsmaßnahmen an der Grenze – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 44, 58
Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ....................................... 59
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-561-BR/2015 d.B zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................... 58
5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird (843 d.B. und 867 d.B. sowie 9482/BR d.B.) ........................... 60
Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 60
Redner/Rednerinnen:
Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 61
Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 62
Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 63
Marco Schreuder .......................................................................................................... 65
Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 66
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 67
6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen (785 d.B. sowie 9483/BR d.B.) .............. 67
Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 67
Redner/Rednerinnen:
Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 67
Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 68
Mag. Michael Raml ....................................................................................................... 69
Marco Schreuder .......................................................................................................... 69
Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 70
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 70
7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird (823 d.B. und 854 d.B. sowie 9481/BR d.B.) ....... 70
Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 71
Redner/Rednerinnen:
Peter Samt ..................................................................................................................... 71
Gregor Hammerl ........................................................................................................... 72
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 73
Ana Blatnik .................................................................................................................... 75
Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 76
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 77
Gemeinsame Beratung über
8. Punkt: Grüner Bericht 2015 (III-567-BR/2015 d.B. sowie 9484/BR d.B.) ................. 77
Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 78
9. Punkt: Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016 (III-566-BR/2015 d.B. sowie 9485/BR d.B.) ................................................................................................................. 78
Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 78
Redner/Rednerinnen:
Peter Samt ..................................................................................................................... 78
Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 80
Adelheid Ebner ............................................................................................................. 82
Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 85
Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 87
Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 89
Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 91
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, den Bericht III-567-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 93
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, den Bericht III-566-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 93
10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (841 d.B. und 870 d.B. sowie 9475/BR d.B.) ......... 93
Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 93
Redner/Rednerinnen:
David Stögmüller .......................................................................................................... 93
Günther Novak ............................................................................................................. 94
Armin Forstner, MPA ................................................................................................... 95
Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 96
Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................. 99
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 100
11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz, das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und das Postmarktgesetz geändert werden (845 d.B. und 871 d.B. sowie 9476/BR d.B.) ........................................................................................................ 100
Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 101
Redner/Rednerinnen:
Marco Schreuder ........................................................................................................ 101
Rene Pfister ................................................................................................................ 103
Anneliese Junker ........................................................................................................ 104
Peter Samt ................................................................................................................... 106
Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 107
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 108
12. Punkt: Vierter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees (III-557-BR/2015 d.B. sowie 9477/BR d.B.) ............................................................................................................................. 108
Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 108
Redner/Rednerinnen:
Wolfgang Beer ............................................................................................................ 108
Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 109
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 111
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-557-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................. 111
13. Punkt: Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014 (III-560-BR/2015 d.B. sowie 9478/BR d.B.) ............................................................................................................................. 111
Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 112
Redner/Rednerinnen:
Günther Novak ........................................................................................................... 112
Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 114
Gerd Krusche ............................................................................................................. 116
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 117
Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 118
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-560-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................. 119
14. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung 2014 (III-562-BR/2015 d.B. sowie 9479/BR d.B.) .............................................................................. 119
Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 119
Redner/Rednerinnen:
Wolfgang Beer ............................................................................................................ 119
Anneliese Junker ........................................................................................................ 120
Christoph Längle ........................................................................................................ 121
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 122
Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 122
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-562-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................. 123
15. Punkt: Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015 (III-563-BR/2015 d.B. sowie 9480/BR d.B.) ............................................................................................................................. 123
Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 123
Redner/Rednerinnen:
Rene Pfister ................................................................................................................ 124
Edgar Mayer ................................................................................................................ 126
Gerd Krusche ............................................................................................................. 127
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 128
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-563-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................. 129
16. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3091/15 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2014 (83167/EU XXV.GP) 129
Redner/Rednerinnen:
Edgar Mayer ................................................................................................................ 129
Stefan Schennach ...................................................................................................... 132
Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 133
Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 135
Reinhard Todt ............................................................................................................. 136
Eingebracht wurden
Anfragen der Bundesräte
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Personalsituation im Exekutivdienst (3093/J-BR/2015)
Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Unterbringung von Flüchtlingen in der Bellaflora-Halle in der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz (Bezirk Graz-Umgebung) (3094/J-BR/2015)
Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutzmaßnahmen entlang der Südbahnstrecke im Siedlungsbereich des Ortsteiles Hönigsberg der Gemeinde Mürzzuschlag (3095/J-BR/2015)
Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend geplante Sanierung des Bahnhofs in Lagenwang und mögliche Auflassung der Bahnhaltestelle Hönigsberg (Gemeinde Mürzzuschlag) (3096/J-BR/2015)
Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Baumax-Filiale in der Stadtgemeinde Leoben (3097/J-BR/2015)
Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Unterbringung von Flüchtlingen im Schwarzl-Freizeitzentrum in der Gemeinde Unterpremstätten (Bezirk Graz-Umgebung) (3098/J-BR/2015)
Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr
Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geehrten Mitglieder des Bundesrates! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin Mikl-Leitner! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 847. Sitzung des Bundesrates.
Das Amtliche Protokoll der 846. Sitzung des Bundesrates vom 29. Oktober 2015 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.
Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Elisabeth Grimling.
Ansprache des Präsidenten zum Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris
Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ich darf Sie alle ersuchen, sich zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)
Wir sind wenige Tage nach den hinterhältigen Terroranschlägen in Paris noch immer schockiert, traurig und betroffen. 129 Tote und 350 Verletzte sind die vorläufige Bilanz. Bislang sind Opfer aus insgesamt 19 Ländern identifiziert worden.
Heute ist mit der Tagung des Bundesrates die erste österreichische parlamentarische Versammlung nach diesem schockierenden Ereignis. Namens der Länderkammer dieser Republik übermittle ich unser Mitgefühl vorrangig den hinterbliebenen Familienangehörigen der Toten und den Verletzten in der französischen Hauptstadt.
Mit derselben Intensität drücken wir heute unsere innige Verbindung und menschliche Nähe mit dem gesamten Volk der Französischen Republik aus. Unser Entsetzen, unsere tiefste Verachtung gilt den kriminellen und menschenverachtenden Elementen, die mit diesem Terror Angst und Schrecken verbreiten und unser freies europäisches Gesellschaftssystem ins Wanken bringen wollen.
Es geht in diesen Tagen um den Zusammenhalt aller Menschen in Europa, die sich den Werten der Freiheit, der Demokratie und des Parlamentarismus sowie den Menschenrechten verbunden fühlen. Es geht um die konsequente Verteidigung der Grundsätze unserer demokratischen, liberalen und offenen Gesellschaft. Dieser Terror fordert uns neuerlich heraus, für diese unsere Grundsätze offensiv einzutreten, für diese Werte zu werben und die Regierung Österreichs und die aller europäischen Länder bei diesen Maßnahmen für Sicherheit und Terrorbekämpfung bestmöglich zu unterstützen – für Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschenrechte!
Ich danke Ihnen für diese Minuten des Gedenkens. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)
Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:
„Asyl: Aktuelle Herausforderungen brauchen europäische Antworten“
Ich darf nochmals die Frau Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)
In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf der Aktuellen Stunde erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stel-
lungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein/e Redner/in der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.
Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schödinger. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Bundesrat.
9.09
Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Europa, eine Wertegemeinschaft, die EU die praktisch Umsetzung – oder doch nicht?
Wir stehen in der EU und damit auch in Europa vor einer humanitären Herausforderung, die es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab. Der Gründungsgedanke liegt in der menschenverachtenden Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, und die Verantwortung dafür ist auch heute unvergessen. Wir als Republik Österreich haben schon viele Krisen in unseren Nachbarländern miterlebt, wobei alle diese Ereignisse Flüchtlingsströme in unser Land ausgelöst haben: Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien, Tschetschenien und nicht zu vergessen die Vertreibungen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.
Wir haben diese humanitären Prüfungen alle gemeistert. Viele Flüchtlinge sind bei uns geblieben und sind heute fleißige Mitbürger, anständige Staatsbürger, liebe Nachbarn, die mithalfen und mithelfen, unseren Wohlstand zu erhalten und gemeinsam unsere Werte hochzuhalten.
Ich will das auch mit Zahlen untermauern: Es befanden sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1,4 Millionen Vertriebene in Österreich. Im Jahre 1956 kamen 180 000 Ungarn. Zum Beispiel kamen am 4. November 1956 am Bahnhof in Eisenstadt 5 000 Flüchtlinge an einem Tag an. 1968 waren es 162 000 Flüchtlinge, 1991/1992 90 000 Flüchtlinge. Zusammengefasst waren es zirka 2 Millionen Menschen, die nach 1945 nach Österreich kamen, und zirka ein Drittel blieb in unserem Land.
Die derzeitige Flüchtlingswelle stellt aber alles bisher Dagewesene in den Schatten und unser Land vor eine humanitäre Herausforderung, die die menschliche Leistungsfähigkeit eines jeden einzelnen Staatsbürgers aufs Äußerste fordert. – So weit, so klar.
Aber wir haben auch in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung in Europa erlebt, die gezeigt hat, dass wir fähig sind, aus unserer Geschichte zu lernen, und die einzelnen Nationalstaaten haben begonnen, zusammenzurücken und staatsegoistische Strategien zugunsten eines großen Gemeinsamen zurückzustellen. Die heutige EU und ihre Vorläufer haben uns zu einem nie dagewesenen materiellen Wohlstand verholfen, dessen Grundlage der Friede in Europa ist.
Wir waren auch immer der Meinung, dass wir gemeinsam mit diesem wirtschaftlichen Erfolg auch unsere Werte in der nun 28 Staaten umfassenden EU tief verankert hätten. Die Flüchtlingsströme im Jahr 2015 verbliesen diese scheinbar heile humanitäre Welt wie der Wind den Nebel, und die vermeintlich besiegten nationalen Staatsegoismen feierten in vielen Staaten Europas die politische Wiederbelebung.
Über 500 000 Flüchtlinge haben in diesem Jahr bereits Österreich durchquert. Darüber hinaus erwarten wir für 2015 90 000 bis 95 000 Asylanträge. Wir haben mit Stand 4. November 63 000 Asylwerber in der Grundversorgung, und täglich werden mehr Asylanträge gestellt, als neue Plätze geschaffen werden. Täglich kommen zirka 500 bis 610 Asylwerber hinzu. Für das Jahr 2016 gehen wir nach heutiger Schätzung von mehr
als 100 000 Asylanträgen aus, was einen zusätzlichen Bedarf von zirka 75 000 Grundversorgungsplätzen erzeugt. Bei 130 000 Asylanträgen wären dies zirka 105 000 Grundversorgungsplätze, wohlgemerkt zusätzlich zu den bereits bestehenden Quartieren.
Das sind Zahlen, die ausschließlich Österreich betreffen. Aber wir sind in der EU, und wie liegen wir im Vergleich zu den anderen 27 Staaten? – Schweden hat 11,5 Asylwerber je 1 000 Einwohner, dann kommt Österreich mit 7,86 Asylwerbern je 1 000 Einwohner und Deutschland mit 4,47 Asylwerbern je 1 000 Einwohner. Viele Mitgliedsländer der EU haben Asylantragszahlen, die so gering sind, dass sie statistisch nicht einmal erfasst werden können, allen voran die Länder des ehemaligen Ostblocks.
Die unappetitlichsten politischen Äußerungen kommen in vielen Fällen von jenen Ländern, dessen Bürger wir in der Vergangenheit mit offenen Armen als Asylwerber aufgenommen haben und die diese humanitäre Herausforderung nur vom Hörensagen kennen. Diese menschliche Herausforderung stellt einige Länder auf eine harte humanitäre Probe, aber sie ist auch eine Existenzfrage für die EU. Es ist unabdingbar, diese Last gleichmäßig auf alle 28 Länder zu verteilen. Die Staatengemeinschaft der EU hat in der Vergangenheit Probleme angepackt und bewältigt, auch wenn es oft lange Diskussionen und viele Runden in Brüssel gebraucht hat.
So bin ich auch heute der Meinung, dass es uns diesmal gelingen wird, ja muss, eine für alle verträgliche Lösung herbeizuführen. Die Mitgliedschaft in der EU bedeutet nicht alleine das Ausschöpfen der finanziellen Töpfe, sondern die EU war und ist und wird auch immer eine humanitäre Wertegemeinschaft sein.
Nicht nur der Staatsegoismus einzelner Mitgliedstaaten gefährdet den Zusammenhalt der EU, sondern auch einzelne politische Parteien, die ein Ende der Europäischen Integration fordern und billiges parteipolitisches Kapital daraus schlagen, die EU madig zu machen, ohne jedoch die Konsequenzen einer solchen Politik der Bevölkerung vermitteln zu können oder wollen. Die Antwort auf die Herausforderung der Flüchtlingsbewegungen kann nur sein: Mehr Europa, nicht weniger!, eine europäische Asylpolitik, eine gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen, eine rasche Einrichtung der Hotspots an den Außengrenzen, eine Quotenregelung für die Aufnahme von Asylwerbern in allen EU-Staaten und Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftsländern der Asylwerber.
Wir haben in der EU bereits mit den ersten Punkten begonnen, wie Hotspots in Italien und Griechenland, aber wir stehen erst am Anfang, und es bedarf noch sehr, sehr vieler Bemühungen, diese Punkte voranzutreiben.
Weiters gibt es eine Vereinbarung, in der 160 000 Flüchtlinge auf alle EU-Staaten aufgeteilt werden sollen, wobei jedoch einzelnen Staaten zu diesem Projekt nur einfällt, dagegen beim Europäischen Gerichtshof zu klagen. Das sind Vorgehensweisen, die in der EU als humanitärer Wertegesellschaft nicht gutgeheißen werden können.
Abschließend ist es mir noch ein Anliegen, jenen zu danken, die diese Herausforderungen täglich bewältigen, die mit Umsicht, viel Gefühl und auch klugen Handlungsweisen die Flüchtlinge betreuen, die Flüchtlingsströme leiten, vorausschauend planen und handeln und somit unsere Sicherheit garantieren. Es sind dies die vielen Freiwilligen, die eingesetzten Soldaten, aber vor allem die Kolleginnen und Kollegen der Polizei und des Innenministeriums, allen voran unsere Innenministerin Hanni Mikl-Leitner. Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Hanni! Wir wissen unsere Sicherheit bei dir in besten Händen! – Noch einmal Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
9.18
Präsident Gottfried Kneifel: Bevor wir in der Rednerreihenfolge weitergehen, darf ich heute bei uns im Bundesrat recht herzlich 21 Schüler der 4. Klasse der Fachrichtung
Elektronik der HTL Steyr mit Professor Ehrenbrandtner begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.
9.18
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Schüler und Schülerinnen aus Steyr! Das Thema betrifft die großen Herausforderungen Europas – mein Vorredner hat die Flüchtlingsfrage angesprochen –, und ich muss sagen: Wie schnell sich doch die Agenda hier in unserer Debatte ändert.
Wir sind noch vor wenigen Jahren hier gestanden und haben von der größten Herausforderung der Finanz- und Wirtschaftskrise gesprochen. Und viele haben damals schon das Ende der EU eingeläutet und gesagt: Der Euro crasht gegen die Wand! Dann haben wir in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise als die größte Herausforderung Europas – weil jetzt so viele junge Menschen anwesend sind – die verheerende Jugendarbeitslosigkeit angesprochen, und sie ist bis heute eines der großen Themen und übrigens auch der Nährboden für Desintegration und eine Gefahr.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist die einzige wirkliche Gefahr Europas – wenn die Jugend nicht mehr an Europa glaubt und wenn die Jugend keine Visionen hat.
Und dann haben wir den stotternden Wirtschaftsmotor, die stotternde Konjunkturlage in Europa als eine der größten Herausforderungen gesehen.
Und jetzt kämpft das reiche Europa mit 1 Prozent der weltweiten Flüchtlinge – 600 000. Es ist ja interessant, dass hoch entwickelte, auch sozial hoch entwickelte Gemeinschaften wie die Europäische Gemeinschaft und die europäischen Mitgliedstaaten sich mit ihren Standards schwertun, wenn viele Flüchtlinge kommen und Schutz suchen.
Wenn wir gleichzeitig sehen, dass es zum Beispiel mitten im Wiederaufbau Österreichs fast kein Problem war, 200 000 Menschen aus Ungarn aufzunehmen, zu versorgen, willkommen zu heißen, so fragt man sich: Warum läuft da in Europa derzeit etwas aus der Schiene? Und: Warum gelingt es da nicht, das, was wir als europäische Werte betrachten, nämlich eine Solidargemeinschaft innerhalb der Europäischen Union zu sein, die sich nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Fragen misst, sondern eben auch an humanitären Fragen, an dem inneren Zusammenhalt einer Union, als Maßstab anzulegen, wie es drei Staaten, Schweden, Deutschland und Österreich, und zwei Staaten, die in einer besonderen Weise betroffen sind, nämlich Griechenland und Italien, machen?
Ja, Österreich hat einer Notsituation gehorchend in den letzten Monaten eine Politik verfolgt, die aus humanitärer Sicht richtig war. Und Europa muss jetzt zu einer Politik kommen, in der eines klar ist: dass es eine innere Solidarität gibt, dass Europa, wie unser Präsident heute in seiner Gedenkrede zu den Opfern von Paris sagte, seine Werte von einem solidarischen, liberalen, demokratischen und offenen Europa verteidigt und die Hand reicht, die hier notwendig ist, aber auch jenen Staaten des Westbalkans hilft, die in einer besonderen Weise gefordert und überfordert sind, nämlich wie Mazedonien und Serbien.
Europa muss jetzt auch einen Wert verteidigen, und ich spreche das hier ganz offen an. Wir alle sind stolz, dass wir Schengen haben, dass wir ein Europa ohne Grenzen sind. Und heute müssen wir versuchen, es zu verteidigen, dass die Grenzen zwischen den nationalen Staaten Europas, die wir im Sinne einer Vertiefung haben verschwinden lassen, nicht wieder aufgebaut werden, denn es kann kein europäischer Wert sein, wenn Stacheldrahtzäune wiederum Grenzen markieren. Dazu bedarf es natürlich auch starker Außengrenzen.
Wenn wir, die Europäische Union, Griechenland ein Sparpaket aufgezwungen haben, das dazu geführt hat, dass ein Drittel aller Beamten und Beamtinnen entlassen wurde, und man die Griechen mit dem erhobenen Finger darauf hinweist: Ihr erfüllt eure Pflichten nicht!, dann sieht man, dass auch da Fehler gemacht wurden.
Ja, wir müssen unsere Grenzen schützen. Europa hat das Recht, zu wissen, wer kommt, aber Europa muss ein sicherer Ort für Flüchtlinge sein, denn auch Europa hat in der Vergangenheit – mein Vorredner hat das schon angesprochen – Millionen von Flüchtlingen erzeugt. Wenn man bedenkt, dass allein Deutschland im Zweiten Weltkrieg 13 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat, 12 Millionen Binnenflüchtlinge innerhalb Deutschlands, sogenannte internally displaced persons, „erzeugt“ hat, so ist es umso mehr eine schöne Korrektur der Geschichte, dass Deutschland derzeit ein sicherer Platz für die Flüchtlinge ist.
Wenn man heute am Anfang die Worte unseres Präsidenten gehört hat – wir sind alle noch immer tief betroffen von diesem Terroranschlag in Paris –, dann muss man auch einmal ganz offen sagen: Die allerersten Opfer sind die, die gestorben sind. Aber die zweiten Opfer sind alle friedliebenden Muslime, die in Europa leben, die jetzt unter einen Generalverdacht gestellt werden. Äußerungen, wie sie die Republikaner in den USA tätigen, oder Äußerungen, wie sie zum Beispiel von der polnischen Regierung kommen, dass ein Generalverdacht gegen Kindergärten ausgesprochen wird und anderes, das ist unerträglich und inakzeptabel. Immer wieder in der Geschichte wurde nach Sündenböcken gesucht. Da müssen wir jetzt ganz klar zu unseren friedliebenden muslimischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen stehen, damit nicht auch in Schulen zum Beispiel ein Mobbing erfolgt.
Mein Vorredner hat auch der Zivilgesellschaft gedankt. Ich möchte sagen, die Zivilgesellschaft und die NGOs haben nicht nur Unfassbares geleistet, was die Republik nicht hätte leisten können, sie haben uns geholfen, der Republik, das Recht zu wahren, nämlich das Recht auf Menschenrecht, das Recht auf Flüchtlingsrecht und das Recht auf Asyl. Ohne die Zivilgesellschaft, ohne die NGOs hätten wir das nicht bewältigt.
Wir hatten gestern eine lange Befassung mit dem EU-Rechnungshof. Wenn wir uns das Budget der Europäischen Union anschauen, so sehen wir, es sind für das Asylwesen genau 0,5 Prozent im Budget vorgesehen – 0,5 Prozent. Wenn nun jener von den Regierungschefs angesprochene Treuhandfonds kommt, dann sind es vielleicht 0,6 Prozent, 0,7 Prozent oder 0,8 Prozent.
Die Flüchtlingsbewegung nach Europa wird nächstes Jahr weitergehen. Wir sollen da ganz offen und ehrlich sein, es soll niemandem Sand in die Augen gestreut werden, denn bis es zum Frieden vor Ort kommt, wird es noch dauern, bis es zum Wiederaufbau vor Ort kommt, wird es noch dauern. Wir werden die Budgetmittel auf europäischer Ebene erhöhen müssen, und wir müssen auch alle Fragen der Integration vertiefen.
Die Flüchtlinge, die heute kommen, suchen nicht unbedingt dauerhaften Aufenthalt hier, sie wollen gar nicht unbedingt nach Europa. Deshalb werden wir auch mit der Türkei klare Worte finden müssen. Dieser Status als Gast ist kein Flüchtlingsstatus. Man hat monatelang oder vielleicht noch länger der europäischen Diskussion und der internationalen Diskussion hier ein wenig Sand in die Augen gestreut. Ein Flüchtlingsstatus ist ein Rechtsstatus. Als Gast bin ich nur Gast, und Gäste gehen irgendwann auch wieder einmal nach Hause. Und ich kann Ihnen sagen, ich kenne die Flüchtlingslage in Jordanien, ich kenne sie in der Türkei, und ich kenne auch jene, die man Vertretern der Europäischen Kommission nicht zeigt: Das ist keine Situation für Flüchtlinge, in der sie integriert werden können! Deshalb wird man hier mit der Türkei wirklich klare Worte sprechen müssen, dass sie entsprechend der Flüchtlingskonvention Flüchtlinge auch als Flüchtlinge mit all ihren Rechten anzuerkennen haben und dass man aufhört, hier nur über Gäste zu sprechen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen: Vielfach wird jetzt diskutiert, jene von unserem Präsidenten heute angesprochenen Werte einer liberalen, offenen und demokratischen Gesellschaftsordnung wieder zu minimieren. Auch die Franzosen haben ein System von Rasterfahndung. Sie haben alle Möglichkeiten. Und wenn wir jetzt anfangen, unsere liberale, demokratische Gesellschaftsordnung wieder einzuschränken, wenn wir die Bürger- und Bürgerinnenrechte einschränken, dann gewinnen genau jene, die Menschen töten, dann gewinnen genau jene, die morden. Und letztlich dürfen wir hier nicht die Assistenten dieses Terrors sein.
Ich möchte zum Abschluss Benjamin Franklin zitieren. Er hat gesagt: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Und das darf nicht sein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)
9.29
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jenewein. Ich erteile es ihm.
9.30
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Ich möchte mich beim Präsidenten im Vorfeld für seine einleitenden Worte in der heutigen Sitzung bedanken, möchte aber trotzdem auch nicht vergessen zu erwähnen, dass wir nicht nur der französischen Opfer gedenken sollten.
Am 31. Oktober: eine russische Passagiermaschine; 224 Tote. Am 10. Oktober, auch dieses Jahr, gab es einen Anschlag in Ankara mit 102 Toten. Am 12. November kamen bei einem Anschlag in Beirut 44 Menschen ums Leben. Ich bin weder Staatsanwalt noch Richter, aber zumindest die Verdachtslage legt nahe, dass die Urheber dieser hinterhältigen und hinterfotzigen Mordanschläge vermutlich dieselben sind wie jene, die in den vergangenen Tagen in Frankreich ihre Blutspur gezogen haben. Man sollte auch nicht vergessen, dass vor Kurzem ein Massengrab mit jesidischen Frauen gefunden wurde, wo Hunderte Opfer feststellbar waren.
Das sind alles Dinge, die wir auch an einem Tag wie heute nicht vergessen sollten, weil es notwendig ist, dass man sich dessen besinnt, was hier tatsächlich derzeit, und zwar nicht nur in Europa, sondern quer über den Erdball, passiert.
Aber ich möchte gleich zum Thema kommen und kurz auf meinen Vorredner eingehen, der gemeint hat, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa einer der Grundpfeiler dafür ist, dass Desintegration passiert. Wenn man sich jetzt nur die jüngsten Anschläge in Frankreich anschaut, die teilweise Personen der zweiten und dritten Generation von Zuwanderern verübt haben, dann muss man eigentlich davon ausgehen, dass die Integration schon vor zwei oder drei Generationen nicht richtig funktioniert hat, denn man könnte eigentlich annehmen, dass nach drei Generationen Menschen, Familien, Personen in die Gesellschaften so weit integriert sind, dass sie sich als Europäer, dass sie sich als Teil dieser europäischen Familie fühlen. Den Eindruck hat man derzeit nicht.
Man sollte durchaus auch deutlich aussprechen, dass man auf die Probleme, die derzeit hier in Europa durch diese Zuwanderung entstehen, nicht mit der Ideologie der Sozialpädagogik reagieren sollte. Wenn man nach Frankreich schaut, sieht man, dass der französische Staatsapparat durchaus eine deutliche Sprache für das findet, was hier in den letzten Tagen geschehen ist, und ich denke, das könnte wegweisend dafür sein, wie man in Europa mit Terroristen, mit Verbrechern dieser Art in Zukunft umgeht.
Da sind wir gleich insofern beim Thema, als wir in Österreich selbst ein Problem mit Dschihad-Heimkehrern haben, wo man bis zum heutigen Tag nicht so genau weiß, wie viele es tatsächlich sind und was die so den lieben langen Tag machen. Jeder von diesen Personen stellt ein Sicherheitsrisiko dar, und jeder von diesen Personen sollte zu-
mindest genauer betrachtet werden. Ich möchte nicht so weit gehen, dass ich sage, man sollte diese Leute alle einmal in Haft nehmen. So weit gehe ich nicht, aber ich gehe zumindest so weit, dass ich sage, man sollte die Observation zumindest so weit fortschreiten lassen, dass man immer darüber informiert ist, wer wo welche Grenze in Europa überschreitet und wer sich wo in Europa gerade aufhält.
Das ist ein Riesenproblem, haben wir doch in den vergangenen Tagen gesehen, wenn wir uns die mediale Berichterstattung angeschaut haben, dass diese Herrschaften durchaus mobil waren und dass – zumindest berichtet das CNN, und das ist nicht von der Hand zu weisen – eine jener Personen, die in Frankreich involviert waren, mit ihrem Fingerabdruck auf der griechischen Insel Lesbos registriert wurde und dann über die Balkanroute den Weg nach Mitteleuropa gefunden hat. Jetzt können Sie sich an einer Hand ausrechnen, welchen Staat diese Person durchquert haben muss, wenn sie über die Balkanroute Richtung Belgien, Richtung Frankreich gereist ist. Sie ist – zumindest liegt der Verdacht sehr nahe – durch Österreich gereist. Und warum ist sie durch Österreich gereist? – Weil hier keine Kontrolle stattgefunden hat, weil hier durchgeschleust wurde. Und das ist eines der Probleme.
Wir haben uns vor zwei Wochen schon im Zuge einer Dringlichen Anfrage damit beschäftigt. Das Problem ist ... (Bundesrat Schennach seufzt hörbar.) – Wenn Sie jetzt schon stöhnen, Herr Kollege, dann werden das noch ein paar harte Minuten für Sie werden.
Das Problem ist, dass man die Menschen einfach durchgeschleust hat. – Der Kollege hat gemeint, es sei humanitär richtig; damit impliziert er, dass es in anderer Richtung vielleicht nicht ganz richtig war, aber ich stelle selbst infrage, ob es humanitär richtig war. Wenn man sich ein wenig die Gefahrenbilder – und die sind ja nicht ganz neu – vor Augen hielte, dann hätte man schon relativ früh erkennen müssen, dass es da ein Gefahrenpotenzial gibt.
Im Juni hat schon der englische Premierminister Cameron vor IS-Anschlägen auf britischem Staatsgebiet gewarnt. „Die Welt“ hat im Juni schon davon berichtet, dass es illegale IS-Waffenlieferungen nach Europa gibt. Vor zwei Wochen hat der deutsche BKA-Chef Holger Münch gesagt – ich zitiere ihn wörtlich –: Der anhaltende Flüchtlingsstrom bedroht zunehmend die innere Sicherheit Deutschlands.
Wenn man sich vergegenwärtigt, dass vor zwei Tagen in Hannover ein Fußballspiel abgesagt wurde ... (Bundesrat Schennach: ... Flüchtlinge!?) – Das wissen Sie?! Offenbar wissen Sie das. (Bundesrat Schennach: Aber Sie machen den Generalverdacht umgekehrt!) Offenbar wissen Sie auch, wer dahintersteckt. Offenbar wissen Sie auch, wer hinter diesen Drohungen steckt. Von Frankreich wissen wir, dass zumindest einer der vermeintlichen Flüchtlinge – das sind ja diese Berufssyrer, die hier mit irgendwelchen Reisepässen wacheln und sagen, sie kommen aus Syrien, und in Europa die Türen geöffnet bekommen – direkt in den Terroranschlag involviert war. (Bundesrat Schennach: Ist nicht bestätigt von den Franzosen!) Das hätte man verhindern können, dass so jemand überhaupt den Weg nach Europa findet. Das wissen wir, das ist zumindest klar. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir wissen weiters – „Le Figaro“ berichtete bereits im Feber dieses Jahres davon –, dass sich 50 000 Männer in Libyen in Ausbildungslagern des IS gerade eine Gehirnwäsche holen und dass diese 50 000 auf dem Weg nach Europa sind. Und wir wissen auch, dass am 21. Mai 2015 in Tunis ein vermeintlich syrischer Flüchtling mit gefälschtem Pass an einem Anschlag auf das Bardo-Museum beteiligt war, bei dem es 24 Tote gegeben hat. Der ist dann als Flüchtling in Italien festgenommen worden. Auch das wissen wir. Tun wir doch nicht so, als wären das alles gute Menschen, die da zu uns kommen! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Aber eines möchte ich schon klarstellen, und da gebe ich dem Kollegen sogar recht, auch wenn es ihm jetzt wahrscheinlich ein bisserl unangenehm ist: Es ist falsch zu sagen, dass jeder, der zu uns kommt, dass jeder, der nicht unseren Glauben hat, ein Terrorist ist, aber es ist hoch problematisch, dass wir, ohne zu wissen, welche Menschen ins Land kommen, ohne zu wissen, wer sich da eigentlich dahinter versteckt, die Türen und die Schleusen öffnen, überhaupt keine Kontrollen mehr durchführen und die Menschen einfach zu uns hereinlassen. Und dann wundern wir uns, dass wir auf einmal diese Bedrohungssituation haben. Das glaubt doch kein Mensch mehr, das glauben ja nicht einmal Ihre dümmsten Wähler, dass es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen diesem Flüchtlingsstrom auf der einen Seite und dem Bedrohungspotenzial auf der anderen Seite gibt. Das ist doch offensichtlich, was da passiert, und es ist offensichtlich, dass es da ein Problem gibt.
Die Aufregung, gerade vom Herrn Kollegen, kann ich durchaus verstehen, denn wenn man über Jahre hindurch vonseiten der SPÖ gerade in Wien mit diesen vermeintlichen Gruppen versucht, Politik zu betreiben, dann ist es natürlich eher unangenehm, wenn man darauf angesprochen wird. Da gibt es zum Beispiel den Wiener SPÖ-Landtagsabgeordneten Omar Al-Rawi, der im Jahr 2010 bei einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt die Grußworte überbracht hat. Bei dieser Demonstration wurde skandiert: Israel Terrorist! – Haben Sie bis heute irgendeine Distanzierung davon, irgendwas in diese Richtung gehört? – Überhaupt nicht!
Al-Rawi hat dann im Oktober 2014 noch nachgelegt. Im Zuge der Debatte rund um das Islamgesetz hat er gemeint, dieses Islamgesetz könnte man mit dem israelischen Aggressor im Gaza vergleichen.
Das sind alles so Dinge, wo ich sage, da sollte man vielleicht schon einmal ein bisschen auch in der eigenen Partei schauen, dass die Tür sauber bleibt und dass man sich nicht unbedingt mit irgendwelchen Leuten zusammen abfotografieren lässt, dass man nicht mit solchen Leuten zusammen auftritt. Sogar der Bundespräsident Heinz Fischer hat mit dem Hamas-Terrornetzwerker Adel Doghman ein schönes Foto gemacht. Das lässt sich heute alles im Internet finden.
Natürlich sind das Symbole, natürlich sind das Zeichen, die da ausgesendet werden, wo ich Ihnen sage, das ist in Zeiten wie diesen nicht jener Weg, den wir uns vorstellen. Da muss man eine klare Grenzlinie ziehen, da muss man auch sagen, nein, mit diesen Leuten können und wollen wir nicht offiziell auftreten.
Das Problem, das sich da nämlich ergibt, ist ganz offensichtlich: Man öffnet mit dieser Appeasement-Politik dem Terror Tür und Tor und vermittelt damit, dass man eh nur ein bisschen brav sein muss – man darf nicht ein bisschen schlimm sein, sondern muss ein bisschen brav sein –, und dann hat man in Europa offene Türen und offene Tore. Und das darf nicht passieren.
Das darf nicht passieren, aber das ist in den vergangenen Jahren und in den vergangenen Monaten viel zu oft passiert und hat im Endeffekt auch dazu geführt, dass man in Teilen der Welt – ich will nicht sagen, in allen Teilen der Welt, aber in Teilen der Welt – der Meinung sein könnte: Nach Europa kann man relativ locker reinspazieren, und in Europa kann man relativ locker seine terroristischen Handlungen setzen.
Worum geht es bei diesen terroristischen Handlungen? – Da geht es ja nur vermeintlich darum, unsere Demokratie zu zerstören. Vertreter des IS haben ganz klar formuliert, worum es tatsächlich geht: Es geht auch darum, dass man damit versucht, in Richtung Europa zu expandieren.
Dem sollte man vonseiten Europas und auch vonseiten der Europäischen Union ganz klar eine Absage erteilen. Und diese Absage werden wir nicht mit Sozialpädagogen in der politischen Debatte erreichen, sondern diese Absage werden wir nur durch Ziehen
einer klaren roten Trennlinie, durch Errichten einer last line of defence erteilen können. Wenn wir das nicht schaffen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn demnächst den Medien die nächsten Schreckensmeldungen über terroristische Anschläge in Europa zu entnehmen sein werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
9.41
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile ihm dieses.
9.41
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Anfang Kollegen Jenewein insofern recht geben, als wir in Sachen Terror natürlich eine globale Opferzahl zu beklagen haben, die sich nicht auf Frankreich alleine beschränkt.
Mich hat es auf der einen Seite auch immer kurz irritiert, dass man Frankreichs in diesem Ausmaß gedenkt und zum Beispiel der russischen Opfer des abgeschossenen Flugzeugs oder der Opfer des Terroranschlags in Beirut oder der Opfer der Terroranschläge in der Türkei nicht in derselben Form.
Auf der anderen Seite habe ich auch Verständnis dafür, weil wir natürlich, sagen wir einmal, sozial, kulturell und als EU Frankreich in einer stärkeren Art und Weise auch persönlich verbunden sind. Ich habe auch mehr Freunde und Freundinnen in Frankreich als im Libanon – das muss ich gestehen, das ist so. Deswegen liegt uns das wahrscheinlich näher, und deswegen ist die Betroffenheit stärker und auch ihr Ausmaß größer.
Aber es ist natürlich richtig, was Kollege Jenewein diesbezüglich gesagt hat. Allerdings sollten wir auch nicht sozusagen in eine Liste der anonymen Barbarei geraten und alles gleich lassen, sozusagen in dem Sinne, dass man der Opfer gar nicht mehr gedenken kann, weil man sonst immer den einen gegen den anderen aufwiegen würde. Deswegen, glaube ich, ist es ganz richtig und wichtig, dass wir dieser Opfer in Frankreich gedenken.
Was mich in den letzten Monaten am meisten irritiert, am meisten verstört – und vielleicht nicht einmal unbedingt als grüner Politiker, sondern als Staatsbürger dieses Landes –, ist die Tatsache, dass wir in den letzten Jahren, seit der Krise eigentlich, eine ungeheure Verunsicherung in der Bevölkerung erleben. Diese Verunsicherung ist ökonomisch bedingt, sie ist außenpolitisch bedingt, und es gibt noch viele andere Gründe, warum die Menschen verunsichert sind. Leute haben Angst, ihren Job zu verlieren, und eine gewisse Mittelschicht hat Angst, abzurutschen. Wir wissen alle, dass die Einkommen de facto sinken. Vor allem die Entwicklung der niedrigen und mittleren Einkommen steht in keinem Verhältnis zu den Inflationszahlen. De facto verdienen in den unteren Einkommensschichten immer mehr Menschen weniger als noch vor einigen Jahren. Die Schere geht weiter auseinander.
Gleichzeitig erleben wir in der Außenpolitik einen Unsicherheitsring rund um Europa. Das hat mit dem Arabischen Frühling begonnen und sich mit den Ereignissen in der Ukraine fortgesetzt. Und auch das verunsichert die Menschen, weil genau diese Unsicherheit und diese außenpolitische Situation zu Flüchtlingsbewegungen führen.
Wir sollten uns allerdings auch vor Augen halten – und das halte ich ebenso für wichtig, das müssen wir schon auch sagen –, dass diejenigen, die zu uns kommen und fliehen, genau davor fliehen. Sie fliehen genau vor dem, was auch in Paris passiert ist, weil sie das täglich vor ihrer Haustür erleben.
Deswegen glaube ich, weil ja das Thema heute die Frage ist, worin die europäische Herausforderung besteht – wir haben jetzt eine Innenministerin hier sitzen, aber es könnte
natürlich genauso gut der Außenminister hier sitzen, es müsste eigentlich auch in diesem Zusammenhang der Außenminister hier sitzen –, dass wir in allererster Linie außenpolitisch agieren müssen, als Europäische Union. Wir müssen natürlich auch – weil die Frau Innenministerin da ist, muss ich mich jetzt darauf beziehen – sicherheitspolitisch und innenpolitisch gemeinsam als Europa agieren.
Die Franzosen wünschen sich einmal mehr nicht, dass die Polizei der europäischen Länder gemeinsam intensiv zusammenarbeitet, nein, sie wünschen sich eine gesamteuropäische Polizeieinheit. Das ist wirklich etwas, worüber man intensiver nachdenken sollte: ob nicht dieses Kooperationssystem auch irgendwo eine Bremse hat und eine gemeinsame europäische Einheit, die genau dafür zu schaffen wäre, sinnvoller wäre.
Wir müssen uns auch das Große und Ganze anschauen. Wenn wir heute über die Flüchtlinge reden, die vor allem aus Syrien, aus Afghanistan kommen, aus dem Iran, aus dem Irak, dann müssen wir auch außenpolitisch sehen: In Wirklichkeit suggerieren viele islamistische Gruppen, dass sie gegen den Westen, gegen Europa agieren, der wirkliche Konflikt ist jedoch ein innerislamischer. Das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen.
Die Hegemonialkräfte in der Region – das sind der Iran und Saudi-Arabien – streiten sich um die Vorherrschaft. Und ich sehe beide Staaten nicht unbedingt als die besten Beispiele für BürgerInnen- und Menschenrechte. Auch das zeigt uns ja einiges über die Region. Und ich habe Verständnis, dass Menschen aus diesen Ländern fliehen. Ich habe Verständnis, dass Bürgerrechtler aus Saudi-Arabien fliehen. Ich habe Verständnis, dass Feministinnen aus dem Iran fliehen. Ich habe Verständnis, dass Kurden aus Syrien fliehen, aus dem Irak fliehen oder auch aus der Türkei fliehen.
Und das ist, glaube ich, das ganz Wichtige in der jetzigen Debatte: dass wir nicht anfangen, zu sagen, „der Islam“, sondern dass wir sagen: Gut gegen Böse. Und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir denjenigen, die vor dem Islamismus fliehen, helfen und dass sich Europa im gesamten globalen Gefüge als Kontinent der Menschenrechte und der Bürgerrechte positioniert.
Ich glaube, dass wir nicht eine „Festung Europa“ brauchen, Frau Ministerin – übrigens ein Begriff aus der Nazi-Zeit; ich würde Sie wirklich dringend bitten, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden –, sondern dass wir von einem Europa der Menschenrechte, der Menschenwürde und der BürgerInnenrechte und Grundrechte sprechen; dass wir von einem Europa sprechen, das das Böse bekämpfen will und denen, die vor diesem Bösen fliehen, helfen möchte. Wenn wir das schaffen, schaffen wir eine differenzierte Debatte.
Und was ich auch von der Bundesregierung in dieser Krisenzeit verlange – in dieser ökonomischen Krisenzeit, in dieser außenpolitischen Krisenzeit –, ist nicht die Performance der letzten Monate, sondern die Menschen wünschen sich Hoffnung, Leadership und Halt – und nicht das Schüren von Ängsten und das Herumdiskutieren über die Frage, was wir da an der Grenze bauen und wie viele Kilometer links und rechts. Ich fand, das war wirklich ein unwürdiges Schauspiel, das uns die Bundesregierung da geliefert hat.
Ich verstehe im Übrigen auch nicht, warum im Burgenland die Versorgung von Flüchtlingen so hervorragend funktioniert hat und in Spielfeld nicht. Ich verstehe es nicht! – Ich verstehe schon, dass es im Burgenland einen Vorteil gab: Man hat einen hervorragenden Polizisten als Sprachrohr nach außen genommen, der es auch wirklich geschafft hat, die Bevölkerung zu beruhigen, redlich und differenziert aufzutreten und Klartext zu sprechen. Und ich finde, seit die Flüchtlingsströme über Spielfeld kommen, höre ich eine Kakofonie an Meinungen. Jeder muss sich zu Wort melden, jeder hat eine Meinung, und jeder hat eine andere Meinung. Ich finde das nicht in Ordnung.
Ich finde, dass diese Bundesregierung da eine ganz grauenhafte Performance geliefert hat, die mich, wie gesagt, nicht als grünen Politiker, sondern als Staatsbürger zutiefst beunruhigt, weil ich gerne eine Bundesregierung hätte, die mir Halt gibt und die mir sagt, wohin es geht. (Bundesrat Mayer: Aber du redest jetzt als Politiker!) – Ja. Ich darf aber auch als Staatsbürger hier reden. Wir sind Volksvertreter, Herr Kollege Mayer. (Bundesrat Mayer: Da kann man staatstragend sein!)
Herr Kollege Jenewein, Sie haben vorhin gerade den Begriff „Berufssyrer“ verwendet. – Also ich weiß nicht, was ein „Berufssyrer“ ist. Ich weiß auch nicht, was ein Berufsfreiheitlicher ist. (Bundesrat Jenewein: Was ein Berufsgrüner ist, wissen Sie auch nicht?) Nein, das weiß ich auch nicht. – Ich halte es für sehr gefährlich, nur weil natürlich Verbrecher jede Möglichkeit für Reisen nützen, alle, die so „reisen“, sage ich einmal ganz bewusst, kollektiv als verdächtig zu bezeichnen. Wenn ein Terrorist in einem Flugzeug sitzt, dann sind ja auch nicht automatisch alle, die in diesem Flugzeug sitzen, kollektiv mit schuldig, Terroristen zu sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau das hat er gesagt!)
Es können auch nicht alle Flüchtlinge schuldig sein, Terroristen zu sein! Im Gegenteil: Wer Islamismus bekämpfen will, muss denjenigen, die genau davor fliehen, helfen. Nur so kann Europa sich positionieren.
Übrigens, Herr Kollege Jenewein, in einem möchte ich Ihnen ganz explizit recht geben: Dass sich Vertreter und Vertreterinnen der SPÖ und der ÖVP mit islamistischen Gruppen umarmen, fotografieren lassen, solche in den eigenen Reihen zulassen, das halte ich auch für falsch. In diesem Sinne: Gut gegen Böse muss grundsätzlich gelten. (Bundesrat Jenewein: Das gilt für alle!) Und dass durch viele andere die Umarmung von islamistischen Gruppen erfolgt, sehe ich auch nicht ein.
Es sind in den letzten Wochen und Monaten vermehrt auch wieder Überwachungsfantasien zu hören. Es wollen wieder Leute die Vorratsdatenspeicherung einführen, um den Terror zu bekämpfen. Ich möchte schon daran erinnern, dass es genau diese in Frankreich gibt und dass diese genau gar nichts gegen Terror ausrichten konnte. Auch das Staatsschutzgesetz, das tief in die Bürgerrechte eingreift und Bürgerrechte untergräbt, wird das nicht tun können.
Es war gestern auf ARTE ein sehr interessantes „ARTE Journal“ zu sehen, in dem amerikanische Sicherheitsexperten und -expertinnen zu Wort kamen. Dort fängt langsam wieder ein Umdenken an. Man hat sich so sehr auf die technologische Überwachung, auf den NSA, auf die Überwachung von Telekommunikation und Daten verlassen, dass man das Wichtigste vergessen hat, nämlich den Appell an die Bevölkerung: Was ihr riecht, was ihr hört, was ihr seht – erzählt es uns!
Wir brauchen wieder mehr, viel mehr davon und weniger Verlass auf Überwachungstechnologie, denn in Wirklichkeit wird das, was wir spüren, was wir hören und die Art und Weise, wie wir menschlich miteinander umgehen, auch am Ende das Böse viel besser besiegen können, als es jede Überwachungsfantasie tun könnte. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)
9.52
Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.
9.53
Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Liebe Schüler der HTL in Steyr! Ich bin froh darüber, dass diese Debatte heute im Großen und Ganzen fachlich und sachlich abläuft und wir uns in dem einen oder anderen Punkt sicherlich einig sind.
Ich glaube, jeder von uns ist davon überzeugt, dass kein Nationalstaat diese riesige Herausforderung bewältigt, dass wir diesbezüglich vor allem europäische Antworten brauchen, europäische Antworten im Bereich der Migrationsströme, aber auch europäische Antworten im Kampf gegen den Terrorismus. Ich möchte heute die Situation nutzen, um Sie über die aktuellen Maßnahmen zu informieren, Maßnahmen, die wir auch beim EU-Ministerrat, beim Sonderrat am 9. November, besprochen haben.
Einigkeit herrschte dort vor allem darüber, dass es wichtig ist, die bereits beschlossenen Maßnahmen der letzten Monate so rasch wie möglich umzusetzen, dass da vor allem Tempo hineinkommt. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass viele Mitgliedstaaten nach wie vor meinen, es sei nur ein Problem einiger weniger. Und offensichtlich halten sie sich an die derzeitige Statistik, wonach 70 Prozent aller Asylanträge von drei Mitgliedstaaten bewerkstelligt werden – ja, das ist richtig: an erster Stelle Schweden, gefolgt von Österreich und Deutschland.
Ich bitte Sie auch, keine Vergleiche mit dem Balkankrieg, die immer wieder gebracht werden, zu ziehen. Sie stimmen einfach nicht, weil wir es derzeit mit einer anderen Situation zu tun haben. Wir hatten damals um die 90 000 Flüchtlinge bei uns in Österreich, aber das über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren. Heute reden wir von 85 000 bis 95 000 Menschen, die bei uns um Asyl ansuchen, aber innerhalb eines Jahres – Menschen, die von ganz woanders kommen, die aus anderen Kulturkreisen kommen und, ja, die vor Krieg und Terror flüchten.
Ja, hier haben wir eine Verantwortung, aber diese Verantwortung kann nicht alleine bei diesen drei Mitgliedstaaten liegen, sondern sie geht weit darüber hinaus.
Zum anderen sind wir natürlich übereingekommen, dass es, über all diese Maßnahmen hinaus, auch wichtig ist, die europäische Außengrenze zu sichern – auch das wurde heute angesprochen. Herr Abgeordneter Schreuder, wenn ich von „Festung Europa“ spreche, dann wissen Sie haargenau, dass „Festung Europa“ in den letzten Jahren immer im Zusammenhang mit der Sicherung der europäischen Außengrenze verwendet worden ist. Und ich stehe dazu, dass wir eine Sicherung der europäischen Außengrenze brauchen, egal, ob in Italien oder in Griechenland, denn es kann nur dann ein Schengenland – sprich, ein Europa ohne Binnengrenzen – geben, wenn es auch eine Sicherung der europäischen Außengrenzen gibt. Und das ist damit gemeint. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
In diesem Zusammenhang ist aber natürlich auch die Errichtung der Hotspots wichtig, wo vor allem eine Differenzierung zwischen den Schutzbedürftigen und Nicht-Schutzbedürftigen vorgenommen werden soll, wo registriert werden soll, wo vor allem befragt werden soll, wo die Fingerabdrücke genommen werden sollen. Ja, das ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Nur: In diesem Zusammenhang braucht es noch mehr, nämlich eine fixe, faire Quote in ganz Europa – denn es wird weder die Sicherung der Außengrenze noch werden funktionierende Hotspots etwas nützen, wenn es in Zukunft keine fixe, faire Quote gibt.
Wir wissen natürlich, dass gerade Griechenland und Italien mit dieser riesigen Herausforderung nicht alleine zurechtkommen, deswegen auch die Unterstützung seitens Österreichs, aber auch vieler anderer Mitgliedstaaten, aus denen vor allem jetzt Beamte sowohl in Lesbos als auch in Rom Dienst machen, um dort volle und ganze Unterstützung zu gewähren.
Ich stehe aber auch nicht an, zu sagen, dass gerade Griechenland und Italien in der Verantwortung stehen, Hilfe und Unterstützung anzufordern und diese auch anzunehmen. Frontex steht bereit, auch die Mitgliedstaaten stehen bereit, technischen Support, personellen Support zu geben, vor allem auch die Schnelleinsatzgruppen stehen bereit, nur müssen sie abgerufen werden. Sie stehen alle zum Einsatz bereit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wichtiges Thema, das heute noch nicht angesprochen worden ist, ist vor allem ein gut funktionierendes Rückkehrregime. Jeder von uns weiß, dass ein gut funktionierendes Asylsystem nur dann erfolgreich ist, wenn es auch ein effektives Rückkehrregime gibt. Und die Zahlen unterstreichen, dass es da Verbesserungsbedarf gibt, denn weniger als 40 Prozent der Migranten, die keinen positiven Bescheid erhalten haben, die die Mitgliedstaaten verlassen hätten müssen, haben Europa verlassen. Ich glaube, hier braucht es einfach mehr Rückkehrabkommen und es braucht einfach auch noch mehr Experten, die diese Rückführungen vornehmen.
Ich bin froh darüber, dass es diesbezüglich auch die Konferenz in Valletta gegeben hat, wo vor allem die Rückkehrabkommen mit den nordafrikanischen Staaten im Mittelpunkt standen – ein wichtiger und richtiger Schritt, bei dem es jetzt darum geht, auch tatsächlich zum Abschluss zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiterer Punkt, den wir beschlossen haben, ist, dass dieser Fokus auch auf die Transitrouten entlang der Balkanroute zu legen ist. Und auch was die Türkei betrifft, sind wir uns, glaube ich, einig: Es braucht in dieser Frage eine enge Kooperation mit der Türkei. Auch da ist ein Abschluss der Gespräche wichtig und notwendig.
Gestatten Sie mir aber auch das eine oder andere Wort, was die Transitstaaten entlang der Westbalkanroute betrifft: Hier sind vor allem die Staaten gefordert, nicht nur mit Lebensmitteln zu versorgen und dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen nicht erfrieren, sondern hier sind vor allem die Transitstaaten auch aufgefordert, die Menschen zu registrieren und in diesen Transitstaaten auch ganz klar zu differenzieren: Wer hat eine Chance und wer hat keine Chance?
Wenn es sich um Migranten handelt, die keinen Schutzbedarf haben, sind sie auch dafür verantwortlich, bei der Rückkehr mitzuhelfen, und dabei, diese Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzubringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist so schnell wie möglich zu tun? – Geld ist in die Hand zu nehmen, um verbesserte Lebensbedingungen in den Flüchtlingscamps zu schaffen, egal, ob in Jordanien, im Libanon oder in der Türkei. Dort braucht es finanzielle Mittel, damit die Lebensbedingungen verbessert werden können und damit die Menschen nicht vertrieben werden und in Richtung Europa gehen.
Darüber hinaus muss es Investitionen in den Herkunftsstaaten geben, damit die Lebensbedingungen vom wirtschaftlichen Aspekt her besser werden, damit die Menschen in diesen Ländern eine Zukunft und auch Perspektiven haben.
Darüber hinaus geht es natürlich um die legalen Wege nach Europa, von denen wir schon seit mehr als eineinhalb Jahren sprechen. Legale Wege nach Europa über das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen UNHCR, damit Menschen, die eine Chance auf Asyl haben, legal nach Europa gebracht werden können, bringen zwei Vorteile: Zum einen werden die Menschen nicht getrieben, eine gefährliche Reise in Kauf zu nehmen, sie müssen in Zukunft ihr Leben nicht mehr riskieren, und zum anderen entziehen wir so auch den Schleppern die Geschäftsgrundlage. Es ist dies also ein Modell, das zu einer Win-win-Situation aller Betroffenen führt.
Verständigt haben wir uns bei dem letzten Sonderrat auch auf eine eigene Kommunikationsstrategie betreffend Migration. Worum geht es bei dieser Kommunikationsstrategie? – Es geht darum, die potenziellen Migranten darüber zu informieren, welche Risken eine derartige Reise mit sich bringt und um auch den falschen Versprechungen der Schlepper entgegenzuwirken. Es geht darum, zu signalisieren, dass nicht alle Schutz bekommen, sondern dass es diesbezüglich eine ganz klare Differenzierung gibt: Wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa will, wird zurückgeschickt. Vor allem geht es
aber auch darum, dass man sich im ersten Land registrieren lassen und vor allem auch kooperativ mit den nationalen Behörden agieren muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist nicht nur – wie manche immer verdeutlichen wollen – als Transitland betroffen, sondern vor allem als Zielland. Es ist dies eine Herausforderung, die wir derzeit noch bewältigen, im Zusammenhang mit welcher man uns fordern, aber nicht überfordern kann, denn wenn die Menschen, die Bevölkerung und die Systeme überfordert werden, dann spielen wir nur jenen in die Hände, die noch nie eine Lösung zustande gebracht haben. Wenn die Systeme überfordert sind und sich vor allem die Menschen überfordert fühlen, wird es uns auch nicht mehr gelingen, den Flüchtlingen Perspektiven zu geben, und dann wird vor allem auch die Angst der Bevölkerung größer werden.
Ich glaube, wichtig ist vor allem, dass wir in den Herkunftsregionen investieren, um den Menschen nachhaltig auch die Chance zu geben, in ihrer Heimatregion zu bleiben. Vor allem darauf muss der Fokus gerichtet sein.
Gestatten Sie mir, auch noch das eine oder andere Wort zu den schrecklichen Terroranschlägen zu sagen, egal, ob sich diese in Paris oder in anderen Teilen dieser Welt ereignet haben: Unsere Gedanken sind bei allen Opfern und bei den Hinterbliebenen, und unsere Kraftanstrengung gilt natürlich auch dem Kampf gegen die Terroristen. Gerade in diesem Kampf gegen den Terrorismus sind vor allem unsere Spezialisten gefordert, die sich natürlich international vernetzen müssen, und diese internationale Vernetzung muss noch gestärkt werden, und wir müssen unseren Spezialisten vor allem auch die notwendigen Instrumentarien in die Hand geben. Da nützt uns all die Sozialromantik nichts! Wir brauchen geeignete Instrumentarien für unsere Spezialisten, um letztendlich den Kampf gegen die Terroristen zu gewinnen. Die Terroristen wollen nämlich, dass wir unseren Glauben an unsere Freiheit und an unsere Grundrechte aufgeben, und wir stehen jetzt Seite an Seite mit den anderen Ländern, um die Werte und das Leben, wofür wir stehen, auch weiterhin zu verteidigen.
Deswegen werden wir in den nächsten Wochen mit dem Parlament eine intensive Diskussion über das Staatsschutzgesetz neu führen, über welches wir über eineinhalb Jahre lang mit allen politischen Parteien intensiv und umfassend diskutiert haben und das wir in der Koalition bereits im Ministerrat beschlossen haben. Kein einziges Gesetz wurde so transparent und so umfassend diskutiert wie dieses Gesetz, wobei mir vor allem auch wichtig ist, eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren, und dieser Vorschlag garantiert das auch.
In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal herzlich bei der gesamten Beamtenschaft für den Kampf gegen den Terrorismus und die Bemühungen zur Bewältigung der Migrationsströme bedanken.
Ich danke jedoch nicht nur der Beamtenschaft, sondern vor allem auch den Verantwortlichen in den einzelnen Bundesländern und Gemeinden, den NGOs, allen Hilfsorganisationen und der Zivilbevölkerung!
Viele haben Großartiges geleistet, wir müssen aber auch eingestehen, dass wir in vielen Bereichen am Limit angekommen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)
10.06
Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke der Frau Bundesministerin für diese Stellungnahme.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gödl. Ich erteile es ihm.
10.06
Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, auch jene, die uns über das Internet zuhören! „So kann es nicht weitergehen.“ – Mit diesen drastischen Worten hat unser Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer vor einigen Wochen einen Hilferuf gestartet, als in Spielfeld Tausende von Flüchtlingen angekommen sind und auch komplett unkontrolliert über die Grenze liefen. Ähnlich war das Bild im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom übrigens auch im Burgenland. Man erinnert sich noch an die Bilder, die zeigten, dass Hunderte und Tausende über die Autobahnen Richtung Wien marschiert sind.
Unser Landeshauptmann hat diesen Aufschrei auch ganz besonders im Namen der örtlichen Bevölkerung getan, und ich habe mich heute auch deswegen zu dieser Debatte gemeldet, weil wir natürlich sehen, dass vieles von dem, wovon wir sprechen, gerade auf europäischer Ebene noch in der Theorie verhaftet ist und es an der entsprechenden Umsetzung fehlt. Ich selbst war Mitte September bei einer parlamentarischen Tagung in Luxemburg, bei welcher damals auch Frau Federica Mogherini als Außenbeauftragte mit dabei war und bei der über eine Quotenverteilung, die Verteilung von Flüchtlingen über ganz Europa und darüber diskutiert wurde, was das Problem handhabbar machen würde. Aber diesbezüglich war die Mehrheit der Staaten einhellig der Meinung: Zu uns wollen keine Flüchtlinge, daher werden wir auch keine aufnehmen!
Unser Landeshauptmann – und damit bin ich bei den harten Fakten – hat bei diesem Aufschrei auch gemeint, dass es zur Kernkompetenz eines jeden Staates gehört, seine Grenzen zu kontrollieren. Und an dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich als Bewohner dieser Südregion der Steiermark dafür bedanken, dass du dich, Frau Bundesministerin, gegen vielerlei Widerstände dazu durchringen konntest, der Bevölkerung das Signal zu geben, dass bauliche Maßnahmen, wie immer sie letztlich wörtlich bezeichnet werden, auch tatsächlich umgesetzt werden. Es gehört nämlich zur Kompetenz des Staates, Sicherheit zu gewährleisten und der Bevölkerung vor Ort dieses Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Es ist schon klar, dass vieles Wahrnehmung und nicht Wahrheit ist. Vor Ort haben manche Menschen das Gefühl beziehungsweise die Wahrnehmung – und der Herr Bürgermeister von Spielfeld spricht es auch so aus –, dass zumindest jeder zweite Einkaufsmarkt überfallen wird. Die Wahrheit ist jedoch, dass gar keiner überfallen worden ist. Das hat eben auch etwas mit dem Sicherheitsgefühl zu tun.
Ich bin wirklich sehr dankbar für die heutige über weite Strecken sehr sachlich geführte Debatte. Es ist sehr wichtig, dass wir, die wir Verantwortung in der Politik tragen, eine – bezeichnen wir es so – Position der Mitte einnehmen, anstatt Positionen an den Rändern zu vermehren. Und Position der Mitte kann nur uneingeschränkte Anerkenntnis des Asylrechtes als absolutes Menschenrecht bedeuten.
Aber eine Position der Mitte einzunehmen, bedeutet genauso, dass Kontrollen vorgenommen werden und Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit gewährleistet sind. Auch das gehört zur Position der Mitte. Und es stimmt nicht, dass es nicht vertretbar ist, dass die Grenzen ordentlich kontrolliert werden.
Das sage ich gerade auch an die Adresse der Grünen. Ich zitiere jetzt einen Grünen, den grünen Oberbürgermeister von Tübingen, der in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben hat: „Grenzen lassen sich kontrollieren. Wer das Gegenteil behauptet, produziert Angst und Ohnmachtsgefühle.“
Es gehört zur Position der Mitte, Grenzen zu kontrollieren und ein klares System dafür zu haben. Daher sage ich dir, Frau Bundesministerin, ein Dankeschön dafür, dass du dich gerade auch im Hinblick auf unseren Sonderfall in Spielfeld sehr stark gemacht hast. (Beifall bei der ÖVP.)
Es gibt eklatante Unterschiede, lieber Marco Schreuder, zwischen dem Burgenland und der Steiermark. Außerdem besteht zum Beispiel der Unterschied, dass es damals warm war und heute kalt ist. Heute können Flüchtlinge nicht im Freien warten, heute müssen Flüchtlinge dringend in beheizten Einrichtungen wie etwa beheizten Zelten untergebracht werden. Das war im Burgenland im Sommer anders.
Von Nickelsdorf nach Wien war es kein weiter Weg. Wir haben schwierigere Verbindungen, um die Flüchtlinge nach Salzburg und in Richtung Deutschland abzutransportieren. Das schaut bei uns in der Steiermark anders aus. Da sind die Zugverbindungen anders, da gibt es keine Direktzüge und keine Direktverbindungen.
Ganz besonders schwer wiegt, dass Deutschland damals noch genau jene Zahl übernommen hat, die bei uns angekommen ist. Das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt bildet sich ein immer stärkerer Rückstau, und aktuell artikuliere ich im Namen der Steiermark wieder diesen Hilferuf, denn dieser Rückstau ist für uns immer schwieriger zu bewältigen. Das geht so weit, dass Busse die Flüchtlinge abtransportieren, diese aber nicht untergebracht werden können und die Busse daher quasi in einer Schleife kreisen. Diese Situation ist in der Tat sehr, sehr schwierig.
Ein Vergleich mit dem Burgenland ist auch deswegen nicht möglich, weil die Flüchtlinge jetzt natürlich auch mitbekommen, dass man in Deutschland überlegt, die Grenzen zwar nicht ganz dicht, aber zumindest dadurch dichter zu machen, dass es Verlangsamungen gibt. Daher rührt auch dieses gegenwärtig besonders starke Bestreben der Flüchtlinge, schnell weiterzukommen und Registrierungen und Kontrollen zu umgehen. – Im Hinblick darauf ist es unabdingbar, klare Konzepte zu erstellen und auch bauliche Maßnahmen zu treffen, damit die Registrierung einfach vonstattengehen kann.
Es ist schon besorgniserregend – Sie haben das sicherlich am letzten Sonntag mitverfolgt! –, wenn die Sicherheit dort ohnedies schon sehr strapaziert ist und unser Bundesheer, unsere Polizei und auch die vielen NGOs, die vor Ort arbeiten, ohnedies an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt sind, jetzt auch noch Demonstrationen dazukommen, die ein neues Sicherheitsproblem aufmachen.
Im Hinblick darauf appelliere ich, wirklich diese Position der Mitte einzunehmen. Folgendes Faktum löst nämlich völliges Unverständnis aus: Auf Seiten der rechtsgerichteten Demonstranten war zum Beispiel auch der Grazer Stadtrat Mario Eustacchio von der FPÖ mit dabei. Er war vor Ort und hat sich im Bereich der Demonstration aufgehalten. Dabei wurden 80 Autos beschädigt – seines war übrigens auch darunter –, und das geht nicht! Man kann sich mit diesen Menschen vor Ort nicht solidarisieren. Umgekehrt hat auf der anderen Seite die ehemalige grüne Vizebürgermeisterin Rücker teilgenommen, nämlich in jenem Demonstrationszug, in welchem linke Vermummte vorangegangen sind.
Meine Damen und Herren! Das geht nicht, das darf nicht sein! Wir, die wir politische Verantwortung tragen, müssen diese Position der Mitte und diese Position der Stärke auch in allen unseren Taten leben und vorleben.
Wenn Marco Schreuder sehr pathetisch einige Punkte im Sinne eines großen Humanismus angesprochen hat, sage ich: Ja, Humanismus und Menschenrechte sind unabdingbar! Das dürfen wir niemals in Frage stellen! Trotzdem möchte ich etwas zitieren. Hubert Patterer hat vor einigen Wochen – es war am Tag nach der großen Open Air-Veranstaltung hier in Wien, bei welcher über 100 000 Menschen das Konzert der Toten Hosen besuchten – einen sehr bemerkenswerten Leitartikel geschrieben. Aus diesem Artikel möchte ich zitieren, weil er aus meiner Sicht sehr treffend ist und Hubert Patterer, glaube ich, unverdächtig ist.
Patterer schreibt: „Einer der Kernsätze, den die Veranstalter in die Menge riefen, lautete: ‚Wir heißen alle Flüchtlinge willkommen, egal, ob sie durch Krieg, Verfolgung oder
aus anderen Gründen zur Flucht gezwungen wurden.‘“ – Dann schreibt er weiter: „Unter brachialer Missachtung dessen, was an den Grenzen geschehen ist (…), redete man abermals kopflos jenem Magnetismus das Wort, der die gesetzliche Unterscheidungspflicht ignoriert und damit das Asylrecht aus den Angeln hebt, und unter Preisgabe staatlicher Ordnung, Steuerung und Souveränität zum Kollektivrecht aller wird.“
Ich denke, das ist eine sehr mahnende Beschreibung: Es ist unsere wirkliche Pflicht, einerseits Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, aber, wie schon gesagt, dieses Asylrecht auch in der vollen Breite zu leben. Es sollte nämlich nicht wahr werden, was Ingeborg Bachmann seinerzeit gemeint hat, nämlich: „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler.“
Wir wissen aus der Geschichte: Wenn sich eine Gesellschaft radikalisiert, wenn sich politische Kräfte an den Rändern radikalisieren, dann ist es mit dem Frieden sehr schnell aus. Daher sollten wir, die wir politische Verantwortung tragen, die ersten Schüler dieser Vergangenheit sein. So könnte gezeigt werden, dass die Geschichte, die lehrt, doch Schüler gefunden hat!
Ich darf alle bitten, in dieser Position der Mitte Politik zu gestalten und Sicherheit, Souveränität sowie Rechtsstaatlichkeit genauso wie das Menschenrecht auf Asyl hochzuhalten. Ich darf dir, Frau Ministerin, danken, dass du im Sinne unserer steirischen Bevölkerung eine klare Position bezogen hast! Alles Gute weiterhin! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
10.17
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Heger. Ich erteile es ihm.
10.17
Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es noch so schwierig scheint, sollten wir uns auch bei den aktuellen Herausforderungen und bei der Suche nach europäischen Antworten auf den Grundgedanken besinnen, Menschen in Not, so gut es geht, zu helfen.
Als Burgenländer bin ich nahe des Eisernen Vorhangs aufgewachsen, der während des Kalten Krieges Ost- und Westeuropa geteilt hat. Dieser Eiserne Vorhang hatte immer etwas Bedrückendes für uns Burgenländer. Wer aber den Eisernen Vorhang gedanklich nur mit Stacheldraht verbindet, der irrt: Es war die gesamte Grenze abgeriegelt. Damit sollte vor allem verhindert werden, dass Menschen aus kommunistischen Ländern nach Westeuropa fliehen konnten. Zu diesen Grenzschutz-Anlagen gehörten neben Stacheldraht auch Schießbefehle, Hunde-Laufanlagen, Wachtürme, Selbstschussanlagen, Minenfelder und kilometerbreite Sperrzonen auf östlicher Seite.
Erst mit dem Ende des Kommunismus in Osteuropa und der Sowjetunion kam auch der Abbau des Eisernen Vorhangs. Den Anfang machte Ungarn im Mai 1989, und auch die Berliner Mauer, die 28 Jahre lang die Stadt Berlin geteilt hatte, fiel im November 1989. – Über diese Ereignisse im Jahr 1989 haben wir gejubelt und uns gefreut. Wir haben uns gefreut, dass dieses Symbol der Trennung endlich beseitigt war, und im Burgenland wurde damals rund 50 000 geflüchteten DDR-Bürgern geholfen.
Ich bin aber auch Bürgermeister einer Gemeinde, die seit 1979, also seit insgesamt 36 Jahren, in der Flüchtlings- und Asylwerberbetreuung überaus aktiv ist. Was bei uns 1979 mit Asylwerbern aus Polen begonnen hat, hat derzeit seinen Höhepunkt mit 100 Asylwerbern gefunden.
Dass das für eine Gemeinde mit weniger als 2 000 Einwohnern eine riesige Herausforderung darstellt, liegt auf der Hand. Das bedeutet, dass der Anteil der Asylwerber je nach-
dem, wie man es rechnet, auf Ortsteile oder Großgemeinde, zwischen 6,8 und 5,2 Prozent beträgt. Ich bin wirklich stolz und froh, dass ich auch hier im Bundesrat berichten kann, dass in meiner Heimatgemeinde Asylwerber und HoritschonerInnen nicht nur ohne Probleme, sondern wirklich friedlich zusammenleben.
Die Asylwerber werden akzeptiert, in den Vereinen, in der Pfarre und selbstverständlich im Kindergarten und in den Schulen integriert, als Erntehelfer beschäftigt, und einige von ihnen haben mittlerweile die Staatsbürgerschaft erhalten und leben jetzt in unserer Gemeinde. Dass bei uns die Flüchtlingsbetreuung ausgezeichnet funktioniert, bis hin zu Deutschkursen, versteht sich für uns wirklich von selbst. Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich ganz, ganz herzlich bei den NGOs, bei der Polizei und bei allen hauptverantwortlichen Helfern für ihren großartigen Einsatz in der Flüchtlingsbetreuung bedanken.
Was können wir aber in der aktuellen Situation tun? – Uns abzuschotten und eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union, nämlich den freien Personenverkehr, und die Genfer Flüchtlingskonvention aufzugeben, darf auch in der aktuellen Situation nicht unser Wollen sein, denn das könnte, so fürchte ich, zu einer echten Zerreißprobe für die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten führen.
Österreich hat sich ja mit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention rechtlich dazu verpflichtet, die Grenzen für Asylsuchende offenzuhalten und Flüchtlinge zu schützen. Eines muss uns immer bewusst sein: Die Menschen werden auch weiterhin vor Krieg und Terror flüchten. Daher müssen wir früher ansetzen, und das heißt direkt in den Krisenländern und an den EU-Außengrenzen.
Der wichtigste Beitrag zu einer langfristigen, gesamteuropäischen Lösung ist, in den Herkunftsländern dafür zu sorgen, dass sich die Menschen gar nicht auf die Flucht nach Europa begeben müssen. Dazu ist neben der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die Zusammenarbeit mit der Türkei unbedingt notwendig. Dass da eine Einigung nicht so rasch zustande kommt, wie wir uns das wünschen, ist uns allerdings mittlerweile auch deutlich vor Augen geführt worden.
Daher müssen wir jetzt in Österreich dafür sorgen, dass bei uns einerseits genug winterfeste Quartiere vorhanden sind und andererseits die Abläufe an den Grenzen geordnet und kontrolliert erfolgen. Es muss einfach ein geordnetes, sicheres und menschliches Abwickeln der Flüchtlingsbewegung möglich sein. Was wir sicher nicht wollen, ist, dass Österreich antieuropäische Maßnahmen setzt. Ich denke, dass wir vor mehr als 26 Jahren die Grenzen, die uns sehr bedrückt haben, abgebaut haben. Sehr geehrte Frau Ministerin Mikl-Leitner, ich ersuche Sie deshalb darum, sich dafür einzusetzen, dass jetzt in Europa keine neuen Grenzen aufgebaut werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
10.23
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.
10.23
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gödl, Ihre Ausführungen betreffend Stadtrat Eustacchio kann ich so nicht im Raum stehen lassen. Wenn Sie monieren, dass es nicht in Ordnung sei, dass ein Stadtrat einer demokratisch legitimierten Partei ohne Gewalt auszuüben friedlicher Teilnehmer einer Demonstration ist – im Gegenteil, er war sogar noch Geschädigter, denn sein eigenes Fahrzeug ist unter die sprichwörtlichen Räder gekommen –, dann darf ich Ihnen schon zwei Feststellungen mit auf den Weg geben:
Zum einen: Es ist ein demokratisches Recht, das jedermann zusteht, an einer angemeldeten, nicht verbotenen und damit auch rechtlich legitimierten Versammlung teilzu-
nehmen. (Bundesrat Mayer: Mitten unter Chaoten!) Das kann niemandem verwehrt werden und ist auch rechtlich niemals bedenklich.
Zum Zweiten: Die dort ausgeübte Gewalt, die auch medial ihren Niederschlag fand, kam eindeutig von links – eindeutig! Zwischen der Teilnahme eines FPÖ-Politikers an einer Versammlung und den von linken Chaoten ausgeübten unfriedlichen Aktivitäten in Form von Zerstörung und massiver Gewaltanwendung einen Zusammenhang herzustellen, ist unzulässig, und ich darf das daher auf das Schärfste zurückweisen. (Beifall bei der FPÖ.)
Herr Kollege Gödl, wenn ich schon rhetorisch bei Ihnen bin: Sie haben ein gutes Zitat gebracht, nämlich jenes des Landeshauptmannes Schützenhöfer, der in Anbetracht der Situation in Spielfeld gesagt hat, so könne es nicht weitergehen. Da bin ich völlig bei Ihnen. Die Frage ist jetzt nur: Was war die Quintessenz dieser Aussage? Was hat sich verändert seit dieser Aussage? Was ist geschehen? – Schweigen im Walde. Nichts ist geschehen.
Frau Bundesministerin, wenn Sie hier zu Recht europäische Antworten einfordern, dann bin ich auch bei Ihnen, nur: Wo sind diese europäischen Antworten auf die Fragen der Flüchtlingsproblematik? Wo sind sie? Wir hören in relativ kurzen Abständen Ihre üblichen rhetorischen Ansagen, und Sie sind ja, da gebe ich Ihnen schon recht, redlich bemüht, auch im Sinne eines einigermaßen zukunftsorientierten und erfolgreichen oder zumindest durch Bemühungen geprägten Weges eine Lösung für die Situation der Flüchtlinge in Österreich zu finden. Sie werden aber von der Europäischen Union, um es einmal ganz drastisch zu sagen, brutal im Stich gelassen. Wo sind die europäischen Freunde? Wo sind die Verbündeten? Wo ist der Geist der Staaten, gemäß dem wir einander, wie es heißt, beistehen, wenn wir uns in einer Notlage befinden? Wo ist dieser viel zitierte, aber in der Praxis nicht gelebte Geist?
Ich sehe daher, dass das, was rhetorisch speziell von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, aber auch vielfach von den Grünen zum Besten gegeben wird, keinesfalls geeignet ist, tatsächlich Lösungsansätze für die hier in Österreich anstehenden Probleme in der Flüchtlingsfrage zu finden. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)
Es ist dieses Warten auf die Entscheidung, die zwar immer wieder versprochen, aber nie getroffen wird, es ist diese Hoffnung auf die große Unterstützung und Hilfeleistung der EU, die faktisch nicht erfolgt, es ist dieses Imstichlassen, dieses Alleinelassen der österreichischen Bevölkerung, diese Nichtbeachtung der berechtigten Sicherheitsbedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger, die die Situation in Österreich Tag für Tag unerträglicher machen, gerade weil es darum geht, dass unserer österreichischen Bevölkerung in sicherheitspolizeilicher Hinsicht überhaupt keine Zukunftsperspektiven geboten werden.
Was die Sicherungseinsätze durch unsere Polizistinnen und Polizisten, aber auch durch das österreichischen Bundesheer betrifft, so wird der österreichischen Bundesregierung auf aufopfernde Weise ein vielfach ungedankter Dienst erwiesen, denn diese lässt die Einsatzkräfte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weitgehend im Stich, weil diese personell kaum das Auslangen finden, weil die Unterkünfte minderwertig bis unerträglich sind, weil es in der Kommandierfolge bestimmte Abfolgen gibt und es viel zu lange Einsatzzeiten, aber auch Probleme mit der Versorgung und der unzureichenden Unterbringung in den Einsatzgebieten gibt.
Wenn wir den Bogen weiter spannen, dann besteht neben dieser schwierigen Einsatzlage, angesichts derer ich mich frage, wie lange wir diese noch aufrechterhalten können, aber auch die Problematik, dass die Bevölkerung zunehmend wenig Verständnis für die ungelösten Probleme im Bereich Flüchtlinge zeigt.
Ich darf Sie daran erinnern, dass wir in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten zu verzeichnen haben. Es sind Kürzungen bei den Sozialleistungen erfolgt, und wir haben mit den bereits zitierten sinkenden Einkommen in den unteren, vielfach auch mittleren Einkommensbereichen zu kämpfen.
Das heißt, die Bevölkerung spürt diesen Druck, der in Bezug auf die Flüchtlingsströme quer durch Österreich auf ihnen lastet, nicht nur hinsichtlich der Sicherheitslage, sondern sie spürt ihn auch unmittelbar in ihren alltäglichen Lebensbereichen. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)
Ich darf Sie daher einladen, dem rasch und effizient entgegenzuwirken. Frau Bundesministerin Mikl-Leitner, Sie haben richtigerweise gesagt, man darf die österreichische Bevölkerung nicht überfordern – ein gutes Wort, dem Sie auch Taten folgen lassen sollten, denn bei allem Verständnis dafür, dass es möglich sein muss, den Flüchtlingen – und in erster Linie insbesondere den Asylberechtigten – in Österreich den Schutz und die Hilfe, die ihnen nach internationalem Recht auch zustehen, zukommen zu lassen, sage ich Ihnen: im Zweifelsfall die österreichische Bevölkerung zuerst! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
10.31
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich den nächsten Redner ans Rednerpult bitte, darf ich die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer der Neuen Mittelschule St. Anna am Aigen recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Nächster Redner: Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.
10.31
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich heiße die Jungen herzlich willkommen: Schön, dass ihr da seid, freut mich ganz besonders! Dieses heutige Thema betrifft uns ja auch. Heute geht es ja auch um einen Teil unserer Zukunft. Es wird ja Geschichte geschrieben.
Ich will jetzt gar nicht auf irgendwelche Grenzzaundebatten, Türldebatten oder sonst etwas eingehen. Ich frage mich auch immer wieder, welche Lösungsansätze eigentlich die FPÖ hat – also ich höre nicht gerade viel (Bundesrat Herbert: Die besten, Herr Kollege!) –, aber ich glaube, es ist klar, dass es europäische Lösungen braucht, um diese Herausforderungen zu meisten.
Auch wenn uns gerade in dieser Stunde eines eint, nämlich das Mitgefühl mit den Opfern der grausamen und verachtungswürdigen Taten in Paris und deren Angehörigen, so soll dieses traurige Geschehnis auf keinen Fall ein Freibrief für die Abschottungspolitik einzelner Länder, für Nationalismus sein. Es ist mir ganz, ganz wichtig, das zu unterstreichen, denn eines muss uns allen klar sein: Die Menschen, die jetzt an der Grenze stehen, sind vor Terror, vor Gewalt geflohen und suchen Schutz.
Ich will jetzt gar nicht so viel auf die europäische Politik eingehen, sondern ich gehe jetzt auf die Innenpolitik ein, nämlich auf die Politik von der steirischen Grenze mit Slowenien zur Grenze in Oberösterreich, zur deutsch-österreichischen Grenze.
Wie Sie wissen, Frau Innenministerin Mikl-Leitner, stehen da seit ein paar Wochen sogenannte Transferzelte. Das sind riesengroße Zelte für bis zu 1 000 Menschen, und da kommen meist direkt von der Grenze Spielberg (Bundesrätin Mühlwerth: Spielfeld!) – Spielfeld, danke; Entschuldigung, nicht Spielberg (Bundesrätin Mühlwerth: Spielberg ist nämlich ganz woanders!) – Menschen in 50er-Bussen und werden dort ausgeladen.
Mich haben in letzter Zeit sehr viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angerufen und haben mir erzählt, wie mangelhaft die Versorgung und die Koordinierung
dort erfolgt. Das ist ein 1 000-Personen-Zelt. 1 000 Personen kommen dort nur unter, wenn alle eng aneinander stehen. Es gibt dort tagtäglich Überfüllungen, und die Leute müssen dort stehen. Jetzt muss man auf einen solchen Transport, also Transfer nach Deutschland oft 20 bis 25 Stunden warten. Das heißt, wenn sich dort 900 Menschen befinden, müssen sie 25 Stunden stehen, oder sie schlafen draußen oder stehen draußen in der Kälte.
Wir haben bis jetzt das Glück gehabt, dass es immer warm draußen war, aber ich möchte nicht wissen, was geschieht, wenn es draußen kalt ist, wenn Minustemperaturen herrschen.
Besorgniserregend sind auch die hygienischen Zustände. Man kann sich in diesen Zelten nicht hinlegen, nicht hinsetzen, nichts. Man muss stehen. Ich warte schon darauf, wenn jetzt die Minustemperaturen kommen, bis – um das ein bisschen überspitzt zu sagen – wahrscheinlich das erste Kleinkind erfrieren wird. Dann wird wahrscheinlich diese Bundesregierung auch einmal reagieren und eine menschenwürdige Versorgung sicherstellen.
Was ich noch ganz besonders erwähnen möchte, sind die Rot-Kreuz-MitarbeiterInnen, das Team Österreich, die Exekutive, aber auch die Gemeinden, die vor Ort ihr Bestes leisten. Das muss man ganz, ganz vehement unterstreichen: Sie machen das Beste aus dem, was Sie als Bundesministerin ihnen zur Verfügung stellen, und das ist nicht immer einfach. Ich war erst gestern beim Bürgermeister – also das ist nicht gerade einfach. An dieser Herzlosigkeit – es tut mir leid – zeigt sich aber ganz deutlich das Politikversagen dieser Bundesregierung. – Sorry. (Beifall bei den Grünen.)
10.35
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.
10.35
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Frau Ministerin Mikl-Leitner! Ja, Frau Bundesministerin, es ist korrekt, die aktuellen Asylherausforderungen würden europäische Antworten benötigen – nur, es kommen keine brauchbaren europäischen Antworten, und solange keine kommen, brauchen wir auch nationale Lösungen.
Zu viele Fremde im eigenen Land plus 500 000 Arbeitslose plus Wirtschaftsflaute plus eine Rekordverschuldung – das ist eine explosive Mischung! Manche Experten sagen sogar schon, dass wir uns bereits im Dritten Weltkrieg befinden. (Bundesrätin Kurz: Geh bitte! – Zwischenrufe bei den Grünen sowie des Bundesrates Mayer.)
Wie viele Anschläge und Konfliktherde muss es noch geben, bevor wir endlich vorbeugende Handlungen setzen? In Frankreich ist seit letzter Woche der Ausnahmezustand verhängt, das heißt, es ist de facto Kriegsrecht eingeführt worden. In Österreich haben wir auch bald den Ausnahmezustand, wenn wir jetzt nicht schleunigst präventive Maßnahmen setzen.
Unsere Regierung unterschätzt den Ernst der Lage. Die Masseneinwanderung gefährdet die Sicherheit unserer Bürger, die Masseneinwanderung destabilisiert Europa und spaltet auch Österreich, die Masseneinwanderung muss gestoppt werden! (Bundesrätin Kurz: „Masseneinwanderung!“)
Herzensentscheidungen sind wichtig, und wenn es nur nach unseren Herzen ginge, würden wir aus reiner Menschlichkeit am liebsten alle Flüchtlinge dieser Welt in Österreich aufnehmen und beherbergen. Das ist aber rein mathematisch nicht machbar und auch nicht finanzierbar – und schon gar nicht in unserer Budgetsituation, bei unserer gigantischen Staatsverschuldung. Deswegen müssen wir neben unserem Herzen auch unseren Verstand einschalten!
Wir brauchen für unser Land jährlich verkraftbare und finanzierbare Obergrenzen bei Asylgenehmigungen und Flüchtlingsaufnahmen, und wenn diese Obergrenze erreicht ist, dann muss ein rigoroser Aufnahmestopp von Asylanten gelten. Amerika arbeitet genau so. Amerika hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterschrieben. Amerika hat jährliche Einwanderungsobergrenzen – unabhängig von Immigranten und Asylwerbern. (Bundesrat Schreuder: ... Menschenrechte!)
Unsere Regierung arbeitet leider in vielen Bereichen in fahrlässiger Weise ohne Limits und Obergrenzen. Auch bei den Haftungsübernahmen gibt es keine Obergrenzen und keine Limits – Fall Kärnten. Auch beim ESM-Vertrag gibt es keine Obergrenzen und keine Limits. Wir haften für die Schulden von Griechenland, von Spanien, von Italien – alles unbegrenzt. Und bei den Flüchtlingen ist es nun wieder dasselbe Muster. Eine Lernkurve kann ich da nicht erkennen. Wer ohne Limits und ohne Obergrenzen arbeitet, ist kein Manager, sondern ein Spekulant. Frau Minister, spekulieren Sie nicht mit der Sicherheit unserer Bürger!
Die Dublin-Zuständigkeitsregeln sind gescheitert und sollen durch eine Nachbarländer-Zuständigkeitsregel ersetzt werden: Für syrische Flüchtlinge sind die muslimischen Nachbarländer zuständig und nicht Österreich. Das gilt auch für afghanische Flüchtlinge, für pakistanische Flüchtlinge und für Afrika-Flüchtlinge. Österreich soll sich ausschließlich für Flüchtlinge aus seinen unmittelbaren Nachbarländern für zuständig erklären – für ungarische, tschechische, kroatische und bosnische Flüchtlinge.
Die Hauptaufgabe unserer Bundesregierung ist es, österreichische Interessen zu vertreten und nicht deutsche Interessen – die Interessen der Frau Merkel –, nicht die Interessen von Syrien, nicht die Interessen von Afghanistan, nicht die Interessen von Pakistan, nicht die Interessen von Indien und auch nicht die von China – und schon gar nicht die Interessen der Türkei. Die eigenen österreichischen Interessen und der Schutz der österreichischen Bevölkerung müssen Priorität haben.
Und wenn Österreich darüber hinaus helfen möchte, dann soll es im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit der UNO – Stichworte: UNO-Schutzzonen, Flüchtlingsdörfer, Flüchtlingscamps – in den unmittelbaren Nachbarstaaten der Krisenländer unterstützen.
Gestern war der jordanische König in Österreich, und wir hatten die Gelegenheit einer Aussprache. Jordanien leistet Großartiges im Zusammenhang mit den Flüchtlingslagern und der Hilfe für seine muslimischen Brüder und Nachbarn. Diese Flüchtlingslager gehören mit internationalen Hilfsgeldern viel mehr unterstützt. Wenn wir bei den Bankenrettungen in der Lage sind, übers Wochenende 80 Milliarden an Spanienhilfe und 120 Milliarden an Griechenlandhilfe auszugeben, dann meine ich, dass auch bei den Flüchtlingslagern einiges möglich wäre. Treffen wir also eine Wochenendentscheidung für die Flüchtlingscamps und senden wir ein paar Milliarden nach Jordanien!
Die Situation in den Flüchtlingscamps und Flüchtlingsherkunftsländern gehört massiv verbessert. Das haben Sie erwähnt. Die Flüchtlingscamps …
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Den Schlusssatz, bitte!
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlusssatz. – Die Flüchtlingscamps im Umkreis der Krisengebiete zu unterstützen kostet 90 Prozent weniger, als die Flüchtlinge bei uns in Europa zu versorgen und zu beherbergen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
10.41
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich darf jetzt auch eine andere Klasse der Neuen Mittelschule St. Anna am Aigen begrüßen. Es hat hier ein Wechsel stattgefunden, es ist jetzt eine neue Klasse hier bei uns. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.
10.42
Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Vor allem liebe Schülerinnen und Schüler! Gestatten Sie mir zwei Anmerkungen zu Aussagen, die im Vorfeld meiner Schlussbemerkung gemacht wurden:
Erstens zu Bundesrat Herbert: Ich finde es schade, dass Sie immer wieder versuchen, sowohl die Führungskräfte der Polizei als auch die Polizistinnen und Polizisten schlechtzumachen, ja deren Arbeit schlechtzumachen. (Bundesrat Herbert: Stimmt ja gar nicht!)
Ich glaube, die Polizei hatte noch nie so herausfordernde Zeiten wie jetzt zu bestehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Seit mehr als eineinhalb Jahren ist die Polizei im Bereich der Migration gefordert, und seit Monaten sage ich, dass wir die Polizei stärken müssen. Und tun Sie nicht so, als ob Sie nicht wüssten, dass wir in der Bundesregierung vereinbart haben, dass es zusätzlich 2 000 Stellen geben wird, um die Polizei nachhaltig zu unterstützen, weil die Herausforderungen nicht weniger werden, sondern weiterhin auf hohem Niveau bleiben werden oder sogar noch mehr werden!
Zweitens zu Herrn Bundesrat Stögmüller: Sie haben zu Recht auf die wirklich schwierige Situation in Oberösterreich verwiesen. Man muss auch wissen, warum es eine derartige Situation gibt – weil die Zuströme der Migranten höher sind, als der Abfluss in Richtung Deutschland gewährleistet ist. Das heißt, die Ursache liegt nicht bei uns, sondern die liegt woanders.
Und da sage ich auch ganz klar: Wir müssen weg von einer grenzenlosen Willkommenskultur hin zu einer Kultur mit Augenmaß und Vernunft! Wir werden es langfristig in der Dimension, wie es jetzt ist, nicht schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)
Noch einmal: Die Situation dort ist schwierig (Bundesrat Stögmüller: Ja!), und ich lade Sie ein, einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir noch mehr an Transitquartieren und noch mehr an Betreuungsquartieren bekommen. Da reicht es nicht, zu warten, wie Sie meinen, sondern kommen Sie vom Warten ins Tun! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
10.44
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich des eingelangten Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die neuerliche Nominierung des österreichischen Mitglieds des Gerichtes der Europäischen Union, Herrn Dr. Viktor Kreuschitz, als Kandidaten als Richter beim Gericht der Europäischen Union
sowie eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin-Schaller am 19. November 2015 in Zürich bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter mit deren Vertretung
verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.
Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:
Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:
*****
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates und jene Berichte beziehungsweise jenes EU-Vorhaben gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz, die beziehungsweise das jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.
Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und zu den gegenständlichen Beschlüssen sowie zu den gegenständlichen Berichten schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie das EU-Vorhaben gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz betreffend NON 3091/15 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2014 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Behandlung der Tagesordnung
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 8 und 9 jeweils unter einem durchzuführen.
Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Wir werden daher so vorgehen.
Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (SprG-Novelle 2015) (822 d.B. und 865 d.B. sowie 9471/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zu deren 1. Punkt.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hammerl. Bitte um den
Bericht.
Berichterstatter Gregor Hammerl: Sehr geehrte Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Forstner. – Bitte.
10.47
Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Aufgrund neuer EU-Vorgaben über zivil genutzte Explosivstoffe ist es notwendig geworden, das Sprengmittelgesetz zu ändern.
Wesentliches Ziel der Vorgaben ist es, in allen Staaten der EU dieselben Bestimmungen und Standards zu erreichen und dadurch auch innerhalb der EU den freien Warenverkehr sicherzustellen. Konkret darf künftig ein Schieß- und Sprengmittel erst dann in Verkehr gebracht werden, wenn die Konformität beziehungsweise die Konformitätserklärung – das ist die Bestätigung des Herstellers, dass das Schieß- und Sprengmittel den wesentlichen Sicherheitsanforderungen entspricht – von einer Konformitätsbewertungsstelle bescheinigt wird; das ist das Verfahren zur Bewertung, ob die wesentlichen Sicherheitsanforderungen der Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung auf dem Markt und die Kontrolle von Explosivstoffen für zivile Zwecke an ein Schieß- und Sprengmittel erfüllt worden sind.
Die Händler dürfen in Zukunft nur mehr Schieß- und Sprengmittel verkaufen, die mit einer CE-Kennzeichnung versehen beziehungsweise gekennzeichnet sind, und zwar mit einer Kennzeichnung, durch die der Hersteller erklärt, dass die Schieß- und Sprengmittel den geltenden Anforderungen genügen, die in den Vorschriften der EU festgelegt worden sind.
Die Kennzeichnungspflicht gilt aber nicht für Schieß- und Sprengmittel, die unverpackt geliefert oder in Mischladegeräten hergestellt werden und direkt in das Sprengloch geladen oder gepumpt werden, und auch nicht für Schieß- und Sprengmittel, die am Sprengort hergestellt und danach sofort geladen werden, also eine sogenannte Vor-Ort-Herstellung.
Die neuen Datenschutzbestimmungen ermächtigen in Zukunft die Behörden, von ihnen verarbeitete Daten an Gerichte und Sicherheitsbehörden beziehungsweise für deren Tätigkeit im Bereich der Strafrechtspflege auf deren Anfrage zu übermitteln. Die Daten, die übermittelt werden, können auch personenbezogen sein, sofern dies für die Identifizierung eines Schieß- und Sprengmittels, seine Rückverfolgung in der Vertriebskette und für die Risikobewertung erforderlich ist.
Ich denke, dass die neuen Datenschutzbestimmungen ein wichtiger Punkt sind, weil es dadurch innerhalb der EU beziehungsweise zwischen den zuständigen Behörden einen gesetzlich gewährleisteten Daten- und Informationsaustausch gibt.
In Zukunft können sich auch die Wirtschaftsakteure, also Hersteller, Importeure und Händler, gegenseitig darauf verlassen, dass sachgemäß gearbeitet wird. Ich meine, das sind sehr wichtige Änderungen für die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der FPÖ.)
10.50
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Weber. – Bitte.
10.51
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor allem liebe Schülerinnen und Schüler meiner Neuen Mittelschule St. Anna am Aigen! (Bundesrat Mayer: Gute Schule!) – Richtig, gute Schule, wie du siehst, lieber Kollege!
Werte Damen und Herren, uns liegt die Novelle zum Sprengmittelgesetz 2010 vor. Wir konnten von meinem steirischen Kollegen und Freund Armin Forstner schon von der Wichtigkeit dieser Novelle hören. Mit dieser Novelle wird das besagte Gesetz geändert. Die Novelle ist nicht so spektakulär wie manche aktuellen Fernsehbilder zum Thema Sprengung, aber doch wichtig und spektakulär in ihrer Wirkung.
Jeder kennt die aktuellen Bilder aus meinem steirischen Heimatbundesland, genauer gesagt aus dem Bezirk Voitsberg. Auf dem Gelände des Kohle-Dampfkraftwerks reichte die Menge von drei großen Fliegerbomben, also 666 Kilogramm Sprengstoff, nicht aus, um das Kesselhaus des Kraftwerks sozusagen endlich in die Geschichte zu versenken. Im Dezember soll es deswegen eine Nachsprengung geben.
Man kennt solche Bilder aus vielen Fernsehdokumentationen. Es ist nicht das erste Gebäude, das in seiner Gesamtheit stehen geblieben ist – trotz gut geplanter und vollzogener Sprengung. Ganze Hochhäuser hätten schon in sich zusammenfallen sollen, dies ist aber auch nicht sozusagen wie auf Befehl geschehen. Also da wird, denke ich, noch ein wenig Arbeit notwendig sein.
Zivil genutzter Sprengstoff wird unter anderem im Bergbau – so wie im Basaltwerk Klöch, in meiner Nachbargemeinde –, bei Lawinensprengungen, im Tunnelbau oder, wie in Voitsberg, bei der Sprengung von alten, nicht mehr benötigten Gebäuden eingesetzt. Nicht immer wird dabei das Gelingen oder eben das Nichtgelingen via Fernsehen übertragen.
Es ist sehr wichtig, dass es ein einheitliches Regelwerk gibt, das eine ordnungsgemäße Handhabung sichert, damit in Europa eine einheitliche Vorgangsweise zum Schutz und zur Sicherheit der damit handelnden Personen, der damit arbeitenden Menschen, aber auch zum Schutz der Umwelt gewährleistet ist; es ist gut, dass es hier eine Harmonisierung, eine europaweite Angleichung auf hohem Niveau gibt.
Die neu eingearbeiteten Datenschutzbestimmungen – die sind in diesem Sprengmittelgesetz eben neu enthalten – sind ein ganz wichtiger Aspekt. Es muss mit der Europäischen Union, mit der Kommission und mit diversen Behördenstellen einen Datenaustausch geben.
Europaweit wird es nun einheitlich ein hohes Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Umwelt bei Explosivstoffen geben. In allen EU-Staaten gelten die gleichen Standards für die Bereitstellung und die Konformitätsbewertung. Mit diesem neuen Sicherheitsaspekt kann sich jeder Wirtschaftsakteur darauf verlassen, dass ordnungsgemäß Handel betrieben wird, dass ordnungsgemäß gearbeitet wird – auch zum Schutz der Bevölkerung. Ich danke allen Beteiligten dafür. (Beifall bei der SPÖ.)
10.54
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Längle. – Bitte.
10.54
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Hohes Haus! Die Änderung des Sprengmittelgesetzes halten auch wir Freiheitliche für eine gute Sache und bewerten sie sehr positiv. Damit wird eine wichtige Grundlage für den Umgang mit und die Handhabung von Schieß- und Sprengmitteln geschaffen. Mit Sprengstoffen ist allgemein sehr sensibel umzugehen, weil sie bekanntlich sehr gefährlich sind.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein trauriger Vorfall aus meiner Heimat Vorarlberg ein. Dort wurde in einem Einfamilienhaus Sprengstoff gelagert, und das wurde unsachgemäß gehandhabt. Es kam dann zu einer Explosion in diesem Haus. Leider ist dort nicht nur materieller Schaden entstanden, sondern auch Personenschaden. Deshalb ist es so wichtig, dass es da klare Richtlinien gibt und dass vor allem auch sehr hohe Sicherheitsstandards vorgegeben sind, die einzuhalten sind, und zwar nicht nur beim Endverbraucher, sondern auch bei den Herstellern, bei den Importeuren und bei den Händlern. Stichworte: Lagerung, Verwahrung, Transport. Die Gefahren sind da sicherlich nicht zu unterschätzen.
Positiv bewerten möchte ich auch die Konformität beziehungsweise die Erstellung von technischen Unterlagen. Bezüglich der Endverbraucher, bezüglich des Schutzes in diesem Bereich ist es auch positiv zu bewerten, dass es auch eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache geben wird. Auch bei Haushaltsgeräten sind heutzutage Gebrauchsanweisungen und auch Sicherheitsinformationen dabei. Das ist bei Schieß-und Sprengmitteln ebenso sehr wichtig.
Im Zusammenhang mit der Richtlinie 2014/28/EU möchte ich auch die Zusammenarbeit zwischen Händlern, Importeuren und den Behörden erwähnen. Ich denke, dass die Maßnahmen zum Rückruf und zur Rücknahme zum Zwecke der Abwendung von Gefahren auch ihre Früchte tragen werden.
Ja, es bleibt am Ende noch zu hoffen, dass diese Standards und Sicherheitsbestimmungen nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten EU zur Anwendung kommen, und zwar auf gleich hohem Niveau.
Vielleicht noch ein kleiner Kritikpunkt: Ich denke, dass man in diesem Bereich schon früher hätte handeln sollen, denn es geht da, wie gehört, um etwas sehr Wichtiges.
Abschließend darf ich festhalten, dass wir Freiheitliche dieser Änderung sehr gerne unsere Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
10.58
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
10.58
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt immer solche Akten wie diese – heute darf ich nämlich ein bisschen nostalgisch sein –, da weiß man, dass man dazu redet; ich nenne sie die sogenannten Was-soll-ich-denn-dazu-dann-noch-sagen-Akten.
Diese Akten kommen aus den Ministerien, dort werden sie ganz super vorbereitet, dann kommen sie in den Nationalrat, und danach kommen sie in den Bundesrat, und dann sind sie beschlossen. Kein Journalist/keine Journalistin interessiert sich für diese Akten, keiner auf Twitter oder auf Facebook, nirgendwo kommen diese Akten vor, sie kommen nur hier bei uns auf dem Papier vor.
Diese Akten sind wichtig. Es ist toll, dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien gibt, die das erarbeiten. Und ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem
man sich mit solchen Sachen auseinandersetzt und in dem wir in einem ordentlichen demokratischen Gefüge solche Sachen beschließen.
Ich mag meine Ich-weiß-nicht-was-ich-dazu-sagen-soll-Akten. Und ich bin jetzt der Vierte, der diesen Akten zustimmt. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)
10.59
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya – March (844 d.B. und 866 d.B. sowie 9472/BR d.B.)
3. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (783 d.B. sowie 9473/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung.
Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Forstner. Bitte um die Berichte.
Berichterstatter Armin Forstner, MPA: Frau Präsident! Frau Minister! Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya – March.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich bringe auch gleich den Bericht zu Tagesordnungspunkt 3: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen.
Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichte.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte.
11.02
Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Tagesordnungspunkt 2, dem Vertrag über einen Fixpunkt an der Grenze: Das ist eigentlich kein sehr aufregendes Thema, aber auch dieses gehört behandelt, und vor allem gehört dazugesagt, dass die Behandlung des Themas deswegen erforderlich wurde, weil die Grenze bis jetzt in der Mitte der March liegt und es aufgrund eines geplanten großen Umweltschutzprojekts erforderlich ist, den Fixpunkt entsprechend vertraglich abzusichern und nicht mehr in der Mitte der March zu belassen, weil sich ansonsten die Grenze möglicherweise verschieben würde.
Jetzt komme ich zu Punkt 3 der heutigen Tagesordnung, und dieses Thema ist mir ein persönliches Anliegen. Dieses Thema ist genau das, womit ich mich beruflich immer wieder befasst habe, und ich halte es für einen sehr wesentlichen, wichtigen Punkt, auch die Legislative entsprechend daran zu beteiligen, weil aufgrund dessen, dass die Kriminalität an den Grenzen nicht haltmacht, auch wir von der Exekutive aufgerufen sind, das mit unseren Kollegen, mit unseren Ermittlungen und mit unseren täglichen Einsätzen im Polizeidienst nachzuholen.
Deswegen haben wir schon vor mehr als zwölf Jahren begonnen, Polizeikooperationszentren zu etablieren – damals noch auf Goodwillbasis –, die sukzessive durch Polizeikooperationsverträge mit allen Nachbarstaaten ergänzt, unterstützt und legislativ gut ausgestattet wurden. So haben wir ja erst vor Kurzem ein letztes Polizeikooperationszentrum in Betrieb genommen, nämlich das mit Deutschland, das es bis jetzt nicht gegeben hat. Aber wir sehen auch da die Notwendigkeit, mit unseren Nachbarn, egal, wo – Westen, Osten, Süden, Norden –, entsprechend zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Und ich weiß aus beruflicher Erfahrung, dass das nicht nur wichtig und gut ist für unsere Kollegen, sondern dass diese Zusammenarbeit auch Spaß macht, weil sie meistens von wirklich großen Erfolgen gekrönt ist.
Zum heutigen Punkt 3 der Tagesordnung ist jetzt noch zu sagen, dass es sich dabei um den Polizeikooperationsvertrag mit der Tschechischen Republik handelt, der im Jahr 2005 erstmals abgeschlossen wurde und heute hier ergänzt werden soll, wenn wir auch bisher schon eine Fülle an Möglichkeiten hatten, wie zum Beispiel die Nacheile, die darin abgesichert wurde. Nacheile heißt, ein österreichisches Polizeifahrzeug oder eine österreichische Polizeistreife muss bei der Verfolgung eines Täters nicht mehr an der Grenze halten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Observationen.
Vor allem hatten wir bis jetzt schon die Möglichkeit der gemischten Streifen, das heißt, Polizeikollegen des einem und des anderen Landes waren gemeinsam auf Streife. Das Problem dabei war nur, dass diese Streife mit einer Kilometerbeschränkung von 10 Ki-
lometern in jedem Land zwar gut und schön war, aber es hat sich in der Praxis herausgestellt, dass das nicht ausreichend ist, und so wurde diese Gebietseinschränkung wesentlich erweitert.
Neu in diesem Vertrag ist auch die Hilfeleistung – und das ist ein sehr bemerkenswerter Punkt, auf den ich hinweisen will. Die Hilfeleistung besagt, wenn österreichische Polizisten im benachbarten Ausland im Zuge ihrer Diensttätigkeit ein Verbrechen sehen, dann können sie, ohne die Nachbarn zu Hilfe zu holen, zuerst einmal einschreiten und diese Tat abwehren und diesen Täter dingfest machen.
Ich glaube, dass wir in Österreich – und nicht nur in Österreich, sondern in Europa –, gerade, was die Polizeikooperation betrifft, sehr zusammenrücken, dass wir gute Kontakte mit unseren Kollegen haben, dass wir einen freundschaftlichen Umgang pflegen, und dieser freundschaftliche Umgang ist auch besonders wichtig bei der Ergebniserzielung. Ich weiß das aus meiner persönlichen Erfahrung, die ich in der Vergangenheit gemacht habe: Die gegenseitige persönliche Wertschätzung hat mindestens so viel Gewicht wie eine vernünftige Legislative, die von unserem Innenministerium, also von unserer Innenministerin, mit sehr viel Voraussicht im Nationalrat eingebracht wurde.
Wir werden diesen Verträgen gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
11.06
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.
11.06
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Ich möchte auch gleich mit TOP 2 beginnen.
Die Wiege sowohl von Frau Kollegin Ledl-Rossmann als auch meine stand ja in einem Bezirk, in dem der letzte mäandrierende Fluss Mitteleuropas zu Hause ist, und wir wissen: Wenn ein Fluss sich jedes Jahr ein neues Flussbett sucht, gibt es dann auch immer wieder Fragen: Was gehört wo hin, und zu welchem Gemeindegebiet gehört etwas? Nun ist es völlig klar, dass auch zwischen Staaten ... (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)
Nicht lachen! Wir haben zum Beispiel hier im Bundesrat beschlossen – damals war ich sehr initiativ, dass das geschieht –, dass wir die Grenze zwischen dem 19. und dem 20. Bezirk verschieben – auch das ist ein Staatsgesetz –, sodass nämlich einer der Wagner-Löwen der Schemerlbrücke jetzt im 19. Bezirk ist, in meinem Heimatbezirk. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Nein, nein, der steht schon da, nur hat der Löwe immer in den anderen Bezirk gehört. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrat Mayer: Ein Tiroler Löwe!) Wir pflegen ihn redlich.
Aber es ist natürlich sinnvoll, wenn man zwischen zwei Staaten einen fixen Grenzpunkt hat und eine Staatsgrenze nicht wie hier, die nämlich dem Lauf des Flusses folgt, flexibel ist.
Nun zu TOP 3: Wir haben ja schon viele verschiedene Kooperationen. Ich kann meinem Vorredner da nur zustimmen: Das ist modern, das ist europäisch denkend. Wir kennen diese Praxis, wir haben jetzt zum Beispiel diese Kooperation mit Slowenien gemacht.
Was historisch gesehen vielleicht auch interessant ist: Wer hätte denn einmal gedacht, dass slowenische Polizisten nach Kärnten hinüberfahren und dass Kärntner Polizisten nach Slowenien fahren?!
Oder: Wenn wir an eine harte Grenze des Eisernen Vorhangs denken, dann war es die zwischen Tschechien und Österreich. Und diese Form der Wertschätzung, diese Form einer modernen europäischen Zusammenarbeit – und ich darf nur daran erinnern, dass
mit dem Vertrag von Lissabon das Kapitel Justiz und Inneres mit Jahresbeginn sozusagen in der Vertiefung abgeschlossen ist – folgt dieser Kooperation und Partnerschaft. Sie fördert auch die Gefahrenabwehr beziehungsweise die Verfolgung von Straftätern. Insofern ist das sehr sinnvoll und zeigt auch bei Ländern innerhalb der Europäischen Union, wie man sich gegenseitig Hilfe leistet und wie man Grenzen verschwinden lässt.
Ich kann mich noch erinnern, als Tschechien der Europäischen Union beigetreten ist, war das eine Aufgabe des Bundesrates – damals unter Präsident Jürgen Weiss –: Wir sind die verschiedenen harten Sackgassen bei den Grenzstraßen in Oberösterreich abgefahren und haben gemeinsam mit den Tschechen von Forststraße zu Forststraße besprochen: Wie machen wir das auf? Wie machen wir das in Zukunft? – Das ist ein Zusammenwachsen von etwas, was einmal durch den Eisernen Vorhang künstlich getrennt war. – Und das ist jetzt im Bereich der Polizei ein wichtiger Schritt.
Wir stimmen bei beiden Tagesordnungspunkten sehr gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
11.10
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. – Bitte.
11.10
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Sache eingehe, noch ein Wort zu Ihnen, Frau Bundesministerin: Auch ich finde es in höchstem Maße unerträglich, wenn Sie jedes Mal, wenn ich berechtigte Kritik am Vorgehen des Innenministeriums und am Umgang des Innenministeriums mit unseren Kolleginnen und Kollegen anbringe (Bundesrat Schennach: Aus Ihrer Sicht berechtigte Kritik!), wenn ich hier berechtigte Kritik daran anbringe, wie das Ministerium mit unseren im Einsatz befindlichen Polizistinnen und Polizisten umgeht (Bundesrat Todt: Aber wir haben schon einen anderen Tagesordnungspunkt! – Bundesrat Mayer: Aber ein Lob habe ich von Ihnen noch nie gehört!), dass Sie, Frau Bundesminister, mir dann unkollegiales Verhalten vorwerfen.
Unkollegial finde ich es vielmehr, wenn Sie das trotz besseren Wissens und in Kenntnis dessen, wie die tatsächlichen Verhältnisse der Einsätze für unsere Einsatzkräfte sind, in Abrede stellen und mir hier, quasi mit dem Finger auf mich zeigend, Ihre Untätigkeit vorwerfen. – Das kann es nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)
Zu den beiden Tagesordnungspunkten – meine Vorredner haben ohnedies die Inhalte sehr gut ausgeführt –: Auch wir werden sowohl dem Staatsvertrag über die Festsetzung des Grenzpunkts Thaya – March als unbeweglichen Grenzpunkt zustimmen, wie auch dem Vertrag mit der Tschechischen Republik, weil auch ich diesbezüglich sehe, dass wir damit durchaus einen Mehrwert für die Gefahrenabwehr erreichen, aber auch die Möglichkeit haben, in Zusammenarbeit mit den tschechischen Sicherheitsbehörden für unsere österreichischen Interessen, unsere österreichischen Sicherheitsinteressen zukunftsweisend etwas weiterzubringen und eine erhöhte Sicherheit auch für unsere Bevölkerung zu schaffen.
In diesem Sinne: Zustimmung bei beiden Tagesordnungspunkten. (Beifall bei der FPÖ.)
11.12
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als nächster Redner ist Herr Kollege Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.
11.12
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Und schon wieder bin ich der vierte Redner und schon wieder der vierte Pro-Redner. Es ist, wie Kollege Herbert schon gesagt hat, sozusagen alles gesagt worden.
Ich möchte noch hinzufügen, weil in den letzten Monaten ja auch sehr oft vom Ende von Europa die Rede ist – Europa in Auflösung, Europa in der Krise, EU bricht zusammen –, dass durch genau solche Akte wie den, den wir jetzt beschließen, für mich auch Hoffnung besteht, ein Art von Hoffnungsschimmer: Es gibt gemeinsame europäische Arbeit, es gibt grenzüberschreitende Arbeit, wie in diesem Fall im Sicherheitsbereich.
Ich möchte mehr davon! Ich möchte mehr grenzüberschreitende Arbeit: im Bildungsbereich, im Wissenschaftsbereich, im Kulturbereich und so weiter. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
11.13
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt getrennt.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik über den Dreiländergrenzpunkt Thaya – March.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung und Ergänzung des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen.
Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsbereiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Sicherheitsbericht 2014 (III-561-BR/2015 d.B. sowie 9474/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nun gelangen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Sicherheitsbericht 2014.
Dieser Bericht beinhaltet einen Beitrag des Bundesministeriums für Inneres sowie einen Beitrag des Bundesministeriums für Justiz. Zum einen gibt der Teil des Bundesministeriums für Inneres Aufschluss über die Entwicklung der Kriminalität in Österreich und sämtliche damit einhergehende Subthemen, zum anderen beschäftigt sich der Teil des Bundesministeriums für Justiz mit der Strafrechtspflege und allen damit einhergehenden Themen.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 17. November in Verhandlung genommen. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, den 4. Sicherheitsbericht 2014 zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich Herrn Minister Dr. Brandstetter recht herzlich bei uns hier im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Wir gehen in die Debatte ein.
Als erster Redner ist Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. – Bitte.
11.16
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Sicherheitsbericht 2014 ist ja praktisch schon wieder überholt, könnte man meinen, weil 2014 fast ein Jahr her ist und wir eigentlich über Zahlen diskutieren, die eigentlich schon fast nicht mehr relevant sind. Sie bieten aber trotzdem einen guten Ansatz, daraus die erforderlichen Schlüsse zu ziehen – und die Schlüsse daraus sind für meine Person folgende: 2014 gab es eine Straftat pro Minute. Wir haben zwar den niedrigsten Wert an Anzeigen innerhalb der letzten zehn Jahre und auch den höchsten Aufklärungswert, aber wir haben auch den höchsten Anteil an straffällig gewordenen ausländischen Staatsbürgern seit 2004, nämlich 37 Prozent.
Jetzt beginne ich meine Schlussfolgerung damit, dass 2014 ja auch jenes Jahr war, in dem wir erfahren mussten, dass gemäß einer Entscheidung des Bundesministeriums für Inneres 122 Dienststellen geschlossen werden sollen, womit sich natürlich auch das Sicherheitsangebot für die Bevölkerung wesentlich minimiert hat. Ich darf daran erinnern, dass mit Schließung der Dienststellen für die Bevölkerung, insbesondere im ländlichen Bereich, nicht nur wesentliche und wichtige Polizeidienststellen mit einem Schlag weg waren, sondern dass diese Schließungen auch von den regionalen politischen Verantwortlichen, auch von vielen Landeshauptleuten, höchst negativ aufgenommen wurden.
Jetzt könnte ich daraus Folgendes schließen: Immer weniger Polizisten, immer weniger Exekutivbeamte bringen immer weniger Anzeigen zu Papier, und damit könnte ich erklären, dass der Rückgang bei den Anzeigen eigentlich nur Makulatur ist und eigentlich genau das Gegenteil von dem der Fall ist, was in diesem Bericht steht. – Und ich könnte das nicht nur so zum Ausdruck bringen, sondern ich will es auch zum Ausdruck bringen, weil es nicht nur inhaltlich stimmt, sondern auch, weil wir bei der Exekutive – und da können Sie mich wieder ungerechtfertigterweise schelten, Frau Bundesministerin – ein massives Personalproblem haben.
Dieses Personalproblem hat sich schon im Jahr 2014 gezeigt. Die Schließung der Dienststellen erfolgte ja nicht, weil wir ein neues großartiges Sicherheitskonzept haben, sondern ganz einfach deshalb, weil es nicht mehr möglich war, diese Dienststellen in der vorgesehenen Personalstärke tatsächlich zu besetzen. Dadurch ist eine Vielzahl von Überstunden angefallen, und es war schlicht und einfach ein brutales Sparprogramm auf
Kosten der österreichischen Bevölkerung – nämlich der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung –; deshalb ist es zu dieser Postenschließung überhaupt gekommen.
Ungeachtet dessen hat sich dieses Sicherheitsproblem im Sinne der fehlenden personellen Kapazitäten weiter fortgesetzt; zum einen, weil wir im exekutiven Bereich neue Aufgaben haben, viel mehr Sicherheitsbereiche abdecken müssen, zum anderen aber natürlich auch, weil die Flüchtlingsproblematik es mit sich gebracht hat, dass viele der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen woanders – nämlich im Flüchtlingseinsatz an der Grenze – Dienst machen und nicht mehr in ihren eigentlichen Stammdienststellen und dort Personal fehlt. Das bedeutet, dass wir da – in die Zukunft schauend – dringendst mehr Personal brauchen.
Frau Bundesministerin Mikl-Leitner hat uns ja bereits im Vorfeld erklärt, wir bekommen 2 000 neue Polizisten und Polizisten. (Ruf bei der ÖVP: Polizistinnen und Polizisten!) – Polizistinnen und Polizisten, genau.
Vielleicht darf ich kurz einmal erläutern, wie sich die Rechnung darstellt: Wir haben 1 700 Planstellen – also Exekutivbeamte –, die aufgefüllt werden sollen, plus 275 Neuzugänge beim BFA, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Von den 1 700 Beamten, die da im Bereich der Exekutive neu kommen sollen, sind 700 schon jetzt für Pensionsabgänger, die sowieso nachbesetzt werden müssen, kalkuliert. Von den restlichen 1 000 werden Vorgriffe auf die kommenden Jahre genommen, das heißt, wir bringen zwar theoretisch momentan mehr Beamte in Ausbildung, erzeugen aber gleich wieder – weil uns ja die Planstellen in den nächsten Jahren fehlen – ein Personalloch, und das bei einer steigenden Pensionsabgangsquote, die in den nächsten Jahren ein noch größeres personelles Problem bedeuten wird als derzeit vom BMI zugegeben.
Ich darf noch einmal daran erinnern: Es gibt eine Studie vom Bundeskanzleramt aus dem Jahr 2008, in der die Pensionsentwicklung im öffentlichen Dienst – nicht nur bei der Exekutive, sondern in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes – berechnet wurde und uns schwerste Pensionsabgänge, nämlich bis zu einem Drittel des derzeit im Dienst befindlichen Personals, bis 2020 prophezeit wurden; das wären um die 10 000 Beamte. Da besetzen wir jetzt gerade einmal vorübergehend 10 000 nach, wohl wissend, dass wir das in den nächsten Jahren nicht kompensieren können beziehungsweise nichts mehr nachschießen können. – So viel zur Frage: Wie viel Polizei wird uns versprochen, und wie schaut die planstellenmäßige Wahrheit aus?
Betreffend die 275 Neuzugänge im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl: Da wissen wir überhaupt noch nicht, wo die Planstellen herkommen. Da wird immer von einem virtuellen Topf gesprochen, nämlich jenem Topf, der entstehen soll durch Abgänge aus der Post, aus den ÖBB, aus dem Finanzsektor und anderen öffentlichen Bereichen, wo eben Beamte in Pension gehen oder durch Vertragsbedienstete ersetzt werden. Das ist, glaube ich, das bestgehütete Geheimnis in der Republik, weil keiner genau sagen kann, wie viele sich tatsächlich in diesem Topf befinden – gerüchtehalber aber nicht einmal 100! Vielleicht kann uns aber in dieser Rechnung die Frau Innenministerin informativ zur Seite stehen.
Das bedeutet: Wir haben nicht nur ein großes Problem, die allgemeinen personellen Ressourcen sicherzustellen, sondern auch die uns noch viele Monate – um nicht zu sagen, Jahre – begleitenden Flüchtlingsproblematiken; Stichwort: Grenzeinsatz. Die EU, wissen wir ja, hat uns bis dato nicht unterstützt und wird uns wahrscheinlich, so wie es ausschaut, auch in Zukunft nicht wesentlich zur Seite stehen. Sollten tatsächlich irgendwann einmal Außengrenzsicherungspunkte – wie es von der EU schon seit Monaten versprochen wird, wo aber bis dato noch immer kein Land in Sicht ist – geschaffen werden, dann wird das wohl etliche Zeit – um nicht zu sagen, Jahre – dauern, bis diese faktisch auch greifen und effektiv in Betrieb genommen werden können.
Das heißt: Wir haben hier ein höchst düsteres Bild im Bereich der Exekutive, das uns eigentlich sehr nachdenklich stimmen und dem man nicht mit verbalen Entgegnungen im Sinne von: der Überbringer der schlechten Nachricht ist automatisch auch der Böse!, begegnen sollte, sondern ich lade Sie ein, Frau Bundesminister, dass wir hier – durchaus gemeinsam – einen effektiven Ansatz finden, wie wir dem Problem begegnen können.
Wichtig ist jetzt einmal, sicherzustellen, dass wir den Grenzeinsatz personell – vonseiten der Exekutive wie auch des Bundesheeres – über die Bühne bringen. Das alleine wird sich aber als nicht ausreichende Maßnahme erweisen. Wir brauchen wohl auch technische Sperren; die Debatte, was Zäune sind und welche Begrifflichkeiten das Wort Zaun in der Kreativität der Wortspielereien noch erwecken kann, war ja ein eher unwürdiges Schauspiel der Bundesregierung, wie man Probleme, ich will nicht sagen, lösen, zumindest aber diskutieren kann.
Wir haben also neben der Personalfrage auch den Ansatz, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung entsprechend nachzukommen – Spielfeld wurde ja in der Aktuellen Stunde schon angesprochen und auch die Probleme, die damit in Verbindung stehen, durch die unmittelbare Einwirkung der Flüchtlingsströme auf die Bevölkerung –, das einer dringenden Lösung zuzuführen. Es bedarf daher Maßnahmen, die auch tatsächlich greifen; wir meinen: technische Sperren im Sinne von Zäunen sind der richtige Weg.
Ich darf daher zum Abschluss meiner Rede folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, die Staatsgrenze effizient zu schützen und alle dafür erforderlichen Maßnahmen, gegebenenfalls auch technische Sicherungsmaßnahmen, zu setzen.“
*****
Es geht um personelle wie auch technische Möglichkeiten zum Schutz unserer Bevölkerung, aber auch um ein sichtbares Zeichen, dass die Republik Österreich von dieser Bundesregierung nicht aufgegeben wird, sondern dass wir auch tatsächlich bemüht sind, zum Schutz und zur Sicherheit der eigenen hier wohnenden Menschen das Wichtige und Notwendige zu tun. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
11.27
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Jenewein, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Sicherungsmaßnahmen an der Grenze ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte.
11.27
Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich jetzt zur Kriminalstatistik des Jahres 2014 komme, möchte ich auf drei Punkte des Kollegen Herbert replizieren.
Das Erste ist: Ich staune, wie Kollege Herbert beim Austeilen ein wirklich großer Mann ist, wenn es aber um das Einstecken von Kritik geht, haben wir das Problem von sehr viel Mimosenhaftigkeit. Ich glaube, dass wir das doch etwas ausgleichen sollten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Herbert.)
Das Zweite ist – und das ist etwas, was mich von einem gelernten Polizisten wirklich bass erstaunt –, dass er hier vom Rednerpult aus behauptet, dass der Rückgang der An-
zeigen in der Kriminalstatistik rein darauf beruht, dass wir zu wenige Beamte haben und sie aus diesen Gründen diese Anzeigen nicht aufnehmen. (Bundesrat Herbert: So ist es!) Ein gelernter Polizist sollte wissen, dass das gar nicht möglich ist. Wenn ein Beamter die Anzeigenentgegennahme ablehnt, dann ist das Amtsmissbrauch (Bundesrat Herbert: Geschlossene Dienststellen …!), und das ist eine Sache für den Staatsanwalt und nicht für das Parlament! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Herbert: Geschlossene Dienststellen! Keine Serviceeinrichtung für die Bevölkerung!)
Das Dritte: Der soeben eingebrachte Antrag ist meiner Meinung nach obsolet – obsolet deswegen, weil unsere Ministerin das Problem schon längst gelöst hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem die FPÖ noch gar nicht mitbekommen hat, dass wir darüber diskutieren. (Bundesrat Herbert: ...das peinliche Spiel …!) Das ist auch das ständige politische Spiel, dass im Nachhinein immer wieder Sachen vorgebracht werden, die von unserer Ministerin schon längst gelöst sind. Wir werden dem natürlich nicht zustimmen, weil es einfach zeitmäßig nicht mehr zu begründen ist. (Bundesrat Krusche: Aber vielleicht kannst begründen, wie das Problem gelöst wurde! Wir merken nämlich …!)
Ich habe das heute eingangs in der Aktuellen Stunde gesagt, und wir sind jetzt genau bei dem Punkt, dass wir politische Kräfte haben, die das bewährte System – auch wenn es manchmal schwierig ist, in wirklich extremen Situationen alles aufrechtzuerhalten –, die dieses Land mit ihrer politischen Vorgangsweise destabilisieren und uns in ein Eck drängen wollen, wo wir alle gemeinsam nicht hinwollen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Wir destabilisieren …! – Bundesrat Herbert: Die Bundesregierung destabilisiert – schließt Dienststellen und versetzt Beamte!)
Ich komme jetzt zur Kriminalstatistik, und ich werde wirklich nur einige wichtige Punkte herausholen, aber ich glaube, dass das sehr wohl aufzeigt, wie die hervorragende Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen draußen in den Polizeidienststellen ihre Wirkung zeigt.
Betreffend angezeigte strafbare Handlungen: Wir hatten im Jahr 2005 604 000 angezeigte strafbare Handlungen, im Jahr 2013 546 000 und im Jahr 2014 527 000. Wenn jetzt das Argument kommt, es wurden voriges Jahr 122 Dienststellen zugesperrt und deswegen gehen die Anzeigen zurück, dann frage ich mich aber schon: Was war während des Zeitraums 2005 bis 2013? Hat man da aufgrund der Kaffeepause der Kollegen die Anzeigenentgegennahme abgelehnt, oder ist es eine tatsächliche kriminalpolizeiliche Entwicklung? Wir haben nur vom vorigen Jahr auf heuer ein Minus von 3,4 Prozent.
Weil immer wieder Einzelpunkte herausgegriffen werden: Ich will auch dazu etwas sagen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir einzelne Punkte in der Kriminalitätsentwicklung doch im Großen und Ganzen sehen. Ich denke, dass es sehr signifikant ist, und möchte die Kriminalitätsentwicklung in zwei Bezirken in Niederösterreich herausnehmen: Das eine ist der Bezirk Lilienfeld mit einem Rückgang von 30,7 Prozent, und das andere ist der Bezirk Waidhofen an der Ybbs mit einer Steigerung von 40 Prozent. Wenn ich mir diese Statistik anschaue, könnte ich sagen, in Lilienfeld ist die Welt in Ordnung und in Waidhofen an der Ybbs haben wir die öffentliche Ordnung verloren. – Nichts dergleichen ist es, weil es manchmal aufgrund einer sehr guten Kriminalitätsentwicklung schon in diese Richtung geht; wenn einzelne kriminelle Banden aus dem Verkehr gezogen werden, sinkt die regionale Kriminalitätsentwicklung rasch, und umgekehrt, wenn es ein paar Einbrüche mehr gibt, steigt sie auch.
Für uns der wichtigste Punkt und der Punkt, der die Bevölkerung interessiert, ist aber: Der Rückgang der Kriminalitätsentwicklung ist in allen Bundesländern ziemlich gleich. Wir haben nicht nur in der Kriminalitätsentwicklung einen Rückgang, sondern es ist auch – und darauf möchte ich schon auch hinweisen – die Aufklärungsquote entsprechend an-
gestiegen, nämlich von 39,54 Prozent im Jahr 2005 auf 43,10 Prozent im Jahr 2014. Ich will da auch den internationalen Vergleich anführen und würde viele bitten, sich auch die Aufklärungsquoten in anderen Staaten anzuschauen: Österreich ist absolut spitze, und das verdanken wir unseren Kolleginnen und Kollegen im Außendienst.
Ein dritter und vielleicht sehr wesentlicher Punkt ist die Statistik der Einbrüche in Wohnungen und Wohnhäuser. Das ist genau der Punkt, der uns wirklich sehr stark beschäftigt. Wir können sagen: Vom Jahr 2005 mit 21 076 Wohnungseinbrüchen ist die Anzahl dieser bis 2012 auf 15 442 gesunken, aber 2014 wieder leicht angestiegen auf 17 109. Ich sage das deswegen, weil ich nichts beschönigen will. Ich will damit schon auch dokumentieren, dass es Problemfelder gibt, aber wir arbeiten an diesen Problemfeldern, und ich glaube, dass wir, was die Strategie im Außendienst betrifft – darüber habe ich mich noch kurz vor dieser Sitzung erkundigt –, gut unterwegs sind.
Ein ganz signifikanter Punkt ist der Kfz-Diebstahl. Es wird hier von der FPÖ alles wirklich ins Negativste geredet, was die Polizeiarbeit betrifft, aber eines möchte ich schon sagen, und diese Zahlen sprechen für sich: Kfz-Diebstahl 2005: 10 440 Fälle; Kfz-Diebstahl 2014: 3 347 Fälle. – Ich glaube, dem ist hier nichts mehr hinzuzufügen.
Ein weiterer Punkt – und das ist ein Punkt, der für uns ein relatives Neuland in der Kriminalitätsbekämpfung ist – ist die Cyberkriminalität; da gab es im Jahr 2005 1 794 Anzeigen und im Jahr 2012 10 308. Da konnten wir wieder einen Rückgang auf 8 966 verzeichnen. Laut den Experten des Innenministeriums ist es mittlerweile so, dass der Umgang mit dem Internet nicht mehr so leichtsinnig ist wie noch vor einigen Jahren und dass auch die Sensibilisierung der Internetnutzer sehr viel dazu beigetragen hat, diese Kriminalität zu senken.
Als vorletzten Punkt möchte ich noch den Extremismus anführen, rechts und links: Rechtsextremismus 2013: 1 186 Anzeigen inklusive Verbotsgesetz, 2014: 1 201 Anzeigen – das heißt, ein leichter Anstieg –; Linksextremismus 2013: 411 Anzeigen, 2014: 545 Anzeigen. – Das heißt, wir sind, auch was das betrifft, sehr beschäftigt, und das ist ein Punkt, auf den wir in der Sicherheitsexekutive sicher noch Wert legen werden.
Abschließend noch ein Punkt zur Justiz, nämlich die Zahl der Verurteilungen, die von 51 696 im Jahr 2013 auf 49 940 im Jahr 2014 gesunken ist – auch das ist ein Beweis dafür, dass das nicht aufgrund der Dienststellenschließungen der Polizei sein kann, weil die Justiz nur die Anzeigen entgegennimmt und bearbeitet, die von der Polizei kommen, und Hand in Hand die Täter aus dem Verkehr zieht.
Ich möchte noch eines sagen: Ich danke hier – entgegen den Unkenrufen von vorher – unseren Kolleginnen und Kollegen, die im Außendienst, in den Polizeiinspektionen, in den Kriminalabteilungen eine hervorragende Leistung vollbringen. Ich danke allen Bediensteten im Innenministerium, besonders auch unserer lieben Frau Ministerin, die eine Führung des Ministeriums an den Tag legt, die ihresgleichen sucht. Ich glaube, dass wir unter dieser Polizei, unter diesem Innenministerium sehr, sehr gut aufgehoben sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
11.36
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Jenewein –: So, jetzt kannst da weitermachen!)
11.36
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meinst du, dass ich da weitermachen werde? Aber du hast recht, ich gehe gleich auf meinen Vorredner ein, denn es belebt ja ein bisschen die politische Debatte und es soll uns ja nicht langweilig werden. Also Unkenrufe habe ich von Kollegen Herbert an sich keine vernommen. Ich weiß schon, woher das kommt, wenn ihr als Polizisten euch gegenseitig matcht. Ich meine, da, wo ich
politisch herkomme, wo ich politisch sozialisiert wurde, in der Bundeshauptstadt Wien, da verstehe ich das schon, denn die freiheitliche Polizeigewerkschaft hat bei den Personalvertretungswahlen natürlich immer sehr tolle Ergebnisse (Ruf bei der ÖVP: Die FCG hat die Mehrheit in Wien! – Bundesrat Herbert: Zweitstärkste Fraktion in Wien!); dass das natürlich den politisch Andersfarbigen nicht unbedingt immer so gut gefällt, das ist mir schon klar. – Aber es ist schön, dass ihr in Wien bei der Polizeigewerkschaft immer noch gut aufgestellt seid; als ÖVP seid ihr ja in Wien leider nicht mehr allzu gut aufgestellt.
Unabhängig davon möchte ich dem Gedächtnis des Herrn Kollegen Schödinger ein klein wenig auf die Sprünge helfen. Er ist ja erst relativ kurz in der Politik, er sitzt ja erst seit 2013 hier, und seit 2005 ist er Bürgermeister. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Selbstverständlich, ich informiere mich ja über das, was ich sage, und mache das nicht so wie Vertreter anderer Fraktionen, die sich herstellen und irgendetwas behaupten. (Bundesrätin Zwazl: Keine Unterstellungen!) – Ich habe ja niemandem etwas unterstellt, ich habe es ja allgemein formuliert.
Der Punkt ist nämlich der: Kollege Schödinger hat vorhin gesagt: Ihr stellt einen Entschließungsantrag, dabei hat unsere Innenministerin ja schon längst alles in die Wege geleitet, und ihr hoppelt ja immer nur nach! – Herr Kollege, es ist nicht ganz so.
Am 17. September 2004, das ist jetzt über elf Jahre her – da kann man nachschauen, das ist objektivierbar –, gab es eine OTS, Nummer 141, da forderte FPÖ-Chef Strache ein EU-Auffanglager für Asylwerber am afrikanischen Kontinent – in Analogie zur Forderung des damaligen deutschen Bundesinnenministers Schily. Das kann man alles nachlesen; nicht den Kopf schütteln, lesen und dann vielleicht den Kopf schütteln! Das ist nichts anderes als diese hochgelobten Hotspots, die jetzt eingerichtet werden sollen – eine Debatte, die elf Jahre lang nicht geführt wurde. Man hat elf Jahre lang Zeit geschunden, und jetzt brennt der Hut, und jetzt muss man irgendetwas aus dem Boden stampfen. Hätte man damals schon darauf gehört, dass in diese Richtung etwas zu tun ist, hätte man sich sehr viel erspart.
Der Entschließungsantrag, der von uns dazu eingebracht wurde, handelt ja eigentlich nur davon, dass man hier endlich einmal Klarheit schafft. Und da sage ich jetzt durchaus etwas Unorthodoxes Richtung ÖVP; es soll ja nicht immer nur alles schlechtgeredet werden, man kann es ja durchaus einmal erwähnen, wenn etwas positiv ist: Ich bin sehr froh, dass wir eine Innenministerin haben, die relativ klare Worte zur Grenzsicherung findet. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.) Ich bin sehr froh, dass wir eine Innenministerin haben, die sich durchaus traut – ich sage jetzt einmal so –, medial diskutiert, unpopuläre Maßnahmen ins Auge zu fassen und das auch zu sagen. Ich bin aber nicht sehr froh darüber, dass diese ÖVP-Innenministerin einen Koalitionspartner hat, der das offenbar völlig anders sieht. Das freut mich weniger, denn das ist ja eigentlich der Grund dieses Entschließungsantrags, dass wir endlich einmal Klarheit haben wollen.
Folgendes möchte ich Ihnen schon mit auf den Weg geben – das betrifft gar nicht Sie als Person, sondern das betrifft die Bundesregierung –: Diese öffentliche Performance, diese Außendarstellung: Machen wir jetzt eine Grenzsicherung, machen wir keine, machen wir Grenzzäune oder machen wir keine, machen wir eine sonstige bauliche Veränderung oder machen wir keine, machen wir ein Gartentürl mit Seitenteilen oder machen wir es nicht?, diese öffentliche Performance führt nicht nur dazu, dass Sie die ganze Debatte ins Lächerliche ziehen, sondern sie schadet dem politischen Ansehen ganz massiv, und sie schadet auch den Menschen vor Ort in den Grenzregionen, denn die kennen sich überhaupt nicht mehr aus. Der Bürgermeister von Spielfeld sagt, er werde von der Politik im Stich gelassen. Er hat überhaupt keine Unterstützung und weiß nicht, was er seinen eigenen Leuten vor Ort sagen soll.
Ich bin eben der Ansicht – und ich habe das ganz ernst gemeint –, dass die Haltung der Innenministerin eine richtige ist. Ich bin auch der Ansicht, dass die Meinung von Außenminister Kurz in dieser Frage eine richtige ist. Aber ich halte es für eine Katastrophe, dass, kaum dass diese Dame oder dieser Herr eine Äußerung von sich gibt, von der anderen Seite sofort das Dementi kommt und gesagt wird: Nein, eigentlich brauchen wir das nicht, darüber müssen wir noch reden. Von der einen Seite hören wir, wir errichten etwas, von der anderen Seite hören wir, nein, wir errichten nichts. – Das ist in der Öffentlichkeit ein Wahnsinn. Das zeigt nur, dass man sich leider Gottes nicht dazu durchringen kann, eine einheitliche Linie nach außen zu vertreten.
Ich wünsche Ihnen persönlich auch, dass Sie Ihr Rückgrat bewahren und dass Sie die Unterstützung vor allem auch der eigenen Partei haben, denn man hört ja auch aus Ihrer eigenen Partei manchmal durchaus widersprüchliche Aussagen. Und ich wünsche mir, dass Sie den Koalitionspartner auch noch davon überzeugen, dass es vielleicht nicht so schlecht wäre, mit einer Zunge in der Öffentlichkeit zu sprechen. Das wäre sicherlich sinngebend, vor allem auch für die eigene Bevölkerung.
Der Herr Kollege Schennach – er ist jetzt leider nicht im Saal, aber vielleicht hört er mich irgendwo im Haus oder vielleicht erzählen Sie es ihm –, Kollege Schennach hat heute in der Früh seine Rede mit einem Zitat von Benjamin Franklin über die Freiheit beendet, da wollte er besonders intellektuell wirken. Er hat es auch noch falsch zitiert, aber darauf möchte ich jetzt gar nicht eingehen. Ich möchte ihm ein Zitat von Albert Kamus, dem Nobelpreisträger, mitgeben, der gesagt hat: „Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.“
Ich denke, dass das ein Zugang ist, den wir uns alle ein bisschen zu eigen machen sollten, wenn dieser Tage so über Willkommenskultur und Werte debattiert wird, die wir vermitteln sollen. Vielleicht ist das einer der Werte, die wir auch jenen mit auf den Weg geben sollten, die dieser Tage die Grenze nach Mitteleuropa überschreiten und auch glauben, hier bleiben zu müssen. Es geht nicht um Privilegien, es geht in erster Linie einmal um Pflichten. Und aus den Pflichten heraus ergeben sich erst in weiterer Folge die Rechte und auch die Privilegien.
Ich denke, wenn wir alle ein bisschen mehr nach dieser Prämisse handeln würden, dann würde es uns allen ein bisschen besser gehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
11.43
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte.
11.43
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherheit ist ein sehr hohes Gut. Um bei meinem Freund und Kollegen Nationalrat Otto Pendl, seines Zeichens Sicherheitssprecher im Nationalrat, zu bleiben: Alle politischen Themen – Soziales, Bildung, Gesundheit und so weiter – sind wichtig und haben allerhöchste Priorität, aber ohne das Thema Sicherheit sind alle anderen Themen nichts, da die Sicherheit die Grundlage, die Basis für alles andere ist.
An einem sehr traurigen Extrembeispiel kann ich das veranschaulichen: Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram mit ihrer Ausbreitung in Nigeria hat nach Angaben der UNO seit Beginn des heurigen Jahres rund 1 100 Schulen in der Umgebung des Tschadsees vernichtet. Soll heißen: Ohne eine gute, verlässliche Grundsicherheit funktioniert kein anderer Bereich.
Beim Stichwort „islamistischer Terror“ bin ich schon beim aktuellen, anscheinend alles bestimmenden Thema. Natürlich machen uns all diese feigen, hinterhältigen Terrorakte
in Paris betroffen und schockiert. Terror ist jedoch keine Religion, Terror ist kein Volk, Terror ist keine Hautfarbe, Terror ist schlicht und einfach Terror, der mit allen Mitteln weltweit zu bekämpfen ist. Die Entschlossenheit aller Länder muss dazu noch dichter und stärker werden. Wer gegen den Terror ist – und das, so hoffe ich und meine ich, sind doch alle hier im Saal –, der kann nicht gegen jene Menschen sein, die gerade vor diesem grauslichen Terror flüchten und um ihr Leben rennen.
Natürlich lösen Bilder der Flucht Gefühle aus – Gefühle der Hilfsbereitschaft, der Menschlichkeit, ja, und auch Gefühle der Besorgnis, des Bedenkens. Das ist ganz normal. Gerade beim Sicherheitsthema gibt es das subjektive Gefühl, das jeder Mensch persönlich wahrnimmt. Manche sind gerade Meister darin, vorhandene Ängste und Befürchtungen noch anzuheizen, diese in der Bevölkerung völlig unnötig noch einmal zu steigern. Der Weitblick und der geistige Horizont bleiben da meist auf Zaunhöhe 1,50 m stehen.
Zumeist bestimmen diese Gefühle erlebte Ereignisse und vielmehr noch Ereignisse, die man über Medienberichte hört und liest. Ein objektives, also neutrales Gefühl kann es gar nicht geben, das wäre ein Widerspruch in sich. Ein Bericht allerdings, so wie dieser uns vorliegende Sicherheitsbericht, basiert nicht auf Gefühlen, sondern auf Zahlen, Daten und Fakten. Er ist also nicht subjektiv, sondern objektiv. Dieser uns vorliegende Sicherheitsbericht über das Jahr 2014 kann sich auch objektiv und kritisch betrachtet durchaus sehen lassen.
Ich könnte es mir jetzt an dieser Stelle ganz einfach machen und kurz und bündig sagen, unsere Einsatzorganisationen im Sicherheitsbereich, allen voran unsere Polizei, leisten hervorragende Arbeit. Das stimmt ja auch, dafür gebührt unser aller besonderer Respekt und Dank allen Polizistinnen und Polizisten und ebenso den Einsatzkräften im Justizbereich und dem Bundesheer.
Vor allem im langjährigen Vergleich können wir stolz auf unsere Polizei, ihre hervorragende Arbeit und letztlich auch auf diesen Sicherheitsbericht des letzten Jahres sein. Wir hörten es heute schon: Rückgang der Kriminalität um 3,4 Prozent, Rückgang der Kfz-Diebstähle um rund 14 Prozent, Rückgang im Bereich der vorsätzlichen Tötung um knapp 32 Prozent, Rückgang der Zahl der Anzeigen bei Wirtschafts- und Betrugsdelikten um fast 10 Prozent und Rückgang bei der Cyberkriminalität um 10,8 Prozent.
In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die gute Kooperation, die gute Zusammenarbeit mit INTERPOL und Europol zu verweisen. Dort arbeiten wir auf das Engste zusammen, was sich letztlich auch auf die Sicherheitslage und auf den uns vorliegenden Sicherheitsbericht sehr positiv auswirkt. Gerade bei diesem so wichtigen Thema Sicherheit bringt Abschottung nichts Gutes, sondern erst das Zusammenwirken auf europäischer und internationaler Ebene bringt den gewünschten Erfolg.
Meine lieben Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehen wir aber nicht nur auf die Kriminalitätsrate, sondern richten wir unseren Blick auch auf die Aufklärungsrate! Diese liegt wieder bei guten 43,1 Prozent und ist somit zum dritten Mal der höchste und beste Wert. Bei den Gewaltdelikten liegt die Aufklärungsrate bei 82,8 Prozent, dies ist ebenfalls ein Höchstwert der letzten Jahre. Im Bereich der Prävention war es möglich, fast 390 000 Personen zu beraten und umfassend über Vorsichtsmaßnahmen zu informieren.
Natürlich ist – gar keine Frage – jede einzelne strafbare Handlung um genau eine zu viel. Da sind wir uns einig.
Wir sollten auch einig sein, dass die Zahlen im Sicherheitsbericht gute Zahlen sind. So einen klaren Blick sollte man schon haben, im europäischen und internationalen Vergleich erst recht, nach dem Motto: Gut so, so kann es auch weitergehen.
Damit wir dieses wichtige Gut Sicherheit in Österreich auch in Zukunft wahren können – die Bedrohungen, das wissen wir, werden ja nicht kleiner –, müssen wir auf der Hut sein und auch investieren. Ich begrüße daher die Aufstockung bei unserer Polizei um 2 000 Einsatzkräfte sowie die Aufstockung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Auch mein Vorredner hat ja der Frau Bundesministerin in diesem Zusammenhang schon Rosen gestreut.
Auch diese Kräfte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leisten hervorragende Arbeit und sind momentan, zugegebenermaßen, sehr gefordert. Ein herzliches Dankeschön dafür auch an dieser Stelle. Auch den vielen freiwilligen ehrenamtlichen Kräften sei gedankt, denn gerade auch diese NGOs leisteten in Österreich in den letzten Wochen sehr sinnvolle und wichtige Arbeit.
Der vorliegende Sicherheitsbericht zeigt deutlich auf: Wir sind auf dem richtigen Weg. Gehen wir diesen entschlossen gemeinsam weiter für ein weiterhin sicheres Österreich! Ich lade Sie dazu alle ein. Alles Gute! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
11.52
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.
11.52
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Zuerst freut es mich, dass wir im Bundesland Oberösterreich eine Senkung der Gesamtkriminalität um 4,6 Prozent und auch die zweithöchste Aufklärungsrate in Gesamtösterreich haben. Dafür vielen Dank an die Exekutivbeamten, an alle Beamten und Beamtinnen, die mitgeholfen haben.
Dennoch möchte ich auf ein paar Punkte genauer eingehen. Das ist eine 120-prozentige Steigerung der Fälle, bei denen Schusswaffen mitgeführt wurden; eine 30-prozentige Steigerung der Fälle, bei denen mit Schusswaffen geschossen wurde. Insgesamt gab es mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2009 bei den Fällen mit Schusswaffenbeteiligung oder Schusswaffenbezug. Der Grund liegt sicherlich beim erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, die Tendenz ist dabei steigend.
Ich frage mich schon, obwohl die Aufklärungsrate steigt und die Gesamtkriminalität sinkt, warum das nicht bei den Menschen und bei der Bevölkerung ankommt. Ich bin der Meinung, dass da schon gezielt erzeugte Angstbilder mitspielen und dass die Bevölkerung dadurch beunruhigt wird. Wenn ich dann wieder so Reden höre, wie von Parteien und Kolleginnen und Kollegen düstere Bilder produziert werden, dann wundert es mich auch nicht, dass Menschen verunsichert werden. Da wünschen wir uns schon – und da würden wir uns wirklich freuen, auch wir Grüne –, dass wir wieder einen Rechtsextremismus-Bericht bekämen. Dieser wurde 2001 abgesetzt und seitdem nicht mehr eingeführt.
Da würde wieder ein bisschen aufgezeigt werden, welche rechtsextremistischen Verbindungen es zwischen Burschenschaften, FPÖ-Funktionärinnen und ‑Funktionären gibt, das würde dann wieder ein klares Bild ergeben. (Bundesrat Schreuder: Einzelfälle!) – Ich weiß, das sind dann die sogenannten Einzelfälle. Danke, Marco.
Mein Kollege aus dem Nationalrat Albert Steinhauser … (Bundesrat Samt: …! Und gewaltbereite, vermummte Grüne!) – Welche gewalttätigen Grünen? (Bundesrat Samt: Ja, gibt es gar keine!) Da gibt es wenige Einzelfälle. (Bundesrat Herbert: Ganz schön viele!)
Jetzt hat Albert Steinhauser bei Ihnen, Frau Bundesministerin, nachgefragt, wie viele solcher gewalttätiger Übergriffe auf Asylunterkünfte dieses Jahr stattfanden. Die Ant-
wort war 16. 16 Übergriffe fanden dieses Jahr auf Asylunterkünfte in Österreich statt. Das geht von Sachbeschädigung über Brandstiftung bis hin zur Körperverletzung, also die gesamte Palette ist dabei. Wenn man dann die Medienberichte aus Deutschland kennt, ist die Zahl ja zum Glück noch nicht so hoch wie in Deutschland. Aber ich glaube, das zeigt, dass die Hemmschwelle gegenüber Übergriffen auf Flüchtlinge doch schon relativ weit gesunken ist. Die ist gefallen. Das sind nicht nur die Hetzattacken, die im Internet stattfinden.
Ich glaube, jeder von Ihnen, der sich auf Facebook und auf Social Communities herumtreibt, hat das sicher schon einmal gelesen. Das ist erschreckend. Wenn das, was dort geschrieben wird, auch nur annähernd wahr wird, dann wird aus diesen Einzelfällen irgendwann einmal ein Flächenbrand. Es soll allen klar sein, diese Übergriffe sind keine Kavaliersdelikte. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
11.55
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste hat sich Frau Ministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
11.55
Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich jetzt herzlich für die wirklich fachliche und sachliche Debatte bedanken. Wenn man diesen Sicherheitsbericht liest, so ist das zweifelsohne ein sehr gutes Zeugnis auch für die Polizei. Wir haben eine sehr gute Entwicklung, nicht nur im Vergleich 2014 und 2013, sondern in the long run, sprich die letzten zehn Jahre. Ich sage deswegen die letzten zehn Jahre, weil das ganz klar zeigt, dass man im polizeilichen Bereich langfristig arbeiten und denken muss. Gab es vor zehn Jahren noch 604 000 Delikte, waren es im Jahr 2013 546 000 Delikte und jetzt, im Jahr 2014, 527 700 Delikte beziehungsweise Anzeigen. Sie sehen also, dass wir hier eine permanente Senkung, einen permanenten Rückgang haben, im Vergleich 2014 zu 2013 sogar einen Rückgang im Ausmaß von 3,4 Prozent.
Man kann sich natürlich auch die einzelnen Deliktsfelder herausnehmen, die unterstreichen, dass wir positive Zahlen vorliegen haben, eine äußerst positive Bilanz zu verzeichnen haben. Ich denke an die Kfz-Diebstähle: minus 13,8 Prozent. Ich denke an die Fälle von vorsätzlicher Tötung: ein Rückgang von 31,8 Prozent, an Wirtschafts- und Betrugsdelikte: minus 9,8 Prozent, oder an den Bereich Cyberkriminalität: eine Reduktion von 10,8 Prozent.
Bei diesem neuen Phänomen der Cyberkriminalität sieht man, dass unsere gesetzten Maßnahmen greifen, nämlich ein eigenes Cybercrime-Kompetenzzentrum im Bundeskriminalamt, eine eigene Cyber-Sicherheitsstrategie und eine eigene Abteilung zum Thema Cybersicherheit im Bereich des Verfassungsschutzes. Das heißt, es wurden viele neue Strukturen geschaffen, die helfen, für Cybersicherheit zu sorgen, Cyberkriminalität auch aufzuklären.
Im Bereich Cybersicherheit ist es wichtig, in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren die Kooperation mit Europol und INTERPOL noch einmal zu verstärken und zu intensivieren. Dazu wurde eigens in Singapur eine Außenstelle von INTERPOL eröffnet, die eben weltweit auch unterstützen soll.
Die Aufklärungsquote wurde von meinem Vorredner schon angesprochen, dass wir hier sehr gut unterwegs sind, zum dritten Mal auf dem höchsten Wert sind, nämlich auf 43,1 Prozent. Das heißt, wenn man sich anhand dieser Zahlen, Daten und Fakten hinweghantelt, dann sieht man äußerst positive Ergebnisse, äußerst positive Arbeit und darüber hinaus auch im Jahr 2014 bereits die Belastung aufgrund der Migrationsströme. Aber wir wissen, dass die Migrationsströme natürlich nicht ausschließlich eine He-
rausforderung für das Innenressort darstellen, sondern vor allem auch für alle anderen Ressorts, wo ich auch für die Zusammenarbeit ein herzliches Danke sage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man den Bericht im Detail liest, sieht man, dass wir eine gute Entwicklung zu verzeichnen haben. Hier braucht es auch eine exzellente Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Justiz. Deswegen sage ich auch ein herzliches Danke für die Zusammenarbeit mit den Gerichten, mit den Staatsanwaltschaften, mit dem Justizministerium und allen voran mit dem Herrn Bundesminister Wolfgang Brandstetter. Lieber Wolfgang, dir ein herzliches Danke für diese Kompetenz, vor allem für diese Objektivität, die du in deine Arbeit hineinlegst und die du in deinem Verantwortungsbereich spüren lässt. Auch dir ein herzliches Danke und auch Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Auch Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Beschlussfassungen, die das Thema Sicherheit betreffen, ein herzliches Danke, denn ohne diese Beschlussfassungen hier im Hohen Haus, hier im Bundesrat geht es natürlich nicht. Vor allem auch für Ihre diesbezügliche Weitsicht ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
12.00
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte, Herr Minister.
12.00
Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Liebe Frau Innenministerin, liebe Hanni, du machst es mir jetzt sehr einfach, einerseits dadurch, dass ich mich jetzt schon sehr kurz fassen kann, andererseits auch dadurch, dass ich diesen Dank weitergeben kann und auch muss an mein hervorragendes Team in meinem Haus, an alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dafür sorgen, dass tatsächlich das Zusammenspiel und die Kooperation zwischen Innen- und Justizressort ganz hervorragend funktioniert. Letztlich kann die Justiz ja nur auf der erfolgreichen Arbeit der Exekutive aufbauen, und das tut sie.
Ich darf einige wenige Punkte aus dem Sicherheitsbericht – soweit er die Justiz betrifft – hervorheben, ich werde mich jetzt ganz kurz fassen, aber es ist wesentlich, hier einige Dinge anzuführen, die ich für bemerkenswert halte.
Es geht nicht nur um Daten, Fakten, Zahlen, es geht auch darum, dass man hier schon auch ein Bild davon bekommt, wie die Strafjustiz funktioniert. Und dass sie im Wesentlichen gut funktioniert, das kann niemand bestreiten, wenn er sich den Sicherheitsbericht im Detail anschaut. Die Daten zeigen in ihrer Gesamtheit, dass wir mit dem Stand der Strafrechtspflege im Dienste der Bevölkerung im Wesentlichen doch durchaus zufrieden sein können. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
So haben etwa Staatsanwaltschaft und Gerichte im Jahr 2014 insgesamt über 300 000 Verfahren erledigt; Einstellungen überwiegen, Diversionen und Verurteilungen halten sich ungefähr die Waage. Verurteilungen erfolgten insgesamt wegen rund 50 000 Delikten. In diesem Zusammenhang ist der neuerliche Rückgang der Zahl der Verurteilungen von Jugendlichen für mich erfreulich – dieser beträgt immerhin 7,2 Prozent.
Hervorheben möchte ich auch, dass insgesamt 78 von 100 Diversionsverfahren erfolgreich beendet wurden. Die Diversion als eine alternative Möglichkeit einer raschen Verfahrenserledigung unter besonderer Berücksichtigung von Opferinteressen hat sich offensichtlich wirklich bewährt, das zeigt sich auch da wieder, und ich halte sie durchaus für zukunftsträchtig und ausbaufähig.
Interessant ist auch der deutliche Anstieg bei den vermögensrechtlichen Anordnungen. Das zeigt, dass wir auch in diesem Bereich auf dem richtigen Weg sind und von uns ergriffene Maßnahmen, wie etwa die Erstellung eines Leitfadens über die Anwendung und die Schaffung von Sonderdezernaten für Vermögenssicherung, wirksam sind. Es kam schon zu deutlichen und bemerkenswerten Steigerungen der Konfiskation – plus 32,9 Prozent – und des Verfalls – plus 33,4 Prozent. Und da zeigt sich wirklich der Erfolg unserer internen Schulungsmaßnahmen und auch entsprechender organisatorischer Verbesserungen zur Effektivitätssteigerung.
Was heißt das in absoluten Zahlen? – Im Berichtsjahr wurden 25,7 Millionen € durch vermögensrechtliche Anordnung oder Einziehung eingenommen, und das ist gut so, denn ich sage Ihnen ganz offen: Verbrechen darf sich nicht lohnen und wir können das Geld auch ganz gut gebrauchen.
Was die Verfahrensdauer betrifft, so ist das bei einigen besonders spektakulären Fällen ein permanenter Kritikpunkt in der Öffentlichkeit, dem man sich auch stellen muss. Aber insgesamt ist es uns, wie auch aus dem Bericht hervorgeht, 2014 gelungen, den Durchschnittswert, den bundesweiten Median, auf einen Tiefststand zu drücken. Also insgesamt ist die Verfahrensdauer gesunken, aber dennoch: Wir dürfen nicht stehen bleiben, denn jedes Verfahren, das sich zu lange hinzieht, ist eben ein Problem, und wir dürfen und werden bei unseren Bemühungen zur Verfahrensbeschleunigung auch nicht nachlassen.
Ein großes Problem – und das ist nichts Neues – ist der Strafvollzug; Sie kennen unsere Bemühungen auf diesem Gebiet. Und es ist vielleicht auch einmal ganz gut, sich nur einige wenige Zahlen und Fakten in Erinnerung zu rufen: Seit Beginn der Achtzigerjahre variiert die Zahl der in österreichischen Justizanstalten angehaltenen Personen zwischen knapp 6 000 im Jahr 1989 und fast 9 000 im Jahr 2007. Nachdem die Zahl der Gefangenen in der Zeit von 1982 bis 1989 deutlich zurückgegangen war und sich um rund ein Drittel vermindert hatte, stieg sie zu Beginn der Neunzigerjahre zunächst wieder leicht an, um in den Folgejahren bis 2001 konstant auf niedrigem Niveau zu verbleiben.
Aber ab dem Jahr 2001 begann ein neuerlicher, steilerer Anstieg, der zu einer deutlichen Belagszunahme und zu einer Überbelegung von Justizanstalten bis 2007 führte.
Infolge des damals normierten Haftentlastungspakets und des Strafprozessreformgesetzes im Jahr 2008 ging dann die Zahl der Inhaftierten wieder vorübergehend um 8 Prozent zurück, auf 8 200 Personen, stieg aber in den Folgejahren wieder kontinuierlich an, auf zuletzt – im Bericht 2013 – 8 950 Personen. Das heißt, wir haben eigentlich den Höchststand aus dem Jahr 2007 auch wieder erreicht.
Im Berichtsjahr 2014 gab es 8 886 Gefangene, 553 Frauen, 8 333 Männer – keine wesentliche Veränderung gegenüber 2013, aber mittlerweile sind wir auf einem Höchststand von knapp über 9 000, ganz knapp drüber. Da sind aber jene inkludiert, die sich in der elektronischen Überwachung mit dem elektronisch überwachten Hausarrest – Stichwort Fußfessel – befinden, und da sind auch über 500 inhaftierte Schlepper inkludiert.
Ja, wir haben da schon große Anforderungen gehabt, die wir bewältigen mussten. Es gab hier Engpässe der Kapazität, speziell in Eisenstadt.
Ich möchte auch an dieser Stelle allen Justizwachebediensteten, die mit dieser schwierigen Situation konfrontiert waren und sie bravourös gemeistert haben, wirklich herzlich danken. Wir haben mittlerweile im Rahmen unseres Reformpakets Gegenmaßnahmen ergriffen, die – relativ rasch – zum Teil schon gegriffen haben beziehungsweise greifen werden. Es wird dort Kapazitätssteigerungen geben, wo das notwendig ist, insbesondere in den Haftanstalten Simmering und Hirtenberg. Ich bin ja im Rahmen des Ge-
samtkonzepts auch im Einvernehmen mit dem Finanzressort, und wir haben dieses Gesamtkonzept ja erst kürzlich vorgestellt, und es geht hier Gott sei Dank auch wirklich rasch voran.
Um auch das zu erwähnen, das soll auch nicht verschwiegen werden: Der Anteil der Ausländer an allen Gefangenen ist in den letzten vier Jahren kontinuierlich angestiegen und erreichte mit Stichtag 1. September 2014 seinen Höchststand mit 4 522 Personen. Das sind knapp über 50 Prozent. Im internationalen Vergleich lag Österreich damit im Spitzenfeld im Vergleich mit anderen Staaten, die dem Europarat angehören und Zahlen zur Strafvollzugsstatistik des Europarates liefern.
Der Anteil der Frauen an den inhaftierten Personen insgesamt beträgt nur 6,1 Prozent. Und die Anzahl der Jugendlichen im Gefängnis ist mit Stichtag 1. September 2014 erneut gesunken, nämlich auf 99. Das heißt, der Anteil im Vergleich zur Gesamtheit der Inhaftierten beträgt nur mehr 1,2 Prozent. Das ist – mit einigen Schwankungen, die es immer gibt – eine grundsätzlich positive Entwicklung, und ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang auf das von uns erst kürzlich vorgelegte Jugendgerichtsänderungsgesetz 2015 hinzuweisen, von dem ich mir auch weitere Verbesserungen in diesem Bereich erwarte.
Vielleicht ist es auch – und das ist das Letzte, das ich erwähnen möchte – einmal ganz gut, sich zu überlegen, wie lange die durchschnittliche Haftdauer in Österreich ist. Auch das ergibt sich aus dem Bericht. Insgesamt waren die Insassen österreichischer Justizanstalten durchschnittlich 23,2 Monate in Haft, davon 19,1 Monate in Strafhaft und 4,1 Monate in Untersuchungshaft. Und die durchschnittlich bis zum jährlichen Erhebungsstichtag absolvierte Zeit von Untergebrachten stieg in den Jahren 2001 bis 2014 um mehr als die Hälfte, von durchschnittlich 3,5 Jahren auf 5,8 Jahre.
Ja, der Maßnahmenvollzug ist ein ganz großes Problem, wir steuern hier dagegen im Rahmen des großen Reformkonzepts Strafvollzug. Auch wenn in allerletzter Zeit hier ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist, so ist das doch etwas, dem wir uns wirklich auch im Rahmen der Gesamtreform des Strafvollzugs in besonderem Maße widmen müssen und auch widmen werden.
Lassen Sie mich zusammenfassend festhalten: Der Justizteil des Sicherheitsberichts 2014 beweist die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege in Österreich. Er sollte uns auch weiter Ansporn sein, in den notwendigen Bereichen wirklich noch besser zu werden, denn ich bleibe dabei: Wenn man gut bleiben will, dann muss man den festen Willen haben, jeden Tag besser zu werden!
Und nur unter diesem Aspekt erlaube ich mir eine kleine Korrektur zur Rede des Herrn Bundesrates Jenewein. Es hat mich gefreut, dass er ein Zitat gebracht hat, das inhaltlich auch durchaus richtig ist – sehr frei übersetzt, aber es stimmt –: Freiheit besteht nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten. Er hat das Zitat Albert Kamus zugeschrieben – es handelt sich dabei um den französischen Literaturnobelpreisträger Albert Camus (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), der ja bekannt ist mit seinen Romanen „Die Pest“, „Der Fremde“ und „Der Mythos des Sisyphos“ mit dem herrlichen Satz am Schluss, man muss sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Also: Albert Camus. Aber ich freue mich ja darüber, wenn Albert Camus gelesen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
12.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Köll zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.
12.10
Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der dies-
jährige Sicherheitsbericht – bestehend aus den Bereichen Justiz und Exekutive – ist wieder eine Erfolgsgeschichte, und es wurde heute schon sehr vieles über Zahlen, Daten, Fakten gesagt. Es wurde auch zu Recht schon allen Verantwortlichen in den bestens geführten Ministerien und natürlich unseren Beamtinnen und Beamten seitens der Exekutive vor Ort gedankt.
Lieber Kollege Schreuder! Sie haben heute hier ein Zitat angesprochen, aber ich darf eingangs erwähnen: Ich mag meine Akten, wo ich weiß, was ich dazu sagen sollte. Das ist eine Erfolgsgeschichte, das können wir positiv erwähnen. Nicht ganz gefallen hat mir heute der Versuch eines Vergleiches, nämlich den Begriff „Festung“ in einen nationalsozialistischen Terminus hineinzubringen und damit vielleicht auch alle Persönlichkeiten, die diesen Begriff in letzter Zeit diskutieren und in den Mund nehmen, in diese Sphäre hineinzurücken. Das gefällt mir absolut nicht!
Der Begriff „Festung“ hat natürlich verschiedenste historische Ursachen und Ursprünge, auch sprachlich, beispielsweise vom lateinischen „fortis“, das bedeutet „fest“, „beständig“. Und wenn Sie das in einen Konnex mit einem festen, starken, beständigen Europa bringen, dann gefällt mir dieser Terminus. Aber es gibt natürlich eine Festung auch im Bereich Israels – Sie kennen vielleicht Masada? Sie kennen die dort sicherlich nicht ganz einfachen Diskussionen um Grenzschutzeinrichtungen gegenüber einem möglichen palästinensischen Staat, wobei das zugegebenermaßen ein sehr komplexes Thema ist, das man sicher nur auf politischem Wege langfristig lösen wird können.
Alle Fakten und Zahlen beweisen, dass sich Österreich im Sicherheitsbereich auf einem sehr guten Weg befindet.
Und zum freiheitlichen Entschließungsantrag kann man sagen: Hütet euch vor den Danaern, wenn sie Geschenke bringen – heute hier in abgewandelter Form. Sie wissen nämlich ganz genau, dass Schengen das, was Sie heute versuchen und auch im Nationalrat schon versucht haben, gar nicht zulässt! (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr stimmt ja nicht einmal Anträgen zu, wo ihr selber …!)
Sie wissen, dass Schengen nur temporär und punktuell aufgeweicht und abgeändert werden kann. Und wir können natürlich nicht ganz Europa „orbanisieren“. Das mag in Ungarn für die ungarische Bevölkerung gut gewesen sein, es mag populär gewesen sein, aber es löst nicht die Probleme auf europäischer Ebene. Wir müssen das als „Gesamteuropa“ an unseren Außengrenzen lösen!
Es wurde heute von unserer Bundesministerin schon vieles erwähnt: dass wir in den Herkunftsländern ansetzen müssen. Dort müssen wir unseren Mitteleinsatz, vielleicht auch unseren Friedenssicherungseinsatz auf militärischem Wege verbessern. Wir müssen schauen, was in der Türkei passiert, was in Griechenland passiert, was über die Balkanroute passiert. Wir können natürlich eine europäische Sicherheitsarchitektur dahin gehend ausbauen, dass wir möglicherweise einen „Zaun“, bestehend aus vielen Elementen – nicht nur im technischen Bereich – um Europa herum errichten. Aber wir können keine Zäune längerfristig zwischen den noch viel zu stark bestehenden Nationalstaaten innerhalb Europas errichten! Das funktioniert weder technisch noch politisch, und deswegen können wir heute diesem Entschließungsantrag – so wie auch im Nationalrat – nicht die Zustimmung erteilen.
Auch ich darf noch einmal den beiden Ministerien, die hervorragend geführt werden – Österreichs Sicherheit befindet sich da in den besten Händen, nämlich bei Wolfgang Brandstetter und Johanna Mikl-Leitner –, für die ausgezeichnete Arbeit danken!
Ich darf unserer Innenministerin auch noch einmal aus Überzeugung zu den Strukturreformen gratulieren, die sie im Polizeibereich eingeleitet hat. Ich kann das aus unserem Bezirk Lienz, aus Osttirol belegen: Durch die Zusammenlegung von Inspektionen – wir haben jetzt nur mehr drei in Osttirol – ist es zu einer deutlichen Verbesserung der
Arbeit in allen Bereichen gekommen. Wir haben keine Inspektion mehr, die weniger als 22 Beamtinnen und Beamte hat. Die Leute können sich spezialisieren, sie können Kriminalarbeit machen. Die Präsenz auf der Straße ist gestiegen. Es findet Aufklärung statt. Es findet Prävention statt. Es wird auch im Bereich der Verkehrsdelikte sehr gute Arbeit geleistet. Diese Strukturreform hat sich absolut bewährt, und sie ist es wert, in ganz Österreich weiter entsprechend umgesetzt zu werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
12.15
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Lindinger zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.
12.15
Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, Österreich ist sicherer geworden. Es ist ein guter Bericht, der uns hier vorliegt.
Ich bedanke mich bei all jenen, die für Sicherheit sorgen, bei der Exekutive, die jahrein, jahraus 24 Stunden am Tag bei jeder Witterung für Sicherheit in Österreich sorgt.
Ich habe mir ein Thema herausgenommen, ein sehr wesentliches Thema – zu vielen anderen Punkten sind schon die Statistiken erwähnt und die Argumente schon ausgetauscht worden –: Es gibt weniger Waffenpässe, weniger Waffenbesitzkarten und es gibt weniger Waffenscheine; das ist ein gutes Zeichen. 1998 gab es noch 360 000, im Jahr 2014 nur noch 225 000. Das heißt, es hat keine Liberalisierung des Waffenrechtes stattgefunden, nein, das Zentrale Waffenregister hat da positiv gewirkt. Die Exekutive erfährt dadurch auch zusätzlichen Schutz bei ihren Einsätzen.
Auch wenn sehr viele Exekutivbeamte wie auf der freiheitlichen Seite immer wieder erwähnen, dass der Umgang mit Waffen liberalisiert, das Waffenrecht geöffnet gehört, dass jeder Zugang zu den Waffen haben soll, so ähnlich wie in den Vereinigten Staaten, glaube ich, dass ein strenges Waffenrecht auch die Exekutive schützt, denn wir wissen auch, dass Gewalt vorwiegend in den Familien stattfindet. Kollege Herbert als Exekutivbeamter weiß das auch – wenn er noch zum Dienst kommt, wenn er durch seine Personalvertretungstätigkeit nicht zu viel beansprucht wird und noch zum Diensteinsatz kommt. (Bundesrat Herbert: Das geht sich schon noch aus! Machen wir schon!)
Es ist wichtig, dass es in den österreichischen Haushalten wenig Waffen gibt, denn Gewalt in der Familie ist ein sehr, sehr tragischer Punkt, ein tragisches Detail im Bereich der Kriminalität. Die Reduzierung der Zahl der Waffen in den Haushalten ist daher sehr wichtig.
Geschätzte Damen und Herren, ein zweites Thema, das ich mir genau angeschaut habe – auch im Vorjahr –, ist der Extremismus, der Rechtsextremismus. 2013 gab es 529 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, 2014 gab es 669 Anzeigen. Es gab Anzeigen nach verschiedenen Paragraphen des Strafgesetzbuches, zum Beispiel nach dem Waffengesetz sechs im Jahr 2013 und 15 im Jahr 2014. Das sind Zahlen, die noch tolerierbar sind. Aber beim Delikt der Verhetzung steigt die Zahl, die Verhetzung nimmt zu, man spürt das auch; man spürt das auch in den Social Media, das ist auch schon erwähnt worden. Und diese Verhetzung findet ganz, ganz leicht im Hintergrund statt. Wir spüren das tagtäglich.
Ich habe diese Woche an einem Festakt teilgenommen – im Gedenken an die Juden, die am Ende des Zweiten Weltkrieges von Graz nach Mauthausen marschiert sind und zum Teil auch ermordet wurden –, und die Vertreterin der Israelitischen Kultusgemeinde hat gesagt, es sei schon bedenklich, dass in verschiedenen Kultusgemeinden in Österreich deren Mitglieder darauf hingewiesen werden, öffentlich nicht erkennen zu lassen, dass sie der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehören. Sie sollen das nicht öf-
fentlich machen, denn es kann zu Übergriffen kommen. Die Angst steigt. Gerade die Herabwürdigung religiöser Lehren wird in dieser Statistik als ansteigend angeführt.
Meine Damen und Herren, bei rechtsextremen Aktivitäten wurden 559 Personen angezeigt. Schrecklich ist auch, dass diese Anzeigen schon mit über 10 Prozent Jugendlichen und mit einem, wenn auch sehr geringen Anteil Frauen zuzurechnen sind. Das ist wirklich sehr, sehr bedenklich.
Den Sicherheitsbehörden sind im Jahr 2014 750 rechtsextremistische, fremdenfeindliche, rassistische, islamfeindliche, antisemitische sowie sonstige Tathandlungen bekannt geworden, bei denen einschlägige Delikte zur Anzeige gelangten. Das bedeutet gegenüber dem Jahr 2013 einen Anstieg von 2,3 Prozent. 448 Tathandlungen – das sind 60 Prozent – konnten Gott sei Dank aufgeklärt werden.
Geschätzte Damen und Herren! Das ist schon eine sehr, sehr bedenkliche Entwicklung, und ich als Demokrat, als Staatsbürger von Österreich mache mir sehr wohl Gedanken darüber. Ich weiß, dass aufgrund meiner Argumentation jetzt die rechte Seite kommen und sagen wird: Ja, ja, da gibt es eine linksextreme Entwicklung, das ist so!, aber ich möchte die Zahlen dennoch vergleichen. Im Vergleich zu insgesamt 1 201 Fällen bei den Rechtsextremen schlägt sich die linksextreme Entwicklung mit 545 zu Buche. Da muss man sich aber auch wieder die Tatbestände anschauen. Ein sehr, sehr großer Anteil entfällt auf Sachbeschädigungen.
Das größte Thema im Zusammenhang mit der linksextremen Szene ist der Wiener Akademikerball. Der Wiener Akademikerball trägt einen großen Anteil an diesen Delikten. Es waren 6 000 Personen an einer Protestdemonstration beteiligt, und wir wissen, dass diese 6 000 Personen, die daran teilgenommen haben, durchwegs sehr friedliche Personen waren; so auch unser ehemaliger Klubobmann hier im Bundesrat, Professor Konecny, der, als er von dieser Demonstration nach Hause ging, zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde und ins Krankenhaus gekommen ist. Das passierte aber nicht durch einen linksextremen Teilnehmer (Bundesrätin Mühlwerth: Woher wissen Sie das?), sondern vermutlich auf dem Heimweg. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja, vermutlich! Behaupten Sie nicht einfach irgendetwas, was Sie nicht nachweisen können!) – Ja, ja. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) In diesen schwarzen Block mischen sich schon einige Kapuzenmännchen drunter. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ja, ja, das kennen wir schon.
Geschätzte Damen und Herren! Das sind die Entwicklungen, die mir Sorgen machen, das sind Entwicklungen, die ich nicht gerne sehe und denen ich als Staatsbürger und als politisch Verantwortlicher auch gerne entgegenwirke.
Ich bedanke mich bei jenen Personen, die mitgewirkt haben, dass dieser Sicherheitsbericht sowohl im Bereich Innenministerium und Exekutive, aber auch im Bereich Strafjustiz wirklich sehr viel zum Herauslesen hergibt. Ich bedanke mich für diese hervorragende Arbeit.
Zum eingebrachten Entschließungsantrag sage ich noch: Wir werden diesem Entschließungsantrag sicher nicht zustimmen. (Bundesrat Krusche: Na so eine Überraschung!) – Das ist jetzt eine Überraschung für die Freiheitliche Partei, dass wir ihrem Antrag sicherlich nicht unsere Zustimmung geben werden! (Allgemeine Heiterkeit.)
Geschätzte Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Erstellung des Sicherheitsberichts, den wir gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
12.25
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte, Herr Kollege.
12.25
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der Debatte zum Sicherheitsbericht möchte ich einfach die Gelegenheit wahrnehmen und kurz meinem Kollegen Dr. Köll antworten, der gemeint hat, dass in Osttirol dort, wo die PI eingespart worden sind, alles super funktioniert, und das wird auch so sein. Bei uns in Kärnten, speziell in Oberkärnten und im Mölltal, sind drei Polizeiinspektionen geschlossen worden, und dafür sind in Obervellach, also im Mittelteil dieses Bereiches, 17 Personen systematisiert worden – was aber leider Gottes nie umgesetzt worden ist!
Ich habe Ihnen, Frau Bundesministerin, zu diesem Thema eine parlamentarische Anfrage gestellt, die ich auch beantwortet bekommen habe. Sie haben mir versprochen, dass diese 17 Posten besetzt werden, da ja drei Inspektionen zugesperrt wurden. – Das ist leider Gottes bis heute nicht passiert. Sie haben mir auch zugesagt, dass die Landespolizeidirektion bestrebt wäre, das prioritär zu tun.
Aktuell – und deswegen stehe ich auch hier am Rednerpult, weil es um den Sicherheitsbericht 2014 geht – sind von diesen 17 Personen zwölf im Stand, und von diesen zwölf müssen zwei ihren Dienst an der Grenze ausüben. Ich muss sagen, ich habe volle Hochachtung vor jenen Polizisten, die noch übrig geblieben sind und dort ihre Arbeit leisten, denn dieses Tal ist 100 Kilometer lang. Es gibt zwar im Außenbereich und bis nach Heiligenblut auch noch eine Polizeistelle, aber ich glaube nicht, dass die Sicherheit gewährleistet sein kann.
Die Schuld trifft ja nicht Sie selbst, Frau Innenministerin, Sie haben den Auftrag an die Polizeidirektion, an Frau Dr. Kohlweiß weitergegeben. – Irgendwie kann der entsprechende Brief nicht angekommen sein.
Ich möchte Sie eigentlich nur noch einmal bitten, sich abermals für diese 17 Personen einzusetzen. So viele werden es wahrscheinlich nicht werden, sondern vielleicht 15, aber wenn es wie heute nur mehr zehn sind – also zwölf minus zwei, die jetzt an der Grenze ihren Dienst versehen –, dann ist das leider Gottes nicht so, wie es uns im Gegenzug dazu, dass drei Polizeiinspektionen zugesperrt worden sind, versprochen wurde.
Ich möchte aber auch noch dem Kollegen Werner – ich glaube, du hast das auch gesagt – etwas dazu sagen, die Leute seien zu alt, über den Stand hinaus, sie seien über 50 Jahre: Da ist schon bei der Ausbildung einiges passiert, nämlich dass es halt wahrscheinlich bei uns in Kärnten zu wenig in diese Richtung gegeben hat.
Daher noch einmal meine Bitte, dafür zu sorgen, dass wir die Möglichkeit haben, die Sicherheit im Mölltal zu gewährleisten! (Beifall bei der SPÖ.)
12.28
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Sicherungsmaßnahmen an der Grenze vor.
Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.
Da dieses Verlangen von fünf BundesrätInnen gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.
Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte natürlich um deutliche Wortmeldungen!
Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesrätinnen und Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.
*****
(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Junker geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)
*****
Schriftführerin Anneliese Junker: Herr Präsident, machen Sie von Ihrem Stimmrecht Gebrauch?
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ja, und ich stimme mit einem Nein.
Schriftführerin Anneliese Junker: Danke.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Stimmabgabe ist beendet.
Ich unterbreche für die Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.
*****
(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 12.32 Uhr unterbrochen und um 12.35 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.
Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 55 abgegebenen Stimmen 12 „Ja“-Stimmen, 43 „Nein“-Stimmen.
Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.
Mit „Ja“ stimmten die Bundesrätinnen und Bundesräte:
Dörfler;
Ecker;
Herbert Werner;
Jenewein;
Krusche;
Längle;
Mühlwerth;
Pisec;
Raml;
Samt, Schererbauer;
Zelina.
Mit „Nein“ stimmten die Bundesrätinnen und Bundesräte:
Beer, Blatnik, Bock, Brunner;
Ebner Adelheid;
Fetik, Forstner, Fürlinger;
Gödl, Gruber-Pruner;
Hackl, Hammerl, Heger, Himmer;
Junker;
Kern, Köck, Köll, Koller, Kurz;
Ledl-Rossmann, Lindinger, Lindner Mario, Lindner Michael;
Mayer;
Novak;
Oberlehner;
Pfister, Preineder, Pum;
Reiter;
Saller, Schennach, Schödinger, Schreuder, Schreyer, Stöckl, Stögmüller;
Tiefnig, Todt;
Weber, Winkler;
Zwazl.
*****
Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird (843 d.B. und 867 d.B. sowie 9482/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen somit zum 5. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter hiezu ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Martin Weber: Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz – HIKrG) erlassen wird und das Verbraucherkreditgesetz geändert wird.
Der vorliegende Beschluss umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:
Schaffung eines Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes mit zivilrechtlichen Sonderbestimmungen für Hypothekar- und Immobilienkreditverträge
Einschränkung des Anwendungsbereichs des Verbraucherkreditgesetzes um die bisher mitumfassten Hypothekar- und Immobilienkreditverträge.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Kollege.
12.36
Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der gegenständliche Gesetzentwurf regelt einen Teilbereich des Konsumentenschutzes. Das ist eine legistische Umsetzung einer Richtlinie, wo wir aus österreichischer Sicht ein bisschen zum Handkuss gekommen sind, weil es eigentlich bei uns in Wirklichkeit schon einige gute und genügende Konsumentenschutzregeln in diesem Bereich gegeben hätte. Es bedurfte dieser Umsetzung für einige Nachschärfungen, weshalb man sich dann auch entschlossen hat, ein eigenes Gesetz für diesen Teilbereich der Verbraucherkreditgebung zu machen. Die legistische Umsetzung ist sauber und enthält letztlich Fristen, Bindungsfristen wie Widerrufsfristen, aber auch wiederum Verpflichtungen der Kreditgeber.
Ich stelle an dieser Stelle jedoch die Frage, wie weit wir mit den Schutzmechanismen in diesem Bereich in Hinkunft noch werden gehen müssen, ob wir zu einer Grenze gelangen oder ob wir den Konsumentenschutz so ausgestalten werden, dass er sich langsam aber sicher gegen den Konsumenten richtet.
Ich sage das auch als Praktiker, denn die Folge dieser Gesetzgebung ist ja, dass wir – ich sage es jetzt einmal salopp – statt eines fünfseitigen Aufklärungsbogens jetzt dann einen siebenseitigen Aufklärungsbogen haben. Und wird dann bei Gericht in Prozessen der betroffene Kreditnehmer, der gegen die Bank prozessiert, gefragt, ob er sich denn den Kreditvertrag samt Aufklärungsbogen durchgelesen hat, wird die Antwort quer durch alle Bildungsschichten lauten: Nein, dann wäre das Haus ja schon lange an jemanden anderen verkauft gewesen, wenn ich mir das hätte fertig durchlesen müssen!
Das ist zum einen vom Zeitaufwand, zum anderen natürlich auch vom Fachjargon her kaum möglich. Man muss sich zunächst einmal durch solche Aufklärungsbögen durcharbeiten, damit man dann tatsächlich die richtigen Schlüsse zieht, was man darf und was nicht. Jüngst ist auch in einer österreichischen Tageszeitung – ich glaube, in der „Presse“ – eine Studie veröffentlicht worden, dass der Konsument tatsächlich schon so weit ist, dass er seine Rechte nicht mehr kennt. Die Frage ist: Sind es zu viele Rechte oder sind es zu viele verschiedene? – Das ist eine ganz entscheidende Frage, die wir uns stellen müssen.
Ein Zweites, das ich natürlich auch gedanklich vor mich hintrage: Wir haben zu Recht ein Konsumentenschutzgesetz; es ist richtig, dass der Konsument in vielen Bereichen als schwächerer Geschäftspartner geschützt werden muss! Das war ein Gesetz – zu Zeiten meiner Anwaltsprüfung musste man ein, zwei Paragraphen kennen – mit einer Ansammlung von Klauseln, die ein Geschäft nichtig machen, und diese Klauseln sind mehr und mehr geworden. Mittlerweile hat zum Beispiel § 25 schon so viele Subbuchstaben, so viele Literä, dass man sich irgendwann einmal die Frage wird stellen müssen, ob nicht aus § 25 auch noch ein eigenes Gesetz gemacht werden soll.
Wie gesagt, nach dem KSchG kam dann sozusagen als Subthema das Verbraucherkreditgesetz. Bei diesem könnte man ja schon rückschließen, dass der Kredit eventuell auch aufgenommen wird, um ein Haus zu kaufen. Aber ich nehme es zur Kenntnis, weil es legistisch natürlich sauber ist, dass wir unter das Verbraucherkreditgesetz jetzt in der Kette noch ein Immobilienkreditgesetz dazugeben. Früher hat man kritisiert, dass für jeden Sachverhalt ein eigener Paragraph und Absatz gemacht wird, jetzt sind wir schon so weit, dass wir für jeden Lebenssachverhalt ein eigenes Gesetz machen. Ich denke, wir müssen ein Auge darauf haben, dass einerseits der Konsumentenschutz nicht seinen eigentlichen Zweck verliert und wir zum anderen nicht in einen Wust der Gesetzgebung hineingeraten.
Das sind aber nur Gedanken, die ich hier anrege, die nichts damit zu tun haben, dass der Gesetzentwurf, so wie er ist, im Grunde seine Richtigkeit hat, gemacht werden musste, weil es in anderen Ländern der Europäischen Union keinen so guten Schutz in diesem Bereich gibt. Allerdings ist die Spezialisierung halt schon eine sehr stark fortschreitende, wo wir, glaube ich, irgendwann einmal auch einen Punkt werden setzen müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
12.41
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.
12.41
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz werden die österreichischen Regelungen den neuen EU-Standards angepasst, was insofern von Wichtigkeit ist, weil das Gesetz ja auch schon auf EU-Ebene eine Reaktion auf die Finanzkrise ist. Damals hat ja, wir erinnern uns, die unverantwortliche Kreditvergabe schlussendlich zu dieser Blasenbildung auf den vielen Immobilienmärkten geführt und schlussendlich auch zu der Finanzkrise, unter der ja viele Staaten jahrelang gelitten haben – und manche sind aus dieser Misere auch nicht herausgekommen.
Ob diese Regelungen wirklich dazu angetan sein werden, das zu verhindern, wird natürlich erst die Zukunft weisen. Das Gesetz tritt ja erst im März nächsten Jahres in Kraft.
Insgesamt sind meiner Meinung nach die Änderungen aus Konsumentensicht nicht allzu gravierend, deshalb glaube ich auch nicht, dass es damit zu allzu einschneidenden Veränderungen für die Konsumenten und Konsumentinnen kommen wird. Auf die Kreditvermittler und Kreditgeber kommen aber umfangreiche vertragliche Vorinformationen zu, dafür soll es dann standardisierte Formulare geben. Auch für die Kreditwürdigkeitsprüfung werden Standards vorgegeben, und die Kreditnehmerinnen und -nehmer bekommen jetzt immerhin sieben Tage Bedenkzeit, denn so lange muss auch das Angebot verbindlich sein.
Eine weitere wichtige Regelung betrifft die vorzeitige Rückzahlung. Diese muss jetzt grundsätzlich bei jedem Verbraucherkredit möglich sein und dafür gibt es spezielle Regelungen, die ich aber jetzt nicht näher ausführen möchte.
Der Herr Kollege Fürlinger hat aus seiner Praxis berichtet und damit bestätigt, was eine heuer veröffentlichte Studie der EU nachgewiesen hat, dass nämlich in Wirklichkeit nur 11 Prozent der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer über ihre Rechte Bescheid wissen. Nur 18 Prozent fühlen sich überhaupt über die Bedingungen ihres Kreditvertrages gut informiert und immerhin 50 Prozent meinen, sie seien durch unsere Gesetze nicht wirklich gut geschützt.
Die EU-Kommission hat deshalb auch eine Informationskampagne gestartet, die noch bis Februar 2016 laufen wird. Damit soll nicht nur der Informationsstandard angeho-
ben, sondern die Kreditnehmerinnen und -nehmer sollen auch zum Vergleich von Angeboten motiviert werden.
Was sind jetzt eigentlich die Rechte, über die die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer immer noch zu wenig Bescheid wissen? – Es sind zum Beispiel die Bedingungen, unter denen man vorzeitig aus einem Kreditvertrag aussteigen kann. 21 Prozent der in Österreich für die EU-Studie Befragten haben gar nicht gewusst, dass sie dieses Recht überhaupt haben. Es gilt ja für diesen vorzeitigen Ausstieg, dass der Kredit jederzeit zur Gänze oder auch teilweise zurückgezahlt werden kann. Das, denke ich, sollten die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer auch wissen.
Im Rahmen der Studie wurde auch abgefragt, ob es richtig oder falsch ist, dass VerbraucherInnen innerhalb von 40 Kalendertagen ohne Angabe von Gründen von einem Kreditvertrag zurücktreten können. 35 Prozent haben gesagt, das ist falsch, und sind damit falsch gelegen, denn natürlich kann man das.
Am weitaus Besten haben sie immerhin über Formalismen Bescheid gewusst, wie dass ihnen vor Aufnahme eines Kredits ein Standarddokument mit den wichtigsten Informationen ausgehändigt werden muss. Das haben 92 Prozent gewusst. Ob sie es allerdings gelesen haben, bezweifeln wir nicht nur sozusagen in der Praxis – wie der Herr Kollege Fürlinger gesagt hat –, denn 24 Prozent – so hat diese Studie ergeben – haben die Vertragsbedingungen gar nicht und 38 Prozent nur zum Teil gelesen.
Das finde ich doch einigermaßen erschreckend und rege deshalb an, dass mit Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes, dem wir natürlich in der SPÖ die Zustimmung erteilen, vielleicht auch in Österreich eine diesbezügliche Informationskampagne in einer für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlichen Sprache gemacht werden sollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
12.45
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.
12.46
Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz hat für mich irgendwie einen Januskopf: Auf der einen Seite gehört es zum Verbraucherschutz und ist damit zu Recht im Justizausschuss angesiedelt, und da sind natürlich Sie der Zuständige, sehr geehrter Herr Minister, auf der anderen Seite ist es aber zu Unrecht nicht im Finanzmarktausschuss angesiedelt – und da das ein fragwürdiger Teil ist, darf ich kurz dazu berichten.
Der positive Teil ist sicherlich, dass es standardisiert ist. Wenn die Institutionalisierung im Sinne der EU-Ebene auf den Handel greift, dann ist das sicher positiv, wenn Kontraktspezifikationen vereinheitlicht, standardisiert, normiert werden, dass zum Beispiel jetzt die effektive Zinssatzberechnung kommt und die Banken den Konsumenten nicht mehr mit antizipativer oder dekursiver Verzinsung und Zinseszinsrechnung überfordern können. Es ist sicher positiv, dass das jetzt vereinheitlicht ist, keine Frage.
Aber jetzt komme ich zum negativen Teil, und der ist für mich sehr fragwürdig. Ich habe das Gesetz zwei-, dreimal gelesen, da stehen allen Ernstes diese Dinge drinnen und sind auch der Hintergrund dieses ganzen Gesetzes, das eigentlich von der Finanzmarktlobby in Brüssel, ganz konkret von der EZB, kommt, da Herr Draghi damit die Staaten und damit auch Österreich in erster Linie fleißig mitfinanzieren möchte.
Der fragwürdige Teil, Punkt eins: Es ist allen Ernstes jetzt wieder erlaubt, Fremdwährungskredite an private Haushalte zu vergeben. Ich habe mir diesen Paragraphen einige Male durchgelesen, aber das steht wirklich drinnen, dieses ganze Gruselkabinett, das
zur Finanzmarktkrise 2007 geführt hat, die übervorteilte Vergabe von Krediten, die Absicherung über Swapgeschäfte – Beispiel Linz, Salzburg, Wien hängt noch immer drin mit diesen Fremdwährungskrediten.
All das wurde seitens der FMA zu Recht 2010 verboten. Die FMA hat ein Dossier herausgegeben, das besagt, dass sich Fremdwährungskredite nicht für die Finanzierung von Wohnraumbeschaffung eignen – und da geht es um Hypothekarkredite, also um Wohnraumbeschaffung – und Fremdwährungskredite an Private bis heute zu Recht untersagt werden. Es besagt auch die Compliance-Vorschrift jeder Bank, dass Fremdwährungskredite an Private verboten sind.
Mit diesem Gesetz wird das ausgehebelt oder nicht, auf jeden Fall widerspricht es sich. Das kann es nicht sein!
Was noch zur Krise 2007 geführt hat, sind diese berühmt-berüchtigten Schrottpapiere, wie sich letztlich herausgestellt hat, diese Asset Backed Securities, das sind diese Hypothekarkredite. Das Kerngeschäft einer Bank ist die Kreditvergabe, die Bank macht Gewinne aus der Zinsdifferenz. Die Hypothekarkredite eignen sich besonders, weil sie belehnt sind, weil sie durch diese Asset Backed Securities handelbar gemacht werden, damit für die Bank verkauft werden können und damit ein Geschäftsmodell sind.
Dieses Geschäftsmodell wird jetzt allen Ernstes wiederbelebt, denn bei dieser Standardisierung, die hier seitens Brüssel gemacht wird, geht es viel weniger um Verbraucherschutz, viel weniger um Konsumentenschutz, sondern der Hintergedanke ist viel mehr, dass man diese Hypothekarkredite europaweit handelbar macht. Herr Kollege Fürlinger hat ja zu Recht gesagt, dass wir in Österreich eigentlich ein gutes, sehr respektvolles Verbraucherschutzgesetz haben. Warum schält man das heraus? Es geht ja nicht um eine Abänderung des Verbraucherschutzgesetzes, sondern das wird ja buchstäblich herausgenommen und in eine neue Gesetzesform gestülpt.
Der Hintergrund ist, dass die Finanzmarktlobby in Brüssel eindeutig standardisierte Produkte verlangt, damit sie das in Asset Backed Securities verpacken kann, die EZB die Produkte von Banken wieder aufkauft, Geld in den Markt gibt und diese dann praktisch über die Banken vertrieben werden, damit den Banken Geschäfte zugeordnet werden.
Dazu kommt der Fremdwährungskredit. Und was gibt es Schöneres für eine Bank als ein Doppelgeschäft? Einerseits lebt man von der Zinsdifferenz bei einem ganz normalen Kredit, andererseits kann man dazu noch ein Wechselkursgeschäft im Sinne eines Fremdwährungsdarlehens machen. Es wundert mich daher wirklich – ich habe es öfter gelesen, aber es steht wirklich so drinnen –, dass diesen Schrottpapieren, diesen Fremdwährungsgeschäften wieder das Wort geredet wird.
Es steht auch drinnen: „Der Kreditgeber hat auch andere anwendbare Mechanismen zu erläutern, um das Wechselkursrisiko für den Verbraucher zu begrenzen.“ – Ja was waren denn diese berühmt-berüchtigten Swapgeschäfte, an denen Salzburg fast zugrunde gegangen ist, an denen Linz bis heute leidet und mit denen es Stadträtin Brauner geschafft hat – durch die Fremdwährungskredite –, über Nacht einen Verlust in der Höhe von 500 Millionen € für die Stadt Wien einzufahren, an dem Wien bis heute leidet, weil zwei Drittel aller Schulden in Wien über den Schweizer Franken fremdfinanziert worden sind?
Deshalb hat die FMA zu Recht die Vergabe von Fremdwährungskrediten verboten. Jetzt soll das wieder möglich sein. Und Hintergrund dieses Gesetzes ist in erster Linie die Europäische Zentralbank, die versucht, damit Staatsfinanzierung zu betreiben, einerseits über Staatsanleihen, das funktioniert ja schon, die EZB kauft ja seit zwei Jahren ganz fleißig Staatspapiere auf. Nicht umsonst steht heute für italienische Staatspapiere, die bis vor drei, vier Jahren noch fast als Schrottpapiere gehandelt wurden, der
Zinssatz bei sage und schreibe 1,5 Prozent, wenn man eine zehnjährige Staatsanleihe Italiens kaufen will. Und das nur deshalb, weil die EZB diese Staatsanleihen direkt aufkauft.
Aber die EZB hat noch nicht genug von diesem Geschäftsmodell und will diese ABS-Geschäftsmodelle, die während der Finanzkrise 2007 in Europa zu Recht zusammengebrochen sind, wiederbeleben. Dieses Gesetz ist die Basis dafür, und das zweite Gesetz – ich habe gehört, es ist schon in Vorbereitung – wird die Verbriefung, praktisch die Handelbarkeit dieser als Anleihen funktionierenden ABS-Produkte sein. Das ist wirklich schwerwiegend, denn das hat mit einem Freiheitsgedanken, der heute hier so postuliert worden ist, der Bürgerinnen und Bürger in Europa und vor allem in Österreich überhaupt nichts zu tun. Bei dieser Finanzmarktmisere, die von den USA ausgegangen ist, wird Österreich dies sicherlich nicht wollen.
Jeder weiß: Wer heute einen Kredit haben und sein Grundstück belehnen – ist gleich verpfänden – will, bekommt vielleicht eine Zwei-Drittel-Finanzierung, wenn es gut geht, 80 Prozent. Das ist zu Recht begrenzt, denn der Markt, der jetzt nach oben explodiert – das ist übrigens auch eine Art Inflation mit jährlichen Zuwachsraten von 10 bis 15 Prozent; dieses Geschäftsmodell der Immobilienhaie, Immobilienspekulanten ist ja unglaublich –, kann auch wieder sinken. Dieses Gesetz ermöglicht allen Ernstes, dass ein Kredit bis zu 100 Prozent vergeben werden kann. Und wir wissen, als der Finanzmarkt 2008 zusammengebrochen ist, war die Immobilienfinanzierung eines einzigen Immobilienproduktes in den USA bei durchschnittlich 136 Prozent. Ein Grundstück, das einen Wert von 100 Prozent hatte, wurde also seitens der Bank mit 136 Prozent belehnt.
Deshalb ist auch diese ganze Blase geplatzt, die Preise und die Kreditwürdigkeit sind vorher nach oben geschnellt und konnten dann nicht mehr bedient werden. Das Ergebnis kennen wir alle: Die Banken und fast der ganze Markt sind zusammengebrochen. Deshalb wurde das zurückgenommen und auf zwei Drittel beschränkt. Mit diesem Gesetz nähert man das wieder 100 Prozent an. – Auch das habe ich zweimal lesen müssen, dass das wieder mit 100 Prozent bedient werden kann. Na klar, macht Sinn, denn die EZB, der – unter Anführungszeichen – „liebe Herr Draghi“, möchte Geld, Geld, Geld hineinpumpen, um vor allem seine südlichen Staaten zu finanzieren. Wir in Österreich sind noch – ich darf sagen: noch – relativ gut aufgestellt. – Wir wollen dieses Finanzierungsmodell definitiv nicht haben!
Zum Thema Finanzierungsmodell: Was ist das Ergebnis? – Wir sehen es alle täglich: Der Euro wertet ab, wird immer schwächer und schwächer, und damit werden auch das Vermögen und der Wohlstand der Österreicher weniger.
Dieses Modell – das darf ich zusammenfassend zu bedenken geben –, dieses janusköpfige Gesetz – Verbraucherschutz, wie Sie es wahrscheinlich vertreten, sehr gut, Herr Minister, andererseits der Finanzmarkt, wo es eigentlich noch hineinkommen müsste – lehnen wir definitiv ab. Ich habe mir erlaubt, einiges als Beispiel anzuführen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
12.54
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
12.54
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich mache es ganz kurz, denn ich bin heute ja in allen Punkten – bis auf einen – immer der Viertredner und immer Pro-Redner. Das macht es so schwierig, weil dann schon alles gesagt worden ist, inklusive vieler Dinge, die mit dem Tagesordnungspunkt selbst nichts zu tun haben.
Natürlich lagern wir in Wirklichkeit sozusagen einen Bereich, der früher im Verbraucherkreditgesetz war, aus und machen ein eigenes Gesetz. Es gibt eine Verbesserung, was das Rücktrittsrecht und die Bedenkzeit betrifft. Und aus unserer Sicht ist es auch eine Verbesserung, dass es jetzt einheitliche europäische Regelungen gibt, was ja auch für den Verbraucher und die Verbraucherin positiv ist.
Ich möchte aber, da wir bei diesem Punkt vor allem über den KonsumentInnenschutz sprechen, noch ein Wort zum VKI verlieren – ich weiß, das liegt nicht in Ihrem Verwaltungsbereich, Herr Minister, sondern beim Sozialminister. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des VKI haben ja Ende Oktober verzweifelt darüber informiert, dass sie kaum noch ihrer Arbeit nachgehen können – der so wichtigen KonsumentInnenschutzarbeit für Österreich, für uns alle –, weil das Geld fehlt.
Jetzt hat Minister Hundstorfer zumindest für die nächsten zwei Jahre die Finanzierung gesichert. Aber zwei Jahre sind natürlich auch keine langfristige Strategie und kein langfristiges Projekt, um dem VKI einerseits die notwendige Unabhängigkeit – das ist ganz wichtig, eine totale Unabhängigkeit von Ministerien, Kammern und so weiter – und andererseits eine ausreichende Finanzierung zu gewährleisten.
Der VKI braucht dringend eine langfristige Strategie. Möge diese Übung sehr bald gelingen! – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
12.56
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte, Herr Minister.
12.56
Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Mit diesem Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz wird, das wollte ich zur Klarstellung nur noch einmal hervorheben, ja nur der zivilrechtliche Teil der Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher in das österreichische Recht umgesetzt. Es hat schon rein kompetenzmäßig nichts mit Kapitalmarktrecht, Finanzmarktaufsicht und Finanzministerium zu tun.
Trotzdem war die Aufgabenstellung für die Experten meines Hauses gar nicht so einfach, denn wir haben ja bereits, wie hier schon mehrfach gesagt wurde, ein sehr ausdifferenziertes, starkes Verbraucherschutzrecht in Österreich, und das ist auch gut so. Jetzt musste man das auch wirklich vernünftig unter einen Hut bringen, die Notwendigkeit der Umsetzung der Richtlinie einerseits, aber andererseits auch die Rücksichtnahme auf bereits bestehende rechtliche Regelungen unter dem Aspekt, dass es hier zu keiner Verschlechterung kommen sollte.
Aber auch unter Berücksichtigung dessen, was hier insbesondere von Herrn Bundesrat Fürlinger schon an Bedenken geäußert wurde, glaube ich doch sagen zu können, dass auch diese Aufgabenstellung von meinen Experten in der zuständigen Fachabteilung unter Leitung von Sektionschef Georg Kathrein – er ist auch heute hier – wieder einmal hervorragend gemeistert wurde. Wir haben die Richtlinienumsetzung mit einer maßvollen und sinnvollen Erweiterung der Konsumentenrechte geschafft, ohne dass man sagen könnte, es ist jetzt deutlich unübersichtlicher geworden. Im Gegenteil, dadurch, dass wir das nun mit einem eigenen Gesetz für hypothekarisch besicherte Kredite und für die Kredite, die dem Erwerb einer Liegenschaft dienen, gemacht haben, sind eigentlich die Übersichtlichkeit, die Klarheit und die Rechtssicherheit besser geworden.
Insofern glaube ich, dass das unter dem Strich eine gute Gesetzesvorlage ist, und bitte daher auch um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
12.58
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen (785 d.B. sowie 9483/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Martin Weber: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend Viertes Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen.
Der vorliegende Beschluss des Nationalrates hat die Vereinfachung und Beschleunigung des Auslieferungsverfahrens auch gegenüber Nicht-Mitgliedstaaten der EU zum Ziel.
Das Vierte Zusatzprotokoll orientiert sich weitestgehend an den entsprechenden, im Rahmen der EU erarbeiteten Rechtsinstrumenten und sieht im Wesentlichen vor, dass die Auslieferung mit Zustimmung der auszuliefernden Person bereits auf der Grundlage des Fahndungsersuchens bewilligt werden kann.
Daneben werden die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und die Übergabe der gesuchten Person an den ersuchenden Staat an kurze Fristen gebunden, wodurch die Dauer der Auslieferungshaft verringert werden kann.
Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gödl. – Bitte.
13.00
Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine werten Damen und Herren! Dieser Punkt kann, glaube ich, in gebotener Kürze abgehandelt werden. Man darf voranstellen, dass es sie doch gibt, die gute europäische Zusammenarbeit. Gerade beim Auslieferungsübereinkommen, das aus dem Jahr 1957 datiert, kann man ablesen, dass Zusammenarbeit gerade im strafrechtlichen Bereich besonders sinnvoll ist.
Das Auslieferungsabkommen wurde vom Europarat ins Leben gerufen. Wer ist mit an Bord? – Natürlich alle EU-Mitgliedstaaten, dann auch jene Staaten des Europarates, die nicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sind, sowie Israel, Korea und Südafrika.
Mit diesem Vierten Zusatzprotokoll, das wir heute beschließen, ist quasi auch eine Anpassung an die heutigen Gegebenheiten verbunden. Zum Beispiel sollte es heute selbst-
verständlich sein, dass man Rechtsverkehr beziehungsweise auch Informationsverkehr über Telefax und E-Mail abwickeln darf. Das wird jetzt auch so festgeschrieben.
Wir haben heute schon viel über verschiedene Probleme innerhalb der Europäischen Union gesprochen. Ein Zeichen unserer modernen Gesellschaft ist die in vielerlei Hinsicht uneingeschränkte Mobilität. Natürlich gibt es auch die einen oder anderen negativen Folgen, nämlich dass auch Kriminalität und Kriminelle mobil sein können und mobil sind. Und daher ist eben dieses Auslieferungsübereinkommen ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtsvollzuges, auch des Strafrechts. Es werden dadurch nämlich Kriminelle, Verdächtige, die in Europa mobil sind, dort auch wirklich zur Verantwortung gezogen, in ihrem Heimatstaat oder in jenem Land, in dem sie ein Verbrechen oder ein Vergehen begangen haben, auch wenn sie sich in einem anderen Land aufhalten.
Einer der Punkte, die auch neu geregelt werden, ist die Frage der Verjährung. Es ist in Zukunft nämlich so, dass selbst dann, wenn ein Delikt, eine Tat in dem Land, in dem sich der Verdächtige aufhält, verjährt wäre, er trotzdem ausgeliefert werden kann – zum Beispiel in den Heimatstaat, wo dieses Delikt, diese Tat gemäß dem Deliktskatalog noch nicht verjährt ist. Diese Anpassungen entsprechen insgesamt einer effizienten Vollziehung des Strafrechtes über die einzelnen Nationalgrenzen hinweg.
Besonders erfreulich ist es immer, wenn etwas beschleunigt wird im Bereich einer Verwaltungsmaterie oder – wie in diesem Fall – im Bereich einer Justizmaterie, und in diesem Auslieferungsübereinkommen ist auch festgeschrieben, dass der ersuchte Staat höchstens 90 Tage Zeit hat, über das Ansuchen zu entscheiden.
Und ein gar nicht negativer, sondern so gesehen positiver Nebeneffekt für den Finanzminister ist, dass dieser Beschluss, dieses neue Protokoll nichts kostet. Man könnte meinen, wenn damit Verfahren verkürzt werden, wenn damit Aufenthalte von Verdächtigen und Kriminellen bei uns in Österreich verkürzt werden, dann hat das sogar einen positiven finanziellen Effekt, nämlich eine Kostenersparnis.
In diesem Sinne werden und können wir alle diesem Vierten Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.04
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Kurz zu Wort. – Bitte.
13.04
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Gödl hat auf die zwei wesentlichen Neuerungen, um die es jetzt bei der Ratifizierung, in diesem Vierten Zusatzprotokoll geht, bereits hingewiesen. Wir haben dieses Zusatzübereinkommen bereits 2012 unterzeichnet, aber es eben bislang noch nicht ratifiziert, was mit dem heutigen Beschluss des Bundesrates endgültig geschehen soll.
Die Verweigerung der Auslieferung aufgrund der eingetretenen Verjährung ist bereits angesprochen worden, dazu brauche ich eigentlich nichts mehr auszuführen. Allerdings ist anzumerken, dass es doch bestimmte Vorbehalte in einem Staat gibt – und das ist ein relativ komplexes Verfahren –, warum das dann doch wieder eintreten könnte, also ganz weg ist es sozusagen nicht.
Zur Frage der Auslieferung: Dass jemand nicht nur aufgrund der Straftat, aufgrund welcher er momentan verfolgt wird, sondern auch wegen anderer Delikte ausgeliefert werden soll, ist auch eine Neuerung.
Das Zusatzprotokoll beinhaltet jetzt diese 90-Tage-Frist, auf die Kollege Gödl schon eingegangen ist, die neben den finanziellen Effekten auch dazu führt, dass derjenige
schneller in das Herkunftsland überstellt werden kann. Es ist sicher auch für denjenigen, den das betrifft – man muss ja immer auch diese Aspekte beachten –, sinnvoller, dass die Haft in dem Land vollzogen wird, aus dem er kommt, weil er dort die sozialen Kontakte nicht verliert, was doch eine wesentliche Voraussetzung für eine, wie wir doch hoffen, gelungene Resozialisierung sein sollte.
In diesem Sinne befürworten wir natürlich diese Regelung und stimmen ihr zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
13.06
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. – Bitte.
13.06
Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben leider zunehmend, dass sich Kriminalität verstärkt internationalisiert. Früher, wenn ich so sagen darf, hatten wir vor allem Delikte gegen das Eigentum, Einbruch, Diebstahl und Raub, zu beklagen. Mittlerweile – gerade auch in den letzten Tagen – hat sich erschreckenderweise gezeigt, dass Kriminalität auch im Bereich des Terrors und im Bereich des Mordes nicht vor Grenzen zurückschreckt.
Und diesem traurigen und erschreckenden Trend müssen wir auf jeden Fall mit allen Mitteln Rechnung tragen. Ich bin daher sehr, sehr dankbar, wir sind dem Herrn Bundesminister, der bekanntlich aus der Praxis kommt, sehr dankbar, dass er praxisorientiert handelt und entsprechende Grundlagen schafft.
Wir sagen daher ganz klar Ja dazu, dass wir unnötige Bürokratie bei der Strafverfolgung abschaffen und diese, soweit es geht, vereinfachen. Wir sagen Ja dazu, dass es ein schnelles Handeln für die Justiz und auch für die Strafverfolgungsbehörden gibt. Und wir sind auch ganz klar dafür, dass Kriminelle rasch ausgeliefert werden können und im zuständigen Land ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können.
Wir sehen dieses Übereinkommen und dieses Zusatzprotokoll als ein sehr, sehr wichtiges Signal dafür, dass die Staatengemeinschaft, dass man international bereit ist, gemeinsam zu handeln. Und wir werden daher natürlich, wie schon im Ausschuss signalisiert, diesem Übereinkommen zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
13.08
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte. (Bundesrätin Kurz – in Richtung des Bundesrates Schreuder –: Du bist heute so arm! – Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, das passt schon!)
13.08
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Gödl, ich finde es super, dass die ÖVP mittlerweile das Argument verwendet: Wir stimmen Projekten zu, die den Steuerzahler nichts kosten! – Das finde ich großartig, und das ist auch ein Argument, das ich sehr oft verwende. Würde man nämlich Homosexuellen die Ehe öffnen, würde das den Steuerzahler genau gar nichts kosten, man würde auch niemandem etwas wegnehmen (allgemeine Heiterkeit – Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ), aber Menschen glücklich machen, die sich das wünschen. Vielleicht können Sie sich dieser Argumentation jetzt auch endlich einmal anschließen, es kostet den Steuerzahler gar nichts.
Zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt: Wir haben uns das natürlich angeschaut. Eine für uns grundrechtliche Frage, die sich bei solchen Abkommen immer stellt, ist: Ist
das von der Zustimmung der auszuliefernden Person abhängig, ja oder nein? Das ist es. Somit gibt es keine grundrechtlichen Bedenken. Wir stimmen zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)
13.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Herr Justizminister Dr. Brandstetter zu Wort. – Bitte.
13.09
Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Es ist inhaltlich schon weitgehend alles gesagt worden. Ich kann zusammenfassend nur einen Satz dazu sagen: Es handelt sich hierbei um eine Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung im Bereich dieses Auslieferungsübereinkommens. Das ist gut so, das ist richtig so, und ich denke, es wird wohl eine entsprechend breite Zustimmung geben.
Wenn ich mich schon so kurz fasse, dann erlauben Sie mir, Herr Präsident, eine persönliche Bemerkung, zu der es mich wirklich drängt: Ich habe den Medien entnommen, dass Herr Bundesrat Schreuder den Bundesrat verlassen wird. Ich möchte ihm wirklich für die so konstruktiven Beiträge, die er hier immer wieder geleistet hat und die mir wirklich sehr positiv aufgefallen sind, danken. (Allgemeiner Beifall.)
Ich danke für diese konstruktive Diskussions- und Gesprächskultur, und auch wenn wir in vielen Dingen oft fundamental anderer Meinung waren und sind, so waren unsere Diskussionen und Gespräche doch immer konstruktiv und von wechselseitigem Respekt für den Standpunkt des jeweils anderen geprägt. Dafür danke ich. Und ich sage es ganz offen: Lieber Marco, du wirst mir abgehen, aber nicht nur mir. Wenn es sich nicht gerade um den Song Contest oder Popmusik handelte, waren wir fast immer verschiedener Meinung, aber das macht nichts. (Allgemeine Heiterkeit.)
Das macht überhaupt nichts, denn du, Kollege Schreuder, kämpfst für deine Ansichten auf eine sehr sympathische Art und Weise – und vor allem mit offenem Visier. Das schätze ich, und wenn ich das so sagen darf, du bist ein grader Michl, deshalb wirst du nicht nur mir abgehen, denn grade Michl kann man in der Politik gar nicht genug haben.
Ich danke dir für deine Beiträge und ich hoffe, wir werden weiterhin bei konstruktiven Streitgesprächen bleiben, auf anderer Ebene. (Allgemeiner Beifall.)
13.11
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird (823 d.B. und 854 d.B. sowie 9481/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz geändert wird.
Die schriftlichen Unterlagen hat jeder in sein Fach bekommen und hat sie wahrscheinlich auch durchgelesen; daher komme ich sogleich zur Antragstellung.
Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Samt. – Bitte.
13.13
Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! EU-Anpassungen im Strahlenschutzgesetz sind der Inhalt dieser Regierungsvorlage zur vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle. Hierbei schlägt die Regierung die Änderung des Strahlenschutzgesetzes vor, die darauf abzielt, ein nationales Entsorgungsprogramm für radioaktive Abfälle zu erstellen, umzusetzen und regelmäßig zu aktualisieren.
Dieses Programm soll also alle Schritte der Entsorgung radioaktiver Abfälle – von deren Anfallen bis zur Endlagerung – umfassen, außerdem soll eine strategische Umweltprüfung erfolgen. Die Kosten, so ist zu erfahren, werden sich dabei auf zirka 150 000 € belaufen. Dazu sollte man wissen, dass in Österreich nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle anfallen, da die Brennelemente unseres einzigen Kernreaktors, des Forschungsreaktors an der TU Wien, von Lieferanten zurückgenommen werden. Die anderen, zu 95 Prozent schwach radioaktiven Abfälle, entsorgt laut dem Strahlenschutzgesetz die Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH, die NES. Eine Entscheidung für die spätere Endlagerung der radioaktiven Abfälle in Österreich ist noch nicht gefallen.
Die Abfallaufbereitung und die Zwischenlagerung am Standort Seibersdorf ist bis zum Jahr 2045 gesichert, Entscheidungen und konkrete Schritte in Richtung Endlagerung unserer radioaktiven Abfälle werden seitens Österreichs im nationalen Entsorgungsprogramm zu treffen sein, das liest man auch in den Erläuterungen zu diesem neuen Gesetz. Im Ausschuss wurde dann auch über die sogenannte ERDO-Arbeitsgruppe gesprochen, die laut den Erläuterungen, die wir dort erfahren haben, hauptsächlich die kleinen Abfallerzeuger in der Europäischen Union betreffen sollte.
Vergleiche in diesem Zusammenhang, geschätzte Damen und Herren, mit anderen Staaten – wie zum Beispiel Slowenien, die mit Krško einen Reaktor gemeinsam mit Kroatien betreiben – sind meiner Meinung nach nicht wirklich zulässig, da wir ja kein Kernkraftwerk haben und auch in dieser Form diese Abfälle weder im Umfang noch in der radioaktiven Stärke bei uns vorfinden. Besser wäre es auf jeden Fall – da sind wir wieder bei einem Punkt, der immer wieder auftaucht –, wenn Österreich und die Europäische Union die Staaten Slowenien und Kroatien dazu bringen würden, aus der Atomkraft auszusteigen, weil das Folgendes bedeuten würde, und das ist fast eine Milchmädchenrechnung: Kein AKW – keine gefährlichen Störfälle, kein Atommüll! Es wäre also eine Win-win-Situation für alle, aber leider sind da – das muss ich an dieser Stelle auch sagen – sowohl die EU als auch die österreichische Regierung taub und blind. Vielleicht wird sich das noch ändern.
Die Gefahr, die auch in der Arbeitsgruppe besprochen wurde, dass wir in Österreich möglicherweise ein Endlager bekommen, wenn Österreich sich an der Suche nach Endlagerorten beteiligt, besteht angeblich nicht. Das wurde uns zumindest so vermittelt, es sei denn, und wenn überhaupt, dann nur mit der Zustimmung aller, wer auch immer diese alle sind. Derzeit ist es auf jeden Fall so, dass jedes europäische Land, wie auch Österreich, zuständig ist für die Entsorgung seiner radioaktiven Abfälle und Endprodukte, und dabei sollte es unserer Meinung nach auch bleiben.
Wir von der FPÖ sind klar gegen Atomkraftwerke, und wir wollen auch einen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag, demnach werden wir logischerweise einer weiteren EURATOM-Umsetzung und den weiteren Schritten – wie diesem Gesetz – auf nationaler Ebene nicht zustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
13.18
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich sehr herzlich Herrn Bundesminister Rupprechter hier bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte.
13.18
Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Das Strahlenschutzgesetz ist ein wichtiger Punkt, meine Damen und Herren. Wir erleben eine Situation der Unsicherheit. Das haben nicht zuletzt die furchtbaren Ereignisse in Paris gezeigt, auch die heutige Gedenkminute.
Es ist bedrückend, zu sehen, zu welchen Maßnahmen Menschen greifen, zu welchen Mitteln sie greifen, um gegen andere vorzugehen und sie zu demütigen. Alle Mittel sind ihnen da recht. In Bezug auf Mittel sind wir aufgrund der Tatsache, dass lange nichts passiert ist, nachlässig geworden, auch so in Bezug auf Strahlung.
Wir erinnern uns noch daran, dass in Bauordnungen ein Schutzraum vorgesehen werden musste, für den Fall, dass aus militärischen Gründen oder durch einen größeren Unfall – einem GAU in einem Atomreaktor zur Energiegewinnung – Strahlung frei und zur Bedrohung für Menschen und Umwelt werden sollte. In Deutschland, meine Damen und Herren, diskutiert man jetzt schon wieder: Sollen wir Schutzräume errichten: ja oder nein? – Die Mehrheit ist dafür.
Österreich hat sich meines Erachtens in vorbildlicher Weise im Atomsperrgesetz gegen die Atomenergie ausgesprochen. Die Bemühungen der Inbetriebnahme von Zwentendorf wurden nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 eingestellt. 1999 wurde das Atomsperrgesetz in den Verfassungsrang erhoben, seitdem trägt es die Bezeichnung “Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich“. Dadurch allein sind wir nicht sicher vor Strahlung. Man denke nur daran, wie nah an unseren Grenzen sich Atomkraftwerke befinden, etwa in Krško oder Temelín. Da hören wir von circa zwei bis drei Sicherheitsproblemen jährlich.
Meine Damen und Herren, gerade deswegen ist es wichtig, dass wir Mitglied bei Euratom sind und darauf einwirken können, dass beispielsweise in den benachbarten Atomkraftwerken Schutzvorkehrungen in unserem Interesse getroffen werden müssen.
Das hat nichts mit Förderung der Atomlobby zu tun, wie von manchen politischen Vertretern in der Diskussion über das Strahlenschutzgesetz und anlässlich des Antrags betreffend einen Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag in die Diskussion geworfen wurde. Gerade angesichts eines Terrorismus, der weder vor Anschlägen gegen Atomkraftwerke noch vor Anwendung atomarer Waffen haltmacht, ist es wichtig, in die Gestaltung entsprechender Schutzvorkehrungen miteinbezogen zu werden.
Meine Damen und Herren, auch wenn die Materie des vorliegenden Strahlenschutzgesetzes nicht so virulent ist, ist sie doch in den Gesamtzusammenhang unserer Sicherheit zu stellen; auch das ist wichtig. Dazu gehört die Tatsache, dass wir strahlendes Material, das entsorgt werden muss, besitzen, nämlich in der Forschung und im Gesundheitswesen, somit gibt es sozusagen einen alltäglichen Kontakt.
Die Aufbewahrung des Materials ist bei uns für die nächste Zeit geregelt. Es bedarf aber auch der Frage einer endgültigen Entsorgung des strahlenden Materials im Hinblick auf die Gesundheit, Umwelt und Sicherheit. Auch wenn es nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind, die in der Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH entsorgt werden, sind es trotzdem gefährliche Stoffe, um deren Entsorgung sich der österreichische Staat kümmern muss.
Bis zum Jahr 2030 muss in diesem Zusammenhang die Ausweisung eines möglichst regionalen Endlagers für radioaktive Abfälle erfolgen. Meines Erachtens ist es nicht nur eine Frage der Verantwortung Österreichs, für das radioaktive Material, das bei uns anfällt, eine entsprechende Möglichkeit der Entsorgung zu finden.
Mit dieser Gesetzesänderung droht nicht die Gefahr, dass andere Länder bei uns ihr strahlendes Material entsorgen, sondern es stärkt unsere Handlungsfreiheit. Deswegen ist dieser Änderung des Strahlenschutzgesetzes zuzustimmen, keine Frage.
Diese Änderung sollte für uns auch Anlass sein, uns in der Entwicklung unserer Gesellschaft, die von Unsicherheit geprägt ist, wieder intensiver mit der Frage der Atomstrahlung auseinanderzusetzen.
Es ist alles zu unternehmen, damit atomares Material nicht zur Belastung der kommenden Generationen wird; aber es gilt auch darüber nachzudenken, wie garantiert werden kann, dass Strahlungsenergie nicht in Hände von Terroristen gelangt und unermesslichen Schaden anrichtet. Die letzten Tage und Monate haben das gezeigt. Meine Damen und Herren! Wir müssen den Anfängen wehren! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.23
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.23
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 37 Jahren, also 1978, hat sich die österreichische Bevölkerung gegen die Atomkraft ausgesprochen. Das ist bis heute so geblieben, und es ist auch gut und vernünftig so. Wenn es nämlich nicht so gewesen wäre, würden wir jetzt, wenn es um die Entsorgung und Endlagerung von Atommüll geht, vor ganz anderen Herausforderungen stehen.
In der hier vorliegenden Gesetzesvorlage wird eine EU-Richtlinie umgesetzt, die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung der anfallenden Brennelemente und aktiven Abfälle vorschreibt. Brennelemente haben wir eben Gott sei Dank nicht zu entsorgen. Der einzige Reaktor in Österreich ist, wie wir schon gehört haben, der Praterreaktor, den die TU betreibt, und da gibt es schon Rücknahmevereinbarungen für die Brennstäbe vom Lieferanten.
Wir reden hier also vor allem vom Krankenhausmüll, zum Beispiel aus der Strahlentherapie, vom Industrieabfall, aber auch von einigen Altlasten, die schon über 100 Jahre alt sind und in diversen Universitäten und Labors gefunden worden sind.
Dieser österreichische Atommüll, bei dem es sich zum allergrößten Teil um schwachradioaktiven Abfall handelt – 95 Prozent des Atommülls sind schwachradioaktiv, nur 5 Pro-
zent sind mittelradioaktiv –, lagert ja bekanntlich, wie wir heute schon gehört haben, in Seibersdorf, und zwar in ein bisschen mehr als 11 000 Fässern, in drei Lagerhallen.
Wie gesagt, der strahlt so schwach, dass er wirklich in fast ganz normalen Lagerhallen zwischengelagert ist. Es gibt dort keine Bleiummantelung oder Ähnliches, wie man es bei einem atomaren Zwischenlager vielleicht vor Augen hat.
Zu diesen knapp über 11 000 Fässern kommt der laufend anfallende Atommüll. Bis zum Jahr 2045, wenn der Vertrag mit Seibersdorf ausläuft, werden dort an die 15 000 Fässer lagern. Für diese Übernahme des Atommülls, vor allem von der Industrie, nimmt Österreich ein zweckgebundenes Entsorgungsentgelt an, das extra eben zweckgebunden ist und für die Endlagerung zur Verfügung steht.
Der erste Knackpunkt, der uns dazu auffällt: Die Richtlinie fordert eine unabhängige Atomaufsicht für die beiden letzten Kernanlagen in Österreich, also für den Praterreaktor, der im Eigentum und unter Aufsicht des Wissenschaftsministeriums steht, und für das Zwischenlager bei NES in Seibersdorf, dessen Eigentümer, das Lebensministerium, für die Aufsicht zuständig ist. – Also unter Trennung zwischen Aufsicht und Eigentum stellen wir uns etwas anderes vor.
Als nächste Schritte ist die Erstellung und Umsetzung eines Nationalen Entsorgungsprogramms geplant. Da sehen wir schon die erste große Gefahr, weil in der Novelle nichts konkretisiert ist. Es ist weder erwähnt, wer konkret eigentlich ein Endlager suchen soll, noch ist ein Zieldatum festgelegt.
Im Vertrag zwischen Bund und Seibersdorf ist das Endlager beziehungsweise Zwischenlager, wie gesagt, bis 2045 gesichert. Dieses Datum fehlt aber im Gesetz, der Termin wird wohl weiter in die Zukunft geschoben werden.
Wir befürchten aber, dass sich in Österreich in punkto Endlagerung nichts bewegen wird, vor allem weil Österreich bei ERDO zuständig ist. ERDO ist eine Organisation, die von einigen europäischen Ländern gegründet wurde, die alle kein großes Atomproblem haben, ähnlich wie Österreich – zum Beispiel sind Italien und Slowenien dabei –, nämlich zum Zweck der Suche nach einem überregionalen Endlager.
Da geht es vor allem um den Know-how-Austausch unter den Staaten, die alle keine riesige Expertise auf diesem Gebiet haben. Aber es geht auch darum, dass diese Staaten Endlagerstätten für Atommüll suchen und eventuell eben auch überregionale Lager gebildet werden für die anderen Länder, die eben auch bei ERDO Mitglied sind.
Es könnte also in jedem Staat aus dieser Partnerschaft ein Endlager für den gesamten Atommüll aller Partnerstaaten geschaffen werden. Im Klartext würde das heißen: Jeder sucht ein Endlager bei sich im eigenen Land, und wer als Erster eines findet, dessen Endlager wird auch von allen anderen ERDO-Mitgliedern verwendet. Wir befürchten, dass das zur Folge haben wird, dass kein Land ernsthaft zu suchen beginnt, weil keines der Länder ein Endlager für alle anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen möchte.
Wir haben einen Antrag im Nationalrat eingebracht, genau diesen Passus zur Exportmöglichkeit zu streichen. Das ist leider im Nationalrat abgeschmettert worden. Aus unserer Sicht braucht es einfach ein besseres, strengeres und besser strukturiertes Gesetz. Aus grüner Sicht macht es einfach sehr viel Sinn, dass wirklich etwas passiert, dass gesucht wird und es weitergeht.
Wir plädieren für eine Endlagersuche nur im Inland, also für einen Wegfall der Exportoption. Es braucht eine Festlegung eines Zieldatums für die Schaffung eines heimischen Endlagers, es braucht die Schaffung einer unabhängigen Atomaufsichtsbehörde, und es braucht die Schaffung einer unabhängigen Agentur, die eben ein heimisches Endlager sucht.
Herr Minister, Österreich lehnt die Nutzung von Kernenergie in den Nachbarländern immer kategorisch ab. Die ungelöste Frage der Entsorgung von Atommüll ist der Hauptgrund dafür. Wir finden, dass es einfach sehr viel ehrlicher ist, wenn Österreich, das ja so stark gegen die Kernenergie und gegen die Nutzung von Atomkraft auftritt, auch die Verantwortung für den eigenen Müll im eigenen Land übernimmt. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Reiter.)
13.29
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort. – Bitte.
13.29
Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Erlauben Sie mir, bevor ich zu dem eigentlichen Thema spreche, dass ich mich bei der Daniela Gruber-Pruner und bei der Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska recht herzlich für die heutige Veranstaltung bedanken. Morgen haben wir wieder den Tag der Kinderrechte, es hat uns in der Säulenhalle wieder eine Gruppe Kinder besucht. Ihr wisst, wie sehr mir Kinderrechte am Herzen liegen, ich habe es wirklich genossen. Ich möchte mich bei den beiden recht herzlich bedanken!
Jetzt zum eigentlichen Thema: Ich möchte nicht noch einmal alles wiederholen, was meine beiden Vorredner und meine Vorrednerin schon gesagt haben, was den Inhalt dieses Strahlenschutzgesetzes betrifft. Ich möchte aber grundsätzlich betonen, dass man bei diesem Gesetz auch auf die beiden Themen Atomenergie und das Problem der Endlagerung hinweisen soll. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)
Für mich sind das sehr ernste Themen, sehr wichtige Themen, und zwar ernste Themen deswegen, weil 1986 für mich ein ganz besonderes Jahr war. Ich war damals schwanger. Ich wollte an diesem besagten Tag, an dem die Katastrophe von Tschernobyl passiert ist, mit meiner zweijährigen Nichte hinaus zum Spielplatz gehen und in der Sandgrube spielen, als ich via Radio gehört habe, dass schwangere Frauen und Kleinkinder in den Häusern und in den Wohnungen bleiben sollten.
Zuerst dachte ich: Na ja, mich kann es ja nicht treffen!, trotzdem hatte ich irgendwie ein schlechtes Gefühl, ich hatte Angst. Vor allem konnte ich meiner zweijährigen Nichte nicht erklären, was gefährlich ist. Wie auch? Ich habe es ja selber nicht verstanden, ich war mir der Gefährlichkeit nicht bewusst.
Erst später, nachdem ich die Bilder von Kindern aus Tschernobyl gesehen habe, nachdem wir Bilder aus Fukushima gesehen haben, wurde mir bewusst, was so eine Katastrophe mit sich bringt, welche Gesundheitsgefährdung das ist, wurde mir bewusst, dass wir alles unternehmen müssen, um Strahlensicherheit oder Strahlenvorsorge zu unterstützen und auch zu fördern.
Meine Vorrednerin hat das Jahr 1978 erwähnt – mich ebenfalls ein wichtiges Jahr, als sich Österreich, zumindest die Bevölkerung, gegen die Atomkraft entschieden hat. Für mich nahm damals Österreich eine Vorreiterrolle ein.
Der zweite Punkt, dessen wir uns aber auch bewusst werden müssen, ist, dass die Länder rundherum etwas anderes entschieden haben. Umso wichtiger ist es, in den EU-Ländern, aber auch weltweit, dafür zu sorgen, dass dieses Thema nicht leichtfertig hingenommen wird und dass auf die Wichtigkeit der Strahlenschutzbestimmungen hingewiesen wird und sie auch entsprechend umgesetzt werden.
Ich möchte nur noch einen Punkt zur Endlagerung sagen. Ich glaube, dass zum Thema Endlagerung weder in Österreich noch in den anderen Ländern in Europa definitive Entscheidungen gefallen sind. Da müssen Entscheidungen fallen, da ist es notwendig,
ein Entsorgungsprogramm festzulegen; wobei ich schon betonen möchte, nicht nur wegen der EU-Richtlinie, sondern vor allem wegen der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und der Umwelt.
Ich bin mir aber auch dessen bewusst, dass es da zu einem breiten Konsens kommen soll, wo alle zuständigen Stellen mitarbeiten und wo vor allem die Öffentlichkeit miteinbezogen werden soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss: Atomenergie ist nicht eine Energie wie jede andere. Sie ist auch nicht günstiger, wenn man die Entsorgung miteinbezieht. Es ist eine Energie mit sehr viel Energiepotential. Dessen müssen wir und bewusst sein. Deswegen müssen wir alles unternehmen, um diese Gefährdung wirklich zu minimieren.
(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)
Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.34
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte.
13.34
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Anti-Atom-Diskussion kann ich nur voll und ganz unterstützen. Ich möchte auch noch einmal hervorstreichen: Ich selbst war als Schüler 1978 in der Anti-Zwentendorf-Volksbewegung unterwegs.
Österreich hat sich zu Recht gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen, und wir haben mit Tschernobyl und erst vor Kurzem mit Fukushima leider traurige Bestätigung gefunden. Auch bei meinem jüngsten Besuch in Japan war mein erster offizieller Termin ein Treffen und ein Briefing mit vier Vertretern der Anti-Atom-Bewegung, die in Japan ja gerade jetzt höchste Aktualität hat.
Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Die vorgesehene Änderung des Strahlenschutzgesetzes, die Ihnen hier vorliegt, dient, wie schon gesagt wurde, der Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen in nationales Recht.
Wir haben eine erste Teilumsetzung der Richtlinie bereits vorgenommen durch die Änderung der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung und der Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung zu Jahresbeginn 2015.
Ein Großteil der Verpflichtungen aus der EU-Abfallrichtlinie war in Österreich bereits durch die bestehende Strahlenschutzgesetzgebung erfüllt. Noch umzusetzen waren Regelungen über die Erstellung eines nationalen Entsorgungsprogramms, das die erforderlichen Maßnahmen für eine sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle von deren Anfall bis zur Endlagerung zu enthalten hat. Dies erfolgt durch die gegenständliche Regierungsvorlage, durch die gegenständliche Novelle.
Ein wesentlicher, notwendiger Inhalt dieses Entsorgungsprogramms sind Festlegungen über die spätere Endlagerung des radioaktiven Abfalls. Wir sind ja in der glücklichen Situation, dass wir keine abgebrannten Brennelemente, aber doch auch entsprechende Abfälle, leicht radioaktive Abfälle, in Österreich haben. Deshalb müssen wir nun konkrete Schritte setzten, und zwar nicht nur wegen der Vorgaben der Abfallrichtlinie, sondern auch aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und der Umwelt.
Die Sammlung, die Aufbereitung, die Aufarbeitung und die Zwischenlagerung des österreichischen radioaktiven Abfalls ist bereits jetzt klar geregelt und erfolgt in der Einrichtung der Nuclear Engineering Seibersdorf – das wurde auch schon angesprochen. Diese Anlagen werden derzeit modernisiert und zählen schon jetzt zu den modernsten in Europa. Die Zwischenlagerung ist – das wurde auch schon gesagt – bis 2045 gewährleistet. Neu zu regeln ist das Vorgehen zur Schaffung eines Endlagers.
Ich möchte zur betreffenden Debatte auch klarstellen, was in der EU-Abfallrichtlinie nicht vorgegeben ist: nämlich der Zeitpunkt, zu dem eine endgültige Entscheidung über die Endlagerung des Abfalls getroffen werden muss. Wie die Erfahrung anderer Staaten zeigt, wird diese Suche mit Sicherheit ein viele Jahre dauernder Prozess sein. Bis dahin ist eine sichere Zwischenlagerung des in Österreich vorhandenen Abfalls gewährleistet. Es ist auch nicht gefordert, dass ein Staat seine radioaktiven Abfälle im eigenen Land endlagern muss.
Mein Weg zur Umsetzung der Abfallrichtlinie sieht daher mit dieser Novelle Folgendes vor: die Ausarbeitung und Implementierung des Nationalen Entsorgungsprogramms als gesamtstaatliches Anliegen der Bundesregierung und die Erarbeitung einer Lösung der Endlagerfrage, und zwar im breiten Konsens, unter Einbeziehung aller zuständigen Stellen in Bund und Ländern, aber auch der Öffentlichkeit. Deshalb wird eben das Nationale Entsorgungsprogramm einer strategischen Umweltprüfung unterzogen werden. Im Zuge dieses Verfahrens hat jedermann im In- und Ausland die Möglichkeit zur Stellungnahme. Für die weiteren Schritte und zukünftigen Prozesse der Endlagersuche werden im Nationalen Entsorgungsprogramm selbst die Maßnahmen festgelegt, die die effektive Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen.
Da sich die Frage der Endlagerung von radioaktivem Abfall bekanntlich in fast allen Staaten stellt – und zwar unabhängig davon, ob dieser Staat Kernkraftwerke benutzt oder nicht –, forciert Österreich in diesem Bereich die internationale Zusammenarbeit, wie sie ja bereits jetzt im Strahlenschutzgesetz vorgesehen ist. Selbstverständlich kann diese Zusammenarbeit nicht bedeuten, dass gegen den Willen der Betroffenen zusätzlich zum eigenen Abfall plötzlich auch noch der Atommüll aus anderen Staaten im eigenen Land endgelagert werden muss. Es geht vielmehr zunächst um ein gemeinsames Suchen nach Lösungen, den Austausch von Informationen und das Nutzen der vorhandenen Expertise.
Ob Österreich die Option eines gemeinsam mit anderen Staaten betriebenen Endlagers künftig verfolgen soll, ist im Rahmen der Erstellung des Nationalen Entsorgungsprogramms zu diskutieren, wofür wir hier die gesetzliche Grundlage schaffen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
13.39
Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Grüner Bericht 2015 (III-567-BR/2015 d.B. sowie 9484/BR d.B.)
9. Punkt
Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016 (III-566-BR/2015 d.B. sowie 9485/BR d.B.)
Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um die Berichte.
Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich berichte über die Maßnahmen für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, die Maßnahmen für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016 zur Kenntnis zu nehmen.
Der zweite Bericht aus dem Ausschuss für Land-, Forst und Wasserwirtschaft ist über den Grünen Bericht 2015. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme auch da gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, den Grünen Bericht 2015 zur Kenntnis zu nehmen.
Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Samt. Ich erteile es ihm.
13.42
Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der zur Diskussion stehende Grüne Bericht und die daraus resultierenden Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft stehen unter dem Untertitel: weiter rückläufige Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft; minus 5 Prozent gegenüber dem Jahr 2013. Darüber steht dann das Vorwort des Bundesministers: „Österreichs Landwirtschaft befindet sich auf dem richtigen Weg“.
Ich finde das einmal grundsätzlich als Einleitung für einen Negativbericht unpassend. 5 Prozent weniger Einkommen, niedrigere Preise für die gesamte Produktpalette, also durchaus eine angespannte Lage am Markt. 2 400 Landwirte geben pro Jahr ihren Betrieb auf. In Anlehnung daran zu sagen: Ein bisschen weniger schlecht als es der letzte Bericht – für mich ist das eindeutig kein Indiz dafür, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Aber der Herr Bundesminister wird das sicher ganz anders sehen.
Folgt man dem Bericht, dann wird einem dort erklärt, dass der Auslöser für die Einkommenseinbußen insbesondere die angespannte Lage auf den wichtigen Absatzmärkten ist und war. Diese hat zu niedrigen Preisen geführt, vor allem im Getreide-, Öl-, Hackfrüchte-Bereich und auch bei Tafeläpfeln, eigentlich überall. Bei Äpfeln fällt mir in Bezug darauf die Steiermark ein, die ja als Region in Österreich viele Obstbauern hat und einer der größten Äpfel-Lieferanten ist und immer noch mit den Konsequenzen einer völlig sinnentleerten Sanktion gegen Russland kämpft, die Millionen gekostet hat und auch weiterhin kostet.
Der Export 2014 – die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache – minus 15,9 Prozent, und das bei 16,5 Prozent Preissenkung am Markt. Wenn jetzt dazukommt – so wie es auch dargestellt ist –, dass die Aufwendungen für das Personal, das Pachten und die Abschreibungen gestiegen sind, dann kann man sich auch als Nicht-Landwirt, aber als Wirtschaftstreibender vorstellen, dass das keine leichte Situation ist, mit der unsere Landwirte hier konfrontiert werden.
Zur Positivmeldung wegen der guten Milchpreisentwicklung: Na ja, das ist ein netter Placebo-Effekt. Aber wenn man sich den Preisindex anschaut – da ist so eine schöne Tabelle drinnen, an der man erkennt, wo überall die Preise, der Preisindex massiv gefallen sind –, dann sieht man als einzigen grünen Balken den Milchpreis, der mit 5,1 Prozent gestiegen ist. Hier Jubel aufkommen zu lassen?! Wenn ich sehe, dass bei Obstbau minus 11,4 Prozent steht, bei den Erdäpfeln minus 32,8 Prozent – hierbei denke ich ein bisschen an das Burgenland – und bei den Zuckerrüben auch minus 34 Prozent, dann sind das sehr gewaltige Veränderungen, die natürlich jeden Landwirt, der in dieser Qualitätsnische steckt, schwer unter Druck setzen werden.
Es gibt also nicht wirklich eine positive Entwicklung. Diese Rückschlüsse auf die Lage der heimischen Land- und Forstwirtschaft lassen auch die Ergebnisse der jüngsten Agrarstrukturerhebung zu. So gab es demnach 2013 in Österreich 166 317 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, das sind um 4 Prozent weniger als bei der letzten Agrarstrukturerhebung. Der Betriebsrückgang setzt sich weiterhin fort – so liest man hier –, hat sich aber verlangsamt. Da ist es wieder ein bisschen weniger schlecht, aber noch immer nicht wirklich gut. Eigentlich geht es bergab – als Fußnote –, seitdem wir in der EU sind. – Vorher war es noch schlechter! Ich weiß schon, damit wird dann argumentiert, vorher war es noch schlechter.
Da wir schon bei der EU und den Förderungen sind: Es gibt einen sehr interessanten Artikel, der im August dieses Jahres im „profil“ erschienen ist, mit dem Übertitel: Die Geier. Der Untertitel lautete:
„Das schmutzige Geschäft mit der Massentierhaltung. EU-Staaten finanzieren großzügig Tierfabriken in Drittstaaten. Die Produkte landen über Umwege auch auf unseren Tellern.“
Der Hintergrund ist, dass ganz offensichtlich die europäische Eiererzeugung und die Eierindustrie sehr stark im Umbruch sind, hier ist schon seit einigen Jahren ein anhaltender Prozess bemerkbar. Konsumenten legen immer mehr Wert auf biologische und regionale Lebensmittel. Das ist ja auch sehr gut. Sie sind kritisch, hinterfragen die Tierhaltungen und die Produktionsbedingungen, gleichzeitig hat die EU auch den Tierschutz und die Nutztierhaltung massiv verschärft. Der Druck, der hier von Bürgern und natürlich auch von Nichtregierungsorganisationen kommt, ist sehr groß. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die EU mit internationalen Finanzorganisationen Tierfabriken außerhalb der Grenzen der Union finanziert und subventioniert, und zwar mit öffentlichen Geldern in Millionenhöhe.
Dabei handelt es sich um Anlagen, die in der EU mit Sicherheit nicht betrieben werden dürften, die also weder irgendwelchen ehemaligen noch neuen Tierschutzbedingungen oder Tierschutzstandards entsprechen. Schlussendlich landen die Produkte wieder bei uns hier am Markt, und zwar zu konkurrenzlosen Preisen, und darum geht es ja.
Die Verlierer sind eindeutig die heimischen Landwirte, die aufgrund des Wettbewerbs geschwächt werden, und die Konsumenten, die auch nicht wissen, was sie jetzt tatsächlich essen und woher es kommt. Ich denke vor allem an das Eipulver. Millionen Nutztiere in Haltesystemen, wie ich schon gesagt habe, die also als tierschutzwidrig eingestuft werden können. Und das empfinden wir als sehr paradoxe Situation. Sie betrifft ja nicht nur Legehennenhalter, sondern auch Geflügelproduzenten und Schweinezüchter, an denen das Gleiche auszusetzen ist.
Am Beispiel Eier lässt es sich am besten
nachvollziehen. Auch hier ein Bezug zur Steiermark: Österreichs
einziger Eipulverproduzent, die Firma EiVita in Gnas, verwendet
ausschließlich heimische und gentechnikfrei erzeugte Eier. Sie
konkurrieren aber am Markt mit Käfigware aus der Ukraine, den USA, China
und Argentinien. Und wenn
man sich die Zahlen anschaut: Seit 2013 produziert EiVita im steirischen Gnas
jährlich 1 500 Tonnen Eipulver.
Das ist natürlich im Vergleich zu den Produzenten in China oder auch in der Ukraine eine verschwindend geringe Menge, aber trotzdem, die Herstellungskosten liegen in etwa bei 8 € pro Kilo, und die sind doppelt so hoch wie zum Beispiel die aus der Ukraine. Jetzt werden hohe Erwartungen in das neue Fördermodell der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik gesetzt, die GAP, wie es heißt, wo die Wege in einer nachhaltigen, umweltgerechten Landwirtschaft fortgesetzt werden, und der Sektor insgesamt innovativer, professioneller und wettbewerbsfähiger zu gestalten ist.
Das sind alles sehr schöne Schlagworte. Wir hoffen, dass dahinter auch Inhalte liegen. Es fehlt uns aufgrund der Vorkommnisse allerdings der Glaube daran.
Das neue Modell sieht Direktzahlungen, aber auch klassische Marktordnungsmaßnahmen wie öffentliche Subventionen und Exporterstattungen vor, um eben – wie es da steht – im Krisenfall und bei negativer Marktentwicklung stabilisierend auf die Preise zu wirken, wobei ich mir das vergleichsweise beim ukrainischen Beispiel nur sehr schwer vorstellen kann.
Langfristig geht – steht hier geschrieben – die Kommission von einer positiven Entwicklung der Milchbranche aus. –Na gut, das ist momentan der einzige Sektor, der einigermaßen funktioniert.
Geschätzte Damen und Herren, um die Ablehnung betreffend die immer weiter ausufernden, weiterreichenden und vor allem sich negativ fortsetzenden Entwicklungen und Zustände in der Landwirtschaft und auch die dargestellte Umsetzung der neuen GAP ab 2015 zum Ausdruck zu bringen, werden wir den vorliegenden Grünen Bericht 2015 genauso wie die unter dem TOP 9 noch zu beschließenden Maßnahmen so wie bisher schon ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
13.51
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich erteile es ihm.
13.51
Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der Grüne Bericht 2015 spiegelt sehr hautnah die gesellschaftspolitische Entwicklung unserer Wohlstandsgesellschaft mit Fakten und Zahlen wider.
Weiters ist es ein Fortschreiben wirtschaftspolitischer Entscheidungen in einer globalisierten Welt. Ohne Gewissen und Moral, letztlich jeder regionalen Entwicklung entgegenwirkend, gibt es hier einen freien Markt, der über den Preis geregelt wird. All das ist die Entwicklung, die wir hier erleben. Denken Sie nur an die aktuelle Diskussion zu TTIP, die immer wieder auch dieses Unverhältnis widerspiegelt!
Sinkende landwirtschaftliche Einkommen bereits mehrere Jahre in Folge lassen die Frage offen, wohin diese Entwicklung tatsächlich führt: Sind größere Einheiten mit Fremdkapitalbelastung und die stärkere Exportabhängigkeit die Auswirkungen und nicht zuletzt Antworten unserer Zeit?
Das Bild, das wir abgeben, zeigt aber auch eines: Höchste Kontrollstandards bei sinkenden Produktpreisen gefährden die flächendeckende Bewirtschaftung. Eine steigende Arbeitsbelastung führt oftmals zu einem betrieblichen Kollaps landwirtschaftlicher Familienbetriebe. Trotz alledem kämpfen wir gerade in unserer Region um den Erhalt dieser Kleinstruktur und dieser Familienbetriebe, um die Eigenversorgung zu erhalten und nicht zuletzt auch künftig gesunde, qualitätsvolle Lebensmittel zu produzieren.
153 515 Familienbetriebe – ich sage es auf die Zahl genau, weil es eine kleiner werdende Zahl ist – mit Generationenverantwortung sind der Garant einer zukunftsfähigen
und nicht zuletzt umweltsichernden Land- und Forstwirtschaft. Sie bewirtschaften knapp 60 Prozent unserer Böden. Unsere heimische Landwirtschaft produziert Güter im Wert von 6,9 Milliarden €, die Forstwirtschaft rund 1,6 Milliarden €. Das sichert Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich von drei bis vier Personen und damit nicht zuletzt auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Trotz alledem haben wir hier ein Minus von 1,7 Prozent in der Bruttowertschöpfung festzustellen. Diese Zahl ist deswegen interessant, weil es auch im Anschluss noch zu einer vergleichbaren Zahl kommt, die Entwicklungen darstellt, in denen wir uns derzeit befinden. Ein weiteres Sinken des Faktoreinkommens je Arbeitskraft real um 7,7 Prozent und beim Nettounternehmensgewinn real um 11,2 Prozent lässt uns im europäischen Ranking bereits an die fünftletzte Stelle rücken. Hinter Finnland, Belgien, Dänemark und Italien, die als einzige diese negative Entwicklung überbieten, steht Österreich. Wir müssen auf diese Entwicklung auch klare Antworten im Sinne einer aktiven agrarpolitischen Entscheidung und Unterstützung unserer Betriebe geben.
Die Zahlen und Fakten zeigen auch sehr klar, wie entbehrlich politische Kampfansagen, vor allem einer Arbeiterkammer, betreffend die Preissituation der Lebensmittel und das In-den-Raum-Stellen von Forderungen nach geringeren Preisen für Lebensmittel bei einer Produktion in Österreich, die höchste Standards beinhaltet und klar die Qualität unserer Produkte und unserer Produktion in der Landwirtschaft widerspiegelt, sind. Das haben unsere Bäuerinnen und Bauern nicht verdient. Ich darf auch an dieser Stelle sehr klar daran appellieren, diesen Wert, diese Leistung zu honorieren und die Produkte, die nicht austauschbar sind, da sie Qualität beinhalten, zu unterstützen.
Noch nie waren die Ausgaben für Lebensmittel in den Haushalten so niedrig. Alleine das letzte Roll-up der AMA Agrarmarketing zeigt, dass die monatlichen Ausgaben je Haushalt für frische Lebensmittel bei 400 € liegen und damit einen Tiefstand erreicht haben. Und wenn wir im Vergleich dazu 40 Jahre zurückblicken, erkennen wir, dass Lebensmittel vom Preis her den gleichen Preis hatten, aber 30 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachten. Wenn ich von hochqualitativen Lebensmitteln spreche, dann stellt sich trotz alledem die Frage: Wo liegt letztlich der Wert, wenn ein Drittel dieser Lebensmittel im Hausmüll landet?
Die Konzentration von Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen verstärkt diesen Trend enorm. 84 Prozent des heimischen Marktes werden von unseren drei größten Ketten bestimmt. Lockangebote und Dumpingpreise für Lebensmittel sind an der Tagesordnung und führen dabei zu einem überproportionalen Umsatzplus auf diesen Märkten, damit meine ich einen Umsatz von 18,8 Milliarden €; wenn Sie sich an die Zahl des Umsatzes der Land- und Forstwirtschaft erinnern, dann ist das immerhin mehr als das Doppelte dieser Gesamtumsätze. Daher appelliere ich auch an die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Unternehmen und Lebensmittel-Handelskonzerne, hier partnerschaftlich für eine heimische Produktion einzustehen.
Besonders klimatische Veränderungen haben unserer Landwirtschaft auch dramatisch zugesetzt. Auch hier gilt es, dem klar entgegenzuwirken. Das sind Maßnahmen, die vor allem innerbetrieblich zu setzen sind. Und doch, die Versorgungsleistung unserer Land- und Forstwirtschaft in Getreideeinheiten gemessen, ist seit dem Jahr 2000 um 6 Prozent gestiegen, und das bei einem kontinuierlichen Rückgang der Betriebe, vor allem in diesem gleichen Zeitraum, von immerhin 30 Prozent.
Das zeigt schon: Jeder dritte Betrieb hat die Produktion aufgegeben, und damit sei am Rande ebenso auch der enorme Flächenverbrauch, der hier mitspielt, erwähnt. Auch hier geht es um beste Ackerböden, die verloren gegangen sind. All das sind Entwicklungen, die letztlich auch mit Sorge zu betrachten sind.
Auf detaillierte Zahlen der einzelnen Produktionssparten möchte ich verzichten. Ich darf jedoch notwendige Entwicklungen darlegen. Die heimische Eiweißproduktion muss ge-
stärkt werden. Ein Projekt, das Donau Soja-Projekt in Niederösterreich, zeigt sehr klar, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Gentechnikfrei, kontrolliert und aus regionaler Produktion wird über einen Verein die Sojaproduktion auf neue Beine gestellt und damit auch die gesamte Wertschöpfungskette inkludiert. Mit 34 Tonnen Sojaproduktion ist jedoch auch diese Menge noch ausbaufähig und der Plafond nach oben weiterhin sehr offen.
Ebenso muss es eine Pflanzenölproduktion geben, die hier auch verstärkt im Biodieselsektor eingesetzt werden kann. Ich darf hier noch eine wesentliche Entwicklung aufzeigen, da sie einen Teil der derzeitigen Situation der agrarischen Entwicklung darstellt. Die Stellung der Frau ist eine bedeutende und vor allem eine tragende Rolle in der Landwirtschaft geworden.
Immerhin übernehmen rund 40 Prozent der Frauen die Betriebsleiterinnen-Funktion, wobei vor allem im östlichen Sektor – sprich Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg – ein erhöhter Anteil festzustellen ist, und im Westen ist noch klar ein eher geringerer Anteil zu erkennen.
Trotz alledem wissen wir, dass die Doppel- und Mehrfachbelastung der Frauen in dieser betriebsführenden Stellung sehr anspruchsvoll ist und immer wieder hohen Einsatz gerade von den Frauen abverlangt, sei es im sozialen, im wirtschaftlichen Bereich, aber auch im Zusammenhalt dieser Familien.
Abschließend noch ein Wort zu den Ausgleichszahlungen und deren Notwendigkeit. Die GAP-Reform sichert die Einkommen unserer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe weiterhin bis 2019. Die GAP-Reform – all das auf neue Füße gestellt, in einem Regionalmodell neu aufgestellt – ändert nichts an der Notwendigkeit, diese Gelder für Leistungen zu verwenden, die über den Produktpreis nicht erzielbar sind und auch nicht bezahlt werden, und die Leistungen, die heute seitens der Land- und Forstwirtschaft getragen werden, auch zu honorieren.
Von der produktiven Vielfalt, von den Veredelungsbetrieben über extensive Betriebsführung, bis hin zu Biobetrieben, Almenbewirtschaftung und -produktion und diversen neuen Produktsparten, bis hin zur Diversifizierung in der Landwirtschaft, Urlaub am Bauernhof: All das ist eine Produktpalette, die sich sehen lässt, eine Vielfalt, die es in den letzten Jahrzehnten – eigentlich erst durch diese Gelder und durch diese neuen Wege – ermöglicht hat, den bäuerlichen Betrieben neue Perspektiven zu geben. All das hat letztendlich auch bewirkt, dass wir im europäischen Schnitt trotz der Kleinstruktur immer noch im vorderen Feld liegen, wenn es darum geht, mit kleinsten Flächen Produktivität zu erzielen.
Nichtsdestotrotz kämpfen unsere Betriebe um ihr Einkommen, und daher ist es notwendig, diese Gelder auch zukünftig zu erhalten. Der Grüne Bericht hat es klar gezeigt: Die öffentlichen Gelder sind Teil des Einkommens, sie sind bis zu einem Drittel Bestandteil des Einkommens der Betriebe und damit auch überlebensnotwendig.
Lebensqualität: All das steht dabei im Mittelpunkt. Und eines muss uns immer bewusst sein: Wir alle nutzen den ländlichen Raum und erfreuen uns daran. In diesem Sinne werden wir diesem Grünen Bericht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)
14.02
Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.
14.03
Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Mög-
lichkeit, über den Grünen Bericht 2015 zu diskutieren, in welchem sehr viele Daten – leider auch negative Daten, aber auch einige positive Daten – enthalten sind. Beim Lesen des doch sehr umfangreichen Berichts fällt auf, dass sich auch die Struktur der Land- und Forstwirtschaft und die Bewirtschaftungsformen ständig verändern. Wir haben auch schon gehört: 2 400 Betriebe sind jährlich von der Schließung betroffen. In den vergangenen 20 Jahren sind circa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich verloren gegangen, die Betriebsinhaber haben diese Flächen entweder verpachtet oder leider auch verkauft.
Das Einkommen ist auch schon angesprochen worden: 5 Prozent Verlust des Einkommens. Der Großteil der Betriebe wird als Familienbetrieb geführt, wo die Frauen den großen Anteil haben, und gerade diejenigen sind, die einer Familienstruktur gerecht werden müssen. Sie müssen 77 Prozent der Kinderbetreuung übernehmen, sie pflegen auch die Angehörigen zuhause – da sind auch zu circa 80 Prozent Frauen damit betraut – und sie müssen auch arbeiten gehen – 23 Prozent der Bäuerinnen suchen am Arbeitsmarkt Arbeit –, damit der Betrieb, die Familie überleben können. Hier wäre es besonders wichtig, dass der Ausbau der sozialen Dienstleistungen für die Frauen eine spürbare Entlastung bringt.
Österreich hat in erster Linie in der Rinderhaltung beziehungsweise in der Milchproduktion eine führende Rolle, wir haben rund zwei Millionen Rinder in den 63 500 österreichischen Betrieben. Wir Österreicher essen auch sehr gerne Schweinefleisch, in den heimischen Betrieben werden 2,9 Millionen Schweine gehalten und Fleisch produziert.
Gerade dieser enorme Preisdruck in den Produktionsbereichen Schweinefleisch und Milch – wenn man bedenkt: für ein Kilo Schweinefleisch bekommt man 1,26 € und für einen Liter Milch 0,31 € – macht es den landwirtschaftlichen Betrieben eigentlich immer schwerer, überleben zu können. Aber wo kommen diese Spannen hin? – Wenn man schaut: Für einen Liter Milch bekommt der Bauer 0,31 €, wenn man die Milch im Geschäft kauft, kostet sie 1,20 €. – Der Zwischenhandel verdient dabei eigentlich den größeren Betrag.
Wie können sich die Bauern das Überleben eventuell noch weiter sichern? Entweder sie bauen die Produktionsstätten aus, sodass sie größer werden, oder sie haben in den einzelnen Bereichen einen Nebenerwerb. Der Bauer ist auch Landschaftspfleger und daher ist es auch möglich, dass er vielleicht aus den Produkten einer Nebenerwerbsmöglichkeit finanzielle Mittel flüssig macht.
Ich möchte hier die Direktvermarktung ansprechen, ein großer Bereich, der von den einzelnen bäuerlichen Betrieben angedacht ist – natürlich gibt es jetzt die Sorge wegen der Registrierkasse –, und in Tourismusgebieten kann sich der Bauer mit Urlaub am Bauernhof Kleingeld dazuverdienen.
Einige Betriebe haben auch auf Ziegen- und Schafproduktion umgestellt. Ich kann mich erinnern: Bei uns haben jetzt auch Betriebe die Rinderhaltung aufgegeben und sich auf die Ziegen- und Schafhaltung spezialisiert, weil man mit diesen Produkten einfach einen höheren Wert erzielen kann, und das ein Bereich ist, in dem der Betrieb leichter überleben kann.
Die Meldung der WHO, dass eben der Konsum von Wurst- und Fleischwaren das Krebsrisiko deutlich ansteigen lässt, hat auch zu heftigen Diskussionen und Protesten geführt. Einmal mehr war wieder die Landwirtschaft der Bereich, dem dieses Thema angelastet wurde; was bleibt, das ist natürlich der Imageschaden dieser Betriebe, die ohnehin schon mit schwierigen Marktverhältnissen zu kämpfen haben. Studien belegen auch, dass eine ausgewogene Ernährung – in allen Bereichen mit Maß und Ziel genossen – keine gesundheitlichen Auswirkungen für den Menschen hat.
Eine Grundvoraussetzung zur Produktion von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln tierischer Herkunft ist natürlich die Erhaltung und Förderung des Tierbestandes. Dazu
gehören wichtige Kontrollen – wir in Österreich haben Gott sei Dank große Kontrollen – und die Überwachung der Tiergesundheit und die Bekämpfung von Seuchen.
Ein weiterer und sehr wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang auch der Tierschutz. Nur artgerecht und stressfrei gehaltene Tiere werden uns qualitativ hochwertige Lebensmittel liefern können. Jede Art der Tierquälerei ist zu verhindern und strengstens zu bestrafen. Wir haben auch schon gehört, dass es im Ausland – in China, in der Ukraine – große Produktionsstätten gibt, wo Millionen Tiere gehalten werden, und das mit Förderungen der EU sozusagen auch unterstützt wird. Vielleicht kann man auch das eine oder andere andenken, dass diese Betriebe vielleicht keine Förderungen zu Lasten der Tiere erhalten.
In Österreich sind circa 4 Millionen Hektar Fläche bewaldet, auch Niederösterreich ist mit 48 Prozent Waldfläche ein Land, in dem die Waldwirtschaft eine Rolle spielt, sowohl ökonomisch als auch ökologisch einen Stellenwert hat. In meiner Nachbargemeinde ist zum Beispiel 95 Prozent der Fläche bewaldet: der große Weinsberger Wald des Habsburg-Lothringen’schen Gutes, wo auch jährlich ein großer Einschlag gemacht wird.
Der Wald hat ja bekanntlich sehr viele Funktionen – Schutzfunktion, Klimaschutzfunktion, Erholungsraum –, und nur ein gesunder Waldbestand kann diesen Aufgaben auch gerecht werden. Der Wald ist aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, und so haben wir im Jahr 2014 einen Holzeinschlag von 17,09 Millionen Erntefestmeter erlangt, dies war um 1,7 Prozent weniger als im Jahr 2013. Der Großteil dieses Einschlages geht in die Sägeindustrie, wo 950 Betriebe 10 000 Arbeitnehmer beschäftigen, und da am Arbeitsmarkt jeder Arbeitsplatz wichtig ist, muss man das auch bedenken. Durch die Erzeugung von Hackgut – mit 14,4 Prozent – nähert sich auch Österreich einen weiteren Schritt zu einer energieautarken Region.
Der Handel mit Holz und Holzprodukten ist sehr wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich, wo auch die Energiegewinnung, wie gesagt, Verwendung findet und notwendig ist. Die extremen Wetterverhältnisse im heurigen Jahr und der lange trockene Sommer schädigten die heimischen Wälder massiv. Es gab einen massiven Borkenkäferbefall, das Ausmaß der Schäden wird auf circa 1,6 Millionen Festmeter geschätzt, das sind ungefähr 10 Prozent des jährlichen Einschlages, und es ergibt sich daraus eine Schadenssumme von circa 35 Millionen €.
Der Herr Minister hat ja schon am 30. Oktober ein Maßnahmenpaket geschnürt, um der Ausbreitung des Borkenkäfers entgegenzuwirken.
Die Zukunft in der Land- und Forstwirtschaft hängt auch von unterschiedlichsten Faktoren ab. Es ist besonders wichtig, dass wir uns auf nationaler und europäischer Ebene zur Reform einer Gemeinsamen Agrarpolitik bekennen. Die Reform des bisher erfolgreichen Weges der GAP muss weitergeführt und auch weiterentwickelt werden.
Um die Übergabe von landwirtschaftlichen Betrieben an die jüngere Generation attraktiver zu gestalten, besteht seit heurigem Jahr gerade für die JunglandwirtInnen eine zusätzliche Top-up-Zahlung, welche 25 Prozent des durchschnittlichen nationalen Prämienbetrages je beihilfefähigem Hektar ausmacht. Vielleicht ist auch das ein Anreiz dafür, dass junge Leute den Betrieb weiterführen möchten.
Weitere wichtige Maßnahmen sind Investitionen in Bildung und Innovation. Bildung ist einfach eine Grundvoraussetzung, um in allen Bereichen des Lebens weiterzukommen. Nur gut ausgebildete BetriebsführerInnen haben einen Vorteil, sowohl die Basis für innovative Impulse zu setzen als auch der Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Die Stärkung der Regionen in den einzelnen LEADER-Regionen ist auch in Österreich Garant für eine sektorenübergreifende Regionalentwicklung. Meine sehr geehrten Da-
men und Herren! Die derzeit angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten braucht eine gezielte Unterstützung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik.
Nur so wird es möglich sein, Marktschwankungen und Exportausfällen entgegenzuwirken und der Landwirtschaft auch in Zukunft das Überleben zu sichern. – Unsere Fraktion nimmt den Bericht zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
14.12
Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.
14.12
Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Dieser Bericht – es hat sich noch niemand dafür bedankt – ist sehr umfangreich, wieder sehr klar gegliedert (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP) – ja, Grüner Bericht, extra deshalb grün gekleidet! –, er enthält wirklich unglaublich viel Zahlenmaterial. Ich werde das jetzt nicht wieder referieren oder wiederholen oder versuchen, zusammenzufassen.
Der Bericht ist auch schön bis hin zu idyllisch gemacht, was das Titelbild betrifft, aber idyllisch trifft eben nur auf das Titelbild zu. Ich möchte auf eines näher eingehen, und das ist die Einkommenssituation in der Landwirtschaft, die entwickelt sich seit Jahren rückläufig.
5 Prozent Rückgang des Durchschnittseinkommens im Berichtsjahr bei einem Durchschnittseinkommen von 23 370 € im Jahr – wenn das einer anderen Berufsgruppe passiert! Welche andere Berufsgruppe würde das einfach wegstecken? Einfach wegstecken tut es diese Gruppe auch nicht. Im Berichtsjahr haben immerhin 2 400 Landwirte – so wie im Durschnitt der vergangenen Jahre – ihren Betrieb aufgegeben. Das sind mehr als sechs Betriebe jeden Tag, Samstag, Sonntag, Feiertag inklusive.
Das heißt, seit dem EU-Beitritt sind 72 782 Betriebe verloren gegangen. Wir haben heute um 30 Prozent weniger Betriebe. Die bewirtschafteten Flächen nahmen nicht so dramatisch ab, das heißt, ein Teil dieser Aufgaben fließt in die Vergrößerung vorhandener Betriebe, nach dem Motto: Wachse oder weiche!
Aber immerhin gingen seit 2008 – also nicht seit dem EU-Beitritt, sondern nur seit 2008 – fast 200 000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche verloren, in sechs Jahren ging eine Fläche verloren, die mehr als viermal so groß wie Wien ist.
Was heißt das für die Nutzung der verbleibenden Flächen? Ist es notwendig für eine gewisse Selbstversorgung immer weiter zu intensivieren, wird immer weiter intensiviert? Was heißt das aber für unser Bestreben nach größerer Diversität, nach extensiver Nutzung, nach nachhaltiger Nutzung, wozu auch mehr Fläche notwendig ist, und so weiter?
Aber noch einmal zurück zur Einkommenssituation: Die 23 700 € enthalten im Schnitt – so wie ich es den Statistiken entnehme – auch 17 000 € öffentliche Gelder. Zieht man das ab, so erwirtschaftet der durchschnittliche landwirtschaftliche Betrieb etwas über 6 000 € im Jahr, also 500 € im Monat. Und ziehen wir von dem noch die Einkommensteuer und die Sozialversicherung ab – auch davon gibt es im Bericht Durchschnittswerte –, so bleiben 3 648 € übrig, also ein durchschnittliches Nettoeinkommen ohne öffentliche Förderungen et cetera von 2 716 € im Jahr, das sind 226 € monatlich, zwölfmal im Jahr. – Ich finde das erschütternd!
Ich weiß, das sind nur Durchschnittswerte. Wir haben 55 Prozent Nebenerwerbsbetriebe, und Vollerwerbsbetriebe erwirtschaften doppelt so hohe Erlöse, wobei wir da ja noch immer bei einer niedrigen Zahl sind. Ein Fünftel dieser Nebenerwerbsbetriebe – und
das finde ich eine tolle Wortschöpfung – hat negative Einkünfte. – Ein Fünftel der Nebenerwerbsbetriebe hat negative Einkünfte!
Natürlich kann man da jetzt entgegenhalten, so könne man das nicht sehen und nicht interpretieren. Ich halte da dagegen: Wenn der Irrsinn flächendeckend ist, wird er zur Vernunft, offensichtlich. – Und das sind die Zahlen des Berichtes.
Herr Minister, Sie haben angesichts dessen auch gemeint, es werde deutlich, dass gezielte Unterstützung wirksam und notwendig wäre. Ich frage mich, wo man da das Ziel festsetzt, bei dieser Notwendigkeit einer derartig flächendeckenden Unterstützung der Einkommenssituation der Landwirte.
Es wird also so weitergehen, dass die Preise für die Lebensmittel weiter sinken werden, dass sie in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Produktionskosten stehen. Und wir müssen uns ja auch vor Augen führen, wem das nützt. Das nützt vor allem großen Lebensmittelkonzernen wie Nestlé, Unilever, Danone, die dann auch noch im internationalen Wettbewerb mit den billigen Rohstoffpreisen die Landwirtschaft in Entwicklungsländern und so weiter mitruinieren, da selbst dort zu solchen Preisen nicht produziert werden kann – selbst wenn es jetzt, Gott sei Dank, ja Exportstützungen und so weiter in diesem Ausmaß gar nicht mehr gibt.
Wir sind also nach wie vor in einer Sackgasse für die bäuerliche Landwirtschaft. Wir sind in einem flächendeckenden Irrsinn, der in diesem Bericht sehr penibel dokumentiert ist.
Mir ist völlig klar, dass es uns nicht gelingen wird, diesen Kurs, diesen internationalen Kurs zu verändern. Aber trotzdem bin ich auch überzeugt, dass bei uns auch noch Besseres passieren könnte, zum Beispiel eine verstärkte Förderung von Kleinbetrieben bis 30 Hektar, also vom Familienbetrieb, auch deshalb, weil in dem Bericht eine interessante Untersuchung über 50-plus-Betriebe drinnen ist – 50-plus bezieht sich nicht auf das Alter, sondern auf Milchbetriebe mit mehr als 50 Stück Vieh. Es ist angegeben, dass dort zwar das Einkommen gewachsen ist, aber auch das Risiko, die Arbeitsbelastung und auch die psychische Belastung der Betriebsinhaber stark gestiegen sind. Wachsen kann also nicht die alleinige Alternative sein oder nur in sehr beschränktem Ausmaß eine Alternative sein.
Und natürlich: Was ich nicht müde werde, auch in Zukunft einzufordern, ist eine wirklich wirksame und ambitionierte Zukunftsstrategie für den Biolandbau. Der Stopp 2009 war fatal, es ist ja zu einer Abnahme der Betriebe gekommen. Auch jetzt wieder kann man nur noch bis Jahresende einsteigen, das heißt also, dann ist wieder für fünf Jahre Schluss.
Unserer Meinung nach ist der Bio-Aktionsplan wirklich völlig unambitioniert. Wenn man sich die ÖPUL-Zahlen anschaut und wer da schon im ÖPUL ist, dann könnte man wirklich sehr viel ambitionierter in diesem Bereich vorgehen, denn eines zeigt ja der Bericht auch: Die Einkommenssituation der Biobauern ist wesentlich besser. Es würden dadurch – und da appelliere ich wirklich an den Umweltminister und nicht nur an den Agrarminister in Ihnen – die Böden erhalten werden.
Es ist also ein Programm für die Erhaltung der Böden, für die Bewahrung der Böden. Es ist ein Programm für den Tierschutz, weil die Haltungsbedingungen hier in Ordnung sind. Es ist ein Programm für die Konsumenten, weil da die Transparenz gewährleistet ist, und so weiter und so fort. Es ist die beste Strategie für sauberes Wasser. Es ist eine fantastische Strategie zur Pestizidreduktion, wo wir ja auch nicht wirklich vom Fleck kommen. Das heißt, auch alles im vorliegenden Bericht und an den Zahlen im vorliegenden Bericht spräche dafür, dass hier wirklich ambitioniert und konsequent vorgegangen werden sollte.
Ich halte die Argumentation, dass man sich dann mit einem Überangebot von Bio-Nahrungsmitteln auf dem Markt die Preise ruiniert und dass damit sozusagen die Einkommenssituation der Bauern wieder schlechter wird, schlicht und einfach für zu kurz gegriffen. Wenn man sich noch dazu vorstellt, welche anderen positiven Effekte in der Umwelt, in der Tierhaltung, im Boden und so weiter wir haben, dann ist das, denke ich, eine viel zu defensive Strategie und ein sehr defensives Argument.
Wir werden also fortfahren, das auch einzufordern, und wir hoffen, dass sich da der Schub wirklich noch um vieles vergrößert und verstärkt. Ich halte selbst die Zahlen von Salzburg mit 50 Prozent für eine Untergrenze, ich glaube also, da ist sehr viel mehr möglich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das wäre eben zumindest eine Bewahrung unserer Strukturen, also der bäuerlichen Landwirtschaft, und auch der Böden für eine Zukunft, die einmal eine andere werden muss, denn, wie gesagt, den derzeitigen Weg halte ich nach wie vor für eine Sackgasse.
Wir werden aber dem Bericht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
14.22
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.
14.23
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles kann ich unterstreichen, was Frau Kollegin Reiter gesagt hat. Besonders eines möchte ich auch aufzeigen: Landwirtschaft ist Wirtschaft auf dem Lande! Unsere 166 000 Betriebe sichern zirka 80 000 bis 100 000 Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich. Darunter sind 2 130 Tierärzte, 12 000 Mitarbeiter in den Lagerhäusern, Beschäftigte in den entsprechenden landwirtschaftlichen Gerätebetrieben sowie 18 000 Beschäftigte in der Fleischindustrie und 4 500 Beschäftigte in der Molkereiwirtschaft. Man sieht, die Landwirtschaft ist auch außerlandwirtschaftlich ein Arbeitgeber.
Wir wissen, dass die Landwirtschaft mit ihren Investitionen einer der größten Investoren in Österreich ist. Wenn unsere Großfirmen, die Voest oder andere Firmen, Investitionen tätigen, dann steht das groß in den Medien. Dass die Landwirtschaft jährlich 400 bis 500 Millionen € investiert, steht nirgendwo. Auch das sind Investitionen, die Arbeitsplätze im ländlichen Raum schaffen.
Es ist uns in der Landwirtschaft sicherlich bewusst, dass wir daran interessiert sind, entsprechende qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen. Das Thema Bio – das haben Sie ja gerade gesagt – ist ein Thema, das sich in den letzten Jahren auch einkommenswirksam sehr positiv entwickelt hat. Aber wir wissen bei diesem Thema auch: Überall ist es nicht möglich, Bioproduktion zu betreiben.
Das gilt besonders im Getreidebau, wo dies manchmal überhaupt nicht möglich ist. Da muss man die Pflanzen genauso schützen, wie Sie, wenn Sie Kinder haben, diese schützen müssen. Kinder werden krank, man muss zum Arzt gehen, und sie brauchen eine Behandlung. Auch Getreide braucht dementsprechend eine Behandlung, wenn es an Krankheiten leidet. Das können Pilzkrankheiten sein. Somit muss man schauen, dass auch wieder ein gesundes Mehl für die Brotproduktion zur Verfügung steht. Es geht auch um gesunde Futtermittel für unsere Tiere.
Ein weiterer Punkt, der immer mehr im Fokus der Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch der Landwirtschaft steht, ist die Versorgungssicherheit. Wir haben die Versorgungssicherheit nur noch im Rind- und Schweinefleischbereich und teilweise im Milchbereich. Aber nicht einmal mehr im Käsebereich sind wir Eigenversorger in Österreich. Das wird sicherlich eine Herausforderung sein.
Wir dürfen nicht so argumentieren, wie es die Amerikaner vor zirka 15 Jahren gemacht haben. Sie haben gesagt, für fünf Milliarden Menschen kann die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln garantiert werden; alles, was darüber ist, wird in Krieg und Unfrieden ausarten. Ich glaube, die Welt könnte zwölf Milliarden ertragen. Aber die Produktion der Lebensmittel ist nur auf wenige Länder beschränkt. Wir wissen, der Sudan könnte genauso eine Produktion entwickeln, wie sie teilweise in Brasilien möglich ist, und der Sudan könnte ganz Afrika ernähren. Nur wird dies leider nicht zugelassen. Diese Faktoren sind sicher, wie auch Sie vorhin gesagt haben, der Grund dafür, dass diese Produktionsstätten sich nicht so entwickeln können.
Zum Thema Biolandbau: Es hat eine Ministerin in Deutschland gegeben – ich glaube, sie hat Künast geheißen –, die ich in Bayern gehört habe. Sie hat in Bayern genau das gesagt, was auch Sie gesagt haben, Frau Kollegin Reiter: Wir müssen die kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten. Sie hat in Mecklenburg-Vorpommern gesagt, wir müssen den Ausbau der Landwirtschaft in diesem Bereich fördern. Sie hat uns beide Male das Wort aus dem Mund genommen.
Wir sind dabei auch als Bauernbund und in der ÖVP auf dem richtigen Weg unterwegs. Wir haben in der Landwirtschaft die kleinste oder eine der kleinsten Strukturen in ganz Europa. Das ist wirklich ein politischer Wille gewesen, der mit dem EU-Beitritt auch dementsprechend gelebt und erlebt wurde. Das ist ein wichtiger Punkt.
Aber auch der Bauer ist Unternehmer, und wenn ich mir das anschaue, dann sage ich: Nur in die Flächen zu investieren und Pachtgründe zu schaffen, ist vielleicht auch nicht ganz der richtige Weg. Wir haben viele Möglichkeiten. Wir haben die Direktvermarktung, wir haben Urlaub am Bauernhof. Wir werden neue Wege mit dem Green Care erschließen, wo die Landwirtschaft auch im Bereich sozialer Dienstleistungen einsteigen kann. Es stehen sehr viele Möglichkeiten offen. Ich bin nicht der Anschauung, dass die Landwirtschaft irgendwo vor einem Abgrund steht, sondern jetzt ist ein Zeitpunkt, wo wir in eine Richtung starten können, wo die Landwirtschaft Zukunft hat, weil einfach die Lebensmittelsicherheit von den Konsumentinnen und Konsumenten eingefordert wird und wir auch dementsprechend die Ausbildung haben.
Da komme ich zum Herrn Minister. Es wird auch wichtig sein, dass wir in Zukunft zusätzliche Fachhochschulen in Österreich einrichten, damit der Bildungsgrad auch in der Landwirtschaft weiter verstärkt wird und die Landwirte der Zukunft keine Ängste durchstehen müssen. Aber wichtig ist auch unsere Landjugend. Es steht im Bericht auch drin: Unsere Landjugend trägt jährlich dazu bei, dass dementsprechend die Konsumentinnen und Konsumenten flächendeckend informiert werden, wie positiv Landwirtschaft ist oder wie Landwirtschaft funktioniert.
Zum Thema Wasser: Wir haben eigentlich in den letzten Jahren eine zunehmend positive Entwicklungstendenz beim Grundwasser erleben können. Besonders wichtig ist auch das Thema Investitionen, wo es um die Inanspruchnahme von Flächen der Landwirte durch Dritte geht, zum Beispiel beim Gasleitungsbau oder bei Stromleitungen, wo nicht der Landwirt verantwortlich sein soll, dass diese Beanspruchungen dann bei den öffentlichen Geldern abgezogen werden, sondern dass diese Firmen in die Verantwortung genommen werden, wenn sie Lagerplätze schaffen, und nicht der Landwirt derjenige ist, der hier Mittel verliert.
Ein Thema ist natürlich auch die Pensionsversicherung. Die Sozialversicherung der Bauern ist eine der Sozialversicherungen, die die geringsten Pensionen auszahlen. Wir haben in unserem Bereich die meisten Ausgleichszulagenbezieher. Auch hier: Danke schön der öffentlichen Hand, die immer wieder die Unterstützung gibt, und auch Ihnen, Herr Bundesminister, weil Sie immer dahinterstehen, dass wir auch dementsprechend die Mittel aus den öffentlichen Bereichen abholen!
Das Thema LEADER haben Sie auch schon angeschnitten. Im Bereich LEADER hat die Landwirtschaft sich geöffnet für viele andere Bereiche, wo der ländliche Raum aufblühen sollte. Es sind Gelder, die aus der zweiten Säule oder aus der ersten Säule in eine vierte Säule verfrachtet worden sind. Hier können öffentliche Körperschaften genauso zugreifen wie der Sozialbereich, wie die Wirtschaft. Ich selber bin jetzt Obmann einer LEADER-Region und sehe, wie sorgsam mit den Geldern umgegangen wird, auch über alle politischen Couleurs hinweg. Wir sind bestrebt, im ländlichen Raum finanzielle Anreize schaffen, um den ländlichen Raum weiterzuentwickeln. Es ist ein ganz vernünftiger Weg, der da eingeschlagen wurde.
Das Thema Hektarbegrenzung finde ich für Österreich nicht unbedingt sinnvoll; es ist hier sicherlich unterschiedlich, ob Berggebiet oder ländlicher Raum. Der stetige Wandel in der Landwirtschaft zeigt, dass die Landwirtschaft sich immer weiterentwickelt in der Technik und somit auch auf Flächen im Berggebiet. Wo in der Heuernte früher 2 Hektar bewirtschaftet worden sind, sind heute 20 und 30 Hektar zu bewirtschaften, weil sich die Technik auch im Berggebiet so entwickelt hat. Dadurch kann man hier nicht eine Flächenbegrenzung analysieren oder anstreben, sondern man muss die Landwirtschaft sich auch entwickeln lassen.
Ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums wirklich dankbar. Es ist ein sehr umfangreicher Bericht; er gibt auch Aufschluss über die entsprechenden Arbeitsfaktoren in der Landwirtschaft.
Ich bedanke mich recht herzlich, und wir stimmen dem Bericht natürlich gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
14.31
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Schennach: Jetzt wird aufgemischt!)
14.31
Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätztes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs darf ich mich auch bei allen bedanken, welche zur Herstellung dieses umfangreichen Berichtes beigetragen haben. Ich möchte mich aber ganz besonders bei den 166 317 Betrieben in der Land- und Forstwirtschaft in Österreich mit ihren rund 139 100 Beschäftigten bedanken – dabei sind auch sehr viele Nebenerwerbsbäuerinnen und -bauern –: Recht herzlichen Dank für euren Beitrag zur Lebensmittelversorgung, für die Landschaftspflege und für die Bodenständigkeit im ländlichen Raum!
Ohne diese angesprochene Verbundenheit mit Grund und Boden wäre die Abwanderung aus den ländlichen Gebieten in den urbanen Raum wesentlich dynamischer. Vor zirka 30 Jahren lebten noch 60 Prozent der österreichischen und auch der europäischen Bevölkerung im ländlichen Raum. Heute, oder im Jahre 2030, rechnet man damit, dass nur noch in etwa 40 Prozent oder knapp 4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher nicht in den Städten beziehungsweise im ländlichen Raum wohnen werden, sodass sich das innerhalb von ungefähr drei Jahrzehnten komplett verdreht: von 40 Prozent im städtischen Bereich dann auf 60 Prozent im städtischen Raum durch Abwanderung. Die Abwanderung in die Städte hängt natürlich nicht nur, aber auch mit der seit vielen Jahren stattfindenden Schließung von landwirtschaftlichen Betrieben zusammen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Die bessere Ausbildung, bessere Kultur- und Bildungsangebote, günstigere und bessere öffentliche Verkehrsmittel seien genannt. Was die Betriebsschließungen betrifft, sind auch die derzeitigen Kontrollsysteme für das Erlangen von Förderungen, diverse Auflagen bei der Produktion und Ernte, der große Zeitaufwand für Schulungen und für Informationsveranstaltungen und die hohen Investitionskosten gerade bei Klein- und
Kleinstbetrieben ein Hauptgrund zur Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Besonders Kleinbetriebe unter 10 Hektar sind nicht mehr bereit, so viel Freizeit in Verwaltungsaufgaben, Kontrollen und Vermarktung und zusätzlich einen Teil des Berufseinkommens in den Ankauf von Geräten zu investieren.
Der Grüne Bericht bestätigt es seit Jahren: Die großen Ackerbetriebe werden größer, von den kleinen Betrieben sperren täglich sechs zu. Die Fördersysteme bevorzugen die großen Unternehmen. Auflagen im Hygiene-, im Verwaltungs- und Vermarktungsbereich treffen jedoch die kleinen Unternehmen im Verhältnis zu ihrem Umsatz wesentlich stärker. Das Einkommen der Nebenerwerbsbauern mit 4 752 € und das der Marktfruchtbauern mit 81 023 € klaffen zu weit auseinander. Ebenso ist der Unterschied betreffend das Einkommen zwischen den Bergbauern in den Zonen 3 und 4 und den Bauern im Flachland zu groß.
Die Förderungen wurden im Berichtsjahr um 1 Prozent gesenkt. Auch hier gibt es in der Verteilung der öffentlichen Gelder einige Gründe zu hinterfragen, wenn die Förderungen bei einem Kleinbetrieb pro Kopf 11 026 €, in mittleren Betrieben 13 992 €, in großen Betrieben 17 783 € und in den Getreidebetrieben 47 662 € betragen. Bergbauernbetriebe erhalten übrigens durchschnittlich 12 903 € pro Kopf und Jahr.
Geschätzter Herr Bundesminister, ich bin froh darüber, dass in Ihrer Amtszeit die Verteilung der Fördermittel bis 2020 neu aufgestellt wird. In der neuen Förderperiode bis 2020 werden die Fördergelder von 692,3 Millionen € in der ersten Säule und die 1 100 Millionen € in der zweiten Säule neu verteilt. Ich bin davon überzeugt, dass es dadurch zu einer gerechteren Verteilung der Förderung und damit zu einer gerechteren Abgeltung der für die Öffentlichkeit erbrachten Leistungen kommt.
Positiv sehe ich die Umstellung auf das Regionalmodell, das leider erst 2019 vollkommen greifen wird. Ebenso freut es mich, dass es bei den Almen klarere Regelungen geben soll und die unrühmlichen Diskussionen über die Almfutterflächen der Vergangenheit angehören sollten.
Erwähnen möchte ich auch die Förderung für die Betriebsübernahme durch die Bauern unter 40 Jahren, die Investitionsförderungen. Nachdem laut Bericht die Investitionen im Berichtszeitraum um mehr als 70 Prozent zurückgegangen sind, ist das sicher auch eine interessante Maßnahme im Sinne unserer Wirtschaft.
Lobenswert ist auch die Maßnahme, dass die Förderungen nach Abzug der ausbezahlten Löhne mit 150 000 € pro Betrieb gedeckelt wurden. Das ist aus Sicht der Sozialdemokratie noch immer viel zu hoch, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich nehme an, dass dieses Fördersystem auch dazu beiträgt, dass Großbetriebe in der Landwirtschaft die kleinen Betriebe konkurrenzieren und auch nicht konkurrenzfähig halten.
Wünschenswert ist auch die Umsetzung der acht Empfehlungen der §-7-Kommission, welche im Bericht angeführt sind.
Wir nehmen diesen vorgelegten Bericht gerne zur Kenntnis und danken allen Mitwirkenden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
14.37
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter.
Zwischenzeitlich darf ich Frau Bundesminister Heinisch-Hosek herzlich begrüßen. Sie wird auch wegen einer kurzfristigen Verzögerung von Herrn Bundesminister Stöger im Budgetausschuss diesen beim nächsten Tagesordnungspunkt vertreten. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
Bitte, Herr Bundesminister.
14.38
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin! Hohes Haus! Der vorliegende Grüne Bericht 2015, der ja über die Einkommenssituation der österreichischen Landwirtschaft im Kalenderjahr 2014 berichtet, ist der 56. Bericht seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes. Der Grüne Bericht gibt wiederum einen wirklich exzellenten Überblick über die wirtschaftliche und soziale Situation der bäuerlichen Familien in Österreich. Der Bericht ist eine ausgezeichnete Daten- und Faktengrundlage für die Entscheidungsträger in der österreichischen Agrarpolitik.
An dieser Stelle auch von meiner Seite herzlichen Dank den Bäuerinnen und Bauern, die ihre Einkommensergebnisse für den Grünen Bericht zur Verfügung gestellt haben. 2 200 freiwillig buchführende Betriebe bieten damit zur Analyse und zum Aufschluss über die Einkommenssituation eine ausgezeichnete Grundlage.
Wenn jetzt – ich möchte das schon ansprechen – in verschiedenen Debattenbeiträgen darauf hingewiesen wurde, dass wir in den letzten 20 Jahren eine Abwanderung von 30 Prozent in Summe hatten, so ist das richtig; das spiegelt ja auch der Grüne Bericht wider. Ich möchte aber schon darauf hinweisen: Das entspricht einer Abwanderungsrate von 1,5 Prozent pro Jahr, und das ist eine ausgesprochen moderate Strukturbereinigung, die wir hier haben.
In den Jahren vor dem EU-Beitritt hatten wir durchwegs Abwanderungsraten zwischen 3 und 5 Prozent. Es haben also tatsächlich der Beitritt zur Europäischen Union, die Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, der gemeinsamen Marktorganisationen, aber eben noch viel mehr der ländlichen Entwicklungspolitik wirklich zur Stabilisierung der bäuerlichen Struktur in Österreich beigetragen.
Im Jahr 2014 sind – das ist bedauerlich – die Einkommensergebnisse durchwegs negativ und sehr differenziert ausgefallen. Beim Durchschnitt der Einkünfte aller Betriebe von 23 370 € gibt es tatsächlich ein Minus zum Vorjahr von 5 Prozent zu verzeichnen.
Für die Gruppe der Bergbauernbetriebe – dies sehe ich sehr positiv – gab es ein Einkommensplus von knapp mehr als 3 Prozent zu vermelden. Die positive Einkommensentwicklung in diesem Bereich ist vor allem auf die durchwegs guten Preise im Milchsektor im Jahr 2014, die gestiegenen Erzeugerpreise und die niedrigeren Aufwendungen für Futtermittel zurückzuführen. Aktuell ist die Preissituation gerade im Bereich des Milchsektors leider sehr schlecht, weshalb wir nicht annehmen können, dass sich diese positive Tendenz der bergbäuerlichen Einkommensentwicklung auch in diesem Jahr wiederholen wird.
Das Einkommen je Arbeitskraft ist insgesamt um 5 Prozent gesunken und lag mit knapp 19 000 € immer noch erheblich unter dem Einkommensdurchschnitt der Arbeitnehmer in Österreich. 2014 ist schon das dritte Jahr mit einer negativen Einkommensentwicklung, und die aktuellen Preisentwicklungen geben uns, wie schon gesagt, nicht wirklich viel Grund zur Hoffnung, dass sich dieser Trend 2015 umkehren könnte.
Hervorzuheben ist aber, dass Betriebe, die ihr Einkommen überwiegend aus der Landwirtschaft erwirtschafteten, dieses gegenüber 2013 um durchschnittlich 2 Prozent steigern konnten. Dagegen mussten Betriebe mit überwiegend außerlandwirtschaftlichem Einkommen ein deutliches Einkommensminus hinnehmen. Das spiegelt einerseits die Situation auf dem Arbeitsmarkt wider, vor allem für die vielen Nebenerwerbsbauern, und andererseits die rapid ansteigende Professionalisierung unserer Bäuerinnen und Bauern und der vor allem auch jungen Betriebsführer, die sehr innovativ in die Modernisierung ihrer Betriebe investieren und sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten.
Nach den Betriebsformen erwirtschafteten die Futterbaubetriebe – überwiegend milchbetonte Betriebe –, insbesondere wegen der guten Milchpreise im Jahr 2014, im Vorjahr
ein Einkommensplus von 5 Prozent. Alle anderen Betriebsformen mussten zum Teil empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Grund waren vor allem die gesunkenen Preise für Schweine, Zuckerrüben, Tafeläpfel und witterungsbedingt eine sehr schlechte Weinernte. Natürlich hat die Preissituation vor allem auch damit zu tun, dass uns mit dem Russland-Embargo einer der wichtigsten Drittlandsmärkte weggebrochen ist, was den Preisdruck entsprechend herbeigeführt hat.
Positiv zu vermerken ist, dass die Gruppe der Bergbauernbetriebe 2014 profitierte, vor allem – wie schon erwähnt – von der Einkommensentwicklung im Milchsektor, und ein Einkommenszuwachs von 3,2 Prozent erreicht werden konnte. Wobei den höchsten Zuwachs – von immerhin 14 Prozent – die Betriebe mit der höchsten Erschwernis zu verzeichnen hatten. In diesem Bereich schlugen sich insbesondere die öffentlichen Gelder zu Buche, die viel zielgerichteter für Betriebe mit hoher Benachteiligung gewährt wurden. Das spiegelt auch wider, was wir im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung verankert haben: dass wir vor allem bei der Bergbauernförderung eine Fokussierung auf jene Betriebe mit der höchsten Erschwernis vornehmen wollen. Das hat sich auch positiv niedergeschlagen.
In diesem Zusammenhang muss ich jetzt, Frau Bundesrätin Reiter, schon darauf hinweisen und die Aussage richtigstellen, wir wären im Bereich des Biosektors viel zu wenig ambitioniert: Das kann ich so nicht im Raum stehen lassen. Wir haben im Rahmen des ländlichen Entwicklungspaketes, das ich Ihnen auch schon vorgestellt habe – das übrigens das erste ländliche Entwicklungsprogramm in der neuen Periode war –, das im Dezember letzten Jahres von der Europäischen Kommission von insgesamt 118 Programmen genehmigt wurde und schon in Umsetzung ist, einen ganz massiven Schwerpunkt auf den Biosektor gelegt. Und wir können jetzt nach der Herbstantragstellung feststellen, dass wir beim ÖPUL, bei der Teilnahme an den Maßnahmen „Bio“ ein Plus von 7,7 Prozent bei den Flächenanmeldungen vermerken können – also von wegen, wir seien da nicht ambitioniert.
Gerade auch bei den Investitionen – darauf hat Bundesrat Tiefnig auch ganz klar hingewiesen – haben wir die Mittel in diesem Bereich mit plus 25 Prozent massiv ausgeweitet und unterstützen damit die Bäuerinnen und Bauern auch bei der Investition in die Modernisierung, in die Qualität, in das Tierwohl und dabei, als Unternehmer eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen.
Die §-7-Kommission, die bei der Erstellung des Grünen Berichts mitarbeitet, hat wiederum acht Empfehlungen an den Bundesminister ausgesprochen. Diese Maßnahmen umfassen Bereiche wie die Entbürokratisierung, die in meinem Ressort mit den nachgeordneten Dienststellen in der zweiten Stufe schon im Gang ist, den Pflanzenschutz, das Grünland, die Verbesserung der Bergbauernförderung – umgesetzt im ländlichen Entwicklungsprogramm – und die Finanzierung der Agrarforschung.
Für die konstruktive Rolle der §-7-Kommission möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Wir haben da sehr viel Expertise, die von allen Experten der Kommission, von allen Fraktionen und auch den Sozialpartnern eingebracht wird. Es ist eine ausgesprochen konstruktive Arbeit. Ich habe selbst an der Juli-Sitzung der Kommission teilgenommen, bei der die Einkommenssituation ausführlich behandelt wurde. Ich plane auch, bei der 100. Sitzung der Kommission, die nächstes Jahr vonstattengehen wird, selbst teilzunehmen und diesen gemeinsamen Festakt zu unterstützen und zu unterstreichen.
Ich schließe mit meinem besonderen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts und der Forschungseinrichtungen, die diesen Grünen Bericht ermöglicht haben und damit auch der §-7-Kommission entsprechend zugearbeitet haben, mit dem Dank an alle Bäuerinnen und Bauern, die mit ihrer täglichen Arbeit für einen vollgefüllten Tisch mit hochwertigen, qualitativ besten Lebensmitteln, für eine wunderschöne
Landschaft in diesem lebenswerten Land und für die Aufrechterhaltung der Besiedlung und der Offenhaltung des ländlichen Raums sorgen.
Dafür erwarten sich die Bäuerinnen und Bauern zu Recht die Wertschätzung und die Unterstützung in schwierigen Situationen, wie sie dieser Grüne Bericht auch widerspiegelt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
14.46
Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt getrennt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2015.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über „Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2016“.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (841 d.B. und 870 d.B. sowie 9475/BR d.B.)
Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.
Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.
14.49
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute findet verspätet eine Abstimmung über die Änderung des Eisenbahngesetzes statt. Verspätet ist es des-
halb, weil die Bundesregierung zuerst versucht hat, ein einseitiges ÖBB-Förderungsgesetz unterzuschieben. Für uns Grüne gilt, dass das Eisenbahnwesen primär den Kundinnen und Kunden dient, dass Steuergeld also so effizient wie möglich eingesetzt werden sollte.
Was wir aber schon sehr positiv sehen, ist die gesetzliche Verankerung des Integralen Taktfahrplans. Das heißt, da gibt es Knotenpunkte, an denen alle Züge von allen Seiten zusammenkommen, an denen man dann umsteigen und sofort weiterfahren kann. Das ist eine super Sache und ist auch im Sinne der Kundinnen und Kunden.
Noch einmal zurück zu diesem europarechtswidrigen Entwurf mit Quasimonopol-Vorrang der ÖBB, in dem die Vergabe der Trassen und Slots im Fahrplan verankert werden sollte: Das war so offenkundig diskriminierend, dass sich – und das war nahezu einmalig – bereits während der Begutachtung die EU-Kommission eingeschaltet hat. Auch wenn da bereits einige dieser Brocken zerschlagen wurden, bleiben trotzdem noch Trümmer liegen: zum einen die Entmachtung – oder nennen wir es das Schwächen – des Regulators Schienen-Control. Das bedeutet für uns Kunden – und ich bin ÖBB-Jahreskartennutzer – und Steuerzahler weniger Verbesserungen und mehr Diskriminierungsversuche, weil dadurch auch Ahndungen unwahrscheinlicher werden.
Negativ kann sich für den Kunden auch auswirken, dass es mehr neue Möglichkeiten gibt, mit denen das Wegeentgelt, sprich die Schienenmaut, angepasst werden kann. Die direkte Auswirkung wäre, dass die Tickets teurer werden, oder es wird indirekt ein erhöhter Subventionsbedarf erzwungen. Beides ist nicht im Sinne des Fahrgasts oder der SteuerzahlerInnen.
Ich kann noch einmal erwähnen: Wir loben den Taktfahrplan, jedoch können wir dem Gesamtpaket heute nicht zustimmen. Es würde uns freuen, wenn eine zukunftsfähige, ökologische und faire Verkehrspolitik gemacht wird und keine Unternehmenspolitik. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
14.51
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte.
14.51
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten) : Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon festgestellt, dass wir heute eine Änderung des Eisenbahngesetzes 1957 beschließen. Auch wenn es ein bisschen später geschieht: Ich glaube, es ist ein gutes geworden. Würden wir das nicht machen, so würden wir im Grunde genommen ein Vertragsverletzungsverfahren der EU riskieren.
Wie schon gesagt wurde, wird bei dieser Novellierung die Anpassung des Eisenbahngesetzes nach den EU-Richtlinien durchgeführt, und es ist vor allem im Interesse der Fahrgäste, dass der Taktfahrplan schrittweise ein integraler wird. Damit werden die lästigen Wartezeiten beim Umsteigen für Zugreisende in weiterer Folge nicht mehr zustande kommen. Zudem soll mit der Novelle die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums verwirklicht und die Gefahren von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen sollen besser beherrschbar gemacht werden.
Wir, die wir uns föderalistisch betätigen, sei es als Gemeinderäte, Vorstandsmitglieder, Bürgermeister oder wie auch immer, sind immer sehr nahe bei den Kunden, bei den Bürgerinnen und Bürgern, und wir wissen alle selbst: Was interessiert denn die Menschen vor Ort? – Das, was ich gerade gesagt habe: dass ich, wenn ich irgendwo umsteige, sofort die Möglichkeit habe, wieder im Takt weiterzukommen, und dass ich so rasch wie möglich von A nach B transportiert werde.
Die Menschen draußen interessiert natürlich auch, dass das so kostengünstig wie nur möglich durchgeführt wird, und da kann ich Ihnen, Herr Kollege Stögmüller, nicht zustimmen und werde später noch einmal England als Vergleich bringen und sagen, was dort ein Kilometer Fahrt mit der Bahn kostet.
Eines muss man auch noch sagen: Natürlich ist für die Kundinnen und Kunden auch die Servicierung sehr wichtig. Bei dieser Gelegenheit muss man heute auch einmal feststellen: Österreich ist das Bahnfahrland Nummer eins, und die Österreicherinnen und Österreicher fahren um sehr viele Prozente mehr Bahn als andere in der EU.
Warum das so ist, ist sicher nachvollziehbar: zum einen, weil in den letzten Jahren sehr viel Geld in die Österreichischen Bundesbahnen investiert worden ist – in die Infrastruktur, in das Wagenmaterial, in die Servicierung und in die Qualitätsausbildung. Wir wissen auch, dass der ÖBB-Rahmenplan, also die Investitionen für die Zukunft, von 2016 bis 2021, 14,6 Milliarden € – ich wiederhole noch einmal: 14,6 Milliarden € – vorsieht. In keinem anderen Land der EU fahren, wie ich schon gesagt habe, so viele Menschen mit der Bahn, und der Trend geht weiter nach oben.
Jetzt komme ich noch einmal zum Thema Kosten und bringe einen Vergleich mit anderen Ländern: Der Zugkilometer in Österreich kostet 5,9 Cent, und wenn man sich den liberalisierten Bahnverkehr in England anschaut, dann sieht man, dort kostet der Bahnkilometer 15,2 Cent. Und ich bin hundertprozentig davon überzeugt – das sind wir alle –, dass die Pünktlichkeit, die Sicherheit und die Kinderfreundlichkeit bei uns weitaus größer sind.
Dieser Investitionsplan ist ein Teil des Regierungsübereinkommens, und die heute zu beschließende Novellierung des Eisenbahngesetzes wird im Interesse der Fahrgäste in weiterer Folge eine schrittweise Einführung des erwähnten Taktfahrplans bewirken. Das heißt aber auch, dass die gesetzliche Regelung so geschaffen wird, dass sie diskriminierungsfrei ist, und alle Verkehrsträger auf der Schiene können sich in weiterer Folge daran orientieren.
Ich denke aber auch, dass – vor allem für Sie als grünen Bundesrat oder für die Grünen insgesamt – die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn – das passiert ja mehr und mehr – aus umwelttechnischer Sicht sinnvoll ist, und dafür kann ich natürlich als Umweltsprecher und Vorsitzender des Umweltausschusses nur danken, weil die Sicherheit der Bahn 64-mal höher ist als jene des Straßenverkehrs – man denke nur an Gefahrgut.
Mit der – das muss man schon dazusagen – von Herrn Bundesminister Stöger vorgelegten Novelle zum Eisenbahngesetz ist es gelungen – und davon bin ich felsenfest überzeugt –, die gesetzlichen Regelungen an die Anforderungen eines modernen, erfolgreichen und kundenorientierten Eisenbahnwesens anzupassen. Damit zählt Österreich zu den ersten europäischen Ländern, die dieses Gesetz niederschreiben.
Zum Schluss noch einen Satz zu Europa selbst: Senden wir aber auch mit der heutigen Zustimmung zu dieser Novelle ein Zeichen nach Brüssel, dass wir für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums offen sind! Verbergen wir aber nicht die Erwartung an die EU-Verantwortlichen, dass sie den EU-Binnenraum nicht durch eine unzureichende Außensicherung leichtfertig aufs Spiel setzen! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
14.57
Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Forstner. – Bitte.
14.58
Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Novelle des Eisenbahngesetzes
handelt es sich um Anpassungen nach EU-Vorgaben beziehungsweise gesetzliche Rahmenbedingungen für die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehrs auf der Schiene.
Auch die staatliche Leitstrategie für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur wird gesetzlich verankert. Somit kommt es, wie bereits erwähnt, zu einer schrittweisen Einführung eines Integralen Taktfahrplans. Dieser soll in Zukunft für eine optimale Verknüpfung sorgen, Wartezeiten beim Umsteigen sollen auf ein Minimum verkürzt werden. Bahnfahren soll damit in Österreich schneller, attraktiver und interessanter werden, indem man wenig bis fast keine Zeit mehr beim Warten auf den Anschlusszug verliert.
In den Bundesländern finden schon jetzt weitere Vorbereitungen statt, das ist durchaus eine wichtige Maßnahme, um den öffentlichen Verkehr attraktiver für Pendlerinnen und Pendler zu gestalten, aber vor allem hinsichtlich der Fahrzeit, weil eine Synchronisation der Ankunfts- und Abfahrtszeiten innerhalb des Bahnverkehrs, aber auch des Busverkehrs erfolgen wird. Ich glaube, dieser Punkt, die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, soll in Zukunft noch mehr Anreiz schaffen, vom eigenen Auto auf die Bahn und auf den Bus umzusteigen. Das muss für uns alle ein wichtiges Ziel sein. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)
Für uns war und ist ein möglichst diskriminierungsfreier Zugang zu den Bahntrassen für alle Eisenbahnunternehmen entscheidend. Das ist ein wichtiger Punkt im Sinne des Wettbewerbs.
Ein wesentlicher Inhalt dieser Novelle ist auch die ergänzende Bestimmung betreffend die Zertifizierung von Triebfahrzeugen, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem im EU-Raum führen. Dabei geht es um das Thema Sicherheit und die Erhöhung der Qualität. Das wird mit dieser Novelle ebenfalls neu geregelt. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meiner Meinung nach gibt es aber eine gewisse Verpflichtung der ÖBB dem Steuerzahler gegenüber; man sollte in der Zukunft noch mehr in den ländlichen Raum investieren.
Weiters freut es mich sehr, dass man mittlerweile in 2 Stunden 20 Minuten von Salzburg nach Wien beziehungsweise in 2 Stunden 50 Minuten zum Flughafen Schwechat fahren kann – das ist mit Sicherheit eine sehr starke Konkurrenz zum Auto. Das Service für die Menschen ist gut, bricht man es jedoch auf die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel herunter, müsste es noch besser werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
15.01
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich die fünfte Klasse der HBLW Wels mit dem Klassenvorstand Frau Lehner recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dörfler zu Wort. – Bitte.
15.01
Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Frauenministerin, Bildungsministerin und heute auch Verkehrsministerin! Liebe junge Damen und der begleitende Herr, ich darf Sie auch recht herzlich begrüßen. Es tut gut, zu wissen, dass es dynamische, junge, wissende und hübsche Leute gibt, die für die Zukunft Österreichs stehen. Herzlich willkommen!
Frau Bundesministerin! Es ist schön, wenn man eine Gesetzesinitiative erstens unterstützen kann und zweitens aber auch eine positive Bilanz ziehen kann. Ich würde einmal sagen: Die letzten zehn Jahre fahren die ÖBB auf guten Zukunftsschienen. Das hat natürlich Hintergründe.
Es ist erfreulich, zu wissen, dass Österreich Bahn-Europameister ist. Den Hintergrund werde ich noch ansprechen, auch aus Vorarlberg kommt einer, Herr Kollege. Es ist aber
auch gut so, dass die ÖBB (Bundesrat Mayer: ... ÖVP, nicht ÖBB!) – ich habe ÖBB gesagt, und du hast ÖVP verstanden; es ist nicht alles ÖVP in Österreich, sondern diesmal reden wir von den ÖBB! – auf gutem Kurs sind, im Gegensatz zur ÖVP, wenn ich zum Beispiel an das Wahlergebnis in Wien denke. (Bundesrat Schennach: ... hat ÖVP gesagt ...!)
Aber warum ist Österreich Bahn-Europameister in der EU? Es gibt noch ein Land, das besser ist, die Schweiz, und die werden wir noch überholen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir haben einen Exportartikel „Bahn“, wenn man an die österreichische Bau- und Bahnindustrie denkt: Der Gotthardtunnel, das größte Bahnprojekt Europas, und der Lötschbergtunnel, der dazu gehört, in der Schweiz wurden von der STRABAG und von der österreichischen ALPINE gebaut. Da waren Hundertschaften von österreichischen Mineuren und Bauarbeitern vor Ort. Das waren eigene Infrastrukturdörfer, die man errichtet hat, um dort über Jahre die nötige Infrastruktur für die österreichischen Mitarbeiter zu schaffen – ein Riesenerfolg, eine Riesenvisitenkarte für die österreichische Tunnelbautechnik.
Erstaunlich ist nur: Wenn es um den Koralm- und den Semmering-Basistunnel geht, wurde in Österreich, also sozusagen innerösterreichisch, heftig dagegen opponiert, dass dieser Exportartikel auch in Österreich zum Einsatz kommt. Es ist aber auch so, dass zum Beispiel aus Vorarlberg kommend die Rhomberg Bahntechnik nicht nur in Österreich Filialbetriebe hat, nicht nur in der Schweiz – wo sie auch große Bauvolumen übernommen hat –, sondern dass es neben dem Büro in Zürich auch in Sydney, in London, in Essen und in der Türkei Filialbetriebe dieses Vorarlberger Spezialunternehmens, das global erfolgreich ist, gibt. Das ist eine Visitenkarte, die damit zu tun hat, dass durch die vielen Großinvestitionen, die in Österreich gesetzt werden, durch das Know-how, das in der Bahntechnik und in der österreichischen Tunnelbautechnik entwickelt wurde, auch Folgeaufträge entstehen. Das ist ein Riesenerfolg, der weit über die Kernaufgaben der ÖBB hinausgeht und andere Wirtschaftszweige positiv beeinflusst.
Für uns im Süden – wenn ich an die Steirer und Kärntner denke, natürlich auch an Niederösterreich – ist das Durchsetzen der Südbahn, des so lange umstrittenen Koralm-Basistunnels und auch des Semmering-Basistunnels, selbstverständlich ein Riesenerfolg. Es gibt nicht länger nur eine Westachse, es gibt jetzt auch eine Südachse Österreichs, die eine besondere Funktion haben wird. Wien stellt dann, so hoffe ich, da auch Russland jetzt – zwar ein bisschen zurückhaltend, aber vielleicht doch – die Breitbahn von Moskau bis nach Wien plant und in den nächsten Jahren hoffentlich auch verlängert, einen europäischen Knotenpunkt in einer völlig neuen Dimension dar. Doch auch Graz-Werndorf wird ein europäischer Logistikspieler, ebenso wird in Kärnten Fürnitz eine Riesenrolle spielen.
Zudem darf man nicht vergessen, dass dieses europäische Bahnprojekt die NAPA-Häfen, sprich: die nordadriatischen Ports – Rijeka, Koper, Triest, Venedig und Ravenna – quasi mit der Bahn verbinden wird und Österreich da eine wichtige Verteilfunktion haben wird. Dazu muss man auch wissen, dass China derzeit zwei Seidenstraßen plant, eine zur Schiene, welche dann auch wieder Wien über die geplante Breitbahn der Russen einbindet, und eine zu Wasser, die durch den Suezkanal an die Adriahäfen anknüpft und damit wieder an das Projekt Koralmbahn.
Ich möchte schon daran erinnern, und darauf bin ich durchaus stolz, dass Kärnten das durchgesetzt hat. Ich bedanke mich immer wieder auch bei meinem damaligen Nachbar-Landeshauptmann Franz Voves, der mit dieser Koalitionspartnerschaft zwischen Klagenfurt und Graz auch Garant dafür war. Schließlich hätte es eine Entgleisung dieses Projekts geben sollen, die Regierung Gusenbauer wollte dieses Projekt stoppen, das darf man in der erfolgreichen Bahngeschichte auch nicht ganz vergessen.
Dass wir dieses Projekt dann auch in den neuen europäischen TEN-Netzplan implantieren konnten, ist ein Erfolg, den wir mit 18 Regionen unter der Führung Kärntens feiern konnten: 18 Regionen von Danzig bis Bologna sind für dieses Projekt eingestanden.
Herr Kollege Stögmüller von den Grünen! Es ist immer hoch spannend, wenn ich nur an den Semmering-Basistunnel denke und auch an das Koralm-Projekt: Wer hat dieses Projekt am massivsten bekämpft? – Die Grünen. (Bundesrat Stögmüller: Ja!) Es ist unglaublich, dass man einerseits die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene fordert, aber gleichzeitig Bahnprojekte behindert, und die Grünen waren ja auch im Backing die Mitfinanzierer der Semmeringtunnel-Querulierer. Das muss man einmal mehr festhalten. Das heißt, Sie reden von Dingen, die Sie dann auf der anderen Seite sozusagen von hinten bekämpfen.
Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, und gratuliere auch dem Verkehrsminister, dass er es geschafft hat, dass letztendlich alle Bremser des Semmering-Basistunnels mit Unterstützung der Grünen entgleist sind. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.) Das ist wichtig, denn für einen Taktverkehr braucht es entsprechende Bahnachsen. Auch der Süden hat das Recht, ebenso wie der Westen, entsprechend attraktiv und europäisch angebunden zu sein – denken wir an Warschau, Danzig, Bologna und Co.
Meiner Meinung nach ist daher eine ehrliche grüne Verkehrspolitik gefordert – und das bedeutet eben nicht, Bahntaktverkehre zu fordern, aber gleichzeitig die Baumaßnahmen dazu immer wieder zu hintergehen und noch dazu Initiativen mit Geld zu unterstützen, die ein Bauprojekt aufhalten. Wir brauchen jeden Arbeitsplatz dringend. Die Firma Rhomberg hätte keine Exportarbeitsplätze, die STRABAG und andere, wenn wir nicht das Know-how auch in Österreich entwickeln würden.
Dass der Taktverkehr gut funktioniert, wissen wir aus Kärnten. Wir haben im Rahmen der Euro 2008 den „Kärnten Takt“ eingeführt und haben danach die S-Bahn eingeführt, die jetzt durch das Projekt Koralmbahn, durch den zweigleisigen Ausbau von Bleiburg bis Klagenfurt, verdichtet werden kann. Man sieht also bereits, dass diese nachweislich erfolgreichen Projekte auch national – wie in der Schweiz – funktionieren werden.
Frau Bundesministerin! Eines noch: Können Sie bitte Herrn Kollegen Stöger einige Fragen weitergeben. Ich bin leidenschaftlich für Wettbewerb. Ich bin aber auch leidenschaftlich gegen jede Privatisierungsdiskussion der ÖVP zum Thema ÖBB. Wettbewerb heißt, dass einerseits die Westbahn nicht benachteiligt werden darf, wobei natürlich der Zusammenhang schon spannend ist: Die STRABAG, sprich Herr Haselsteiner – unter Anführungszeichen – „als Person“, ist bauausführende Firma des größten Bauloses des Koralm-Basistunnels in der Höhe von zirka 600 Millionen €. Gleichzeitig ist er auch Mitbewerber mit der Westbahn gegen den Bauauftraggeber ÖBB. Es muss dabei gewährleistet sein, dass es einen attraktiven Wettbewerb gibt, und die Westbahn hat mit ihren Fernbussen und auf der Schiene sicher dazu beigetragen, dass das Angebot verbessert wurde, dass die ÖBB sich noch mehr anstrengen und dass damit der Bahnverkehr insgesamt attraktiver wurde.
Es kann nicht sein, dass – und das scheint aber so zu sein, wenn man an laufende Verfahren denkt – die ÖBB versuchen, quasi ihr Monopol über das ihr Zustehende hinaus zu sichern, beispielsweise in Bezug auf die Trassenvergaben an die Westbahn. Das muss man noch überdenken. Wir brauchen keine Verfahren, sondern faire Partnerschaften auf der Schiene im Interesse der Nutzer.
Ein wichtiges Thema sind auch die Fernbusse. Diese stellen meiner Meinung nach einen neuen Markt dar, auch für die österreichischen Busunternehmen, und auch in diesem Bereich kann es durchaus einen massiven privaten Wettbewerb geben. In Deutsch-
land funktioniert der Fernbusverkehr hervorragend, dort kam es auch zu einer Verlagerung vom Flugzeug in den Bus beziehungsweise andererseits auf die Schiene.
Zwei Fragen, die mich noch interessieren: Herr Bundesminister Stöger ist ja auch Postminister, und es ist schon bedauerlich, dass die Österreichische Post derzeit wieder einmal einen 50-Plus-Handshake macht. Das heißt, die Mitarbeiter der Post, die älter als 50 sind, sollen mit Golden Handshake, sprich mit Schecks, hinauskomplimentiert werden. Wenn wir wissen, dass die Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen in Österreich hoch ist, dann ist dies für ein Unternehmen, an dem der Staat Österreich massiv beteiligt ist, eine Vorgangsweise, die ich ablehne. Da ist auch der Herr Postminister gefordert, dem Einhalt zu gebieten.
Faktum ist, dass es ein Erfolgsergebnis ist. Eines noch, nämlich eine weitere Frage an den Herrn Minister: Die Westbahn wurde heftig für die Ankündigung kritisiert, die Flüchtlingstransporte auch verrechnen zu wollen. Nun hat ja laut „profil“ ÖBB-Chef Kern angekündigt, dass auch die ÖBB diese Leistungen in Rechnung stellen werden.
Mich würde interessieren, was der Verkehrsminister diesbezüglich vorhat. Sollen diese ÖBB und Westbahn schlucken? Kommt es aus anderen Töpfen? Es muss natürlich auch eine entsprechende Abgeltung der Leistungen, die übrigens vonseiten der ÖBB-Mitarbeiter hervorragend erbracht wurden, geben. Mich würde aber dabei schon interessieren: Woher kommen die finanziellen Mittel dafür? Müssen das die ÖBB schlucken? Wird das aus dem Topf der Flüchtlingsfinanzierung fließen, oder was hat man da vor?
Ich gratuliere allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Österreichischen Bundesbahnen, die Bahn hat in den letzten zehn Jahren eine erfreuliche Entwicklung genommen. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)
15.10
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Minister.
15.10
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Wir haben zwar vorgestern auch Weichen gestellt, im Bildungssystem, doch das hat mit dem Eisenbahngesetz, über das wir heute reden, natürlich nur im übertragenen, symbolischen Sinn etwas zu tun. Ich glaube dennoch, dass mit der Novelle des Eisenbahngesetzes ebenfalls Weichen gestellt werden.
Ich möchte kurz auf die einzelnen Wortmeldungen eingehen – dank der Einflüsterungen der Expertise, die hinter mir sitzt, da ich natürlich keine Infrastrukturexpertin bin; aber ich bin so ehrlich, dass ich sage, ich habe da die Zettel bekommen, die diesbezüglich wirklich etwas zu sagen haben, und ich möchte das gerne weitergeben.
Von den Grünen wurde einiges kritisch in Frage gestellt, was durchaus legitim ist, aber es wurde ja bereits von einigen Rednern gesagt, dass es grundsätzlich darum geht, dass mit dieser Novelle größtenteils EU-Recht umgesetzt wird und dass die Kommission – auch das wurde kritisch gesehen – Fragen hatte, die von uns aufgeklärt werden konnten. Ich glaube, dass dies als Antwort ausreichen muss, da diese Fragestellungen – egal, welcher Art, ich kenne sie nicht – aufgeklärt werden konnten, das ist die Hauptsache. Es wurde da keine Bevorzugung der ÖBB von unserer Seite gesehen, wobei wir schon sicherstellen wollen, dass der öffentliche Verkehr im öffentlichen Interesse gehandhabt wird.
Österreich ist auch im Güterverkehr top, und das ist ja für Sie im Bundesrat keine Neuigkeit, dass Österreich mit einem Modal Split von 30 Prozent – fast doppelt so hoch wie in Deutschland, wo er bei 17 Prozent liegt – diesbezüglich eigentlich sehr gut unterwegs ist und noch dazu ein wichtiger Heimmarkt für die Bahnindustrie im Allgemeinen ist.
Es sind 8 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da sehr exportorientiert ihre Arbeit leisten, und dass die Bahnindustrie einen unglaublich hohen Prozentsatz an Patenten pro Kopf aufweist, ist weltweit äußerst vorzeigbar und einzigartig. Besonders hervorgehoben werden kann meiner Meinung nach auch, dass – wenn ich auf Herrn Bundesrat Dörfler von den Freiheitlichen eingehen darf – in die Südbahn innerhalb von zehn Jahren 10 Milliarden € investiert werden.
Mir ist ein Spruch aufgeschrieben worden, den gebe ich jetzt zum Besten: Früher Westbahn und Restbahn, jetzt ist auch der Süden dran! – Sie wissen wahrscheinlich besser, was damit gemeint ist. (Beifall des Bundesrates Novak sowie Beifall und Bravoruf des Bundesrates Dörfler.)
Zum integralen Takt möchte ich sagen, dass dieser – so gleichmäßig, immer zur gleichen Zeit – durch dieses Gesetz jetzt erst möglich geworden ist. Ziel ist dabei nicht der schnellste Zug, sondern das Funktionieren der gesamten Mobilitätskette, damit die Menschen über verschiedenste Verkehrsmittel auch rasch von A nach B kommen können.
Weiters haben wir in Österreich den billigsten Tarif – auch das ist kein Geheimnis – im deutschsprachigen Raum, zum Beispiel beträgt der Preis in Österreich ein Drittel des Preises der Deutschen Bahn. Das heißt, wir wollen viele Züge und auch die gesunde Konkurrenz derselben, leistbare Preise und hohe Qualität. Der Erfolg gibt uns recht, denn – wie gerade gesagt wurde –: Österreich ist mit 14 900 Kilometern pro Jahr und Fahrgast wirklich spitze, nur die Schweiz ist noch besser.
Wenn vorher gesagt wurde: Von Wien nach Salzburg in nur mehr knapp zwei Stunden!, so sage ich als Niederösterreicherin – wieder so ein Spruch, der mir gut gefällt –: Von St. Pölten nach New York mit nur einmal umsteigen, über den Flughafen nämlich! (Heiterkeit der Bundesräte Zwazl und Mayer.) Auch in diesem Bereich hat es, so glaube ich, wesentliche Verbesserungen gegeben.
Abschließend möchte ich darauf Bezug nehmen, was am Schluss bezüglich der neuen Konkurrenz durch die Westbahn noch gesagt wurde: Diese neue Konkurrenz empfinde ich als wichtig, das wollten wir, diese Form der Liberalisierung und der Konkurrenz ist völlig in Ordnung. Dennoch ist festzuhalten: Es wurden bereits neunmal Prozesse vonseiten des Ressorts gegenüber der Westbahn gewonnen, auch erst gestern wieder.
Zur Post ganz zum Schluss: Eigentümer ist die ÖBIB, sprich der Herr Finanzminister, und in dem Fall ist nicht Herr Kollege Stöger zuständig. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
15.15
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 11. November 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz, das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und das Postmarktgesetz geändert werden (845 d.B. und 871 d.B. sowie 9476/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
15.17
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist natürlich jetzt ein bisschen blöd, dass ich ausgerechnet bei meiner allerletzten Rede hier im Bundesrat eine Kontrarede halte. Aber irgendwie passt es ja vielleicht auch ganz gut. (Bundesrätin Zwazl: Wieso? Das passt doch! – Bundesrat Mayer: Job as usual!) – Das ist „job as usual“, wie Herr Kollege Mayer sagt, das ist richtig!
Ich will natürlich trotzdem ganz kurz sagen, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. – Eigentlich ist es mir gerade wurscht (allgemeine Heiterkeit), aber: Warum machen wir das? Wir haben gerade gestern eine Enquete zum Thema „Digitaler Wandel und Politik“ gehabt, wo wir über die Wichtigkeit der Breitbandoffensive diskutiert haben – und jetzt beschließen wir, dass die 30-Megabit-pro-Sekunde-Umsetzung sozusagen eine theoretisch mögliche, aber keine Muss-Bestimmung ist, keine reale Bestimmung ist, und dass Tariferhöhungen einseitig erfolgen können. Das gibt es bei keinem KonsumentInnenschutz-Thema, und das lehnen wir ab. – Das war es dann auch schon, was ich zu diesem Gesetzentwurf sagen möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich hierherkam, war Frau Kurz die Präsidentin, und sie musste meine Erstrede unterbrechen (Bundesrätin Kurz: Genau!) – Sie können sich noch erinnern! –, weil ich nicht zur Sache sprach, sondern gleich einmal so ein bisschen provokant einsteigen wollte, wie ich denn zu dieser Kammer stehe, wie ich zu diesem System stehe. Jetzt, nachdem ich wirklich neun Präsidentschaften hinter mir habe, wie der Zufall es will – denn jetzt kommt ja wieder Salzburg dran –, stehe ich hier und nehme Abschied, und es hat sich doch, so glaube ich, einiges geändert.
Auch bei mir hat sich einiges geändert. Zwar stehe ich dieser Kammer durchaus noch bis zu einem gewissen Grad kritisch gegenüber, das ist ja bekannt, doch hat mir ein Ansatz sehr gut gefallen – und da wollte ich mich eigentlich, auch wenn er jetzt gerade nicht da ist, vor allem beim derzeitigen Präsidenten Kneifel bedanken –: Ja, lasst doch andere über den Bundesrat reden, wie sie wollen! Arbeiten wir an einem neuen Gesicht und einem besseren Bundesrat! Seien wir doch diejenigen, die Gesetze machen – ich sage noch immer „wir“; das ist natürlich jetzt blöd, aber ich bin ja noch da –, seien wir die Kammer, die von sich aus aktiv wird und Dinge in dieser Republik verändert!
Wenn ich euch etwas wünschen darf für die nächsten Jahre, dann ist es mehr Selbstbewusstsein als Legislative. Winkt nicht nur Gesetze, die die Minister und Ministerinnen euch vorschlagen, durch – macht sie selbst! Das wäre mein Wunsch an euch für die Zukunft.
Ihr wisst, wofür ich in den letzten Jahren am meisten gebrannt habe, wofür ich immer noch ein Feuer in mir habe – ich habe es heute schon angesprochen –: Ich bin als Spre-
cher der Grünen Andersrum, der Lesben, Schwulen, Transgender und Intersexuellen, hierhergekommen. Ich habe immer die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender auf meiner Hauptagenda gehabt.
Es gibt da noch ein paar Baustellen, die offen sind: Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, die den Kindern, die in heterosexuellen Partnerschaften leben, erklären müssen, warum ihre Eltern nicht heiraten dürfen. Das empfinde ich noch immer als unlogisch, und ich glaube, dass hier eine Gleichstellung wichtig wäre. Und bitte, kümmert euch um die Intersexuellen, die immer noch als Kinder, als Säuglinge zwangsoperiert werden, die nicht selbstbestimmt selbst bestimmen können, in welchem Geschlecht sie leben wollen. – Dies wäre zum Beispiel ein schönes Gesetz, das ich mir aus dem Bundesrat wünschen würde.
Zur gestrigen Enquete: Ich hoffe, dass der digitale Wandel auch dazu führt, dass wir uns noch viel mehr mit den digitalen Themen unserer Zeit auseinandersetzen. Das ist eines der ganz großen Zukunftsthemen, mit denen ich mich intensiv auseinandergesetzt habe. Ich bringe nur ein Beispiel: Es kommen sehr bald die selbstfahrenden Autos, und es wird durchaus eine Frage für euch in den Ländern, in den Gemeinden, in den Kommunen und in den Bezirken sein, wer denn in Zukunft Verkehrsflüsse bei uns lenkt: ob es Server in Übersee sind oder ob wir jetzt schon die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, dass das hoheitlich geregelt wird.
Meinen Kampf gegen Antisemitismus werde ich auch außerhalb dieses Hauses weiterführen. Ich kann mich auch noch an eine Israel-Resolution erinnern, bei der ich als einziger Bundesrat dagegen gestimmt habe, weil ich nicht einverstanden war, Israel für etwas zu verurteilen, was andere Staaten auch machen. Ich stehe nach wie vor zu dieser Nein-Stimme und zu dieser einzigen Nein-Stimme meinerseits. Denkt darüber auch einmal nach – das ist meine Bitte an euch –, wenn ihr einen Staat einseitig verurteilt, ob das denn immer das Richtige ist!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde und Freundinnen! Mein Großvater hat mir einmal gesagt – jetzt muss ich aufpassen, puh –, dass Respekt das Wichtigste im Leben ist. Und das war auch mein politisches Leitmotiv: Respekt vor anderen Menschen, Respekt vor der Natur, Respekt auch vor der Würde und dem Eigentum von anderen Menschen, und wenn man diesen Respekt verletzt, dann tut man etwas Falsches. Das war mein Leitmotiv.
Deswegen war ich auch sehr leidenschaftlich, wenn ich das Gefühl hatte, andere Menschen werden respektlos behandelt. Das war immer mein Leitmotiv, wenn die Natur respektlos behandelt wird, unser Planet respektlos behandelt wird – ich bin ja nicht umsonst bei den Grünen, das gebe ich schon zu. Ich habe sicher in den Auseinandersetzungen manchmal das falsche Wort verwendet, habe manchmal zu emotional reagiert, und sollte ich den einen oder den anderen mit Äußerungen meinerseits beleidigt haben, stehe ich nicht an, mich dafür zu entschuldigen – auch wenn ich an die letzte Sitzung denke.
Kollege Edgar Mayer hat mich in der Präsidiale gebeten, dass ich zuletzt auch ein bisschen Respekt dieser Kammer gegenüber zeigen sollte, denn ich habe, glaube ich, nie in meinem Leben eine Krawatte getragen. (Der Redner hält eine Krawatte in die Höhe und legt sie sich locker um. – Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von Grünen, ÖVP und SPÖ.) – Ich werde das später richten, ich habe keinen Spiegel hier. Aber dir zuliebe, lieber Edgar Mayer, werde ich diese Krawatte den Rest der Sitzung tragen, auch als Respekt vor eurer Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Heiterkeit bei Bundesräten von Grünen und ÖVP.) – Jetzt hört auf zu lachen (ebenfalls lachend), ich bin traurig!
Ich möchte mich einmal ganz herzlich bei euch allen bedanken, vor allem natürlich bei meinen Kollegen und Kolleginnen und bei den Fraktionsvorsitzenden Reinhard Todt, Monika Mühlwerth, Edgar Mayer, bei allen Präsidenten und Präsidentinnen, die ich hier
im Hause erlebt habe, des Weiteren bei Frau Dr. Bachmann und dem Team der Bundesratskanzlei – Sie waren immer eine tolle Stütze, tolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen; ihr seid wirklich super! –, bei den Stenographinnen und Stenographen – vielen herzlichen Dank! –, bei der Technik, bei allen Menschen, die hier gearbeitet haben: bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Kantine, bei Robert Luschnik – du bist der beste Klubdirektor des Universums! –, Stefanie – du bist die beste Sekretärin der Milchstraße, wirklich –. Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich!
Aber Achtung! Ich bin Ersatzmitglied! (Allgemeine Heiterkeit.) Vielleicht seht ihr mich ja wieder. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)
15.25
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Lieber Marco Schreuder, wir wünschen dir auch alles, alles Gute! Wenn du Ersatzmitglied bist und wieder kommst, werden wir dich herzlich begrüßen. Alles Gute für dich! (Bundesrat Dörfler: Aber nur mehr mit Krawatte!) – Das hält er, glaube ich, nicht durch.
Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.
15.26
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Da Marco Schreuder es sehr kurz gemacht hat, werde ich mich auch sehr kurz halten. Lieber Marco, auch ich durfte dich als einen doch sehr kritischen Kollegen hier in dieser Runde kennenlernen, aber ich möchte mich gleichfalls recht herzlich für die Zeit, die wir in diesem Gremium gemeinsam verbracht haben, obzwar sie nur sehr kurz war, bedanken. Bei der letzten Sitzung haben wir das erste Mal die Möglichkeit gehabt, etwas länger miteinander zu sprechen, und ich glaube, in vielen Dingen stehen wir einander in den Ansichten sehr nahe. Ich wünsche dir alles, alles Gute für die Zukunft, und ich glaube nicht, dass mit deinem Ausscheiden auch alle Verbindungen über Nacht gekappt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als das Internet aufgekommen ist, haben viele von den älteren Kolleginnen und Kollegen oder auch teilweise Leute in meinem Alter gesagt: Ach, dieses neumoderne Glumpert, das wird sich nie durchsetzen, das wird nie kommen.
Wir leben heute in einem Zeitalter der Digitalisierung, wo das Internet für jedermann, für jede Frau, für jedes Kind mittlerweile selbstverständlich ist. Mit der Breitbandoffensive kommen wir der besseren Einbindung auch des ländlichen Raums in die Welt des Internets näher. Das ist auch dringend nötig, weil viele Unternehmungen und viele Industrieansiedelungen in ländlichen Gebieten in Zukunft nur dann stattfinden werden, wenn die Infrastruktur vorhanden und die Anbindung an ein Hochleistungsnetz möglich ist.
Bei vielen Besuchen und Kontakten mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit Kolleginnen und Kollegen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Vorteile bei der Verkehrs- und Datenanbindung heute eine entscheidende Grundlage für den Ausbau oder den Neubau eines Standortes ist. Auch in Tourismuszonen, wo es keine Industrie gibt, werden von Urlauberinnen und Urlaubern ein Internetanschluss und Datentransfersicherheit geschätzt. Auch wenn wir es nicht gerne hören, auch im Urlaub wird das verlangt, werden über das WWW oder diverse Netze Urlaubsfotos und Botschaften versandt. Kurzum, es betrifft jeden Lebensbereich hier in Österreich, hier in Europa, auf der gesamten Welt.
Es ist heute selbstverständlich, von Apps und Trackern über gegangene Schritte und Routen informiert zu werden, darüber, wo man gelaufen ist, wie viele Höhenmeter man überwunden, welche Örtlichkeiten man besucht hat. Es können Informationen über den Ort, an dem man sich gerade befindet, in Echtzeit abgerufen werden.
Es dreht sich einmal mehr um den Faktor Zeit. Zeit ist natürlich auch Geld, und das heißt in diesem Zeitalter auch für uns, dass wir mit der Zeit gehen müssen.
Das Gesetz mit dem Vorschlag für ein Hochleistungsinternet bis 2020 geht davon aus, dass wir eine Datenübertragungsqualität von 100 Megabit schaffen möchten. Bei dieser Gesetzesänderung geht es in erster Linie um ein verbessertes Service für Kundinnen und Kunden von Telekomeinrichtungen, und auch darum, dass wir die Chance haben, eine bessere Breitbandanbindung zu erzielen.
Wenn wir das tun wollen, steht natürlich die Investitionsmilliarde zur Verfügung, und es bedarf – das haben wir am Dienstag im Ausschuss bereits diskutiert – eines grünen Lichtes der Europäischen Union, mit dem wir – auch das haben wir erfahren – bis Ende dieses Jahres rechnen dürfen.
Zum Thema Konsumentenschutz möchte ich kurz Folgendes feststellen: Hier kommt es gleichfalls zu massiven Verbesserungen für die Konsumentinnen und Konsumenten. Zum Beispiel im Bereich der Contentdienste, bei denen es merkwürdige Abos und Verträge gegeben hat – zum Beispiel wenn man Musik heruntergeladen hat und gleichzeitig Handy-Verträge oder Handy-Apps-Verträge, die mehrere Monate oder auch Jahre gegolten haben, eingegangen ist, ohne es zu wollen. Mit der Novellierung gibt es nun für solche Verträge die Möglichkeit, sie nach einem Monat zu kündigen.
Wir haben uns mit der Breitbandstrategie, mit der Breitbandmilliarde, gemeinsam ein ganz großes Ziel gesetzt. Wir wollen bis 2020 nicht nur die 30 Megabit, sondern die 100 Megabit flächendeckend erreichen und umsetzen, unter dem Motto: Egal wo man lebt, ob in der Stadt oder am Land: Gleiche Chancen für alle Menschen! Da geht es um Zukunftschancen vom Bodensee bis zum Neusiedler See.
Ebenso ist die Kostensenkungsrichtlinie als Grundlage für die Umsetzung berücksichtigt. Es geht darum, dass alle Ressourcen, die in einer Infrastrukturdatenbank vorhanden sind, auch genutzt werden, und dass es den Gemeinden möglich ist, im Zuge von Grabungsarbeiten für Kanalisation oder Wasserleitungen auch die Glasfasernetze mit einzuziehen.
Es soll auch eine Infrastrukturdatenbank geschaffen werden, damit man weiß, dass in dieser oder jener Region ein Anbieter X ist, der die Leitung öffentlich zur Verfügung stellen muss, damit sie für die Bevölkerung zugänglich ist. Dies ist ein wichtiger Bereich, der vor allem den ländlichen Raum stärkt. Wir haben uns gerade im Breitbandausbau wirklich bemüht. Es muss faire Chancen geben, da es um die Zukunftsperspektiven geht. Es darf im digitalen Zeitalter keinen Unterschied mehr machen, ob jemand auf dem Land oder in der Stadt lebt.
Dabei kann man durchaus auch kritisch sein, aber die Kritik von dir, Marco, ist vielleicht ein klein wenig zu hoch gegriffen. Sie ist nicht unbedingt fair, gerade bei diesen wichtigen Zukunftsvorhaben und Zukunftsthemen, wie jenem des Breitbandausbaus.
Lieber Herr Minister Stöger, ich darf Ihnen recht, recht herzlich nicht nur für den Anstoß danken, sondern auch jetzt für die kraftvolle Umsetzung, sobald grünes Licht von der Europäischen Union gegeben wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
15.32
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.
15.32
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz dient unter anderem der Erleichterung des Ausbaus der elektronischen Kommunikation und der
Schaffung von Anreizen, dass die gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastruktur gefördert und ein effizienterer Ausbau neuer physischer Infrastrukturen ermöglicht wird, um durch den Ausbau solcher Netze Kosten zu verringern – und es soll ja eine Kostenersparnis bis zu 25 Prozent durch das Gesetz, durch die Vernetzung entstehen – und dies in der nächsten Zeit durchzusetzen.
Rene Pfister hat schon vieles ausgeführt. Er hat vor allem auch von der zentralen Informationsstelle für Infrastrukturdaten, die bis zum 1. Jänner 2017 errichtet werden muss, gesprochen. Ich setze da ganz stark auf das Breitbandbüro, das bereits im Jahr 2013 im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie angesiedelt wurde. Das Breitbandbüro dient der Koordination zwischen den Gemeinden, den Bundesländern und den Betreibern, die den Breitbandausbau in Österreich vorantreiben sollen. Ich denke, wenn wir jetzt warten, bis die zentrale Informationsstelle kommt, verlieren wir wieder ein Jahr. Wir brauchen das sofort und gleich.
Ich denke, der Atlas, der im Jahre 2014 erstellt worden ist und halbjährlich angepasst wird, zeigt auf, wo in Österreich noch massive Mankos im Ausbau des Breitbands bestehen. Dieser Atlas soll weitergeschrieben werden. Vor allem aber wünsche ich mir Zusammenarbeit, um die Infrastruktur in den ländlichen Regionen, vor allem in den entlegenen ländlichen Regionen, schneller auszubauen.
Es nützt nichts, zu reden und zu reden, „wir müssen“ und „es sollte sein“, wenn es dann wieder fünf, sechs Jahre dauert, bis etwas geschieht. Fünf, sechs Jahre in den entlegenen Regionen bedeutet, dass die Menschen in diesen Jahren, vor allem die jungen Menschen, auswandern, dass sie in den Zentralraum gehen, da sie dort Arbeit und die benötigte Infrastruktur vorfinden.
Ich möchte an einem kleinen Beispiel aufzeigen, wie wichtig das schnelle Internet in den ländlichen Regionen ist. Das Beispiel kommt aus meinem Beruf als Buchhalterin und Bilanziererin. Wir haben zurzeit fünf Frauen, die in Karenz sind. Fünf Frauen, die gesagt haben: Wir wollen – die eine zwei, die andere drei Jahre lang – bei unseren Kindern zu Hause bleiben, aber wir wollen nicht den Fuß aus der Arbeitswelt nehmen. Im Zeitalter der Infrastruktur des Internets, des Breitbandes, funktioniert das auch. Die Damen arbeiten von zu Hause aus in unserem System, das wir im Büro haben. Wenn ich in ihre Buchhaltungen einsteige, weiß ich, wo sie sind, wie die Situation in dem Betrieb ist. Der Unternehmer, der die Buchhaltung zu uns bringt, bemerkt nicht, wo die Mitarbeiterin sitzt und die Buchhaltung fertigstellt.
Ich glaube, das sind schon wichtige Chancen, die wir nutzen – nicht nur Frauen, auch Männer, wenn sie dann einmal in Karenz gehen. Vor allem auch in technischen Büros und in vielen anderen Bereichen könnte man von zu Hause aus arbeiten. Die entlegenen Regionen hätten dadurch wirklich einen Vorteil. Ich denke, dass man solche Möglichkeiten einfach von der Wohnungssituation her, wenn man am Land wohnt, nutzt und auch gerne nutzt.
Gestern bei der Enquete „Digitaler Wandel und Politik“ haben wir gehört, was die Wirtschaft, aber auch was Lehrende fordern, und wie wir uns in ihren Augen weiterentwickeln müssen. Ein flächendeckendes Breitband ist uneingeschränkt bei allen Vortragenden an erster Stelle gestanden. Die IT-Sicherheit – und darauf hat Marco Schreuder heute schon in seinem Beitrag hingewiesen – muss gegeben sein, denn ansonsten ist alles eigentlich nichts, weil ich es nicht nutzen kann.
Einheitliche Normen und Standards sind gleichfalls notwendig, denn wie soll sich das bei uns oder auch weltweit entwickeln können, wenn jedes europäische Land eigene Normen, eigene Standards hat. Vor allem muss man wesentlich mehr Geld in Forschung und in Bildung investieren, um die digitale Weiterentwicklung auch nutzen zu können.
Ein weiterer Punkt in diesem Gesetz ist der leichteren Kündbarkeit von neuen Telefonverträgen und der Verkürzung der Kündigungsfrist gewidmet. Das ist ein großer Vorteil für die Kunden der diversen Netzanbieter.
Was mir im Grunde genommen am besten gefallen hat, ist das Postmarktgesetz. Ich weiß noch, in früheren Zeiten, als es noch kein E-Mail gab, habe ich bei Urgenzen immer gesagt: Die Post braucht so lang, obwohl ich den Brief noch gar nicht aufgegeben hatte. Damals war er ja unter Umständen vier, fünf Tage unterwegs. Jetzt wird das sogar gesetzlich geregelt, dass unter Umständen bestimmte Briefstücke vier Tage beziehungsweise sechs Tage unterwegs sein können. – Es ist direkt schade, dass die Leute jetzt all ihre Post per E-Mail haben wollen und der Postweg nicht mehr als Ausrede herhalten kann.
Ich hoffe, dass das Telekommunikationsgesetz, das wir heute im Zeichen der Kostensenkung und des Konsumentenschutzes beschließen, ein wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung Österreichs ist und vor allem unseren Arbeitnehmern und Arbeitgebern Vorteile bringt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
15.38
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte.
15.38
Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt geht es mir so wie dem Kollegen Schreuder: An der vierten Stelle der Rednerliste ist eigentlich alles gesagt.
Mir ist aufgefallen, dass sehr exakt beschrieben wurde, wofür wir den Breitbandausbau brauchen, und dass dies ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes ist. Ebenso wird sehr exakt beschrieben, wie es denn dazu kommen kann, dass wir ein Breitband haben. Es geht um so wesentliche Bestandteile wie die Koordinierung der Bauarbeiten, den Zugang zu bestehenden physischen Infrastruktureinrichtungen, den Zugang zu Mindestinformationen bei dem Bau, die Einrichtung einer zentralen Informationsstelle, weil man das ja auch flächendeckend österreichweit und im ländlichen Raum, so wie es heute schon beschrieben wurde, betreiben will. Das sind alles Dinge, die natürlich für die Planung und Errichtung, vor allem für die kostengünstige Errichtung, ganz, ganz wichtige Bausteine sind.
Menschen in meinem Alter wissen vielleicht noch, wie es war, wenn zum Beispiel ein Festnetzanschluss gemacht wurde – man hat damals von einer sogenannten Postbaustelle geredet. Wenn man gemeldet hat, man braucht Festnetz, sind nach ungefähr zwei Monaten fünf Personen mit einem Kleinbus gekommen. Dort hat es dann einen Chef gegeben und einen, der die Steckdose montiert hat, und drei sind herumgestanden und haben dem erklärt, wie er es jetzt nicht machen soll und wie alles funktioniert.
Für einen Planungstechniker sind diese Bestandteile, die jetzt in diesem neuen Gesetz festgeschrieben wurden, ganz wesentliche Bestandteile. In der Privatwirtschaft würde es ja gar nicht anders funktionieren. Heute könnte man keine Großbaustelle abwickeln, ohne dass es exakte Bestandsaufnahmen gäbe, exakte Koordination von gewerkübergreifenden Gegebenheiten, um bestehende Ressourcen und Strukturen zu nutzen.
Wir sind froh, dass wir uns damit sozusagen aus diesem Steinzeitalter verabschieden, als es noch Postbaustellen in dieser Form gegeben hat, auf denen im Sinne des Steuerzahlers wirklich nicht sehr effizient gearbeitet worden ist. Hier sind Grundlagen geschaffen worden, damit man diesen Ausbau effizient und kostengünstig erreichen kann. Wenn drinnen steht, dass man 25 Prozent einsparen wird können und sollen und müssen, dann, würde ich einmal im Sinne der Steuerzahler sagen, ist das für uns Grund genug, dem Inhalt dieses Gesetzes und dieser Novellierung auch hier zuzustimmen. Wir
tun das, weil wir der Meinung sind, dass das eine sehr positive Veränderung ist. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
15.41
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. Wir begrüßen dich auch recht herzlich hier bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
15.42
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich glaube, dass das ein wichtiges Gesetz ist, um Österreichs Weg in eine digitale Zukunft möglich zu machen. Darum geht es dabei. Wir brauchen in der Zukunft große Mengen an Breitbandleitungen, und damit wir das erreichen können, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir die Breitbandabdeckung so schnell wie möglich erweitern. Wir wollen die Breitbandmilliarde bis zum Jahr 2020 umsetzen. Es geht darum, dass wir im ganzen Siedlungsraum in Österreich eine Leitung mit 100 Megabit pro Sekunde Datenübertragung zur Verfügung haben.
Das geht nur dann, wenn wir Synergien nutzen, was wir in zweierlei Hinsicht tun wollen. Der erste Ansatzpunkt ist, dass wir wissen, welche Infrastruktur jetzt schon zur Verfügung steht. Dazu brauchen wir eine Infrastrukturdatenbank. Das dient allen Bereichen, insbesondere den Gemeinden.
Der zweite große Schwerpunkt, den wir in dem Gesetz auch regeln, ist die Erlaubnis, dass wir Gemeinden im Zuge der Breitbandmilliarde fördern können, damit wir finanzausgleichsgerecht Förderungen an Gemeinden vergeben können.
Dieser Breitbandausbau richtet sich in erster Linie an den ländlichen Raum, da das der Bereich ist, in dem der Markt nicht funktioniert und die Menschen vom Markt nicht versorgt werden. Daher ist es mir wichtig, dass wir dieses Gesetz umsetzen können.
Auch im Bereich des Konsumentenschutzes leisten wir einen Beitrag, wir reduzieren nämlich die Kündigungsfrist bei Verträgen von drei Monaten auf einen Monat. Das wird insgesamt die Rolle der Konsumentinnen und Konsumenten stärken.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass dies eine wichtige Novelle zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur Stärkung der Rechte von Konsumentinnen und Konsumenten ist.
Ich wollte nur noch eines anfügen, da ich eine andere Erfahrung gemacht habe als Herr Bundesrat Peter Samt: Als bei meinem letzten Festnetzanschluss die Postler zu mir gekommen sind, war ich sehr froh, dass da kompetente Menschen gekommen sind, die mir keinen Viertelanschluss, sondern einen Vollanschluss gebracht haben, der auch in der Lage war, Daten zu übertragen. Ich habe die Mitarbeiter, die sehr freundlich und korrekt mit mir umgegangen sind, als einen sehr wichtigen Punkt erlebt.
Mit dieser Gesetzesnovelle machen wir auch eine Änderung im Postmarktgesetz. Ich sage es so deutlich wie schon einmal hier im Haus: Der Liebesbrief muss natürlich am nächsten Tag ankommen, aber es gibt manche Briefe, da ist es völlig egal, wann man sie bekommt. Letztes Mal habe ich die Steuerrechnung der Gemeinde genannt, die man nicht am nächsten Tag haben muss, nachdem sie im Gemeindeamt aufgegeben wurde. Wenn man zum Beispiel die Rechnung für die Energie zu zahlen hat, ist es auch egal, ob sie Montag oder Freitag kommt. (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.) Aber für die Post in Österreich ergibt sich die Chance, durch günstigere Tarife einen neuen Universaldienst vorzusehen, und diesen neuen Universaldienst haben wir mit diesem Gesetz ermöglicht.
Ich ersuche um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
15.46
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Vierter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees (III-557-BR/2015 d.B. sowie 9477/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Ewald Lindinger: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den vierten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees; der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, den vierten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Beer. – Bitte.
15.47
Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Warum brauchen wir überhaupt Biopatent Monitoring und was bedeutet es für uns? – Die Biotechnologie ist ein stark wachsender Wirtschaftszweig. Wenn wir diesen Bereich nicht beobachten, analysieren, auf Veränderungen reagieren, aber auch Innovationen und Investitionen tätigen, werden wir ganz einfach den Anschluss an die weltweite Entwicklung verlieren.
Es muss in diesem Bereich aber auch auf die gesetzlichen Grundlagen geachtet werden. Gerade bei der Zellforschung ist die Gefahr sehr groß, ethische Bedenken zugunsten des Profits über Bord zu werfen.
Im Jahr 2012 waren in Österreich 128 biotechnologische Betriebe tätig, die mit den nebenbeschäftigen Betrieben und Bereichen insgesamt 15 400 Mitarbeiter beschäftigten. Der Umsatz dieser Branche lag bei immerhin 4,1 Milliarden €. Allein an diesen Zahlen sieht man, welche Bedeutung dieser Bereich in der Zwischenzeit erfahren hat und wie stark er eigentlich beobachtet werden muss.
Es wurden die Aufgabenbereiche des Biopatent Monitoring genau definiert, und ich möchte auch vorlesen, was alles darin verankert ist. Der Gesetzgeber hat also wie folgt definiert:
„1. Überprüfung der Auswirkungen der in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften auf Menschenrechte, Tiere, Pflanzen und ökologische Systeme sowie auf den Konsumentenschutz, die Landwirtschaft und die Entwicklungsländer;
2. Überprüfung der nationalen Erteilungs- und Spruchpraxis, insbesondere hinsichtlich § 1 Abs. 3 Z 2 und 3, § 2 Abs. 2 Satz 1 sowie §§ 36 und 37 PatG;
3. Überprüfung, ob die in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften folgenden Grundsätzen gerecht werden:
a) kein Patentschutz für Verfahren zum Klonen von Menschen und zur Veränderung der menschlichen Keimbahn;
b) kein Patentschutz für Verfahren, in denen menschliche Embryonen verwendet werden, und für Embryonen selbst;
c) keine weitere Einschränkung der ‚Tierschutzklausel‘ gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. d der Richtlinie;
d) Gewährung des Viehzüchter- und Landwirteprivilegs gemäß Art. 11 der Richtlinie;
e) Wahrung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl. Nr. 213/1995.
4. Beobachtung der forschungs- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen, insbesondere auch auf kleine und mittlere Unternehmen.“
Man hat also versucht, mit dieser Festlegung der Aufgabenbereiche möglichst viel abzudecken – ich glaube, es ist auch recht gut gelungen. Die Erteilung und Festlegung der Rahmenbedingungen ist im Bereich des Menschenklonens besonders wichtig. In den vorher erwähnten Fällen ist es auch nicht möglich, ein Patent zu erhalten. Sosehr Biotechnologie auch helfen kann, hat sie auch die Möglichkeit, den Menschen zu schaden, und zwar in einem Ausmaß, welches wir uns noch nicht vorstellen können.
Österreich hat mit dem Biopatent Monitoring Komitee eine gute Institution geschaffen. Wie gut dieses Komitee arbeitet, zeigt auch der vorliegende Bericht. Ich möchte mich für diesen vorliegenden Bericht bedanken, und meine Fraktion wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
15.52
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.
15.52
Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Der Bericht wurde ausführlich dargestellt. Ich möchte mich in meinen Ausführungen damit beschäftigen, was in Ländern passiert, in denen es auf dieser Ebene nicht so gute Gesetze wie in Österreich gibt, und zwar am Beispiel Monsanto und USA.
Monsanto ist ein Konzern mit 11,8 Milliarden Dollar Umsatz und 1,6 Milliarden Gewinn, allein das sollte einem schon zu denken geben. Er beschäftigt sich mit der Produktion von Saatgut, von gentechnisch verändertem Saatgut, und mit Agrikulturprodukten, vor allem Herbiziden. Genauer gesagt, produziert man gentechnisch verändertes Saatgut, das gegen ein einziges Herbizid resistent ist. Zugleich produziert man dieses Herbizid, bei dessen Anwendung dann alle anderen Pflanzen sterben und diese eine Pflanze mit dem gentechnisch veränderten Saatgut überlebt.
Damit sind sie sehr erfolgreich. Sie produzieren 85 Prozent des gentechnisch veränderten Saatgutes und haben davon in Amerika einen Absatz von 57 Prozent, in Europa und Afrika schon von 12 Prozent, Brasilien 10 Prozent, Asien 7 Prozent und 14 Prozent in den übrigen Regionen.
An und für sich ist das ein gutes Geschäftsmodell, wären da nicht die Praktiken, die Monsanto bei diesen Geschäften anwendet: auf der einen Seite die Verträge und auf der anderen Seite die Klagen.
Mit den Verträgen werden die Anwender relativ stark geknebelt. Auf der einen Seite müssen sie über Lizenzzahlungen ihr eigenes Land, ihren eigenen Grund und Boden mehr oder weniger wieder zurückpachten, auf der anderen Seite wird ihnen in diesen Verträgen untersagt, sich bei Ertrags- und Ernteausfällen negativ zu äußern beziehungsweise sich bei Klagen gegenüber Dritten zu äußern. Das heißt, sie werden mit diesen Verträgen dann auch mundtot gemacht.
Monsanto selbst klagt aber sehr viel. Es gibt auf der einen Seite eine Hotline, da können sich Menschen melden und andere Farmer anschwärzen, sie würden illegal Saatgut von Monsanto verwenden. Dafür gibt es sogar Prämien. Auf der anderen Seite hat Monsanto eine Stelle mit 70 Angestellten, die jährlich 10 Millionen € kostet, die all diesen Anzeigen nachgehen. Sie haben eine Direktive, sie fahren zu den Feldern, nehmen Proben, und dann werden die betreffenden Landwirte verklagt, dass sie illegal Genkonstrukte von Monsanto verwendet haben.
Im Jahr sind das rund 200 Klagen, wobei die meisten von Monsanto gewonnen werden. Und wer will sich schon mit solch einem Unternehmen anlegen?
Es gibt ein paar, die sich gegen diesen Konzern gestellt haben – und das auch erfolgreich. Da ist zum einen ein Bauer aus Amerika, Herr Stratemeyer. Er hat nachgewiesen, dass Monsanto nachweislich Urkundenfälschungen, das heißt Vertragsunterschriftenfälschungen, begangen hat und auf Basis dieser Verträge Klagen eingebracht hat.
Dann gibt es in Kanada Percy Schmeiser, der von Monsanto verklagt wurde, dass er gentechnisch verändertes Saatgut verwendet hat, das offensichtlich durch Blütenflug auf seine Felder gekommen ist. Percy Schmeiser kenne ich privat. Er hat einen langjährigen Prozess gegen Monsanto gewonnen und letzten Endes bekam er dafür den Alternativnobelpreis. Die Begründung dafür war sein Mut bei der Verteidigung der Biodiversität und der Rechte der Landwirte und dafür, dass er die Perversität der gegenwärtigen Auslegung der Patentgesetzgebung in Bezug auf die Umwelt und die Moral aufzeigt und anprangert.
Monsanto hat auch versucht, die bayerische Landwirtschaftsministerin zu verklagen, da sie ein Gentechnikanbauverbot ausgesprochen hat. Da hat Monsanto letzten Endes auch verloren.
Der Erfolg dieses Saatguts ist nicht so groß. Erst in der Vorwoche gab es eine Dokumentation im Fernsehen, dass die Erfolge zu wünschen übrig lassen, dass die positiven Auswirkungen relativ schnell nachlassen, auf der anderen Seite aber Resistenzen gegen dieses Totalherbizid entstehen, sodass nach wenigen Jahren bereits weitaus öfter und mit weitaus höheren Konzentrationen vorgegangen werden muss und letzten Endes die Umwelt und die Menschheit in diesen Regionen daran leiden.
Das zeigt eine Entwicklung auf, wie wir sie nicht wollen, und das zeigt auf, dass es gut ist, dass wir derartige Gesetze haben, die das auf der einen Seite kontrollieren und auf der anderen Seite auch verlangen, dass es diese Berichte gibt, womit wir in den Gremien kontrollieren, wie die Entwicklung bei uns vonstattengeht.
Es ist schade, dass es in Amerika eine andere Gesetzgebung gibt, und es ist auch schade, dass – wie wir in diesem Bericht lesen – die Gesetzgebung in der EU zwar vorhanden ist, aber nicht unbedingt so gut umgesetzt wird, wie in Österreich. Ich lese, dass es seit zwei Jahren eine Expertengruppe gibt, die in diesen zwei Jahren nichts zustande gebracht hat, außer dass man sich darauf geeinigt hat, wie man eine Tagesordnung zusammenstellt.
Für uns wird es gut sein, diese Berichte ernsthaft zu diskutieren, achtsam zu sein, auch in Hinblick auf TTIP und andere Verhandlungen, damit diese Dinge, die unsere Gesellschaft eigentlich nicht will, dann nicht über die Hintertür hereinkommen. Wir sollten hier
klare rote Linien ziehen. Wenn diese überschritten werden, sollten wir bei derartigen Abkommen nicht dabei sein.
Für unsere Gesellschaft sind die Art und Weise des Berichtes und auch die Erkenntnisse darin sehr gut, und wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)
15.59
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.
16.00
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich vorweg sagen: Danke für den sehr, sehr guten Bericht an die VerfasserInnen, wir stimmen sehr gerne zu.
Es wurde von meinen VorrednerInnen schon sehr viel gesagt, darum picke ich mir jetzt auch gerade einmal einen Punkt heraus, der mir aber sehr wichtig ist. Im Biopatent Monitoring Komitee sind VertreterInnen aller beteiligten Ministerien dabei, vom Umweltbundesamt, von der Bioethikkommission, von den Sozialpartnern und eben auch von NGOs.
Es wäre vorgesehen, dass der Verein für Konsumenteninformation und das Ökobüro auch VertreterInnen entsenden. Im letzten Berichtszeitraum ist niemand entsandt worden, jetzt dann doch vom Verein für Konsumenteninformation. Das Ökobüro zum Beispiel schickt jetzt dann auch noch jemanden über den Verein Arche Noah in das Monitoring Komitee.
Gerade mir als ehemaliger NGO-Vertreterin ist es wichtig, einmal anzusprechen, wie schwierig es für NGOs ist, ohne Kostenersatz, also ohne Fahrtkostenersatz, ohne Sitzungsgelder und so weiter in ehrenamtlichen Funktionen, in ehrenamtlichen Gremien mitzuarbeiten. Alle anderen, die im Biopatent Monitoring Komitee drinnen sind, sind BeamtInnen oder werden aus Kammerumlagen finanziert.
Ich würde stark empfehlen, dass man nicht nur hier, sondern generell in Kontrollgremien einen Kostenersatz für NGOs einführt, dass man sich das noch einmal überlegt, denn das erleichtert die Teilnahme für NGOs ganz enorm; und so ist es auch für ganz Österreich dann demokratischer. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
16.01
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014 (III-560-BR/2015 d.B. sowie 9478/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatter Ewald Lindinger: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014 zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte.
16.03
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich mich einmal bei dir, Herr Bundesminister, für diesen Jahresbericht recht herzlich bedanken. Wenn man sich damit beschäftigt, sieht man, dass er wirklich sehr übersichtlich ist. Jene Damen und Herren, die sich mit diesem Bericht auseinandergesetzt haben, haben wirklich ein Werk zur Orientierung geschaffen, vor allem für jene Menschen, die sich mit den Österreichischen Bundesbahnen auseinandersetzen.
Wir wissen, dass es seit 15 Jahren die Schienen-Control als wichtige Regulierungsbehörde des Bundes gibt und sie diesen Wettbewerb kontrolliert und dafür sorgt, dass der freie Zugang zur Schiene gewährleistet ist. Damit wird das Funktionieren eines liberalisierten Schienenverkehrsmarktes zu fairen Bedingungen sichergestellt.
Dieser Bericht 2014 zeigt in vielen Bereichen die hervorragende Entwicklung und die Bilanz für den österreichischen Schienenverkehrsmarkt auf, der für dieses Jahr 2014 so positiv ist. Ich habe es schon beim Eisenbahngesetz erwähnt: Österreich ist einfach das Bahnfahrland Nummer 1 in Europa. Wenn man bedenkt – und ich sage das noch einmal –, dass in Österreich im Schnitt um 45 Prozent mehr Menschen Bahn fahren als in anderen europäischen Ländern, dann weiß man, dass etwas passiert sein muss in den letzten Jahren, und das ist auch nachvollziehbar.
Kollege Dörfler hat es auch gesagt: In den letzten zehn Jahren hat die Bahn Fahrt aufgenommen! Ich glaube, dazu muss man auch stehen. Schaut man sich die Zahl der Reisenden an, die 2014 wieder um 1,4 Prozent auf 278 Millionen Fahrgäste gestiegen ist, und die Personenkilometer, die gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent auf 12,1 Milliarden gestiegen sind, dann sieht man dieses hervorragende Ergebnis.
Das heißt, dass statistisch jede Österreicherin und jeder Österreicher jährlich bereits über 1 400 Kilometer mit der Bahn fährt. Auch private Eisenbahnunternehmer – und das wird bei dieser Regulierungsbehörde auch berücksichtigt –, die im Bereich des Personenverkehrs Zuwächse erzielen, haben den Anteil erhöht; im Jahr 2014 um rund 1 Prozent, also um 0,9 Prozent auf 15,4 Prozent.
Die Fahrgastzahlen haben schon in den letzten Jahren gezeigt, dass das Angebot immer besser angenommen wird. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung für den umweltfreundlichen – und das unterstreiche ich auch noch einmal, das habe ich auch vorhin schon getan – Verkehr der Zukunft, bei dem die Eisenbahn einen besonders hohen Stellenwert einnimmt.
Ich denke aber auch, dass das Marketing für sanfte Mobilität – ich war selbst lange im Tourismus beschäftigt – durch die Mobilitätszentralen sehr wichtig ist. Ich nehme nur eine heraus, die in meiner Nähe im Salzburger Bereich, in Bischofshofen, ist. Dort wird
das Bahnfahren organisiert, man kann aus allen Herkunftsländern Europas anrufen, um sich günstige Tarife zusammenstellen oder Dinge organisieren zu lassen.
Ich glaube, man muss auch wissen, dass in den Städten, vor allem in Deutschland, in Zukunft immer weniger Autos zugelassen werden, sodass die Menschen mehr mit der Bahn fahren werden, nicht nur die Österreicherinnen und Österreicher. Das ist auch eine gute Möglichkeit, Menschen aus allen Ländern darauf anzusprechen, bei uns Urlaub zu machen.
Auch im Güterverkehr wurde eine deutliche Steigerung verzeichnet: mit 22,5 Milliarden Nettotonnenkilometern ist das ein noch nie erzielter Wert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Verkehrsleistung um 6 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Jahr 2009 beträgt die Zunahme sogar 17 Prozent. Eigentlich ist es unvorstellbar, dass insgesamt 113,3 Millionen Tonnen Güter im Jahr 2014 auf der Schiene transportiert worden sind.
Es ist aber auch so, dass das alles nicht nur von den Österreichischen Bundesbahnen organisiert wird, es gibt ab 2014 fünf neue Eisenbahnunternehmen im österreichischen Schienennetz. Damit sind insgesamt 52 Eisenbahnunternehmen in Österreich aktiv, und neben den 43 heimischen Eisenbahnunternehmen sind auch neun weitere Unternehmen aus dem EU-Raum registriert.
Es gibt auch – und das sollte man ebenfalls bei dieser Gelegenheit sagen – einen absoluten Trend zur Kooperation über die Grenzen hinweg. Immer häufiger werden Züge an der Grenze in unterschiedlichen Bahnunternehmen abgenommen. Ich weiß es zwar jetzt nicht so genau, aber ich glaube, allein die Taurus kann ja umschalten im Strombereich von Wechselstrom auf Gleichstrom. Stimmt das, Herr Bundesminister? (Bundesminister Stöger nickt bejahend.) Das ist ja nicht so einfach, da die Spurbreite der Schienen und alles mit dem Strom zusammenstimmen muss. Wir haben Partner beziehungsweise Tochtergesellschaften quer durch ganz Europa.
Die Schienen-Control regt an, sich auch mit den Rahmenbedingungen des Bahnstrommarktes zu beschäftigen. Dieser ist auch überarbeitet worden, und es ist nicht immer nur so, dass die Infrastruktur den Strom zur Verfügung stellt und ich den von dort abnehmen muss, sondern ich habe die Möglichkeit, den direkt zu holen. Dieser externe Stromlieferant ist durch die Durchleitungen an bestimmte Bedingungen gebunden; das liegt dann in weiterer Folge auf der Hand.
Wir haben über die Schlichtungsstelle der Schienen-Control schon gesprochen. Das haben wir, glaube ich, in einem Gesetz irgendwann einmal auch beschlossen. Die Möglichkeit für die Fahrgäste, gewisse Dinge zu beeinspruchen, wenn sie sich irgendwo nicht so behandelt fühlen, wie sie sich das vorstellen, ist, glaube ich, glänzend gelöst worden. Bei 781 Fahrgästen, die in der Schlichtungsstelle versucht haben, ihr Recht zu bekommen, sind von 527 Beschwerdefällen 483 gelöst worden, und über andere wurde in Form von Zusagen für diverse andere Möglichkeiten eine Einigung erzielt.
Ich denke, bei dieser Schlichtungsstelle geht es gar nicht so um viel Geld, sondern es geht darum, dass der Mensch das Gefühl hat, dass man sich um ihn bemüht. Das ist auch die wirkliche Qualität der Bahn, die in den vergangenen Jahren Einzug gehalten hat. Es geht um 19 000 bis 24 000 €, also da reden wir nicht von Größen, sondern eigentlich davon, dass man sich von jenen Bereichen vertreten fühlt.
Besonders wichtig ist auch die Behandlung der Anliegen von Menschen mit Behinderung. Das ist nicht nur bei der Bahn so, sondern auch bei uns, bei den Gemeinden, in den öffentlichen Bereichen und überall anders auch, dass es die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung gibt. Da wird die Bahn sicher das eine oder andere noch zu machen haben, aber es ist schon viel gemacht worden. Ich denke da nur an Unterführungen bei Bahnhöfen, was sehr viel Geld kostet. Auch dort wird es eine Schlichtungsstelle in weiterer Folge geben.
Positiv ist zu bemerken, dass dieser Service durch die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte als künftige zentrale Anlaufstelle für Passagiere aller Verkehrsträger zur Verfügung stehen wird. Konsumenten sind daher auch in Streitfällen mit Busunternehmen, Airlines, Schifffahrtsunternehmen und allem, was da dazugehört, vertreten.
Abschließend möchte ich hervorheben, dass dem Bericht 2014 der Schienen-Control eine sehr positive Entwicklung zu entnehmen ist. Wir würden uns wünschen, im nächsten Jahr auch wieder hier zu stehen und über 2015 den gleichen Bericht geben zu können.
Ich möchte es aber auch nicht verabsäumen, an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Österreichischen Bundesbahnen, an der Spitze Vorstandsdirektor Mag. Christian Kern, für den Einsatz im Zuge der Bewältigung der Flüchtlingsströme zu danken. Durch ihre rasche und qualifizierte Arbeit konnten schwierige logistische Probleme beim Transport der Flüchtlinge vorbildlich und unkompliziert gelöst werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
16.12
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gödl. – Bitte.
16.12
Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Bundesminister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es braucht nicht mehr viel hinzugefügt zu werden, es war ein Aufriss des gesamten Berichtes durch meinen Vorredner. Ich möchte mich auch namens meiner Fraktion dem Dank anschließen.
Ich habe hier schon mehrmals zu diesem Thema gesprochen, weil ich selbst einer bin, der sehr gerne den öffentlichen Verkehr in Anspruch nimmt. Ich bin auf jeden Fall einer, der weit über dieser Durchschnittszahl von 1 425 Bahnkilometern pro Jahr liegt.
Ich erinnere mich zurück: Im Jahr 1999 bin ich mit dem Zug – es war eine meiner ersten Zugfahrten, denke ich – nach Dänemark gefahren, um meine Studienkollegen zu besuchen. Es war interessant, dass, je weiter wir in den Norden gekommen sind, umso besser die Zugbedingungen waren. Ich war völlig positiv überrascht, wie gut die Zugausstattung, die gesamte Bahninfrastruktur in Dänemark damals schon war. Und ich habe mir gedacht: Was ist da los? Wie kann das in Österreich noch relativ rückständig sein und im Norden von Europa schon so weit fortgeschritten?
Übrigens, diese Reise damals war, im Nachhinein betrachtet, ein guter Feldzug, denn in Dänemark habe ich nämlich meine Frau kennengelernt. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Im Zug! Wie romantisch Zugfahrten sind!) Sie sieht es auch so, ich meine, das zeugt davon. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
Wenn man heute die Infrastruktur in Österreich betrachtet, sieht man Folgendes: Wir haben wirklich aufgeholt und vielleicht in dem einen oder anderen Bereich sogar Maßstäbe gesetzt. Diese Schienen Control-Behörde spielt natürlich indirekt und direkt eine wichtige Rolle dabei, denn einer der Punkte, warum wir uns so stark verbessert haben, ist natürlich, dass es eine Form des Wettbewerbs geben kann, dass es auch Mitbewerber geben kann.
Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass es in Österreich 52 Bahnunternehmen gibt – die ÖBB und 51 private, wobei „privat“ unter Anführungszeichen insofern zu setzen ist, als viele Nebenbahnen ja auch in öffentlicher Hand sind, aber sie werden unter dem Terminus „privat“ geführt. Diese Privatbahnen haben in Österreich immerhin einen Marktanteil, und den konnten sie im Vorjahr steigern, und zwar von 14,5 Prozent auf 15,4 Prozent.
Es gibt natürlich im öffentlichen Verkehr noch viele andere wichtige neue Marktteilnehmer – Kollege Dörfler hat es vorhin angesprochen, er ist jetzt nicht da –, das gesamte Bus-Verbindungssystem zwischen den größeren Städten. Es gibt heute sehr praktische Busverbindungen von Graz nach Wien. Natürlich müssen sich die ÖBB preislich und qualitativ anstrengen, um eben nicht Marktanteile zu verlieren.
Besonders wichtig für diese Neuausrichtung und für den neuen Impuls für den öffentlichen Verkehr und damit auch für das gesamte Bahn- und Buswesen sind die Chancen der Digitalisierung.
Wir haben gestern eine sehr interessante Enquete abgehalten, mit sehr interessanten Beiträgen aus allen Branchen, auch aus der Verkehrsbranche. Tatsächlich gibt es dort ganz große Möglichkeiten in der Organisation, in der Vertaktung, und, und, und, den öffentlichen Verkehr noch attraktiver zu machen, damit eben der Individualverkehr durchaus noch weniger notwendig ist, dass es eben noch mehr Möglichkeiten für die Bevölkerung gibt.
Natürlich gibt es noch vieles zu verbessern. Wenn man heute über den Semmering fährt, hat man zum Beispiel noch immer ein großes Problem mit dem Telefonieren, ein großes Problem mit der Internetanbindung. In der Bahn von Graz nach Wien, im Abschnitt, der zirka eine Stunde dauert, von Mürzzuschlag bis fast Wiener Neustadt oder zumindest bis Gloggnitz, da ist es sehr mühsam. Man kann quasi nicht telefonieren, da die Verbindung immer alle paar Minuten abbricht. Da besteht natürlich Verbesserungsbedarf. Aber wir wollen nicht 10 Jahre warten, denn in 10 Jahren soll der Semmering-Basistunnel fertig werden, wobei wir sehr dankbar sind. Gerade aus Sicht der Steiermark, glaube ich, dürfen wir dieser Bundesregierung, aber auch der vorigen, der Schüssel-Haider-Regierung, wirklich herzlich danken, dass sie diese Projekte in die Wege geleitet haben, nämlich im Sinne der Südbahn den Semmering-Basistunnel und auch die Koralmbahn und den Koralmtunnel.
Noch ein Wort zur Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die auch bei der Schienen-Control angesiedelt ist. Wir haben heuer im Frühjahr, sofern ich mich richtig erinnere, erst den Beschluss gefasst, dass alle Beschwerden bei dieser Agentur zusammenlaufen, also auch Beschwerden, die mit dem Flugverkehr zu tun haben, Beschwerden, die mit dem Schiffsverkehr zu tun haben und natürlich auch Beschwerden, die jetzt auch mit dem immer stärker werdenden Busverkehr zu tun haben.
Es ist schon, glaube ich, eine gute Leistungsbilanz, wenn 781 Beschwerdefälle vorgebracht wurden – der Kollege hat vorhin die Zahlen genannt – und es nur bei 33 Beschwerdefällen keine Einigung gab. So gesehen ist das auch eine hohe Rate, die als sehr positiv zu sehen ist.
Wie gesagt, dieser Bericht ist ein Qualitätszeugnis für die Entwicklung im öffentlichen Verkehr, für die Entwicklung im Eisenbahnmarkt. Wir können, in Summe gesehen, stolz darauf sein, wie wir als Österreich, auch unsere Bundesregierung, mit diesem Thema eine ständige Weiterentwicklung erreicht haben.
Aber Qualität ist nie am Ende, man muss sich immer weiter bemühen: Vertaktung, Pünktlichkeit, neue Zuggarnituren – es gibt ja auch noch immer sehr alte Zuggarnituren, die im Einsatz sind. Auch die gesamte Bahnhofsinitiative sei noch positiv erwähnt. Genau vor einem Jahr wurde der Bahnhof in Wien endgültig zur Gänze eröffnet. Vor Kurzem haben wir den Bahnhof in Graz fertiggestellt – es musste leider die Eröffnungsfeier aufgrund der Flüchtlingsproblematik in der Steiermark abgesagt werden. Oder, wofür ich auch sehr dankbar bin: In meinem eigenen Bezirk in Graz-Umgebung wurde der Bahnhof Frohnleiten erst vor Kurzem saniert.
Es hat sich vieles getan in punkto bessere Qualität, und das schlägt sich auch positiv in diesem Bericht nieder, nämlich insofern positiv, als immer mehr Bürger immer mehr Ki-
lometer mit der Bahn fahren. – In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)
16.19
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.
16.19
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich finde diesen Bericht ausgesprochen übersichtlich, informativ und gut aufbereitet.
Ich will jetzt keine Zahlen aus diesem Bericht wiederholen. Jeder, den es interessiert, kann sie nachlesen, und bei dem, den es nicht interessiert, werden sie auch bei der zweiten Wiederholung keine Aufmerksamkeit erringen.
Man kann das Ganze zusammenfassen: In eigentlich allen Bereichen gibt es leichte Steigerungen im Vergleich zum Vorjahr – im Personenverkehr, im Güterverkehr, im Anteil der privaten Bahnen, es gibt mehr Triebfahrzeuge, und beim Schienennetz gibt es ganz geringe Erhöhungen. Wir sind da aber – das ist heute bereits mehrmals positiv angesprochen worden – guter Hoffnung, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis auf der Südbahnstrecke ein gewaltiger Sprung nach vorne erreicht werden wird.
Die Koralmbahn ist mittlerweile in eigentlich allen Baulosen zumindest in der Ausschreibungsphase, und die wesentlichen Dinge sind bereits in Bau – mittlerweile auch der Abschnitt im Granitztal. Am Semmering befindet sich das letzte Hauptbaulos SBT 3.1, Tunnel Grautschenhof, gerade in der Ausschreibung. Auch diese Projekte werden also nicht mehr gestoppt werden können. Gott sei Dank! Auch die Brennerachse mit dem Brenner Basistunnel geht jetzt zügig voran.
Wo ich jetzt noch einen gewissen Nachholbedarf sehe, was sehr schleppend vorangeht, das ist die Pyhrn-Achse. Gerade für mich als Obersteirer hat auch diese eine durchaus große Bedeutung.
So zieht sich das durch den Bericht durch. Auch in der Pünktlichkeitsstatistik gibt es leichte Verbesserungen; allerdings enthält diese Statistik für uns einen Wermutstropfen, der aber nicht im Bereich der Schienen-Control liegt, sondern, wie mir im Ausschuss gesagt wurde, im Bereich der ÖBB und der Zurverfügungstellung der Daten. Hier steht nämlich drinnen, dass Schienenersatzverkehre und Zugausfälle in der Pünktlichkeitsstatistik nicht berücksichtigt werden. Ich rede hier jetzt von den ungeplanten Ereignissen, also nicht jenen, die aufgrund von Baumaßnahmen bereits auf längere Zeit absehbar und mit entsprechenden Ersatzfahrplänen versehen sind. Gerade das ist natürlich etwas, was das Qualitätsempfinden und die Zufriedenheit der Kunden ganz wesentlich beeinflusst – also es beeinflusst wesentlich mehr, wenn er überhaupt ausfällt als dann, wenn ein Zug zehn Minuten verspätet ist.
Es wurde mir vonseiten der Schienen-Control versichert, dass Hoffnung besteht, dass diese Statistik im nächsten Bericht enthalten sein wird und die ÖBB die entsprechenden Daten liefern. Das wird dann im Bericht 2015 besonders spannend werden, denn da werden wir dann wahrscheinlich die Auswirkungen des Flüchtlingschaos auch in diesen Statistiken feststellen können. Damit bin ich also bei dem einzigen Punkt, in dem ich mit dem Kollegen Novak nicht übereinstimme; aber unsere Haltung zu dieser Art und Weise, wie sich der Herr Kern verhalten hat, ist bekannt, nämlich dass wir das mehr oder weniger als eine Art Schlepperei betrachten.
Zu den Fahrgastrechten ist auch bereits erwähnt worden, dass es einen leichten Rückgang bei den Beschwerden und auch bei den Schlichtungsverfahren gibt.
Also insgesamt lässt sich feststellen, dass es natürlich Verbesserungsbedarf gibt. Den gibt es in jedem Unternehmen; die Zeit bleibt nicht stehen. Ich hoffe auch, dass gerade die S-Bahn in der Steiermark, in der Obersteiermark entsprechend ausgebaut und die Obersteiermark damit angebunden wird.
Im Großen und Ganzen zeigt sich also ein positives Bild, das hier in einem guten Bericht vermittelt wird. Daher erteilen wir unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)
16.24
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.
16.24
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Danke für den schönen, übersichtlichen und detaillierten Bericht. Er ist auch optisch schön gestaltet, er ist modernisiert worden. Das nehmen wir natürlich gerne an. Danke schön.
Vor einem Jahr habe ich mich beim letzten Schienen-Control-Bericht vor allem auf den Güterverkehr konzentriert – bei der Masse der Güter ist auch weiterhin noch deutlich Luft nach oben –, aber heute möchte ich mich auf etwas anderes konzentrieren, nämlich auf den Personenverkehr.
Der Personenverkehr hat sich in der Pünktlichkeit im Vergleichszeitraum 2010 bis 2014 enorm und kontinuierlich gesteigert. Es gibt daran also wirklich fast nichts mehr auszusetzen. Die Personenkilometer sind von 2010 bis 2014 auch kontinuierlich nach oben gegangen – nämlich 13 Prozent Zuwachs innerhalb von diesen vier Jahren. Das sind jetzt im Vergleich von 2010 auf 2014 36 Millionen Reisende mehr pro Jahr, und da kann man schon recht stolz darauf sein.
Worauf möchte ich aber hinaus? – Um noch mehr Leute zum Umsteigen auf die Bahn zu bewegen, sind meines Erachtens vor allem drei Dinge wichtig: Es muss der Preis attraktiv sein – da kann ich zum Beispiel das 365-€-Ticket vorschlagen, weil das in Wien und Vorarlberg sehr gut funktioniert hat, sodass mehr Leute umgestiegen sind –, die Pünktlichkeit funktioniert jetzt auch schon relativ gut, und der dritte Punkt sind aus meiner Sicht Bequemlichkeit und Komfort. Es muss also auf spezielle Bedürfnisse der Fahrgäste eingegangen werden.
Die ÖBB ist bezüglich der Barrierefreiheit aufgrund einer EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit wirklich sehr bemüht – gerade jetzt bei Umbauten von Bahnhöfen und so weiter –, auch weiterhin auf den Umbau und die Modernisierung zu setzen, aber vor allem Fernzüge sind vorrangig auf PendlerInnen und Geschäftsreisende ausgerichtet. Das, was total fehlt, ist Familienfreundlichkeit.
Auf die Bedürfnisse von Frauen und Familien mit Kleinkindern und Babys wird kaum eingegangen. Der Railjet hat für 400 Sitzplätze gerade einmal zwei Kinderwagenplätze. Intercity und Eurocity haben gar keinen Kinderwagenplatz, da kann man einen Kinderwagen in das Postabteil stellen, hat aber keinen Rechtsanspruch darauf. Es liegt also wirklich am Gutdünken des Schaffners oder der Schaffnerin, ob man den Kinderwagen ins Postabteil stellen kann. Intercity und Eurocity haben dafür ein Stillabteil und ein Damenabteil, die sind aber meistens zugesperrt. Mir ist es so erklärt worden, dass das eine Vorgabe der ÖBB ist, weil sich sonst einfach Leute, die nicht stillen oder keine Damen sind, in diese Abteile setzen. Praxistauglich ist das allerdings nur sehr beschränkt, weil man als Mutter mit einem schreienden Kleinkind oder Baby am Arm durch den ganzen Zug sausen und den Schaffner suchen müsste, damit der einem das Abteil aufsperrt. Eben diese Stillabteile und Damenabteile gibt es im Railjet überhaupt nicht
mehr, und zum Beispiel auf der Westbahn-Strecke verkehrt im weiteren Verkehr fast nur mehr der Railjet.
Folgendes ist auch ein Thema: Der Railjet hat keine kinderfreundlichen Abteile. Die Schalensitze im Railjet sind für Babys, die noch nicht sitzen können, überhaupt nicht geeignet. Wenn ich also ein Baby habe, das noch nicht sitzen kann, dann muss ich das, wenn es blöd hergeht, von Wien bis Bregenz entweder am Arm oder in einer Bauchtrage halten, weil es keine Möglichkeit gibt, das Baby irgendwohin zu legen.
Es gibt in manchen Intercitys und Eurocitys keine Wickelmöglichkeiten. Im Railjet gibt es manchmal Wickelmöglichkeiten, nämlich in den größeren Toiletten für RollstuhlfahrerInnen, aber manchmal auch nicht, dann gibt es in den engen Toiletten des Railjets nämlich ein seitlich herunterklappbarer Wickeltisch. Sie wissen jedoch alle, wie beengend es auch ohne Baby und ohne Wickeln in einem Railjet ist.
Ich weiß, da wird jetzt sicher lange nichts passieren, sodass ich wirklich sagen kann, es ist jetzt für Familien mit Kleinkindern und Babys zufriedenstellend, weil Bestell- und Lieferzeiten für Zuggarnituren ewig lang sind. Je früher man das aber mitdenkt und je früher man in diese Richtung mit einplant, desto besser, weil Familien und Frauen mit Babys und Kleinkindern ein großer Anteil an der österreichischen Bevölkerung sind, ja das ist ein großer Anteil an potenziellen BahnfahrerInnen. Es wird sich einfach in den Fahrgastzahlen widerspiegeln, wenn man da auf die Bedürfnisse eingeht und die Möglichkeit schafft, auf die Bahn umzusteigen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)
16.29
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.
16.29
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage es immer und ich möchte es immer wieder wiederholen: Die Mobilität ist das äußere Zeichen von Freiheit. Wer Menschen die Freiheit nehmen will, schränkt ihnen die Mobilität ein.
Autoritäre Systeme schränken die Mobilität der Menschen ein; und manche Menschen haben keinen Zugang, um sich bewegen zu können. Gerade das österreichische System der Bahn stellt sicher, dass Menschen mehr Freiheit haben, und daher investieren wir ganz intensiv in den Ausbau der Bahnanlagen, in den Ausbau der Schiene. Wir werden jährlich 2 Milliarden € für den Ausbau des Bahnbetriebes zur Verfügung haben. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
Wir bauen in vielen Feldern aus; es geht um Barrierefreiheit, es geht um moderne Ansprüche an Bahnhöfe. Ich bedanke mich auch bei Frau Bundesrätin Schreyer. Sie hat recht, wenn sie das einfordert, was Frauen, Mütter brauchen, wenn sie das Angebot der Bahn nutzen wollen. Da müssen wir lernen. (Bundesrat Pisec: Auch Männer!) Das ist korrekt – auch Männer. (Bundesrat Mayer: Die stillen nicht! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)
Es ist auch wichtig, dass man weiß, dass eine durchschnittliche Zuggarnitur eine Investitionszeit von bis zu 40 Jahren hat. Daher ist es gerade jetzt wichtig, in modernste Ausstattung zu investieren, und das tun wir. Wir werden jetzt Investitionen in den Cityjet haben, wir haben auch Investitionen in den Bereich des Railjets getätigt. Es ist sicher auch abzuklären, was wir dahin gehend noch tun können.
Wir haben, um das Bahnfahren noch angenehmer zu machen, um den Menschen Zeit zurückzugeben, auch jetzt eine Investition vereinbart, damit man die neuen Techniken –
der Bundesrat hat sich gestern mit der Frage des digitalen Wandels auseinandergesetzt – auch während des Bahnfahrens nutzen kann und einen vernünftigen Anschluss an die Kommunikationstechnologien hat. Da werden wir weiter investieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Österreich das liberalisierteste System in Europa hat, was die Bahnen anbelangt. Jeder kann in Österreich die Bahn nutzen. Wir haben 52 unterschiedliche Unternehmen, die Bahnverkehr anbieten – die einen Güterverkehr, die anderen Personenverkehr. Ich glaube, auch das ist wichtig, und das zeigt, dass wir diese Investitionen auch stärken wollen.
Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SCHIG, weil sie dazu beiträgt, sichtbar zu machen, welche Qualitäten gerade im Bahnverkehr vorhanden sind. Wir haben mit unserem Verkehrsverbund und mit diesen Verkehrsverträgen sichergestellt, dass wir ein leistungsorientiertes Bahnsystem haben, das im Interesse der Kunden und Kundinnen weiterentwickelt wird.
Ich ersuche um Kenntnisnahme dieses Berichtes. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
16.33
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung 2014 (III-562-BR/2015 d.B. sowie 9479/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2014.
Der Alarm- und Maßnahmenkatalog wurde erstellt, damit wir 2020 in die Gruppe der „Innovation Leader“ aufsteigen.
Da Ihnen auch dieser Bericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwicklung 2014 zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte.
16.34
Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Für mich ist der Forschungs- und Tech-
nologieentwicklungsbericht einer der wichtigsten Berichte, die es in unserer Gesellschaft und in unserer Zeit überhaupt gibt. Forschung, Entwicklung und Technologie spielen in jeden Bereich unseres Lebens hinein. Verabschieden wir uns von Forschung und Technologieentwicklung, dann könnten wir genauso gut wieder in Höhlen zurückkehren und hoffen, dass wir nicht vergessen, wie man Feuer macht.
Dieser Bericht dient dazu, aufzuzeigen, wie wir eine Stärkung im Bereich Forschung, Technologie und Innovation erreichen können. Ein ganz besonderes Ziel ist es, Österreich stärker zu machen und bis zum Jahr 2020 ins internationale Spitzenfeld zu bringen. In diesem Bericht wird nicht nur analysiert, es wird auch aufgezeigt, wie wir dieses Ziel erreichen können. Ein Hauptthema ist natürlich auch die monetäre Ausstattung der Bereiche, die hier besonders gefördert werden müssten. Dazu zählen in erster Linie die Universitäten, aber auch unser Bildungssystem im Ganzen. Im Bereich der Universitäten sind Maßnahmen bei der Finanzierung und im organisatorischen Bereich zu setzen. Unsere Universitäten sind also nicht mehr für den Zug der Zeit gewappnet.
Bei der Finanzierung oder bei der budgetären Ausstattung für Forschung und Technologieentwicklung hat Österreich zum ersten Mal die 10-Milliarden-€-Grenze überstiegen. Das bedeutet, dass wir also eine Forschungsquote von 3,01 Prozent haben; in diesem Bericht wird aber empfohlen, diese Forschungsquote weiter zu erhöhen.
Ein nicht unwesentlicher Teil in diesem Bericht betrifft die Modernisierung unseres Bildungssystems. Wie schon gesagt, sind nicht nur im universitären Bereich Maßnahmen zu setzen, sondern ganz speziell und auch sehr wichtig sind die Veränderungen im Bereich der Bildung der Kinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren. Hier wird der Grundstein für das zukünftige Leben gelegt, und wir sind hier in Österreich wahrlich nicht besonders gut ausgestattet. Es kann nicht sein, dass wir froh sind, dass Kaiserin Maria Theresia die Schulpflicht eingeführt hat, und wir diese seit dieser Zeit fast unverändert weiterführen. Zugegeben, das ist schon ein wenig überspitzt gesagt (Bundesrat Schennach: Find’ ich auch!), aber es soll nur verdeutlichen, dass es höchst an der Zeit ist, das Bildungssystem zu verändern.
Österreich ist bei der Beschäftigungsquote, dem BIP-Anteil pro Kopf und bei den Arbeitslosenzahlen eines der erfolgreichsten Länder der Welt. Auch beim Leistungsbilanzüberschuss liegen wir im Spitzenfeld.
Eine notwendige Maßnahme ist eine Verbesserung der Migration und Integration. Durch Verbesserungen der Integration – und nicht nur im Bereich der akademischen Migration – muss eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht werden. Wenn die Österreicher und im Gegenzug die Migrantinnen und Migranten die gegenseitigen Kulturen nicht verstehen und nicht akzeptieren, kann dies nur zu einem weiteren Abrutschen Österreichs im internationalen Ranking führen.
Österreich ist im Gesamten gesehen auf einem guten Weg; es bedarf aber noch einiger Anstrengungen – und nicht nur finanzieller Ausstattung –, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Ich persönlich bin aber optimistisch, dass uns dieses Vorhaben gelingen wird, wenn wir über Partei- und ideologische Grenzen hinweg für Österreich und unsere Bevölkerung arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
16.39
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.
16.39
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der jährliche Bericht, den wir da in den Händen halten, spiegelt eigentlich das wider, was die Wirtschaft schon seit Jahren
fordert, nämlich in was die Politik investieren soll, was es braucht, damit es einen Aufschwung in Österreich gibt.
Kollege Beer ist viele einzelne Punkte durchgegangen, ich glaube, wir müssen das nicht wirklich alles wiederholen. Ich richte ganz kurz einen Appell an die Bundesregierung: Möge sie das Vorwort, das sie selber geschrieben hat, ernst nehmen und die Punkte, die darin aufgelistet sind, darüber, wo Verbesserungen notwendig sind, damit Wirtschaftswachstum wieder stattfinden kann, angehen, und das sofort! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)
16.40
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Längle zu Wort. – Bitte.
16.41
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg) : Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf mich da gleich den Worten der Frau Kollegin anschließen. Ich richte dieselbe Aufforderung an die Bundesregierung. Was ich aber sagen möchte, was auch Kollege Beer bereits erwähnt hat: Ich denke, dass diese 10 Milliarden € – wir waren ja 2011 noch bei rund 8 Milliarden € – sicherlich gut investiert sind. Forschung und Entwicklung beziehungsweise Technologieentwicklung darf man sicherlich nie außer Acht lassen.
Ich habe mir auch angeschaut, wie das finanziell ausschaut im Verhältnis zu Deutschland, und da liegen wir auch ungefähr proportional, im Verhältnis gleichauf. Ich denke, dass wir da gut unterwegs sind.
In diesen rund 66 Seiten geht es um Perspektiven, Empfehlungen und Veranstaltungen. Auch ich möchte jetzt nicht alles wiederholen. Aber eine Veranstaltung möchte ich doch exemplarisch herausnehmen, und zwar die vom 15. Mai unter dem Motto „Eine Vision für Österreich im Jahr 2050 – Staatsvertrag für die Zukunft“, bei der unter anderem der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin gesprochen hat. Da ging es um wichtige Dinge wie eben Bildung, Innovation und Strukturwandel. Ich denke, das sollte man nicht vergessen und stets auch weiterhin fördern.
Ein Bereich auch noch bezüglich Ranking im universitären Forschungsprozess: Da liegen wir ja deutlich hinter der Schweiz. Das wundert mich jetzt zwar nicht. Die Schweiz hat ja auch einige andere Bereiche, wo sie vor uns liegt, gerade im Bereich der direkten Demokratie. Auch das ist ja etwas, das wir Freiheitliche immer wieder einfordern. (Beifall bei der FPÖ.)
Man sieht da schon, wie gut das auch funktionieren kann, gerade in diesem Ranking. Dennoch hoffe ich, dass wir durch die im Bericht erwähnten Maßnahmen bis 2020 wenigstens die Staaten Israel, Niederlande und USA einholen können. Ich hoffe das zumindest.
Bezüglich Stärkung – das wurde schon vom Herrn Kollegen erwähnt, ich darf das noch einmal wiederholen – der Forschungsinfrastruktur österreichischer Standorte: Das ist vor allem für uns Freiheitliche ein wichtiger Punkt. Ebenso wichtig ist für uns die Stärkung der Grundlagenforschung und der medizinischen Einrichtungen. Da kommt jetzt ja auch Linz mit seinem Universitätsklinikum dazu. Ich denke, dass das schon positiv ist. Ich glaube, dass wir gut unterwegs sind, und hoffe, dass sich dieser Trend hier fortsetzen wird.
Abschließend darf ich sagen, dass wir Freiheitliche dem Bericht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
16.43
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort. – Bitte.
16.43
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für das ganze Berichtskonvolut. Es ist wie immer sehr interessant und aufschlussreich gewesen.
Auch ich möchte mich ganz kurz halten. Mein Vorredner ist schon eingegangen auf das Thema Universitäten-Ranking, auf die Probleme, die wir immer wieder haben mit dem Braindrain aus Österreich hinaus. Ich möchte nur kurz auf die Empfehlungen des Rates für Forschung und Technologieentwicklung bezüglich der Finanzierung eingehen.
Der Rat empfiehlt das Schließen der Finanzierungslücke im F&E-Bereich, um bis 2020 endlich auf die F&E-Quote von 3,74 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen. Es wird eine Umschichtung von Ressourcen aus den weniger produktiven Bereichen in Richtung Forschung und Entwicklung empfohlen und es werden vom Rat auch immer wieder Empfehlungen für die Universitäten ausgesprochen.
Was ich auch ganz kurz noch erwähnen möchte: Es gibt hier eine aufschlussreiche Tabelle zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung in Österreich im Vergleich zur Schweiz und zu Bayern, also zu Ländern, die von der Größe und von der Einwohnerzahl relativ gut vergleichbar sind. Dabei fällt auf, dass die Mittel, die vom Staat für die AbsolventInnen ausgegeben werden, in der Schweiz pro Absolvent mehr als doppelt so hoch sind wie in Österreich, in Bayern immerhin 1,4-mal so hoch, also auch fast um die Hälfte höher.
Wenn man dann die technischen Universitäten vergleicht: Die TU Wien gibt im Mittel 134 000 € pro Absolventen/pro Absolventin aus, bei der ETH Zürich sind es 334 000 €. Das sind schon Relationen! In der Schweiz wird pro Studenten, Studentin um das Zweieinhalbfache mehr ausgegeben – ich meine, technische Bereiche sind natürlich teurer – als in Österreich. Da haben wir auch die Erklärungen dafür, dass die ETH Zürich im Universitäten-Ranking um einiges weiter vorne liegt als die TU Wien. (Bundesrat Pisec: Wen wundert’s?)
Also bitte da einfach, sei es für unsere Zukunft, sei es für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Österreich, ein bisschen mehr anzuziehen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)
16.46
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.
16.46
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke allen Autorinnen und Autoren für diesen Ratsbericht. Und bevor ich ins Inhaltliche einsteige: Warum ist mir dieser Rat so wichtig?
Der ist mir deshalb wichtig, weil diese Ratsmitglieder den Luxus haben, in ihrer Funktion etwas Abstand vom realen Forschungsgeschehen in Österreich zu haben und uns einen ruhigen und unabhängigen Blick über die Forschungslandschaft und über die Technologieentwicklung zu geben – und genau diesen Blick brauchen wir.
Für mich ist die Technologiepolitik in Österreich eine Standortfrage. Mein Ziel ist es, dass sich unser Land als starker Technologie- und Industriestandort behaupten kann. Wir sind in vielen Feldern ganz vorne. Ich habe gestern die Bahnindustrie da gehabt. Das sind große Unternehmen, die Weltmarktführer sind, die technologisch ganz vorne dabei sind. Darum liegt mein Fokus in der Technologiepolitik in der industriellen Infrastruktur. Wir wollen Produktionsforschung stärken, IKT ausbauen, das Breitband ausbauen.
Danke auch dem Bundesrat dafür, dass er sich hier mit dem Thema der digitalen Welt auseinandersetzt. Wir wollen in den Energietechnologien vorne dabei sein, wir machen Aktivitäten in Mobilitätstechnologien; und weil es 2014 so schön war: Wir werden wieder sehr viel investieren in die Weltraumtechnologien, denn das motiviert junge Menschen, sich für die MINT-Fächer zu begeistern und mitzuwirken. Genau deshalb bleibe ich auch bei dem Thema Industrie 4.0 ganz dran.
Mein Haus ist der zentrale Förderer von Industrie 4.0 in Österreich. Das geht von der Grundlagenforschung bis hin zur Technologieentwicklung und zur Marktüberleitung. Wir helfen, die Grundlagenforschung in Österreich auf solide Beine zu stellen, nämlich mit sieben Stiftungsprofessuren für Industrie 4.0, die vom BMVIT finanziert werden.
Eine Pilotfabrik haben wir schon eingerichtet, drei weitere werden folgen; und ich werde in diesem Jahr und im nächsten Jahr jeweils 130 Millionen € in das Thema Produktionstechnologien, Industrie 4.0 investieren.
Ich möchte von dem Turbopaket Technologie berichten, das ich gemeinsam mit 17 innovativen Unternehmen in Alpbach geschnürt habe. Da habe ich die Unternehmen gefragt: Was braucht ihr? Was wollt ihr? Welche Möglichkeiten können wir besser nutzen? Da habe ich einige Antworten bekommen, nämlich: Es fehlt in Österreich an Hightech-Anlagen, die immer aufwendiger und teurer werden, es fehlt an Fachkräften und es fehlt an Möglichkeiten, neue Produkte ordentlich zu testen.
Daraus habe ich ein Paket geschnürt und dieses Paket wird so aussehen: Wir werden Teststrecken für selbstfahrende Autos ermöglichen. Selbstfahrende Autos sind der große Trend, österreichische Firmen arbeiten daran. Das werden wir tun. Dieses Vorhaben haben wir bereits auf Schiene gebracht.
Wir werden weitere Aktivitäten in diesem Feld setzen, denn ich halte nichts vom Raunzen. Politiker werden fürs Handeln bezahlt, und um etwas weiterzubringen, ist es wichtig, dass Politik und Wirtschaft hier an einem Strang ziehen. Mir ist es wichtig, da viele Dinge umzusetzen, und die Mittel des BMVIT werden dafür eingesetzt. Ich bedanke mich beim Rat, wenn er mich dabei unterstützt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)
16.51
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.
Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015 (III-563-BR/2015 d.B. sowie 9480/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht … – halt, jetzt habe ich den falschen mitgenommen. (Allgemeine Heiterkeit. – Der Berichterstatter holt den richtigen Bericht.) Wobei es ja für mich interessant war, denn
ich habe mit der Berichterstattung erstmals das Wort „Verkehrstelematik“ mit Inhalten zu füllen gelernt.
Ich erstatte also den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über die Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 2015 den Antrag, die Verkehrstelematikberichte 2013, 2014 und 2015 (III-563-BR/2015 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die korrekte Berichterstattung. (Allgemeine Heiterkeit.)
Wir gehen in die Debatte ein.
Herr Bundesrat Pfister ist dazu zu Wort gemeldet. – Bitte.
16.52
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben uns bereits am Dienstag im Ausschuss sehr ausführlich mit diesem Bericht beschäftigt. Das ist ein Zukunftspapier für uns alle.
Auch im Ausschuss am Dienstag haben wir sehr, sehr lange und ausführlich darüber diskutiert. Es ist sprichwörtlich so ein bisschen ein Blick in die Glaskugel, was in Zukunft auf uns zukommen wird, oder was eigentlich schon am Markt vorhanden ist und was wir vielleicht auch noch gar nicht so im Detail wissen.
Zum Beispiel entnimmt man dem Bericht, dass die Daten der Verkehrsauskunft Österreich mittlerweile einer Vielzahl von Verkehrsinformationsdiensten, die wir mittlerweile als selbstverständlich betrachten, als Basis dienen.
Mit dieser nationalen, einheitlichen Lösung zählt Österreich europaweit zu den Vorreitern im Hinblick auf die Bereitstellung multimodaler und nutzerfreundlicher Verkehrsinformationen. Wir sind in diesem Bereich in der Europäischen Union Vorbild und Richtungsgeber und können somit die Zukunft des öffentlichen Individualverkehrs maßgeblich mitgestalten.
Der Maßnahmenkatalog enthält nicht nur jene Thematiken, die bis 2017 durch die öffentliche Hand stimuliert werden müssen, um positive Entwicklungen im Bereich intelligente Verkehrssysteme fortsetzen zu können. Österreich arbeitet auch im Gesamten gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern aus Deutschland und den Niederlanden an der Implementierung von kooperativen Systemen auf dem hochrangigen Straßennetz, zum Beispiel im Bereich der Reiseinformation, die für uns alle vor allem in Urlaubszeiten sehr, sehr wichtig sind.
Im Mittelpunkt stehen dabei intelligente und umfassende Services, die sowohl den BürgerInnen als auch der österreichischen Wirtschaft den einfachen und komfortablen Zugang zu einem integrierten und umweltfreundlichen Verkehrssystem ermöglichen.
Der Herr Verkehrsminister hat es schon angesprochen: Die Entwicklung autonomer Fahrzeuge ist nicht nur eine große Herausforderung auf technologischer Ebene, sondern vielmehr auch auf operativer und legislativer Ebene. Da geht es um Rahmenbedingungen solcher automatisiert fahrender Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.
Angesichts der derzeitigen Grundlage einer ununterbrochenen Kontrolle durch die fahrzeugführende Person muss diesen Herausforderungen auch Rechnung getragen wer-
den, und der gesetzliche Rahmen muss für das autonome Fahren neu formuliert und global zur Abstimmung gebracht werden.
Dieser Bericht beinhaltet unter anderem auch Vorzeigeprojekte, zum Beispiel in Salzburg, Oberösterreich und Tirol, wo verschiedene Meilensteine gesetzt wurden. Wenn zum Beispiel hier im Bericht 1 200 Fahrzeuge aus mehr als zehn verschiedenen Fahrzeugflotten bei 8 000 Fahrten mit über einer Million GPS-Punkten pro Werktag aufgezeichnet wurden, so entspricht das einer täglichen Kilometerleistung der gesamten Flotte von, man höre und staune, 100 000 Kilometern!
Diese Aufzeichnungen – 63 000 Kilometer davon entstehen alleine im Bundesland Salzburg, 21 000 Kilometer im Bundesland Tirol, der Rest verteilt sich auf die restlichen Bundesländer in Österreich –, diese Daten werden zur Verkehrsanalyse, für Verzögerungsmeldungen oder auch für Reisezeitvergleiche und Reisezeitberechnungen verwendet.
Es werden bei diesen Tests alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten. Aber ich glaube auch, dass das für die Zukunft in Zeiten der Schnelllebigkeit nicht nur auf Wirtschaftsseite, sondern auch für die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie von A nach B unterwegs sind, nicht nur hilfreiche Maßnahmen sind, sondern dass das auch für das Vorausschauen und für die Planung sehr, sehr wichtig ist.
Ebenso beinhaltet der Telematikbericht den Ausbau und die Überwachung vielfältiger Anwendungen, die heute schon von der ASFINAG genutzt werden, wenn es um das Verkehrsmanagement geht, wenn es um die Auslastung von Parkplätzen für Lkws geht. Oder auch – auch wenn es im heurigen Jahr noch nicht so dringend erforderlich ist – wenn Schneefall ansteht oder wenn auch andere Witterungsbedingungen herrschen, werden diese Anwendungen genutzt, damit man da schnell und effizient reagieren kann, um den Verkehr auf unseren Wegen und Straßen und allen Verkehrswegen aufrechtzuerhalten.
Dieser Bericht umfasst nicht nur den Individualverkehr mit den eigenen Fahrzeugen, sondern vielmehr auch die Vernetzung des öffentlichen Verkehrs. Zum Beispiel startet alle 12 Sekunden ein Zug und nimmt seine planmäßige Fahrt auf. Das heißt konkret: Genau in dieser Zeit, wo ich zu Ihnen oder zu euch sprechen darf, starten circa 40 Züge, zu Spitzenzeiten sind über 500 Züge gleichzeitig in diesem Streckennetz unterwegs.
Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, sind zahlreiche komplexe Systeme erforderlich. Genau diese komplexen Systeme, wie das Rail Emergency Management oder auch andere, sollen gezielt einfache Informationen nicht nur für die Nutzer, sondern auch für den Betrieb zur Verfügung stellen.
Der Ausbau der Schieneninfrastruktur und die technische Weiterentwicklung der Eisenbahnfahrzeuge stellen neue Anforderungen an die Systeme und vor allem auch an die Betriebsführung.
Hiezu gibt es ebenfalls Zeitleisten, und die wurden auch im Jahr 2015 rigoros abgearbeitet, wo verschiedene Streckenabschnitte integriert wurden, zum Beispiel von Neusiedl am See bis Seekirchen am Wallersee oder auch vom Tullnerfeld bis nach Bruck an der Mur, wo genau diese Systeme implementiert wurden und die Erfahrungen in diesem Bericht wiedergegeben werden.
Dieser Bericht befasst sich auch sehr ausführlich mit Weganalysen, mit Tracking, aber auch mit all den anderen Dingen, etwa diesen Apps oder anderen elektronischen „Helferleins“, die wir alle heute am Handy haben.
Ebenso bedarf es intelligenter Lösungen für den Güterverkehr und auch die Logistik: wie schon erwähnt, auch Lkw-Stellplätze, wenn man auf den Autobahnen unterwegs ist.
Das sind nur einige Beispiele, die im Zuge dieser ganzen Verkehrstelematik eingerichtet wurden.
Kapazitätsmanagement im Bahnbereich, zum Beispiel in
den Rail-Cargo-Gruppen,
E-Frachtbriefe, E-Cargo zur Übermittlung und kommunikationseffizientes
Auftragsmanagement beinhaltet dieser Bericht ebenso. Das heißt
natürlich, dass ich, während mein Paket auf dem Weg von A nach B ist,
in Echtzeit verfolgen kann, wo es gerade unterwegs ist.
Nationale Förderprogramme unterstützen diese Aktivitäten und machen es in Kooperation mit dem Klima- und Energiefonds erst möglich, diesen Aktionsplan auch umzusetzen, und schaffen auch erst die Möglichkeit, diese Projekte überhaupt in die Tat, in die Realität umzusetzen.
Internationale Förderprogramme beinhalten für den Zeitraum 2014 bis 2020 insgesamt 80 Milliarden €. Werter Herr Verkehrsminister, an diesem Kuchen müssen wir mitnaschen und natürlich zukunftsträchtige Jobs in diesem Bereich schaffen.
Ein intelligentes Verkehrssystem unterstützt organisatorisch und technisch die Vernetzung aller Verkehrsträger. Das Ziel ist es, die Nutzerinnen und Nutzer des Systems mit exakten Informationen und Entscheidungsgrundlagen in Echtzeit zu versorgen.
Lieber Herr Verkehrsminister, herzlichen Dank für diesen sehr, sehr umfangreichen Bericht und auch diesen kleinen Blick in die Glaskugel der Zukunft.
Abschließend meine Bitte: Schauen Sie wirklich darauf, dass Österreich da nicht nur die Spitzenposition, sondern auch weiterhin den Lead hält und mit diesen richtungsweisenden Ideen, Vorschlägen und auch Konzeptionierungen weiterhin die Nummer eins in Europa bleibt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)
17.00
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.
17.00
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Kollege Pfister einen Bericht sozusagen zum Besten gibt, dann hat er ihn auch inhaliert. Das bedeutet, die Fakten sind auf dem Tisch. Und man könnte jetzt in verkürzter Form, wie es Kollege Schreuder schon gesagt hat, erklären: Danke, das war‘s!
Aber es gibt doch ein paar Dinge anzumerken, ohne alles zu wiederholen. Wir bedanken uns auch für die drei Berichte, die vorgelegt worden sind, denn tatsächlich wurde ja in diesem Gesetz auch normiert, dass man jährlich einen Bericht verfasst. Und jetzt liegen diese Berichte vor. Das ist sehr lobenswert. Sie sind auch sehr informativ. Und es ist wirklich zu empfehlen, sich genauer damit zu befassen. An und für sich handelt es ja von der Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2010, wo es um intelligente Verkehrssysteme geht. In diesem Bereich hat Österreich sehr viel geleistet, und das ist aus diesen Berichten auch herauszulesen.
Intelligente Verkehrssysteme gibt es natürlich nicht nur in Österreich, sondern auch europaweit, deshalb auch hier die Richtlinie, die Vernetzung dieser Systeme. Und es kommt im Bericht 2014 dann auch gleich dazu, dass man sagt: In diesen neuen Mobilitätskonzepten und -diensten hat das Smartphone auch einen entsprechenden Stellenwert, es ist als Element sichtbar. Und diese Endgeräte dienen dann auch der Darstellung von Daten und spielen somit eine wichtige Rolle in diesem Datenkreislauf.
Und da gibt es auch die Apps, die schon angesprochen wurden, zum Beispiel die AnachB- oder die VOR-App, wo die Verkehrsauskunft Österreich auch als wesentliches
Element dargestellt wird. Und zum Beispiel auch die App Unterwegs ist unbedingt zu erwähnen, weil man das in diesem Bericht 2015 auch ganz klar hervorstreicht. Seit der Einführung dieser App vor etwa vier Jahren wurden etwa 300 000 Downloads erzielt. Also das ist wirklich etwas, das man sehr hervorheben muss.
Wichtig erschien mir auch, dass auf dem hochrangigen Straßennetz der ASFINAG mit der Umsetzung einer sogenannten Ereignisdatenbank ein wichtiger Schritt in Richtung dieser intelligenten Verkehrskonzepte gemacht wurde. Diese Datenbank gibt es seit 2014, sie deckt den Bereich Information über sicherheitskritische Ereignisse et cetera auf Autobahnen und Schnellstraßen ab. Das hat der Kollege Pfister schon sehr gut dargestellt.
Im Mittelpunkt stehen also die intelligenten und umfassenden Angebote, die sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch der österreichischen Wirtschaft dienen und einen einfachen und komfortablen Zugang zu einem integrierten und umweltfreundlichen Verkehrssystem bieten.
Herr Minister, wir haben auch schon mehrmals gehört, dass diese Initiative des Bundesrates „Digitaler Wandel und Politik“ hervorgestrichen wurde, die jetzt in mehreren Berichten auch wieder dargestellt wurde. Deshalb möchte ich auch noch einmal betonen, wie wichtig diese Initiative des Bundesrates war, sich mit diesem digitalen Wandel auseinanderzusetzen und darauf aufmerksam zu machen, wie weit wir, auch in diesen Berichten, bereits in das Thema eingedrungen sind, wie wichtig es für uns und für Österreich ist und wie weit es bereits fortgeschritten ist, und dass wir als Bundesrat hier auch entsprechende Szenarien aufgezeigt haben, was den Bereich digitaler Wandel und Politik anbelangt. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
17.04
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.
17.04
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Schlagwort intelligente Verkehrssysteme ist ja bereits mehrmals in der Debatte gefallen. Und das passt natürlich perfekt zur gestrigen Enquete betreffend Digitalen Wandel, wie du, Kollege Mayer, es auch schon angesprochen hast.
Die Berichte sind hervorragend und informativ. Was mir dabei aufgefallen ist, ist, dass es vielleicht in gewissen Bereichen noch Synergiepotenzial zu heben gibt. Wenn ich mir die Auflistung der organisatorischen Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene anschaue: ITS Austria Plattform, AustriaTech, Graphenintegrationsplattform, Verkehrsauskunft Österreich, IVS-Schlichtungsstelle; international sind es sechs Organisationseinheiten. In den „politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen“: national sechs, international sechs. Also hier, glaube ich, gäbe es vielleicht noch Optimierungspotenzial, das schlussendlich auch helfen könnte, wahrscheinlich Kosten zu sparen, vor allem Steuermittel.
Ich habe mir das anhand eines Beispiels angeschaut, das hier erwähnt ist, Geodateninformationssysteme: Google Maps, Google Earth und OpenStreetMaps. Das kennt eigentlich jeder und benützt es regelmäßig. Was neu für mich war, muss ich sagen, ist die basemap Österreich, also eine digitale, mit Ortofotos unterlegte Karte von Österreich, an der alle neun Bundesländer beteiligt waren, wahrscheinlich auch finanziell.
Nicht erwähnt wurde aber, dass alle Bundesländer jeweils auch noch einen digitalen Atlas haben, der zwar ein bissel anders ausschaut, aber eigentlich mehr Features bietet. Da kann man messen, da kann man Höhenprofile erstellen. Aber auch hier ist es so, dass diese digitalen Atlanten der einzelnen Bundesländer nicht einheitlich struktu-
riert sind und unterschiedliche Informationsinhalte bieten. Tirol hat beispielsweise alle möglichen Naturschutzgebiete, landwirtschaftliche Sachen und sonstige Dinge, Gewässerqualitäten integriert.
Da frage ich mich schon, ob nicht ein einheitlicher Standard genügen würde, denn mehr, als die Informationen möglichst umfassend zur Verfügung zu stellen, kann man nicht. Und es reicht meiner Meinung nach, wenn diese einmal gut sind. Hingegen fehlt mir weitgehend bei all diesen Geodateninformationssystemen die einfache Feststellung der Aktualität. Ich weiß also meistens nicht, wie alt die Ortofotos sind, die dort verwendet werden, wie der aktuelle Stand ist. Also hier gäbe es sicherlich noch ein gewisses Verbesserungspotenzial.
Wesentlich – das wurde auch bereits angesprochen – in dem ganzen Bericht sind die Informationssysteme, die möglichst in Echtzeit die Daten zur Verfügung stellen sollen. Hier ist die Forschung natürlich ganz besonders gefragt. Das geht von der Sensorik über die Datenübertragung, die Datenaufbereitung und Visualisierung bis letzten Endes zur Zurverfügungstellung für den Endnutzer. Das klingt relativ einfach, ist es aber in der Praxis nicht. Das fängt bei der Sensorik an, bei notwendigen Filteralgorithmen, die eingebaut werden müssen, um Fehlmessungen herauszunehmen, und geht bis zu Einflüssen beispielsweise der Witterung und anderen Dingen.
Da wird Gott sei Dank in Österreich sehr viel getan und geforscht. Ich möchte da etwa an dieses Geräuschmesssystem erinnern, das in den neuen Tunnels beim Sicherheitsausbau verwendet wird. Das ist ja auch dazu da. Das heißt, schlussendlich stellen solche Systeme eigentlich nur einen Nutzen dar, einerseits für die Sicherheit vor allem im Straßenverkehr, aber natürlich auch im Eisenbahnverkehr. Sie sind aber auch ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor, denn wenn es durch solche Systeme, Leitsysteme und Verkehrsinformationen gelingt, Staus zu vermeiden, so spart das der Volkswirtschaft jede Menge Geld. Und das wiederum dient nicht zuletzt auch der Umwelt, denn jeder weiß: Staus verursachen vermehrt CO2-Ausstoß und Abgase.
Aber natürlich hilft das beste Informationssystem nichts, wenn man die Kapazitäten auf der Straße nicht zur Verfügung stellen kann. Umso unverständlicher ist mir die Haltung der Grünen in dieser Sache, da sie den Regionenring um Wien, den Lückenschluss mit dem Lobau-Tunnel verhindern wollen. Gerade diese Straße hätte in Verknüpfung mit intelligenten Verkehrssystemen wahrscheinlich einen gewaltigen Effekt hinsichtlich des Sparens von Geld durch Stauvermeidung und positive Umwelteffekte.
In diesem Sinne hoffe ich, dass die österreichische Industrie, die österreichischen Firmen, Institute und die Universitäten weiter entsprechende Mittel für die Forschung zur Verfügung gestellt bekommen und in Zukunft eine führende Rolle in Europa und in der Welt – so wie Kapsch beispielsweise bei den Mautsystemen – spielen werden.
Deshalb stimmen wir diesem Bericht natürlich gerne zu. (Beifall bei der FPÖ.)
17.11
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.
17.11
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, vielen Dank den ErstellerInnen für die übersichtlichen und detaillierten Berichte. Die werden wir natürlich auch wieder sehr gerne annehmen. Ich werde mich sehr, sehr kurz fassen. Meine Vorredner sind schon wirklich sehr detailliert auf die Inhalte der Berichte eingegangen.
Intelligente Verkehrssysteme und deren Weiterentwicklung sind natürlich immens wichtig. Es ist irrsinnig wichtig, die Infrastruktur, die wir haben, auch optimal zu nutzen. Ich würde mir nur für die Zukunft wünschen, dass uns nicht wieder drei Berichte gleichzei-
tig vorgelegt werden, also dass nicht drei Jahre lang vergessen wird, die Berichte vorzulegen.
Zum Kollegen Krusche, warum die Grünen den Lobau-Tunnel nicht super finden: Die Grünen wollen generell keine Autobahnen durch Naturschutzgebiete. Ja, so ist das halt einmal bei uns. (Bundesrat Krusche: Unten durch! Habt ihr das nicht verstanden?) – Es geht dabei um den Wasserhaushalt! Und wir wollen natürlich auch generell weniger Verkehrsstraßen, Straßen für den Individualverkehr, sondern wir wollen natürlich die Leute mehr zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr bringen. Und dazu sind weitere Autobahnen einfach nicht besonders nützlich. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
17.13
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit, mit der die Berichte zur Kenntnis genommen sind.
Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3091/15 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2014 (83167/EU XXV.GP)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.
Es gibt dazu keinen Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.
17.13
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, schönen Nachmittag noch! Danke für den Besuch! Es ist nicht seine Materie, das muss ich natürlich hier klar und deutlich vorwegnehmen.
Als Vorsitzender des EU-Ausschusses danke ich allen Kolleginnen und Kollegen des EU-Ausschusses, dass es wieder möglich wurde, diesen Tagesordnungspunkt zu besprechen. Das zeigt auch wieder einmal die Kompetenz, die der EU-Ausschuss in europäischen Angelegenheiten hat. Das soll ja auch so sein, wird aber in dieser Art und Weise nicht von vielen nationalen Parlamenten wahrgenommen.
Es ist nicht nur interessant und informativ, mit den Leuten des Rechnungshofes über das Budget, das sie dort prüfen, zu sprechen – immerhin geht es um 142,2 Milliarden €, also das ist nicht unbedingt eine Kleinigkeit –, sondern es sollte, wie gesagt, auch Auftrag anderer nationaler Parlamente und ihrer Ausschüsse sein, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. In Wirklichkeit ist es nicht so, dass alle oder viele Nationalstaaten mit derartigen Prüfberichten so umgehen beziehungsweise die daraus gemachten Vorschläge und die Kritikpunkte entsprechend umsetzen. Dazu vielleicht ein paar Minuten später.
Der kleine österreichische Bundesrat und der EU-Ausschuss haben sich dieser Thematik jetzt bereits das zweite Mal angenommen. Und wir haben auch dieses Jahr wieder festgestellt, dass es sehr wichtig ist. Ich bedanke mich also nochmals. Auch bei dir, Marco Schreuder, als Mitglied des EU-Ausschusses, du hast immer sehr zur guten Dis-
kussion beigetragen! Ich werde dich also nicht nur hinter mir vermissen als Fraktionsobmann, sondern auch im EU-Ausschuss. Herzlichen Dank für deine wertvolle Mitarbeit! (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und Grünen.) – Ja, da darf man ruhig applaudieren.
Der Vertreter des Europäischen Rechnungshofes in der Person von Mag. Herics, der da der leitende österreichische Beamte ist, kann zwar die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU für 2014 bestätigen, die Projektabwicklungen sind jedoch im wesentlichen Ausmaß mit Fehlern behaftet. Und deshalb gibt der Europäische Rechnungshof auch ein negatives Prüfungsurteil zur Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit ab.
Wie Herr Mag. Herics ausgeführt hat, beträgt die geschätzte Fehlerquote 4,4 Prozent für das Jahr 2014 und liegt damit konstant über der 2-Prozent-Fehlerquote, die an und für sich vorgegeben ist. Da gibt es insbesondere beim Regional- und Sozialfonds Probleme im Ausmaß von 5,7 Prozent – also weit darüber – oder auch im Bereich Wachstum und Beschäftigung Probleme im Ausmaß von 5,6 Prozent.
Und wenn jetzt jeder denkt: Österreich liegt da sicher viel, viel besser – gefehlt, weit gefehlt! Wir müssen das wirklich relativieren. Wenn man zum Beispiel die Kohäsionszahlungen nimmt, sieht man: Die Fehlerquote liegt bei 64 Prozent; damit belegt Österreich die drittletzte Stelle im Bereich der EU. Und wir sind nicht besser, sondern wir sind noch schlechter geworden, denn die durchschnittliche Quote in der EU beträgt 44 Prozent.
Schon besser ist die Lage in der Landwirtschaft – da muss ich einmal meine aktiven Leute aus der Landwirtschaft loben –, denn da liegt die Quote bei 44 Prozent und im Durchschnitt bei 47 Prozent. Also da ist noch einiges … (Bundesrat Preineder: 37 Prozent!) – Nein, 47 Prozent! Die durchschnittliche Fehlerquote liegt bei 47 Prozent.
Dazu vielleicht ein kleines Bonmot am Rande, das Negativbeispiel aus Österreich. Also da sind wir natürlich schon weit davon entfernt. Zum Beispiel geht es da um die Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen; das war übrigens auch ein Kritikpunkt, da es hier verschiedene Möglichkeiten gibt, Flächen zu vermessen, und das dann oft mit Rückzahlungen und verschiedensten Problemen verbunden ist. Und da gibt es jetzt ein offensichtlich seit 2014 doch funktionierendes System. Dieses System hat zum Beispiel dazu geführt, dass in Griechenland – wo könnte es auch anders sein? – das beihilfefähige Dauergrünland von 3,6 Millionen Hektar im Jahr 2012 auf 1,5 Millionen Hektar im Oktober 2014 zurückging. Na ja, das ist schon ein wundersames Verschwinden von Grünflächen. Wahrscheinlich haben sie da die eine oder andere Meeresbucht noch dazugerechnet. Solche Dinge werden natürlich auch vom Europäischen Rechnungshof entsprechend wahrgenommen.
Man muss auch sagen, dass das natürlich nicht flächig kontrolliert wird, sondern stichprobenartig. In Österreich wurden 18 derartige Transaktionen überprüft, zehn davon im Europäischen Landwirtschaftsfonds, sieben im ESF, also im Sozialfonds, und eine im Fonds für regionale Entwicklung. Die Hälfte dieser Projekte war fehlerhaft abgerechnet.
Das heißt aber nicht, dass man hier in betrügerischer Absicht unterwegs ist, keineswegs! Wir sind nicht in betrügerischer Absicht unterwegs. Es gab über diesen großen Prüfbereich europaweit 22 Betrugsfälle, die der Betrugsbehörde OLAF zugewiesen wurden, und davon, denkt man, werden dann etwa zwei Drittel schlussendlich zur Anzeige gebracht werden müssen, da es hier wirklich um betrügerische Absichten ging.
Regionalität und Bürokratie wurden angesprochen, das war im Ausschuss auch ein großes Thema. Nicht nur die Wirtschaft ist mit diesen Problemen konfrontiert, auch die Landwirtschaft. Wir haben natürlich auch versucht, mit Beispielen auf die Kollegen vom Europäischen Rechnungshof einzuwirken, da die Bürokratie doch ein ganz, ganz großes Thema ist. Das ist den Beamten des Europäischen Rechnungshofes aber bekannt,
und sie versuchen schon seit längerer Zeit, auf das Förderungswesen, das Formularwesen einzuwirken.
Ich habe hier ein simples kleines Beispiel aus einer Region im Bregenzer Wald – das ist in Vorarlberg, für alle die keine Bregenzer-Wald-affinen Menschen sind –, aus der Gemeinde Bizau. Die Gemeinde Bizau hatte keinen Nahversorger mehr, und da gab es eine Projektinitiative, dass man im Rahmen einer Genossenschaft ein Lebensmittelgeschäft auf die Beine stellt und im Rahmen der EU-Förderungsmöglichkeiten versucht, Förderungsmittel zu bekommen. Es waren ursprünglich 60 Prozent Förderungsmittel vorgesehen, 40 Prozent wurden dann zur Absicherung dieser Lebensmittelversorgung in diesem kleinen Dorf mit 1 000 Einwohnern zugesagt.
Was aber im Zuge der Abwicklung des Projektes massiv zur Verärgerung führte, sind kleinliche Vorgaben für Auftragsabwicklungen und die Dokumentation. Typisches Beispiel dafür ist, dass bei einer Anschaffung im Wert von über 50 € zwei schriftliche Angebote einzuholen und vorzulegen sind. Das ist nicht nur ein enormer Zeitaufwand und erzeugt nicht nur bei den Anbietern Ärger, sondern schadet, denke ich, auch insgesamt dem Image der EU, weil das natürlich gerade in diesem Dorf auch eine entsprechende Verbreitung findet. Und wenn ein ganzes Vorarlberger Dorf negativ gegen die EU eingestellt ist, ist das schon insgesamt ein Problem. (Allgemeine Heiterkeit.)
So, Schlusssatz dazu: Kontrolle ist wichtig, aber sie muss auch nachvollziehbar und meiner Meinung nach auch angemessen sein. Es geht hier nicht um Millionen, sondern – wie im Ausschuss angesprochen – einfach auch um Bürokratie. Das haben wir dem Kollegen Mag. Herics auch mit nach Wien gegeben.
So, zum Schluss oder zu guter Letzt einen herzlichen Dank im Namen meiner Fraktion an Herrn Mag. Harald Himmer für mehr als 20 Jahre im Bundesrat; Vizepräsident das erste Mal, glaube ich, 2004, seit 2010 ständig. Danke für deine Leistungen für den Bundesrat, auch für das Einstehen – immer wieder – für den Bundesrat, für deine Beiträge. Deine Wortmeldungen waren immer speziell, auch mit entsprechendem Drive.
Und das möchte ich schon noch besonders anmerken: Es gab keinen und es wird auch nie mehr einen Präsidenten dieses Parlamentes geben, der ein Protokoll so schnell, so fließend und so deutlich verlesen kann wie du. (Allgemeine Heiterkeit.) – Alles Gute, herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)
17.23
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herzlichen Dank, lieber Edgar, herzlichen Dank für den netten Applaus! Ich habe mich ja das letzte Mal schon verabschiedet. Ich war ja so überrascht, dass ich das Mandat nicht mehr habe, dass ich mich auch nicht mehr darauf verlassen wollte, wann die konstituierende Sitzung stattfindet. Ich habe mir gedacht, vielleicht verrechne ich mich da auch, und wollte nicht unhöflich sein, daher habe ich das letzte Mal schon meinen Dank an alle Fraktionen ausgesprochen.
Es bleibt mir, euch allen bei eurer Arbeit für Österreich viel Erfolg zu wünschen, vor allem wünsche ich euch allen persönlich Gesundheit und Zufriedenheit und möchte in diesen Dank natürlich die Bundesratskanzlei und alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Bediensteten einschließen und selbstverständlich natürlich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses.
Mein persönlicher Plan ist, dass ich mich nur aus der Funktion verabschiede – und nicht aus dem Leben. In diesem Sinne freue ich mich auf vielfältige Formen des Wiedersehens. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
*****
Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.
17.25
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Danke sehr, Herr Präsident! – Da ich der letzte Redner meiner Fraktion bin, möchte ich im Namen der Sozialdemokraten (Bundesrat Todt: Ich mach’ das!) – ah, du machst das, okay! –, aber dann in meinem persönlichen Namen vielen Dank für die jahrelange gute Zusammenarbeit aussprechen, auch was Marco Schreuder betrifft. Auch an Ilse, die ja ausscheidet, herzlichen Dank!
Wir haben diesen Tagesordnungspunkt deshalb auch hier in das Plenum genommen, weil es nicht immer Tagesordnungspunkte sein müssen, wo wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen. Es ist nämlich alles andere als auf die Schulter klopfen, wenn wir sehen, dass Österreich 18 Millionen € EU-Förderungen aufgrund schwerer Unregelmäßigkeiten zurückzahlen musste, dass für drei Bundesländer, Vorarlberg, Tirol und die Steiermark, ein Zahlungsstopp von der EU verhängt wurde und – ich sage es nur in einem Halbsatz – es einen Vorbehalt gegen Vorarlberg noch immer gibt seitens … (Bundesrat Mayer: Es reicht schon!) Es ist ein Halbsatz, ich sage ja nur einen Halbsatz! – Wir müssen uns sowohl bundesweit als auch, was einzelne Bundesländer betrifft, da ernsthaft an der Nase nehmen.
Lieber Edgar Mayer, wir verstehen uns ja in unserer Arbeit im EU-Ausschuss sehr gut, aber in einem möchte ich dich heute korrigieren: Ich finde es nicht schön – ich glaube, du wolltest es auch nicht –, dieses Griechenland-Bashing, ich finde es nicht gut. Wenn wir die Kohäsionsfondsmittel anschauen, so ist Österreich bei 64 Prozent aller Abrechnungen fehlerhaft, wenn wir Griechenland hernehmen, dann ist es dort bei weniger als der Hälfte, 30 Prozent, bei weitaus mehr Transaktionen, die Griechenland mit einer sehr schwierigen Situation in der Verwaltung, mit einer schrumpfenden Verwaltung zu bewältigen hat.
Das heißt, Griechenland hat ein Vielfaches der österreichischen Transaktionen und schafft es bei den Kohäsionsmitteln, wo wir so schlecht sind, deutlich besser auszusteigen. Also nicht alles, was man mit Griechenland in Verbindung bringt, ist schlecht. (Bundesrat Mayer: Ich hab’ es nicht erfunden, es steht im Bericht!) – Ich kann es dir vorlesen: 22 Transaktionen in Österreich, 14 davon fehlerhaft. Das sind eben die 64 Prozent. 131 Transaktionen in Griechenland, 35 davon fehlerhaft. – Also da ist schon ein ganz großer Unterschied!
Ich möchte auch ein bisschen darauf eingehen, dass – Edgar Mayer hat es gesagt – es ja nicht darum geht, dass da etwas in falsche Taschen gesteckt wird. Was ist das Fehlerhafte? Dass zum Beispiel an den falschen Personenkreis bezahlt wurde oder dass man zum Beispiel Umweltauflagen, die mit Ausgaben verbunden sind, nicht eingehalten hat; das ist im Rahmen der Europäischen Union und der Überprüfung des Rechnungshofes als fehlerhaft zu betrachten.
Für mich ist auch ganz interessant, dass wir zwei unterschiedliche Formen von Auszahlungen haben. Einerseits: Man erstattet etwas, also das heißt, man hat Anspruch auf dieses Geld, und rechnet es nachher ab. Da sind 5,5 Prozent fehlerhaft. Aber umgekehrt gibt es Zahlungsansprüche, das heißt, ich erbringe eine Leistung und reiche nachher ein. Und siehe da, welches Wunder: Hier gibt es nur mehr 2,7 Prozent Fehler, weil hier eine ganz andere Möglichkeit der Überprüfung gegeben ist.
Ich möchte noch darauf hinweisen, weil ich am Anfang von den Bundesländern gesprochen habe: Bei sieben von acht Bundesländern sind die Abrechnungen fehlerhaft. Das heißt, auch in den Landesverwaltungen bedarf es an Verbesserungen. Und wir sollten uns das auch als Bundesrat überlegen, vielleicht sogar in irgendeiner Form hier seitens des EU-Ausschusses in einen Dialog mit den Bundesländern einzutreten.
Ich möchte noch auf zwei Dinge eingehen, die Sonderberichte des Europäischen Rechnungshofes. Der Europäische Rechnungshof erstellt ja auch Sonderberichte, zum Beispiel gibt es einen Sonderbericht im Bereich der erneuerbaren Energien. Dabei wurden
die Erwartungen, was denn da rauskommt, sogar übertroffen, im Plus, der gesamte Biomassebereich wurde hier übertroffen. Andererseits – und da müssen wir Österreicher uns wieder an der Nase nehmen – hat man dann vonseiten mancher Landesverwaltungen ein bisschen schlitzohrig versucht, in den Bericht über Waldschäden durch Brände und Katastrophen Forststraßen, die damit nichts zu tun haben, hineinzuschieben. Wie durch ein Wunder sind bei den Aufforstungen die Preise verdreifacht beziehungsweise verdoppelt worden, das hängt jetzt von den Bundesländern ab, in einem Bundesland verdreifacht, im anderen verdoppelt. So etwas fällt dem Europäischen Rechnungshof auf, und das macht einfach kein gutes Bild; vor allem auch nicht, wenn wir dann zurückzahlen müssen.
Auch was den EU-Fonds für ländliche Entwicklung, ELA, betrifft, sind wir mit einer Fehlerquote in Höhe von 6,2 Prozent auch nicht wirklich in einem Bereich, in dem wir sein sollten.
Insgesamt ist das eine Warnung an Österreich, massive Kritik, und ich hoffe, dass wir schon beim nächsten Jahresbericht von einer Verbesserung in diesem Bereich sprechen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)
17.30
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.
17.30
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Europäischen Rechnungshofes war ja schon für das Jahr 2014 sehr interessant und spannend, wobei sich auch zeigt, dass der Europäische Rechnungshof das finanzielle Gewissen der Europäischen Union ist, und zwar zu Recht, weil er ausgezeichnete Arbeit leistet, was ja anhand von berichteten Details meiner beiden Vorredner dazu zu sehen ist.
Natürlich ist es bedauerlich, dass Österreich so eine hohe Fehlerquote hat; leider musste das ja auch bereits das Jahr zuvor festgestellt werden. Die Hoffnung ist ja immer da, dass sich das im nächsten Jahr verbessern möge, was aber leider nicht der Fall ist. In manchen Bereichen ist zwar die Fehlerquote gesunken, in anderen jedoch gestiegen. Interessant ist, dass der Europäische Rechnungshof festgestellt hat, dass es einen Zusammenhang zwischen Fördermitteln und Fehlerquote gibt; das wurde sehr deutlich herausgestrichen: ein Zusammenhang zwischen Ausgabenart und Fehlerquote.
Insgesamt sind – also auch dann, wenn man jetzt nicht jedes Land einzeln unter die Lupe nimmt – von 18 Transaktionen neun fehlerhaft, in der Europäischen Union insgesamt. Und das ist die Hälfte; 50 Prozent, das ist einfach zu viel! Daran muss wirklich gearbeitet werden, zumal uns ja Herr Mag. Herics gestern gesagt hat, dass in vielen Fällen schon im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass Fehler vorliegen, und daher 80 Prozent der Fehler zu vermeiden gewesen wären.
Da fragt man sich natürlich unwillkürlich: Woran liegt es dann wirklich, dass die Fehler nicht vermieden wurden? Ein Punkt in diesem Zusammenhang ist genannt worden, nämlich die intransparente Kommunikation untereinander. Das erleben wir ja öfters, und zwar auf den verschiedensten Ebenen, dass die Kommunikation nicht so funktioniert, wie sie funktionieren sollte. Die Kommunikation wäre also ganz sicherlich sehr verbesserungsbedürftig.
Was mich freut, ist, dass der Juncker-Plan, der ja mit immerhin über 300 Milliarden € dotiert ist, sehr genau geprüft werden wird. Ich glaube, das ist auch nötig, ohne jemanden unterstellen zu wollen, irgendetwas absichtlich falsch zu machen. Auch der Europäische Rechnungshof hat festgestellt: Die meisten Fehler sind nicht aus Betrugsab-
sicht entstanden, sondern vielleicht aus Schlamperei, aus Ungenauigkeit beziehungsweise nicht genauer Kenntnis der Vorschriften, wie die Förderungsmittel einzusetzen sind.
In diesem Falle wird also genau geprüft. Schade ist aber, dass bei der EZB nicht so genau geprüft wird, da ist die Prüfungsmöglichkeit des Europäischen Rechnungshofes sehr eingeschränkt. Das ist problematisch, vor allem im Lichte des einen Tagesordnungspunktes im gestrigen EU-Ausschuss, bei dem es um die Verbriefung geht, wo es also wieder darum geht, dass man Kredite aufkaufen kann, um natürlich wieder die Banken zu stützen. Und wir wissen, was das 2008 ausgelöst hat, nämlich eine veritable weltweite Finanzkrise. Daher meine ich, dass es wichtig ist, dass die EZB, der ich ja auch a priori nichts Böses unterstellen möchte, vom Finanzgewissen der Europäischen Union, nämlich dem Europäischen Rechnungshof, ungehindert geprüft werden kann.
Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, kurz OLAF, möchte ich noch ganz kurz erwähnen. In einem PowerPoint-Vortrag haben wir gesehen, dass die Zahl der Betrugsfälle gestiegen ist, und zwar von 14 Fällen im Jahre 2013 auf 22 Fälle, wovon drei Viertel aus den Prüfungen des Rechnungshofes hervorgegangen sind und immerhin ein Viertel Anzeigen nach sich gezogen hat. Daran kann man einerseits erkennen, dass sehr ordentlich geprüft wird, andererseits aber halt immer noch – ich sage das jetzt ein bissel salopp – ein paar Schlawiner unterwegs sind, die glauben, sie können den anderen quasi finanziell das Haxel stellen. Aber der Europäische Rechnungshof schaut da Gott sei Dank sehr genau, und daher werden solche Fälle aufgedeckt. Und für diese ausgezeichnete Arbeit sei ihm auch herzlich gedankt.
Auch ich möchte meine Position hier am Rednerpult dazu nützen, zu beiden Kollegen, die uns im Bundesrat verlassen werden, etwas zu sagen. Zuerst zum Kollegen Schreuder.
Herr Kollege Schreuder, wir haben Ihre Entschuldigung heute zur Kenntnis genommen, aber wissen Sie, wenn Sie sagen, es tue Ihnen leid, wenn Sie irgendjemanden hier verletzt haben sollten, vor allem in Hinblick auf die letzte Sitzung, und dann schreiben Sie kurze Zeit später auf Twitter – ich zitiere –: Die Einzigen, die nicht geklatscht haben bei meiner Abschiedsrede, war die FPÖ; ich muss wohl irgendwas richtig gemacht haben!, wenn ich das lese, dann muss ich Ihnen schon sagen, das relativiert wieder Ihre heutige Entschuldigung hier im Bundesrat.
Erstens einmal stimmt das gar nicht; wir haben geklatscht, allerdings verhalten. Das wird Sie aber auch nicht wundern, Herr Kollege Schreuder, wenn wir an die letzte Sitzung zurückdenken, bei der Sie uns Freiheitliche wirklich auf das Übelste beschimpft haben, was Sie ja nicht zurückgenommen haben, sondern – ganz im Gegenteil – in der Präsidiale sogar bestätigt und gesagt haben, dass Sie dazu stehen.
So hat diese Ihre Entschuldigung einen eigenartigen „Wert“. Das erinnert mich ein bisschen an meine Kinder, als sie klein waren: Wenn meine Kinder ein Fehlverhalten an den Tag gelegt haben, habe ich ihnen gesagt: Du gehst dich jetzt bitte entschuldigen!, und dann haben sie sich halt hingestellt und widerwillig gesagt: Entschuldigung! (Bundesrat Stögmüller: Das ist sein Abschied!) Und damit war alles klar: Sie haben zwar meinem Wunsch entsprochen, der Form Genüge getan, waren aber überhaupt nicht davon überzeugt, dass sie sich überhaupt entschuldigen müssen. (Bundesrätin Kurz: Was soll er jetzt tun? – Zwischenrufe bei den Grünen.) Ungefähr so ist Ihre Entschuldigung heute bei mir angekommen.
Herr Kollege, sollten Sie wieder in den Bundesrat kommen – Sie sind ja Ersatzmitglied –, dann hoffe ich, dass Sie ein bisschen etwas dazugelernt haben, und zwar was Meinungsvielfalt in einer Demokratie anlangt.
Wenn man Ihre Meinung hat in einem gewissen Spektrum, ist es für Sie okay, aber dass Sie finden, alles, was völlig konträr ist, sei nicht in Ordnung, das findet man normalerweise nur in totalitären Regimen. (Bundesrätin Kurz: Jetzt reicht’s! – Bundesrat Schennach: Da ist zu viel! … ein bisschen zu dick aufgetragen! – Zwischenrufe bei den Grünen.) In einer Demokratie, in der Meinungsvielfalt herrscht, gibt es eben diese Meinung auf der einen Seite und auf der anderen Seite eben eine völlig andere. Das aber macht eine Demokratie aus. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)
Dennoch wünsche ich Ihnen, Herr Kollege Schreuder, alles Gute bei dem, was immer Sie tun!
Zum Kollegen Himmer. – Kollege Himmer, wir kennen einander ja schon wirklich lange. Ich glaube, du warst auch schon im Jahre 1996 hier, als ich neu in das Haus gekommen bin. Diskussionen mit dir waren immer sehr interessant; auch wir haben manchmal die Klingen gekreuzt, aber halt in einer Art und Weise, wo man sich dann noch in die Augen schauen kann.
Kollege Himmer, du wirst mir fehlen, du wirst mir und meiner Fraktion fehlen. Dein Witz, dein Simmeringer Schmäh werden uns abgehen, aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal wieder und wir sehen einander wieder hier in diesem Haus. Namens meiner Fraktion wünsche ich dir alles Gute! (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)
17.39
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.
17.39
Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Ich glaube, einen Abschied für eine Abrechnung in dieser Form zu nutzen, das disqualifiziert sich, glaube ich, bis zu einem gewissen Maße. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Nun zum EU-Rechnungshofbericht: Ich finde diesen Bericht wirklich eindrucksvoll, und zwar sowohl die Arbeit des Rechnungshofes als auch die Form der Präsentation, die da geleistet wurde. Obwohl es wirklich eine riesige Materie ist, wurde das in sehr übersichtlicher und sehr verständlicher Form dargebracht. Das fand ich wirklich äußerst eindrucksvoll.
Ich war schon einigermaßen erschüttert über das Abschneiden Österreichs in diesem Vergleich, wobei ich es auch eindrucksvoll fand, dass diese Rechnungshofüberprüfungen und die Bewertungen sich nicht nur rein auf das Zahlenmaterial beschränken, sondern immer auch geschaut wird: Wird der Zweck erreicht, wird das Ziel, das vorher definiert wurde, durch diese Förderungen erreicht?, und das auch sehr stark in die Bewertungen mit einfließt. Wie gesagt, es gibt im Bereich der Landwirtschaft Verbesserungen, dort erreichen wir zumindest das Durchschnittsniveau Europas, aber in so manchen anderen Bereichen grundeln wir wirklich in den hintersten Bereichen herum. Ich denke, da gibt es Handlungsbedarf, und das sollten wir alle mitnehmen.
Besonders viele Probleme gibt es im Bereich der Vergabe. Das zeigt auch das Spannungsfeld auf, auch das heute genannte Beispiel mit dieser großen Bürokratie und so weiter. Aber das Spannungsfeld wurde auch dadurch aufgezeigt, dass es zum Beispiel im Bereich der Vergabe und auch in vielen anderen Bereichen so viele verschiedene Niveaus der Rechtssetzungen gibt. Da muss man sich dann also auseinandersetzen mit den lokalen, den Länderrechtssetzungen, den nationalen Rechtssetzungen, den Rechtssetzungen der EU, und das ist natürlich für Projektwerber schon sehr, sehr schwierig. Ich denke, da gäbe es auch Hausaufgaben zu machen.
Natürlich ist die Bestrebung, im Bereich der Ausschreibungen – um auf das Beispiel zurückzukommen – regionale, lokale Firmen zu bevorzugen, im Sinne der Arbeitsplatz-
sicherung und so weiter, ein an und für sich positiver Gedanke. Er steht natürlich im Widerspruch zu dem, was man vonseiten der EU möchte und auch von übergeordneten Instanzen innerhalb Österreichs her sicher möchte. Aber gerade durch diese Differenzierungen wird es natürlich immer schwieriger, Ausschreibungen korrekt zu machen und dann die Vergaben korrekt zu machen. Mittlerweile ist es einfach so, dass fast keine Vergabe mehr nicht beeinsprucht wird, wenn sie eine gewisse Größenordnung erreicht, was den Umgang eben sehr schwierig macht, weil man dann sofort sehr viele Anwälte braucht, sehr viel juristischen Beistand braucht und so weiter.
Da, denke ich, wäre es gerade auch auf Gesetzgebungsseite, auf Länderebene, aber auch auf nationalstaatlicher Ebene, einer Überprüfung wert, wie es möglich wäre, Dinge zu vereinfachen, zu harmonisieren und dadurch einfacher zu machen. Also nicht immer nur zu warten, bis die EU reagiert. Aber es wurde ja auch vom EU-Rechnungshof in Aussicht gestellt, dass es Schulungsprogramme für Rechnungshöfe geben wird. Ich denke, das sollte auch von unseren Landesrechnungshöfen eingefordert werden, um hier zu Verbesserungen zu kommen, damit auch bei entsprechenden Überprüfungen durch Landesrechnungshöfe sozusagen das Know-how dafür vorhanden ist, mit ebendieser Ebene besser und effektiver umzugehen.
Ich denke, das sollte von uns massiv eingefordert und eben auch in den Ländern mitgeteilt, darüber informiert werden, ebenso was die Erstellung von Handbüchern und so weiter für entsprechende Förderstellen betrifft, wo man durch Schulung und durch Unterstützung, glaube ich, sehr viel herausholen kann und so dann auch im Bereich der Fehlerhäufigkeit in Zukunft hoffentlich bessere Werte erreichen kann.
Ich danke dem EU-Ausschuss dafür, dass es da die Möglichkeit gibt, sich das anzuschauen und anzuhören, um es dann auch in die Länder und für unsere Arbeit mitzunehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
17.44
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.
17.44
Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte einmal den Mitgliedern des EU-Ausschusses zu diesem sehr profunden Bericht gratulieren, und zwar allen, die hier geredet haben. Ich glaube, es hat einen sehr guten Überblick gegeben, vor allen Dingen uns einen guten Überblick gegeben, um uns mit der Thematik auch zu befassen. Das war wirklich eine gute Arbeit, die ihr geleistet habt: Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
Dann möchte ich mich gerne von den Kolleginnen und Kollegen, die den Bundesrat verlassen, verabschieden. Ich hatte mir vorgenommen – ich bin etwas verwundert darüber, dass ich dem nächsten Bundesrat wieder angehöre, da ich der älteste Wiener bin –, irgendwie schon geistig meine Abschiedsrede vorzubereiten. Aber ich bedanke mich einmal bei Harry Himmer, und ein paar Worte dazu.
Den Harry Himmer habe ich kennengelernt, da war er bei der Jungen ÖVP (Bundesrätin Mühlwerth: „Bonzen quälen“! – Bundesrat Schennach: „Bonzen quälen“! – weitere Zwischenrufe) ein aufsässiger Funktionär. Es sind dann in einem Wahlkampf Plakate aufgetaucht – ich war damals Bezirkssekretär in Simmering –, und auf den Plakaten stand: „Bonzen quälen – Himmer wählen“. Das war so ein ganz markanter Punkt. Ich habe mir nur gedacht: Das Plakat kann eigentlich nicht uns betreffen, das kann ja nur die Stimmen der ÖVP betreffen! (Bundesrat Schennach: Dohr!) Aber vielleicht war der Versuch auch der, woanders her Stimmen zu fischen. Ich hoffe, es ist dir auch gelungen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)
Lieber Harry, du warst ein ausgezeichneter Vizepräsident, und Edgar Mayer hat das sehr, sehr klar und deutlich gesagt. Du warst wahrscheinlich derjenige, der am schnellsten die Tagesordnung beim Lesen abgewickelt hat. Ich habe dich dafür immer bewundert, so schnell lesen habe ich in meinem Leben nie können. Ich glaube, es gibt auch niemanden hier, der das kann, aber du hast es geschafft. Das war großartig!
Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft! Ich wünsche dir, dass du auch politisch wieder mehr schaffst und vielleicht auch einen Beitrag dazu leisten kannst, dass die ÖVP in Wien gesundet. Ich sage das deswegen, weil wir noch eine weitere Partei in Wien brauchen. Sonst können nur mehr wir (in Richtung Grüne) koalieren! Wir sollten uns das schon ein bissel mehr aussuchen können. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Kneifel: Wir sind für den Lobau-Tunnel!) Also, Harry, leiste deinen Beitrag dazu! Du bleibst ja weiter politisch tätig, nehme ich an. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Marco Schreuder, ich hoffe, du kommst wieder! Wir werden ja sehen. Aber ich sage einmal so: Wir werden auch mit deiner neuen Kollegin gut zusammenarbeiten. Ich habe viel kennengelernt durch dich, habe auch einiges gelernt über Song Contest und über die Szene, in der du dich bewegst, und habe auch ein Stückchen mehr Verständnis dafür entwickelt – für mich persönlich sage ich das einmal. Danke dafür und alles Gute auf deinem weiteren Weg! Scheide nicht aus der Politik aus! Wir brauchen auch kritische andere, die auch in den eigenen Reihen des Öfteren die Wahrheit sagen. Deinen Beitrag habe ich sehr schätzen gelernt, dass du auch Kritik in der eigenen Partei anbringst. Ich glaube, das braucht man auch dazu. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
In unserer Fraktion scheidet Ilse Fetik aus. Die Ilse ist heute das letzte Mal da. Die SPÖ hat in ihren Sitzungen anders entschieden und wird eine neue Bundesrätin entsenden, ansonsten bleibt die Wiener Mannschaft der SPÖ gleich.
Liebe Ilse, danke für deine Arbeit! Du warst hochprofessionell, was den Finanzbereich, den Bankenbereich und vieles andere betroffen hat. Alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)
17.49
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, lieber Reinhard! Ich habe es ja immer sehr geschätzt, dass wir, auch bei allen Widersprüchen, uns persönlich sehr gut haben verständigen können.
Mit dem „Bonzenquäler“ hast du mich natürlich schon dazu gereizt zu sagen: Ein bisschen Ironie des Schicksals ist es schon, dass ich mein Bundesratsmandat verliere und eure Fraktion mit 39 Prozent sechs von elf Bundesräten stellt. (Bundesrat Todt: Manchmal begünstigt es euch, manchmal uns! – Weitere Zwischenrufe.) Da gibt es welche, die haben ein tolles Wahlrecht gemacht.
Ich möchte aber gleichzeitig dazusagen – wer immer von der SPÖ dann diesen elften Platz bekommt, den ich demokratiepolitisch sehr für mich reklamieren würde (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ) –: Ich wünsche dieser Person alles Gute! Und: Hätte ich es ungerechtfertigt bekommen, hätte ich es auch genommen. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)
*****
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Einlauf
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 3093/J-BR bis 3098/J-BR, eingebracht wurden.
*****
Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 3. Dezember 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen.
Wie immer kommen dafür jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.
Die Ausschussvorberatungen sind für den 1. Dezember 2015 anberaumt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 17.52 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien |