Stenographisches Protokoll

110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 10., und Donnerstag, 11. Juli 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 10., und Donnerstag, 11. Juli 2002

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 10. Juli 2002: 9.05 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 11. Juli 2002: 0.00 – 0.25 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín"

2. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 384/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich des KKW Temelín

3. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 446/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der EU-Atompolitik

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 515/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlussfolgerungen aus österreichischem Expertenbericht KKW Temelín

5. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 596/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorschläge zur Umsetzung des Temelín Volksbegehrens

6. Punkt: Bericht über die Petition (30/PET) betreffend "Gegen Temelín – für unsere Zukunft", überreicht von der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 400/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002)

10. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus")


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110. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft")

12. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten

13. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung")

14. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald")

15. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr")

16. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz")

17. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege"), und Bericht über den

Antrag 597/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung Natura 2000 alpiner Raum sowie über den

Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend mangelnde Umsetzung von Natura 2000 in Österreich

18. Punkt: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie")

19. Punkt: Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung

20. Punkt: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen

21. Punkt: Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung

22. Punkt: Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002), und Bericht über den

Antrag 524/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung erneuerbarer Energie im liberalisierten Markt sowie über den

Antrag 525/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erstellung eines neuen Energieberichts


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110. Sitzung / Seite 3

24. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden

25. Punkt: Bericht über den Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

26. Punkt: Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002)

28. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird

29. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen

30. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz)

32. Punkt: Bericht über den Antrag 714/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert werden

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002)

34. Punkt: Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof


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110. Sitzung / Seite 4

35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG)

36. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

37. Punkt: Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen

38. Punkt: Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen

39. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert wird (671/A)

40. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (659/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 18

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2001 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 18. September 2002 zu setzen 41

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 41

Redner:

Dr. Josef Cap 163

Mag. Andrea Kuntzl 165

Dr. Harald Ofner 167

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 168

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 168

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 169

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 41

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen, den Ausschussbericht 1250 der Beilagen (XXI. GP) – Volksbegehren (1065 der Beilagen) "Veto gegen Temelín" gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Besonderen Ausschuss zur Vorberatung des Volksbegehrens (1065 der Beilagen) "Veto gegen Temelín" rückzuverweisen – Annahme 93, 93


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110. Sitzung / Seite 5

Fragestunde (24.)

Öffentliche Leistung und Sport 18

Dr. Peter Wittmann (195/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ridi Steibl, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Mag. Walter Tancsits (186/M); Karl Öllinger, Otto Pendl, Hermann Reindl

Dieter Brosz (193/M); Mag. Rüdiger Schender, Beate Schasching, Werner Amon, MBA

Dr. Michael Krüger (190/M); Mag. Karin Hakl, Dr. Gabriela Moser, Mag. Gisela Wurm

Beate Schasching (196/M); Patrick Ortlieb, Karlheinz Kopf, Dieter Brosz

Reinhold Lexer (187/M); MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Katharina Pfeffer, Mag. Gerhard Hetzl

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (194/M); Dr. Michael Krüger, Dr. Ilse Mertel, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer

Mag. Dr. Udo Grollitsch (191/M); Astrid Stadler, Theresia Haidlmayr, Mag. Christine Lapp

Otto Pendl (197/M); Mag. Eduard Mainoni, Mag. Heribert Donnerbauer, MMag. Dr. Madeleine Petrovic

Ausschüsse

Zuweisungen 40, 282, 283

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Täuschung der österreichischen Bevölkerung über die tatsächlichen Kosten der sündteuren Kampfflugzeuge (4154/J) 116

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 122

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 125

Debatte:

Dr. Josef Cap 133, 161

Wolfgang Jung 134

Walter Murauer 137

Dr. Peter Pilz 139

Bundesminister Herbert Scheibner 142

Anton Gaál 144

Dr. Harald Ofner 146

Astrid Stadler 147

Mag. Werner Kogler 148

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 151

Karl Freund 154

Dr. Gerhart Bruckmann 155

Dr. Evelin Lichtenberger 156

Rudolf Edlinger 158


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110. Sitzung / Seite 6

Dr. Andreas Khol 159

Mag. Karl Schweitzer 160

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kompensationsgeschäfte beim Ankauf von Abfangjägern – Ablehnung 151, 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern – Ablehnung 158, 162

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" (1065/1250 d. B.) 42

2. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 384/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich des KKW Temelín (1251 d. B.) 42

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 446/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der EU-Atompolitik (1252 d. B.) 42

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 515/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlussfolgerungen aus österreichischem Expertenbericht KKW Temelín (1253 d. B.) 42

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 596/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorschläge zur Umsetzung des Temelín Volksbegehrens (1254 d. B.) 42

6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Petition (30/PET) betreffend "Gegen Temelín – für unsere Zukunft", überreicht von der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig (1255 d. B.) 42

7. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 400/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom (1256 d. B.) 42

Redner:

Dr. Josef Cap 42

Dr. Andreas Khol 46

Dr. Eva Glawischnig 49

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 53

Mag. Karl Schweitzer 53

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 57

Mag. Ulrike Sima 60

Ing. Gerhard Fallent 65

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) 67

Helmut Dietachmayr (tatsächliche Berichtigung) 68

Dr. Gabriela Moser 68


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110. Sitzung / Seite 7

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 71

Bundesminister Herbert Scheibner 73

Georg Oberhaidinger 76

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 78

Mag. Ulrike Lunacek 82

Erwin Hornek 84

Mag. Barbara Prammer 85

Ing. Wilhelm Weinmeier 87

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 88

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 89

Mag. Kurt Gaßner 89

Ing. Herbert L. Graf 90

Anton Heinzl 92

Robert Wenitsch 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Initiativen der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der Anti-Atom-Politik Österreichs – Ablehnung 63, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelín – Annahme (E 144) 79, 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur raschen Erweiterung der Europäischen Union, ohne Verzögerungen und Veto-Drohungen – Ablehnung 83, 93

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1251 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelín (E 143) 94

Kenntnisnahme der fünf Ausschussberichte 1252, 1253, 1254, 1255 und 1256 d. B. 94

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1159 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz) (1226 d. B.) 95

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1160 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002) (1240 d. B.) 95

Redner:

Mag. Ulrike Sima 95

Franz Hornegger 96

Dr. Eva Glawischnig 97

Erwin Hornek 100

Anton Heinzl 101

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 102

Ing. Wilhelm Weinmeier 103


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110. Sitzung / Seite 8

Ing. Erwin Kaipel 104

Matthias Ellmauer 105

Georg Oberhaidinger 106

Dr. Brigitte Povysil 107

Johann Loos 107

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1226 und 1240 d. B. 108

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1090 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus") (1227 d. B.) 109

11. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1091 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft") (1228 d. B.) 109

12. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1092 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten (1229 d. B.) 109

13. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1093 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung") (1230 d. B.) 109

14. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1094 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald") (1231 d. B.) 109

15. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1095 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr") (1232 d. B.) 109

16. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1096 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz") (1233 d. B.) 110

17. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1097 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege"), und über den

Antrag 597/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung Natura 2000 alpiner Raum sowie über den

Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend mangelnde Umsetzung von Natura 2000 in Österreich (1234 d. B.) 110

18. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1098 d. B.): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie") (1235 d. B.) 110

Redner:

Gerhard Reheis 110

Ing. Gerhard Fallent 111

Hermann Gahr 112


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110. Sitzung / Seite 9

Dr. Evelin Lichtenberger 114

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 115

Robert Wenitsch 170

Mag. Hans Langreiter 171

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 171

Ing. Kurt Scheuch 173

Klaus Wittauer 174

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Arbeitsfeldes Nachhaltige Entwicklung – Annahme (E 145) 113, 176

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen zu einem europäischen wissenschaftlichen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen – Ablehnung 172, 176

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1231 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Unterstützung der Bewerbung Innsbrucks als Sitz des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention (E 146) 176

Genehmigung der neun Staatsverträge in 1090, 1091, 1092, 1093, 1094, 1095, 1096, 1097 und 1098 d. B. 175


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110. Sitzung / Seite 10

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1144 d. B.): Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung (1236 d. B.) 177

20. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1145 d. B.): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen (1237 d. B.) 177

21. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1171 d. B.): Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung (1238 d. B.) 177

22. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1146 d. B.): Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen (1239 d. B.) 177

Redner:

Mag. Ulrike Sima 178

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 178

Dr. Eva Glawischnig 179

Katharina Pfeffer 180

Ing. Wilhelm Weinmeier 180

Genehmigung der vier Staatsverträge in 1144, 1145, 1171 und 1146 d. B. 181

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 1144, 1145, 1171 und 1146 d. B. 181

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 1144, 1145, 1171 und 1146 d. B. 181

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1116 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002), und über den

Antrag 524/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung erneuerbarer Energie im liberalisierten Markt sowie über den

Antrag 525/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erstellung eines neuen Energieberichts (1242 d. B.) 182

24. Punkt: Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden (1243 d. B.) 183

25. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1222 d. B.) 183

26. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (482 d. B.): Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (1223 d. B.) 183

Redner:

Dr. Eva Glawischnig 183

Georg Oberhaidinger 184

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 186

Karlheinz Kopf 187, 200

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 189

Peter Marizzi 191

Sigisbert Dolinschek 192

Dr. Reinhold Mitterlehner 192

Kurt Eder 194

Mag. Reinhard Firlinger 196, 204

Georg Schwarzenberger 197

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 197

Dr. Reinhold Mitterlehner (tatsächliche Berichtigung) 198

Mag. Martina Pecher 199

Ing. Kurt Gartlehner 200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betrauung der EXAA mit der Verwertung von Ökoenergie – Annahme (E 149) 201, 207

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1242 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Förderung von weiteren Investitionen für den Ausbau von Strom- und Gasnetzen (E 147) 206


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110. Sitzung / Seite 11

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1242 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Erstellung eines neuen Energieberichts
(E 148) 206

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1243 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Differenzierung der Zuschläge nach Netzebenen (E 150) 207

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1242, 1243 und 1222 d. B. 206

Genehmigung des Staatsvertrages in 482 d. B. 208

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1175 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002) (1202 d. B.) 208

28. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird (1203 d. B.) 208

29. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1158 d. B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen (1206 d. B.) 209

30. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1137 d. B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1207 d. B.) 209

Redner:

Dr. Kurt Heindl 209

Hermann Böhacker 210

Mag. Werner Kogler 211

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 213

Mag. Gerhard Hetzl 214

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 214

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 216

Andreas Sodian 216

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1202, 1203, 1206 und 1207 d. B. 283

Gemeinsame Beratung über

31. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1181 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungs


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garantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz) (1204 d. B.) 217

32. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 714/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert werden (1205 d. B.) 217

Redner:

Dr. Kurt Heindl 217

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 218

Mag. Werner Kogler 219

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 220

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 221

Emmerich Schwemlein 221

Hans Müller 222

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 223

Hermann Böhacker 224

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 225

Anna Huber 226

Edeltraud Lentsch 227


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Emmerich Schwemlein, Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben – Annahme (E 151) 222, 226, 228

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1204 und 1205 d. B. 227

33. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1166 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) (1213 d. B.) 228

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 228

Dr. Harald Ofner 231

Mag. Terezija Stoisits 232

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 235

Doris Bures 242

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 245

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) 247

Dr. Sylvia Papházy, MBA 247

Mag. Ulrike Lunacek 249

Mag. Walter Tancsits 252

Gabriele Heinisch-Hosek 25


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3

Mag. Rüdiger Schender 263

Otto Pendl 263

Hermann Gahr 264

Ludmilla Parfuss 265

Mag. Dr. Udo Grollitsch 265

Werner Miedl 266

Peter Schieder 267

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neufassung des § 209 StGB – Annahme (E 152) 238, 270

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof – Ablehnung 251, 270

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend bestmöglichen Jugendschutz und eine verantwortungsvolle Weiterentwicklung des Sexualstrafrechtes – Ablehnung 255, 271

Annahme des Gesetzentwurfes 268

34. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1168 d. B.): Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1214 d. B.) 271

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac 271

Dr. Michael Krüger 272

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 273

Mag. Terezija Stoisits 274

Annahme 274

Gemeinsame Beratung über

35. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1167 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG) (1215 d. B.) 275

36. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1169 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1216 d. B.) 275

37. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1003 d. B.): Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1217 d. B.) 275

38. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (974 d. B.): Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1218 d. B.) 275

Redner:

Mag. Johann Maier 275

Mag. Eduard Mainoni 276

Dr. Gabriela Moser 277

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 277

Mag. Dr. Josef Trinkl 278

Anton Heinzl 278

Dr. Michael Krüger 279

Dr. Ilse Mertel 280

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1215 und 1216 d. B. 281

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 1003 und 974 d. B. 281

39. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert wird (671/A) 281

Redner:

Dr. Peter Wittmann 282

Zuweisung des Antrages 671/A an den Verfassungsausschuss 282

40. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (659/A) 282

Redner:

Mag. Johann Maier 282

Dr. Gabriela Moser 283

Zuweisung des Antrages 659/A an den Justizausschuss 283

Eingebracht wurden

Bericht 40

III-162: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2001); Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket für den österreichischen Film (730/A) (E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer SchülerInnenanwaltschaft (731/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209 StGB (732/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Täuschung der österreichischen Bevölkerung über die tatsächlichen Kosten der sündteuren Kampfflugzeuge (4154/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend stellvertretenden Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Mitglied der Generalversammlung der Kärntner Gebietskrankenkasse, FPÖ-Nationalratsabgeordneten, FPÖ-Arbeiterkammervorstand und damit FPÖ-Multifunktionär und FPÖ-Multiverdiener Gaugg (4155/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend stellvertretenden Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Mitglied der Generalversammlung der Kärntner Gebietskrankenkasse, FPÖ-Nationalratsabgeordneten, FPÖ-Arbeiterkammervorstand und damit FPÖ-Multifunktionär und FPÖ-Multiverdiener Gaugg (4156/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Arbeitsvergütung von Strafgefangenen (4157/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Fremdsprachenunterricht an Österreichs Schulen in Hinblick auf die bevorstehende EU-Osterweiterung (4158/J)


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110. Sitzung / Seite 15

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sanierung der Ferienwohnungen des Finanzministeriums in Ischgl (4159/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Artothek (4160/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Einrichtung eines Frauenfachbeirates (4161/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Korrektur der Anfrage 2234/J (4162/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Korrektur der Anfrage 2235/J (4163/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Suchtgiftdealer, 1170 Wien, Redtenbachergasse 82-84 (4164/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Neuaufnahmen in Polizei und Gendarmerie in Tirol (4165/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Teilgewerbe – Erfahrungswerte des BMWA – Folgen der Gewerbeordnungsnovelle" (4166/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "2002: Jahr der Neugründungen – Jahr der Neugründungskonkurse?" (4167/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Neubesetzung des Direktors des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts (4168/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend zwanghafte Einweisung in eine psychiatrische Klinik (4169/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausschreibung der Funktion des Leiters der BPD Klagenfurt (4170/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend "2002: Jahr der Neugründungen – Jahr der Neugründungskonkurse?" (4171/J)


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110. Sitzung / Seite 16

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Vertretung behinderter Menschen im Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) der EU (4172/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Vertretung behinderter Menschen im Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) der EU (4173/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bericht der Bundesregierung zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen (III-178 der Beilagen, XX. Gesetzgebungsperiode) (4174/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend drohendes Aus für den Fachbereich Integrationspädagogik an der Universität Innsbruck (4175/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gesundheitsbelastung durch Aufbau und Betrieb des "Adonis"-Netzes (4176/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Strahlungsbelastung durch Aufbau und Betrieb des "Adonis"-Netzes (4177/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufbau und Betrieb des "Adonis"-Netzes (4178/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Strahlungsbelastung durch Aufbau und Betrieb des "Adonis"-Netzes (4179/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Schul- und LehrerInnendaten 2001/2002 (4180/J)


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110. Sitzung / Seite 17

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Österreich auf Grund des Fehlens von Regelungen durch das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) über Schienenfahrzeuge (4181/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Gefährdung der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung sowie des Wirtschaftsstandorts Österreich auf Grund des Fehlens von Regelungen durch das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) über Schienenfahrzeuge (4182/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Erfolg" der Verwaltungsreform bzw. Verländerung im Eisenbahnbereich (4183/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend unzutreffende Aussagen der Bundesregierung und des Verkehrsministers über ein angeblich "klares Konzept zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrswege" (Generalverkehrsplan) (4184/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Gefährdung der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung auf Grund des Fehlens von Regelungen durch das BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) über Schienenfahrzeuge (4185/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Luftfahrtunrecht am Beispiel Reichhold/Innsbruck (4186/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Halbzeitbilanz zum Jahr der Berge 2002 (4187/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Halbzeitbilanz zum Jahr der Berge 2002 (4188/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verkehr und Klimaschutz (4189/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen (3845/AB zu 3870/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (3846/AB zu 3876/J)

 

 


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110. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****


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110. Sitzung / Seite 19

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich zur 110. Sitzung des Nationalrates begrüßen, die für heute mit einer umfangreichen Tagesordnung einberufen wurde.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Antoni, Dr. Bösch, Dobnigg, Dr. Einem, Jäger und Dr. Spindelegger. (Abg. Ing. Westenthaler: Dr. Bösch ist hier! – Abg. Dr. Khol: Seine Präsenz wird durch die physische Anwesenheit bewiesen!) Die physische Anwesenheit korrigiert ein Blatt Papier. Kollege Bösch steht zwar auf der Liste, wovon sich der Ordner soeben überzeugt hat, aber er sitzt hier, und damit ist das Problem gelöst.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt, um 9.05 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 195/M, die Herr Abgeordneter Dr. Wittmann an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport eingebracht hat. – Bitte, Herr Dr. Wittmann.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

195/M

Wie viele Prozent der von Ihnen genannten Einsparungen von 27 Milliarden Schilling jährlich aus der von Ihnen im vorigen Jahr groß gefeierten Verwaltungsreform werden sich im laufenden Jahr tatsächlich ergeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Hohes Haus! Die Zahl von 27 Milliarden Schilling ist mir nicht bekannt, sondern es sind immer 21,21 Milliarden Schilling genannt worden. Ich sage Ihnen sehr gerne, wie sich diese Zahl zusammensetzt: aus dem Einsparungsvolumen der Bund-Länder-Vereinbarungen zur Verwaltungsreform im Ausmaß von 260 Millionen € oder 3,61 Milliarden Schilling – das ist jener Bereich, den wir gemeinsam mit den Landeshauptleuten in der so genannten Achterrunde verhandelt haben –, aus Einsparungen in der Ministerialverwaltung in der Höhe von 190 Millionen € oder 2,6 Milliarden Schilling sowie aus personalpolitischen Maßnahmen in einem Ausmaß von 1,1 Milliarden € oder 15 Milliarden Schilling.

Ich möchte Ihnen sagen, dass wir gestern den Zwischenbericht über den Personalabbau im Ministerrat hatten. Das Ziel von 15 000 Vollbeschäftigungsäquivalenten, die abgebaut werden sollen, ist jetzt schon zu zwei Dritteln erreicht, sodass davon auszugehen ist, dass bis zum Ende der Legislaturperiode das volle Volumen umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Da diese Einsparungen nicht durch Einsparungen passieren – gestern wurde eine Erhöhung der Strafverfügungen beschlossen –, weil hier Mehreinnahmen von 198 Millionen Schilling auf Ihrem Papier aufscheinen (Abg. Schwarzenberger: Einsparungen! Das verwechselt er immer!), sodass auf der Einnahmenseite zusätzliche Mittel von den Bürgern lukriert werden, nicht jedoch Sparpotentiale, darf ich Sie fragen: Wie viele dieser so genannten Einsparungen beruhen auf Einnahmeeffekten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Von der von mir genannten Summe von 21,21 Milliarden Schilling beruht kein einziger Betrag auf Einnahmen, sondern es sind rein ausgabenseitige Maßnahmen. Das heißt, dass wir im Verwaltungsbereich einsparen. Wir haben uns da sehr ambitionierte Ziele gesetzt, auch durch Einsparungen in den einzelnen Ressortverwaltungen. Wir haben Verwaltungsverfahren, die kürzer werden, wodurch für den Bürger eine Kostenentlastung entsteht.

Sie wissen, dass der Bund im Zusammenhang mit der Euro-Umrechnung die Garantie abgegeben hat, dass nicht aufgerundet wird. Das ist auch eingehalten worden – leider nicht von allen Ländern in dem Ausmaß, in dem wir das getan haben.

Die Einsparungen auf Grund der Verwaltungsreform sind ausschließlich und nur ausgabenseitige Maßnahmen, das heißt Einsparungen, die die Verwaltung bei sich selbst macht, es erfolgt keine einzige Belastung eines Bürgers. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Bösch, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Vizekanzler! Es ist immer wieder von Einsparungen in den Zentralstellen die Rede. Können Sie einen kurzen Überblick über die Einsparungen von Sektionen, Gruppen, Abteilungen und Referaten geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Es gibt in den Zentralstellen der Bundesverwaltung sehr umfassende Einsparungen. Wir werden von den bestehenden Organisationseinheiten im Bereich der Zentralverwaltung des Bundes, das heißt der Ministerien, 17 Sektionen, 52 Gruppen, 142 Abteilungen und 185 Referate einsparen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Ridi Steibl, bitte.

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Frau Vizekanzler! Wie weit sind die Deregulierungsmaßnahmen seitens der Länder fortgeschritten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! Wir haben in den letzten Wochen von allen Ländern den aktuellen Stand eingeholt und haben sehr umfangreiche Darlegungen der Deregulierungsmaßnahmen in den Ländern bekommen. Es sind in allen Bundesländern die Grundlagen für die Umsetzung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 auf dem besten Wege und teilweise schon geschaffen.

In sechs Bundesländern sind Landesverwaltungsreformgesetze bereits beschlossen beziehungsweise in Vorbereitung, um die Schwerpunkte des Bundesverwaltungsreformgesetzes auch in Landesmaterien umzusetzen. Das umfasst insbesondere das One-Stop-Shop-Prinzip, das heißt die Zusammenfassung zu einer Anlaufstelle für den Bürger und die Verlagerung der Kompetenzen zu den Bezirksverwaltungsbehörden, den UVS als zweite Instanz und damit eine beträchtliche Verkürzung der Verwaltungsverfahren.


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In allen Bundesländern laufen Bestrebungen, die baubehördlichen Kompetenzen zu übertragen. In manchen Bundesländern, wie zum Beispiel in Salzburg, ist das schon erledigt. Es gibt weitere zahlreiche Initiativen zur Deregulierung und zu Verbesserungen im Bereich des E-Government. Ich habe aus allen Bundesländern die Detailregelungen, die schon getroffen wurden, vorliegen. Es würde jetzt zu weit führen, von allen neun Bundesländern den gesamten Bericht zu bringen, ich kann Ihnen das aber gerne schriftlich übermitteln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Zur Ausschöpfung von Einsparungspotentialen im Bereich der gesamten Verwaltung des Bundes sind die Empfehlungen der Hilfsorgane des Nationalrates, nämlich des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft, von besonderer Bedeutung.

Halten Sie angesichts der Affären rund um Volksanwalt Stadler, seiner deutschnationalen Äußerungen hart an der Grenze der Wiederbetätigung – und er ist ausgerechnet für den Bereich der Fremdenmaterien zuständig (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!)  – diesen Sektor der Volksanwaltschaft im Hinblick auf Einsparungspotentiale noch für handlungsfähig?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! Ich weise die von Ihnen hier getroffenen polemischen Unterstellungen, die unwahr sind, mit allem Nachdruck zurück, auch im Namen des Herrn Volksanwaltes Stadler. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Was ist unwahr? – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der Grünen –: Geht wieder auf die Donauinsel, wo ihr hingehört! Niemand braucht euch da herinnen! – Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Volksanwaltschaft hervorragende Arbeit leistet, dass sie eine ganz wesentliche Anlaufstelle für die Bürger ist, und das gilt für alle drei Volksanwälte, insbesondere für Herrn Volksanwalt Stadler. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung der Grünen –: Ziehen Sie wieder aus!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 2. Anfrage, 186/M, bringt Herr Abgeordneter Mag. Tancsits vor. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Meine Frage lautet:

186/M

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die zunehmend feststellbare Verunsicherung im öffentlichen Dienst bekämpfen zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Die Motivation der Mitarbeiter gerade im Zusammenhang mit Verwaltungsreformmaßnahmen ist uns ein besonderes Anliegen, da eine Reform ohne Mitarbeiter überhaupt nicht möglich wäre. Die von mir vorhin zitierten Verwaltungsreformmaßnahmen sind nur durch den Beitrag und das Engagement vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes möglich.

Wie hervorragend die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Österreich an innovativen Reformprojekten beteiligt sind, zeigt die Tatsache, dass wir in internationalen Vergleichen, bei Benchmarks – wie zum Beispiel beim Speyer Qualitätswettbewerb – Preise für Verwaltungsreformprojekte in der österreichischen Verwaltung erzielen. Ich gehe daher davon aus, dass die


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110. Sitzung / Seite 21

Mitarbeiter mit großem Engagement – das ist auch meine persönliche Erfahrung – an den Reformmaßnahmen mitwirken.

Bedauerlicherweise kommt es aber immer wieder vor, dass von einzelnen politischen Gruppierungen, zum Beispiel seitens der Gewerkschaft, versucht wird, die Mitarbeiter zu verunsichern. Ich habe eine Reihe von Flugblättern, etwa auch von der FSG, auf denen zum Beispiel von Massenkündigungen im Sicherheitsbereich die Rede ist, wo behauptet wird, dass die Sicherheitsdirektionen in Österreich aufgelöst werden würden. – Das ist eine nachweislich falsche Behauptung.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir alle – Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, aber auch die Interessenvertretung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die Gewerkschaft öffentlicher Dienst – in Richtung Verwaltungsreform zusammenarbeiten und Verwaltungsreformmaßnahmen nicht zur Verunsicherung von Mitarbeitern missbraucht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Definitivstellung diskutiert. Welche Überlegungen haben Sie, um bei einer Neuordnung des Dienstrechts diesen wichtigen Schutz insbesondere in politisch sensiblen Bereichen zu gewährleisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Die gemeinsame Zielsetzung der Bundesregierung ist es, ein modernes, flexibles und leistungsorientiertes Dienstrecht für den öffentlichen Dienst in Österreich zu schaffen, das heißt, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem eine leistungsorientierte Besoldung einzuführen. Wir haben derzeit ein Besoldungssystem, das immens kompliziert und in vielen Bereichen demotivierend und nicht leistungsfördernd ist.

Die Pragmatisierung wird in einer sehr emotionalen Weise diskutiert. Ich glaube, dass es darauf ankommt, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in ihrer Funktion davor schützen, dass sie politischem Zugriff ausgesetzt sind. Das wird auch in Zukunft absolut gesichert sein. Das heißt, dass auch in Zukunft kein Mitarbeiter einer politischen Einflussnahme wird ausgesetzt werden können. Dafür wird auch im Gesetz Sorge getragen.

Wir haben als Vorbild das Bundesangestelltenrecht der Schweiz, wo in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und den Personalvertretungen ein Dienstrecht erarbeitet wurde, das alle notwendigen Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter bietet. Es wird darüber hinaus aber auch sichergestellt, dass wir einen flexiblen Arbeitsmarkt haben, dass wir in Österreich nicht verschiedene Klassen von Arbeitnehmern haben, sondern einen Arbeitsmarkt mit gleichen Spielregeln für alle. Wir wollen auch den Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft in Zukunft erleichtern. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werte Frau Vizekanzlerin! Während Sie bei politischen Mandataren wie Herrn Volksanwalt Stadler immer wieder argumentieren, dass der Betreffende nicht zum Rücktritt gedrängt werden kann, weil er unter dem besonderen Schutz der Verfassung steht (Abg.


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Ing. Westenthaler: Seit wann ist Herr Stadler Mandatar? – Er kennt sich überhaupt nicht aus!), argumentieren Sie als Vizekanzlerin bei missliebigen Beamten mit der Vorruhestandsregelung und der Möglichkeit eines freiwilligen In-Pension-Gehens. Glauben Sie nicht, dass die unterschiedlichen Relationen zwischen Herrn Volksanwalt Stadler (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Frage! – Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident, das ist eine Zusatzfrage?) auf der einen Seite und dem Versuch, politisch missliebige Beamte in den Vorruhestand zu schicken, auf der anderen Seite zur Verunsicherung der Beamten beitragen? (Abg. Ing. Westenthaler: Am besten, Sie gehen wieder auf die Donauinsel zurück, wo Sie hingehören!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Kollege Öllinger! Da ich weiß, dass Sie sich in Fragen des öffentlichen Dienstes auskennen, muss ich sagen: Sie können diese Frage nur wider besseres Wissen gestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich wiederhole es gerne noch einmal, wenn Sie es hören möchten: Herr Volksanwalt Stadler leistet hervorragende Arbeit (Abg. Öllinger: Wodurch?), und das wird auch von vielen Bürgern, die die Volksanwaltschaft in Anspruch nehmen, gewürdigt und belegt; ich kann Ihnen diesbezüglich gerne eine Reihe von Schreiben vorlegen.

Was den Vorruhestand betrifft, Herr Kollege, darf ich sagen: Das ist ein Modell der Freiwilligkeit und nicht des Zwangs. (Abg. Dr. Petrovic: Ja, ja, wie wir alle wissen!) Das heißt, es wird da niemand zwangsweise irgendwohin geschickt, sondern das ist ein Modell, das auf reiner Freiwilligkeit beruht. – Das steht im Übrigen ganz im Gegensatz zu den Methoden, die im Bereich der ÖBB, der Telekom und der Post angewendet wurden, bei denen Leute nachweislich genötigt wurden, in den Ruhestand zu gehen. Diese Praxis haben wir gestern, wie Sie wissen, mit einem Gesetzesbeschluss in diesem Haus abgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Angeblich ist er gestern beim Schwimmkurs durchgefallen! Ich habe gehört, dass der Öllinger gestern Schwimmflügerl angehabt hat! Van der Bellen ist noch immer dort!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Pendl, bitte.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Welche zusätzlichen Einnahmen werden Sie aus der als Beitrag zur Verwaltungsreform deklarierten Anhebung der Verwaltungsstrafverfügungen von 1 000 S auf 3 000 S und der Anonymverfügungen von 3 000 S auf 5 000 S erzielen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Das ist eine Frage, die nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt, und das wissen Sie selbstverständlich auch. (Abg. Ing. Westenthaler: Das sollte eigentlich auch der Herr Präsident wissen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Reindl, bitte.

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Es wurde von Verunsicherung im öffentlichen Dienst gesprochen. Der öffentliche Dienst umfasst sehr viele Bereiche, und ich frage Sie: In welchen Bereichen sehen Sie Probleme und Verunsicherungen? (Abg. Ing. Westenthaler: Auch der Herr Präsident sollte das wissen! Keine zulässige Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich sehe die Verunsicherung überall dort, wo von politischen Gruppierungen versucht wird, diese durch wahrheitswidrige Behauptungen zu schüren, und dort, wo Vereinbarungen, die wir getroffen haben, zum Beispiel auch mit der Gewerkschaft, nicht eingehalten werden.

Ein Beispiel ist der Universitätsbereich, bei welchem wir in sehr schwierigen, aber letztendlich erfolgreichen Verhandlungen mit der Gewerkschaft eine Einigung, einen Konsens über die Reformmaßnahmen im Bereich des Universitätslehrerdienstrechtes erzielt haben. Nachdem das in der mit der Gewerkschaft vereinbarten Form beschlossen war, hat man sich hinterher von diesem Konsens verabschiedet, wieder dagegen mobilisiert und viele Mitarbeiter dadurch verun


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sichert, dass man ihnen wahrheitswidrige Behauptungen über den Inhalt dieses Dienstrechtes mitgeteilt hat. Ich bedauere das sehr, weil ich denke, dass das nicht die Zielsetzung der Zusammenarbeit zwischen dem Bund oder der Republik und den Interessenvertretungen sein kann, sondern es muss uns ein Anliegen sein, Mitarbeiter richtig und vollständig über neue Regelungen zu informieren.

Mein Eindruck aus vielen persönlichen Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist, dass diese, insbesondere die jungen Mitarbeiter, die Reformmaßnahmen durchaus sehr positiv bewerten und begrüßen. Es ist etwa im Lehrerbereich vor allem für die jungen Lehrer notwendig, dass wir zu neuen Regelungen kommen, weil es dort in der Gehaltskurve ein großes Ungleichgewicht gibt. Auch da ist es uns zum Beispiel gelungen, mit der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer eine Einigung zu erzielen.

Es war nicht möglich, eine Einigung auch mit der Gewerkschaft der AHS-Lehrer zu erzielen, wo dann auf dem Rücken der Schüler und meines Erachtens in wirklich nicht zulässiger Weise Politik gemacht wurde. Leistungen für Schüler wie Projektwochen, Schikurse oder Schullandwochen wurden abgesagt, und zwar nur deswegen, weil es um eine Gehaltsregelung für Lehrer gegangen ist, die wir zum Beispiel im Pflichtschullehrerbereich im Einvernehmen und sehr konstruktiv mit der Gewerkschaft gelöst haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 3. Anfrage, 193/M. Ich bitte Herrn Abgeordneten Brosz um die Formulierung der Frage.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

193/M

Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich, um die dienstrechtliche Situation von VertragslehrerInnen, die jährlich von einer Nichtweiterbeschäftigung beziehungsweise der Kürzung ihrer Lehrverpflichtung bedroht sind, zu verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass es ein eigenes Entlohnungsschema, nämlich das II-L-Schema, für diese Vertragslehrer gibt. Das gilt zum Beispiel für die Verwendung zur Vertretung einer konkret bestellten Person, die Verwendung in Gegenständen, die an einer Schule im Rahmen ihrer Schulautonomie geschaffen wurden, oder die Verwendung in Freigegenständen und in unverbindlichen Übungen.

Dienstrechtlich besteht die Besonderheit dieses Schemas darin, dass die Aneinanderreihung befristeter Verträge weiter gehend zulässig ist, als das in anderen Dienstbereichen vorgesehen ist, nämlich über sieben Jahre hinweg. Davon wird häufig bei auf ein Schuljahr oder einen Vertretungsfall bezogenen Verträgen Gebrauch gemacht, wobei das Stundenausmaß im Falle einer neuerlichen Verwendung naturgemäß Abweichungen nach oben oder unten unterliegen kann.

Auf Grund der Personalstrukturen und der von der Dienstgeberseite nur sehr bedingt beeinflussbaren Bedarfsschwankungen in der Nachfolge – weil das eben Parameter sind, die wir nicht steuern können – wurde von der Unterrichtsverwaltung stets betont, dass eine gegenüber dem allgemeinen Recht erhöhte Flexibilität bezüglich der Befristung erforderlich ist, weil man eben den Bedarf nicht auf Jahre hinaus genau berechnen kann. Die von uns wiederholt kritisierten schulfesten Stellen machen solche Sonderregelungen in eine andere Richtung notwendig. Hätten wir mehr Flexibilität zum Beispiel im Bereich der schulfesten Stellen, dann wäre dieses Problem wesentlich leichter zu lösen, so aber haben wir ein System, das in der Praxis nur sehr schwer vollziehbar ist.

Ich denke jedoch, dass ein angemessener Interessenausgleich zwischen dem verständlichen Wunsch nach einem stabilen Beschäftigungsverhältnis und den besonderen organisatorischen Verhältnissen eines Schulbetriebes und eines effizienten Managements gelungen ist. Es kommt


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hier der Einschätzung und der Interessenlage der lehrerführenden Ressorts beziehungsweise der Länder auch eine ganz besondere Bedeutung zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! Die Frage hat ja auch darauf abgezielt, dass Sie grundsätzlich die Pragmatisierung bei LehrerInnen in Frage stellen oder dass Sie meinen, dass sie dort nicht mehr notwendig sei.

Das System, das Sie beschrieben haben, beruht ja darauf, dass es teilweise Pragmatisierungen und teilweise VertragslehrerInnen gibt. Betreffend das System, das Sie wollen – ohne Pragmatisierung –, stelle ich noch einmal die Frage: Würden Sie dann Veränderungen im Vertragsrecht für erforderlich halten, oder würde das dann heißen, dass sozusagen alle LehrerInnen Jahr für Jahr von dieser Kürzung der Lehrverpflichtung bedroht sind?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich habe jetzt naturgemäß vom gesetzlichen Ist-Zustand ausgehen müssen.

Sie wissen, dass es unsere Zielsetzung ist, ein Dienstrecht zu schaffen, das auf vertraglicher Basis existiert. Es wird dann für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gelten, also auch für die Lehrer. Dieses System wird es auch ermöglichen, Lehrer in diesem Bereich – insbesondere für junge Lehrer ist das wichtig – entsprechend ihrer Leistung besser zu stellen. Darüber hinaus werden wir die Motivation von jungen Menschen, sich für diesen Beruf zu engagieren, auch im Bereich der Gehaltskurve, die ja derzeit sehr ungerecht ist, da Lehrer mit einem sehr geringen Anfangsgehalt beginnen und gegen Ende der Karriere die Gehälter stark nach oben steigen und dann die Lehrer hohe Pensionen haben, durch ein gerechtes Besoldungsschema entsprechend erhöhen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schender, bitte

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Unser Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer ist im internationalen Vergleich starr, unflexibel und auch wenig leistungsorientiert, wie Sie schon ausgeführt haben. Verbesserungen sind daher dringend notwendig.

Welchen Anforderungen hat aus Ihrer Sicht ein modernes Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer zu entsprechen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Die Neugestaltung des Dienst- und Besoldungsrechtes in diesem Bereich ist zurzeit Gegenstand einer Arbeitsgruppe, die wir eingesetzt haben und an der auch das Unterrichtsministerium beteiligt ist. Selbstverständlich sind auch die Interessenvertreter in diese Diskussionen eingebunden.

Es geht uns darum, ein modernes vertragliches Recht zu schaffen, ein ausgewogenes Modell, bei dem es keine Privilegierungen in diesem Bereich gibt. Es ist besonders wichtig, zu einem neuen Einkommensverlauf zu kommen und das Augenmerk auf die Leistungsbezogenheit des Systems zu legen. Die Qualität der Schulausbildung in Österreich hängt nämlich nicht nur vom Lehr- und Stundenplan ab, sondern sehr stark auch vom persönlichen Engagement jedes einzelnen Lehrers. Deshalb habe ich auch die Maßnahmen, die im AHS-Bereich zum Nachteil der Schüler gesetzt wurden, so bedauerlich und unverständlich gefunden.

Wir wollen durch ein neues, modernes gerechtes System Gerechtigkeit unter den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, insbesondere im Lehrerbereich, schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schasching, bitte.

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben in der Beantwortung der Frage des Kollegen Brosz die so genannten II-L-Verträge angesprochen; das sind die auf ein Schuljahr befristeten Verträge vor allem junger Lehrerinnen und Lehrer. Da gerade diese Lehrerinnen und Lehrer oft für die unverbindlichen Übungen zuständig sind, sehr viele Maßnahmen für einen positiven Zusatzunterricht tätigen und damit sehr stark dazu beitragen, dass wir in Österreich auch eine bestimmte Schulqualität sicherstellen können, möchte ich Sie fragen: Wie viele dieser jungen Lehrerinnen und Lehrer können im nächsten Schuljahr nicht mehr beschäftigt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin! Ich habe hier schon gesagt, dass es uns darum geht, dass wir ein modernes Dienst- und Besoldungsrecht auch für den Lehrerbereich schaffen. Ich bin also der Überzeugung, dass eine Pragmatisierung in diesem Bereich nicht erforderlich ist und dass wir heute ein System haben, in dem es eine große Vielzahl von unterschiedlichen Lehrerkategorien ... (Zwischenruf.)  – Also, Sie werden mir schon zugestehen, einen Satz zu beenden, nachdem mir die Frau Kollegin eine Frage gestellt hat, sonst bräuchte sie mir ja keine Frage zu stellen.

Heute ist es so, dass es auch auf Grund der hier angeführten Systeme zu sehr großen Ungleichgewichten kommt. Das heißt, wir haben verschiedene Kategorien von Lehrern mit sehr unterschiedlichen Besoldungssystemen, mit unterschiedlichen vertraglichen Systemen und mit unterschiedlicher Beschäftigungsdauer. Es ist ein System, das in sich zu vielen Ungerechtigkeiten führt. Deswegen haben wir jetzt eine Arbeitsgruppe, die daran arbeitet, dieses System zu vereinheitlichen und für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerecht zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Antwort! Das ist keine Antwort! Das ist ungeheuer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Es wurden die II-L-Lehrer erwähnt, die derzeit eine Wartefrist von sieben Jahren haben, um in ein unbefristetes Dienstverhältnis übernommen zu werden. Sehen Sie eine Möglichkeit oder ist es Ihrer Meinung nach möglich, etwa im Zuge einer dienstrechtlichen Reform eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis schon früher zu ermöglichen, beispielsweise nach fünf Jahren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Ich habe schon gesagt, dass es uns darum geht, dass es mit einem modernen Dienst- und Besoldungsrecht in diesem System keine Definitivstellung auf Lebenszeit mehr geben wird. Das heißt aber nicht, dass Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder Lehrer in irgendeiner Form vor der Gefahr stehen, wie Frau Kollegin Schasching das angeschnitten hat, gekündigt zu werden.

Mit dem Schweizer System, das wir uns mit Arbeitsrechtlern und Experten des öffentlichen Dienstes sehr genau angeschaut haben, haben wir zum Beispiel ein Modell, in dem es taxativ aufgezählte Kündigungsgründe gibt, das aber ein Dienst- und Besoldungssystem ist, das leistungsmotivierend und leistungsfördernd für Lehrer ist. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Schauen Sie sich das einmal an, Herr Kollege, bevor Sie ein – wie immer – vorschnelles Urteil fällen! Schauen Sie sich die Sachen einmal im Detail an!

Wir haben das auch schon bei der Gewerkschaft angesprochen. Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst ist durchaus daran interessiert, ein solches Modell auch in Österreich umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 4. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

190/M

Welche Fortschritte gab es im Bereich von e-government im letzten Jahr?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung. (Abg. Öllinger: Das ist eine steile Frage!)

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Es ist erfreulich, dass Österreich im europäischen Vergleich im Spitzenfeld aller Länder, was die Maßnahmen im Bereich e-government betrifft, liegt. Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr auf Regierungsebene ein so genanntes IKT-Board eingerichtet, um die strategischen Ziele in den einzelnen Ressorts zu bündeln. Wir haben ein sehr zersplittertes System übernommen, bei dem jedes Ressort seine eigenen Ausrichtungen im IKT-Bereich hatte. Wir haben diese Bereiche nun zusammengefasst. Wir vereinheitlichen damit den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie und verbessern auch die Koordination.

Wir haben eine sehr erfolgreiche Projektarbeit mit den Gebietskörperschaften, das heißt, mit Ländern, Städten und Gemeinden in diesem Zusammenhang, aber auch mit Interessenvertretungen wie der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, mit staatlichen Unternehmen und Anstalten des Bundes wie dem Bundesrechenzentrum oder der Bundesanstalt Statistik Austria, aber auch mit dem Rechnungshof und der Parlamentsdirektion. Es geht dabei darum, gemeinsam Zielsetzungen festzulegen, zum Beispiel im Hinblick auf ein einheitliches Formularwesen. Das ist eine wesentliche Erleichterung für den Bürger. Wir haben jetzt noch ein sehr zersplittertes Formularwesen in diesem Bereich.

Die Zugangsformen mittels elektronischer Signatur sind eine Zukunftsfrage, Österreich ist auch in diesem Bereich europaweit führend. Die Einführung des elektronischen Aktes, der sich jetzt in den einzelnen Ressorts in Umsetzung befindet, wird es ermöglichen, einen Akt an mehreren Stellen gleichzeitig zu bearbeiten und damit für den Bürger Verfahren deutlich zu verkürzen und auch für die Verwaltung eine deutliche Entlastung und damit Kostenersparnis zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Gibt es sonst noch konkrete Anwendungsmöglichkeiten im Bereich e-government aus der Sicht des Bürgers?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Unsere Zielsetzung ist es, bis zum Jahr 2005 alle Amtswege elektronisch bestreiten zu können. Das ist ein ganz wichtiger Bereich. Bereits heute ist eine Reihe von Anmeldungen möglich. Wir haben zum Beispiel mit Help-business für die klein- und mittelständischen Unternehmen im Bereich der Gewerbeanmeldung, aber auch anderer Anwendungen, gezielte Maßnahmen umgesetzt.

Wir haben ein international mehrfach ausgezeichnetes Projekt, nämlich den Amtshelfer online help.gv.at installiert, über den der Bürger sozusagen für alle Lebensbereiche, für alle Berührungspunkte, die er mit der Verwaltung hat, auch die entsprechende Auskunft bekommt. Die Meldeauskunft ist in diesem Zusammenhang bereits umgesetzt, Kommunalsteuererklärung, Verlustmeldung, Veranstaltungsanmeldung, Gewerbeanmeldung für Einzelunternehmen und Gesellschaften ebenfalls.


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Wir haben heuer den benutzerfreundlichen und vor allem behindertengerechten Zugang zu all diesen Maßnahmen in Umsetzung. Wir haben da eine Kooperation mit den Ländern. Gerade im Justizbereich – das wissen Sie, Herr Abgeordneter – gibt es auch im internationalen Bereich besonders hervorragende Projekte. Das Grundbuch ist einschaubar, was für die Parteien, aber natürlich auch für Rechtsanwälte und Notare eine wesentliche Erleichterung bringen und damit auch zur Kostenersparnis, besonders für den einzelnen Bürger, führen wird.

Wir werden im ersten Quartal des nächsten Jahres im Bereich Finanz online die elektronische Abwicklung der Lohn- und Einkommensteuererklärung umgesetzt haben. Auch das ist eine wesentliche Erleichterung und Verkürzung der Verfahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hakl, bitte.

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Es wird dem Bürger viel öfter möglich sein, von zu Hause aus Amtswege zu erledigen.

Wie ist die Sicherheit der Anwendungen im Netz und auf diesen elektronischen Datenwegen gewährleistet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich glaube, dass die Sicherheit und auch der Datenschutz in diesem Bereich eine ganz zentrale Frage sind. Wir haben in Zusammenarbeit mit Experten und auch gemeinsam mit der Europäischen Union Rechtsgrundlagen geschaffen, um in Österreich sicherzustellen, dass es da zu keinen missbräuchlichen Verwendungen kommen kann. Besonders die elektronische Signatur ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Punkt, bezüglich dessen wir mit vielen Experten entsprechende Maßnahmen gesetzt haben.

Es ist aber noch ein zweiter Bereich wichtig, den ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte: Es ist uns besonders wichtig, dass wir jenen Bevölkerungsgruppen, die zu Hause keinen PC haben oder die nicht zur Informationstechnologiegesellschaft gehören, ebenfalls den Zugang ermöglichen. Wir sind daher eine sehr erfolgreiche Kooperation mit den österreichischen Trafiken im Rahmen des Trafiknet, wie wir das nennen, eingegangen, im Rahmen dessen auch jene Menschen, die zu Hause diesen Zugang nicht haben, auf relativ einfachem und direktem Wege davon profitieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine VorrednerInnen sprachen schon von den neuen, für den Bürger erleichternden Möglichkeiten des e-government. Meines Erachtens birgt das auch einen massiven Demokratisierungsschub in sich. Nach 1945 wurde in Österreich die Demokratie mühsam aufgebaut.

Meine Frage lautet: Wann werden Sie Herrn Volksanwalt Stadler zum Rücktritt auffordern, da er diese Zeit als "Tyrannis" bezeichnet hat? (Abg. Ing. Westenthaler: Wann fahren Sie wieder auf die Donauinsel?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Diese Frage steht in keinem Zusammenhang mit der Hauptfrage. Ich überlasse es der Frau Vizekanzlerin, ob sie dazu Stellung nehmen will oder ob wir zur nächsten Frage übergehen.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! Ich sage Ihnen das, was ich vorhin schon Herrn Öllinger und Ihren anderen Kollegen, auch Frau Petrovic, gesagt habe, denn offensichtlich wollen Sie es noch einmal hören: Die österreichische Volksanwaltschaft – und das gilt für alle drei Volksanwälte, also inklusive des Volksanwaltes Stadler – leistet hervorragende Arbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ja, genau! Fahrt wieder auf die Donauinsel! Das ist gescheiter! Geht wieder schwimmen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wurm, bitte.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben nun wortreich erklärt, was sich alles durch e-government für den Bürger ändert. Bis jetzt merkt der Bürger beziehungsweise die Bürgerin allerdings noch nicht viel davon.

Ich frage Sie: Wie hoch sind die Einsparungen durch e-government?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich muss Ihnen da heftig widersprechen, Frau Abgeordnete, wenn Sie sagen, die Bürger merken noch nichts davon. Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir hatten zum Beispiel im Bereich der Justiz im Jahre 2001 rund 1,7 Millionen Eingaben und 2,7 Millionen Zustellungen. Dies dokumentiert die ständig wachsende Bedeutung dieses zukunftsorientierten Kommunikationsmittels.

Insgesamt hat die Zahl der bei den Gerichten im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Schriftsätze am 15. November 2001 bereits die Grenze von zehn Millionen überschritten. Für den Bereich der Justiz bringt der Einsatz der digitalen Technik darüber hinaus Einsparungen in Millionenhöhe. Ich nenne Ihnen nur eine Kennziffer: Im Justizbereich konnten allein die Portogebühren um 1 Million € oder 13,76 Millionen Schilling pro Jahr reduziert werden. Das ist natürlich auch in anderen Bereichen so. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie gesagt haben, die Bürger würden noch nicht viel davon merken, möchte ich Ihnen nur sagen, dass wir bei help.gv.at, also beim Amtshelfer online, und auch in interaktiven Bereichen derzeit pro Monat fünf Millionen Zugriffe haben. Frau Kollegin, in Anbetracht dessen kann man wohl kaum davon sprechen, dass das keine Bedeutung für den Bürger hätte. – Ganz im Gegenteil: Das ist eine zukunftsorientierte und sehr erfolgreiche Investition, die wir da getätigt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zum Thema Sport. Die 5. Anfrage kommt von Frau Abgeordneter Schasching. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Wird Rapid heuer absteigen?)

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

196/M

Wie hoch sind die finanziellen Mittel, mit denen der selbstverwaltete österreichische Sport ab dem nächsten Jahr rechnen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin! Sie wissen – wir haben das auch im persönlichen Gespräch geklärt –, dass ich Herrn Präsidenten Löschnak von der BSO mit Schreiben vom 4. Juni dieses Jahres bereits mitgeteilt habe, dass ich beabsichtige, im Jahre 2003 dem Sport im Bereich der besonderen Bundessportförderung unbefristet einen Betrag von 36 Millionen €, umgerechnet 500 Millionen Schilling, zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag soll auch nach dem bisherigen gesetzlichen Verteilerschlüssel zur Auszahlung gelangen. Das habe ich auch dem Sportausschuss bereits am 8. Mai dieses Jahres mitgeteilt.

Darüber hinaus werden wir uns bemühen, auch in den Budgetverhandlungen, aber auch was die Strukturierung dieser Mittel betrifft, etwas zu erreichen. Sie wissen, dass das bisher ein Fixbetrag von den Lotto-Toto-Mitteln war. Unter Umständen soll auch eine Variante angedacht werden, die früher schon einmal angedacht wurde, die aber bedauerlicherweise für den Sport nicht umgesetzt wurde, nämlich eine prozentmäßige Festlegung ohne Deckelung nach unten und nach oben. Hätte man das schon vor einigen Jahren gemacht, hätte der österreichische


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Sport wesentlich mehr Mittel aus diesem Bereich bekommen. Wir werden uns auf jeden Fall bemühen, für den Sport das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Da ich davon ausgehe, Frau Vizekanzlerin, dass es Ihnen gelingen wird, bei den Budgetverhandlungen mit Finanzminister Grasser auch den entsprechenden Erfolg zu erzielen, möchte ich Folgendes nachfragen:

Inwieweit denken Sie an die Höhe der Mittel, die Sie für den Sport zur Verfügung stellen können? Wie wird das in Zukunft bei der Zuweisung dieser Mittel für den Sport sein? Ich gehe davon aus, dass die gut geübte Praxis, das Geld im Sport in der Form zu belassen, wie es bisher der Fall ist, nämlich in selbstverwalteter Form, sodass die Verbände das auch weiterhin so handhaben können, bleibt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin Schasching! Es tut mir Leid, aber die Budgetverhandlungen kann ich nicht mit Ihnen führen, diese muss ich schon mit dem Herrn Finanzminister führen. (Abg. Dr. Fekter: Ist auch besser so!) Über das Ergebnis werde ich Ihnen dann selbstverständlich sehr gerne berichten.

Mir ist vor allem wichtig – und das möchte ich schon sagen –, dass die Gelder, die von öffentlicher Hand in den Sport investiert werden, auch wirklich dort hinkommen, wo sie hinkommen müssen, nämlich zum Sportler, zur Ausbildung und zur Nachwuchsarbeit in diesem Bereich.

Ich bin nicht bereit, Bürokratie zu fördern. Das heißt, wir werden sehr wohl bei der Verwendung dieser Mittel darauf achten, dass wir den Mitteleinsatz so effizient sicherstellen, dass er auch wirklich direkt in den Bereich des Sports investiert wird. Da wäre es sehr hilfreich gewesen, hätte es von den Verbänden eine größere Kooperationsbereitschaft auch im Zusammenhang mit den Gebarungsgrundsätzen in diesem Bereich gegeben. Heute leiden wir eigentlich darunter, dass wir sehr wenige zielgerichtete Maßnahmen setzen können, wenn wir das Geld nur als Durchlaufposten in unserem Budget haben.

Ich habe daher Schwerpunktsetzungen, Zweckbindungen im Bereich der Nachwuchsarbeit vorgesehen. Dazu bekenne ich mich auch. Umgekehrt würde ich mir wünschen – da können Sie einen wesentlichen Beitrag leisten, Frau Abgeordnete –, dass die BSO endlich den Behindertensportverband als vollwertiges Mitglied in der BSO anerkennt und ihn auch mit Mitteln beteilt. Ich halte das nämlich für einen Zustand, der wirklich unvertretbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ortlieb, bitte.

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Frau Vizekanzler! Sie haben gerade den Behindertensport angesprochen. Beabsichtigen Sie, im Rahmen der Toto-Mittel den Behindertensport mit einzubeziehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Ich habe selbstverständlich der Bundessportorganisation – sie ist das Entscheidungsgremium in diesem Fall – mitgeteilt, dass ich davon ausgehe, dass der Behindertensportverband vollwertiges Mitglied der BSO werden muss, das heißt, auch mit Mitteln aus diesem Bereich beteilt werden muss. Ich glaube, dass die derzeitige Konstruktion, die so ist, dass der Behindertensportverband zwar Mitglied der BSO ist, aber darauf verzichten muss, auch finanzielle Mittel zu bekommen, unzumutbar ist. Ich möchte auch dazu sagen, dass mir die BSO zugesichert hat, dass das in Hinkunft der Fall sein wird. Es soll im Herbst eine entspre


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chende Beschlussfassung geben, und ich hoffe, dass diese dann eingehalten wird; die Diskussion darüber gibt es schon sehr lange.

Was wir in unserem Bereich für den Behindertensport tun konnten, haben wir gemacht, und zwar haben wir sichergestellt, dass Spitzensportförderung auch für Behindertensportler zugänglich ist; das war früher nicht so. Wir haben dafür gesorgt, dass die "Top Sport Austria"-Mittel genauso für Behindertensportler zur Verfügung stehen, dass diesbezüglich Gleichberechtigung gegeben ist und auch entsprechende Projekte eingereicht werden können. Wir haben für die Paralympics-Sportler nach Salt Lake City Prämien, und zwar, wie ich meine, sehr ansehnliche Prämien, ausgeschüttet, nämlich 5 000 € für jede Goldmedaille, 2 500 € für jede Silbermedaille und 1 725 € für jede Bronzemedaille.

Wir haben darüber hinaus eine Rubbellosaktion gemeinsam mit den Österreichischen Lotterien gestartet. Ich möchte mich auch dort sowie beim Finanzministerium sehr herzlich dafür bedanken, dass der Behindertensport dadurch noch einmal rund 30 Millionen Schilling für besondere Projekte lukrieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kopf, bitte.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Vizekanzler! Das waren zum weiteren Fortgang der Budgetverhandlungen und zu Ihren Absichten sehr erfreuliche Nachrichten für den österreichischen Sport.

Es gibt neben der besonderen Bundessportförderung auch noch den Bereich der allgemeinen Bundessportförderung. Dort besteht ja die Möglichkeit, schwerpunktmäßig Projekte zu fördern.

Können Sie uns Auskunft darüber geben, welche Schwerpunkte Sie in Zukunft zu setzen gedenken, vor allem im Bereich von "Top Sport Austria"?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Unsere Schwerpunktsetzung liegt insbesondere im Bereich der Nachwuchsförderung und der Trainerausbildung, weil wir der Meinung sind, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist. Wir sind daher bemüht, da die notwendigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu schaffen. Wir werden, auch was die Chance der zusätzlichen Qualifikation bei Sportfunktionären betrifft, Möglichkeiten schaffen. Wir werden dafür sorgen, dass im Zusammenhang mit "Top Sport Austria" auch die langfristige Vorbereitung auf internationale Bewerbe, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, aber vor allem auch auf Olympische Spiele nachhaltig gesichert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Im Bereich des selbstverwalteten Sports gibt es in Österreich auch bedenkliche Traditionen wie jene des Österreichischen Turnerbundes, wo deutsch-nationales Gedankengut nach wie vor gepflegt wird – ähnliches Gedankengut, wie es auch von Volksanwalt Stadler in den letzten Tagen bekannt gegeben worden ist.

Ich möchte Sie daher fragen, ob Sie sicherstellen können, dass der Österreichische Turnerbund als selbstverwaltete Sporteinrichtung keine Fördermittel aus dem Budget des BMöLS bekommt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Kollege! Es gibt gesetzliche Richtlinien für Förderungen. Diese werden auf Punkt und Beistrich in jedem Fall eingehalten. Wer diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, wird die Förderungen auch in Zukunft bekommen, wer sie nicht erfüllt, hat sie auch in der Vergangenheit nicht bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Abgeblitzt! Auch Brosz geht wieder baden!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 6. Anfrage. Herr Abgeordneter Lexer, bitte.

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Frauen und Mädchen sind im Bereich des Sports extrem benachteiligt. Die meisten Sportstätten sind den Burschen und Männern vorbehalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Abgeordneter Reinhold Lexer (fortsetzend): Wichtige Mädchensportarten wie Showdance zum Beispiel liegen überhaupt außerhalb der Sportförderung. Daher meine Frage:

187/M

Welche Initiativen werden Sie ergreifen, um die Benachteiligungen der Mädchen und Frauen im Sport zu beseitigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Abgeordneter! Sie haben Recht, dass es in vielen Bereichen so ist, dass der Sport männerdominiert ist. Das beginnt vor allem bei den Vereinen und Verbänden. Das ist keine Sache, die die Regierung oder irgendein Gesetz regeln kann, sondern das liegt, wie Frau Kollegin Schasching es vorhin angesprochen hat, in der Autonomie der Sportvereine und -verbände.

Ich würde mir sehr wünschen, dass man da auch entsprechende Möglichkeiten schafft, dass Frauen in diesem Bereich besser repräsentiert sind. Jedes Mal, wenn ich bei einer Versammlung der BSO bin, sehe ich – das soll nicht gegen Männer gerichtet sein – eigentlich größtenteils Männer. Hier geht es also sicher um Frauenförderung.

Uns ist es ein ganz besonderes Anliegen – ich weiß, dass es auch Frau Kollegin Schasching ein großes Anliegen ist und dass sie sich dafür sehr einsetzt –, da etwas zu tun. Man ist da aber noch nicht wirklich durchgedrungen. Wir wollen in unserem Bereich natürlich dafür Sorge tragen, dass wir besonders für Sportlerinnen entsprechende Förderungen anbieten.

Wir tun das auch mit dem Gender Mainstreaming, das ein ganz wichtiger Bereich ist. Wir haben auch einen speziellen Posten "Frauenförderung" im Budget vorgesehen. Im Projekt der Frauenförderung sind jährlich 218 000 € budgetiert, aber wir wollen natürlich auch im Rahmen der "Top Sport Austria"-Projekte dafür sorgen, dass Spitzensportlerinnen auch besondere Möglichkeiten haben, sich an einer langfristigen Vorbereitung auf internationale Bewerbe beteiligen und eine Spitzensportausbildung machen zu können, und zwar in gerechter Weise. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Frau Vizekanzler! Wir haben vernommen, dass wir davon ausgehen können, dass in Zukunft mehr Geld für den Sport zur Verfügung stehen wird. Ich freue mich darüber, dass das möglich ist.

Meine Frage ist: Können Sie sich vorstellen, dass wir außerhalb der normalen Sportstrukturen über die Bundessportorganisation bei der Schwerpunktsetzung für Mädchen- und Frauensport auch ein so genanntes Bonussystem einführen, bei dem wir zweckgewidmet den Verbänden und Vereinen Geld zur Verfügung stellen, wenn sie besonders Mädchen- und Frauensportprojekte realisieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Das ist eine sehr interessante Anregung, Herr Abgeordneter! Selbstverständlich können wir das auch gerne im Zuge der Budgetverhandlungen berücksichtigen. Wir haben ja auch bisher


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schon Schwerpunktbildungen im Rahmen der Mittelzuteilung gemacht, zum Beispiel was den Nachwuchs betrifft. Aber wenn wir noch zusätzlich eine Schwerpunktsetzung in Richtung Frauen- und Mädchenförderung im Bereich des Sports vornehmen, so halte ich das für sehr positiv. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Gerade wenn es um Mädchen- und Frauensport geht, glauben Sie da nicht, dass pseudosportliche Veranstaltungen wie das rechtswidrige Gemetzel schlagender deutsch-nationaler Verbindungen (Abg. Achatz: So ein Blödsinn!)  – auch Volksanwalt Stadler gehört einer derartigen Verbindung an – die Motivation junger Menschen für den Sport, insbesondere die Motivation von Frauen, schädigen können? (Abg. Böhacker: Das ist nur mehr peinlich!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.


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Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer:
Frau Abgeordnete Petrovic! Ich nehme an, dass Ihnen wohl bekannt ist – und wenn nicht, dann lesen Sie einmal im Bundesministeriengesetz nach –, was meine Zuständigkeit als Sportministerin umfasst. Ich glaube, dass wir – und das habe ich Ihnen gerade dargelegt – gerade im Bereich der Frauen- und Mädchenförderung im Sport Hervorragendes geleistet haben, und zwar gemeinsam mit den Verbänden.

Ansonsten würde ich Ihnen noch einmal sehr dringend empfehlen, mit polemischen Unterstellungen in der Art und Weise (Abg. Brosz: Wo ist die Unterstellung?), wie Sie und Ihre Fraktion sie heute schon mehrfach getätigt haben, wirklich sehr vorsichtig zu sein, denn das könnte auch sehr schnell zurückschlagen, Frau Kollegin Petrovic. Es könnte dann auch andere geben, die im Zusammenhang mit der Beteiligung von Abgeordneten Ihrer Fraktion an Demonstrationen (Ruf bei den Freiheitlichen: Pflastersteinewerfer!), bei welchen es gewalttätige Ausschreitungen gegeben hat, Fragen stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Pfeffer, bitte.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sie haben schon Gender Mainstreaming erwähnt.

Meine Frage dazu: Welche konkreten Maßnahmen haben Sie in Ihrem Ressort gesetzt, um Gender Mainstreaming umzusetzen? Gibt es Zahlen und Aktivitäten dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.


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Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer:
Frau Kollegin! Sie wissen – ich habe das vorhin schon betont, und es ist gerade auch von Ihrer Fraktion betont worden –, dass Gender Mainstreaming natürlich ein interessanter Ansatz ist, aber wer Gender Mainstreaming auf den Sport anwenden will, der muss wissen, dass es in Österreich eine Struktur gibt, die auf autonomen Vereinsstrukturen beruht. Das heißt, ich kann den Verbänden kein Gender Mainstreaming vorschreiben, ich kann es anregen. Wir haben gemeinsam sehr interessante Diskussionen, aber ich würde mich sehr wundern, wenn jetzt von Ihrer Seite die Anregung käme, dass ich in die Autonomie der Verbände eingreifen sollte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Hetzl, bitte.

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Für wie wichtig halten Sie es grundsätzlich, Maßnahmen im Sinne der gleichen Förderung von Frauen und Männern beziehungsweise Mädchen und Burschen im Sport umzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Stellungnahme.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich halte das für besonders wichtig und habe einen Teil dieser Frage auch schon in meiner Beantwortung angeschnitten. Selbstverständlich wollen wir im Bereich der Förderungen besonderes Augenmerk darauf richten, dass wir auch im Frauen- und Mädchensport besondere Schwerpunkte setzen.

Ich möchte ein Projekt stellvertretend für viele hervorheben: Wir haben mit dem Österreichischen Fußballbund, gerade was den Frauenfußball betrifft, ein entsprechendes Projekt für die Zukunft in Vorbereitung. Es gibt 11 000 Mädchen und Frauen, die in Österreich Fußball spielen. Wir können feststellen, dass auch international der Frauenfußball im Vormarsch ist. Also das ist eines der Projekte, die wir in diesem Zusammenhang besonders fördern, und da möchte ich an die Medien die Bitte richten, in diesem Bereich größeres Augenmerk Sportarten zu widmen, die bisher nicht so sehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden sind, um auch hier noch einen zusätzlichen Schub zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 7. Anfrage. Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

194/M

Wie soll das Schloss Laudon, aus dessen Mietvertrag der Bund nicht aussteigen kann, ab 2003 genutzt werden, nachdem die derzeit dort angesiedelte Verwaltungsakademie mit Jahresende aufgelöst wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! Der Mietvertrag für das Schloss Laudon wurde im Jahre 1976 vom damaligen Bundeskanzler Kreisky abgeschlossen und im Jahre 1996 unter Bundeskanzler Vranitzky und seinem damaligen Staatssekretär Schlögl um weitere 25 Jahre verlängert – eine an sich international einmalige Vorgangsweise. Dabei wurde auch – völlig unüblich! – ein wechselseitiger Kündigungsverzicht vereinbart. Auch das ist etwas, was in Verträgen normalerweise in dieser Form gar nicht enthalten ist. Der noch über 20 Jahre laufende Mietvertrag ist somit faktisch nicht kündbar. Der Bund ist damit gezwungen, die bereits jetzt bestehenden beträchtlichen Auslastungsdefizite auszugleichen, um den ökonomischen Schaden möglichst gering zu halten.

Ich möchte noch einmal festhalten, dass die Vorgangsweise, die man seinerzeit mit dem Mietvertrag gewählt hat, der immerhin eine Jahresmiete für das Schloss Laudon von rund 1,4 Millionen € beinhaltet, also umgerechnet rund 19 Millionen Schilling, eine Vorgangsweise ist, die ökonomisch und dem Steuerzahler gegenüber meiner Meinung nach immer unverantwortbar war. Wir werden alles daransetzen, diese Kosten nach Möglichkeit zu minimieren, aber Verträge, die die Republik damals abgeschlossen hat, sind rechtsgültig und können nicht einfach aufgelöst werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Sie haben im Ausschuss schwere Vorwürfe gegen die Verwaltungsakademie erhoben und sich dabei auf gutachtliche Stellungnahmen und Äußerungen des Rechnungshofes gestützt.

Handelte es sich bei den von Ihnen zitierten Papieren um einen Bericht, der nach einer Gegenäußerung der Verwaltungsakademie, also nach dem Prinzip "Audiatur et altera pars" erstellt wurde oder handelte es sich um einen Rohbericht? Wenn ja, wie kamen Sie zu diesem? (Abg. Dr. Khol: Den haben wir alle gekriegt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin Petrovic! Diesen Bericht haben Sie alle bekommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Den haben Sie auch bekommen! Peinlich!) Er war auch in der Zeitung nachzulesen. Das, was ich hier gestern zitiert habe – das können Sie gerne nachprüfen –, war ein Artikel aus der Zeitung "Die Presse", aus dem ich wörtlich vorgelesen habe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wären Sie auf der Donauinsel geblieben! Auch schon urlaubsreif, die Grünen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Der Rechnungshof hat im Rahmen seiner jährlichen Prüfungen im Verwaltungsjahr 2000 die Verwaltungsakademie geprüft. Wie war das Ergebnis?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Das Ergebnis war absolut negativ. Ich habe gestern in der Debatte über das Deregulierungsgesetz und die Maßnahmen in diesem Zusammenhang schon relativ ausführlich darüber berichtet.

Es ist im Wesentlichen darum gegangen, dass es veraltete Lehrinhalte gab, dass Kostenrechnungsprinzipien nicht eingehalten wurden und dass viel Geld für wenig Effizienz in diesem Bereich verwendet und ausgegeben wurde. Es gab auch entsprechende dienstrechtliche Privilegien für Mitarbeiter, die wir, soweit sie in meinen Verantwortungsbereich fielen, sofort abgestellt haben.

Wir sind der Meinung, dass die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst am besten in den einzelnen Ressorts erledigt werden kann. Die Verwaltungsakademie war auch bisher nur für 20 000 von 160 000 Bundesbediensteten zuständig, alle anderen haben ihre Ausbildung auch bisher in den einzelnen Ressorts absolviert. Wir werden in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die Grundausbildung in jenen Ressorts, in welchen es sie bisher nicht gab, sichergestellt ist und dass vor allem auch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gesichert ist. Es gibt zum Beispiel Kooperationen mit dem Land Salzburg im Rahmen der MBA Salzburg Business School für New Public Management. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Dr. Mertel, bitte.

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Da wir schon bemerkt haben, dass die Verwaltungsakademie geschlossen wird – deren Abschaffung wurde gestern hier beschlossen –, der Leistungsbericht aus Ihrem eigenen Ministerium vom Oktober 2001 der Verwaltungsakademie allerdings bescheinigt, dass diese im internationalen Vergleich die beste Ausbildungseinrichtung für öffentlich Bedienstete ist ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!)

Ich werde die Frage stellen, um der Frau Ministerin auch Gelegenheit zu geben, von der Regierungsbank wieder eine polemische Antwort zu geben.

Aus welchen Gründen nehmen Sie an, dass Sie künftig eine vergleichbar gute Ausbildung des öffentlichen Dienstes gewährleisten können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Der Leistungsbericht – jetzt sage ich es Ihnen zum dritten Mal, Frau Kollegin, ich habe es Ihnen auf Ihre Frage hin im Ausschuss schon gesagt, ich habe es Ihnen gestern im Plenum gesagt, aber Sie möchten es gerne noch einmal hören; das mache ich auch gerne ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Dann habe ich es Ihrem Kollegen Pendl gesagt. Ihren Kollegen können Sie fragen, es ist schon zur Diskussion gestellt worden. (Abg. Dr. Mertel: Polemisch!) Ich neh


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me wohl an, dass Sie eine Kommunikation innerhalb Ihrer Fraktion haben, auch wenn in den Medien manchmal etwas anderes berichtet wird. Über die Spannungen in Ihrem internen Bereich weiß ich nicht so gut Bescheid, das müssen Sie selbst wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Ihre Kollegen Sie nicht informiert haben, dann sage ich es Ihnen gerne noch einmal – so wie auch gestern –: Im Leistungsbericht melden sich die Organisationen selbst, das heißt, die Verwaltungsakademie hat von sich selbst gesagt, dass sie gut arbeitet. Ich war nicht dieser Meinung. Wir werden in Hinkunft sicherstellen und garantieren, dass die Grundausbildung und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet ist, so wie sie auch jetzt schon für jene 140 000 Mitarbeiter, die nicht im Rahmen der Verwaltungsakademie ihre Ausbildung abgewickelt haben, in hervorragender Weise gegeben war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer, bitte.

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! Die Ausbildung der Bundesbediensteten ist in Anbetracht der immer komplexer werdenden Anforderungen an die Vollziehung und damit auch an die Bundesbediensteten eine wichtige und damit auch nicht zu vernachlässigende Aufgabe des Dienstgebers.

Wie werden Sie sicherstellen, dass moderne und auf neuen Managementmethoden beruhende Ausbildung auch nach Auflösung der Verwaltungsakademie weiterhin angeboten wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Stellungnahme.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Wir werden das sicherstellen, Frau Abgeordnete, weil wir auf die sehr bewährten Ausbildungsmodelle, die es im Bereich der einzelnen Ressorts schon gibt, zurückgreifen. Wir werden diese Erfahrungen auch entsprechend weiter umsetzen. Wir werden bei der Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Kooperationen mit Fachhochschulen und Universitäten in diesem Bereich eingehen. Wir haben, wie ich meine, auch in der Vergangenheit gesehen, dass jene Ressorts, die die Grundaus- und Weiterbildung der Mitarbeiter auch bisher schon selbst bewerkstelligt haben, dies in hervorragender Weise getan haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rufe noch die 8. Anfrage auf. – Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, bitte.


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Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch
(Freiheitliche): Frau Vizekanzlerin, noch einmal zurück zu Ihrer Funktion als Sportministerin. Meine Frage lautet:

191/M

Welche Schwerpunkte haben Sie sich im Bereich Behindertensport gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich habe das vorhin schon bei einer Frage relativ ausführlich behandelt. Für uns geht es darum, Behindertensportler nicht zu benachteiligen, sondern sie ganz im Gegenteil im Rahmen der Spitzensportförderung gleichzustellen. Wir haben die Rubbellosaktion gemacht und die Prämien für die Behindertensportler entsprechend ausgelobt. Ich meine, dass wir, wenn die BSO es umsetzt, dass der Behindertensport gleichberechtigtes Mitglied in diesem Rahmen wird und Mittel bekommt, den Behindertensport in Österreich auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, wie ich annehme.

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Vizekanzlerin! Natürlich habe ich frühere Aussagen von Ihnen zum Behindertensport aufmerksam verfolgt, aber als ehemaliger Funktionär in diesem Bereich kann ich nicht genug davon haben. Ich möchte Ihnen nicht nur die Bereitschaft dieses Hauses bekunden (Abg. Dr. Mertel: Frage!), Ihnen bei der Umsetzung der Volleingliederung des Behindertensports in die BSO zu helfen, und bitte Sie, mir folgende Frage zu beantworten: Welchen Zeithorizont sehen Sie für das Setzen dieses entscheidenden Schritts für den Behindertensport?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Die BSO hat mir zugesichert, dass diese Entscheidung im Herbst dieses Jahres getroffen werden soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stadler, bitte.

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Frau Vizekanzlerin! Paraolympics zählen heute zu den größten Sportveranstaltungen der Welt. Sie werden unter großem Medienecho und Publikumsinteresse ausgetragen. Welche Bedeutung geben Sie im Zusammenhang mit der Behindertensportförderung den Paraolympics und den Special Olympics?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin, Sie haben schon darauf hingewiesen, die österreichischen Paraolympics-Sportler haben heuer in Salt Lake City eine Vielzahl von Medaillen gewonnen. Wir haben daher auch die Auslobung der Prämien in einer Weise vorgenommen, die es diesen Sportlern sicherstellt, dass ihre Leistungen auch entsprechend gewürdigt werden. Das Wichtigste aber ist, dass wir im Zusammenhang mit Top Sport Austria, also der Spitzensportförderung, sicherstellen, dass in Hinkunft auch Behindertensportler zum Beispiel in Vorbereitung auf die Paraolympischen Spiele im Rahmen von Top Sport Austria Projekte finanziert bekommen, wie das auch für die Olympischen Spiele normalerweise üblich ist. Da gibt es eine völlige Gleichberechtigung mit dem Behindertensport. Das ist, wie ich meine, ein großer Schritt, um diesen Sportlern auch eine langfristige und finanziell gesicherte Vorbereitung auf internationale Wettbewerbe zu ermöglichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Gestern vor fünf Jahren haben wir hier in diesem Hohen Haus die Verfassungsbestimmung, dass alle behinderten Menschen nichtbehinderten Menschen gleichgestellt werden müssen, beschlossen. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen, aber wir haben in Österreich noch immer kein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, welches Menschen mit Behinderungen sicherstellen würde, dass sie ihr Recht auf Nichtdiskriminierung auch einfordern können.

Meine Frage an Sie, Frau Vizekanzlerin, lautet: Wie stehen Sie zur Schaffung eines bundeseinheitlichen Behindertengleichstellungsgesetzes, und wie lange wird es noch dauern, bis alle Sportstätten des Bundes barrierefrei für alle Menschen mit Behinderung benützbar und zugänglich sein werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Abgeordnete! In meinem Ressortbereich – und nur für diesen kann ich Ihre Frage beantworten – gibt es die völlige Gleichstellung der behinderten Sportler mit allen anderen Sportlern im Förderungsbereich. Das heißt, jede Förderung in meinem Bereich, zum Beispiel eben Top Sport Austria, Spitzensportförderung, kann gleichermaßen von behinderten Sportlern wie auch von anderen Sportlern beantragt werden.


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Wir haben bei der Errichtung aller Sportstätten, die in meinem Verantwortungsbereich liegen und die wir derzeit in Projektierung oder schon in Umsetzung haben, für Behindertengerechtheit gesorgt. Selbstverständlich ist es unsere Zielsetzung, bei allen Sportstätten, und zwar nicht nur jenen des Bundes – nur die geringste Zahl der Sportstätten sind Bundessportstätten, sondern es handelt sich um Sportstätten, die im Bereich der Länderverantwortung liegen; Sport ist Landessache, wie Sie sehr wohl wissen –, darauf zu dringen, dass Behindertengerechtheit in allen Bereichen sichergestellt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Lapp, bitte.

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben schon mehrmals die Rubbellosaktion angesprochen. Meine Frage lautet, ob Sie schon wissen, wie der Absatz dieser Rubbellosaktion in den ersten Monaten ausschaut und wie diese Aktion angenommen wird. Diese wurde ja mit einem sehr großen Werbeaufwand begleitet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Was den Werbeaufwand betrifft, möchte ich betonen, dass sich Franz Klammer unentgeltlich in den Dienst der Sache gestellt hat, wofür man ihm herzlichen Dank sagen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Er ist einer der Vorzeigesportler in Österreich, der, wie Sie wissen, selbst eine Stiftung hat, auch für behinderte Sportler, der diese Werbeaktionen für uns gemacht hat und damit auch dazu beiträgt, dass diese Aktion von Erfolg gekrönt sein wird.

Für die gesamte Laufzeit haben wir garantiert eine Einnahme von 2,18 Millionen € oder umgerechnet 30 Millionen Schilling, die wir für Projekte im Behindertensport in einem speziellen Beirat, wo die behinderten Sportler selbst mit entscheiden, entsprechend verwenden werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Die in der Geschäftsordnung vorgesehenen 60 Minuten sind an sich abgelaufen, aber wenn es Konsens, also keinen Einwand gibt, könnte ich die letzte Frage noch aufrufen. Dann hätten wir dieses Ressort abgeschlossen.

Gibt es einen Einwand dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Bitte, Herr Abgeordneter Pendl.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben zwar gesagt, Sie seien nicht zuständig, ich frage Sie aber trotzdem:

197/M

Welche zusätzlichen Einnahmen erwarten Sie aus der als Beitrag zur Verwaltungsreform deklarierten Anhebung der Beträge für Verwaltungsstrafverfügungen von Schilling 1.000,-- auf Schilling 3.000,-- und für Anonymverfügungen von Schilling 3.000,-- auf Schilling 5.000,--?

Sie selbst haben ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das ist erledigt. Frage stellen – und bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich sage Ihnen noch einmal, Herr Abgeordneter, dies fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Aber wenn ich Ihnen jetzt so zugehört habe, dann, muss ich sagen, gehe ich davon aus, dass Sie die Beträge verwechselt haben, Anonymverfügungen und Strafverfügungen verwechselt haben, worüber ich mich bei einem Exekutivbeamten etwas wundern würde.

Es soll mit diesen Maßnahmen nicht Kasse gemacht werden, also nicht einkassiert werden, wie Sie gesagt haben, unter dem Deckmantel der Verwaltungsreform, weil das mit Verwaltungsreform überhaupt nichts zu tun hat. Ich sage Ihnen noch einmal: Bei der Verwaltungsreform han-delt es sich um ausgabenseitige Maßnahmen, wo es darum geht, dass wir in Organisationseinheiten des Bundes Einsparungen treffen, um damit den Bürger kostenmäßig zu entlasten. So


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haben zum Beispiel Bürger auf Grund wesentlich kürzerer Verwaltungsverfahren eine deutliche Kostenersparnis. Sie werden sehen, dass es bei Gewerbeanmeldungen, Betriebsanlagenerrichtungen oder sonstigen Behördenwegen zu einer wesentlichen kostenmäßigen Erleichterung für die Bürger kommt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Pendl! In der Hauptfrage darf nur der vorgelegte Text vorgetragen werden.

Jetzt haben Sie eine Zusatzfrage. – Bitte.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Vizekanzlerin! Sie haben uns bereits im Ausschuss mitgeteilt, dass nicht an Mehreinnahmen gedacht ist. Wie erklären Sie sich dann, dass trotzdem 198 Millionen Schilling an Mehreinnahmen budgetiert sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Ich habe jetzt noch einmal eine Information bekommen, Herr Kollege Pendl, dass Sie in Ihrer Anfrage tatsächlich Strafverfügungen mit Anonymverfügungen und die dazu gehörenden Beträge verwechselt haben. Ich würde Sie daher bitten, das mit dem zuständigen Ministerium zu klären. Aber ich gehe davon aus, dass Sie als Exekutivbeamter solche Anfragen eigentlich korrekt stellen und Dinge nicht durcheinander bringen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten sind für die Anfragen zuständig, die Regierungsmitglieder sind für die Beantwortungen zuständig.

Jetzt kommt Herr Abgeordneter Mainoni zu einer Zusatzfrage zu Wort. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Welche weiteren Reformmaßnahmen haben Sie gesetzt, um die Exekutive zu entlasten und den Beamten damit mehr Zeit zu geben, auf der Straße tätig zu werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Unsere Zielsetzung ist es, wie Sie richtig ausgeführt haben, Herr Abgeordneter, dass Exekutivbeamte, die ja eine spezielle Ausbildung erhalten und speziell qualifiziert sind, von reinen Verwaltungstätigkeiten entlastet werden. Das haben wir in vielen Bereichen gemacht, ich nenne zum Beispiel das Pass-, Melde- und Fundwesen, wo die Übertragung dieser Agenden an die jeweiligen Magistrate erfolgt ist und damit auch Kapazität für den Exekutivdienst frei geworden ist. Wir haben beim Vereinsgesetz Doppelgleisigkeiten zwischen Sicherheitsdirektionen und Bezirksverwaltungsbehörden abgebaut, die auch einen großen Verwaltungsaufwand verursacht haben. Wir haben ein automationsunterstütztes zentrales Vereinsregister umgesetzt. Wir haben eine bessere EDV-Ausstattung der Gendarmerien und Kooperationsmöglichkeiten mit den Bezirksverwaltungsbehörden, die es bisher nicht gegeben hat. Wir haben den Abbau von Verwaltungseinheiten durch die Reform der Gendarmerieposten und der Landesgendarmeriekommanden im Bereich des Innenministeriums umgesetzt, wo es unsere Zielsetzung ist, die Exekutivbeamten wirklich dort einzusetzen, wo es notwendig ist, nämlich für die Sicherheit der Bevölkerung, und sie möglichst von allen Verwaltungsagenden zu entlasten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Abgeordneter Mag. Donnerbauer, bitte.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Wir haben jetzt mehrmals die unrichtige Behauptung gehört, dass in diesem Bereich Mehreinnahmen geplant sind. Es ist gestern schon sehr ausführlich diskutiert worden, warum das nicht der Fall sein kann. Was geplant ist, sind Einsparungen.


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110. Sitzung / Seite 39

Meine Frage lautet: Wie hoch sind die durch die Verwaltungsverfahrensnovelle 2002, die gestern hier beschlossen wurde, prognostizierten Einsparungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Einsparungen durch die erweiterte Anwendung der vereinfachten Verfahren werden vor allem im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung, also in der Landesverwaltung, erfolgen. Dort wird es zu ganz wesentlichen, umfangreichen Einsparungen kommen, zum Beispiel durch die Erweiterung der Höchstgrenzen, durch die Erweiterung der Möglichkeiten in diesem Bereich auch für die Länder, durch die Deregulierung. Ich habe das eingangs schon beantwortet.

Ich glaube, dass wir mit diesem Projekt überhaupt einmal zeigen konnten, dass die Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften nicht nur mit den Ländern, sondern auch mit den Städten und Gemeinden hervorragend gewesen ist und letztendlich alle davon profitieren. Zum Beispiel kommt es durch die Umsetzung des One-Stop-Shop-Prinzips in diesem Bereich zu entsprechenden Einsparungen. Im Bereich der Exekutive – das habe ich schon gesagt – ist es auf Grund der Entlastung von Verwaltungstätigkeiten möglich, mehr Polizisten und Gendarmen auf die Straße zu schicken, wodurch Einsparungen in diesem Bereich im Sinne des Bürgers entsprechend umgesetzt werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, bitte.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Die Palette der Verwaltungsstrafdelikte ist sehr breit. Sie reicht von Verkehrsdelikten bis zu Delikten gemäß EGVG wie etwa rassistischen Diskriminierungen. Im Bereich der Erhöhung der Strafgrenzen ist nicht präzisiert worden, für welche Übertretungen, für welche Delikte die höheren Strafen gelten sollen. Ist das im Rahmen der Regierung diskutiert worden? Das heißt, wo können die Bürgerinnen und Bürger, wo müssen sie mit den höheren Strafgrenzen rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Kollegin Petrovic! Dies ist jetzt zum wiederholten Male eine Frage, die nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Selbstverständlich wissen Sie das auch. Aber wenn Sie mir nächstes Mal ankündigen, dass Sie mir auch Fragen aus anderen Zuständigkeitsbereichen stellen wollen, werde ich mich gerne entsprechend darauf vorbereiten und Ihnen dann Fragen aus allen Ressorts beantworten. Aber das ist keine Angelegenheit des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport, wie Sie wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir alle Fragen heute behandelt. Ich bitte noch einmal um Verständnis für die zeitliche Überziehung. Dies war, wie ich meine, im Interesse aller Beteiligten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 3845/AB und 3846/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:


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Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 721/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens;

Außenpolitischer Ausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich geändert wird (1219 der Beilagen);

Gesundheitsausschuss:

Antrag 728/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen Beitritt Österreichs zur Biomedizinkonvention des Europarates,

Antrag 729/A der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz geändert wird;

Kulturausschuss:

Antrag 725/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stiftung Leopold und Kunstrückgabe;

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1188 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1189 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1190 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Antrag 724/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des größtmöglichen Einbezugs von Bevölkerung und Wirtschaft im ländlichen Raum in die Versorgung mit innovativen Telekomdiensten,

Antrag 726/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenübernahme für Telekom-Überwachungsmaßnahmen und die hiezu erforderlichen Infrastrukturen durch die Auftraggeber,

Antrag 727/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Anliegen aller Transitrouten im sensiblen Alpenraum in den Transitverhandlungen auf EU-Ebene;

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 722/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Flankierende Maßnahmen zur Liberalisierung der Gewerbeordnung – Einsetzen einer Monitoringkommission";

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2001) (III-162 der Beilagen).

*****


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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der SPÖ hat gemäß § 93 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 4154/J der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und KollegInnen an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend Täuschung der österreichischen Bevölkerung über die tatsächlichen Kosten der sündteuren Kampfflugzeuge dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Cap beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2001 eine Frist bis zum 18. September 2002 zu setzen.

Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten nach § 43 der Geschäftsordnung vor, darüber eine Kurzdebatte durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Dringliche Anfrage stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt sodann nach Schluss der Debatte.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis einschließlich 7, 8 und 9, weiters 10 bis 18, weiters 19 bis 22, weiters 23 bis 26, dann 27 bis 30, dann 31 und 32 sowie 35 bis 38 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werde ich so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Es wurde in der Präsidialsitzung Konsens über folgende Vorgangsweise erzielt: Es soll eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" festgelegt werden, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Für die Zeit bis 13 Uhr wurde zusätzlich folgende Redezeitvereinbarung getroffen: in der Debatte zunächst je ein Redner pro Fraktion mit je 15 Minuten, dann, wenn gewünscht, Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit 15 Minuten, dann je ein Redner pro Fraktion mit je 10 Minuten, dann wieder eine Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes mit 15 Minuten, wobei tatsächliche Berichtigungen bis zu diesem Zeitpunkt sogleich aufgerufen werden, wenn es nicht mehr als eine pro Fraktion ist.

Die restliche Redezeit wird sodann vom Vorsitz führenden Präsidenten auf die Fraktionen gleichmäßig verteilt, wobei die diesbezügliche Bekanntgabe vor der letzten Rednerrunde erfolgen wird und die Absicht besteht, wenn diese restliche Redezeit mehr als 30 Minuten ausmacht, diese auf zwei Rednerrunden zu verteilen. – Das ist also im Prinzip der gleiche Vorgang wie gestern.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden, und ich frage, ob jemand gegen diesen Vorschlag ist. – Da das nicht der Fall ist, kann ich feststellen, dass das einstimmig so festgelegt wurde.


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110. Sitzung / Seite 42

1. Punkt

Bericht des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" (1065/1250 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 384/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich des KKW Temelín (1251 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 446/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der EU-Atompolitik (1252 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 515/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlussfolgerungen aus österreichischem Expertenbericht KKW Temelín (1253 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 596/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorschläge zur Umsetzung des Temelín Volksbegehrens (1254 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Petition (30/PET) betreffend "Gegen Temelín – für unsere Zukunft", überreicht von der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig (1255 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 400/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umstellung der Stromversorgung der Bundesgebäude auf Ökostrom (1256 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 7 der Tagesordnung der heutigen Sitzung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort zur Einbegleitung der Debatte? – Das ist offenbar nicht der Fall, und zwar bei keinem dieser Punkte.

Damit kommen wir zur Debatte.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Die Redezeit ist mit 15 Minuten fix vereinbart.

10.20

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich glaube, dass diese Generaldebatte heute eine gute Gelegenheit ist, vielen Österreicherinnen und Österreichern, insbesondere natürlich auch jenen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, mitzuteilen, was eigentlich damit geschehen


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ist. Es wurde ja ein Sonderausschuss eingerichtet, was zumindest suggeriert, dass hier sinnvolle Arbeit geleistet wurde.

Wir haben uns in diesem Sonderausschuss bemüht, vor allem von Seiten der Sozialdemokraten, so etwas wie einen rot-weiß-roten Konsens herbeizuführen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaubst du selber nicht!) Ich glaube, dass ein rot-weiß-roter Konsens die Voraussetzung dafür ist, dass man auch wirklich in dieser heiklen und sensiblen Frage versuchen kann, größtmögliche Durchsetzungsfähigkeit zu erreichen.

Zu den Zwischenrufen möchte ich nur sagen: Mir wäre es auch am liebsten, es gäbe nicht eine schwarz-blaue Regierung, sondern eine rot-weiß-rote Regierung. – Nur damit wir einander verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass wir uns wirklich bemüht haben, und ich meine auch, dass diejenigen, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, keinen Parteienstreit wollen, nicht wollen, dass billiges Kleingeld eingewechselt wird, sondern ihnen ist es ein Anliegen, dass es einfach Sicherheit gibt, und das ist berechtigt. Wir alle leben hier und wollen Sicherheit. Sicherheit bedeutet, dass man sehr hart und sehr entschlossen in der Frage der Sicherheitsstandards, in der Frage des Ausstiegs aus der Atomenergie und natürlich auch in Fragen, die Temelín und andere Kraftwerke dieser Art betreffen, vorgeht.

Ich habe, ehrlich gesagt, die Tätigkeiten der Bundesregierung schon vor Monaten nicht verstanden, abgesehen davon, dass ich jetzt nicht verstehe, wieso seit dem Volksbegehren die Bundesregierung untätig war, nichts getan hat. Sie hat sich immer nur darauf ausgeredet, man müsse die Wahlen in Tschechien abwarten. – Die sind nun geschlagen. Es wird jetzt eine neue Regierung geben. Die Regierung hat sich schon geäußert. Aber die Untätigkeit der österreichischen Bundesregierung ist natürlich evident und hat sich dargestellt. Man muss all jenen, die das Volksbegehren unterschrieben haben, sagen, dass sie ein Volksbegehren unterschrieben haben, das diese Bundesregierung nicht als Arbeitsauftrag verstanden hat, sondern Sie haben gesagt: Danke für die Unterschrift! Das war eine Art Zwischenwahlkampf der FPÖ. – Aber getan wurde nichts.

Sie sprechen heute noch immer von der Nullvariante, das heißt, Temelín soll wieder aus dem Betrieb aussteigen. Es wird argumentiert, das sei wirtschaftlich unklug – das stimmt natürlich – und es sei unsicher, es gebe dauernd Störfälle. Aber was nicht verständlich ist – und das muss man den Österreicherinnen und Österreichern sagen –, ist, weshalb Sie in den entscheidenden Verhandlungen, die Schüssel und Zeman in Brüssel damals geführt haben, abgerückt sind von der Position, dass man die Nullvariante, die Ausstiegsvariante, das Schließen des Kraftwerks Temelín ernsthaft durchrechnet, dass man wirklich versucht, die tschechische Seite dafür zu gewinnen, dass es am klügsten ist, wirtschaftlich gesehen als auch von der Sicherheit her, dass dieses Kraftwerk erst gar nicht weiter in Betrieb bleibt, geschweige denn der berühmte Block 2 auch noch in Betrieb genommen wird.

Sie haben sich dann in Brüssel auf einen fadenscheinigen Vertrag eingelassen, der die tschechische Atombehörde zu nichts verpflichtet hat, es ist nichts einklagbar. Die tschechische Atombehörde macht doch, was sie will, trotz der Störfälle! Betrieb erster Block, jetzt Inbetriebnahme zweiter Block. Sie haben sich das alles gefallen lassen. Sie haben diesen fadenscheinigen Vertrag abgeschlossen.

Da muss ich sagen, ich habe auch nicht verstanden, dass Sie dann letztlich beschlossen haben, dass Sie dem Abschließen des Energiekapitels bei den Beitrittsverhandlungen zustimmen. Das Zustimmen zum Abschließen des Energiekapitels bedeutet, dass man mit Tschechien, das der Europäischen Union beitreten will, nicht mehr über Temelín, nicht mehr über die Energiepolitik spricht. Sie haben darauf verzichtet, in Zukunft auf der Ebene der Europäischen Union über die Sicherheit Temelíns noch zu sprechen. Da muss ich sagen, wenn Sie in diesen zwei Punkten darauf verzichten, gegenüber der tschechischen Atombehörde darauf zu drängen, dass Temelín endlich wieder geschlossen wird, und darauf verzichten, dass diese Frage auf der Ebene der Europäischen Union in Bezug auf die Beitrittsverhandlungen Tschechiens behandelt wird,


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dann bedeutet das, dass Sie eigentlich die Interessen, die Ängste der Österreicherinnen und Österreicher nicht ernst genommen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dann kamen eben das Volksbegehren und die Untätigkeit der Bundesregierung. Jetzt hatten wir wieder eine Sitzung des Sonderausschusses Temelín, und wir konnten letztlich keinen rot-weiß-roten Konsens erzielen. Anders formuliert: Wir haben uns so bemüht, wir haben Ihnen wirklich alles angeboten, was möglich war, aber wir wollten nicht Verrat begehen an jenen, die das Volksbegehren unterschrieben haben, und wir wollten sie auch nicht beschwindeln. Dafür sind wir nicht zu gewinnen, dass wir die über 900 000, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, und die vielen Österreicherinnen und Österreicher, die berechtigte Ängste haben, beschwindeln.

Für einen blau-schwarzen Schwindel waren wir nicht zu haben. Für einen rot-weiß-roten Konsens sind wir noch heute zu haben. (Beifall bei der SPÖ.) Wir können Gespräche auch noch während der Plenardebatte führen. Es ist nicht zu spät! Wir sind auch bereit, dass wir im Rahmen einer Delegation des Temelín-Sonderausschusses nach Prag ins tschechische Parlament fahren. Ja! Wir wollen uns bis zur letzten Minute einsetzen (Abg. Mag. Schweitzer: Eine Kehrtwendung am Absatz!), aber es muss geklärt werden, auf welcher Basis diese Delegation stattfinden soll.

Hohes Haus! Wir haben hier die Gelegenheit, sozusagen eine Generaldebatte durchzuführen. Beurteilen Sie bitte noch einmal – und das wird in unserem Entschließungsantrag auch drinnen sein –: Ist es nicht klug, dass zuerst die Bundesregierung uns Abgeordneten sagt, welchen Verhandlungsplan sie hat, was sie mit der tschechischen Regierung überhaupt besprechen will, dann auch diese Gespräche führt und uns auch Ergebnisse mitteilt? Zum Beispiel könnte uns das der Herr Bundeskanzler, der es bis jetzt überhaupt nicht der Mühe wert gefunden hat, im Sonderausschuss Temelín zu erscheinen, persönlich überbringen. Dann wissen wir, was die österreichische Bundesregierung mit der tschechischen Regierung überhaupt verhandeln will.

Das Zweite, was auch besonders wichtig ist, weil man Temelín nicht mehr losgelöst von der Entwicklung in der Kommission der Europäischen Union behandeln und diskutieren kann, ist Folgendes: Eine Kommissarin, nämlich die für Energie zuständige Kommissarin Loyola de Palacio, hat eine Initiative gesetzt in der Kommission, ein Grünbuch, worin die Formulierung enthalten ist: Die atomare Option soll innerhalb der Europäischen Union für diejenigen Staaten bestehen bleiben, die das wünschen. Übersetzt heißt das: Renaissance der Atomenergie. Übersetzt heißt das: Die Atomlobby will wieder Geld machen auf Kosten unserer Sicherheit. (Abg. Ing. Westenthaler: Vor allem die sozialdemokratische!) Da hat es in der Kommission eine Kampfabstimmung gegeben, und Frau Palacio hat sich mit diesem atomfreundlichen Passus durchgesetzt.

Danach war in Sevilla der EU-Rat (Abg. Mag. Schweitzer: Wie war die Abstimmung?), wo unser Bundeskanzler war. Er hat es nicht der Mühe wert gefunden, dort eine Initiative gegen diesen verhängnisvollen Beschluss der EU-Kommission zu starten, den Frau Palacio hier durchgepeitscht hat! – Das war schlecht, das war wieder Untätigkeit, das war eigentlich ein Mitspielen bei dieser atomfreundlichen Initiative der Frau Kommissarin Palacio.

Daher haben wir gesagt, die Bundesregierung soll mit der jetzigen dänischen Präsidentschaft eine Initiative setzen, damit Ministerräte der zuständigen Umwelt- und Energieminister auf EU-Ebene stattfinden, damit man diesem Kommissionsbeschluss ein Gegengewicht entgegensetzt, damit auch wir glaubwürdig den Österreicherinnen und Österreichern – "wir" ist gut gesagt, die Bundesregierung wäre dafür zuständig – sagen könnten, dass es Gegenbewegungen gegen diese Renaissance-Bestrebungen zum Wiedererstarken der Atomenergie gibt.

Sie wollten diesen Konsens mit uns nicht eingehen. Ich überlasse es den Österreicherinnen und Österreichern, zu beurteilen, ob wir nicht wirklich berechtigt versucht haben, Sie für diesen rot-weiß-roten Konsens zu gewinnen, dass Sie die Bundesregierung auffordern, diese Gegenoffensive auf der Ebene der Umwelt- und Energieminister zu starten.


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Wir haben gesagt, die Bundesregierung sollte bei der dänischen Präsidentschaft vorstellig werden, um eine Ausstiegskonferenz zu machen. – Herr Abgeordneter Schweitzer hat gesagt: Wozu die Bundesregierung? – Er hat wahrscheinlich kein Vertrauen zur Bundesregierung und gemeint, diese bringe sowieso nichts zusammen, das sollen die österreichischen Europaparlamentarier machen. Am liebsten wäre ihm gewesen, dass sich irgendeine Fußballmannschaft dafür einsetzt, aber das ist unsinnig! (Abg. Mag. Schweitzer: Du bist heute schwach!) Seien Sie mir nicht böse, Herr Abgeordneter Schweitzer, aber warum soll das nicht die Bundesregierung machen? – Dafür ist die Bundesregierung da, damit sie diese Initiative setzt!

Nein! Sie wollten, dass die Bundesregierung in puncto Atomausstieg weiter untätig bleiben kann, und wollten den Temelín-Ausschuss als Feigenblatt für die Untätigkeit dieser Bundesregierung missbrauchen. Dazu sind wir aber nicht bereit gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wenn jemand nie im Ausschuss war, dann redet er so wie du! Keine Ahnung!)

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt, das wäre der vierte Punkt gewesen. Ich finde es besonders unklug – und ich habe auch die bisherige Form der Behandlung dieser Frage als besonders unklug empfunden –, dass man immer geglaubt hat, man könne die tschechische Verhandlungsseite gewinnen, indem man sie permanent bedroht, nämlich in dem Fall mit der berühmten Veto-Keule, indem man sagt: Wenn ihr nicht brav seid, dann werden wir euch nicht in die EU lassen! (Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Cap! Es ist umgekehrt!)

Abgesehen davon hätten wir, wären sie Mitglied in der Europäischen Union, viel mehr Möglichkeiten, auch was diesen Schüssel/Zeman-Vertrag betrifft – "Vertrag" unter Anführungszeichen, weil das kein Vertrag ist, aber sagen wir, es hat ein paar Punkte gegeben, die da besprochen wurden. Man hätte einfach mehr Möglichkeiten in Bezug auf das Einwirken auf die Energiepolitik und auf die Atompolitik Tschechiens, wenn Tschechien in der Europäischen Union wäre. – Nein, Sie stellen sich her und sagen: Hüpfst du oder hüpfst du nicht, tschechischer Gesprächspartner? (Abg. Ing. Fallent: Über den Transit!) Und wenn nicht, dann gibt es eine Veto-Drohung. – Die Tschechen werden dann natürlich trotzig und sagen: Na, so geht man mit uns nicht um! – Jeder weiß aus dem täglichen Leben, dass man, wenn zwei Seiten zusammenkommen und gemeinsam etwas erarbeiten wollen, gemeinsam einen Weg finden wollen, auf solch einer Basis nicht miteinander umgehen kann. Aber Sie bleiben dabei.

Wir haben im vierten Punkt gesagt: Wenn wir nach Prag fahren und mit dem tschechischen Parlament Gespräche führen wollen, dann hat es keinen Sinn, wenn die Gespräche durch permanente Veto-Drohungen aus der Heimat gestört werden, um das einmal in Ihrer Sprache zu formulieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Die reden gar nicht mit uns!) Das hat keinen Sinn! Daher sage ich Ihnen: Es wäre klug, wenn in diesem Entschließungsantrag auch jener Punkt enthalten wäre, wonach diejenigen (Abg. Ing. Fallent: Maulkorberlass der SPÖ!), die das zum Kernpunkt ihrer Politik gemacht haben, nämlich den tschechischen Verhandlungspartner immer wieder mit der Veto-Keule zu bedrohen, darauf verzichten sollen. Nicht mehr und nicht weniger haben wir gesagt.

Das sind eigentlich vier Punkte ... (Abg. Ing. Fallent: Maulkorberlass!) Das Problem ist, Sie wollen mit der tschechischen Regierung gar keine Gespräche führen, Sie wollen in Wirklichkeit gar kein Übereinkommen mit der tschechischen Regierung (Abg. Ing. Fallent: Das ist eine Unterstellung!), und Sie wollen in Wirklichkeit bloß Ihr übliches innenpolitisches Theater veranstalten und glauben, damit Punkte sammeln zu können. Mittlerweile haben Sie sich in Ihrem Theater-Genre eh schon verlagert, denn wenn ich an Gaugg, Forstinger und Stadler denke, dann muss ich sagen, das sind schon Dramen, die sich da abspielen und die österreichische Öffentlichkeit beschäftigen. Sie haben sich also eh schon verlagert. (Abg. Wochesländer: Wo ist euer Klima?) Sie wollen in Wahrheit in unverantwortlicher Weise nicht, dass es zu einem Ergebnis kommt.

Daher, sage ich Ihnen, ist es leider nicht möglich, dass wir heute zu diesem rot-weiß-roten Konsens kommen: Sie haben ihn verlassen, weil Sie nicht bereit sind, auf diese zutiefst vernünftigen Punkte (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt hat er gesagt ... verhandeln! Das ist ein Wider


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spruch!), die wir eingebracht haben, im Interesse der Sicherheit der Österreicher einzugehen. Wir nehmen das Sicherheitsbedürfnis der Österreicher ernst (Abg. Ing. Westenthaler: Er widerspricht sich selbst!), wir nehmen den Plan, aus der Atomenergie auszusteigen, ernst, und wir nehmen das Ziel, dass Temelín wieder aus dem Betrieb genommen wird, ernst. (Abg. Mag. Schweitzer: Ein Roter sagt das, ohne rot zu werden!) Aber für einen Plan, die Österreicherinnen und Österreicher zu beschwindeln – so wie Sie es vorgeschlagen haben –, stehen wir wahrlich nicht zur Verfügung. Wir sind für einen rot-weiß-roten ehrlichen Kurs auch in dieser Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Bleiben Sie bei der Wahrheit, Herr Khol! – Weitere Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und der ÖVP. – Abg. Mag. Kukacka  – in Richtung SPÖ –: Der im Ausschuss gelogen hat! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Kollege Kukacka, bitte! – Bitte, Herr Abgeordneter Khol.

10.35

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ein parlamentarischer Diskussionsprozess, der hier im Plenum im Angesicht der österreichischen Öffentlichkeit geführt wird, doch eine gewisse Überzeugungskraft (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung ÖVP –: Leeren Sie Ihre Taschen!) auf die Sozialdemokraten ausübt und dass sie nicht am Beginn einer Debatte hier herauskommen und so wie der legendäre Autoproduzent Citroën, der eine Zeit lang nur schwarze Autos produziert hat, vorgehen. Sie können mir alles vorschlagen, hat er seinem Vorstand gesagt, jede Farbe, nur schwarz muss sie sein. – So sind Sie. (Abg. Dr. Cap: Das ist die Personalpolitik der ÖVP!)

Bevor wir überhaupt die Debatte beginnen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist die Personalpolitik der ÖVP! Das ist die so genannte Strasser-Formel!), sagen Sie: Einen Konsens kann es nicht geben! (Abg. Parnigoni: Ein rot-weiß-roter Konsens, kein schwarzer!) Daher danke ich den Grünen, die bei allen parlamentarischen Schwierigkeiten, die wir haben, im Dienst der Sache angekündigt haben, sie werden den rot-weiß-roten Konsens wiederherstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Da seid ihr leider nicht dabei, beim Rot-Weiß-Rot!)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Einigkeit macht stark. Die bisher sehr einheitlich vorgetragene Atompolitik der österreichischen Bundesregierung hat viele wichtige Zwischenerfolge buchen können; den großen Erfolg, den wir alle wollen, dass Temelín nicht in Betrieb geht, werden wir hoffentlich noch erreichen, zumindest werden wir uns bemühen – und dieses Bemühen wollen wir heute unter Beweis stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Einigkeit macht stark. – Der rot-weiß-rote Konsens, den wir bis zum November letzten Jahres in Vier-Parteien-Entschließungen zum Ausdruck gebracht haben, hatte immer vier Elemente:

Das erste Element war: Österreich ist und bleibt AKW-frei. Wir wollen auf unserem Staatsgebiet keine Atomkraftwerke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Dem können Sie doch hoffentlich zustimmen?! (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich nicht!)

Das zweite Ziel ist: Weil wir AKW-frei sind, wollen wir, dass ganz Europa von dieser gefährlichen Form der Energie Abstand nimmt. Auch dafür waren wir alle. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unser drittes Ziel war: Wenn es schon nicht sofort gelingt, den atomaren Ausstieg in ganz Europa zu bewirken, so wollen wir europäische Sicherheitsstandards. Der Stand der Technik für die über 300 Atomkraftwerke, die es in Europa gibt, soll europäischem Sicherheitsstandard entsprechen. Auch dafür sind wir alle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Schließlich war in Anwendung dieser Grundsätze das vierte Element: Wir wollen, dass Temelín nicht in Betrieb geht, aber wenn es uns nicht sofort gelingt, dass die Tschechen diesbezüglich zur Einsicht gelangen, dann wollen wir auf dem Stand der Technik die besten Standards für die Sicherheit der Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind die vier Ziele, und das ist der rot-weiß-rote Konsens! Ich glaube, dass wir bei diesen vier Zielen doch Fortschritte gemacht haben.

Wenig ist uns gelungen, Herr Kollege Cap, beim europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie. Eine Regierung in Finnland, an der leider die Grünen beteiligt sind beziehungsweise waren (Abg. Dr. Glawischnig: Wir sind ausgetreten aus dieser Regierung, die Konservativen nicht!) – sie sind dann ausgetreten, das ist richtig, Frau Glawischnig –, also eine grün-beteiligte Regierung hat den Beschluss gefasst, ein weiteres Kernkraftwerk zu bauen. (Abg. Dr. Moser: Ohne die Grünen!) – Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, aber da hat die europäische Ausstiegsstrategie einen Rückschlag erhalten. Es ist auch ein Rückschlag, dass Frau Palacio de Loyola ein Grünbuch vorlegt und sich für den weiteren Atomkraftwerk-Bau stark macht. Das sehen wir auch so, das ist ein Rückschritt!

Aber, Herr Kollege Cap, was hat es vor diesem Hintergrund für einen Sinn, von der österreichischen Bundesregierung zu verlangen, sie möge der dänischen Ratspräsidentschaft eine Ausstiegskonferenz aufs Auge drücken, wo wir doch gerade sehen, dass es dafür keine Mehrheit gibt? – Das heißt also, Sie wollen uns zu etwas verpflichten, was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Diesen Gefallen machen wir Ihnen nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. )

Bei den europäischen Sicherheitsstandards ist uns mehr gelungen, weil Wolfgang Schüssel beim Europäischen Rat in Laeken diesen Topos, dieses Thema in der Schlusserklärung verankern konnte. Das heißt, da ist etwas im Werden. Die viel geschmähte Palacio de Loyola (Abg. Dr. Glawischnig: Loyola de Palacio!) hat sich auch in einem Teil dieses Grünbuchs für europäische Sicherheitsstandards ausgesprochen. Man soll also bei diesen Dingen auch immer die positiven Seiten sehen. Ich glaube, dass wir bei den europäischen Sicherheitsstandards einen Schritt weitergekommen sind. Wir müssen auf diesem Weg weitermachen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Jetzt komme ich zu den bilateralen Anliegen mit den Tschechen. Ich denke, dass der tschechische Botschafter hier in Wien vor dem Fernsehapparat sitzt und sehr genau zuhört, was wir hier sagen. Ich glaube, dass wir von hier aus einen Appell an die heute vorgestellte neue tschechische Regierung richten sollten – einen Appell, zur Vernunft zu kommen, an den Verhandlungstisch zu kommen, die Wahlkämpfe zu vergessen, zu bedenken, dass es für die tschechische sowie für unsere Bevölkerung wichtig ist, Sicherheit zu haben, und dass es für Tschechien wie für unser Land wichtig ist, dass Tschechien in die Europäische Union kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es muss Ihnen klar sein, meine Damen und Herren in der tschechischen Botschaft, dass es hier zwei Hindernisse gibt, die ich beide anspreche: Temelín ist ein Hindernis. Da verlangen wir offenen Herzens Verhandlungen. Zweitens sind die Beneš-Unrechtsdekrete ein Hindernis. (Abg. Mag. Posch: Die Beneš-Dekrete verhandelt Stadler!) Auch da erwarten wir Verhandlungen, damit dieses Unrecht an den vielen Sudetenösterreichern, die menschenrechtswidrig vertrieben wurden, zumindest bedauert, beendet und versöhnt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sieht die SPÖ anders!)

Ich möchte auch Kollegen Cap sagen, Ihr Herr Špidla ist jetzt Ministerpräsident in Tschechien. Unser Parteifreund Herr Svoboda ist Außenminister. Wir werden mit unseren Parteifreunden, mit der KDU, im Interesse der Sicherheit unseres Landes und der Menschenrechte bilaterale, klare, offene und kameradschaftliche Gespräche führen, die ein klares Ziel haben: Recht und Menschenrecht müssen Recht und Menschenrecht bleiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich bitte auch Sie, Kollege Schieder, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – ein hohes europäisches Amt –: Machen Sie Ihren Einfluss geltend, damit Tschechien mit uns redet! Tschechien hat mit uns im "Melker Prozess" – jetzt gehe ich bezüglich dieser bilateralen Fragen weiter – sehr gut geredet. Ich glaube, wir können Minister Molterer und auch Minister Scheibner, die beide diese Prozesse begleitet haben, nur dafür danken, dass sie diese Gespräche geführt haben, die dann im Brüsseler Vertrag geendet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap! Wenn Sie vom Brüsseler Vertrag als etwas Fadenscheinigem sprechen, dann wissen Sie nicht, was fadenscheinig bedeutet. Der Brüsseler Vertrag ist erstens ein geltender völkerrechtlicher Vertrag, er steht in beiden Gesetzblättern, zweitens wird er im EU-Primärrecht, das heißt also auf europäischer Vertragsebene, verankert. Er hat den Status europäischen Rechts und ist vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar.

Wir haben in diesem Brüsseler Vertrag die 21 Sicherheitsmängel und deren Reparatur verankert und auch die sieben großen Komplexe und deren Reparatur. Wir haben einen internationalen Review-Process – so heißt das – vorgesehen, also eine Überwachung, die so genannte Peer-Review, die aus internationalen Experten besteht, also nicht nur aus Tschechen. Hier haben wir einen Kontrollprozess, der im Laufen ist! Minister Molterer hat im Temelín-Unterausschuss sehr eindrucksvoll berichtet, was da geschieht, und alle Zuseherinnen und Zuseher können das im Internet nachvollziehen. Das ist öffentlich und zeigt, dass da ein völkerrechtlicher Vertrag auf Punkt und Beistrich abgearbeitet wird. Und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das ist für den Cap fadenscheinig!)

Er weiß nicht, was fadenscheinig ist! Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag, und auf bilateraler Ebene sind wir eigentlich auf gutem Weg. (Abg. Mag. Sima: Mit welchem Erfolg?) – Natürlich ist der Erfolg wichtig, Frau Sima! Aber wissen Sie, während eines Wahlkampfs Gespräche zu führen erschien uns nicht sinnvoll. (Abg. Dr. Cap: Immer Ausreden!) – Das ist keine Ausrede! Wenn Sie die unqualifizierten Bemerkungen des Herrn Zeman, Ihres Parteifreundes, aber auch des Vaclav Klaus in Erinnerung haben (Abg. Mag. Sima: Ihres Parteifreundes!) – ja –, dann werden Sie wissen, dass beide im Wahlkampf unglaubliche Dinge behauptet haben. Da haben wir gewusst, jetzt mit ihnen zu verhandeln hat keinen Sinn.

Aber jetzt ist eine neue tschechische Regierung da, und ich denke, dass wir in diesem Hohen Haus sehr schnell eine Delegation des Temelín-Ausschusses nach Tschechien schicken sollten, damit wir, bevor die Regierung eingearbeitet ist, einmal auf parlamentarischer Ebene alle Mittel ausschöpfen. Das kann schnell gehen, das kann unkompliziert gehen, das kann morgen, übermorgen in der Präsidiale beschlossen werden, Herr Kollege Cap! Dann können wir noch im Juli eine erste Fact-Finding-Mission nach Prag schicken, weil wir im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger diese Fragen als wichtige Sache ungeachtet der Ferien beraten und verhandeln wollen.

Meine Damen und Herren! Die Frage Temelín ist eine Sicherheitsfrage, die für jede Österreicherin und jeden Österreicher wichtig ist. Ich bin froh, dass im Bereich dieses Unterausschusses umfangreiche Informationen gegeben wurden, dass wir also wissen, wohin die Reise geht, und dass wir diese Ziele weiter beharrlich verfolgen.

Politik, hat Max Weber gesagt, ist das Bohren harter Bretter mit Geduld und Augenmaß – und einer Leidenschaft. Die Leidenschaft haben wir, die Geduld (Abg. Dr. Moser: Die fehlt Ihnen!) haben wir und auch das Augenmaß. Die tschechische Haltung ist ein ganz hartes Eichenbrett, aber wir werden bohren und bohren, bis wir zum Ziel kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden heute einen Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei, der Österreichischen Volkspartei und der Grünen einbringen, mit dem wir die "Drei-Stufen-Strategie" der österreichischen Bundesregierung in Richtung kernkraftfreies Europa unterstützen und unterstreichen. Erste Stufe: Die atomar besonders riskanten – riskant sind sie alle! – Kraftwerke wie Ignalina, Bohunice und Kosloduj sollen vom Netz. Zweite Stufe: Wir wer


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den uns weiter bemühen, einen europäischen Standard einzurichten, um den Stand der Technik, die höchstverfügbare Sicherheitstechnik zu erreichen. Dritte Stufe: Wir werden weiter konsequent für die Nullvariante eintreten, das heißt also für das Schließen der Kernkraftwerke.

Es ist sehr wichtig, dass wir von Minister Molterer im Ausschuss einen Bericht über die Nullvariante bekamen, der feststellt, dass sich das Ganze ökonomisch nicht rechnet. Das waren neue Informationen, neue Berechnungen. Wir werden uns daher im Zuge der Energiepartnerschaften mit den Tschechen konsequent beraten und ihnen sagen, es ist nicht gut für die Sicherheit, es ist nicht gut für die Wirtschaft.

Ich hoffe, Herr Kollege Cap, dass Sie am Ende der Beratungen unserem gemeinsamen Entschließungsantrag, den wir gerne ergänzen, zustimmen können, denn Rot-Weiß-Rot – Einigkeit macht stark! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Gleiche Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.51

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Thema laut Tagesordnung, nämlich zum Temelín-Bericht aus dem Unterausschuss, komme, möchte ich im Namen der grünen Fraktion einen Teil meiner Zeit nutzen und zu den gestrigen Vorkommnissen in diesem Hause Stellung nehmen. (Abg. Achatz: Sie sollen zur Sache sprechen! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die grüne Fraktion ist gestern aus diesem Haus ausgezogen, und zwar aus Protest gegen die Entscheidung, dass es in diesem Hause nicht möglich war, eine Diskussion über die umstrittenen Äußerungen des FPÖ-Volksanwaltes Stadler abzuführen. (Abg. Achatz: Das ist ungeheuerlich!) Die Grünen haben einen Dringlichen Antrag eingebracht, mit dem sie erreichen wollten (Abg. Böhacker: Zur Sache!), dass das Parlament diese Äußerungen (Abg. Achatz: Zur Sache!), nach denen Österreich 1945 nur angeblich befreit wurde ... (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! – Abg. Böhacker: Herr Präsident! Das ist nicht zur Sache!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin Glawischnig! Ich bitte Sie, Folgendes zu beachten (Abg. Ing. Westenthaler: Gehen Sie auf die Donauinsel baden! Das ist besser! Gehen Sie schwimmen!): Immer wieder gibt es die Möglichkeit, bei einem Thema zu irgendeiner Frage Stellung zu nehmen. Wenn Sie in zwei, drei Sätzen Ihre Haltung darlegen, toleriere ich das, so wie bei anderen auch, aber ich kann es nicht zulassen, dass eine Debatte umfunktioniert wird (Abg. Achatz: Das hat sie schon!) und, obwohl Temelín auf der Tagesordnung steht, etwas behandelt wird, was gestern verhandelt wurde. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Peinlich, peinlich!)

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Ich werde noch in zwei Sätzen unsere Position zum gestrigen Tag zur Kenntnis bringen und dann gleich mit dem aktuellen Punkt der heutigen Tagesordnung fortsetzen. (Abg. Dr. Graf: Unerlaubte Werbung für Stadler! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie haben gestern verhindert, Herr Klubobmann Westenthaler und Herr Klubobmann Khol, dass Aussagen, die eine Verharmlosung des NS-Regimes darstellen, dass Aussagen, die viele Opfer dieses Regimes in Österreich beleidigen (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schwimmen gegangen auf die Donauinsel!) und die den Grundkonsens, auf dem die Zweite Republik aufbaut, in Frage stellen, hier im Haus diskutiert werden können. (Abg. Ing. Fallent: Das ist ungeheuerlich, Herr Präsident!) Wir können diese Entscheidung zwar nicht verhindern, wir können sie nur zur Kenntnis nehmen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! So etwas geht nicht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin Glawischnig! Ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Ich schließe mit diesem Satz ab: Wir können diese Entscheidung nur zur Kenntnis nehmen (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ungeheuerlich,


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so etwas!), aber nicht respektieren, und wir wollen, dass diese Causa ausreichend Zeit im Rahmen dieses Hauses findet, um diskutiert zu werden (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt wird es für einen Wortentzug Zeit!), andernfalls schrecken wir nicht davor zurück, eine Sondersitzung des Nationalrates zu beantragen, meine Herren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie pressiert das Atomthema überhaupt nicht! Sie können abtreten bei Temelín! Sie gehen schwimmen auf die Donauinsel, und die Atompolitik interessiert Sie überhaupt nicht! Missbrauch des Mandats ist das, was Sie aufführen! Sie sollten Ihr Mandat zurücklegen! Sie sollten zurücktreten! Das ist besser! Es braucht Sie niemand im Parlament! Wir brauchen Sie nicht!)

Ich komme jetzt zum Temelín-Bericht, zum Ausschussbericht. (Abg. Ing. Westenthaler: Drohen können Sie zu Hause, aber nicht im Parlament! Auf der Donauinsel können Sie auch drohen!) Meine Damen und Herren! Wir haben über 20 Stunden lang in diesem Ausschuss diskutiert, wir haben beraten, wir haben viele Punkte sehr ausführlich beraten und darüber gestritten, und ich muss Ihnen sagen, es fällt mir angesichts dessen, wie Sie sich in vielen anderen Fragen verhalten, nicht leicht, zu sagen, dass wir im Rahmen von Vier-Parteien-Verhandlungen zu einem Drei-Parteien-Konsens gefunden haben, der im Wesentlichen viele Punkte, die die Grünen seit Monaten fordern und für vernünftig halten, enthält. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Grünen sind abgetreten!)

Der Antrag trägt die grüne Handschrift, und ich möchte noch einmal kurz zurückblenden, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Wir waren mit den letzten Monaten sehr unzufrieden. Die österreichische Bundesregierung hat viele Monate verschlafen, sowohl was die bilateralen Verhandlungen, die Vorbereitungen von Verhandlungen als auch die Atompolitik auf europäischer Ebene betrifft. Die Atompolitik ist im Wesentlichen auf der Stelle getreten, weil sich die Regierungsparteien über eine wesentliche Kernfrage, nämlich inwieweit die EU-Erweiterung und Temelín verknüpft werden sollen, nicht einigen konnten. Das hat null atompolitische Ergebnisse gebracht, sondern ausschließlich Parteienstreit in Österreich.

Das einzige Ergebnis nach vier Verhandlungstagen im Ausschuss, nach 20 Stunden Beratungen, nach stundenlangen Beratungen mit den Experten wäre eine Parlamentarier-Reise gewesen, was ohnehin selbstverständlich ist, weil es immer Kontakte zwischen dem österreichischen und dem tschechischen Parlament gibt. Ich selbst habe schon einige dieser Delegationen mitgemacht und auch eine geleitet. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat das organisiert?) Aber, Herr Westenthaler, wenn Sie unbedingt zum ersten Mal in Ihrem Leben nach Prag fahren und mit tschechischen Parlamentariern über Temelín diskutieren wollen, dann machen wir Ihnen gerne den Gefallen (Abg. Ing. Westenthaler: Sie interessiert Temelín überhaupt nicht!), allerdings darf das kein Ersatz für ernsthafte Verhandlungen der österreichischen Bundesregierung mit der tschechischen Regierung sein, das kann ein Parlament nicht ersetzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind auch nicht im letzten Ausschuss gewesen!) Ich mache Sie darauf aufmerksam, diese Reise und diese Bemühungen von österreichischen Parlamentariern dürfen nicht dazu missbraucht werden, dass die österreichische Regierung in dieser Frage weiter nichts tut. Das wäre fast das Ergebnis gewesen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben beim letzten Ausschuss gefehlt!)

Die Regierungsparteien haben dann einen sehr, sehr schwachen Antrag vorgelegt, der im Wesentlichen das enthält, was eh schon beschlossen ist oder was vielleicht schon passiert ist, aber nichts, was als essentieller neuer Schritt und als essentieller Fortschritt in der Anti-Atom-Politik zu deuten gewesen wäre. Wir haben gesagt: So nicht! Entweder gibt es jetzt ein ernsthaftes Ergebnis, oder es hat alles keinen Sinn mehr. Es ist ohnehin schon so schwer, mit zwei Regierungsparteien, die sich bei so wesentlichen Entscheidungen wie der EU-Erweiterung nicht einigen können und ständig im Streit miteinander liegen, eine vernünftige inhaltliche Politik und eine Sachpolitik zu machen.

Das, was jetzt vorliegt, trägt im Wesentlichen grüne Handschrift und ist jedenfalls ein Erfolg für die Anti-Atom-Politik. Das ist uns nicht leicht gefallen – das muss ich offen sagen –, denn ein massiver Wermutstropfen ist nach wie vor Ihre Meinung, Herr Kollege Westenthaler, dass mit einer Drohpolitik, mit einer Vetopolitik in Sachfragen der einzige Fortschritt zu erzielen wäre.


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Herr Kollege Klubobmann Khol! Ich kann auf Lob an und für sich verzichten. Es geht uns nicht darum, jetzt von Regierungsparteien gelobt zu werden, uns geht es um die Sache, uns geht es um eine inhaltliche Weiterentwicklung in dieser Frage. Außenpolitik und Anti-Atom-Politik lassen sich so, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist, nicht in Angriff nehmen und nicht lösen. Wir hoffen, dass das zumindest ein kleiner Neuanfang ist, und wir werden bis zum Herbst sehr genau überprüfen und beobachten, ob dieser – so möchte ich fast sagen – Vertrauensvorschuss ernst genommen wird und ob es nicht wieder ein Scheinantrag ist, der zu einem Papiertiger verkommt wie schon viele vorher. (Beifall bei den Grünen.)

Zu den Fortschritten, zu den inhaltlichen Fortschritten: Erstmals ist das, was wir seit Monaten fordern, festgeschriebene österreichische Position, nämlich die Bereitschaft zu finanzieller Ausstiegshilfe Österreichs gemeinsam mit der Europäischen Union. Wir alle wissen, dass Temelín eine ökonomische Frage ist, dass Temelín unwirtschaftlich ist, dass Tschechien sehr viel Geld investiert hat. Wer nicht begreift, dass dahinter rein wirtschaftliche Überlegungen stecken, der ist meiner Meinung nach naiv. Erstmals gibt es die Bereitschaft Österreichs zu finanzieller Ausstiegshilfe gegenüber Tschechien, und das ist ein Verdienst der Grünen. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Erstmals gibt es ein sehr offensives Bekenntnis Österreichs – das ist auch etwas, was wir schon seit Monaten beantragt haben und was oft abgelehnt worden ist –, zu den Reaktoren, die in Zukunft an unseren Grenzen in den mittel- und osteuropäischen Staaten gebaut werden, ein klares Nein zu sagen. Es geht um 6 Milliarden € Kreditrahmen, das sind 84 Milliarden Schilling, das ist drei beziehungsweise fast vier Mal das Abfangjägerpaket, das ist sehr viel Geld, das Österreich beeinspruchen wird. Das ist auch ein grüner Verhandlungserfolg, dass diese Kredite blockiert werden, dass es keine Kredite der Europäischen Union in diesem gigantischen Ausmaß für neue Atomkraftwerke in Mittel- und Osteuropa geben wird.

Der dritte Verhandlungserfolg: Wir haben sehr viel gestritten und diskutiert über den Euratom-Vertrag, darüber, wie man die Reform dieses überalterten Vertrages, der immer noch eine Sonderstellung einer einzigen Energieform in Europa bedeutet, angehen soll, aber die präzise Fixierung der österreichischen Position, dass das Europäische Parlament eine Kontrolle erhalten soll, dass der Vertrag in einen Ausstiegsvertrag umfunktioniert werden soll und dass dies das österreichische Projekt im Rahmen der europäischen Reformdiskussionen, im Rahmen des Konvents ist, auch das ist ein grüner Verhandlungserfolg und trägt unsere Handschrift. (Beifall bei den Grünen.)

Der letzte Punkt – wir haben das auch schon in diesem Haus oft diskutiert, und Sie haben es bislang immer abgelehnt – ist eine Umorientierung eines weiteren großen Geldtopfes in der Europäischen Union, nämlich des Euratom-Forschungsprogrammes, bei dem es um die Reaktorgenerationen der Zukunft und die Fusionstechnologie geht, in das Milliarden hineingepumpt werden. Auch dazu gibt es ein starkes, deutliches österreichisches Bekenntnis in diesem Antrag, dass die Gelder zu Ausstiegshilfen umorientiert werden sollen. Wir haben das letzten Herbst im Parlament diskutiert, damals haben es die Regierungsparteien noch abgelehnt, ein deutliches Bekenntnis dazu abzulegen. Auch das ist ein Erfolg der Grünen, und auch hier trägt dieser Antrag unsere Handschrift.

Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen sind für mich in diesen vier Ausschusssitzungen manchmal an dem Punkt angelangt, dass ich mich gefragt habe: Hat das überhaupt noch einen Sinn? Hat es überhaupt noch einen Sinn, mit zwei Parteien zu diskutieren, die sich bei Kernfragen nicht einig sind, die immer nur einen Konsens, einen Scheinkonsens herstellen wollen? (Abg. Ing. Westenthaler: Sollten Sie nicht lieber auf die Donauinsel gehen?)  – Bezüglich des Themas Temelín, zu dem wir sagten, wir wollen Temelín abschalten, sind wir eigentlich keinen Schritt weitergekommen.

Unser Ziel war es immer, grenznahe Atomkraftwerke so schnell wie möglich vom Netz zu bringen (Abg. Mag. Schweitzer: Auch unseres!), ob sie Mochovce heißen, ob sie Krško heißen, ob sie Temelín heißen. Wir arbeiten seit über zehn Jahren mit der Anti-Atom-Bewegung dafür zu


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sammen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ist schon weg, die Atomkompetenz bei den Grünen! – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Angesichts der Art und Weise, wie dieses Thema in den letzten Monaten missbraucht worden ist, einerseits für eine Anti-Erweiterungs-Stimmungsmache, andererseits aber auch für einen Parteienstreit, war ich bereits zu der Auffassung gelangt, all das mache eigentlich keinen Sinn mehr, und wir waren schon knapp davor, diesen Ausschuss zu verlassen – auch in Verantwortung gegenüber denjenigen Menschen, denen eine vernünftige und verantwortungsvolle Anti-Atom-Politik am Herzen liegt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Dass wir uns jetzt bei diesem Dreiparteienantrag noch einmal bemüht haben, auf einen Konsens zu kommen, und mit Ihnen hier einen gemeinsamen Antrag beschließen, möge Ihnen eine letzte Warnung und eine letzte Chance sein.

Ich gehe davon aus, dass Sie das als Arbeitsauftrag für den Sommer sehen, dass Sie unverzüglich mit der tschechischen Seite Sondierungsgespräche aufnehmen werden, dass Sie unverzüglich versuchen, ein Ausstiegsangebot auf finanzieller Ebene, auf technischer Ebene und auf diplomatischer Ebene vorzubereiten, dass im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen der Kommission und des Europäischen Parlaments die Ausrutscher, die es immer wieder gegeben hat, vor allem auch von Seiten der ÖVP, der Vergangenheit angehören und wir im konsequenten Kampf zu einem europäischen Atomausstieg endlich einen Schritt weiterkommen werden. Wir werden das sehr genau beobachten. (Beifall bei den Grünen.)

Es liegt jetzt an Ihnen, und wir werden im Herbst über Erfolg oder Misserfolg dieser Arbeitsaufträge – dabei handelt es sich um eine ganze Latte – eine Bilanz ziehen.

Abschließend, meine Damen und Herren Kollegen, die im Temelín-Ausschuss mit uns verhandelt haben, stelle ich fest: In Bezug auf viele Punkte ist es in Österreich natürlich überhaupt keine Frage, welche Position wir dazu einnehmen, bei vielen Punkten haben wir uns ausschließlich anagitiert, ausschließlich Bekenntnisse, die es immer schon gegeben hat – in Österreich sind 80 Prozent der Bevölkerung gegen Atomkraftwerke –, bekräftigt und bestätigt.

Der ursprüngliche Wunsch, hier zu einem Zusammendenken zu gelangen, Außenpolitik als Energiepolitik zu denken, dies als Chance zu begreifen und auch Wirtschaftspolitik damit zu machen – es kann niemand gegen Temelín sein, der sich in Österreich nicht auch massiv für erneuerbare Energien, für neue Technologien, für Ökostromoffensiven einsetzt –, all das ist in vielen Bereichen noch immer nicht Konsens. Anti-Atom-Politik wird noch viel zu oft als reine Boulevard-Stimmungsmache und viel zu wenig als ernste Wirtschaftspolitik, als ernste Außenpolitik und als ernste Umweltpolitik verstanden.

Ich gehe davon aus, dass mit diesem Antrag und auch mit der Diskussion, die wir jetzt geführt haben, eine gewisse Änderung in Ihrer Geisteshaltung und in Ihrem Begreifen dieses Themas und dieser Frage eingetreten ist und dass wir vielleicht auch in Zukunft bei energiepolitischen Fragen, bei Fragen betreffend die Förderung von Solarenergie, von Alternativenergien leichter zu einem Konsens kommen. Ich hoffe, dass wir kein Volksbegehren mehr brauchen, dass wir keine vier Ausschüsse brauchen, keine 20 Arbeitsstunden verbrauchen, keine Experten befragen und Tonnen von Papier verbrauchen müssen, bis wir zu einem Konsens kommen. Wir sind ohnehin alle gegen Atomenergie, aber jetzt machen wir es ein bisschen g’scheiter als in den Monaten vorher! (Abg. Ing. Westenthaler: Ge scheiter!)

Herr Kollege Westenthaler! Sie haben in diesen Verhandlungen vor allem eines sehr oft gemacht: Sie haben immer wieder das Klima, das zwischen Österreich und der Tschechischen Republik ohnehin schon auf des Messers Schneide steht, weil die tschechische Seite sehr unklug vorgeht, immer wieder einen Krieg der Worte inszeniert und auch in ihrem Wahlkampf damit Stimmung gemacht hat, belastet. Die Freiheitlichen sind sehr oft eingestiegen und haben mitgespielt, was der Sache extrem abträglich war. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Westenthaler! Der Wermutstropfen, der bei der ganzen Diskussion und dem Resümee für mich verbleibt, ist, dass Sie immer noch an einer Drohpolitik festhalten und nicht ver


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standen haben, dass, um Erfolge zu erringen, Sachpolitik und intelligente Verhandlungsstrategien erforderlich sind, und nicht Drohungen einem anderen Staat gegenüber (Abg. Ing. Westenthaler: Um 13 Uhr ist Beach-Volleyball auf der Donauinsel! Um 13 Uhr ist Beach-Volleyball auf der Donauinsel!), die in den letzten Monaten zu keiner einzigen Erfolgsmeldung geführt haben – es sind nur die Ausgangsbedingungen für Österreich noch schlechter geworden.

Ich gehe davon aus, dass Sie diese Äußerungen in Zukunft massiv überdenken werden, dass Sie nicht gleich wieder das Verhandlungsklima zerstören und all das, auf das wir jetzt aufbauen wollen, dadurch vernichten, dass Sie Ihre Erweiterungspolitik, Ihre Parteipolitik und Ihre Wahlkämpfe auf dem Rücken der Bevölkerung austragen, die in Wirklichkeit eine offensive, ehrliche Anti-Atom-Politik will – und keine Panikmache und keinen Missbrauch von Umweltpolitik für Anti-Erweiterungs-Politik. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Und jetzt auf die Donauinsel! Ab auf die Donauinsel! Jetzt gehen wir wieder schwimmen! Jetzt gehen Sie wieder schwimmen!)

11.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

11.05

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Vorrednerin hat behauptet, Peter Westenthaler und ich hätten gestern die Diskussion über die Bemerkungen – die von mir bereits qualifizierten Bemerkungen – des Herrn Volksanwaltes Stadler verhindert. (Abg. Parnigoni: Was ja auch stimmt!)

Richtig ist, dass der Präsident des Nationalrates einen Dringlichen Antrag der Grünen nicht zulassen konnte, weil er nicht entsprechend der Geschäftsordnung formuliert war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Weil Sie nicht wollten! – Abg. Dr. Moser: Weil Sie nicht wollten!)

11.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

11.06

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße auf der Galerie die Initiatoren dieses Volksbegehrens gegen Temelín, das immerhin 915 000 Unterschriften gebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Initiatoren und die interessierte Öffentlichkeit sollen sich noch einmal ein Bild von dem machen, was Kollege Cap heute hier abgegeben hat. Kollege Cap hat zu Beginn seiner Rede gesagt, er sei auf der Suche nach einem rot-weiß-roten Konsens, und am Schluss seiner Rede hat er aber auch gleich gesagt, es gebe keine Verhandlungen mit der SPÖ. (Abg. Parnigoni: Mit der SPÖ?)

Jetzt frage ich mich, Herr Kollege Cap: Ist ein rot-weiß-roter Konsens eher auf der Basis eines Antrages zu erwarten, auf dem drei Parteien zu finden sind, oder ist ein rot-weiß-roter Konsens mit Ihren Vorstellungen zu erwarten, in deren Mittelpunkt die Forderung nach einem Maulkorberlass für alle Politiker in Österreich stand?

Herr Kollege Cap! Diese Frage haben Sie nicht beantwortet, aber vielleicht kann Kollegin Sima Antwort darauf geben: Ist ein rot-weiß-roter Konsens eher dort zu erwarten, wo sich drei Parteien gefunden haben, oder mit einem Maulkorberlass?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Cap hat auch bejammert, dass wir mit den Vertretern Tschechiens nicht ordentlich Kontakt aufgenommen haben. Ich muss sagen: Es gibt im Moment keine Vertreter in Tschechien, Herr Kollege Cap, mit denen verhandelt werden


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kann. Die Regierung ist noch nicht gebildet, das Parlament ist nicht konstituiert. Aber sobald das geschehen ist, wird auf der Basis des Entschließungsantrages, auf den ich noch zurück-kommen werde, auf beiden Ebenen der Kontakt aufgenommen – ohne noch einmal zu hinterfragen, ob dann die SPÖ mit dabei ist oder nicht. Wir werden das tun, was die Österreicher und Österreicherinnen und die Unterzeichner des Volksbegehrens von uns erwarten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bemerkenswert, Herr Kollege Cap, war auch, dass du nicht bereit bist, auf die Linie deiner eigenen Partei einzugehen. Du sprichst immer von der "Veto-Keule". Es geht nicht um die Veto-Keule. Es geht um berechtigte Anliegen der österreichischen Bevölkerung, und diese sind mit allen Instrumenten zu verfolgen! Eines der Instrumente ist auch der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Gemeinschaft.

Wenn Tschechien Mitglied der Europäischen Gemeinschaft werden will, dann hat Tschechien auch die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen. Die Voraussetzungen sind eben, dass es einerseits die Beneš-Dekrete in dieser Form nicht geben kann, weil sie menschenrechtswidrig sind, und dass es andererseits auch dieses Kraftwerk nicht geben kann, weil es die Sicherheit vieler Menschen nicht nur in Tschechien, sondern auch in Österreich gefährdet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch vor einiger Zeit waren Sie diesbezüglich auf einem ganz anderen Kurs, Herr Kollege Cap! Ich muss Sie daran erinnern – Kollegin Sima sieht das ungern –, indem ich einmal mehr die Titelseite der "Kronen-Zeitung" vom 29. August 1999 – das ist also noch nicht lange her – präsentiere, auf der eindeutig zu lesen ist, Herr Kollege Cap: "Kein EU-Beitritt mit AKW Temelin". Das hat der damalige Kandidat Klima gemeinsam mit Shooting-Star Ulli Sima gefordert und den Österreichern auch versprochen, dass sie dafür alles tun werden. Also dann tun Sie es auch gemeinsam mit Ihrer sozialdemokratischen Fraktion! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt mehrere, die daran erinnert werden müssen, welche Position sie vertreten haben. Frau Kollegin Prammer! Sie bemühen sich intensiv, sich mit Ihrem Laptop zu beschäftigen, weil Sie genau wissen, was jetzt kommt. Am 9. September 1999 hieß es:

"Prammer bekräftigt: ‚Kein EU-Beitritt mit unsicheren Kernkraftwerken‘". (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so?) "Mit einem unsicheren AKW Temelin‚ wird es keinen EU-Beitritt geben‘." – So damals Kollegin Prammer. (Abg. Ing. Westenthaler: Prammer ist schon umgefallen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Für die gesamte SPÖ hieß es am 4. September 1999: "EU-Beitritt Tschechiens nicht mit Temelin". (Abg. Böhacker: Wer sagt das?) "Klima und Prammer: Mit Temelin und Bohunice kein EU-Beitritt von Tschechien und der Slowakei". – Frau Kollegin Prammer! Stehen Sie zu dem, was Sie 1999, aber auch noch im Jahre 2000 gefordert haben?

Kollegin Sima wird auch in der APA finden, dass sie im Jahr 2000 noch gesagt hat: "Kein Beitritt der Tschechischen Republik mit unsicherem Akw Temelin". – Frau Kollegin Sima! Sie werden ja nach mir auch an das Rednerpult treten, und Sie werden sicherlich erklären, wie das zu verstehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sonderausschuss, der inzwischen zu vier Sitzungen zusammengetreten ist, legt mit dem heutigen Tag einen erfolgreichen Zwischenbericht vor. Frau Kollegin Glawischnig! Es war gut, dass wir internationale Experten im Sonderausschuss gehört haben. (Abg. Dr. Glawischnig: Einen! Einen! Und der war von uns! – Abg. Dr. Moser: Einen! Einen!)

Sie werden sich doch sicherlich auch daran erinnern, dass wir Experten aus Deutschland geladen hatten, Frau Kollegin Glawischnig, und dass es auch innerhalb Österreichs sehr gute Fachleute auf diesem Sektor gibt, wie zum Beispiel Herrn und Frau Kromp. oder auch unseren Bundesrat Dr. Böhm, der uns in rechtlichen Fragen exzellent beraten konnte, wie Sie auch im Ausschuss zugegeben haben. (Abg. Dr. Glawischnig: Stimmt!)


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Dieser Sonderausschuss legt heute einen äußerst erfolgreichen Zwischenbericht vor. Sämtliche Bereiche wurden in diesen Sonderausschüssen ausführlich diskutiert: die gesamte nukleare Sicherheit, die Fragen rund um das Containment, die Alternativen zum Kernkraftwerk Temelín und vor allem auch die Nullvariante. Es wurde auf Grund der Beratungen in diesem Sonderausschuss auch der Bericht der Energieverwertungsagentur aktualisiert. Ich glaube, dass dieser Bericht – ich bin Minister Molterer sehr dankbar dafür, dass er uns diesen Bericht vorgelegt hat – eine hervorragende Argumentationsgrundlage für die Verhandlungen mit unserem Gegenüber in Tschechien sein wird – eine hervorragende Grundlage sowohl für die Verhandlungen mit Vertretern der neuen tschechischen Regierung als auch für unsere Gespräche mit den tschechischen Parlamentariern.

Frau Kollegin Sima! Frau Kollegin Glawischnig! Ich muss schon darauf hinweisen, dass wir uns, unabhängig davon, ob in Opposition oder jetzt als Regierungspartei, immer wieder um den Dialog bemüht haben. Sie und Kollegin Moser waren Mitglied einer Delegation, die von mir initiiert wurde. (Abg. Dr. Moser: Das war Ellmauer von der ÖVP!) – Frau Kollegin Moser! Sie waren dabei. Sie waren mit mir die Ersten in Tschechien, im tschechischen Parlament, wo wir über diese Frage Temelín gesprochen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben die tschechischen Kollegen nach Österreich eingeladen, haben diesen Dialog fortgeführt und konnten dann noch einmal einen dritten Besuch in Temelín selbst machen, um Bewegung in diese Frage zu bringen. Ich glaube, wir haben von österreichischer Seite schon sehr viel getan. Es wird Zeit, dass sich die tschechische Seite zu rühren beginnt, darum geht es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap geht her und bricht eine Lanze für die tschechische Regierung, vertritt die Position der tschechischen Regierung, des tschechischen Parlaments. – Als Abgeordneter des österreichischen Parlaments hast du die Aufgabe nicht begriffen, Kollege Cap, die du von der österreichischen Bevölkerung gestellt bekommen hast! Du hast dich um die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu kümmern! Um die Unterschriften der 915 000 Unterzeichner solltest du dich kümmern. Willst du nicht? – Wir werden es tun. Die österreichische Bevölkerung wird es uns lohnen, davon bin ich überzeugt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zurück zum Bericht der Energieverwertungsagentur, der diese hervorragende Grundlage für weitere Verhandlungen bildet. – Ich hoffe, wir sind wenigstens diesbezüglich auf einer Linie. – Die Kernaussagen dieser Analyse sind doch sehr interessant: Es wird anhand von Fakten dargestellt, dass eine Inbetriebnahme Temelíns bei gegenwärtigen Marktverhältnissen keine ökonomischen Vorteile aufweist. Dies ist eines der wesentlichsten Argumente überhaupt: Wenn Temelín in Betrieb geht, bringt das weitere Defizite für die tschechische Energiewirtschaft und insgesamt für den tschechischen Staatshaushalt.

Zudem ist es durch die Inbetriebnahme Temelíns auch nicht möglich, die Luftschadstoff- oder Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Und die dritte wesentliche Aussage: In jedem Fall bewirkt die Inbetriebnahme Temelíns eine Erhöhung des nuklearen Risikos.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man anhand dieser Studie, dieses Berichtes Fakten vor sich hat, die überzeugend sind, und zwar in drei ganz unterschiedlichen Bereichen, in der Sicherheitsfrage, in der ökologischen Frage und in der ökonomischen Frage, und unter dem Strich herauskommt, dass es in allen drei Fragen nicht lohnt, dieses Kraftwerk in Betrieb zu nehmen, dann wird es doch wichtig sein, dass wir alle Delegationsebenen nutzen, um das auch den tschechischen Kollegen näher zu bringen, um dort ein Umdenken zu bewirken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap! Kommen wir zu unseren Versuchen – ich sage ganz bewusst: zu unseren Versuchen –, den Versuchen der ÖVP, der FPÖ und dann auch der Grünen, was das Herstellen eines rot-weiß-roten Konsenses betrifft. Hier gibt es einen ersten Entwurf der Regierungsparteien, der der SPÖ wie auch den Grünen am 2. Juli dieses Jahres zugegangen ist. Die grüne Fraktion hat uns auf Grund dieses ersten Entwurfes sofort einen Entwurf ihrer Fraktion zur Ver


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fügung gestellt. Die sozialdemokratische Fraktion hat auch einen Entwurf zurückgesendet, der aber nur sehr schwer verhandelbar war. Das wird Kollegin Baumgartner-Gabitzer bestätigen.

Tatsache ist, dass wir aber bereit waren, in einem Vierparteiengespräch alle Forderungen zu diskutieren und die konstruktiven Forderungen in einen weiteren Entwurf aufzunehmen – was dann auch geschah. Wir haben die Forderungen der Grünen – Kollegin Glawischnig hat das als grünen Erfolg gefeiert; soll sein – so weit wie möglich in diesen Antrag eingearbeitet. Es geht uns nämlich nicht darum, Frau Kollegin Glawischnig, ob das ein grüner, ein blauer oder ein schwarzer Erfolg ist, es muss ein rot-weiß-roter Erfolg sein! Darauf verständigen wir uns, deshalb haben wir das auch gerne eingearbeitet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dieser gemeinsame Antrag mit all dem, was Kollegin Sima wollte, was Sie wollten, lag zu weiteren Beratungen vor, deren Ergebnis war, dass wir uns auf einen Dreiparteienantrag geeinigt haben. Nur die SPÖ wollte auf einmal aus unerfindlichen Gründen nicht mit drauf. Kollege Cap hat es im Ausschuss nicht begründen können, warum er, obwohl sich die SPÖ in diesem Antrag wieder finden konnte, auf einmal die Zustimmung verweigert. Er hat es bis heute nicht erklärt und legte dann einen eigenen Antrag vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Teile dieses Antrages sind es wert, verlesen zu werden, da er eindeutig darauf abzielt, keine Einigung zustande zu bringen. Ich werde Ihnen den Passus vorlesen, der verhindert hat, dass es zu einer Einigung kommen konnte. Er lautet:

"Die Bundesregierung wird ersucht, in ihrem Verantwortungsbereich dafür zu sorgen, dass im Zeitraum bis zum Abschluss der Verhandlungen mit der Tschechischen Republik keinerlei die Verhandlungen belastende Äußerungen zur Verhinderung des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union mehr getätigt werden." (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Skandal ist das!) "Dieser Aufforderung schließen sich alle im Nationalrat und Bundesrat vertretenen Abgeordneten an."

So weit der Passus in diesem Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein totalitärer Antrag gewesen! Der Führer befiehlt, und die anderen folgen! So habt ihr euch das vorgestellt!)

Meine Damen und Herren! Was will Kollege Cap mit diesem Antrag? – Er will nicht mehr und nicht weniger, als all jenen, die sich in dieser Frage für die österreichischen Interessen, für die 915 000 Unterzeichner des Volksbegehrens einsetzen, einen Maulkorb umhängen. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Er will, dass alle schweigen. Er macht in Österreich das Geschäft der Tschechen. – Dann sage es auch, Kollege Cap: Ich bin für das Geschäft der Tschechen.

Wir hingegen sind die Vertreter der Interessen der Österreicher und der Unterzeichner des Volksbegehrens! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Cap! Schlussendlich liegt heute ein Entschließungsantrag vor – ich bedauere es, dass sich die SPÖ nicht darauf befindet –, der all das zum Inhalt hat, was von den Grünen eingebracht wurde und was auch von der SPÖ an sinnvollen Forderungen gestellt wurde: Die europaweite Initiative zum Ausstieg ist enthalten, die diversen Delegationen, Regierungs- und Parlamentarierdelegation, werden damit beschlossen. Es wird zu einer Reform des EURATOM-Vertrages kommen, wenn es nach österreichischen Vorstellungen geht. Es wird das Forschungsprogramm im Rahmen des EURATOM-Vertrages völlig neu gestaltet. Es gibt klare Aufträge an die Bundesregierung, sich in allen Fragen durchzusetzen, und zwar mit den Argumenten, die wir erarbeitet haben. Deshalb ist es für mich, Kollege Cap, um so unverständlicher, dass Sie diesem Antrag nicht beitreten wollen.

Sie kommen zu Beginn, fordern den rot-weiß-roten Konsens, um am Schluss zu sagen: Rot-weiß-roter Konsens ja, aber ohne Rote! – Soll sein: Rot-weiß-roter Konsens mit ÖVP, FPÖ und den Grünen – ohne Rote. (Abg. Dr. Glawischnig: Es geht auch um tschechische Atomgegner!


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110. Sitzung / Seite 57

Es geht nicht nur um Österreich!) Das geht auch, wird Ihnen aber noch Leid tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

11.21

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Unterzeichner des Volksbegehrens, 915 000 Bürgerinnen und Bürger, haben ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, und zwar, so meine ich, über Temelín hinaus die Sorge, die mit der Nutzung der Atomenergie verbunden ist.

Ich meine, dass eigentlich deutlich mehr Österreicherinnen und Österreicher, als dieses Volksbegehren unterschrieben haben, Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit der Atomenergie haben. Es ist daher klar und unmissverständlich zu sagen, dass die österreichische Bundesregierung mit einer proaktiven Anti-AKW-Strategie auf diese Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher eingeht. Ich bin auch dankbar dafür, dass sich das Parlament in diesem Sonderausschuss intensiv mit dieser Frage beschäftigt hat.

Die Strategie der österreichischen Bundesregierung ist sehr klar: Auf Basis unserer gemeinsamen Haltung, ein AKW-freies Österreich zu haben, streben wir erstens die Schließung der Hochrisikoreaktoren in Europa an. Zweitens streben wir einheitliche europäische Sicherheitsstandards für die noch in Betrieb befindlichen AKWs an. Drittens streben wir selbstverständlich den Ausstieg aus dieser Atomenergienutzung in Gesamteuropa an.

Das ist unsere Strategie, meine Damen und Herren, die nicht nur die österreichischen Interessen abdeckt, sondern, wie ich meine, auch langfristig die richtige europäische Sicherheits- und Nachhaltigkeitsperspektive bietet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Strategie ist diesem Bericht zugrunde gelegt, den ich dem Sonderausschuss und dem Parlament zur Verfügung gestellt habe.

Ich möchte von dieser Stelle aus dafür danken, dass alle Klubs in diesem Parlament diesen Bericht als solide Grundlage begrüßt haben – ich betone: alle Klubs – und alle Klubs letztendlich auch im Sonderausschuss unter anderem auf Basis dieses Berichtes die Arbeit und die Diskussion durchgeführt haben.

Ich gehe daher davon aus, dass dieser Bericht letztendlich auch die gemeinsame Zukunftsstrategie aufzeigt und die gemeinsame Basis für weitere Schritte darstellt.

Ich möchte mich auch für die konstruktive Arbeit im Sonderausschuss bedanken. Ich möchte mich für die Arbeit der Experten bedanken, die intensiv mitgearbeitet haben. Ich möchte mich ausdrücklich bedanken, Frau Abgeordnete Glawischnig und Frau Abgeordnete Moser, für die sehr konstruktive Rolle, die Sie in diesem Ausschuss übernommen haben. Ich denke mir, Sie haben einen Beitrag dazu geleistet, dass nicht die Parteiinteressen, sondern die Sicherheitsinteressen Österreichs und Europas im Mittelpunkt gestanden sind.

Umso mehr bedauere ich – das sage ich sehr aufrichtig –, dass die SPÖ diesen Schritt zu diesem rot-weiß-roten Konsens nicht mitgehen konnte. Der eigentliche "proof of the pudding", der Testfall, Herr Abgeordneter Cap, welcher Teil Ihrer Rede nun stimmt, der erste Teil der Rede oder letzte Teil der Rede, wird bei der Abstimmung über diesen Entschließungsantrag gegeben sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. ) Ich appelliere an Sie, ich appelliere an die sozialdemokratische Fraktion: Gehen Sie den Weg dieses breiten Konsenses mit, weil er ein konstruktiver Konsens ist, ein sachlich orientierter, der letztendlich eine solide Basis für unsere Strategie auf europäischer Ebene und unsere Strategie gegenüber dem tschechischen Nachbarn darstellt.


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Ich möchte die wesentlichen Aspekte dieser Strategie aufzeigen, meine Damen und Herren, weil auch die Öffentlichkeit wissen muss, was nun die nächsten Schritte sind.

Was die europäische Ebene betrifft, so bin ich dankbar, dass in diesen Entschließungsantrag das Ersuchen an die österreichischen Europaparlamentarier, eine neuerliche Initiative hinsichtlich der Realisierung einer europaweiten Ausstiegskonferenz zu starten, aufgenommen wurde. Warum? – Weil es mir wichtig ist, dass diese Initiative gerade vom Europäischen Parlament ausgeht, jener europäischen Institution, wo letztendlich die demokratisch legitimierten Abgeordneten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten.

Ich halte es auch für richtig, dass das Europäische Parlament der Europäischen Kommission ein sehr klares Signal gibt, was das Parlament in dieser Frage denkt. Ich appelliere daher an alle Fraktionen, diesen Weg zu unterstützen.

Zweitens: Österreich wird wie schon bisher eine sehr klar ablehnende Haltung einnehmen, wenn es darum geht, zu versuchen, Atomenergie und Klimaschutz in Einklang zu bringen. In diesem Punkt lehne ich die Initiative der EU-Kommissarin de Palacio klar ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehe davon aus, dass in dieser Frage, so wie durch alle europäischen Umweltminister bisher, auch in Zukunft eine sehr klare Strategie verfolgt werden wird. Das Nachhaltigkeitsziel ist nur erreichbar, wenn wir erneuerbare und nachhaltig vertretbare Energieformen einsetzen – und nicht Atomenergie. Ich werde das daher auch bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit – das ist der informelle Umweltministerrat auf Ebene der Minister – sehr klar zur Sprache bringen.

Drittens: Loyola de Palacio hat unsere und meine Unterstützung, wenn es um die Schaffung europäischer Sicherheitsstandards geht. Ich hoffe, dass nach den Ankündigungen im Europäischen Parlament durch Frau Palacio nun auch rasch die entsprechenden Legislativvorschläge auf den Tisch kommen. Wir werden sie danach beurteilen, ob sie dem höchstmöglichen Sicherheitsstandard in Europa entsprechen.

Viertens: Ich unterstütze auch dezidiert die im Entschließungsantrag angesprochene Initiative, im EU-Konvent den EURATOM-Vertrag massiv zur Sprache zu bringen, mit einer sehr klaren Österreich-Strategie zu thematisieren, dass der EURATOM-Vertrag letztendlich in die europäischen Verträge integriert wird, die Zielsetzungen generell geändert werden und nicht der Ausbau, sondern die Sicherheit, die erneuerbaren Energien, die Energieeffizienz und der Ausstieg letztendlich das Ziel dieser Politik sein müssen.

Meine Damen und Herren! Wir sind fünftens auf europäischer Ebene absolut präzise in der Arbeit, was den Bericht der WPNS-Arbeitsgruppe betrifft.

Hier wird sehr klar festgehalten, dass der WPNS-Bericht ebenfalls die zwei massivsten Sicherheitsbedenken hinsichtlich der 28,8-Meter-Bühne und der Ventile bestätigt und fordert, dass selbstverständlich – daher haben wir auch diese zusätzliche Protokollanmerkung gemacht – die Umsetzung dieser Auflagen entsprechend erfolgen muss und auch beachtet wird.

Sechstens: Er besagt weiters, dass wir auf europäischer Ebene den erfolgreichen Abschluss der Brüsseler Verhandlungen, des Brüsseler Vertrages mit der Erweiterung und dem Beitritt Tschechiens auch in den Beitrittsakten verankern und damit EU-rechtlich verbindlich gestalten müssen.

Meine Damen und Herren! Die Arbeit im Sonderausschuss hat sehr klar zutage gebracht, wie richtig, wie wichtig und wie unverzichtbar dieser Brüsseler Vertrag letztendlich ist.

Dieser Sonderausschuss ist aber auch in Richtung Tschechische Republik zu klaren Erkenntnissen gekommen, die selbstverständlich die Leitlinie sein werden. Das Ziel der österreichischen Bemühungen, meine Damen und Herren, ist es, die Nullvariante umzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Der Bericht, den ich vorgelegt habe, sagt ebenfalls sehr klar aus, dass die Nullvariante ökonomisch und ökologisch die richtige Entscheidung für die Tschechische Republik ist. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das ist der eigentliche Auftrag, den wir haben:


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Wir müssen den Partnern in der Tschechischen Republik klarmachen, dass die kommerzielle Inbetriebnahme des AKW Temelín eine ökonomische und eine ökologische Fehlentscheidung ist und die Nullvariante auch im Interesse der Tschechischen Republik die richtige Entscheidung ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben festgehalten, dass im Falle der Ausstiegsbereitschaft der tschechischen Seite selbstverständlich auch von österreichischer Seite die Bereitschaft besteht, diesen Ausstieg machbar zu machen und zu unterstützen. Ich betone: Im Falle der Bereitschaft Tschechiens, auf diesen Weg einzugehen, sind wir dazu bereit! Wir werden daher alle Gesprächsebenen nutzen. Ich richte daher den Appell an das Parlament, die vorgesehene Parlamentarierdelegation rasch zusammenzustellen.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe eine Diskussion nicht, bei welcher danach gefragt wird, wer zuerst ist. Ich meine, dass alle ihre Arbeit tun müssen. Ich verstehe auch nicht, Herr Abgeordneter Cap, dass ein Parlamentarier die Rolle des österreichischen Parlaments letztendlich schwächer einschätzt, als die Rolle des österreichischen Parlaments ist und sein kann. (Abg. Dr. Cap: Sie bleiben untätig! Werden Sie tätig! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Bezug auf den Abgeordneten Dr. Cap –: Er will nichts arbeiten!)

Wissen Sie, wodurch Sie dieses österreichische Parlament in seinem Auftreten in Tschechien schwächen? – Dadurch, dass Sie diese Frage überhaupt stellen! Ich hätte mir erwartet, dass jemand, der für die Nullvariante eintritt, mit Feuer und Flamme für die parlamentarische Initiative eintritt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich appelliere daher auch in diesem Zusammenhang an Sie, Herr Abgeordneter Cap: Denken Sie als Abgeordneter, insbesondere als geschäftsführender Klubobmann darüber nach, welche Signale Sie damit setzen! Sie setzen doch damit das Signal, dass das österreichische Parlament nicht einheitlich und nicht geschlossen auftritt. (Abg. Ing. Westenthaler: Verheerend!) Das Gegenteil ist notwendig – in unserem und im europäischen Interesse! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden auf Basis dieser Entschließung selbstverständlich auch von Seiten der Regierung, sobald die tschechische Regierung konstituiert ist, der tschechischen Seite dieses Gesprächsangebot übermitteln. Wir gehen davon aus, dass auch die tschechische Seite dieses Gesprächs- und Dialogangebot umgehend annimmt. Aber wir werden dabei auch klarmachen, dass neben der Zielsetzung der Nullvariante Österreich selbstverständlich davon ausgeht, dass die Übereinkunft im Brüsseler Abkommen, die wichtiger denn je ist, auf Punkt und Beistrich eingehalten wird, und dass die "Roadmap", die wir mit der bisherigen tschechischen Regierung vereinbart haben, selbstverständlich gelten muss.

Wir bieten aber auch – so wie bisher – die Energiepartnerschaft an, weil wir der Meinung sind, dass in dieser Energiepartnerschaft auch eine langfristige gemeinsame Perspektive gegeben ist.

Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich durch die bisherigen Signale, die nach der tschechischen Wahl ausgesendet worden sind, durchaus nicht, würde ich sagen, in meinem Optimismus bestärkt worden bin. Ich appelliere daher an alle Fraktionen dieses Hohen Hauses, ihre politischen Kontakte zu nützen – insbesondere an die Sozialdemokratie, die mit dem neuen tschechischen Ministerpräsidenten, einem Sozialdemokraten, die Möglichkeit hat, diese Kontakte auch erfolgversprechend einzusetzen.

Die bisherigen Äußerungen von Ministerpräsident Vladimir Špidla haben noch nicht erkennen lassen, dass in einer oder beiden der von Klubobmann Khol angesprochenen Fragen schon die notwendige Dialogbereitschaft gegeben ist.

Wir fordern die Dialogbereitschaft ein! Wir sind zum Dialog bereit! Wir wollen Partner auf diesem Weg sein! Wir wollen mit der tschechischen Regierung partnerschaftlich bestehende Probleme lösen!

Meine Damen und Herren! Sie dürfen dessen sicher sein, dass die österreichische Bundesregierung alle Möglichkeiten auf europäischer Ebene und auch im Dialog mit dem tschechischen Nachbarn nützen wird, um im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung beider Länder und in Richtung einer Nachhaltigkeitsperspektive für Gesamteuropa weiterhin aktiv zu sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.35

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Die Herren Bundesminister auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Bundesminister Molterer! Ich habe Ihre Rede wirklich als geradezu resignativ empfunden. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Ein Zeichen der Hilflosigkeit! – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Es wurde klar die Schwäche der Oppositionspartei SPÖ aufgezeigt!) Eines möchte ich Ihnen schon sagen, und das muss klar sein: Wir fahren gerne nach Prag – das ist überhaupt keine Frage, und das haben wir auch im Ausschuss immer betont –, aber angesichts der Tatsache, dass es keinerlei Aktivitäten von Seiten der Bundesregierung gibt, herzugehen und zu sagen: Der Ausschuss soll nach Prag fahren und verhandeln, weil wir, die Bundesregierung, leider nichts zusammenbringen!, das kann es, bitte, wirklich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen eh nicht dabei sein!)

Weil Sie den Vertrag von Brüssel als epochales Machwerk gelobt haben, das ganz wunderbare Ergebnisse gebracht hat, frage ich Sie schon: Wo sind denn die Ergebnisse? Ungefähr sechs Monate sind seit dem Temelín-Volksbegehren vergangen, und es gibt noch immer keine Ergebnisse. Wo sind denn die positiven Ergebnisse? Block 2 des Atomkraftwerkes Temelín ist am Netz. Er ist zwar jetzt wegen technischer Probleme wieder sechs Wochen lang ausgeschaltet, aber offiziell im Testbetrieb. Es gab 33 Pannen bei Block 1, der offiziell Teil des tschechischen Stromversorgungssystems ist. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Wir sind aber nicht die Betreiber!)

Wo sind denn Ihre wunderbaren Erfolge und Ergebnisse des Brüsseler Vertrages? – Diese gibt es nicht, weil der Brüsseler Vertrag ein einziges Eingeständnis Ihrer eigenen Unfähigkeit ist! Diese Kritik kann ich Ihnen leider nicht ersparen. Die Fakten und die Ergebnisse in der Causa Temelín sprechen gegen Sie und gegen Ihre Aktivitäten! Ich bedauere, dies feststellen zu müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen sagen, dass mich persönlich das sehr trifft. Ich kämpfe seit Jahren gegen die verschiedensten Atomkraftwerke, und mich schmerzt es wirklich, zusehen zu müssen, wie Sie in den letzten Monaten eine Chance nach der anderen im Kampf gegen das AKW Temelín verspielt haben. (Abg. Ing. Fallent: Da haben Sie sich nicht durchgesetzt!)

Wir haben außer vagen Ankündigungen, dass es irgendwann einmal Verhandlungen mit der neuen tschechischen Regierung geben wird, nichts von Ihrer Seite gehört. Bitte, die tschechische Regierung steht seit gestern (Heiterkeit bei der ÖVP – Abg. Ing. Westenthaler: Seit gestern gibt es eine tschechische Regierung?), und ich möchte jetzt endlich konkrete Taten sehen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Seit gestern ist klar, wie die tschechische Regierung besetzt wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn es seit gestern eine tschechische Regierung gibt, warum ...?)

Kollege Westenthaler! Wir haben das im Ausschuss ausführlich diskutiert, und Sie wissen genau, dass wir einen konkreten Verhandlungsfahrplan von Ihnen wollten, doch nicht einmal das waren Sie in der Lage vorzulegen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein bla


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mabler Auftritt ist das heute! Das ist eine Blamage, was Sie da sagen! Sie blamieren sich, wenn Sie sagen, dass die tschechische Regierung seit gestern steht!)

Der Einzige, der uns bei Live-Übertragungen immer blamiert, sind Sie, Kollege Westenthaler, mit Ihren unmöglichen Zwischenrufen, denn Ihr Verhalten färbt auf uns alle ab. Die Fernsehzuschauer haben einen irrsinnig negativen Eindruck vom österreichischen Parlament, weil Sie immer so komische Zwischenrufe machen. Das ist doch unglaublich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich kann wirklich nur hoffen, dass es jetzt endlich zu konkreten Verhandlungen und zu konkreten Gesprächen mit der tschechischen Regierung kommt und dass es nicht bei den Absichtserklärungen bleibt, die Sie in den letzten Monaten immer wieder geäußert haben.

Herr Kollege Schweitzer! Auf Ihre Rede möchte ich auch eingehen: Sie haben gefragt, warum wir uns dieser Linie nicht anschließen können. Ich werde Ihnen das jetzt noch einmal erklären, obwohl ich es Ihnen schon des Öfteren erklärt habe. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen nicht dabei sein!)

Wir glauben nicht, dass ein Veto ein geeignetes Mittel gegen Temelín ist, denn ein Veto bedeutet schlicht und ergreifend, dass Tschechien der EU nicht beitritt (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben es selber gefordert!), Temelín aber trotzdem am Netz sein wird. Genau das ist das Problem, vor dem wir stehen! Das habe ich Ihnen schon des Öfteren erklärt, aber ich erkläre es Ihnen gerne noch ein paar Mal.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, waren wir wirklich bereit, einen Vier-Parteien-Konsens zu finden (Abg. Mag. Schweitzer  – einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend, der die Überschrift trägt: "Kein EU-Beitritt mit AKW Temelin", und der illustriert ist mit einem Foto, auf welchem der ehemalige Bundeskanzler Mag. Klima und Abg. Mag. Sima abgebildet sind –: Ulli Sima, schau einmal! Wer ist denn das? Wer ist denn da neben Klima?), aber es hat vier entscheidende, sehr zentrale und für uns wichtige Punkte gegeben, an denen sich zu beteiligen die Bundesregierung leider nicht bereit war.

Einer dieser wichtigen Punkte war – und das habe ich vorhin schon angesprochen – ein ganz klarer Verhandlungsfahrplan der Regierung, den wir gerne von Ihnen auf den Tisch gelegt bekommen hätten. Dieser sollte Antwort geben auf die Fragen: Wann wollen Sie verhandeln? Mit wem wollen Sie verhandeln? Was wollen Sie in diesen Verhandlungen überhaupt anbieten? – Das sind lauter offene Fragen! (Abg. Mag. Schweitzer  – weiterhin den erwähnten Zeitungsartikel vorzeigend –: Wer ist denn das neben Klima?)

Herr Kollege Schweitzer! Ich habe es Ihnen erklärt, ich kann es Ihnen nachher gerne noch einmal erklären, falls Sie es noch immer nicht verstanden haben. – Manche brauchen eben ein bisschen länger. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wichtiger Punkt war für uns also ein konkreter Verhandlungsfahrplan. (Abg. Mag. Schweitzer  – abermals den erwähnten Zeitungsartikel vorzeigend –: Wer ist denn das?) – Schauen Sie, wenn ich auf einem Foto abgebildet bin, dann heißt das noch lange nicht, dass ich für ein Veto bin. Das werden sogar Sie verstehen, Herr Kollege Schweitzer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Ihnen unangenehm!)

Ein zweiter wichtiger Punkt, den Sie leider nicht in den Antrag aufnehmen wollten, den ich aber für einen zentralen Ansatzpunkt im Kampf gegen das AKW Temelín halte, ist das Thema "Ausstiegskonferenz". Wie Sie wissen, hat es einen Beschluss des EU-Parlaments gegeben, eine solche Ausstiegskonferenz abzuhalten, aber leider ist das von der österreichischen Regierung nicht aufgegriffen worden. Man hat einen Brief nach Brüssel und einen Brief nach Prag geschrieben, und nach der Absage hat man dann gesagt: Es tut uns Leid, die wollen keine Ausstiegskonferenz!

Meine Damen und Herren! Das ist uns zu wenig! Wir glauben, dass es da einen neuen Anlauf geben muss, weil wir der Meinung sind, dass das sehr wichtig ist. In Ihrem Antrag steht diesbe


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züglich nur drinnen, dass sich die EU-Parlamentarier dafür einsetzen sollen. Das ist uns zu wenig. Wir wollen da eine wirkliche Initiative der Bundesregierung, einen wirklichen Vorstoß, weil wir meinen, dass das eines der wenigen Mittel ist, die wir im Kampf gegen Temelín noch in der Hand haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der dritte Punkt betrifft eine Gegenoffensive auf EU-Ebene. Wie Sie wissen, gibt es Vorstöße von Seiten der EU-Kommission. Die EU-Kommissarin Loyola de Palacio will ja die Atomenergie wieder salonfähig machen und als Mittel im Kampf gegen den Klimaschutz einsetzen. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Minister Molterer, war es uns sehr wichtig, dass dieses Thema noch vor dem großen Umweltgipfel in Johannesburg auf Ministerratsebene thematisiert wird. Das ist uns wichtig, und wir wollten eben in einer entsprechenden Formulierung festgehalten haben, dass diese Frage nicht nur, soweit es einen Termin gibt oder soweit dies terminlich möglich ist, sondern unbedingt noch vor dieser Umweltkonferenz behandelt wird, denn sonst besteht die Gefahr, dass auf dieser internationalen Umweltkonferenz das als EU-Linie vertreten wird, was wir absolut nicht wollen und was wir immer bekämpft haben.

Der vierte für uns sehr wichtige Punkt – auch dieser ist heute schon des Öfteren angesprochen worden – ist der ganze Veto-Bereich. In Ihrem Antrag versuchen Sie, sich über diesen heiklen Punkt hinwegzuschwindeln. Das Wort "Veto" kommt darin überhaupt nicht vor. Trotzdem gibt es einen massiven Dissens zwischen den beiden Regierungsparteien.

Gerade diese Strategie, nämlich dass Sie im Ausschuss über dieses Thema nicht reden, aber in der Öffentlichkeit dann Presseerklärungen abgeben – die Frau Vizekanzlerin und ihre Regierungsmitglieder, Sie selbst und Ihr Klubobmann – und mit der Veto-Keule drohen, führt dazu, dass das Verhandlungsklima zwischen Österreich und Tschechien so gestört ist, dass man mit uns nicht reden will, dass wir wahnsinnig viele Nachteile dadurch haben, und es führte auch dazu, dass Sie im Kampf gegen das AKW Temelín nichts erreichen konnten. Einer der Gründe dafür ist dieses Doppelspiel, dass Sie in Wirklichkeit seit Monaten betreiben! – Wir sind nicht mehr bereit, uns an diesem Doppelspiel zu beteiligen. Da machen wir einfach nicht mehr mit! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre kontraproduktiven Veto-Drohungen bringen im Kampf gegen das AKW Temelín überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: Sie schaden massiv! Wenn Ihnen die Causa Temelín wirklich ein Anliegen ist, dann verzichten Sie – diesen Appell möchte ich an Sie richten – endlich auf diese Veto-Drohungen und kommen Sie zurück in den Anti-Atom-Konsens! (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Sie sind ausgeschert!)

Eines muss ich Ihnen schon sagen: Es gibt in diesem Parlament drei Parteien, die kein Veto wollen – und ich glaube, auch Sie gehören zu denjenigen, Frau Baumgartner-Gabitzer, die ein Veto ablehnen. Oder wollen Sie ein Veto? (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Sie sind aus dem Konsens ausgeschert!) – Es gibt drei Parteien hier im Hohen Hause, die kein Veto wollen, und eine Partei, nämlich die Ihre, hält ein Veto für ein gutes Instrument. Warum, das verstehe ich nicht, denn die Bilanz des letzten Jahres ist wirklich ernüchternd.

Ich möchte Sie wirklich herzlich einladen: Kehren Sie zurück in den alten Anti-Atom-Konsens, den wir in diesem Hohen Haus immer gehabt haben (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ein Dreiparteienantrag, und Sie sind nicht dabei!), und hören Sie auf, das Verhandlungsklima mit der "Veto-Keule" nachhaltig zu zerstören, denn das bringt im Kampf gegen das AKW Temelín überhaupt nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund möchte ich folgenden Antrag zum Tagesordnungspunkt 2 betreffend den Antrag 384/A (E) einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig und KollegInnen betreffend dringend notwendige Initiativen der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der Anti-Atom-Politik Österreichs

*****


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Ich habe den Antrag in meiner Rede in seinen Kernpunkten erläutert und ersuche Sie im Sinne eines gemeinsamen Kampfes gegen das AKW Temelín um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Initiativen der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der Anti-Atom-Politik schriftlich überreicht wurde und auch genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

In Hinblick auf den Umfang dieses Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Er wird darüber hinaus dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig und KollegInnen betreffend dringend notwendige Initiativen der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der Anti-Atom-Politik Österreichs zum Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 384/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Fallent, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich des Kernkraftwerks Temelín (1251 der Beilagen)

Ausgehend von den Ergebnissen des Sonderausschusses zur Vorbereitung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin", der Tatsache, dass nunmehr eine neue tschechische Regierung als Ansprechpartner zur Verfügung steht, den Ergebnissen des EU-Ratsgipfels von Sevilla und der WPNS-Arbeitsgruppe sowie den Aussagen der für Energiefragen zuständigen EU-Kommissarin Loyola de Palacio zum EU-Grünbuch für die Energiepolitik Europas und zur Festlegung von Atomsicherheitsstandards sind eine Reihe von dringenden Initiativen der österreichischen Bundesregierung zu setzen.

Auf europäischer Ebene sind jetzt raschestmöglich Schritte in Österreich erforderlich, um den drohenden Pro-Atomkurs der Europäischen Union, insbesondere bei der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, zu vermeiden. Der europaweite Ausstieg aus der Kernenergie muss weiter vorangetrieben werden. Nur dann wird es möglich sein, die Schließung von Temelín durchzusetzen.

Auf bilateraler Ebene sind jetzt dringend Gespräche mit der neuen tschechischen Regierung über Temelín erforderlich. Diese können rechtswirksam nur auf Regierungsebene geführt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird ersucht, die dänische Präsidentschaft aufzurufen, eine Sondertagung "Möglichkeiten des europaweiten Ausstiegs aus der Kernenergie" durchzuführen. Als Tagungsort dafür ist Österreich anzubieten.

2. Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, an die dänische Präsidentschaft heranzutreten, noch vor der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg sowohl den Umweltministerrat als auch den Energieministerrat mit der Stellungnahme von Loyola de Palacio und dem Abschlussbericht über das Grünbuch "Hin zu einer europäischen Strategie für


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Energieversorgung" zu befassen und dabei darauf zu drängen, dass – wie bisher von der Europäischen Union verfolgt – die Atomenergie nicht bei der Erreichung des Kyoto-Ziels Berücksichtigung findet.

3. Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, aufbauend auf den Aussagen der Energiekommissarin Loyola de Palacio auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass raschestmöglich EU-weite einheitliche Sicherheitsstandards auf einem hohen Niveau (anzustreben ist das der Deutschen Bundesrepublik) für Atomkraftwerke der Mitgliedsstaaten und der Beitrittsstaaten festgelegt werden und eine europäische Kontrollinstitution auf Gemeinschaftsebene zur Einhaltung dieser Standards geschaffen wird. Als Standort für diese Organisation ist Wien vorzuschlagen.

4. Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Institutionreform für eine raschestmögliche Integration des EURATOM-Vertrags in den EU-Vertrag einzutreten. Die finanziellen Mittel der Europäischen Union sind lediglich für den Einstieg in den Ausstieg aus der Atomkraft (d.h. Elimination aller Förderziele) unter Berücksichtigung der Schutzziele einzusetzen, nicht aber zur Lebenszeitverlängerung der Atomkraftwerke. Dies heißt insbesondere keine Kreditvergabe für den Neubau west/osteuropäischer Atomkraftwerke. Die freiwerdenden finanziellen Mittel sind für die raschestmögliche Verwirklichung der Ziele des EU-Weißbuchs und somit für Energieeinsparung und zur Förderung erneuerbarer Energieträger zu verwenden.

5. Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, mit der neuen tschechischen Regierung sofort einen konkreten Verhandlungsfahrplan für die Verhandlungen rund um das Atomkraftwerk Temelín festzulegen. Dabei ist das Ziel zu verfolgen, das Atomkraftwerk Temelín zu schließen.

Im Detail ist festzuhalten:

dass die tschechische Regierung sich unabhängig von den Ergebnissen des WPNS-Report weiterhin sich zum "Melker Prozess" bekennt und die dort festgehaltenen Sicherheitsauflagen raschestmöglich erfüllt;

dass die Ergebnisse des "Melker Prozesses" in den EU-Beitrittsvertrag einfließen und damit vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar werden;

dass unter Mithilfe der Europäischen Union ein Angebot für die sofortige Schließung von Temelín unterbreitet wird. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass Dumpingexporte von tschechischem Atomstrom in die Europäischen Union nicht möglich sind;

dass die Republik Tschechien – wie es auch von allen anderen Beitrittsstaaten zu fordern ist – mittelfristig den Ausstieg aus der Atomkraft vorantreibt. Zu diesem Zweck ist österreichisches Know-how und Zusammenarbeit in Form einer Energiepartnerschaft anzubieten.

Die Bundesregierung wird darüber hinaus ersucht, in ihrem Verantwortungsbereich dafür zu sorgen, dass im Zeitraum bis zum Abschluss der Verhandlungen mit der Tschechischen Republik keinerlei die Verhandlungen belastenden Äusserungen zur Verhinderung des Beitritts der Tschechischen Republik zu Europäischen Union mehr getätigt werden.

6. Der Nationalrat

bekräftigt ferner die Bereitschaft, konkrete Schritte zum Ausstieg aus der Kernenergie zu unterstützen, insbesondere für die von Österreich im Rahmen der Energiepartnerschaft angestrebte Nullvariante für das Kernkraftwerk Temelín. Sofern die tschechische Regierung hierzu Bereitschaft zeigt, wird Österreich umgehend auch in Sondierungsgesprächen mit der EU eine finanzielle Beteiligung an einem konkreten Ausstiegsangebot anstreben. Dies ist in Folge im Rahmen einer Ausstiegskonferenz zu konkretisieren;

wird mit Nachdruck auf die mehrfach belegte Unrentabilität in volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Temelín zu verweisen, wobei


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mit dem Ziel einer Realisierung der "Nullvariante" für das Kernkraftwerk Temelín die österreichische Regierung umgehend mit der neuen tschechischen Regierung in Gespräche über Alternativen zur kommerziellen Inbetriebnahme der Anlage eintreten und – auch im Zusammenhang mit der Forderung einer klaren europäischen Stromkennzeichnung – auf EU-Ebene die Frage von Dumping-Exporten für tschechischen Atomstrom weiter thematisieren sollte;

bekundet seine Absicht, nach Aufnahme von Gesprächen auf Ebene der Regierungen gemäß einem konkreten Verhandlungsfahrplan und der Vorlage von Ergebnissen diesbezüglich erneut auf parlamentarischer Ebene durch die Entsendung einer Delegation zu Gesprächen mit Vertretern des neu gewählten tschechischen Parlaments aktiv zu werden.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fallent. Die Redezeit beträgt ebenfalls 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.44

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Rede eine Sache klarstellen: Mir liegt ein Zeitungsartikel vor, der illustriert ist mit einem Foto, auf welchem ich eindeutig Ex-Bundeskanzler Klima und die Umweltschützerin Ulli Sima sehe. Er trägt die Überschrift: "Kanzler Klima verspricht den ‚Müttern gegen Atomgefahr‘: Kein EU-Beitritt mit AKW Temelin." Das Foto ist mit folgendem Untertitel versehen: "Unterstützt wurde Klima in Wullowitz von der in die Politik eingestiegenen Umweltschützerin Ulli Sima". (Der Redner zeigt den Artikel vor.) – Das sind Sie wohl, Frau Abgeordnete Sima! Das haben Sie wohl vergessen. Ich glaube, dass das eine ganz klare Position und Stellungnahme ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten: Uns vorzuwerfen, dass es uns noch nicht gelungen ist, mit der nach Ihrer Aussage seit gestern im Amt befindlichen, aber tatsächlich noch nicht angelobten Regierung in Kontakt zu treten und Gespräche zu führen, ist lächerlich. Das begreift jeder Österreicher, jede Österreicherin.

Ich möchte mich aber damit beschäftigen, was in der Vergangenheit passiert ist, und möchte im Besonderen drei Persönlichkeiten Dank aussprechen: Landesrat Achatz, Ernest Windholz und Hilmar Kabas, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, die die Sorgen und Wünsche der österreichischen Bevölkerung ernst genommen haben (Beifall bei den Freiheitlichen), die ein Volksbegehren initiiert haben und letztendlich den Grundstein dafür gelegt haben, aus der Atomenergie auszusteigen, ein Bewusstsein in diese Richtung zu bilden, um Mehrheiten für diese Initiative zu finden. Landesrat Achatz hat mich, da er bei dieser Sitzung des Nationalrats kein Rederecht hat, gebeten, hier Auszüge aus seiner Erklärung wiederzugeben.

Landesrat Achatz sagt, es gehe darum, alle rechtlichen und politischen Mittel auszuschöpfen, um den Atom-Meiler Temelín zu verhindern, und nicht darum, die Osterweiterung zu verhindern. Er sagt weiters: Wir treten dafür ein, dass es eine vernünftige, sozial- und arbeitsmarktverträgliche Osterweiterung gibt, bei der nicht die Geschwindigkeit, sondern die Qualität Vorrang beziehungsweise Priorität hat. Wir sagen aber ganz klar Nein zum Atomkraftwerk Temelín. (Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Das ist das, was Hans Achatz zum Ausdruck bringt, und ich bin stolz darauf, Freiheitlicher der Landesgruppe Oberösterreich sein zu dürfen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Die Chronologie der Unvernunft und der Irrtümer entlarvt Sie. Kreisky hat Zwentendorf gebaut – ein fataler Irrtum, ein fataler Akt der Unvernunft, wie sich später herausgestellt hat. Präsident Fischers Aufsatz "Warum ich für Zwentendorf bin" hat sich als fataler Irrtum herausgestellt. Die Sozialdemokratie hat – ich erwähne das, weil Sie uns in den letzten Monaten Untätigkeit und Säumigkeit vorgeworfen haben – 15 Jahre lang beim Bau des AKW Temelín zugeschaut und nichts dagegen unternommen, obwohl es sozialistische Freunde in Tschechien sind, die dieses Kraftwerk errichtet haben.


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In Finnland hat eine rot-grüne Regierung vor einigen Monaten den Bau eines neuen Atomkraftwerkes beschlossen. (Abg. Mag. Lunacek: Ohne die Grünen!) Richtig, ich weiß es schon! – Wenn Sie jetzt sagen, dies geschah ohne die Grünen, dann frage ich Sie: Warum sind sie dann jetzt noch immer in der Regierung, wenn sie das nicht mittragen konnten? Warum sind sie nicht aus dieser Regierung gegangen, wenn sie das nicht mittragen konnten? Das ist scheinheilig, was sie betreiben, denn es geht ihnen darum, Minister zu stellen und in dieser Regierung zu bleiben, und nicht darum, für die Sache einzutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland beschließt eine rot-grüne Regierung nicht ein Ausstiegsszenario auf 32 Jahre, nein, es beschließt eine Bestandsgarantie der deutschen Atomkraftwerke auf 32 Jahre.

In England setzt eine sozialistische Regierung auf Atomenergie und betreibt nach wie vor hochriskante und längst veraltete Reaktoren.

In Frankreich sorgen Sozialisten und Konservative dafür, dass Atomenergie in Europa Zukunft hat.

Der sozialistische Ministerpräsident Tschechiens Špidla sieht keine Veranlassung, zu diskutieren, sieht keine Veranlassung, den unverantwortlichen Kurs von Zeman zu beenden und eine neue Richtung einzuschlagen. Er bezeichnet sogar im Zusammenhang mit den Beneš-Dekreten die Vertreibung der Sudetendeutschen als Quelle des Friedens. Das ist Ausdruck einer Gesinnung, die in Europa keinen Platz hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Deswegen treten wir massiv dafür ein, dass es mit diesen Beneš-Dekreten nicht so weit kommen darf.

Meine sehr gehrten Damen und Herren! Die EU-Kommissarin Loyola de Palacio spricht davon, dass Kernkraftwerke einen positiven Beitrag zum Erreichen des Kyoto-Ziels darstellen würden.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Fehleinschätzung, denn neben dem CO2, das hier zwar nicht direkt freigesetzt wird, aber in der Produktion des Urans freigesetzt wird, ist es der Wasserdampf, der sehr stark klimarelevant ist und der auch für den Treibhauseffekt verantwortlich ist.

In der letzten Sitzung – das ist der Gipfel der Chronologie der Unvernunft und der Irrtümer – verließ die SPÖ den gemeinsamen Anti-Atomweg in Österreich – einen guten Weg. (Abg. Parnigoni: Ihr Schauspiel werden wir nicht unterstützen!) Sie brauchen es nicht zu unterstützen. Sie haben diesen Anti-Atomweg noch nie unterstützt!

Der vorliegende Entschließungsantrag bringt all das zum Ausdruck, was Sinn macht. Sowohl der Bundesminister als auch meine Vorredner, sie alle haben zum Ausdruck gebracht, dass wir etwas weitergebracht haben und in Europa sowie in Österreich eine Diskussion ausgelöst haben, die Sinn macht und die in die richtige Richtung weist.

Es wird eine Parlamentarierdelegation nach Prag fahren, und wenn Sie nicht mitfahren wollen, dann ist das Ihre Sache. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die österreichischen Interessen vertreten werden. Wir werden dafür sorgen, dass es im Rahmen des umgestalteten EURATOM-Vertrages eine finanzielle Unterstützung für den Ausstieg aus der Atomenergie gibt. Wir werden Energiepartnerschaften, den Know-how-Transfer und den Umstieg auf erneuerbare Energieträger mit unterstützen.

Wir werden gemeinsame Information und Bewusstseinsbildung betreiben. Schlussendlich werden wir, wenn alles gut geht, die tatsächliche Schließung des Energiekapitels vorschlagen und vorsehen. Dagegen haben wir nichts einzuwenden, weil es uns darum geht, dass das AKW Temelín stillgelegt wird, und nicht darum, dass Tschechien nicht der Europäischen Union beitreten darf.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich Ihnen schon sagen: Wir haben die völkerrechtliche Verpflichtung, alle demokratischen Mittel zum Schutz der österreichischen Bevölkerung einzusetzen. Das Einstimmigkeitsprinzip dient diesem Schutz nationaler Interessen im Besonderen – passen Sie jetzt auf! – für die kleinen Mitgliedstaaten! Das heißt, dass alle, die nicht bereit sind, in letzter Konsequenz sämtliche Rechte, die die Europäische Union den Mitgliedstaaten gegeben hat, zu nutzen, die Einstimmigkeit vor nationale Interessen stellen und somit der Intention der Einstimmigkeit nicht gerecht werden. Deswegen sagen wir: Wir stehen dazu, dass wir in dieser Lebensfrage kein demokratisches Recht und kein demokratisches Mittel im Vorfeld aufgeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In vielen Gesprächen, die ich in der letzten Zeit geführt habe, haben Frauen, Männer und Kinder zum Ausdruck gebracht, dass sie in dieser Frage – und mir geht es ähnlich – die klare Positionierung und die öffentliche Unterstützung des Bundespräsidenten vermissen. Mit Sorge stellen sie und auch ich fest, dass unserem Bundespräsidenten offensichtlich die tschechischen und die europäischen Anliegen mehr am Herzen liegen als die berechtigten Sorgen und Ängste der österreichischen Bevölkerung.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Höflich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass man nicht nur für das, was man tut, verantwortlich ist, sondern auch für das, was man nicht tut.

Ich ersuche Sie daher, sehr geehrter Herr Bundespräsident, kraft Ihres Amtes alles zu tun, um sich für die Schließung des Kernkraftwerkes Temelín einzusetzen.

Die Schlussfolgerungen aus meinem Referat und aus dem Vorhergegangenen sind: Die Stilllegung des AKW Temelín ist unser Ziel! Die Nullvariante ist anzustreben! Der gänzliche Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie in Europa ist die richtige Richtung! In der Übergangsphase sind die Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards parallel zum Umstieg auf erneuerbare Energieträger und die Umgestaltung des EURATOM-Vertrages anzustreben, und auf europäischer sowie auf tschechischer Ebene haben wir Werbung für unsere Anliegen zu betreiben.

Abschließend ist aber festzuhalten, dass das nur gemeinsam möglich ist, wenn wir geschlossen dafür eintreten. Doch die SPÖ betreibt Fundamentalopposition, sie begibt sich in das Boot Špidlas, Palacios, Verheugens, Englands, Frankreichs, Deutschlands und Finnlands. Dieses Boot hat den Kurs der Verantwortungslosigkeit, der Ignoranz und der Dialogverweigerung eingeschlagen und gefährdet die Zukunft der österreichischen Bevölkerung gegenwärtiger und kommender Generationen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dialogverweigerung ist nicht das Instrument der Europäischen Union. Ich appelliere an Sie: Geben wir unseren Kindern Chancen mit auf den Weg! Eine Politik mit Vernunft, Herz und Verstand wird diesen Weg sichern. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Mag. Lunacek zu Wort gemeldet.

Bitte, Frau Abgeordnete, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser den berichtigten Sachverhalt gegenüber.

11.54

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Umweltsprecher der Freiheitlichen, Herr Fallent, hat behauptet, dass die Grünen noch in der finnischen Regierung seien.

Ich berichtige tatsächlich: Die finnischen grünen Regierungsmitglieder haben schon im Februar bei der Regierungsentscheidung im Ministerrat gegen – das ist dort möglich – den Neubau von AKWs gestimmt. Die Grünen haben dann im Mai auch im Parlament dagegen gestimmt – im Gegensatz zu den Konservativen, den Partnern der ÖVP, und auch im Gegensatz zu den So


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zialdemokraten, den Partnern der SPÖ. Die Grünen haben dann aus diesem sehr bedauerlichen und falschen Beschluss des finnischen Parlaments die Konsequenz gezogen und haben die finnische Regierung verlassen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Die deutschen Grünen aber noch nicht! – Abg. Mag. Lunacek  – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Dort gibt es einen Ausstieg!)

11.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort gemeldet. Ich ersuche um Beachtung des § 58 der Geschäftsordnung. – Bitte.

11.55

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Fallent hat in seiner Rede gesagt, Kreisky – damals Bundeskanzler – sei für den Bau von Zwentendorf verantwortlich gewesen.

Ich berichtige tatsächlich: Der Beschluss für den Bau von Zwentendorf ist in der Alleinregierung der ÖVP unter Bundeskanzler Klaus gefallen. Das damalige Regierungsmitglied Koren hat den so genannten Koren-Plan veröffentlicht. Die Überschrift lautete: Wasserkraft vorbei, die Zukunft ist das Atomkraftwerk. – Der Präsident des Aufsichtsrates der damaligen Errichtungsgesellschaft war der niederösterreichische Landeshauptmann Maurer, der, soweit mir bekannt ist, auch ein ÖVP-Funktionär war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Also Kreisky hat damit nichts zu tun gehabt! Das ist ein seltsames Geschichtsbild: Kreisky hat dafür nichts können!)

11.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.56

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Konsequente Anti-Atom-Politik, konsequente Sicherheitspolitik und konsequente Energiepolitik tragen eindeutig eine Farbe, und diese Farbe ist grün, und zwar europaweit! (Beifall bei den Grünen.)

Diese konsequente Anti-Atom-Politik, die allein die Basis für eine Sicherheitspolitik ist, die wirklich das Überleben von Generationen garantiert, hat einen Leidensweg hinter sich, der mit verschiedenen Daten markiert ist. Positiv war das Jahr 1978, als in Österreich durch die Bevölkerung eindeutig gegen die Verwendung von Atomenergie entschieden worden ist. Dieser Entscheid ist für uns auch heute noch Auftrag.

Weil dieser Entscheid für uns auch heute noch Auftrag ist, gehen wir den Weg auch mit – mag er noch so steinig sein –, der darin besteht, gemeinsam gegenüber AKW-betreibenden Nachbarn immer konstruktiv, offensiv und mit Angeboten in Richtung einer neuen Energiepolitik zu gehen. Darum geht es uns! (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Weg und diese Vorgangsweise unterscheidet uns von verschiedenen anderen Proponenten, die sich heute zu Wort gemeldet haben. Wir haben immer darauf gedrängt – und ich erinnere da nur etwa an das Jahr 1997 –, dass es nach Möglichkeit Vier-Parteien-Konsense gibt, weil wir der Meinung waren, dass wir dann glaubwürdiger sind. Diese Glaubwürdigkeit haben wir immer dadurch dokumentiert, dass stets die konstruktiven, die konsequenten und die machbaren Vorschläge die grüne Handschrift trugen. Das ist auch bei diesem Antrag der Fall.

Ich danke Bundesminister Molterer dafür, dass er einigermaßen auf unsere Vorschläge eingegangen ist, aber sein Dank sollte in erster Linie den wirklich sehr mutigen, konsequent und fleißig arbeitenden Menschen bei den Anti-Atom-Initiativen, bei den Plattformen gegen das AKW Temelín und so weiter gelten. Sein Dank gebührt vor allem diesen Menschen, und für diese Menschen erheben wir hier noch einmal die Stimme, weil sie eine Stimme brauchen. (Beifall bei den Grünen.)


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Diese Menschen dürfen in diesem ihrem Widerstand auch nicht allein gelassen werden. Ein Schritt im Rahmen dieses Widerstands ist das, was wir jetzt vorhaben. Die Situation, in der wir uns gegenüber Tschechien befinden, ist jetzt nämlich eine etwas andere, denn dort hat es Wahlen gegeben. Es wird dort eine neue Regierung geben, und damit werden wir vielleicht neue Verhandlungspartner auch auf zweiter Ebene haben. Vor diesem Hintergrund wollen wir jetzt einen Neubeginn.

Wir wissen, dass dieser Neubeginn leider das Ergebnis von jahrzehntelangen Versäumnissen ist, von Versäumnissen, die Sie zu verantworten haben. Ich kann ganz konkret sagen, dass es immer Wirtschaftsminister, Außenminister und später Bundeskanzler Schüssel war, der sich nicht konsequent und mit Leidenschaft, wie sie heute Herr Klubobmann Khol eingefordert hat, der sie aber leider selber nicht an den Tag gelegt hat, für eine Anti-AKW-Politik eingesetzt hat. Schüssel war nie und ist kein leidenschaftlicher Anti-AKW-Politiker, und deswegen gibt es laufend Versäumnisse. (Beifall bei den Grünen.)

Angesichts dieser Versäumnisse müssen stets wir in die Bresche springen, damit doch noch etwas vorangeht und etwas Konstruktives geschieht. Ich darf nur an das Versäumnis im Zusammenhang mit der Verlängerung des Betriebs von Bohunice erinnern. Da waren auch Sie dabei, die ÖVP-Mitglieder, die Sie damals schon in der Regierung waren. Nächstes Versäumnis: Mochovce. Der Widerstand gegen Mochovce ist gescheitert – SP-Regierung, Koalitionspartner ÖVP, Außenminister Schüssel!

Nächstes Versäumnis: Inbetriebnahme von Temelín – das geschah ebenfalls in einer Regierung, in der Sie maßgeblich vertreten waren. Block 1 in Betrieb, Block 2 in Betrieb – Bundeskanzler Schüssel! (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Er ist aber nicht tschechischer Bundeskanzler! Das verwechseln Sie! Er ist österreichischer Bundeskanzler!) Bundeskanzler Schüssel war auch nie im Sonderausschuss, er hielt sich davon fern. Er übernimmt keine Verantwortung, er mischt sich nicht ein, er überlässt das Herrn Minister Molterer und den Parlamentariern. Vor allem jetzt dürfen wieder einmal die Parlamentarier vorpreschen.

Ich war ja schon in Prag, ich kann Ihnen gerne erzählen, wie das ablaufen wird. Ich war dort, nicht weil Kollege Schweitzer die Initiative ergriffen hat, wie er historienverfälschend hier behauptet hat, sondern weil Kollege Ellmauer einen konstruktiven Vorschlag gemacht hat. Nachdem eine Delegation des Oberösterreichischen Landtages hier im Parlament war und unser oberösterreichischer Klubobmann Rudolf Anschober darauf gedrängt hat, dass es eine Oberösterreich-Initiative in Wien gibt, hat Kollege Ellmauer gesagt: Fahren wir doch nach Prag! Das ist die historische Wahrheit.

Unsere Erfahrungen dort waren, dass wir einer auf Atompolitik eingeschworenen Gruppe von tschechischen Abgeordneten gegenübersaßen, die in keiner Weise auf unsere Argumente eingingen. Es kann sein, dass sich das in der Zwischenzeit geändert hat, aber ich warne Sie davor, zu viel Hoffnung auf parlamentarische Verhandlungen zu setzen. Ich weiß, es ist ein Mosaikstein, und deswegen sind wir auch nicht dagegen, nur ich warne Sie: Wesentlicher sind konzeptive Ausstiegsangebote, mit denen Nägel mit Köpfen gemacht werden, die ein Bereithalten von finanziellen Mitteln vorsehen.

Es war bitte unser Drängen in stundenlangen Verhandlungen, dass Sie nun endlich in diesen heutigen Antrag die finanziellen Ausstiegsangebote mit hineinnehmen. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit: Wenn man bei Verhandlungen etwas bewirken will, braucht man auch gewisse Angebote. Es gibt diese Instrumente, es gibt ja die europäischen Banken, es gibt ja den ERP-Fonds, es gibt die europäische Bank auf EU-Ebene. Es gibt auch die Möglichkeit, noch auf anderen internationalen Ebenen Kredite zu bekommen. Die EU gibt Kredite, Kredite im Zusammenhang mit der Stilllegung von Ignalina, Kosloduj und so weiter. Warum soll es also keine für Temelín geben? – Teilweise, weil Sie zu wenig offensiv vorgehen. Darum auch unser Drängen, dass endlich finanzielle Ausstiegsangebote auf den Tisch gelegt werden. Das ist grüne Handschrift, das ist grüner Erfolg, und deswegen sind wir heute dafür.


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Noch etwas zu den Ausschussberatungen. Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer! Sie waren lange Zeit hindurch immer wieder bei den Beratungen dabei, und Sie haben vielleicht genauso wie ich unter diesen ständigen Zwischenrufen eines Herrn gelitten, der hier, ich glaube, auf Platz Nummer 4 sitzt. Ich will gar keinen Namen mehr nennen, weil es oft so untergriffig ist. Diese ständigen unangenehmen Zwischenrufe, diese ständigen desavouierenden, destruktiven Bemerkungen haben das Klima im Ausschuss massiv verschlechtert und uns die Verhandlungen fast als Mühlstein erscheinen lassen. Wir danken auch den ExpertInnen, die sich wie wir dieser zeitweisen Tortur, diesem politischen Hickhack unterzogen haben, das von dieser Seite (in Richtung Freiheitliche) kam. (Abg. Ing. Fallent: Das ist ja eine Unwahrheit! Das ist ungeheuerlich, was Sie hier behaupten!) Das möchte ich noch einmal deutlich klarstellen; es gibt ohnehin Protokolle, in denen Sie das jederzeit nachlesen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Fallent: Gott sei Dank gibt es Protokolle!)

Eben, ich habe es sogar hier, Herr Fallent. Lesen Sie das Protokoll! Einen Abschnitt darf ich Ihnen besonders ans Herz legen, um zu dokumentieren, welche Versäumnisse Sie in Kauf nahmen. Herr Minister Molterer, Sie haben heute darauf hingewiesen, dass es das "Melker Protokoll" gibt. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass das Energiekapitel schon geschlossen ist. Wir haben immer gesagt: Ein Fehler war das "Melker Protokoll" in dieser Unverbindlichkeit, und ein Fehler war auch das Abschließen des Energiekapitels.

Gerade Ihr Experte, der Experte der Freiheitlichen, der ordentliche Universitätsprofessor Dr. Böhm, hat deutlich in diesem Ausschuss gesagt, dass die Wiedereröffnung eines vorläufig abgeschlossenen Teilkapitels nur aus sehr guten und triftigen Gründen möglich ist (Abg. Ing. Fallent: Wir haben nie etwas anderes behauptet!) und dass er das für sehr unwahrscheinlich hält. Es müsse dafür eine Art geänderte Geschäftsgrundlage geben. (Abg. Ing. Fallent: So ist es! Dazu stehen wir!)

Wer ist denn schuld, dass das Energiekapitel schon abgeschlossen ist? (Abg. Ing. Fallent: Sie haben gerade bestätigt, dass dieses Kapitel nicht abgeschlossen ist!) Einerseits die ÖVP, sie unterschrieb es. Und Sie von den Freiheitlichen sitzen in der Regierung und schauten zu, wie im Dezember die Türen für wichtige Verhandlungen zugingen. Und jetzt müssen wir teilweise wieder von vorne anfangen und teilweise unter erschwerten Bedingungen. Wir werden es von unserer Seite her sehr konstruktiv und offensiv angehen, aber wir wissen, es wird immer schwieriger. Wesentlich sind Ausstiegspakete!

Heute wird unser gemeinsamer Antrag eine Mehrheit finden, aber genauso werden Sie heute – das haben Sie im Ausschuss schon dokumentiert – wieder einen konstruktiven Antrag der Grünen ablehnen, einen Antrag, der noch weiter in die Zukunft reicht, der ganz konkret die radikale Umorientierung der EURATOM-Forschung thematisiert (Abg. Ing. Fallent: Wir sind gegen radikale Vorgangsweisen!), der "keine EURATOM-Kredite für AKWs" fordert, der eine Reform der Banken verlangt, der europäische Ausstiegsfonds fordert, der Sicherheitsstandards als Ausstiegsinstrumente thematisiert, der vor allem auch eine Initiative für eine Energiewende ist.

Diesen Antrag werden Sie wieder ablehnen, das kennen wir ja. Bei dem, was wirklich Zukunft hat, wo endlich vorausschauend agiert wird, nachhaltig, antizipatorisch, da bleiben Sie weg. Dann warten Sie wieder, bis Ihnen das Wasser bis zum Hals steht, dann nehmen Sie einen alten grünen Antrag, und dann wird er endlich Konsens.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Diese Politik ist für mich immer eine Politik der Scheinheiligkeit, der Versäumnisse. Das ist eine Politik, die unserer Sicherheit und vor allem der Sicherheit der Bevölkerung nicht dient. Stimmen Sie doch einmal einem grünen Antrag zu! Das wäre schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.


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12.08

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zu meiner Vorrednerin kurz etwas sagen, nämlich zur Wahrnehmung der Ausschusssitzungen. Ich war vom Anfang bis zum Ende immer in diesen Ausschusssitzungen dabei und habe eigentlich die Ausschussarbeit als außerordentlich positiv empfunden. (Abg. Dr. Moser: Weil Sie nicht neben dem Westenthaler gesessen sind!) Es wurden viele Aspekte angesprochen ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Sie waren nicht dabei, Frau Kollegin, Sie können eigentlich nicht mitreden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Die Mertel redet zu allem, immer von der gleichen Qualität! – Abg. Hornek: Und zu viel!) Es wurde gesprochen über die Aspekte Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Ausstiegsszenarien, Entwicklung in Europa, europäische Standards, Zielsetzung des EURATOM-Vertrages. Über all das haben wir im Ausschuss mit Experten in außerordentlich positiver Art und Weise gesprochen und diskutiert.

Ich möchte hier ausdrücklich die sachliche und kompetente Vorsitzführung des Kollegen Georg Oberhaidinger hervorheben und mich dafür bedanken. Das wollte ich hier gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Ich habe schon manchmal kritische Töne im Ausschuss wahrgenommen, aber im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht die Zwischenreden des Kollegen Westenthaler, sondern eigentlich immer den rhetorisch sehr oberflächlichen und zeitweise sehr polemischen Beginn des Klubobmannes Cap in Erinnerung. Das ist die Wahrheit, Frau Kollegin. Cap hat eigentlich immer mit einer sehr oberflächlichen, sehr kritischen Würdigung dessen, was bisher vorgefallen ist, begonnen und hat einen Ton in den Ausschuss hineingebracht, der von uns Gott sei Dank so nicht weitergetragen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist uns jedenfalls in diesen langen Beratungen klar geworden – das war uns auch schon vorher klar, aber es wurde dort eindeutig zementiert –, dass das Thema Anti-AKW, Anti-Temelín, Anti-Atomkraftwerke in jedem Fall kein Thema ist, das in Österreich gelöst werden kann, sondern das ist ein Thema, das wahrscheinlich nur auf europäischer Ebene zufrieden stellend und auch den Unterzeichnern des Temelín-Abkommens würdig gelöst werden kann.

Daher ist es ungeheuer wichtig, dass es im Vertrag von Brüssel gelungen ist – das ist einer der größten Erfolge dieser Bundesregierung, den Sie leider immer unter den Tisch haben fallen lassen; Frau Kollegin Sima hat ihn sogar als "Machwerk" bezeichnet –, dass die Frage der Sicherheitsstandards – und auf diese kommt es in Fragen von Atomkraftwerken an – eine europäische geworden ist. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei dieser Bundesregierung bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und dass es eine europäische Frage geworden ist, zeigen auch die Aussagen der zuständigen Kommissarin Frau de Palacio, die angekündigt hat, dass entsprechende Initiativen zu Sicherheitsstandards eine europäische Initiative sein werden. Ich denke, das ist der richtige Weg. Unsere Aufgabe beziehungsweise auch die Aufgabe der Bundesregierung wird es sein, dafür zu sorgen, dass diese Sicherheitsstandards auf europäischer Ebene beschlossen werden und dass es möglichst hohe Sicherheitsstandards sind. Das ist, so glaube ich, für uns eine der ganz wichtigen Möglichkeiten, zu mehr Sicherheit im Atomkraftwerk-Bereich beizutragen.

Es gibt international natürlich auch – und das darf hier nicht verhehlt werden, viele Redner sind darauf eingegangen – negativere Entwicklungen oder zumindest solche Entwicklungen, die der kritischen Haltung Österreichs gegenüber Atomkraftwerken nicht entsprechen. Hier ist das viel zitierte Beispiel Finnland zu nennen, aber auch die bisher nicht sehr ermutigenden Aussagen der neu bestellten tschechischen Regierung, die es, Frau Kollegin Sima, erst seit gestern gibt. Daher war es der österreichischen Bundesregierung bisher gar nicht möglich, mit Vertretern der neuen tschechischen Bundesregierung zusammenzukommen. Wenn Sie der Bundesregierung Untätigkeit vorwerfen, würde ich Ihnen dringend empfehlen, sich an den Fakten zu orientieren und nicht einfach haltlose Behauptungen hier in den Raum zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zweifellos waren diese bisherigen Äußerungen nicht sehr ermutigend. Umso mehr ist es jetzt Aufgabe der Bundesregierung, aber auch Aufgabe von uns Parlamentariern, die Probleme, die Ängste und die Nöte der österreichischen Bevölkerung in Sachen Atomkraftwerke der tschechischen Regierung und dem tschechischen Parlament entsprechend nahe zu bringen.

Positiv – und ich empfehle Ihnen die Lektüre der heutigen Ausgabe des "Standard" – sind für mich die Aussagen von Edmund Stoiber. Sie wissen, wer er ist: Er ist der Kanzlerkandidat der CSU/CDU, unserer Schwesterpartei. Stoiber hat ausdrücklich festgestellt: Wenn es nach ihm ginge, sollte Temelín abgeschaltet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich denke, solche Allianzen sollen wir suchen, und solche Allianzen haben hoffentlich auch Aussicht auf Erfolg.

Was beinhaltet der von der SPÖ so geschmähte Entschließungsantrag, den wir vorgelegt haben und dem dankenswerterweise auch die Grünen voraussichtlich beitreten wollen? – In diesem Entschließungsantrag sind sehr viele Aufträge, die an die österreichische Bundesregierung gerichtet sind, enthalten. Es ist also nicht so, dass er lediglich zum Inhalt hat, dass eine Parlamentarier-Delegation nach Prag fahren soll, sondern es sind sehr viele Dinge enthalten, die wir von der österreichischen Bundesregierung fordern oder auch die österreichische Bundesregierung unterstützen.

Zum Beispiel: das Bekenntnis der tschechischen Regierung zum "Melker Prozess", die Sicherheitsauflagen zu überprüfen und auch für deren Einhaltung zu sorgen, die vollständige und vollinhaltliche Umsetzung der Vereinbarung von Brüssel, das Ergebnis – und das ist wohl das Allerwichtigste – des "Melker Prozesses" in den Beitrittsvertrag einfließen zu lassen und damit – mein Klubobmann hat schon darauf hingewiesen – auch vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar zu machen. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt der Sicherheit von Atomkraftwerken. Weiters: die von uns immer geforderte Nullvariante weiterhin in Gesprächen mit der tschechischen Regierung zu forcieren und zu versuchen, sie davon zu überzeugen, und begleitend und unterstützend die Entsendung einer Parlamentarier-Delegation.

Wir fordern in diesem Entschließungsantrag die Bundesregierung auf – darauf hat Herr Bundesminister Molterer bereits hingewiesen –, noch im Vorfeld der UN-Konferenz in Johannesburg darauf zu drängen, dass, wie bisher auf Initiative Österreichs von der EU vertreten, die Atomenergie mangels Nachhaltigkeit keine Berücksichtigung bei der Erreichung der Kyoto-Ziele findet. – Das ist etwas, wobei die Umweltminister unsere Zustimmung benötigen, die wir ihnen auch geben sollten.

Weiters – und auch das ist ein wesentlicher Beitrag – sind wir von Anfang an, Frau Kollegin Moser, auch in den ersten Entschließungsanträgen, sehr wohl für die Reform des EURATOM-Vertrages eingetreten. Das ist etwas, was wir uns überhaupt nicht von Ihnen aufs Auge drücken haben lassen müssen, das wollen wir selbst.

Lassen Sie mich noch kurz zu den von den Kollegen der SPÖ vorgebrachten Vorwürfen Stellung nehmen! Das, was Sie in Ihren Entschließungsanträgen vorgesehen hatten, nämlich die Ausstiegskonferenz unter Vorsitz der dänischen EU-Präsidentschaft, hat mich ein wenig traurig gestimmt und auch enttäuscht. Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Cap: Sie fordern hier etwas, von dem Sie von vornherein bereits wissen, dass das nicht sein kann, weil noch nie eine Präsidentschaft in irgendeiner Weise Partei ergriffen hat. Wesen und Art der Präsidentschaft ist, überparteilich zu sein. Man wird auf solche Initiativen in keiner Weise zurückgreifen, weil das eben keine Präsidentschaft tun wird. (Abg. Dr. Cap: Das ist eine Fehlinformation!) Das wissen Sie, aber das ist Ihr Prinzip: Sie fordern etwas von der Bundesregierung, von dem Sie von vornherein wissen, dass sie das nicht erfüllen kann. Das ist Zynismus – Zynismus aber in einer wichtigen Angelegenheit. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zu der von Frau Kollegin Sima und, ich glaube, auch vom Kollegen Cap gebrachten Veto-Keule muss ich sagen: Die SPÖ hat selbst das Veto gefordert, indem Sie verlangt haben, den vorläufigen Abschluss des Energiekapitels zu blockieren. Das ist nämlich ein Veto, Herr Kollege Cap! Das sollten Sie sich schon überlegen. Da machen wir von der ÖVP nicht mit.

Ich möchte abschließend sagen: Es war bisher immer die große Stärke der österreichischen Anti-Atom-Politik, dass es einen gemeinsamen Konsens gegeben hat, dass man sich letztlich zu Kompromissen gefunden hat. Dazu stehen wir immer noch, das wünschen wir uns. Wir möchten nicht, dass wir geschwächt werden, dass die österreichische Bundesregierung im Hinblick auf die Signale, die aus diesem Sonderausschuss beziehungsweise dem österreichischen Parlament kommen, nur mit einem Drei-Parteien-Antrag ausgestattet ist. Wir wünschen uns diesen Vier-Parteien-Antrag, und wir haben in den Vorgesprächen sehr eindeutig immer wieder auf Ihre Worte Rücksicht genommen und versucht, sie einzubauen, damit Ihnen die Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag leicht fällt. Leider haben Sie diesen Weg des Konsenses verlassen. Die Grünen haben hier einen konstruktiven Weg eingeschlagen, dafür ist ihnen zu danken. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich appelliere an Sie von der SPÖ, Ihre bisherige Haltung noch zu überdenken und diesen unseren Antrag mitzutragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.18

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie aktuell die heutige Debatte über die Behandlung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" ist, sehen wir an den neuesten Ereignissen: Wir haben die Nachricht bekommen, dass es wieder einen Störfall im Atomkraftwerk Temelín gegeben hat, nämlich einen Kurzschluss im Block 2. Der Generator ist kaputt, und der Block 2 muss zumindest für sechs Wochen heruntergefahren werden.

Meine Damen und Herren! Wenn da noch jemand sagt, es laufe alles planmäßig, dieses Atomkraftwerk sei sicher, und es seien eigentlich alle Vorkehrungen getroffen, dann zeigen diese Meldungen, wie wir sie jetzt wieder bekommen haben, wohl, dass das absolut nicht stimmt, dass unsere Initiativen nicht nur richtig, sondern notwendig sind, dass die Nullvariante als wichtiges Ziel zu verfolgen ist. – Es gibt kein hundertprozentig sicheres in Betrieb befindliches Atomkraftwerk, sondern nur ein Atomkraftwerk, das nicht ans Netz geht, das abgeschaltet wird, bietet hundertprozentige Sicherheit für unsere Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, wir alle – Abgeordnete, aber auch Regierungsvertreter – müssen uns hier unserer großen Verantwortung bewusst sein. Es gibt bei einem Super-GAU – und wir alle wissen, dass dieser Super-GAU niemals auszuschließen ist – keine Sicherheit für unsere Bevölkerung. Es sind Hunderttausende, wenn nicht Millionen Österreicher, aber natürlich auch Angehörige anderer Nationen direkt oder indirekt von dieser atomaren Bedrohung betroffen. Und deshalb ist es unsere Verantwortung, alles zu tun, damit diese Bedrohung abgewendet und abgehalten werden kann.

Wenn ich mir die Debatte heute angehört habe und mir auch die Ausschussberatungen vor Augen führe, dann muss ich sagen, es gibt doch eigentlich auch hier im Hohen Haus einen Konsens in der Unterstützung der Strategie der österreichischen Bundesregierung, einer Stufenstrategie, die in Richtung Schließung von nicht nachrüstbaren Atomkraftwerken geht, die in Richtung Schaffung einheitlicher hoher Sicherheitsstandards für noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerke geht, die die konsequente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie zum Inhalt hat und die – konkret zu Temelín – auch die Nullvariante als wichtiges Ziel vor Augen führt. Das habe ich den Debattenbeiträgen entnommen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es wird hier ein Entschließungsantrag als Ergebnis der Ausschussberatungen zur Abstimmung gebracht werden, der all diese Ziele zu 100 Prozent umfasst und noch eine ganze Reihe anderer wichtiger Initiativen und Meinungen zum Ausdruck bringt. Ich frage mich: Warum ist es nicht möglich, obwohl ja eigentlich alle dafür sind, hier im Hohen Haus einen hundertprozentigen Konsens für diesen Entschließungsantrag und damit auch für die Ziele, die in diesem Entschließungsantrag enthalten sind, zu erzielen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bedanke mich, Frau Abgeordnete Lunacek, hier auch namens der Bundesregierung, dass die Grünen als Oppositionspartei bereit gewesen sind, nicht nur ihre Ideen mit einzubringen, sondern auch mit ihrem Abstimmungsverhalten hier ihre Unterstützung zum Ausdruck zu bringen. Es ist wichtig, hier einen breiten Konsens zum Ausdruck zu bringen, weil wir diesen Rückhalt der österreichischen Bevölkerung – das haben die 915 000 Unterschriften unter das Volksbegehren gezeigt –, aber auch aller politischen Repräsentanten brauchen, um stark und offensiv bei den Verhandlungen mit der neuen tschechischen Regierung auftreten zu können.

Mir tut es Leid, wirklich ehrlich Leid, dass es nicht gelungen ist, dass auch die Sozialdemokratische Partei in diesen nationalen Konsens im Interesse der Sicherheit Österreichs mit eingebunden werden konnte. Es gibt zwei Gründe für dieses Ausscheren aus dem Konsens: Es kann sachliche Gründe geben, und es kann parteipolitische Gründe geben, weil man dagegen sein muss, wenn die Regierung eine Initiative setzt, aus prinzipiellen, fundamentalen Oppositionsgründen. Ich hoffe doch nicht, Herr Abgeordneter Cap, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass das der Beweggrund dafür gewesen ist, dass Sie diesem Entschließungsantrag nicht Ihre Zustimmung geben können. (Abg. Dr. Cap: Billige Polemik!)

Das ist eine Frage, Herr Abgeordneter Cap! Sie werden sie mir ja hoffentlich beantworten können. Herr Abgeordneter Cap! Ich habe versucht, in Ihrer Rede die sachlichen Argumente zu finden, die es Ihnen unmöglich machen, diesem Antrag zuzustimmen. Ich habe sie, ehrlich gesagt, nicht gefunden. Es kann doch nicht das einzige Argument gewesen sein, dass es für Sie nicht möglich war, in diesen Entschließungsantrag die Klausel hineinzubringen, dass es Abgeordneten des österreichischen Parlaments verboten sein soll, sich zum Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union zu Wort zu melden?! (Abg.


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Dr. Cap: Das Problem ist die Untätigkeit der Regierung!)

Die Untätigkeit der Regierung wollten Sie in diesen Entschließungsantrag hineinbringen? Die von Ihnen behauptete Untätigkeit der Regierung wollten Sie in den Entschließungsantrag hineinnehmen, und weil es hier keine Mehrheit gegeben hat, scheren Sie aus dem Konsens aus. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn das Ihre Argumentation ist, dann tut es mir Leid. (Abg. Großruck: Das ist Naschmarkt-Politik!) Das hat anscheinend den nationalen Konsens in der Anti-Atompolitik verhindert. Die Österreicherinnen und Österreicher sollen aber auch wissen, was die Begründung dafür gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Cap! Frau Abgeordnete Sima! Es gibt wirklich eine Reihe von Widersprüchlichkeiten in der Argumentation. Abgeordneter Cap hat gesagt, die Tschechische Republik solle in Gesprächen, in Verhandlungen überzeugt werden, dass Temelín ökonomisch, ökologisch, sicherheitspolitisch nicht sinnvoll ist. Gleichzeitig sagen Sie aber, dass die tschechische Atombehörde ohnehin macht, was sie will. Die Frage ist: Was haben Regierungsvertreter Ihrer Partei über zehn Jahre bei Verhandlungen und Gesprächen erreicht? – Wir müssen sagen: leider nichts. (Abg. Dr. Cap: Mehr als Sie!)

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie seien der Anwalt der 915 000 Unterzeichner des Volksbegehrens, aber gleichzeitig sind Sie vehement gegen ein Veto. Das Volksbegehren hat aber gelautet: "Veto gegen Temelín", Herr Abgeordneter Cap. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie kritisieren den vorläufigen Abschluss des Energiekapitels durch die österreichische Bundesregierung (Abg. Dr. Khol: Den gibt es nicht!), den es nicht gibt. (Abg. Dr. Cap: Natürlich! Das war doch die Kapitulation der Regierung!) Sie sagen, das ist eine Kapitulation. Das heißt, Sie hätten das Energiekapitel auch nicht vorläufig beiseite legen oder abschließen wollen? (Abg. Dr. Cap: Das ist ein Beschwindeln der Bevölkerung!) Herr Abgeordneter Cap! Hätte man dadurch nicht auch den EU-Beitritt der Tschechischen Republik verhindert? Wäre das nicht auch ein Veto gewesen, gegen das Sie sich so vehement hier zur Wehr setzen? (Abg. Dr. Khol: Natürlich! – Abg. Ing. Westenthaler: Genau das Gleiche!)

Das sind eben die Widersprüchlichkeiten! Wenn man die Kapitel nicht abschließt, kann es auch keinen Abschluss des Beitrittsvertrages geben, Herr Abgeordneter Cap, und dann kann die Tschechische Republik nicht Mitglied der Europäischen Union werden. Dem kann ich ja einiges abgewinnen, dass man hier eine gute, eine harte, eine konsequente Verhandlungsposition mit einbringt, aber wieso kritisieren Sie auf der einen Seite eine Linie, die Sie auf der anderen Seite durchaus unterstützt hätten?

Frau Abgeordnete Sima! Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, dass diese Veto-Drohung das Hindernis, die Hürde für die Verhandlungen sei. Sie sind heute schon daran erinnert worden, dass Sie es zusammen mit anderen Vertretern Ihrer Fraktion waren, die im Jahre 1999 mit einem Versprechen in die Nationalratswahlen gegangen sind: nämlich dass es keinen EU-Beitritt der Tschechischen Republik geben wird, wenn das Kraftwerk Temelín in Betrieb geht. – Das war ein Versprechen. Ich frage mich: Warum gilt das heute nicht? Gibt es sachliche Gründe, warum das heute anders ist? Ich sehe keine sachlichen Gründe.

Ich verstehe manchmal, dass eine Partei, die vorher in der Opposition war, dann nicht alles, was sie verlangt und fordert, in der Regierung umsetzen kann, weil es eben Sachzwänge gibt. Aber den umgekehrten Weg zu gehen, dass man als Regierungspartei etwas verspricht, was man dann als Oppositionspartei nicht mehr einhalten will oder kann, das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ganz verstehen, wenn ich davon ausgehe, dass es nicht rein parteipolitische Gründe sind, die Sie jetzt zu einem anderen Abstimmungsverhalten und zu einer anderen Meinung in diese Richtung veranlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass die Regierung nicht untätig war, ganz im Gegenteil! Wir haben durchaus auch in enger Abstimmung mit den Abgeordneten dieses Hauses – Minister Molterer hat es ja schon angesprochen – in vielen Bereichen, "Melker Prozess", Brüsseler Vertrag, "Roadmap", bilaterale Gespräche, immer wieder unsere Linie fortgeführt. Gerade im Bereich der Sicherheitsstandards, das darf ich wohl sagen, haben wir wesentlich mehr Erfolge in diesen wenigen Monaten erzielt, als das in den zehn Jahren davor mit den freundlichen Gesprächen der Fall gewesen ist, die man angeblich geführt hat. Ich glaube, es ist notwendig und sinnvoll, dass wir diese Gespräche in einem offenen Dialog mit der neuen tschechischen Regierung fortführen.

Frau Abgeordnete Sima! Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten mit der neuen Regierung noch nicht gesprochen, das sei auch ein Kritikpunkt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Sima. ) – Ja, es gibt keine Verhandlung, das ist richtig, aber die neue tschechische Regierung ist erst seit kurzem im Amt und wird, soweit ich weiß, am 15. dieses Monats angelobt. Diese Kritik muss ich leider auf mich nehmen, dass es uns seit gestern nicht gelungen ist, mit einer tschechischen Regierung, die noch gar nicht angelobt ist, einen Verhandlungsfahrplan zu erstellen oder in Verhandlungen einzutreten.

Aber unser Angebot steht, meine Damen und Herren, und da haben wir hoffentlich einen Konsens, dass wir selbstverständlich in diesen offenen, ernsthaften Dialog mit der neuen tschechischen Regierung, die jetzt unbelastet von Wahlkämpfen und der entsprechenden Rhetorik ist, eintreten und diese offenen Fragen diskutieren und gemeinsam auch Überzeugungsarbeit leisten sollten, nämlich dass Temelín vom Sicherheitsaspekt her, aber auch vom ökonomischen und vom ökologischen Aspekt her unvernünftig ist und deshalb ein Ausstieg aus diesem unsicheren Kraftwerk die beste Variante für alle, für die Tschechische Republik, für Österreich, für die Bevölkerung in dieser Region, darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie gerade auch den Freiheitlichen immer wieder vorwerfen, in Wirklichkeit sei das alles nur ein Vorwand, um die EU-Erweiterung zu verhindern, dann muss ich Ihnen sagen: Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren, und das haben wir auch klar zum Ausdruck gebracht! Die


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Erweiterung der Europäischen Union ist ein wichtiges und sinnvolles Projekt – ein wirklich wichtiges und sinnvolles Projekt –, aber es muss klar sein, dass auch die Interessen Österreichs in diesen Verhandlungen gewahrt werden müssen, und es muss auch klar sein, dass die Beitrittskandidaten die Standards, die Voraussetzungen für den Beitritt in die Europäische Union mitbringen müssen. Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit den Kernkraftwerken und beispielsweise im Zusammenhang mit den Menschenrechts- und Verfassungsstandards, da die Beneš-Dekrete hier immer wieder angesprochen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

Jeder Beitrittskandidat ist eingeladen, Mitglied der Europäischen Union zu werden und gemeinsam mit uns die Voraussetzungen dafür zu entwickeln. Wenn man nicht dazu bereit ist, was ich nicht hoffen möchte, dann ist eben auch ein Beitritt zu den von uns allen entwickelten Konditionen nicht möglich. Was den südeuropäischen Ländern bei der letzten Erweiterungsrunde möglich war, etwa ihre Interessen bei der Fischerei-Politik in die Verhandlungen miteinzubringen, wird wohl auch für uns gerechtfertigt sein, wenn es darum geht, bei den Beitrittsverhandlungen die Sicherheit unserer 8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher zu vertreten. Das sollte auch ein entsprechender Konsens sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich noch einmal ausdrücklich Dank sagen für die Unterstützung, auch durch den Entschließungsantrag. Sie können sicher sein, dass die österreichische Bundesregierung, so wie bisher, konsequent und klar für die Interessen der Österreicher eintreten und die Nullvariante als wichtigstes Ziel ihrer Politik im Hinblick auch auf die Vertretung der 915 000 Unterzeichner des Volksbegehrens unterstützen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

12.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Entsprechend einer Vereinbarung in der Präsidiale ist die restliche Redezeit bis 13 Uhr, dem Ende der Fernsehübertragung, zwischen allen Fraktionen zu gleichen Teilen aufzuteilen. Die Redezeit pro Redner wird daher 7 Minuten betragen. (Abg. Dr. Khol: Können wir auch zwei Redner mit insgesamt 7 Minuten haben?)  – Nein, das haben wir in der Präsidiale nicht so vereinbart.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

12.33

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zuerst an die Adresse einer Vorrednerin: Ich danke für die Anerkennung meiner Vorsitzführung im Ausschuss. Ich denke, ich brauche nicht gesondert unter Beweis zu stellen, dass ich mich in diesem Haus seit Jahren um Einstimmigkeit in der Anti-Atomlinie des Parlaments bemüht habe und auch weiterhin bemühen werde.

Es war uns immer bewusst, welche Rolle das Parlament in diesem Zusammenhang zu übernehmen hat. Ergebnis unserer Verhandlungen ist in erster Linie ein gemeinsamer Entschließungsantrag, die darin aufgestellten und an sie gerichteten Forderungen ausführen muss die Bundesregierung. – So haben wir unsere Aufgabe hier im Haus bisher verstanden, und ich halte es nicht für richtig, von diesem bislang erfolgreichen Weg abzugehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es hätte meiner Meinung nach dieser 915 000 Unterschriften nicht bedurft, um für uns unter Beweis zu stellen, dass die Österreicherinnen und Österreicher Angst vor der Atomkraft an unseren Grenzen haben. Wir sind schon früher, auch ohne Volksbegehren, vehement für den Ausstieg aus der Kernkraft eingetreten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt mit einer Mär aufräumen – ich habe dies schon mehrmals versucht, es gelingt aber allem Anschein nach nicht –: Lieber Kollege Schweitzer! Lieber Kollege Fallent! Da immer wieder die große Einstimmigkeit bemüht wird, darf ich Folgendes anmerken: Insgesamt haben wir etwa 35 Anträge behandelt, sieben Anträgen haben die Freiheitlichen zugestimmt. Also so überwältigend war die Einigkeit in dieser Frage nicht, weil Sie immer schon mit der Veto-Keule geliebäugelt haben. Genau das hat uns in dieses Dilemma gebracht, vor dem wir jetzt stehen.


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Kollegin Baumgartner-Gabitzer! Ihnen muss ich sagen, ich halte Herrn Stoiber aus Deutschland für keinen guten Verbündeten. Er war jener, der als Erster angekündigt hat, all das, nämlich den erklärten Ausstieg aus der Atomkraft, zu revidieren. Wird er Kanzler, so wird das alles wieder rückgängig gemacht! Wenn ich an die Interessen Bayerns in Tschechien denke, gerade im Strombereich, dann, muss ich sagen, ist Stoiber der denkbar schlechteste Verbündete, wenn es darum geht, dass Temelín vom Netz geht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass der gemeinsame Entschließungsantrag der Regierungsparteien so ausschaut, wie er jetzt ausschaut, ist zwei Papieren zu verdanken, nämlich – ich überlasse in diesem Fall den Grünen den Vortritt – dem vorgelegten Entschließungsantrag der Grünen und unserem Entschließungsantrag (Abg. Schwarzenberger: Dann können Sie ja zustimmen), dem Sie großteils, aber leider nur großteils, beigetreten sind; in wesentlichen Passagen sind Sie leider nicht mitgegangen, meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, und darauf kommt es an! (Abg. Schwarzenberger: Auch ein richtiger Schritt ist schon eine Verbesserung!)

Ich darf Sie daran erinnern, dass wir die Bundesregierung aufgefordert haben, Kontakt mit der dänischen EU-Präsidentschaft wegen der Ausstiegskonferenz aufzunehmen. – Eine ganz wesentliche Forderung von uns.

Oder, meine Damen und Herren: Es ist doch nicht zu viel verlangt – jetzt tagt der Sonderausschuss seit etwa einem halben Jahr –, wenn wir von der Bundesregierung endlich erfahren wollen, wie sie die Verhandlungen mit der tschechischen Regierung zu führen gedenkt. (Abg. Dr. Jarolim: Nur ein Wort!) Wir wissen schon, dass die tschechische Regierung noch nicht angelobt ist, aber wir wollen eine klare Absichtserklärung, aus der wir erkennen können, was die Bundesregierung in dieser Frage zu tun gedenkt.

Meine Damen und Herren! Im Vorgespräch am Abend vor dem Sonderausschuss habe ich Kollegen Schweitzer, bevor wir auseinander gegangen sind, gebeten, er und seinesgleichen mögen sich von der Veto-Keule verabschieden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich mit den tschechischen Abgeordneten ein Thema verhandeln kann, von dem diese wissen, dass es junktimiert ist, klar junktimiert mit dem EU-Beitritt. Ich kann mir sogar vorstellen – so wie es derzeit in Tschechien ausschaut –, dass die Tschechen auf einen EU-Beitritt verzichten und Temelín in Betrieb halten. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, das glaube ich nicht!) Dass damit Temelín sicherer werden sollte, das wage ich zu bezweifeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der noch nicht inthronisierte Ministerpräsident und sein christdemokratischer Kollege, den Sie, Herr Kollege Khol, zitiert haben, haben unisono erklärt, sie würden zurzeit keinen Verhandlungsbedarf sehen. Angesichts dessen bedarf es einer klaren Aufforderung an unsere Bundesregierung, wirklich alles dazu beizutragen, die tschechische Bundesregierung dann, wenn sie angelobt sein wird, davon zu überzeugen, dass mit uns weiterhin geredet und verhandelt werden muss, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen, dass unsere Aufforderung eine klare Aufforderung an die Bundesregierung ist, ihre Hausaufgaben zu machen. Zuerst muss die Bundesregierung tätig werden, dann kann ich mir vorstellen, dass auch das österreichische Parlament tätig wird.

Eine Anmerkung am Rande. Meine Damen und Herren! Wir haben darüber abgestimmt, ob Tschechien – mit oder ohne Temelín – der EU beitreten sollte. Worüber wir nicht abstimmen dürfen, was aber primär unserer Entscheidung bedürfte, ist die Frage, ob wir wirklich die teuersten Fluggeräte der Welt ankaufen wollen. Dieses Thema hat niemand angesprochen, dazu gibt es keine Bereitschaft! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Temelín wird in Tschechien entschieden – der Ankauf der teuersten Fluggeräte der Welt wird hier bei uns in Österreich entschieden!

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Erfüllen Sie unsere Forderungen, dann kommen Sie aus Ihrem blau-schwarzen Dilemma heraus, und wir können über einen rot-weiß-


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roten Konsens verhandeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Cap: Blau-schwarzes Dilemma, rot-weiß-roter Konsens!)

12.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

12.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich darf gleich zu Beginn einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Mag. Schweitzer, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen einbringen. Dieser wurde heute schon im Zusammenhang mit der Zustimmung seitens der SPÖ-Fraktion diskutiert und in den wesentlichen Eckpunkten von Kollegem Schweitzer erläutert und ist meines Wissens auch zur Verteilung gelangt.

Ich möchte jedoch in Anbetracht der heute auch schon angesprochenen Nullvariante auf einen wesentlichen Punkt dieses Entschließungsantrages hinweisen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, "mit Nachdruck auf die mehrfach belegte Unrentabilität in volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht der Inbetriebnahme des KKW Temelín zu verweisen und mit dem Ziel einer Realisierung der ,Nullvariante‘ für das KKW Temelín umgehend mit der neuen tschechischen Regierung" – wir wissen, sie ist seit gestern bekannt – "in Gespräche über Alternativen und kommerzielle Inbetriebnahme der Anlage einzutreten und – auch im Zusammenhang mit der Forderung einer klaren europäischen Stromkennzeichnung – auf EU-Ebene die Frage von Dumping-Exporten für tschechischen Atomstrom weiter zu thematisieren."

Herr Präsident, ich darf Sie ersuchen, diesen Entschließungsantrag in die Verhandlungen mit aufzunehmen.

Nun möchte ich auf Ausführungen einiger Vorredner kurz eingehen.

Es ist immer von den 915 000 Österreichern, die das Volksbegehren unterschrieben haben und deren Anwalt nun alle Fraktionen sein wollen, die Rede. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind nicht nur diese 915 000 Österreicher, sondern es ist wahrscheinlich beziehungsweise mit Sicherheit die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, die berechtigte Angst vor diesem schrecklichen Atommeiler Temelín hat, und diese haben wir insgesamt zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

Ich möchte auch nicht verabsäumen, den Experten, den international anerkannten Experten, die im Sonderausschuss ihre Beiträge geliefert haben, zu danken; Experten aus den Bereichen der Physik, der Atomphysik, der Statik, aus technischen Bereichen, sicherlich auch der Risikoforschung und auch aus den volks- und betriebswirtschaftlichen Bereichen sowie des Völkerrechts. Letztlich, sehr geehrte Damen und Herren, sind die Bedenken der österreichischen Bevölkerung von diesen Experten klar dargestellt und unterstrichen worden.

Die Arbeit im Ausschuss bezeichne ich streckenweise als durchaus sachlich. Ich darf meinen Dank auch an die grüne Fraktion richten, die ihren Willen mit diesem Entschließungsantrag dokumentiert und konsensbereit ist.

Sehr geehrter Herr Kollege Cap! Ihre Rolle, die Position der SPÖ, die sie einnimmt, ist, wie unschwer zu erkennen, eine rein parteitaktische Überlegung, eine Linie, die Sie festgelegt haben, noch bevor der Ausschuss getagt hat, eine Linie, die im Widerspruch zu jener steht, die es zur Zeit Klimas gegeben hat, der von Veto gesprochen hat. Ihre Linie ist auch in sich widersprüchlich, das wurde Ihnen heute schon vor Augen geführt. (Abg. Dr. Khol: Klima war auch für die Abfangjäger!) Sie ist deshalb widersprüchlich, weil man nicht auf der einen Seite den Nichtabschluss des Energiekapitels fordern kann, während man auf der anderen Seite immer wieder die Veto-Keule thematisiert und ins Treffen bringt.

Ich sage Ihnen, Herr Kollege Cap, Thema ist nicht "Veto oder nicht Veto", es geht den Unterzeichnern des Volksbegehrens nicht darum, dass Tschechien nicht der Europäischen Union


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beitritt, sondern es geht um die Schließung dieses Pannenreaktors, der uns mit der Vielzahl, mit der Serie seiner Pannen bereits dokumentiert hat, wie gefährlich er ist, und der seine Fortsetzung im Probebetrieb von Block 2 findet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von der SPÖ! Sie schwelgen immer nur in der Vergangenheit und führen hier beispielsweise den Brüsseler Vertrag an, das Unterzeichnen des Energiekapitels oder das Schließen des Energiekapitels, aber ich vermisse konstruktive Vorschläge Ihrerseits.

Letztlich möchte ich ausdrücklich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass hier seitens der Sozialdemokraten versucht wird, sozusagen den parteipolitischen, den rot gefärbten Klingelbeutel zu füllen. Ich glaube, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Ich bin überzeugt davon, dass es eine Stärkung der österreichischen Position in Anbetracht der bevorstehenden Verhandlungen sowohl auf Regierungsebene als auch auf parlamentarischer Ebene wäre, wenn sich die SPÖ dazu durchringen könnte, hier einen konsensualen Weg zu gehen, einen Weg der Stärke, einen Weg der Gemeinsamkeit, einen Weg, der entsprechend den Interessen der Österreicher hoffentlich zu einer Schließung des Kernkraftwerkes Temelín führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Mag. Schweitzer, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs auch schriftlich überreicht wurde und ausreichend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick des Umfanges des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird er auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Mag. Schweitzer, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelín, eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 384/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk" bezüglich des KKW Temelín (1251 der Beilagen)

Der Besondere Ausschuss zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" (1065 der Beilagen) hat sich in bislang drei Sitzungen nicht nur im Zuge einer Generaldebatte mit dem Volksbegehren an sich befasst, sondern sich in zwei Spezialdebatten mit "Temelín und nuklearer Sicherheit in Europa" und mit "Ausstiegsszenarien im europäischen Kontext" auseinander gesetzt.

Im Zuge dieser Debatten wurde eine Vielzahl in- und ausländischer Experten zu den angeführten Themen gehört.

Darüber hinaus bietet der dem Ausschuss zur Verfügung gestellte Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zum "Melker Prozess" und Follow up vom 22. Mai 2002 einen umfassenden Überblick über aktuelle Entwicklungen vor allem auf europäischer Ebene unter besonderer Berücksichtigung nuklearpolitischer Aspekte der Erweiterungsverhandlungen sowie einen Überblick über die nuklearpolitischen Aktivitäten und Initiativen der Bundesregierung.


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Der Bericht enthält ferner eine aktuelle Analyse zum Thema "Nullvariante für Temelín", die mit den diesbezüglichen Expertisen des Landes Oberösterreich im Einklang steht. Die Kernaussagen dieser Analyse können wie folgt zusammengefasst werden:

Eine Inbetriebnahme Temelíns weist bei gegenwärtigen Marktverhältnissen keine ökonomischen Vorteile auf.

Die Inbetriebnahme Temelíns wird voraussichtlich zu keiner Reduktion von Luftschadstoff- und Treibhausgasemissionen führen.

In jedem Fall bewirkt die Inbetriebnahme Temelíns eine Erhöhung des nuklearen Risikos.

Der Bericht vom 22. Mai enthält ferner eine Darstellung des Standes des WPNS-Prozesses zu diesem Zeitpunkt. Zwischenzeitlich liegt der "Lagebericht zur Evaluierung durch Gutachter ("Peer Review")" vor, der neuerlich wesentliche österreichische Sicherheitsfragen bezüglich Temelín bestätigt hat und deren Lösung einem Monitoring sowie einer besonderen Review unterzogen wird.

Diese Ergebnisse des Berichtes und die im Ausschuss geäußerten Meinungen der Experten bestärken das österreichische Parlament in seiner kritischen Auffassung bezüglich der Sicherheit des KKW Temelín und in seinem Wunsch, weitere Schritte in Richtung "Nullvariante" für das KKW Temelín zu setzen.

In diesem Sinne erfordert die aktuelle Situation insbesondere bezüglich Temelín, aber auch generell auf europäischer und internationaler Ebene eine konsequente Schwerpunktsetzung in der gemeinsamen österreichischen Anti-Atom-Politik.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat

bekräftigt seine bisherigen Entschließungen zu Fragen der Nuklearpolitik im allgemeinen und zum Thema Temelín im besonderen;

bekräftigt die "Drei Stufen Strategie" der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Kernenergie:

Schließung von nicht nachrüstbaren Kernkraftwerken wie z.B. der Reaktoren der ersten Generation sowjetischer Bauart in Ignalina, Bohunice und Kosloduj,

Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards für noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerke,

Konsequente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernkraft;

bekräftigt den Beschluss der Bundesregierung vom 8. Dezember 2001, weiterhin für den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie einzutreten und den Ausstieg von hiezu bereiten Ländern zu unterstützen;

bekräftigt ferner vor allem auch, dass die Bereitschaft, konkrete Schritte zum Ausstieg aus der Kernenergie zu unterstützen, insbesondere für die von Österreich beispielsweise im Rahmen der Energiepartnerschaft angestrebte Nullvariante für das Kernkraftwerk Temelín gilt; sofern die tschechische Seite hiezu Bereitschaft zeigt, wird Österreich umgehend auch in Sondierungsgesprächen mit der EU eine finanzielle Beteiligung an einem konkreten Ausstiegsangebot anstreben; die österreichischen Abgeordneten zum EU-Parlament werden ersucht, eine neuerliche Initiative zur Abhaltung einer EU-weiten Ausstiegskonferenz einzuleiten;


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bekundet seine Absicht, diesbezüglich erneut auf parlamentarischer Ebene durch die Entsendung einer Delegation zu Gesprächen mit Vertretern des neu gewählten tschechischen Parlaments aktiv zu werden;

unterstützt die Initiativen der Bundesregierung, aufbauend auf den Äußerungen der Energiekommissarin, so rasch wie möglich EU-weite einheitliche Sicherheitsstandards auf einem hohen Niveau (anzustreben ist das der Deutschen Bundesrepublik) für Atomkraftwerke der Mitgliedstaaten und der Beitrittsstaaten festzulegen sowie ein europäisches Monitoring zur Einhaltung dieser Standards zu schaffen;

unterstützt die Initiativen der Bundesregierung zur Reform und Integration des EURATOM-Vertrags in den EG-Vertrag im Sinne einer Elimination der Förderziele und einer völligen Neudefinition der Inhalte dieses Vertrages wie beispielsweise einer Forcierung erneuerbarer Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung insbesondere im Hinblick auf "Ausstiegsszenarien". Die Fragen der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes, der Entsorgung, des Transports von spaltbarem Material, des Rückbaus von Atomkraftwerken und der Abfallbehandlung sind ebenfalls bei dieser Reform des EURATOM-Vertrages zu verankern. Die Mittel für EURATOM sollen der Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen. Eine Euratom-Reforminitiative soll auch im Rahmen des EU-Konvents vorangetrieben werden;

tritt dafür ein, dass das EURATOM-Forschungsprogramm im Sinne der bisherigen österreichischen Positionen anstelle neuer Nuklearprojekte weiter an das Ziel eines EU-weiten Atomausstiegs angepasst wird, dass das bisher mit 4 Milliarden Euro begrenzte EURATOM-Kreditvolumen nicht, wie von der EU-Kommission diskutiert, auf sechs Milliarden Euro erhöht wird und dass die an der Finanzierung von AKW in Osteuropa hauptbeteiligten Banken (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung/EBRD und European Investment Bank/EIB) keine neuen Finanzierungen oder Kredite für Atomprojekte vergeben, sondern Mittel in den Ausstieg umlenken;

und ersucht die Bundesregierung

sicherzustellen, dass die tschechische Regierung sich in Ergänzung zu den Ergebnissen des WPNS-Reports weiterhin sich zum "Melker Prozess" bekennt und die dort festgehaltenen Sicherheitsauflagen wie vereinbart erfüllt;

mit Nachdruck auf einer vollständigen und vollinhaltlichen Umsetzung der "Vereinbarung von Brüssel" zu bestehen, auf deren Bedeutung im Rahmen der Beitrittsverhandlungen hinzuweisen, wobei die Ergebnisse des "Melker Prozesses" im Sinne der Vereinbarung von Brüssel in den EU-Beitrittsvertrag einfließen und damit vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar werden;

mit Nachdruck auf die mehrfach belegte Unrentabilität in volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht der Inbetriebnahme des KKW Temelín zu verweisen und mit dem Ziel einer Realisierung der "Nullvariante" für das KKW Temelín umgehend mit der neuen tschechischen Regierung in Gespräche über Alternativen zur kommerziellen Inbetriebnahme der Anlage einzutreten und – auch im Zusammenhang mit der Forderung einer klaren europäischen Stromkennzeichnung – auf EU-Ebene die Frage von Dumping-Exporten für tschechischen Atomstrom weiter zu thematisieren;

die "Energiepartnerschaften" mit Beitrittskandidaten und mit Reformstaaten Zentral- und Osteuropas konsequent fortzusetzen, um mit österreichischem Know-how – insbesondere in Tschechien –- dazu beizutragen, Voraussetzungen für einen Ausstieg aus der Kernenergienutzung in diesen Ländern zu schaffen, aber auch, um geeignete Projekte für "Joint Implementation" im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu identifizieren;

noch vor der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg – soweit dies terminlich möglich ist – sowohl den EU-Umweltministerrat als auch den EU-Energieministerrat mit der Mitteilung der Kommission zum Grünbuch "Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgung" zu befassen und dabei darauf zu drängen, dass – wie bisher auf Initiative Österreichs


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von der Europäischen Union vertreten – die Atomenergie mangels Nachhaltigkeit bei der Erreichung des Kyoto-Ziels keine Berücksichtigung findet;

sich auf europäischer Ebene weiter für möglichst frühzeitige Schließungsdaten für Bohunice, Kosloduj und Ignalina einzusetzen sowie gegenüber der Kommission und der Präsidentschaft im Zusammenhang mit den nuklearen Sicherheitsfragen auch generell die Themen der Befristung von Betriebsdauern und des mittelfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie anzusprechen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

12.46

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der einzelnen Vertreter der Regierungsparteien heute haben wieder einmal aufgezeigt, dass es zwar in den Punkten: Kein Atomkraftwerk!, Wie kann man Temelín abschalten?, Österreich wird nie Atomkraftwerke haben!, Konsens gibt, aber sie haben auch aufgezeigt, wo der Hund in dieser Koalition begraben liegt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo denn?)  – Dort, wo es darum geht, wie man gegenüber Tschechien vorgehen könnte, in welcher Form wir gegenüber der Tschechischen Republik auftreten könnten, die auch wirklich einen Dialog, ein Gespräch möglich macht.

Wenn der Vorsitzende des Umweltausschusses im österreichischen Parlament, Kollege Schweitzer, der auch gleichzeitig Generalsekretär der Freiheitlichen ist, sagt, dass es einen Beitritt Tschechiens nicht geben kann, solange es die Beneš-Dekrete und solange es das Kraftwerk Temelín gibt, dann meine ich, dass Sie, Herr Schweitzer, hier nicht die Interessen Österreichs, die Sie als Vorsitzender des Umweltausschusses vertreten sollten, vertreten, sondern einzig und allein die Interessen der Freiheitlichen, deren Generalsekretär Sie sind. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen immer wieder, die Tschechen dürfen nicht beitreten; Sie haben das erst vor kurzem, nach der Regierungsbildung in Tschechien, wieder betont. Auch Ihr Klubchef Westenthaler hat dezidiert gesagt: "Wenn das Linie der Prager Regierung wird, wird Tschechien nie der EU angehören." – Zitat aus dem "Kurier".

Diese Veto-Drohungen sind es, die Sie auch von der ÖVP unterscheiden. Kollege Khol versucht dann immer, den rot-weiß-roten Konsens drüberzuziehen, und sagt: Das schieben wir unter den Tisch, darüber reden wir nicht lange, Hauptsache, es gibt den Konsens!

Nun ist es uns gelungen – und aus Sicht der Grünen bezeichne ich das wirklich als Erfolg –, drei Punkte, die hier schon genannt wurden, in den Antrag aufzunehmen. Es freut uns, dass die Regierungsfraktionen dabei mitgemacht haben. Aber mit den Veto-Drohungen, Herr Kollege Schweitzer, Herr Kollege Westenthaler, und auch Sie, Herr Klubobmann Khol, verletzt diese Regierung seit Anbeginn an die österreichischen Interessen und auch die Intention ihrer eigenen Regierungserklärung. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist sozusagen die Falle, in die die ÖVP getappt ist, als sie mit der FPÖ gemeinsam in diese Regierung gegangen ist. Die ÖVP hat gewusst, dass die FPÖ bei der Erweiterung bremsen will. Das hat sich im letzten halben Jahr mit dem Volksbegehren gegen Temelín, mit dem Veto gegen Temelín, auch klar gezeigt. (Abg. Böhacker: Ein erfolgreiches Volksbegehren!)

Sicher, es haben Leute unterschrieben, die dieses Kraftwerk nicht wollen, aber wir wissen auch – Herr Kollege Fallent hat das vorhin klar ausgeführt –, wer die Initiatoren waren. Der Freiheitlichen-Chef in Wien, Kabas, der Freiheitlichen-Chef in Niederösterreich, Herr Windholz – ich erinnere nur an dessen Aussage "Unsere Ehre heißt Treue", von der auch Sie sich nie ganz klar distanziert haben –, und der Freiheitlichen-Chef in Oberösterreich haben dieses Volksbegehren initiiert. – Wunderbar, ein freiheitliches Volksbegehren, das Sie jetzt als erfolgreich verkaufen.


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Abgeordneter Hofmann hat vorhin gesagt, ein Veto gegen den Beitritt haben die Leute, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, nicht gemeint. Diese Meinung vertrete ich auch, aber in der Realität sieht das anders aus, wenn man sich ansieht, was die Freiheitlichen in den letzten Wochen wieder gemacht haben. Ich darf hier nur die freiheitliche Parteichefin und Vizekanzlerin Riess-Passer zitieren, die sinngemäß gesagt hat: Wenn Tschechien Mitglied der EU werden und dafür die Zustimmung Österreichs bekommen will, muss Špidla in beiden Fragen, also Temelín und Beneš-Dekrete, eine entsprechende Haltung einnehmen, sonst wird ein Beitritt nicht möglich sein. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen mit diesem Applaus wieder: Veto, Veto, Veto! Das ist Ihre Äußerung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Um Ihnen jetzt zumindest die Gelegenheit zu geben, dass Sie endlich einmal klären können ... (Abg. Ing. Fallent: Die Schließung des Kraftwerkes Temelín!)  – Die Schließung ist natürlich das Ziel, aber das werden Sie nicht erreichen, wenn Tschechien der EU nicht beitritt.

Kollege Schweitzer hat im Ausschuss – habe ich mir von meinen Kolleginnen berichten lassen – immer wieder das Argument der Strommarktliberalisierung gebracht, dass das Kraftwerk dann wirtschaftlich nicht wirklich rentabel sein wird. Aber diese Strommarktliberalisierung im europäischen Raum gibt es nur bei einem Beitritt, Herr Kollege Schweitzer! Warum also wehren Sie sich ständig dagegen? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Jawohl, Frau Oberlehrer!)

Um Ihnen also heute noch die Gelegenheit zu geben, Ihr Bekenntnis zu einer raschen Erweiterung dieser Union ohne Verzögerungen, ohne Veto-Drohungen gemeinsam mit allen Parteien, auch mit uns – das wäre doch etwas, auch einmal bei uns mitzumachen –, abzugeben, bringe ich folgenden Antrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur raschen Erweiterung der Europäischen Union, ohne Verzögerungen und Veto-Drohungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, konsequent für die rasche Erweiterung der Europäischen Union einzutreten, was unter anderem die folgenden Maßnahmen umfassen soll:

die weiteren Verhandlungen bezüglich des AKW Temelín werden nicht mit dem EU-Beitritt Tschechiens verknüpft. Mit der neuen Regierung in Prag wird der Dialog gesucht. Bei den Verhandlungen soll Österreich auch die Modernisierung und Ökologisierung der Energiewirtschaft unterstützen, wodurch die österreichische Wirtschaft profitieren könnte;

der Umgang mit den umstrittenen Beneš-Dekreten wird nicht mit dem EU-Beitritt Tschechiens verknüpft.

*****

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Wenn Sie dem nicht zustimmen können, dann frage ich mich wirklich, wo Ihre Bereitschaft, die in der Regierungserklärung steht, nämlich im Interesse Österreichs rasch für eine Erweiterung der Europäischen Union zu sorgen, ist, und dann befürchte ich, dass es trotz des heutigen Konsenses, was die Frage der deklarierten Anti-Atompolitik betrifft, diesen Konsens im weiteren Sinn leider immer noch nicht gibt. (Beifall bei den Grünen.)

12.52


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Der soeben verlesene Entschließungsantrag Mag. Lunacek, Dr. Glawischnig, Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Hornek. Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

12.53

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Abgeordnetenkollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Als Waldviertler Abgeordneter und Bürgermeister einer kleinen Grenzgemeinde war und ist für mich Anti-Atompolitik ein sehr zentrales Thema, und dies nicht erst seit es dieses Volksbegehren gibt, sondern seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Grundsätzlich festhalten möchte ich, dass sich Anti-Atompolitik nicht ausschließlich auf Temelín konzentriert, sondern dass Österreich von einer Vielzahl von Atomreaktoren umgeben ist. Ich möchte weiters festhalten, dass sich der Nationalrat dazu entschieden hat, ein Ziel festzusetzen, nämlich das Ziel, den europaweiten Ausstieg aus Atomkraftwerken festzuschreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die konsequente Position Österreichs muss es daher sein, unter Hinweis auf die Risken, die mit dieser Technologie, nämlich der Kernenergie, verbunden sind, den Ausstieg eines jeden Landes in Europa zu unterstützen und gleichzeitig auf europäischer Ebene massiv dahin gehend zu wirken, dass es einheitliche und hohe Sicherheitsstandards gibt. Ich unterstütze deswegen in höchstem Maße die Vorgangsweise unserer Bundesregierung in Form eines Drei-Stufen-Planes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der erste und wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach, dass jene Reaktoren, die nicht sicher sind und auch aus EU-Sicht nicht sicher sind, zu schließen sind, und dies sind die Anlagen Ignalina, Bohunice und Kosloduj. (Beifall bei der ÖVP.) Es handelt sich hiebei um Anlagen russischer Bauart der ersten Generation und um durchaus gefährliche Reaktoren.

Zweiter wichtiger Punkt: Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards für noch im Betrieb befindliche Kernkraftwerke. Geschätzte Damen und Herren! Es ist auf Grund der Initiative der Bundesregierung gelungen, auch die dafür zuständige Dame in der EU, Frau de Palacio, dazu zu bewegen, in Zukunft in diese Richtung zu arbeiten und die Wünsche und Forderungen der Österreicher zu berücksichtigen.

Dritter Punkt, geschätzte Damen und Herren: konsequente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernkraft. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass unsere Bundesregierung erfolgreich war, ist daran zu erkennen, dass es im Ausland sehr wohl Kritik gegeben hat, wonach die Vereinbarungen, die Österreich mit seinem Nachbarland getroffen hat, zu weit reichend seien. Ich erinnere an Wortmeldungen aus Großbritannien, Frankreich und Spanien. – Das ist eine wahre Anerkennung der Bemühungen der Bundesregie-rung in Bezug auf die Anti-Atompolitik.

In der Anti-Atompolitik genügt es aber nicht, nur aufzuzeigen, wie es nicht geht, sondern man muss Alternativen präsentieren und diese auch praktizieren. Das ist in Österreich unter der Führung unseres Bundesministers Willi Molterer in den vergangenen Jahren in hohem Maße geschehen. Ich verweise auf die umfassende Förderung, die es für Alternativenergien gibt, ich verweise darauf, dass es eine breite Förderpalette für betriebliche Anlagen sowohl im In- als auch im Ausland gibt.

Aber auch rechtliche Rahmenbedingungen sind zu schaffen, die es ermöglichen, die Energie-autarkie Österreichs schrittweise mehr abzusichern. Ein wesentlicher Punkt, der im Zusammenhang damit zu nennen ist, ist die Tatsache, dass es in Zukunft möglich sein wird, Ökostrom un


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ter gleichen Bedingungen bundesweit einzuspeisen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Um unser Know-how und auch unsere effiziente Technologie zu unseren Nachbarn transferieren zu können, sehe ich Energiepartnerschaften als eine sinnvolle Lösung an. Waldviertler Gemeinden etwa haben sich zu einer Energieagentur zusammengeschlossen und praktizieren Energiepartnerschaft bereits in hohem Maße. Besonders freut es mich, dass eine derartige Energiepartnerschaft auch mit Proponenten einer Stadt stattfindet, die die Herkunftsstadt des künftigen tschechischen Regierungschefs ist, und zwar der Stadt .Jindríchuv Hradec, Neuhaus.

Uns geht es darum, umfassende Konzepte gemeinsam mit unserem Nachbarn zu erarbeiten, um den Energieaufwand summarisch zu senken und den restlichen, noch notwendigen Energiebedarf durch erneuerbare Ressourcen zu decken. Das ist verantwortungsvoll und vernünftig, und das ist einfach zukunftsträchtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es muss ein Dialog mit unserem Nachbarn stattfinden, es muss Konsens erzielt werden. Aber die Stärke eines kleinen Landes wie Österreich – und in den Grundsätzen wurde von allen politischen Gruppierungen dieses Hohen Hauses festgelegt, dass prinzipiell, mit Ausnahme von Kleinigkeiten, Konsens besteht – beruht auf seiner Einigkeit. Um diese Einigkeit zum Wohle der jetzigen Generation und der Folgegeneration bitte ich alle Parteien dieses Hohen Hauses inständig. – Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

12.59

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte zu Beginn einige Dinge in Erinnerung rufen, weil ich heute während dieser Debatte das Gefühl nicht loswerden konnte, dass sich die Vergesslichkeit in diesem Haus – hier auf dieser Seite (die Rednerin zeigt in Richtung Freiheitliche)  – sehr breit macht.

Österreich ist mit dem Beitritt zur Europäischen Union in eine neue Dimension der Anti-Atompolitik eingetreten, und das nicht nur deswegen, weil wir damals, als wir 1995 der Europäischen Union beigetreten sind, daran gedacht haben, dass dieses Europa größer wird, sondern weil uns klar war, dass das auch eine Chance für Österreich ist, den österreichischen Anti-Atomweg in Europa weiterzutragen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das war der Auftrag, den wir von der Bevölkerung erhalten haben! Und das war das, was Bundeskanzler Vranitzky damals so sehr ins Zentrum gestellt hat. Er hat damals auch sofort begonnen, zu prüfen, wo denn da mit der Arbeit anzusetzen sei. Die Arbeit, das war klar, musste in der Initiative zur Veränderung des EURATOM-Vertrages liegen. Meine Damen und Herren! Das ist der Schlüssel, das ist das Zentrum einer Anti-Atompolitik auf europäischer Ebene!

Und was machen Sie? – Sie sind auf einem Auge ganz einfach blind. Da sitzen zwei Parteien in einem Boot, beide rudern, allerdings jeweils in die andere Richtung. Dass dabei ein Stillstand herauskommt, wundert niemanden, meine Damen und Herren!

Die einen sagen, sie sind eine europafreundliche Partei, sie wollen ein großes gemeinsames Europa. – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wie wollen Sie das schaffen, wenn die andere Partei, Ihr Koalitionspartner, nicht so sehr den Anti-Atomkurs in den Mittelpunkt stellt, sondern allein den Stopp der europäischen Erweiterung ins Zentrum ihrer Politik gerückt hat? – Das passt nicht zusammen, das wird nicht gehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Fallent. )

Was war unsere Position? – Ich habe mir alles ausgehoben, meine Damen und Herren, insbesondere von der Freiheitlichen Partei. Was haben wir, Bundeskanzler Klima und auch ich als


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Ministerin, damals gesagt? (Abg. Ing. Fallent: Kein EU-Beitritt mit Temelín!)  – Ich werde es Ihnen sofort sagen.

Temelín entspricht derzeit nicht dem Stand der Technik!, das war das Erste, was wir gesagt haben. Und: Kein Beitritt ohne den Stand der Technik! – Und dann gab es einen intensiven Streit über die Frage: Ist Temelín sicher? Entspricht es dem Stand der Technik oder nicht?

Um diese Frage zu klären, haben wir uns darauf verständigt, es möge ein europäisches Verfahren geben, mit der deutschen Expertise, mit der deutschen Bundesregierung, mit dem deutschen Umweltminister. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin damals sehr oft nach Deutschland gefahren und habe mit Umweltminister Trittin verhandelt, und er war auf dem besten Weg, auch ein fiktives Verfahren zu machen. Nur: Als wir nicht mehr in der Regierung waren, als andere Minister kamen und die Hände in den Schoss legten, war es natürlich aus. Und bis heute haben wir den Nachweis, wie es denn tatsächlich um die Sicherheit von Temelín bestellt ist, nicht geliefert bekommen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Molterer. ) Eineinhalb Jahre, zwei Jahre lang nichts tun, das reicht ganz einfach nicht aus, Herr Minister Molterer!

Ich möchte noch einen Beweis erbringen, weil es wichtig ist, dass man auch das immer wieder in Erinnerung ruft. Wir haben am 30. Juni 1999 den so genannten Anti-Atomplan in der Bundes-regierung beschlossen. Darüber gab es im Vorfeld sehr lange Verhandlungen.

Sie erinnern sich vielleicht daran, es gab einen großen Round-Table, an dem saßen Bundeskanzler Klima, Minister Edlinger, Minister Bartenstein, die Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und Oberösterreich und die Umweltorganisationen. Wer nicht an diesem Tisch saß, aber eine ganz maßgeblich Rolle gespielt hat, das war der Außenminister. Und dort ist vereinbart worden, wir verhandeln den Anti-Atomplan, der dann am 30. Juni 1999 beschlossen wurde, aus.

Dann ist verhandelt worden, und zwar sehr intensiv. Herr Minister Bartenstein saß bei diesen Verhandlungen sozusagen mit im Boot, und in letzter Minute mussten auf Wunsch des damaligen Außenministers wesentliche Passagen wieder herausgenommen werden. – Das ist Ihre Haltung in der Anti-Atompolitik, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Ich lese Ihnen gerne einen dieser Sätze vor, die auf Verlangen des damaligen Außenministers herausgenommen werden mussten. Einer hat zum Beispiel gelautet: Die österreichische Bundesregierung wird auf europäischer Ebene dafür eintreten, dass für alle in Betrieb befindlichen Reaktoren, die den derzeitigen Stand der Technik nicht erreichen, verbindliche und unverrückbare Stilllegedaten vereinbart werden, wobei die geplante Lebensdauer nicht überschritten werden darf.

Was heißt das? – Das heißt, dass wir das Signal nach Tschechien, gerade was Temelín betrifft, aussenden wollten: Wir schauen nicht nur bei den Ländern, die beitreten wollen, sondern wir schauen auch bei uns selbst, wir schauen auch innerhalb Europas, wir wollen mit gleichen Maßstäben messen! – Nur so hätte uns Tschechien verstanden, und nur so hätten wir auch konstruktive Ergebnisse zustande gebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Man darf nicht mit zweierlei Maß messen! Dann kann man sich sehr gesichert hinstellen und sagen: Wir sind für ein Tschechien, das der Europäischen Union beitritt, und am besten natürlich ohne Temelín. – Ich bin davon überzeugt, dass dieser konstruktive Weg von Erfolg gekrönt gewesen wäre – im Gegensatz zu Ihrer Politik der Veto-Keule, die Sie immer wieder ins Treffen führen.

Meine Damen und Herren! Es tut mir wirklich sehr, sehr Leid. Ich habe mich drei Jahre lang sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt, und ich wundere mich wirklich nur mehr, mit welch unglaublicher Oberflächlichkeit Sie dieses sehr ernste Thema behandeln (Abg. Dr. Mitterlehner: Was haben Sie verhandelt? Was haben Sie erreicht?) und wie Sie vor allem immer wieder versuchen, die Österreicherinnen und Österreicher zu verunsichern, den Menschen Sand in die


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110. Sitzung / Seite 87

Augen zu streuen. Es wird allerdings nicht funktionieren, davon bin ich überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

13.06

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Prammer, Sie haben Recht, die Vergesslichkeit macht sich wirklich breit in diesem Haus. Sie haben nämlich sehr rasch Ihre Wahlversprechen von 1999 vergessen, und Sie haben auch vergessen, dass es rote Bundeskanzler waren, die es verabsäumt haben, dieses Problem überhaupt zu einem Thema der Beitrittsverhandlungen zu machen, denn dann hätten wir jetzt nämlich eine wesentlich bessere Position! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nach vier Sitzungen des Temelín-Sonderausschusses kann man Folgendes feststellen: Dieser Sonderausschuss war im Interesse der 915 000 Unterzeichner des Volksbegehrens sehr wichtig, und seine Einsetzung war auch richtig. Die zahlreichen geladenen Experten, denen ich hier für ihr Engagement und für ihre Beteiligung an den Ausschussarbeiten danken möchte, haben interessante Informationen geliefert und uns auch interessante Unterlagen übergeben. Sie haben vor allem eines getan: Sie haben unseren Weg bestätigt, der da lautet: Es muss eine Nullvariante geben! Sie haben auch bestätigt und noch einmal schlüssig nachgewiesen, dass dieses Kraftwerk ökonomisch sinnlos ist.

Ich bringe nun einige Zitate von Experten im Ausschuss, die sehr aufschlussreich waren.

Erstes Zitat: Die Inbetriebnahme von Temelín verursacht weit höhere Kosten als die Stilllegung.

Zweites Zitat: Es gibt immer wieder Probleme bei der Information und Auswertung von Stör- und Zwischenfällen.

Drittes Zitat: Wichtige Sicherheitsmaßnahmen wurden vor der Inbetriebnahme unterlassen.

Viertes Zitat: Von Temelín geht ein weit höheres Risiko aus als von allen anderen europäischen AKWs.

Fünftes Zitat: Der Zeitplan bei der so genannten Road Map betreffend Umsetzung des Melker Prozesses wird vom Betreiber schwer einzuhalten sein.

Sechstes und letztes Zitat: Es ist ein unfreundlicher Akt Tschechiens, wenn man uns eine tickende Zeitbombe an die Grenze setzt, aber es ist kein unfreundlicher Akt Österreichs, wenn es daraufhin noch einmal überdenkt, eine "Heirat" mit diesem Nachbarland einzugehen.

Meine Damen und Herren! Der Ausschuss hat wirklich gut gearbeitet, mit Ausnahme der SPÖ, die keinen einzigen konstruktiven Vorschlag eingebracht hat. (Abg. Dr. Moser: Das ist falsch! – Abg. Reheis: Wer schreibt Ihnen diese Rede?)

Die Beiträge des Kollegen Cap waren entweder kabarettreif oder von Unwissenheit geprägt. Meistens war er überhaupt nicht im Ausschuss, das war eigentlich die angenehmste Zeit, denn dann konnte halbwegs konstruktiv gearbeitet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Wer schreibt Ihnen solche Reden?)

Den SPÖ-Schlingerkurs versteht ohnehin niemand mehr. Wie wir wissen, gibt es eine Umfrage, wonach nur mehr 17 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, dass sich die SPÖ glaubwürdig gegen das Atomkraftwerk Temelín einsetzt.

Dieser Schleuderkurs der SPÖ war auch im Ausschuss ein beschämendes Schauspiel in den Augen der 915 000 Unterzeichner. Dieses Schauspiel hat darin gegipfelt, dass man sogar den heute schon mehrfach zitierten Maulkorberlass beschließen wollte. So nach dem Motto "Polit


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büro gibt Befehle aus" wollte die SPÖ die Mandatare, die Regierungsmitglieder sogar der Landtage einfach zensurieren. Das war wohl ein einzigartiges, beschämendes und lächerliches Beispiel, das da geliefert wurde. (Abg. Reheis: Nein, das ist Ihre Rede!) Die SPÖ hat also aus rein parteipolitischen Gründen die österreichische Position schwer geschädigt.

Meine Damen und Herren! Ohne österreichischen Druck, ohne Druck von FPÖ und ÖVP, hätte es kein Melker Abkommen und kein Brüsseler Abkommen gegeben. Ohne österreichische Initiative hätte es keine Thematisierung der AKW-Frage und kein Umdenken in der EU gegeben. Und ohne 915 000 Unterschriften hätte es keinen Post-Melker-Prozess mit dem Ziel einer Nullvariante gegeben.

Meine Damen und Herren! Es gibt nur mehr drei Länder in der EU, die strikt an der Atomenergie festhalten. Es sind dies Frankreich, Finnland und Großbritannien. Alle anderen haben entweder den Ausstieg beschlossen, ihn schon vollzogen oder haben überhaupt keine AKWs in Betrieb.

Gerade deswegen ist es so wichtig, dass es im Rahmen der EU-Erweiterung nicht zu einem Schritt zurück kommt, einem Schritt zurück, der so aussieht, dass die Beitrittskandidaten ihre Schrottreaktoren weiter in Betrieb lassen können, oder der, wie eben bei Temelín, so aussieht, dass die Beitrittskandidaten einfach ihre unsicheren Kraftwerke weiterhin in Betrieb nehmen können. Meine Damen und Herren! Diesen Schritt zurück wollen wir auf keinen Fall gehen!

Die Position der Opposition ist in der Tat äußerst schwach, und Tschechien wäre in der Tat dumm, wenn es bei einer solch schwachen Position nur irgendetwas zur Verbesserung von Temelín tun würde. Nein, meine Damen und Herren! Wir bleiben bei unserer Position! Wir bleiben der Anwalt der 915 000 Volksbegehren-Unterzeichner. Wenn ein Nachbar nicht einmal bereit ist, einen Dialog zu führen oder mit uns zu reden, dann ist er in der Tat nicht gemeinschaftsfähig und dann muss man auch über ein Veto nachdenken dürfen!

Meine Damen und Herren! Die Fakten sind also klar: Temelín wird nie und nimmer sicher sein, Temelín wird nie wirtschaftlich sein, und die Alternativen müssen daher auch der tschechischen Regierung klar sein: entweder jährlich Millionen an Verlusten bei Temelín oder jährlich Millionen an Fördergeld aus Brüssel. Der Unterschied sind mehrere hundert Millionen € über Jahre betrachtet. – Dieses und nur dieses Argument wird Tschechien überzeugen, und vor die Entscheidung gestellt, wird sich Tschechien mit Sicherheit gegen Temelín entscheiden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

13.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle sind uns in der Zielsetzung einig, dass ein Ausstieg aus der Atomenergie die einzige Strategie ist, die hier zu verfolgen ist. Und als einer, der das schon sehr viele Jahrzehnte lang tut, als einer, der gegen Bohunice, Mochovce und andere dieser gefährlichen Kraftwerke viele Unterschriften gesammelt hat, meine ich, dass dieser Grundkonsens der Ausstiegsstrategie nicht verlassen werden sollte.

Ich habe sehr eindrucksvoll erlebt – ich habe schon einmal darüber berichtet –, wie Opfer aus Tschernobyl bei uns auf Urlaub waren, wie die Kinder gespielt haben – ich wiederhole das ganz bewusst! –, und ich habe dann gefragt, wie es den Kindern geht, wie es weitergeht. Ich habe damals die Antwort bekommen, dass die Hälfte dieser Kinder im Frühjahr nicht mehr unter uns sein wird. – Ich muss Ihnen sagen, wer diese Bilder gesehen hat, der muss für den Ausstieg kämpfen! Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ing. Fallent. )

Worum geht es eigentlich? – Auch ich bedaure, dass der breite Konsens nicht zustande gekommen ist, weil ich meine, dass von Seiten der Regierung durchaus Handlungen hätten gesetzt werden können, die diese Zustimmung möglich gemacht hätten.


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110. Sitzung / Seite 89

Ich halte überhaupt nichts davon, dass man hier eine Doppelstrategie verfolgt, nämlich auf der einen Seite eine gewisse Untätigkeit oder ein schlichtes Zulassen von Dingen. Denn da geht es ja um ein Zulassen! Sie hätten zum Beispiel – um das deutlich zu sagen – in Sevilla die Gelegenheit gehabt, gegen das Grünbuch zumindest Stellung zu nehmen, und Loyola de Palacio hätte dann vielleicht die österreichische Position als glaubwürdiger empfunden und besser verstanden. Aber da wird geschwiegen, da wird nichts gesagt, und das richtet sich eigentlich gegen die Position des gemeinsamen Ausstieges!

Wir wissen, dass die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher – natürlich auch jene, die das Volksbegehren unterschrieben haben –, nämlich etwa 79 Prozent, Angst vor Atomkraftwerken haben. Andererseits sagen aber 63 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher auch, dass dies nicht als eine Verhinderung des EU-Beitritts von Tschechien gewertet werden soll. All das sollte man berücksichtigen.

Ich meine, es wäre gut, wenn zwischen Wien und Prag eine Art Deeskalierung einträte. Die Beziehungen zwischen Wien und Prag waren über Jahrhunderte von manchen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Es nützt aber nichts, wenn man mit Drohgebärden reagiert, sondern man muss in einen fruchtbaren Dialog eintreten, und diesen vermisse ich auf breiter Ebene. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

13.16

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren bekommen wir aus Tschechien das eindeutige Signal: Wir nehmen ganz sicher Temelín in Betrieb, und wir heben die Beneš-Dekrete nicht auf.

Es gibt eine Bundesregierung, die sich sehr bemüht hat, in beiden Feldern Erfolge zu erzielen. Tatsache ist, es gibt den Melker Prozess, und Tatsache ist auch, es gibt das Brüsseler Abkommen. Und dann gibt es ein Volksbegehren, das 915 000 Österreicherinnen und Österreicher unterschrieben haben, die Hoffnung darauf setzen, dass sich die Bundesregierung und auch das Parlament bemühen werden, ihren Hoffnungen Rechnung zu tragen.

Es gibt auch, wie von allen Seiten beteuert wird, einen Grundkonsens. Dieser Grundkonsens bezieht sich darauf, dass alle die so genannte Nullvariante, also die Stilllegung von Temelín, anstreben, weil es sich ökonomisch nicht rechnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und dann gibt es die heutige Diskussion hier. Glauben Sie mir, diese Diskussion hätte streng geheim, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden müssen, denn das, was heute gesagt wurde, entspricht nicht den Erwartungen der Österreicherinnen und Österreicher. Und schon gar nicht und in keiner Weise ist es ein Beitrag, um Tschechien in der Causa Temelín oder in der Causa Beneš-Dekrete nur irgendwie zu bewegen.

Welchen Grund hätte es auch, wenn wir ein solch zerstrittenes Bild bieten?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

13.19

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren, die, wie immer nach der Fernsehübertragung, nur sehr rar hier im Saal vertreten sind! Die Erwartungen der Österreicherinnen und Österreicher, geschätzter Herr Kollege Mühlbachler, werden heute sicher nicht erfüllt. Da gebe ich dir Recht. Sie wurden aber hinsichtlich


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110. Sitzung / Seite 90

eines geschlossenen Auftretens gegen Temelín und gegen die Atomkraft in Europa eigentlich noch nie erfüllt.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran – und Sie alle werden sich wahrscheinlich auch daran erinnern –, dass im Dezember des Vorjahres die ÖVP-FPÖ-Regierung die Zustimmung zum vorläufigen Abschluss des Energiepakets gegeben hat. Jeder, der die Sprache in Europa kennt, weiß, dass diese vorläufige Zustimmung nur unter ganz, ganz besonderen Voraussetzungen wieder zurückgenommen werden kann, im Grunde eigentlich nicht. Ich erinnere mich auch daran, dass Herr Abgeordneter Khol im Jänner (Abg. Dr. Khol, der soeben zu seinem Sitzplatz zurückgekehrt ist: Ja? Hier ist er!) – ich begrüße Sie, Herr Abgeordneter! – gesagt hat: Ob es 100 000 sind oder ob es eine Million sind, die unterschreiben (Abg. Dr. Khol: Es wird ordentlich behandelt!), es wird kein Veto geben! (Abg. Dr. Khol: Nein, ich habe gesagt: Es wird ordentlich behandelt!)  – Nein, nein, nein!

Ich zitiere wörtlich aus dem "FORMAT" vom 21. Jänner:

"Ob 100 000 oder eine Million unterschreiben, macht keinen Unterschied. Wir werden kein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens einlegen."

Dann kommt das Volksbegehren "Veto gegen Temelín". – Ich frage mich, was diese Spielerei mit der Angst der Menschen, die sich wirklich vor Temelín und vor allen sonstigen Atomkraftwerken fürchten, bedeuten soll.

Und jetzt weiß man offensichtlich nicht mehr so recht weiter: Was soll jetzt geschehen? Jetzt ist man dagegen, dass man eine Ausstiegskonferenz beantragt; jetzt ist man dagegen, dass man von diesem Veto nicht mehr Gebrauch macht – ich weiß nicht, wie die ÖVP dazu steht –; und jetzt kommt man plötzlich auf die Idee, eine parlamentarische Exkursion nach Prag zu machen, um dort die Verhandlungen zu führen. Herr Minister Molterer hat dazu sehr deutlich gesagt, dass ihm eigentlich nicht sehr gut dabei ist. Er ist an sich ein Optimist – so hat er, glaube ich, wörtlich gesagt –, aber in diesem Punkt, also in der Frage, wie denn das weitergehen wird, ist sein Optimismus sehr zurückhaltend.

Hätten wir diesem Energiepaket vorläufig nicht zugestimmt, dann hätten wir jetzt sicherlich die Möglichkeit der Diskussion mit unseren tschechischen Nachbarn, dann hätten wir jetzt sicherlich die Möglichkeit, sehr intensive Gespräche zu führen, und bräuchten uns nicht auf den Standpunkt zurückzuziehen: Nun ja, wenn die Roten nicht mitfahren, dann haben wir schon den Schuldigen – und wenn die Roten mitfahren, genauso, denn in Tschechien ist ein roter Regierungschef, und von Österreich kommen rote Abgeordnete, und wenn die nicht miteinander können, dann wissen wir schon, wer schuld ist. – So wird sicher nicht gespielt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

13.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist vielleicht ganz gut, dass in diesem Saal jetzt etwas Ruhe eingekehrt ist, sodass man dieses Thema auch in Ruhe und mit der gebotenen Sachlichkeit besprechen kann. Ich glaube, Herr Kollege Mag. Gaßner, es hat wenig Sinn, im coniunctivus irrealis zu sprechen und auszuführen, was hätte sein können oder werden können. Ich meine, es ist sehr wichtig, dass wir in die Zukunft blicken und uns überlegen, was wir tun können.

Herr Abgeordneter Kiss hat gestern in seiner Rede einen Satz ausgesprochen, den ich mir notiert habe – ich glaube, er wird mir die Genehmigung erteilen, ihn weiterzuverwenden. Er hat gesagt, "dass die Sprache der Schlüssel zum Mitmenschen ist".

Ich möchte im Zusammenhang damit, dass jetzt vorgesehen ist, dass eine Parlamentarierdelegation nach Prag fährt, daran erinnern, dass vor zwei Wochen auch eine Parlamentarierdele


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gation, nämlich unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Bruckmann, an der auch Frau Mag. Muttonen, Frau Dr. Petrovic und ich teilgenommen haben, nach London gereist ist. Auch dort ist das Thema Temelín besprochen worden, und wir konnten von Seiten der englischen Parlamentarier zunächst einmal vernehmen, dass man keinerlei Interesse daran hat, sich in ein bilaterales Gespräch zwischen Österreich und Tschechien einzumengen, dass England weiterhin auf die Nutzung der Atomkraft baut und dass man dieses Thema nicht einmal antasten möchte.

Wir haben daraufhin erklärt, und zwar in sehr einfachen Worten, worin überhaupt die Problematik dieses Atomkraftwerkes Temelín besteht. Ich glaube, wir sollten unserer weiteren Vorgangsweise auch die Überlegung voranstellen, dass wir im Grunde genommen heute gar nicht die Tschechen für das Entstehen dieses Giga-Kraftwerkes Temelín verantwortlich machen können. Es waren vielmehr die damaligen Sowjetkommunisten, die die Tschechen dazu gedrängt haben, dieses große Kraftwerk mit einer 1 000-Megawatt-Turbine zu bauen, obwohl die Skoda-Werke bislang nur Erfahrung mit wesentlich kleineren Turbinen, mit bis zu einem Viertel dieser Leistung, hatten und davon auszugehen war, dass bei einer Turbine mit einer Leistung von 1 000 Megawatt – es sind ja damals diesbezügliche Versuche in Amerika durchgeführt worden – kaum beherrschbare Schwingungen im oberkritischen Bereich auftreten, die einen Schaufelbruch nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich machen.

In diesem Falle müssten die Kühlleitungen die Dampfabkühlung übernehmen. In Temelín ist das aber leider nicht möglich, denn es wurden die Kühlleitungen direkt neben den Dampfleitun-gen verlegt. Im Falle einer Explosion wird es daher zu einem GAU kommen. Auch verfügt das AKW Temelín nicht, so wie die britischen Kraftwerke, über eine doppelwandige Schutzhülle.

Das hat den britischen Parlamentariern doch sehr, sehr zu denken gegeben. Sie haben uns zugesagt, dass man sich mit dieser Thematik näher beschäftigen möchte, und haben uns auch eingeladen, einen entsprechenden Brief nach London zu schicken und diese Thematik noch einmal aufzurollen, sodass auch die Mandatare des Europäischen Parlaments die Möglichkeit haben, Einsicht in diese Unterlagen zu nehmen.

Im Entschließungsantrag der SPÖ von Herrn Dr. Cap steht auf der ersten Seite, dass Gespräche rechtswirksam nur auf Regierungsebene geführt werden können. Ich bin der Meinung, dass es doch auch sehr, sehr hilfreich wäre, wenn zusätzlich Parlamentariergespräche stattfinden könnten.

Wir haben hiefür die entsprechenden Vorarbeiten geleistet. Ich möchte in diesem Zusammenhang die abweichende persönliche Stellungnahme zum Bericht, die der Initiator des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" Dr. Hans Achatz abgegeben hat, in Erinnerung rufen, in der er ausdrücklich Folgendes vermerkt:

"Aus einem Rechtsgutachten der Universität Linz geht klar hervor, dass die verfassungsmäßigen Organe der Republik verpflichtet sind, alles zu unternehmen, um die Menschen Österreichs vor Schaden zu bewahren." (Beifall bei den Freiheitlichen und Bravoruf des Abg. Ing. Fallent. )

Wir sind ein verfassungsmäßiges Organ und haben daher alles zu unternehmen.

Ich habe mich sehr gefreut und auch gewundert, als Herr Klubobmann Dr. Cap zu Beginn seiner Rede sagte, er strebe eine rot-weiß-rote Lösung an, er sei noch heute für Bemühungen zur Erreichung einer rot-weiß-roten Lösung zu haben, es sei bis zur Beschlussfassung nicht zu spät für einen Versuch, eine derartige Lösung zustande zu bringen.

Ich appelliere an Sie, an Ihre staatspolitische Verantwortung als verfassungsmäßiges Organ, als welches Sie die Menschen hier in Österreich vor Schaden zu bewahren haben, hier noch einmal umzudenken. Darüber hinaus müsste es Ihnen, wie ich meine, doch auch angenehm sein, damit Ihr Wahlversprechen aus dem Jahr 1999, dass Sie dafür sorgen würden, dass Temelín nicht ans Netz geht, einzulösen. Stimmen Sie daher unserem Entschließungsantrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

13.28


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. (Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abgeordneten Heinzl –: Toni, gib Gas!)

13.28

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, wir alle hier sind uns einig darüber, dass Temelín eines der sinnlosesten Kraftwerke ist, die je gebaut worden sind: Temelín ist volkswirtschaftlich sinnlos, betriebswirtschaftlich sinnlos und für uns alle höchst gefährlich!

Durch Dumping-Exporte von Temelín-Atomstrom wird aber auch der Marktwert von Kraftwerken, die erneuerbare Energie umwandeln, sehr geschädigt.

Durch diese Exporte von Temelín-Atomstrom werden aber auch die Preisreduktionen im Zuge der Liberalisierung des österreichischen Strommarktes finanziert. Es ist nämlich technisch wie rechtlich nicht zu verhindern, dass sich ausländische Stromlieferanten für ihre Verkäufe auf dem österreichischen Markt mit tschechischem Atomstrom eindecken. Auch Hunderte Verordnungen des Wirtschaftsministers – auch wenn sie noch so gut gemeint sind –, die uns das Gegenteil zu erklären versuchen, können das nicht verhindern, sehr geehrte Damen und Herren.

Temelín ist auch eine Nagelprobe für die bilateralen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik. Temelín ist eine Nagelprobe, wenn es um die Frage geht, welchen Stellenwert die Europäische Union derzeit dem Ausstieg aus der Atomenergie beimisst. Temelín ist aber auch eine Nagelprobe für die amtierende Bundesregierung. Und eines muss schon gesagt werden, sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus: Noch nie in der Geschichte Österreichs ist es der Fall gewesen, dass eine Regierung so offensichtlich mit einem solch ernsten Sachthema Wahlkampftaktik betreibt, wie das jetzt diese blau-schwarze Regierung macht.

Temelín ist ein Sicherheitsrisiko für Österreich und auch für die Tschechische Republik. Die Art und Weise, in der Blau und Schwarz mit der Sachfrage Temelín umgehen, ist aber mit Sicherheit auch ein Risiko für die Interessen der österreichischen Bevölkerung!

Hohes Haus! Ich meine, es ist an der Zeit, den EURATOM-Vertrag, insbesondere dessen Zielsetzung so umzuschreiben, dass ein sauberer Ausstieg aus der Atomenergie finanziert werden kann. Das ist das, was die Bundesregierung tun sollte, sehr geehrte Damen und Herren!

Was aber geschieht stattdessen? – Der Bundeskanzler inszeniert den Melker Prozess, will ihn aber abseits von Kameras vom Vertragspartner nicht sonderlich ernsthaft einfordern. Und den Blauen – das wurde in der heutigen Debatte schon sehr oft gesagt – fällt nichts Besseres ein, als einmal täglich die Veto-Keule gegen die Tschechen zu schwingen. Das bringt zwar nichts, weil sie, wie wir wissen, seit der Zustimmung der Außenministerin zur vorläufigen Schließung des Energiekapitels eigentlich nur noch ein Schaumstoffknüppel ist, aber zur Beeinträchtigung der bilateralen Beziehungen reicht es allemal. Mehr als einen Streit mit den Nachbarn will ein echter Nationalist auch gar nicht. Das ist ja das Einzige, worin die Nationalisten den Sinn ihres Daseins zu sehen scheinen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich fordere die Bundesregierung noch einmal auf: Betreiben Sie auf europäischer Ebene den Einstieg in den Ausstieg von der Atomenergie! (Beifall bei der SPÖ.)

13.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte.

13.32

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe meinem Vorredner Recht: Temelín ist sinnlos – ge


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nauso, wie Zwentendorf sinnlos ist. Es besteht nur ein Unterschied: Temelín ist im Gegensatz zu Zwentendorf brisant und gefährlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe die Haltung der Sozialdemokraten nicht. Egal, ob von einer Erweiterung der Europäischen Union wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind oder nicht, eines steht für mich fest: Temelín gefährdet die Zukunft unserer Jugend (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), und kein wirtschaftlicher Vorteil kann dieses Risiko aufwiegen!

Kollege Cap! Wir werden Ihnen Gelegenheit geben, noch einmal in sich zu gehen und die ganze Sache zu überdenken. Ich bringe aus diesem Grund folgenden Rückverweisungsantrag ein:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückverweisung gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG-NR

Der Nationalrat wolle beschließen, den Ausschussbericht 1250 der Beilagen (XXI. GP) – Volksbegehren (1065 der Beilagen) "Veto gegen Temelin", zur weiteren Behandlung an den Besonderen Ausschuss zur Vorberatung des Volksbegehrens (1065 der Beilagen) "Veto gegen Temelin" rückzuverweisen.

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben vorgetragene Antrag ausreichend unterstützt ist und mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung steht.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen daher zu den Abstimmungen, wobei ich zuerst über den Rückverweisungsantrag abstimmen lassen werde, weil sich im Falle einer Annahme die Abstimmung über den Gegenstand selbst erübrigen würde, und in der Folge dann über die weiteren vorliegenden Anträge.

Zunächst liegt mir ein Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen vor, den Gegenstand: Volksbegehren "Veto gegen Temelin", 1065, 1250 der Beilagen, an den Besonderen Ausschuss zur Vorberatung des Volksbegehrens rückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Rückverweisungsantrag stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Damit wird die Materie im Besonderen Ausschuss weiter beraten, und es erübrigt sich, wie ich bereits angekündigt habe, die Abstimmung über den Gegenstand selbst. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Jetzt gebt euch einen Ruck! Klubobmann Cap! Jetzt gebt euch einen Ruck! – Unruhe im Saal.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek, Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur raschen Erweiterung der Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Die Abgeordneten der Grünen erheben sich von ihren Plätzen, nicht jedoch die Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Glawischnig  – in Richtung SPÖ –: Das ist euer Antrag! – Lebhafte ironische Heiterkeit und Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP so


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wie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Josef, peinlich! Gib den Löffel ab! – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist schon länger geschlossen. Wir befinden uns bereits im Abstimmungsvorgang! (Abg. Mag. Schweitzer: Das war die Linie der SPÖ! – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Chaos-Truppe!)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1251 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 143.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Initiative der österreichischen Bundesregierung im Rahmen der Anti-Atom-Politik Österreichs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Mag. Schweitzer, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend zukünftige Schwerpunkte der Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des AKW Temelín.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 144.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1252 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit ... (Abg. Mag. Schweitzer  – auf die Freiheitlichen und die ÖVP weisend –: Also es ist schon gut, dass diese Hälfte regiert, und nicht die dort! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte, während des Abstimmungsvorganges Zwischenrufe zu vermeiden, weil sonst unklar wird, worüber gerade abgestimmt wird. (Abg. Mag. Schweitzer: Vielleicht sollten wir durch Zwischenrufe Klarheit hineinbringen! – Abg. Dr. Martin Graf: Vielleicht sollte der Keppelmüller wieder ... werden! Beim Keppelmüller wäre das nicht passiert!)

Ich stelle eine Mehrheit für die Kenntnisnahme des Ausschussberichtes fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Be-richt 1253 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1254 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Der Leikam fehlt da! Der war halt noch ein Ordner!)

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1255 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Mehrheit und damit die Annahme fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1256 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

8. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1159 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz) (1226 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1160 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002) (1240 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf die SPÖ weisend –: Chaos-Truppe! Stell dir vor, die würden regieren, was da los wäre!)

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. Ich erteile es ihr hiemit. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Sima –: Frau Sima, warum haben Sie gegen Ihren Antrag gestimmt, und die ganze Fraktion mit Ihnen? Können Sie uns das erklären?)

13.40

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Thema Luftreinhaltegesetz. Mit diesem Gesetz wird eine bundeseinheitliche Regelung für die Verpflichtung zur Reinhaltung der Luft und zum Verbot des Verbrennens von nicht biogenem Material geschaffen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wäre beim Keppelmüller nie passiert! Das war blamabel! – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Herr Westenthaler! Blamabel sind Sie, vor allem mit Ihren ständigen unpassenden Zwischenbemerkungen! (Beifall bei der SPÖ.) Das haben wir heute bereits während der Fernsehübertragungszeit festgestellt, aber Sie hören einfach nicht auf damit! (Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt gegen ihren eigenen Antrag! Eine Peinlichkeit! Sie sollten einmal hinterfragen, ob Sie sich überhaupt auskennen!)

Dieses Gesetz wird von unserer Seite prinzipiell ganz ausdrücklich begrüßt, weil die Grundintentionen – und das haben wir auch im Ausschuss so verhandelt – natürlich positiv sind.

Was aber nicht zu begrüßen ist und was ich sehr bedauere, Herr Bundesminister, ist der Abänderungsantrag, der im Ausschuss noch in letzter Minute von den Regierungsparteien vorgebracht wurde, weil mit diesem Antrag sehr weitreichende Ausnahmebestimmungen für die Landwirtschaft geschaffen werden sollen, und das noch dazu in zwei Kernpunkten des Gesetzes.

Diese zwei Kernpunkte betreffen einerseits die Beeinträchtigung und Belästigung Dritter durch üble Gerüche und andererseits Luftschadstoffemissionen. Ich finde es sehr schade, sehr be


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dauernswert und eigentlich auch durch nichts rechtfertigbar, dass eine so breite Ausnahme für die Landwirtschaft bei ordentlicher Praxis geschaffen wird. Ich würde von Ihnen gerne noch einmal hören, wie Sie glauben, rechtfertigen zu können, dass dieses Gesetz im Prinzip für alle Menschen gilt – außer für die Landwirte bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung.

Warum? – Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen, und das ist auch der Grund dafür, dass wir dagegen stimmen werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Frau Kollegin Sima, warum hört Ihnen niemand zu? – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) – Ich weiß schon, Herr Westenthaler, dass Sie die Luftreinhaltung überhaupt nicht interessiert!

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Das betrifft nicht nur einen einzelnen Abgeordneten, sondern es ist generell so viel Unruhe im Saal, dass es für die Rednerin wirklich schwierig ist, ihre Ausführungen verständlich darzubringen. Ich bitte, das zu berücksichtigen. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf die Rednerin weisend –: Völlig von der Rolle!)

Ich bitte die Frau Abgeordnete, ihre Ausführungen fortzusetzen.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (fortsetzend): Herr Kollege Westenthaler! Ich bin überhaupt nicht von der Rolle (Abg. Ing. Westenthaler: Naja, Sie haben gerade gegen Ihren eigenen Antrag gestimmt!), aber Sie sind es offensichtlich, mit Ihrer kindischen Freude, die Sie zum Ausdruck bringen! – Ich weiß nicht, das ist wirklich sehr eigenartig. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Abstimmung als Abgeordneter ist schon wichtig, oder?)

Zurück zur Luftreinhaltung, die Sie offensichtlich nicht interessiert – ich nehme das zur Kenntnis. Ich halte das für ein wichtiges Thema, und deswegen versuche ich, hier meine Einwände vorzubringen, denn Sie haben offensichtlich vor, hier breite Ausnahmen für die Landwirtschaft zu schaffen, die durch absolut nichts gerechtfertigt sind. Ich würde mir gerne anhören, wie Sie das in irgendeiner Weise rechtfertigen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Es gibt einen Kurs: "Richtiges Abstimmen für Anfänger"!)

Herr Bundesminister Molterer! Das, was mich natürlich sehr betrübt, ist, dass in der gesamten Debatte um die Luftreinhaltung offensichtlich wieder einmal der Landwirtschaftsminister gegen den Umweltminister gewinnt. Dass Sie hier so breite Ausnahmen für die Landwirtschaft schaffen, ist wirklich sehr schade und durch nichts zu begründen, und das ist auch der Grund dafür, dass wir gegen dieses Gesetz stimmen werden, auch wenn es prinzipiell, von der Intention her, die darin bestand, hier einmal einheitliche Standards zu schaffen, eine gute Ausrichtung aufwies. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornegger. – Bitte.

13.43

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Was Ihre Ausführungen zum Bundesluftreinhaltegesetz betrifft, Frau Kollegin Sima, so ist es für Sie natürlich bedauerlich, dass Ihnen nicht einmal Ihre eigene Fraktion folgen kann.

Ziel dieses Gesetzes ist es, Frau Kollegin, dass die Zusammensetzung der Luft in einem solchen Ausmaß erhalten bleibt, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, der Schutz des Lebens von Tieren und Pflanzen so weit wie möglich sichergestellt sind.

Betreffend die Verpflichtung zur Reinhaltung der Luft heißt es in § 2:

"Jedermann ist verpflichtet, bei all seinen Handlungen und Unterlassungen darauf zu achten, dass die natürliche Zusammensetzung der Luft ... nicht ... verändert wird."

Genau bei diesem Punkt möchte ich einhaken – Frau Sima hat ja auch hauptsächlich zu diesem Thema Stellung genommen –, und zwar insofern, als Dritte davon betroffen sind, wenn es um


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üble Gerüche geht. Diesbezüglich steht jetzt im Gesetzentwurf, dass dies, "soweit dies technisch möglich ist", zu vermeiden ist.

Meine Damen und Herren! Technisch möglich ist heute fast alles! Es kann aber nicht alles umgesetzt und finanziert werden. Wenn diese Bestimmung nämlich, so wie sie jetzt im Gesetzentwurf steht, weiter bestehen würde, dann würde dies für viele kleine bäuerliche Familienbetriebe das Aus bedeuten. Daher ist es für die Landwirtschaft von großer Wichtigkeit, dass es im Gesetz heißt: "soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist". (Abg. Dr. Glawischnig: Es gibt keinen "Stand der Technik"!)

Frau Kollegin Sima und Frau Kollegin Glawischnig! Sie haben im Ausschuss schon festgestellt, dass das ein Freibrief für viele Landwirte sei. Wenn Sie auch nur ein bisschen Ahnung davon hätten, wie die Praxis in der Landwirtschaft ausschaut und wie man Wirtschaftsdünger ausbringen kann und muss, dann würden auch Sie diesem Punkt zustimmen und nicht sagen, dass dies ein Freibrief für viele Landwirte ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das ist ja ein Schutz für die Biobauern, weil die keinen chemischen Dünger ausbringen dürfen!)

Herr Kollege Schwarzenberger wirft gerade ein, was ich Herrn Pirklhuber sagen wollte: Die Vertreter der Biobauern, genau jene, die sich stark für die Biobauern einsetzen und die genau wissen, dass diese nur mit landwirtschaftlichem Wirtschaftsdünger arbeiten sollen, wollt ihr bestrafen! Genau die Biobauern wollt ihr jetzt eliminieren und weghaben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Wieso bestrafen?)

Wer nämlich weiß, dass bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger die Witterungsbedingungen maßgeblichen Einfluss darauf haben, ob Geruchsbelästigung entsteht oder nicht, wird mir Recht darin geben, dass genau dieser Abänderungsantrag, der von uns heute eingebracht werden wird, zum Schutze vieler kleiner Landwirte ist. Die Regelung in ihrer derzeit vorliegenden Fassung würde nämlich bedeuten, dass, wenn irgendwo eine Anzeige wegen einer leichten Geruchsbelästigung erfolgt, die betreffenden Bauern bestraft werden, und sie würden mit sehr hohen Strafen rechnen müssen.

Daher richte ich an Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch einmal den Appell, unseren Abänderungsantrag zu unterstützen, damit wir die kleinbäuerliche Struktur durch dieses Gesetz nicht gefährden. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

13.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

13.47

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf wieder darauf zurückzukommen, worum es bei diesen Gesetzen überhaupt geht. Wir diskutieren jetzt zwei Gesetze: Das eine ist das Bundesluftreinhaltegesetz, und das andere ist ein EU-Anpassungsgesetz zum Strahlenschutz.

Zum ersten dieser beiden Gesetze: Ziel ist es im Wesentlichen, eine Auffangklausel zu schaffen, die neben allen anderen Luftreinhaltebestimmungen eine Verpflichtung für jedermann zur Reinhaltung der Luft vorsieht. Dabei geht es um die Frage, in welchem Zusammenhang man gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen, gegen Belästigungen vorgehen kann. Und genau in diese Regelungen haben Sie eine Ausnahmeklausel für die Landwirtschaft eingearbeitet. Das bedeutet, dass jedermann in Österreich generell zur Reinhaltung der Luft verpflichtet ist – nur nicht landwirtschaftliche Betriebe!

Sie argumentieren jetzt dahin gehend, dass Sie sagen, ein landwirtschaftlicher Betrieb wird ohnedies ordnungsgemäß geführt. Ich sage dazu nur: Es gibt keinen "Stand der Technik" in der Landwirtschaft, und es gibt massive Probleme! Wir sprechen hier nicht von jenem Bild, das Sie in diesem Zusammenhang zu zeichnen versuchen, wenn Sie von Biobetrieben und kleinen


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110. Sitzung / Seite 98

Landwirtschaften reden, sondern es geht hier vor allem um industrielle Tierhaltungsanlagen, um Massentierhaltungsbetriebe, durch die es zu extremer Geruchsbelästigung für die Nachbarn kommt und durch deren Emissionen es sogar zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen kann. (Einige Abgeordnete der SPÖ führen in den vorderen Bankreihen ein Gespräch.)

Das ist der Bereich, den Sie völlig verleugnen! Sie zeichnen hier ein romantisches Bild der Landwirtschaft und reden vom Ausbringen von Dünger. Darum geht es nicht! Es geht um einen Konfliktbereich zwischen Massentierhaltungsbetrieben und Menschen, die in deren Umkreis leben. Diese Menschen entrechten Sie durch dieses Gesetz, und das ist alles andere als fair! (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dietachmayr! Da die Beratungen mit Ihren Kollegen jetzt schon längere Zeit andauern und auch einen gewissen Lärmpegel verursachen, ersuche ich Sie, diese abzuschließen beziehungsweise so durchzuführen, dass die Rednerin nicht gestört ist.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Ich persönlich und wir von der grünen Fraktion, wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn ein großer Betrieb zum Beispiel nach der UVP genehmigt worden ist und bestimmte Standards einfach einhalten muss. Es gibt in Österreich aber sehr viele Fälle, in denen Geflügelhaltungen unter der UVP-Schwelle errichtet worden sind, in denen Betriebe weitaus mehr Hühner halten, als genehmigt ist, wo zum Beispiel illegal betriebene Maistrocknungsanlagen eingesetzt werden und wo auch nichts dagegen unternommen wird. Alle Nachbarn, die mit solchen Problemen zu kämpfen haben, entrechten Sie!

Hier geht es also um alles andere als um irgendeine Form von Bestrafung, wie Sie es genannt haben, der Landwirtschaft. Das hat mit Bestrafung überhaupt nichts zu tun, sondern die Regelung, wie Sie sie jetzt vorsehen, schafft eine extreme Schieflage. Ich verstehe nicht, warum sich die Industrie- und Wirtschaftsbetriebe nicht stärker darüber aufregen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Weil die keinen Wirtschaftsdünger haben, Frau Kollegin! – So ein Schwachsinn!)

Industrie- und Wirtschaftsbetriebe müssen in so vielen Bereichen Emissionsstandards einhalten, Filteranlagen et cetera einbauen, müssen sich Dutzenden Verfahren unterziehen – die Landwirtschaft aber wird da von allem befreit.

Da Sie von der ÖVP behaupten, eine gute landwirtschaftliche Praxis, die die Gesetze in Bezug auf den Chemikalien-Bereich einhält, reiche, um die Nachbarn vor gesundheitsbeeinträchtigenden Emissionen zu schützen, frage ich Sie, wo Sie wirklich leben. (Rufe bei der ÖVP: Auf einem Bauernhof!) Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, lieber Herr Kollege, und ich muss daher sagen: Es geht nicht um dieses romantische "Milka"-Kühe-Bild, das Sie hier zu zeichnen versuchen (Abg. Hornek: So dumm ist kein Bauer, dass er "Milka"-Kühe ...!), sondern um Betriebe, die bis zu 60 000 Tiere halten – und das ist etwas ganz anderes!

Dass Sie, Herr Umweltminister Molterer, da beide Augen zudrücken, ist wiederum ein Beleg dafür, dass Sie immer wieder den Landwirtschaftsminister Molterer gegen den Umweltminister Molterer gewinnen lassen und Umweltinteressen hinter die der Landwirtschaft stellen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben Interesse daran, dass es ein gutes Bundesluftreinhaltegesetz gibt und bringen daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Freundinnen und Freunde betreffend den Gesetzentwurf für ein Bundesluftreinhaltegesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:


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110. Sitzung / Seite 99

Die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz) in der Fassung des Ausschussberichtes 1226 der Beilagen wird geändert wie folgt:

1. In § 1 entfallen die Worte: "soweit wie möglich".

2. § 2 Abs. 2 lautet: "Gesundheitsbeeinträchtigende Gerüche und unzumutbare Belästigungen durch üble Gerüche sind zu vermeiden".

3. In § 2 Abs. 3 entfallen die Worte: "oder bei ordnungsgemäßer landwirtschaftlicher Bewirtschaftung entstehen". – Das ist die Ausnahme für die Landwirtschaft.

4. In § 2 wird folgender Abs. 4 angefügt: "Im Falle des Verstoßes gegen Abs. 1 und 2 hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Beendigung der unzulässigen Luftverunreinigungen oder Geruchsverursachungen aufzutragen."

*****

Letzteres bedeutet, dass eine Sanktionsmöglichkeit eingeführt wird.

Noch kurz zwei Sätze zum Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002, bei dem es im Wesentlichen um die Umsetzung von EU-Richtlinien geht. Das ist an und für sich ein begrüßenswertes Vorhaben, da Österreich, was die Umsetzung betrifft, bereits seit über zwei Jahren überfällig ist. Das ist wieder etwas, wo ich mich frage, warum man das nicht gleich ordentlich gemacht hat, so wie das eben bei vielen anderen Regelungen der Fall ist, die man bei uns zwei Jahre lang nicht umgesetzt hat.

Was in diesem Gesetz auch geregelt ist – und das ist nicht nur erstaunlich, sondern sogar erschütternd für einen Nicht-Atomstaat wie Österreich –, ist, dass die Kosten für die Entsorgung, die für österreichischen Atommüll anfallen und sehr hoch sind, erstmals beziffert werden, nämlich 90 Millionen € oder 1,2 Milliarden Schilling bis zum Jahr 2012.

Im Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 ist auch verankert, wie Österreich in Zukunft endlagermäßig mit dem österreichischen Atommüll umgehen wird. Und da habe ich folgende Befürchtung, Skepsis beziehungsweise Sorge. Vorgesehen ist nämlich, dass Österreich das nicht im eigenen Land tut, sondern mit einem anderen EU-Land eine Kooperation eingeht. Da möchte ich eindringlich davor warnen – damit Österreich nicht erpressbar wird –, das mit einem Land zu tun, das sich nicht zum Atomausstieg entschlossen hat. Ich wünsche mir in Bezug auf diese Endlagerung, dass Österreich mit einem Staat kooperiert, der sich dezidiert zum Aus-stieg aus der Atomkraft entschlossen hat.

Weiters möchte ich nicht – was durch dieses Gesetz nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen ist –, dass österreichischer Atommüll letztendlich in Russland landet, weil dort zu Dumping-Preisen entsorgt wird.

Das sind jene zwei Dinge, die ich Herrn Minister Molterer in Bezug auf den Vollzug dieses Gesetzes zu bedenken gebe.

Wir Grünen werden dem Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 zustimmen, können jedoch dem Bundesluftreinhaltegesetz in dieser Form nicht unsere Zustimmung erteilen: Diese extreme Schieflage ist durch nichts zu rechtfertigen und durch nichts zu argumentieren. (Beifall bei den Grünen.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Materie und damit auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise Abstimmung steht.


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110. Sitzung / Seite 100

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

13.54

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das neue Bundesluftreinhaltegesetz stellt eine wünschenswerte Auflösung der bisher unübersichtlichen Rechtslage auf diesem Gebiete sowie einen weiteren Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung dar, was bedeutet: Zusammenführung der länderspezifischen Regelungen in einem für die Luftreinhaltung sinnvollen und notwendigen Maße, Sicherung der hohen Umweltstandards in Österreich – Standards, die ja im internationalen Spitzenfeld liegen –, Auflösung rechtlicher Unsicherheiten sowie ein Weniger an Verwaltung.

Schade, meine Damen und Herren, dass gerade Abgeordnete der Grünen und auch Frau Sima von der SPÖ wieder einmal versuchen, diese sinnvollen Lösungen dazu zu verwenden, die Bauernschaft Österreichs an den Pranger zu stellen und die geringe Zahl an UVP-Verfahren in den landwirtschaftlichen Betrieben als "Umweltsünden" darzustellen.

Lassen Sie mich dazu Folgendes klarstellen: Die österreichische Landwirtschaft unterliegt – wie alle anderen Betriebe – der UVP. Und diese ist auch durchzuführen; sie ist nur dann nicht durchzuführen, wenn es sich um kleinere Betriebe handelt. Ich hätte gerne einmal den Viehstall mit den 60 000 Schweinen, den mir Abgeordneten-Kollegin Petrovic zuvor erklären wollte, in der Praxis gesehen, haben Sie doch von 60 000 Stück Vieh gesprochen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. )

Die Schwellenwerte für eine Durchführung dieser sehr umfassenden Prüfung liegen in der Landwirtschaft in Österreich um 20 bis 30 Prozent niedriger, als dies die EU-Richtlinie vorsieht. Weiters führt die im Gesetz verankerte Kumulierungsbestimmung dazu, dass Österreichs Bauern bereits bei weit kleineren Tierbeständen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen müssen, wenn sich weitere Tierhalter auch nur im Nahbereich befinden. – Also wiederum eine wesentlich schärfere Auslegung dieser Richtlinie für die österreichische Landwirtschaft!

Meine Damen und Herren! In Österreich gibt es aber trotz 20 und 30 Prozent niedrigerer Werte, strengerer Richtlinien, und zusätzlicher Kumulierungsbestimmungen erst einzelne Fälle der UVP-Prüfung – und das resultiert ausschließlich daraus, dass Österreichs Landwirtschaft wesentlich kleinstrukturierter ist, als dies sonst in Europa der Fall ist. Dazu folgende Zahlen: In Österreich haben schweinehaltende Betriebe im Schnitt 40 Stück Vieh, in den Niederlanden, bekanntlich auch ein EU-Land, im Schnitt 700 Stück Vieh. – Ein solches Szenario versuchen Sie von den Oppositionsparteien auch für Österreich zu zeichnen und so die österreichische Landwirtschaft an den Pranger zu stellen – und das können wir wirklich nicht akzeptieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich auch auf das heikle Thema Wirtschaftsdünger eingehen: Wirtschaftsdünger stellen eine Grundvoraussetzung für eine Kreislaufwirtschaft dar, eigentlich das wichtigste Kapital eines Bauern – egal, ob es sich um einen Biobauern oder um einen normal wirtschaftenden Betrieb handelt. Dass ein Bauer in höchstem Maße daran interessiert ist, mit seinem Dünger effizient umzugehen, mit diesem wichtigen Grundstoff eben, ist doch eine Selbstverständlichkeit! Es wäre daher grober Unfug, Luftreinhaltebestimmungen so restriktiv auszulegen, dass das zur Folge hätte, dass man Wirtschaftsdünger nicht mehr einsetzen könnte und diesen durch chemischen Dünger ersetzen müsste.

Frau Kollegin Glawischnig, ich habe Ihnen bereits erklärt, dass es diesbezüglich keine Differenzierung zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben gibt, weil das eine Frage der Größenordnung ist! Und da es bei uns – Gott sei Dank! – viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe gibt, stellt das keine Problematik dar! So einfach ist das; Sie können das ja auch in den Unterlagen nachlesen. (Abg. Dr. Glawischnig: Kleinere Gewerbebetriebe müssen das tun ...!)

Ich bin der Überzeugung, geschätzte Damen und Herren, dass es sich hiebei um eine in hohem Maße sinnvolle Lösung handelt, denn zum einen kommt es zu einer Verwaltungsvereinfa


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chung – und zum anderen ist Hausverstand ja auch in der Gesetzgebung gefragt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Dr. Glawischnig. )

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

13.58

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Gleich vorweg: Die Vereinheitlichung von Bundesrecht auf dem Gebiete der Luftreinhaltung ist grundsätzlich zu begrüßen. Die österreichische Luft hat – ebenso wie die österreichischen Bundesländer – ihre regionalen Eigenheiten, und trotzdem ist unsere Luft überall gleich schützenswert.

Das österreichische Rechtsgefüge, insbesondere im Gewerberecht, ist dafür bestens ausgerüstet, und nach der Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes (Abg. Ing. Westenthaler: Auch um einiges komplexer!) auch um einiges komplexer. (Abg. Ing. Westenthaler: Richtig gelesen!) – Herr Abgeordneter Westenthaler, haben Sie das verstanden? (Abg. Ing. Westenthaler  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Ich habe mitgelesen!) – Dann darf ich fortsetzen.

Auch gerade deshalb ist es wirklich ärgerlich, dass es sich Großbauern, Bauern und ihre Vertreter hier im Parlament wieder einmal (Abg. Ing. Westenthaler: Auf Kosten anderer!) auf Kosten anderer, und zwar auf Kosten der großen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung richten können.

Jeder Österreicher, jeder österreichische Gewerbe- und Industriebetrieb muss sich an die Vorschriften des Bundesluftreinhaltegesetzes oder der zum Teil noch viel schärferen gewerblichen Luftreinhalteregelungen halten. (Abg. Ing. Westenthaler: Und die Bauernschaft ...!) Nur Sie, Herr Westenthaler, und die Bauernschaft bekennen sich mit dem vorliegenden Abänderungsantrag der Abgeordneten Hornek und ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Westenthaler! (Rufe bei der SPÖ: Der Westenthaler ist unmöglich!) Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Heinzl, und ich bitte, von Dauerzwischenrufen Abstand zu nehmen!

Abgeordneter Anton Heinzl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich fühle mich durch diese entbehrlichen Aussagen und Zwischenrufe des Herrn Westenthaler überhaupt nicht gestört, aber ich danke Ihnen dafür, dass Sie, Herr Präsident, versuchen, den Herrn Abgeordneten Westenthaler ruhig zu stellen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), versucht er nämlich, das, was ich hier sage, laut zu wiederholen, damit er es auch versteht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Nein, ich lese es Ihnen vor!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Alles, was der Bauernhof zu bieten hat, soll unkontrolliert und unreguliert in die Luft aller anderen Österreicher geblasen und diese Luft auch verpestet werden dürfen. Herr Abgeordneter Westenthaler, Sie sind mit dafür verantwortlich – das hat ja der Tierärzte-Skandal gezeigt –, dass gerade in der Landwirtschaft jene kontrollieren, die eigentlich kontrolliert werden sollten. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt das mit dem Pizza-Bäcker vorlesen!) – So ist es!

Auch wenn Sie sich, Herr Abgeordneter Westenthaler, noch so sehr darüber lustig machen, so ist es dennoch so, dass jeder kleine Bäcker, jeder kleine Industriebetrieb nachweisen muss, wo er zum Beispiel die Küchenluft hinbläst, ob er diese filtert und ob diese (Abg. Ing. Westenthaler: Keine Belästigung für die Nachbarn!) keine Belästigung für die Nachbarn darstellt.

Herr Abgeordneter Westenthaler! Ich weiß nicht, wo Sie zu Hause sind, das ist mir eigentlich auch egal, aber eines sage ich Ihnen (Abg. Ing. Westenthaler  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Bleiben Sie bei Ihrem Konzept hier!): Ich bin selbst jemand, der in den letzten Jahren durch die unkontrollierte Abluft von Schweinefabriken schon oft belästigt worden ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist so, dass jetzt wieder jeder Landwirt nach eigenem Gutdünken die Nachbarschaft verstinken darf. Kommen Sie heraus, Herr Abgeordneter Westenthaler, und beenden Sie Ihre Vorlesung auf der Abgeordnetenbank und erklären Sie mir, was da in diesem Abänderungsantrag steht! Ich möchte das von Herrn Westenthaler hören; er soll hier herauskommen und mir erklären, was eine "ordnungsgemäße Landwirtschaftsführung" ist. (Abg. Ing. Westenthaler  – neuerlich das Schriftstück in die Höhe haltend –: Lesen Sie doch weiter vor!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der blau-schwarzen Koalition! Ich habe versucht, hier einige Gründe aufzuzählen, warum wir Sozialdemokraten dem ansonsten begrüßenswerten Gesetzesvorschlag nicht zustimmen können und diesen daher ablehnen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt haben Sie aber einiges ausgelassen!)

14.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

14.03

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Sitzung des Nationalrates steht ganz im Zeichen umweltrelevanter Fragestellungen: begonnen mit der Diskussion um die Frage Temelín respektive Anti-AKW-Strategie, jetzt fortgesetzt mit der Debatte über die Frage der Luftreinhaltung respektive über das Strahlenschutzgesetz, und danach folgt noch die Debatte über das Thema Alpenkonvention respektive über internationale Übereinkommen in wichtigen Bereichen.

Das ist ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung im Bereich der Umweltpolitik äußerst effizient und erfolgreich tätig ist. Ich meine, dass mit der Beschlussfassung in der Regierung über die Frage der Nachhaltigkeitsstrategie, dass mit der Beschlussfassung in der Regierung über eine Klimastrategie und die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hier im Hohen Hause und dass mit dem Bericht über die Umweltförderung, die wir in der vorigen Sitzung des Umweltausschusses diskutiert haben – der übrigens das höchste Volumen von Umweltförderung auch zahlenmäßig, das jemals gegeben wurde, zum Ausdruck bringt –, die Richtigkeit der Umweltpolitik unterstrichen wird.

In diesem Jahr wurden ja diesbezüglich ganz wesentliche Punkte hier im Hohen Hause bereits beschlossen, so etwa die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes, die hier mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde und die eine neue Perspektive auch in der Abfallwirtschaft bringt. In diesem Zusammenhang denke ich weiters an das Umweltmanagementgesetz, das für Betriebe Erleich-terungen und für die Umwelt Verbesserungen bringt. Weiters darf ich anführen die Novelle des Umweltfördergesetzes, das auch auf den Kyoto-Ratifizierungsprozess respektive den Inhalt des Klimaschutzübereinkommens Rücksicht nimmt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber auch das Forstgesetz, das eine klarere Orientierung in Richtung Nachhaltigkeit gebracht hat.

Dieser Weg wird von der österreichischen Bevölkerung anerkannt. Immerhin sagen 78 Prozent der Bevölkerung, dass sie "sehr" oder "ziemlich zufrieden" mit der Umweltsituation in Österreich sind. Das ist auch international anerkannt, was wir feststellen können, wenn wir etwa die verschiedenen Rankings, die Österreich auf einem Spitzenplatz ausweisen, in der internationalen Szenerie beachten.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich zu den beiden Gesetzesvorlagen kurz Stellung nehmen und auch zur Diskussion rund um den Abänderungsantrag ein paar Worte sagen.

Zunächst zum Bundesluftreinhaltegesetz: Ich bin der Überzeugung, dass das ein ganz wesentlicher Meilenstein ist, den wir mit dieser Rechtsbereinigung hier setzen, wobei wir mit der bundesweiten Vereinheitlichung in diesem Bereich einen wesentlichen Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung machen und damit alle den gleichen Informationsstand haben.


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Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz fallen alleine elf landesgesetzliche Regelungen und sieben Verordnungen weg. Nochmals: Ein wesentlicher Schritt daher auch in Richtung Verwaltungsvereinfachung.

Zur Diskussion um die Landwirtschaft möchte ich das aufgreifen, was Sie, Frau Abgeordnete Glawischnig, hiezu gesagt haben, weil das aus meiner Sicht einen sehr klaren Widerspruch, in dem Sie sich hier argumentativ bewegen, darstellt. Frau Abgeordnete Glawischnig, Sie sagen ja dazu und begrüßen, dass es im Bundesluftreinhaltegesetz eine Ausnahmeregelung für industriell-gewerbliche Anlagen mit einer luftreinhalterechtlichen Genehmigung gibt. Gut; das begrüßen Sie. Weiters sagen Sie, dass Sie der Meinung sind, dass bei landwirtschaftlichen Betrieben, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung haben müssen, in der UVP auch die luftreinhalterechtlichen Fragestellungen beachtet werden. – Gut; so weit stimme ich Ihnen ja zu. – Aber wissen Sie, was dann Ihr Fehlschluss ist? Sie sagen, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe, die unter dieser Grenze der UVP liegen, dem vollen Regime des Luftreinhalterechtes unterliegen würden, und Sie würden damit alle landwirtschaftlichen Betriebe treffen: die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, die mittleren landwirtschaftlichen Betriebe, die damit keinerlei Gleichbehandlung mit jenen Betrieben hätten, die eine UVP-Pflicht haben, beziehungsweise den industriell-gewerblichen Betrieben, die eine luftreinhalterechtliche Genehmigung haben, Frau Abgeordnete Glawischnig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Glawischnig und Heinzl. )

Jetzt wurde daher im Umweltausschuss diese Ausschussfeststellung beschlossen. Sie, Herr Abgeordneter Heinzl, haben vorhin gefragt, was "ordnungsgemäße Landwirtschaftsführung" ist? – Der Ausschuss selbst hat das in der Ausschussfeststellung definiert.

Als Minister, der für Umwelt und Landwirtschaft zuständig ist, sage ich Ihnen, dass ich von beiden Verantwortungsbereichen her absolut ja sagen kann zu diesem Abänderungsantrag, da dadurch einerseits dem luftreinhalterechtlichen Aspekt und dessen Zielsetzung Rechnung getragen wird, das andererseits aber zu keiner Schlechterstellung jener landwirtschaftlichen Betriebe, die ordnungsgemäß wirtschaften, führt.

Daher meine ich, dass Sie mit Ihrer Argumentation, Frau Abgeordnete Glawischnig – ich mache Sie nur freundlicherweise darauf aufmerksam –, in eine Falle tappen, denn durch Ihren Abänderungsantrag wären genau diese kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe negativ betroffen; das verstehe ich daher nicht. (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Glawischnig und Heinzl. )

Was das Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz betrifft, danke ich für die breite Zustimmung. Es ist richtig, dass wir auch im Ausschuss darüber diskutiert haben, dass wir keine endgültige Entscheidung über die Frage Endlagerung haben; wie das ja übrigens auch in keinem anderen Staat der Welt der Fall ist.

Ich meine, dass Österreich richtig handelt, wenn wir in dieser Frage in Kooperation mit anderen europäischen Ländern vorgehen, die aus unserer Sicht jenen Maßstab an ökologischer Verantwortlichkeit und Sicherheitsverantwortlichkeit haben, der es erlaubt, dass wir da eine gemeinsame Lösung verantworten können.

In diesem Sinne ist dieser österreichische Weg der europäischen Kooperation richtig, ökonomisch klug und auch vor dem Hintergrund der Sicherheitsanforderungen durchaus gerechtfertigt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meinem Vorvorredner, Herrn Abgeordnetem Heinzl, zu seinen Angriffen auf unseren Klubobmann nur sagen: Was Sie hier verbal "in die Luft geblasen" haben, das war auch nicht bekömmlich und auch schwer verdaulich. (Beifall bei den Freiheitli


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chen. – Abg. Blasisker: Das war keine Luftreinhaltung!) Das widerspricht auch dem Luftreinhaltegesetz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun ein paar Worte zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes. (Abg. Heinzl: Sie sind besonders witzig!)  – Jetzt hören aber Sie zu! (Abg. Heinzl: Weinmeier der Witzbold!)  – Jetzt haben Sie kein Mikrophon, jetzt hören Sie, was ich zu sagen habe! Vielleicht lernen Sie noch etwas dazu, das könnte nicht schaden. (Abg. Heinzl: Sie sind ein Witzbold!)

Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Böhacker  in Richtung des Abg. Heinzl : Sie sind ein Nachsänger!) Die Überarbeitung des Strahlenschutzgesetzes wurde unter anderem auf Grund der Anpassung an insgesamt drei EU-Richtlinien notwendig. Das österreichische Strahlenschutzgesetz war zwar schon weitgehend konform, hinsichtlich der Normen war aber eine Anpassung notwendig. Ich halte es für besonders wichtig, dass es im Bereich des Strahlenschutzes einheitliche Normen gibt. Es kam auch zu einer Änderung bei den Meldepflichten und den Bewilligungspflichten, und auch im Bereich der Freigrenzen: Diese wurden nämlich herabgesetzt, was auch im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit der Bevölkerung und daher positiv ist.

Sehr am Herzen liegt mir die Frage betreffend das Forschungszentrum Seibersdorf. In diesem Gesetz wurde nämlich auch Rechtssicherheit für das Forschungszentrum Seibersdorf geschaffen, und zwar hinsichtlich der dort zwischengelagerten radioaktiven Abfälle von Medizin und Forschung. Ich meine, dass man für dieses Zwischenlager, das es schon seit fast 20 Jahren gibt, endlich eine Lösung suchen sollte. Meiner Meinung nach ist nur eine Entsorgungsmöglichkeit im Ausland sinnvoll. Eine Aufbereitung in Österreich kann ich mir keinesfalls vorstellen.

Dieses Gesetz ist im Sinne des Schutzes der Arbeitskräfte, der Bevölkerung und auch der Patienten – dazu wird meine Kollegin Povysil bestimmt noch einiges sagen – mit Sicherheit sehr positiv und sehr wichtig. Wir werden daher gerne zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vielleicht kann man dem Herrn Westenthaler ausrichten, dass die Massentierhaltung für viele Menschen tatsächlich ein ernsthaftes Problem ist. (Abg. Hornegger: Haben Sie sich wieder auf den Westenthaler eingeschossen! Der ist aber jetzt nicht da!) Ich denke, es ist nicht angebracht, sich über diese betroffenen Menschen lustig zu machen. (Beifall bei der SPÖ.) Genauso wenig ist es angebracht, einen Kollegen so zu behandeln, wie er den Kollegen Heinzl behandelt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! (Abg. Wittauer: Er hat es ja nur so formuliert ...! Mehr hat er ja nicht gemacht! Abg. Böhacker: Er hat nur beigepflichtet!)  – Wir wissen es, er ist nie da. (Abg. Wittauer: Er hat in seiner Rede ... gesagt! Wir haben das ja auch noch lesen müssen!) Das zeigt Ihren Geist, wo Sie überall eingreifen und sich etwas organisieren. Meine Damen und Herren! (Abg. Binder  in Richtung Freiheitliche –: Das ist wieder typisch für die Frage! Im Schnüffeln sind wir ja gut! Es ist zwar lustig, aber es ist schon interessant!  Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.) Dieses Bundesluftreinhaltegesetz verfolgt ein gutes Ziel, nämlich die Qualität der Luft derart zu sichern, dass dauerhafter Schutz für Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachen gewährleistet ist.

Die Kernpunkte dieser Vorlage sind zum einen die allgemeine Verpflichtung zur Reinhaltung der Luft für jedermann und darüber hinaus auch die Regelung der Verbrennung nicht biogener Materialien außerhalb von Anlagen.

Nach der B-VG-Novelle 1998 wurden landesrechtliche Vorschriften zur Luftreinhaltung automatisch zu bundesrechtlichen Vorschriften für jene Länder, die sie erlassen haben. Eine Ausnah


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me stellten die Heizanlagen dar. Dieses spezielle Recht machte die Rechtslage sehr unübersichtlich, sodass verständlicherweise der Wunsch nach Rechtsbereinigung entstanden ist. Das sollte durch die Aufhebung dieses speziellen, partikulären Rechts erfolgen.

Wie Sie wissen, waren wir Sozialdemokraten mit den Zielen und den Kernpunkten der Gesetzesvorlage einverstanden und auch bereit, dieser unsere Zustimmung zu geben. Diese Chance haben Sie sich allerdings durch Ihren Abänderungsantrag genommen, denn dieser höhlt das Gesetz aus und entlässt einen der Hauptverursacher – die Landwirtschaft – aus der Verantwortung.

Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass Industrie, Gewerbe und Verkehr für den Umweltschutz in die Pflicht genommen werden, nicht aber ein sehr großer Verursacher von diesbezüglichen Belastungen, nämlich die Landwirtschaft. In dieser Frage muss die Landwirtschaft mit im Boot sein. (Abg. Schwarzenberger: Die Biobauern können keinen chemischen Dünger einsetzen!)

Es kann auch nicht sein, dass den vielen Ausnahmeregelungen, die es für diesen Bereich ohnedies schon gibt, immer weitere Ausnahmeregelungen folgen. (Abg. Schwarzenberger: Was haben Sie gegen die Biobauern?) Es muss Schluss damit sein, dass Sie immer einen Freibrief für Ihre Klientel wollen, und auch damit, dass die Blauen und die Schwarzen immer "gleicher" als die anderen sind.

Sie sind ja auch nicht zimperlich, wenn Sie massiv in die Rechte und Ansprüche der Arbeiter, der Pensionisten, der kranken und der benachteiligten Menschen eingreifen. Gleichzeitig sollen aber die Bauern, vor allem die Großbauern, "heilig" und unantastbar sein. (Abg. Schwarzenberger: Die Großbauern unterliegen dem Umwelt...!) Wir wollen gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle, so wie es das Gesetz auch vorsieht. Wir wollen die Reinhaltepflicht für jedermann, auch für die Landwirtschaft! Wir wollen mehr Gerechtigkeit. Diese ungerechte und umweltfeindliche Politik entspricht nicht unserem Verständnis von Umweltpolitik. Daher werden wir dieser Ihrer Vorlage in der abgeänderten Fassung unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

14.16

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer der sensibelsten und lebensnotwendigsten Bereiche im Umweltschutz ist die Luftreinhaltung. Daher finde ich es fast ein wenig schade, dass durch die medial sehr aufgeheizte Diskussion über das Temelín-Volksbegehren die Debatte über das Bundesluftreinhaltegesetz sowohl im Umweltausschuss als auch hier im Plenum nicht den Niederschlag gefunden hat, der bei diesem wichtigen Thema eigentlich angebracht wäre. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sollten daher die parlamentarische Diskussion dafür nützen, die Erhaltung der natürlichen Zusammensetzung der Luft, die wir durch dieses neue Gesetz rechtlich besser und vor allem übersichtlicher absichern, in seiner umfassenden Bedeutung zu erkennen. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, aber auch das Leben der Pflanzen und der Tiere hängen davon ab, ob wir unsere Luft ausreichend vor Verunreinigung schützen.

Neben den zahlreichen Maßnahmen, die die Bundesregierung im Kyoto-Protokoll zur Umsetzung festgeschrieben hat und hinter denen wir inhaltlich voll und ganz stehen, ist auch die bundeseinheitliche Regelung der Verpflichtung zur Luftreinhaltung und des Verbotes des Verbrennens nicht biogener Materialien außerhalb von Heizanlagen ein nicht unwesentlicher Bestandteil unserer modernen Klimaschutzpolitik. Unser besonderer Dank dafür gilt unserem Umweltminister, ja – ich möchte sagen – Lebensminister, Willi Molterer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es handelt sich bei dieser Neuformulierung des Bundesluftreinhaltegesetzes meiner Meinung nach nämlich nicht nur um rein juristische und verwaltungsvereinfachende Rechtsbereinigungen – vor allem der B-VG-Novelle 1998 –, sondern sie ist auch als klares Zeichen dafür zu sehen, dass sich der Staat allgemein zur Reinhaltung unserer Luft verpflichtet fühlt und somit Verantwortung übernimmt.

Neben dem Bundesluftreinhaltegesetz beschließen wir aber auch das Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz. Auch da könnte man geneigt sein, das als rein technische Anpassung an EU-Gepflogenheiten abzutun. – Weit gefehlt! Die Gesetzesnovelle bringt wichtige Änderungen bei den Dosisgrenzwerten für beruflich strahlenexponierte Menschen sowie für die gesamte Bevölkerung. Damit normieren wir den gesetzlichen Schutz der Menschen vor überhöhter Strahlenbelastung.

Aber auch das explizite Verbot der Beimengung radioaktiver Stoffe zu Lebensmitteln, Spielwaren und Kosmetika trägt zum verbesserten Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bei. Für einen Laien mögen diese Gesetzesänderungen selbstverständlich sein, da wohl niemand böswillig unsere Luft verunreinigen oder Menschen durch überhöhte radioaktive Strahlung gefährden möchte; als politische Vertreter unseres Volkes müssen wir jedoch darauf achten, dass die Menschen in unserem Land vor solchen gesundheitsgefährdenden Machenschaften auch gesetzlich geschützt sind.

Es ist unsere Aufgabe, das Leben und die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu schützen und die Umweltpolitik im Sinne dieses Zieles zu gestalten. Bei unserem Umwelt- beziehungsweise "Lebensminister" Willi Molterer sind dieses Ziel und diese Verantwortung in guten Händen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Der Redner begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Mag. Molterer die Hand.)

14.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

14.20

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, dass ich die Enderledigung des Umweltberichtes und des Umweltförderungsberichtes – wie ich auch schon im Ausschuss gesagt habe – wirklich sehr bedauere, weil uns eine Debatte darüber hier im Plenum Gelegenheit gegeben hätte, doch vor einer breiteren Öffentlichkeit ... (Bundesminister Mag. Molterer: ... zu gratulieren!)  – ... zu gratulieren zu den vielen positiven Leistungen, die darin ausgewiesen sind, andererseits aber auch darauf hinzuweisen, wo die Defizite sind.

Wirklich positiv und erfreulich für uns ist, dass die biologische Gewässergüte mittlerweile wirklich hervorragend ist. Das ist das Ergebnis davon, dass wir in unserem Lande Milliarden von Schilling für die Abwasserreinigung und die Abwasserbeseitigung ausgegeben haben. – Darauf können wir stolz sein.

Meine Damen und Herren! Dennoch müssen wir feststellen, dass die Abfallmengen ständig steigen und wir mit der Entsorgung große Probleme bekommen. In Niederösterreich – konkret in Dürnrohr – hat man eine sehr zukunftsweisende thermische Entsorgungsanlage geplant und mittlerweile nahezu fertig gestellt. Sie wird, wie ich hoffe, 2004 in Betrieb gehen, weil das dann erforderlich sein wird. Dennoch stellt man jetzt schon fest, dass die noch gar nicht in Betrieb genommene Anlage wieder um ein Viertel zu klein sein wird. Das heißt, die Klärschlammproblematik wird also in nächster Zeit anzusprechen und konkret zu lösen sein. – Hierfür fehlt zum Beispiel ein konkretes Konzept der Regierung.

Herr Bundesminister! Zum Strahlenschutzgesetz: Für meine Begriffe ist nicht wirklich deutlich festgehalten, wie der Betriebsinhaber die Tätigkeit des Strahlenschutzbeauftragten zu unterstützen hat. Das ist meiner Meinung nach ein Defizit. Ebenfalls unzureichend ist die Frage der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung des Strahlenschutzbeauftragten behandelt worden.


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Zum so genannten Transferlager Seibersdorf: Es wurde schon angesprochen, dass da sehr viel Geld aufgewendet werden muss. Der "Spaß" wird an die 90 Millionen € kosten. Aus Lokalaugenscheinberichten weiß ich, dass es dort mit der Sicherheit nicht sehr weit her ist. Ich würde also darum bitten, dass man, wenn dort schon so viel investiert wird, dafür sorgt, dass man das Lager nicht – so wie es mir geschildert wurde – so mir nichts, dir nichts betreten, sich auf eine Tonne setzen und "für die Lieben zu Hause" auf radioaktivem Müll auch noch fotografieren lassen kann. Auf den Sicherheitsaspekt sollte in diesem Zusammenhang mehr Augenmerk gerichtet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

14.23

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wenn ich nicht gerade meiner politischen Tätigkeit im Parlament – wie jetzt hier am Rednerpult – nachgehe, so besteht meine tägliche Arbeit im Umgang mit ionisierenden Strahlen, mit Röntgenstrahlen, mit Magnetfeldern und mit Ultraschallwellen. Meine tägliche Arbeit besteht darin, sowohl die Patienten über die biologische Wirkung von Strahlen aufzuklären als auch die Wahrung des Strahlenschutzes vorzunehmen, und zwar einerseits den Patienten gegenüber, andererseits aber auch jenen gegenüber, die im Gesundheitsbereich arbeiten, also den beruflich strahlenexponierten Personen, zu denen auch ich zähle.

Ich freue mich daher ganz besonders darüber, dass diese Bundesregierung einen weiteren Schritt hin zum Strahlenschutz und zu einer Verschärfung der Strahlenschutzbestimmungen in Österreich und auch EU-weit setzt und damit grundlegende Maßnahmen einerseits für den Schutz der Gesamtbevölkerung, andererseits aber auch für den Schutz der Arbeitskräfte, die im Gesundheitssystem arbeiten, trifft.

So werden zum Beispiel die Dosisgrenzwerte im Bereich ionisierender Strahlen für die Gesamtbevölkerung aber auch für die Arbeitskräfte im Gesundheitssystem deutlich reduziert. Es wird ein explizites Verbot für den Zusatz radioaktiver Stoffe in Lebensmitteln, Spielwaren und Kosmetika ausgesprochen, und es wird – das freut mich ganz besonders – der österreichische Standard für die Grenzwerte bei einer Untersuchung von Schwangeren mit ionisierenden Strahlen – also für eine Bestrahlung des Fötus – als EU-weiter Standard nun wirklich gesetzlich festgelegt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch die Röntgengeräte unterliegen jetzt besseren Standards, und es kommt zu einer  – zumin-dest teilweisen, Herr Minister! – Einigung über die Entsorgung radioaktiver Abfälle, insbesondere aus Seibersdorf.

Meine Damen und Herren! Strahlung ist in Ihrem täglichen Leben viel präsenter, als es Ihnen wahrscheinlich bewusst ist. Es ist unsere politische Aufgabe und unser politisches Ziel, einen richtigen Weg jenseits der Hysterie zu einem wirklichen Schutz vor Strahlung zu finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

14.26

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben heute Vormittag sehr viel über Temelín diskutiert – ein Thema, das jeder Bürger leicht versteht. Man fühlt sich durch Atomkraftwerke besonders gefährdet. Es hat auch schon große Gefährdungen und Unfälle gegeben. Was wir aber jetzt beim Thema Strahlenschutz besprechen, das würde ich eher als "schleichende Gefährdung" bezeichnen, denn das ist den Menschen nicht so bewusst. Umso wichtiger ist es, dass wir hier im Parlament beschlossen haben, gemeinsam Bestimmungen zu erlassen, die den EU-Normen entsprechen und die unsere Bevölkerung auch besser schützen werden.


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Vieles ist über diese Thematik schon gesagt worden. Die Dosisgrenzwerte werden fast halbiert. Das bedeutet, dass die Menschen der Strahlung nicht so sehr ausgesetzt sind, wenn diese Werte überprüft werden. In der Praxis betrifft das Berufsgruppen, die beispielsweise in Bergwerken, in Stollen oder auch in Bädern und so weiter arbeiten. Die Werte werden mit so genannten Dosimetern gemessen, und wenn der Grenzwert überschritten werden könnte, schreitet man entsprechend ein.

Da meine Vorrednerin, Frau Dr. Povysil, Ärztin ist, möchte ich auch den medizinischen Bereich erwähnen: Auch da ist es vorgesehen, nicht immer nur mit Röntgenstrahlen zu arbeiten, sondern, wenn es geht, auch Ultraschalluntersuchungen durchzuführen, wo die Gefährdung bei weitem nicht so groß ist.

Zu Seibersdorf, das heute schon angeschnitten wurde: Ich finde es richtig – und ich glaube, das tun wir alle –, dass sowohl, was die Einsammlung radioaktiver Stoffe betrifft, als auch, was die Zwischenlagerung betrifft, und selbstverständlich auch, was eine vorbereitete Endlagerung betrifft, finanziell vorgesorgt wird. Jeder, der beispielsweise nach Seibersdorf radioaktives Material liefert, muss eben damit rechnen, dass er auch finanziell für die Nachbereitung vorzusorgen hat. Ich denke, das ist der richtige Weg und daher endlich auch einmal hier im Parlament zu beschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz bringt einen wesentlichen Fortschritt für den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung und ihrer Nachkommenschaft und ist daher ein wichtiger Baustein auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung. Ich danke den Experten und allen anderen, die daran mitgewirkt haben. Wir werden diesem Gesetz natürlich unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesluftreinhaltegesetz in 1159 der Beilagen mit der angeschlossenen Abänderung in 1226 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betrifft §§ 1 und 2.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich lasse nun über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage mit der dem Ausschussbericht angeschlossenen Abänderung abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit auch die Annahme fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist das angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 samt Titel und Eingang in 1160 der Beilagen mit der angeschlossenen Abänderung in 1240 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

10. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1090 der Beilagen): Proto-koll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus") (1227 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1091 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft") (1228 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1092 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten (1229 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1093 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung") (1230 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1094 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald") (1231 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1095 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr") (1232 der Beilagen)


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16. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1096 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz") (1233 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1097 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege"), und

über den Antrag 597/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung Natura 2000 alpiner Raum sowie

über den Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend mangelnde Umsetzung von Natura 2000 in Österreich (1234 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1098 der Beilagen): Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie") (1235 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

14.33

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die heute zu beschließenden Protokolle der Alpenkonvention verpflichten unser Land und auch die EU nunmehr verstärkt zu einer ganzheitlichen, bereichsübergreifenden Politik in Bereichen wie Verkehr, Tourismus, Luftreinhaltung, Bergwald und Bodenschutz bis hin zur Wasserwirtschaft und Abfallwirtschaft.

Die Alpenkonvention gibt dem Alpenraum einen ökologischen Sonderstatus innerhalb der Europäischen Union. Für mich als Tiroler und für ganz Österreich ist die in der VI. Alpenkonferenz von Luzern erzielte Streitbeilegung bei den Verkehrsprotokollen ein sehr wichtiger Kernbereich dieser Konvention.

Für unser Land ist der Schlüsselsatz der Konvention der Verzicht auf den Bau neuer hochrangiger Straßen für den alpenquerenden Verkehr. Das ist von besonderer Bedeutung und muss also bedeuten, dass die Alpenländer auf neue Transitrouten verzichten, dass die Alemagna-Autobahn von Oberitalien Richtung Osttirol nicht realisiert wird und dass keine neue Transitstrecke durch das Ausserfern und über den Fernpass gebaut werden darf, da die A 7 bereits bis zur österreichischen Grenze gebaut wird.

Gerade das Verkehrsprotokoll bietet dem Umweltminister und dem Verkehrsminister bei der Durchsetzung der dringenden österreichischen Anliegen, wie zum Beispiel des Transitvertrags und der Ökopunkteregelung, eine sehr wichtige Rückendeckung. Die Bundesregierung ist daher dringend dazu aufgefordert, gerade beim Transitvertrag hart zu bleiben und einen adäquaten Nachfolgevertrag im Sinne der Alpenkonvention mit der EU auszuverhandeln. Da sind Bremsermethoden und vorauseilender Gehorsam gegenüber der EU, wie ihn leider gerade Herr Bundeskanzler Schüssel immer wieder an den Tag legt, so überflüssig wie eine Lungenentzündung,


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meine Damen und Herren, denn seine Vorgaben an die EU, auf die LKW-Obergrenze, auf die 108-Prozent-Klausel zu verzichten, ist nicht im Sinne unseres Landes.

Damit geben der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung der EU von vornherein zu ver-stehen, dass sie selbst nicht an eine Verlängerung des Transitvertrages glauben. Damit geben er und die Bundesregierung ein auch vom EuGH festgestelltes Urteil, in dem dieser den Transitvertrag als vorbildliches Vertragswerk zum Schutz der Bevölkerung erkennt, preis. (Bundesminister Mag. Molterer: Bei der Wahrheit bleiben!)

Herr Bundesminister! Wir leben in einem Land mit insgesamt 26 000 Kilometern Transitrouten, die sich durch die Naturlandschaft der Alpen ziehen. In diesem Alpenraum suchen jährlich durchschnittlich 100 Millionen Touristen Erholung – in den Tälern, aber auch in den Bergen. Allein in Österreich gibt es in den Alpen 18 000 Schipisten und 2 400 Seilbahnen. Da gilt es, im Sinne der Alpenkonvention die Balance zwischen den ökologischen, den wirtschaftlichen und den sozialen Bedürfnissen in der Alpenregion zu finden.

Die Alpenkonvention ist ein verbindlicher Vertrag für den gesamten Alpenraum, der nachhaltiges Wirtschaften und eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zum Ziel hat. Österreich hat in den vergangenen zehn Jahren bis zur heutigen Beschlussfassung der Alpenkonvention ein sehr großes Engagement an den Tag gelegt. Dieses Engagement ist aber auch weiterhin fortzusetzen.

Es ist jedoch leider festzustellen, dass auch seitens der EU nicht mehr so engagiert im Sinne der Alpenkonvention gearbeitet wird wie früher. Ich möchte von dieser Stelle aus aber dennoch unseren Dank an alle, die am Zustandekommen dieses Vertrages mitgearbeitet haben, übermit-teln. Es ist insbesondere allen Umweltverbänden und dem Alpenverein und im Besonderen Herrn Mag. Peter Haßlacher zu danken. Ohne deren Druck und Engagement wäre diese Form der Alpenkonvention nicht zustande gekommen.

Ich möchte abschließend Herrn Mag. Haßlacher als Mahnung an die Bundesregierung zitieren. In einem Vorwort in der Broschüre zur Alpenkonvention stellt er Folgendes fest:

"Mit Ausnahme des zähen Kampfes um den schlussendlich fixierten Verzicht auf neue hochrangige Straßen für den alpenquerenden Verkehr im Rahmen der Alpenkonvention und des heroischen Kampfes des Transitforums Austria-Tirol gibt es in Österreich auf staatlicher Ebene keine wie immer gearteten herausragenden Akzente einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik."

Meine Damen und Herren! Das sagt alles aus: "Es gibt in Österreich auf staatlicher Ebene keine wie immer gearteten herausragenden Akzente einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik", wie Mag. Haßlacher es sagte.

Sehr geehrten Damen und Herren! Die Alpenkonvention ist nicht nur eine Rückendeckung für unsere Regierung und eine wichtige Grundlage für alle weiteren Verhandlungen mit der EU, sondern auch eine Nagelprobe und eine Glaubwürdigkeitsprüfung für die Umsetzung der österreichischen Alpenpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Alpenraum ist ein sehr sensibler und erhaltenswerter Lebensraum. Aufgabe der Politik ist es, diesem Lebensraum Zukunft zu geben. Ich freue mich sehr darüber, heute acht von zwölf Protokollen, die sich diesem Alpenraum widmen, beschließen zu können.

In meinem Zivilberuf beschäftige ich mich mit der zukunftsfähigen Gestaltung von Lebensräumen, im Besonderen mit der nachhaltigen Entwicklung. Ich möchte heute auf ein paar Bereiche


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dieser Alpenkonvention eingehen. Der erste Bereich ist der Tourismus. Wenn ich darin lese, dass es letztendlich darum geht, den Interessenausgleich zwischen Umwelt und Wirtschaft zu schaffen, dann möchte ich festhalten, dass dies eine sehr große Herausforderung ist, denn es geht letztendlich auch darum, die Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung und der Besucher zu respektieren.

Hier kann ich in der Zusammenfassung lesen, dass es notwendig wird, die Ausweisung von Ruhezonen nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt, sondern letztendlich auch für die einheimische Bevölkerung vorzunehmen, weil es eben dort, wo Grenzen und Tragfähigkeiten dieses Lebensraumes überschritten werden, auch zum Verlust der lokalen Identität kommt, auch zum Verlust von Kultur, Tradition und Brauchtum kommt. Deswegen kann man diesem Protokoll einen hohen Wert beimessen, weil es einen ersten Schritt in die richtige Richtung der Nachhaltigkeit in der Abwägung dieser Interessen darstellt.

Ein zweiter wesentlicher Bereich ist der Bereich der Raumplanung. Da können wir feststellen, dass der Alpenraum ein ländlicher Raum ist und dass wir in Österreich leider Gottes mit dem Problem der Zersiedelung zu kämpfen haben. Wir haben auch damit zu kämpfen, dass unter anderem auf Grund der Klimaveränderung die Schutzwaldfunktion in dem Ausmaß, wie wir sie brauchen, nicht mehr gegeben ist. Da ist die große Anforderung an die Politik insbesondere im Bereich der Land- und Forstwirtschaft dahin gehend, dass wir dafür sorgen, dass unsere Kulturlandschaft und im Besonderen unser Bergwald und Schutzwald erhalten werden und dass eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft betrieben wird.

Ein weiterer Bereich dieser Alpenkonvention betrifft den Bereich der Energie. Dazu darf ich Ihnen sagen, dass wir in Österreich in der glücklichen Lage sind, ein hohes Maß an erneuerbaren Energieträgern innerhalb des Alpenraumes vorzufinden. Ich rede hier von der Wasserkraft, aber auch von der Biomasse, also vom Wald. Es ist eine Tatsache, dass ein Drittel des Zuwachses in Österreich nicht genutzt wird. Da ist es die große Herausforderung an die Politik, in entsprechendem Maße dem Holz, dem Wald, der gesamten Biomasse einen entsprechenden Wert einzuräumen. Ich bin davon überzeugt, dass das ein wertvoller Rohstoff ist und dass das letztendlich die "Ölfelder" vor unserer Haustür sind. Wir brauchen nicht Öl von den Ölscheichs zu kaufen, wir haben diese "Ölfelder" vor unserer Haustür! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: ... Holz- und Kohlenfeuer!)

Sie wissen, dass es da bereits andere Technologien gibt, die Zukunft haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Er wollte sagen, der Haider braucht nicht mehr in den Irak zu fahren! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Der fährt wegen ganz anderer Dinge dorthin. – Aber Sie wissen, dass es auch hier eine gewisse Zeit braucht, um diese Wende durchzuführen und umzusetzen.

Ein Bereich, der bereits angesprochen wurde, ist der Verkehr. Da ist es so, dass man sich in touristischen Gebieten darum bemüht, dass der motorisierte Verkehr aus diesen Zentren herauskommt. Man versucht dort, andere Wege zu gehen und den Transport mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln vorzunehmen.

Alles in allem ist dies eine große Herausforderung, wobei alle Staaten, die dieses Protokoll unterzeichnet haben – acht Alpenstaaten –, auch daran denken müssen, dass sie zusammenarbeiten, um die Synergien bestmöglich nutzen zu können. Ich wünsche unserem Bundesminister sowie der gesamten Bundesregierung alles Gute bei der Umsetzung dieser Protokolle! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

14.44

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Alpen als wohl sensibelste Zone Europas mit einem unverwechselbaren Ökosystem haben eine außerordentliche Bedeutung für uns alle. Daher brauchen wir für dieses System einen besonderen Schutz. Erfreulich ist, dass sich nach langen, aber zähen Verhandlungen die Alpenstaaten nunmehr einschließlich der EU


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verpflichten, in der 1995 in Kraft getretenen Alpenkonvention eine ganzheitliche Politik zu vertreten. Damit können wir unterschiedliche Interessen in den Bereichen Naturschutz, Verkehr und Tourismus in eine ökologische und ökonomische Balance setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Alpenkonvention an sich besteht aus dem Rahmenvertrag, den Österreich bereits 1994 als erste Vertragspartei ratifiziert hat, und den nachgeschalteten Durchführungsprotokollen zu den einzelnen Politikfeldern. Ende 2000 konnte unser Herr Bundesminister Mag. Molterer nach intensiven und zielführenden Verhandlungen neben dem für Österreich besonders sensiblen Verkehrsprotokoll auch alle anderen Protokolle, die heute zur Abstimmung kommen, unterzeichnen.

Meine Damen und Herren! Als Tiroler Abgeordneter freue ich mich heute ganz besonders, dass wir parteiübergreifend einen Konsens bei den Durchführungsprotokollen erreichen konnten und somit der Alpenkonvention zustimmen können. Damit wird diese Konvention an Bedeutung gewinnen, und sie wird insgesamt gestärkt. Erstmals wird mit der Alpenkonvention staatenübergreifend anerkannt, dass die besonders sensible Zone Alpenraum eben auch einer besonders sensiblen Behandlung bedarf. Diese nun international abgesicherte Tatsache wird auf europäischer Ebene auch unsere Position bei den Verhandlungen um eine Nachfolgeregelung beim Transitvertrag stärken.

Mein Dank gilt in dieser Sache besonders Mag. Molterer. Wir sind jedoch beim Transit nicht am Ziel. Wir sind auf dem richtigen Weg, wir müssen uns alle aber auch in Zukunft stärken, um das Thema Transit gemeinsam aufzuarbeiten.

Die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck hat sich bekanntlich um das Sekretariat der Alpenkonvention beworben. Mit dieser Bewerbung, welche von allen Parteien massiv unterstützt worden ist, werden Lobbyismus und Einigkeit gezeigt und wird Innsbruck in den Mittelpunkt Europas gestellt. Der Standort Innsbruck wurde ganz besonders von Herrn Bürgermeister Herwig van Staa forciert und präsentiert. Ich würde mich freuen, wenn Innsbruck den Zuschlag erhalten könnte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Die Alpenkonvention, und insbesondere das Berglandwirtschafts-Protokoll, zielt in vielen Punkten auf Nachhaltigkeit ab. In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Arbeitsfeldes Nachhaltige Entwicklung

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird in Bezug auf das Programm ‚Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten’ (April 2002) ersucht, durch geeignete Reorganisationsmaßnahmen im Ressortbereich im Wege der sinnvollen Zusammenführung bestehender, teilweise parallel arbeitender Bundesanstalten das Forschungsfeld für nachhaltige Entwicklung, insbesondere des ökonomischen und sozioökonomischen Bereichs, durch personelle und finanzielle Synergieeffekte zu stärken."

*****

Meine Damen und Herren! Die Alpenkonvention als Modell und Instrument ist eine große Herausforderung und Chance, und zwar nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er steht in einem ausreichenden sachlichen Zusammenhang und damit auch mit zur Debatte.


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Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr.  Lichtenberger. – Bitte.

14.48

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren – die weni-gen Verbliebenen, die sich für den Alpenschutz intensiv interessieren! Ich hoffe aber trotzdem, dass auch diejenigen, die im Moment nicht im Saale sind, sich mit diesem Vertragswerk hinreichend identifizieren. (Abg. Murauer: Gestern waren die Grünen alle miteinander nicht hier! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Alpenkonvention, deren letzte Protokolle – deren Verhandlung so lange gedauert hat – nun hier im Parlament behandelt und beschlossen werden sollen, blickt auf eine Geschichte von zehn Jahren der Auseinandersetzung zurück. Es war eine Auseinandersetzung, die immer mit dem Widerstand jener "Asphalt-Kaiser" zu rechnen hatte, die es auch in den Alpen gibt und die nicht nur eine Autobahn zu jedem Bauernhof planen, sondern auch heute noch große Alpentransversalen planen und errichten wollen.

Es ging auch gegen den Widerstand der "Kaputt-Erschließer", die unsere letzten naturbelassenen Ressourcen im Alpenraum mit skitechnischen Anlagen minderer Qualität überziehen wollten und wollen, die nicht davor zurückschrecken, bis hin zu den letzten Gletschern auch noch die letzten Naturreservate "nutzbar zu machen" – unter Anführungszeichen – und nach dem Motto "More of the Same" weiter zu erschließen, obwohl das tourismuspolitisch längst schon kontraproduktiv ist.

Einige heiße Phasen hatte diese Alpenkonvention, als die Verhandlung der Protokolle gerade im Verkehrssektor immer wieder zu scheitern drohte. Da waren es vor allem Nicht-Regierungsorganisationen wie die alpinen Verbände, unter ihnen vor allem der Alpenverein, welche die Alpenkonvention immer wieder vor dem Scheitern gerettet haben. Dafür möchte ich mich bei diesen Organisationen im Namen der Grünen – und ich hoffe, im Namen aller Anwesenden – recht herzlich bedanken! (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Reheis und Schwarzenberger. )

Es ist jetzt allerdings nicht die Zeit, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und zu sagen: Hurra, wir haben ein tolles Protokoll unterzeichnet, und jetzt gehen wir zur Tagesordnung der Weitererschließung über!, sondern jetzt gilt es, Projekte umzusetzen, und zwar sollen nicht nur Positiv-Projekte im Alpenraum gemacht werden – sei es im Netzwerk alpiner Städte und Orte, sei es in der Berglandwirtschaft, sei es in der Bergwaldbewirtschaftung und im Schutzgebietsmanagement –, sondern es geht auch darum, dass die Organisation auf gute Füße gestellt wird. Das heißt zum Beispiel auch, dass das Sekretariat in Innsbruck angesiedelt wird, dass Österreich sich dafür einsetzt – dafür gibt es auch diesen Antrag, den ich gerne unterstützt habe –, dies zu tun, und dass von dort aus nachhaltiges Wirtschaften im Alpenraum zum Prinzip wird, welches natürlich bis ins Flachland hinunterwachsen soll und kann. Das halte ich für eine zentrale Herausforderung.

Aber teure Bergfeuer zum Jahr der Berge zu veranstalten, die noch dazu durch die Sonnwendfeiern und die begleitenden skandalösen Aussagen eines Herrn Stadler in Verruf geraten, wird zu wenig sein, um alpine Politik zu machen. (Abg. Wittauer: Das hat mit der Alpenkonvention nichts zu tun!) Es bedarf intensiver internationaler Arbeit, um zum Beispiel neue alpenquerende Projekte nicht zuzulassen. Das betrifft die schon erwähnte Alemagna-Autobahn, die von der Adria letzten Endes bis München wie eine Scharte durch die Alpen geschlagen werden soll. Aber es betrifft auch ein österreichisches Projekt, nämlich den so genannten Letzetunnel in Vorarlberg, von dem sich Bundeskanzler Schüssel nicht verabschieden kann. Er meint nämlich, über diesen Letzetunnel brauche man nicht mehr zu reden, denn man habe die Bundesstraßen verländert, und die Vorarlberger könnten sich ja das Geld dafür aus dem Finanzausgleich wieder herausholen.

Meine Damen und Herren! Da verlieren wir die letzte Glaubwürdigkeit in alpiner Politik zum Schutz der Anrainer an den großen Transitrouten. Das darf keinesfalls sein! (Beifall bei den Grünen.)


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Wir brauchen im Gegensatz dazu, in internationaler Arbeit herstellbar, eine Allianz der Alpenregionen für eine sensible Zone Alpen, für welche spezifische, spezielle Verkehrsregelungen gelten und in welcher höhere Mauten verlangt werden können sowie Fahrverbote für den Schwerverkehr erlassen werden können, um Natur, Umwelt und Anrainer zu schützen.

Wenn wir dieses Modell einer sensiblen Zone Alpen für den Verkehrsbereich als Perspektive auf europäischer Ebene anbieten und mit unseren alpinen Nachbarn verhandeln, wird es auch leichter fallen, eine Übergangsregelung zum Transitvertrag auszuhandeln, denn die Perspektive ist dann international und dann bekommen wir endlich das Prädikat weg, das uns so gerne umgehängt wird, nämlich, dass wir nur aus nationalem Egoismus eine spezielle Regelung wollten. Wenn wir dieses langfristige europäische Projekt zum Schutz der Alpen, die sensible Zone Alpen, international ausverhandeln, dafür Bündnisse gründen, dies als Schutzbestimmung für den Alpenraum umsetzen und mit unseren Nachbarn und für unsere Nachbarn durchsetzen, dann haben wir die Chance, dass Transitregelungen, die jetzt schwer umkämpft sind, viel eher durchsetzbar sind.

Aber dazu, meine Damen und Herren, braucht es das Engagement der gesamten Bundesregierung und nicht auf Verzicht gerichtete Aussagen eines Herrn Bundeskanzlers oder der früheren Ministerin Forstinger, die sich schon begeistert zeigten, als allein die Säule der Ökopunkte weiterhin existieren sollte, ohne dass es eine Obergrenze im Transitvertrag geben sollte.

Meine Damen und Herren in der Regierung! Nützen Sie die Chance, die die Alpenkonvention uns und Ihnen und vor allem den Bewohnerinnen und Bewohnern des Alpenraums für eine ökologische Neugestaltung des Alpenraums bietet, die für eine Umorientierung im Wirtschaftsleben in Europa beispielhaft werden kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )

14.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Molterer.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir um 15 Uhr die Behandlung einer Dringlichen Anfrage durchführen werden. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.55

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs dieser Diskussion zur Alpenkonvention bei allen bedanken, die in den letzten Jahren einen Beitrag zu dieser Alpenkonvention geleistet haben. Es ist tatsächlich so, dass in einem positiven Zusammenwirken einer Vielzahl von Menschen, einer Vielzahl von Organisationen aus dem Bereich der Nicht-Regierungsorganisationen, aus dem Bereich der Bundesländer und aus dem Bereich der Interessengruppen sowie auch mit dem Bund gemeinsam der Status erreicht werden konnte, dass wir heute in der glücklichen Lage sind, diese Alpenkonvention durch das österreichische Parlament zu ratifizieren, und dass wir damit einen Beitrag – und möglicherweise sogar die Initialzündung – dafür leisten, dass diese Alpenkonvention rechtskräftig wird. Rechtskräftig ist sie nämlich dann, wenn drei Vertragspartner, drei Vertragsstaaten diese Urkunden und die Dokumente hinterlegt haben.

Für Österreich ist diese Alpenkonvention selbstverständlich ein ganz zentrales Anliegen, und zwar einerseits deshalb, weil ungefähr zwei Drittel unseres Staatsgebietes alpine Regionen sind, und andererseits deswegen, weil Millionen von Menschen in Österreich – etwa drei Millionen Menschen – in diesen Regionen leben und wirtschaften müssen. Der Alpenraum ist für alle Menschen auch weit über Österreich hinaus von zentraler Bedeutung. Denken Sie nur daran, dass die Alpen letztendlich eines der größten Wasserreservoirs Europas darstellen, nicht nur die österreichischen Alpen, sondern selbstverständlich der gesamte Alpenbogen! Denken Sie daran, dass der Alpenbogen ein wichtiger Teil der Biodiversität, des Reservoirs an Vielfalt, ist! Denken Sie daran, dass er Wirtschafts- und Erholungsraum für Millionen von Menschen ist!

In diesem Sinne bin ich froh darüber, dass wir heuer, im Jahr der Berge, diesen Schritt tun können. Ich danke auch für die breite – ich nehme an, die einstimmige – Unterstützung in diesem


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Hohen Haus für die Bewerbung Innsbrucks als Sitz des ständigen Sekretariates der Alpenkonvention. Wir haben gute Argumente für diese Bewerbung Innsbrucks.

Ich sage von dieser Stelle aus auch, dass ich nicht – oder noch nicht – zufrieden bin mit dem Verhalten der Europäischen Kommission in dieser Frage. Ich erwarte mir mehr Initiativen der Kommission hinsichtlich der Ratifizierung der Alpenkonvention. Wir werden das, wenn es notwendig ist, in der Europäischen Kommission auch gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite entsprechend einfordern und auf der anderen Seite unterstützen.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind die verschiedenen Protokolle wichtig, ob es das Berglandwirtschafts-Protokoll, das Bergforstwirtschafts-Protokoll oder beispielsweise das Protokoll über den Ökotourismus ist. Aus österreichischer Sicht natürlich von besonderer Bedeutung ist das Verkehrsprotokoll. Ich denke mir, dass diese Alpenkonvention mit dem Verkehrsprotokoll auch ein Beitrag – ein Beitrag des Umweltministers, wenn Sie so wollen – zur Stärkung der österreichischen Position, der tirolerischen Position in der Transitfrage ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... im Rat!)

Sie wissen, dass die österreichische Bundesregierung da eine sehr klare Haltung hat: dass nach Auslaufen des Transitvertrages jedenfalls keine Lücke entstehen darf und dass bis zum Inkrafttreten der Wegekostenrichtlinie, an die wir qualitative Anforderungen etwa in der Frage der Quersubventionierung haben, eine zufriedenstellende Regelung da sein muss. Sie wissen auch, Herr Abgeordneter Reheis, Frau Abgeordnete Lichtenberger, dass es Bundeskanzler Schüssel war, der in Laeken erreicht hat, dass die Staats- und Regierungschefs genau diesen Auftrag an die Kommission gegeben haben, diese Zwischenlösung befriedigend vorzubereiten. Es liegt jetzt ein Entwurf vor, der in Diskussion ist.

Sie wissen auch, dass wir mit drei europäischen Staaten besondere Probleme haben, nämlich Deutschland, Italien und Griechenland. Erste Gespräche haben stattgefunden, diesen werden weitere folgen müssen. Wir beharren darauf, dass es eine vernünftige, zufriedenstellende Lösung gibt, die in der Perspektive selbstverständlich auch den Ausbau der Schiene etwa im Unterinntal, aber auch die Frage des Brenner-Basistunnels als langfristige Lösung enthalten muss.

Ich bin daher überzeugt davon, dass mit dieser konsequenten Haltung der österreichischen Bundesregierung und auch dank der Untermauerung unserer Argumente mit der Alpenkonvention letztendlich eine Lösung zustande kommen kann, die die Interessen Österreichs entsprechend berücksichtigt. Das ist unser ganz klares Ziel! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung über diesen Tagesordnungspunkt, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Täuschung der österreichischen Bevölkerung über die tatsächlichen Kosten der sündteuren Kampfflugzeuge (4154/J)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4154/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die blau-schwarze Regierung hat in ihrer Sitzung am Dienstag, 2. Juli 2002 die Typenentscheidung für den Ankauf von Kampfflugzeugen getroffen. Mit dieser Entscheidung, gegen die sich


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zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung klar aussprechen, wurde die größte Investition der 2. Republik eingeleitet.

Die SPÖ, die klar gegen diesen Ankauf aufgetreten ist, hat ersucht, dass die zuständigen Regierungsmitglieder Erklärungen vor dem Nationalrat abgeben, in welchen sie über die Details dieses Geschäftes die interessierte Öffentlichkeit informieren. Bedauerlicherweise wurde dieses Ersuchen nicht einmal ignoriert.

Die Regierung hat bisher verschwiegen, welche Belastungen sie den österreichischen SteuerzahlerInnen mit dieser Maßnahme im Detail zumutet, jener österreichischen Bevölkerung, die gegenwärtig unter der höchsten Steuerquote und unter einer Belastungswelle durch die Erhöhung verschiedenster Gebühren leidet.

Nunmehr wurde in der Mittwochausgabe der Tageszeitung "Die Presse" bekannt, dass die einzige bisher offiziell genannte Zahl, nämlich die Ankaufkosten in der Höhe von 1,791 Milliarden €, genannt von Bundeskanzler Dr. Schüssel und Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer nach dem Ministerrat am 2. Juli 2002, völlig falsch und deutlich zu niedrig angesetzt sein dürfte. Laut "Die Presse" kostet die Beschaffung von 24 Eurofighter-Kampfflugzeugen 2,085 Milliarden € bei sofortiger Zahlung. Bei einem Zahlungsziel von fünf Jahren liegen die Kosten bei 2,168 Milliarden €, bei neun Jahren Zahlungsziel erhöht sich der Preis auf 2,4 Milliarden €, ist also um mehr als 600 Millionen € (das sind rund 8,5 Milliarden Schilling!) höher als der von Schüssel genannte Preis.

Es handelt sich hier also offensichtlich um eine Täuschung der österreichischen Bevölkerung durch den Bundeskanzler und die verantwortlichen Minister, da an eine Einmalzahlung ja nie gedacht war. In der Öffentlichkeit wurde von den zuständigen Regierungsmitgliedern ein Zahlungszeitraum von ca. zehn Jahren dargestellt. Es wurde daher anscheinend mit falschen Zah-len operiert, um die Bevölkerung über das tatsächliche Ausmaß der Kosten dieses Verschwendungsprojektes der blau-schwarzen Bundesregierung zu täuschen.

Mit dieser Dringlichen Anfrage soll daher zumindest ein erster Schritt gesetzt und der Bundesminister für Finanzen zu den Auswirkungen auf die SteuerzahlerInnen befragt werden, um im Interesse der österreichischen Bevölkerung etwas Licht in dieses "Dunkel" zu bringen.

Diese Bundesregierung hat sämtliche wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele dem – dann schließlich nicht einmal erreichten – Null-Defizit geopfert. Die Situation der österreichischen Wirtschaft verschärft sich dabei laufend. Nach der Rezession im zweiten Halbjahr 2001 zeigen die Ergebnisse des ersten Quartals 2002, dass keineswegs von einem konjunkturellen Aufschwung gesprochen werden kann. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte stagnierten, die Bruttoinvestitionen gingen um 8,6 Prozent zurück, davon allein die Ausrüstungsinvestitionen um 10,6 Prozent. Das reale Bruttoinlandsprodukt wuchs nur um 0,1 Prozent.

Die Wifo-Prognose für die Jahre 2002 – 2003 zeigt, dass in Folge der restriktiven Wirtschaftspolitik die Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent (2001) auf 6,8 Prozent (2002) ansteigen und die Zahl der unselbstständig Beschäftigten sinken wird. Derzeit sind 29.053 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren ohne Beschäftigung. Die Jugendarbeitslosigkeit wird von der blau-schwarzen Regierung totgeschwiegen, um dem Arbeitsmarktservice ungezügelt weitere Geldmittel entziehen zu können.

Es ist ein unüberbietbarer und geradezu exemplarischer Zynismus dieser Regierung, dass die Entscheidung für den Kauf der Kampfflugzeuge ausgerechnet an jenem Tag gefällt wurde, an dem bekannt wurde, dass die Zahl der Arbeitslosen in Österreich neuerlich um 28.672 oder plus 16,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist.

Statt in dieser Situation so rasch als möglich ein umfangreiches konjunktur- und arbeitsmarktpolitisches Paket zu schnüren, beschließt die Bundesregierung den Kauf von Luxus-Kampfflugzeugen.


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Die Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich der Gesundheitspolitik sind zynisch und menschenverachtend. Das Leitmotiv mit dem die blau-schwarze Koalition unverhohlen in die Taschen kranker Menschen greift ist: Wer krank ist, muss zahlen.

Beispiele dafür sind:

Einführung der Ambulanzstrafgebühr;

Erhöhung des Selbstbehalts im Spital um rund 43 Prozent auf zirka 7,27 € (100 ATS) pro Tag.

Erhöhung der Rezeptgebühr um über 22 Prozent auf 4,14 € (56,97 ATS).

Kürzung des Krankengeldes für Schwerstkranke (von 78 auf 52 Wochen).

Streichung der beitragsfreien Mitversicherung.

Das ist der direkte Weg in die Zweiklassenmedizin, in der sich viele Menschen keine erstklassige Gesundheitsversorgung leisten können.

Im Bereich des Pflegegeldes findet diese Bundesregierung keine finanziellen Mittel, um endlich die längst überfällige Valorisierung durchzuführen.

Bei den Pensionserhöhungen werden den PensionistInnen durch unglaubliche Vorgangsweisen die vorgesehenen Anpassungen vorenthalten.

Bei der Einführung der Familienhospizkarenz stellt diese Regierung kein Geld zu Verfügung, um den betroffenen Menschen auch die notwendige finanzielle Existenzsicherung zu verschaffen.

Auf der einen Seite wird von der blau-schwarzen Regierung unter dem Deckmantel "Nulldefizit" ein radikaler Sozialabbau durchgeführt, auf der anderen Seite sollen für den Ankauf der Kampfflugzeuge enorme Schulden in die Zukunft gemacht werden.

In Zeiten, in denen das Budgetdefizit und die Arbeitslosigkeit steigt und das Sozialsystem wankt, sollte das Geld besser für Beschäftigung, Gesundheit und Bildung ausgegeben werden.

Aus der Summe der Argumente ist nachvollziehbar, warum zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung die Beschaffung von Kampfflugzeugen durch diese Regierung entschieden ablehnt.

Die Beschaffung von Kampfflugzeugen ist aus der Sicht der Budgetverantwortung des Bundesministers für Finanzen unverantwortbar.

Aus dem Gesamtbudget für die Landesverteidigung müssen 60 Prozent der Mittel für Personalausgaben aufgewendet werden. Für den Betrieb bleiben dem Verteidigungsminister nur rund 40 Prozent seines Budgets. Zusätzlich müssen die Schulden (Vorbelastungen) für Rüstungsanschaffungen abgezahlt werden.

Der Rechnungshof kritisiert, dass schon jetzt das Verteidigungsressort durch diese Vorbelastungen mit über 42 Prozent des Jahresbudgets verschuldet ist. Wenn nun die Kampfflugzeuge tatsächlich um 1,791 Milliarden € angekauft werden, steigen diese Schulden auf 146 Prozent des gesamten Verteidigungsbudgets.

Das heißt im Klartext, dass es durch diesen unverantwortbaren Ankauf von Kampfflugzeugen keinen Spielraum für wirklich notwendige Beschaffungen im Bereich des Bundesheeres für unsere SoldatInnen gibt. Diese Vorgangsweise ist umso verwerflicher, als der Betrieb dieses Kampfflugzeugtyps nachweislich am teuersten ist.

Die SPÖ bekennt sich zum Bundesheer, würde aber andere Schwerpunkte in der Beschaffung von Gerät und Rüstungsgegenständen für das Bundesheer setzen. Es ist uns wichtig, den Schutz und die Sicherheit der österreichischen Soldaten zu erhöhen.


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110. Sitzung / Seite 119

Eine umfassende Modernisierung jener Verbände, die für Auslandseinsätze, nationale und internationale Katastrophenhilfe und für Assistenzeinsätze vorgesehen sind, ist unumgänglich. Qualität, auch high tech, wird im Bundesheer noch verstärkt Eingang finden müssen.

Aus einer Anfragebeantwortung des Verteidigungsministers lässt sich ableiten, wie hoch die Kosten pro Einsatz für diese Kampfflugzeuge sind.

Wenn in Zukunft die gleiche Einsatzhäufigkeit wie in den letzten 5 Jahren (48 Einsätze) unterstellt wird, dann sind das über den Lebenszyklus der neuen Kampfflugzeuge (20 Jahre) insgesamt 192 Einsätze.

Wenn nur die Anschaffungskosten durch die Zahl der Einsätze dividiert werden (ohne Personalkosten, Sachaufwand und Zweckaufwand für Betrieb, Wartung, Instandhaltung der Flugzeuge und aller für die Flugzeuge erforderlichen Einrichtungen), rund 1,8 Milliarden € (25 Milliarden ATS): 192 Einsätze = rund 9,46 Millionen € (rund 130,2 Millionen ATS), ist erkennbar, dass jeder Einsatz rund 9,46 Millionen € (130,2 Millionen ATS) kostet.

Als wesentliches Argument für die Beschaffung von Kampfflugzeugen werden von den Regierungsparteien immer wieder die Kompensationsgeschäfte genannt.

Von maßgeblichen Ökonomen wird diese "VOODOO-Ökonomie" kritisiert. Aus 1 € auf der Ausgabenseite werden plötzlich 2 € auf der Einnahmenseite – bis hin zur Freunderlwirtschaft im öffentlichen Bereich oder gar Parteienfinanzierung ist da die Rede.

Die von der Kampfflugzeuglobby versprochenen Gegengeschäfte sind in Wahrheit eine reine Realitätsverzerrung. Wie die Vergangenheit bewiesen hat, mussten österreichische Unternehmen bei Gegengeschäften derart billig anbieten, um zum Zug zu kommen, dass sie zu diesem letztlich vereinbarten Preis auch auf dem freien Markt problemlos verkaufen hätten können.

Im "trend"-Interview hält der Wirtschaftswissenschafter Erich Streissler Kompensationsgeschäfte für den Kauf von Abfangjägern für sinnlos.

Zitat: "Die Behauptung, dass Kompensationsgeschäfte für die Wirtschaft günstig sind, ist bestenfalls ein Irrglaube, schlechtestenfalls eine glatte Lüge."

Die SPÖ hat daher einen Antrag zum "Stopp des Abfangjägerankaufs" eingebracht. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen wurde dieser Antrag jedoch im Landesverteidigungsausschuss am 7. Mai 2002 vertagt.

Die Regierungsfraktionen lehnten gleichfalls einen SPÖ-Vorschlag zur Abhaltung einer Volksabstimmung ab.

Die blau-schwarze Regierung entzieht sich durch diese Vorgangsweise der Diskussion mit der österreichischen Bevölkerung und versucht sich damit aus der Verantwortung zu stehlen.

Alles in allem eine äußerst schiefe Optik, daher wird sich entweder der Rechnungshof oder der Unterausschuss des Parlamentarischen Rechnungshofausschusses mit dieser Beschaffung der Kampfflugzeuge beschäftigen. Die SPÖ will dabei die Gebarung aller beteiligten Ministerien - Verteidigung, Wirtschaft, Finanzen - sowie des Kanzleramtes untersucht sehen.

Der Finanzminister ist ein Meister der gebrochenen Versprechen!

Er hat die ausgabenseitige Sanierung des Budgets versprochen, aber die höchste Steuerquote zu verantworten. Er hat das Nulldefizit versprochen, das es nicht mehr gibt, und er hat versprochen, wenn überhaupt, nur der billigsten Variante von Kriegsgerät – so hat er die Kampfflugzeuge bezeichnet – zuzustimmen, und nun hat er der teuersten Variante zugestimmt.

Es steht jedenfalls fest, dass durch die Entscheidung des Finanzministers die steuergeplagten ÖsterreicherInnen in den kommenden Jahren die horrenden Raten für dieses Kriegsgerät abstottern müssen.


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110. Sitzung / Seite 120

Die SPÖ steht für ein modernes und soziales Österreich, während Finanzminister Grasser und die blau-schwarze Regierung für den Ankauf des teuersten Kriegsgerätes vom Typ "Typhoon" steht und dafür auch die Pensionen weiter kürzen will.

Finanzminister Grasser sagte am 6. April 2002 zur Beschaffung von Kriegsgerät folgendes:

"Zuerst müssen die Damen und Herren die Hosen runter lassen, dann wird man eine Entscheidung treffen können", sagte Grasser in Sachen Abfangjäger.

Aber als Finanzminister habe er die Aufgabe, jede Ausgabe auf ihre Sinnhaftigkeit zu hinterfragen sowie Sparsamkeit sicher zu stellen. "Daher bin ich jeder neuen Ausgabe gegenüber skeptisch", sagte Grasser und: "Wenn wir entlasten wollen, können wir nicht dauernd Mehrausgaben erfinden. Daher passen solche Beschaffungen nicht in mein Bild."

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

Anfrage:

1. Wie hoch ist der Kaufpreis für die Kampfflugzeuge vom Modell Eurofighter "Typhoon", die von Ihnen als Kriegsgerät bezeichnet wurden, samt Finanzierungskosten nach dem gegenwärtigen Wissensstand, sind es 1,791 Milliarden €, wie vom Bundeskanzler der Öffentlichkeit präsentiert, oder sind es doch eher 2,4 Milliarden €, wie "Die Presse" berichtet?

2. Wie sieht das Finanzierungsmodell konkret aus beziehungsweise welche Finanzierungsvarianten gibt es und was sind nach den verschiedenen Finanzierungsvarianten die tatsächlichen Kosten für diesen Ankauf?

3. Welche Zahlungen werden für die Republik Österreich in welchen Budgetjahren – aufge-schlüsselt nach Finanzierungsvarianten – nach dem gegenwärtigen Wissensstand anfallen?

4. Können Sie – wie Ihr Ministerkollege Scheibner – ausschließen, dass es im Rahmen dieses Rechtsgeschäftes zur Leistung von "nützlichen Aufwendungen" oder Provisionszahlungen gekommen ist oder kommen wird und garantieren Sie – wie Bundesminister Scheibner –, dass in einem solchen Fall der Vertrag sofort aufgelöst wird?

5. Welche Kosten für den Betrieb, die Wartung und sonst anfallende Aufwendungen werden jährlich für den Eurofighter anfallen, welche Kosten werden daraus für den Lebenszyklus der Kampfflugzeuge nach dem gegenwärtigen Wissensstand entstehen?

6. Welche Kosten werden für die Erstausstattung der Bewaffnung des Eurofighters entstehen, welche Folgekosten ergeben sich in den folgenden Budgetjahren daraus?

7. Welche Personalkosten werden insgesamt für Betrieb, Wartung et cetera dieser Kampfflugzeuge jährlich anfallen?

8. Wer trägt anfallende Mehrkosten, die aus Betriebsproblemen entstehen, da der Eurofighter noch kein eingeführtes System ist?

9. Wie hoch wären die Kaufpreise für die anderen angebotenen Modelle – nach Finanzierungsmodell dargestellt – gewesen?

10. Welche Kosten für den Betrieb, die Wartung und sonst anfallenden Aufwendungen wären für die anderen angebotenen Modelle jährlich angefallen, welche Kosten wären im Lebenszyklus entstanden?

11. Wie hoch wäre der Kaufpreis für die generalüberholten F-16 gewesen?


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110. Sitzung / Seite 121

12. Waren für die Entscheidung lediglich militärische Aspekte von Bedeutung oder spielten die Kompensationsgeschäfte ebenfalls eine Rolle?

13. Welche Einnahmen hat die Republik im Jahre 2001 aus folgenden Maßnahmen erzielt und welche Einnahmen werden für das Jahr 2002 aus diesen Maßnahmen erwartet:

a) Ambulanzgebühren,

b) Besteuerung der Unfallrenten,

c) Studiengebühren,

d) Streichung der beitragsfreien Mitversicherung?

14. Wie viele Jahreseinnahmen aus den jeweils genannten Maßnahmen sind rechnerisch notwendig, um den Kaufpreis samt Betriebskosten et cetera für den Lebenszyklus der zur Beschaffung ausgewählten Eurofighter zu finanzieren?

15. Wann wird die Lieferung der 24 Kampfflugzeuge an die Republik Österreich erfolgen?

16. Wird eine Überbrückungslösung notwendig und realisiert werden?

Wenn ja, wie wird diese Überbrückungslösung aussehen und welche Kosten werden in welchem Budgetjahr dafür entstehen?

17. Sie haben ausgeführt, dass der Ankauf der Kampfflugzeuge in einem Zielkonflikt zur Steuerreform steht. Insbesondere haben Sie dabei betont, dass es zu weiteren Schnitten bei den Pensionen kommen werde.

Welche Maßnahmen bei den Pensionen werden Sie vorschlagen, um den Kampfflugzeugankauf damit indirekt zu finanzieren?

18. Wann werden Sie die notwendigen finanziellen Mittel für die Valorisierung des Pflegegeldes zur Verfügung stellen?

19. Sie haben weiters der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dass Sie die Budgets der anderen Minister für den Kampfflugzeugankauf kürzen werden.

a) Welche Maßnahmen mit welcher Wirksamkeit für die jeweiligen Budgets der Ressorts werden Sie – aufgegliedert nach den Bundesministerien – versuchen durchzusetzen?

b) Wie hoch ist dieser Betrag nach Ressorts?

c) Wie hoch ist der Betrag insgesamt?

20. Im Gegensatz dazu soll – unter anderem wegen der höheren Betriebskosten des Eurofighters – das Landesverteidigungsressort ein höheres Budget erhalten. Welche Zusagen haben Sie für die folgenden Budgetjahre gemacht?

21. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Kompensationsgeschäfte jährlich veröffentlicht werden, wie dies von Bundesminister Bartenstein vorgeschlagen wurde?

22. Ist Ihnen bekannt, wer diese Kompensationsgeschäfte beurteilen wird?

23. Können Sie durch die Zustimmung zu dieser Beschaffung garantieren, dass bei dieser Beschaffung alle bestehenden Gesetze und sonstige Rechtsvorschriften eingehalten wurden?

24. Werden Sie als bei dieser Beschaffung mitzuständiges Mitglied der Bundesregierung dafür eintreten, dass die österreichischen StaatsbürgerInnen das Recht erhalten, mittels Volksabstimmung über diesen größten Beschaffungsvorgang der 2. Republik zu entscheiden?


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110. Sitzung / Seite 122

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu
behandeln.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

15.01

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich zu einem der größten Investitionen in der Geschichte unseres Landes entschlossen. (Abg. Kiss: Einer! ) Wir waren der Auffassung, dass es notwendig ist, über diese größte Investitionsentscheidung hier im Parlament zu diskutieren, und haben daher die zuständigen Regierungsmitglieder ganz freundlich eingeladen, hier eine Erklärung abzugeben, aber die Bundesregierungsmitglieder haben diese Einladung nicht angenommen. Daher haben wir uns gezwungen gesehen, heute eine Dringliche Anfrage zu stellen, weil es ja nicht sein kann, dass eine der größten Investitionsentscheidungen ohne Diskussion im Parlament und ohne Zustimmung der Bevölkerung über die Bühne geht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute aber auch offensichtlich geworden, wieso die Mitglieder der Bundesregierung keine Erklärung im Parlament abgeben wollten. Ich möchte daran erinnern, dass am 2. Juli bei der Verkündung der Entscheidung durch den Bundeskanzler und durch die Vizekanzlerin davon gesprochen wurde, dass die neuen Luxus-Kampfflugzeuge um 1,79 Milliarden € angeschafft werden. In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt – und heute publiziert dies die Tageszeitung "Die Presse" –, dass die Gesamtkosten des Ankaufs der Abfangjäger nicht bei 1,79 Milliarden €, sondern bei 2,4 Milliarden € liegen werden. Das heißt, dass dieses gesamte Geschäft noch viel, viel teurer ist, als dies die Spitzen der Bundesregierung der österreichischen Bevölkerung vermitteln wollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da stellt sich die Frage, wie mit einer solchen Großinvestition umgegangen wird, wenn sich binnen weniger Tage herausstellt, dass dieses Geschäft um Hunderte Millionen Euro teurer wird. Wo war die Sorgfalt eines guten Kaufmanns, Herr Finanzminister, wenn über 1,79 Milliarden € gesprochen wird und sich heute herausstellt, dass es 2,4 Milliarden € sind? Wo bleibt die Vorbereitung zu dieser Entscheidung, wenn die Entscheidungsvorbereitung durch das Verteidigungsministerium in den letzten 24 Stunden völlig umgedreht wird? Wo bleiben die guten Verhandlungen, wenn bis zum heutigen Tag nicht klar ist, wie die Kompensationsgeschäfte ausschauen? – Es handelt sich auch bei diesem Geschäft wieder um eine typische Husch-Pfusch-Aktion dieser schwarz-blauen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dabei stellt sich natürlich die Kernfrage: Ist dieser Ankauf von Luxus-Kampfflugzeugen – oder wie Sie, Herr Finanzminister, es bezeichnet haben: von "Kriegsgerät" (Abg. Murauer: Der Vorwurf ...!); ich zitiere den Finanzminister, er hat gemeint: bei den Luxus-Kampfflugzeugen handle es sich um "Kriegsgerät" –, ist diese Anschaffung wirklich das Wichtigste, das wir derzeit in Österreich brauchen, Herr Finanzminister?

Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist wesentlich höher als im vergangenen Jahr: 30 000 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren sind ohne Beschäftigung. Die Steuer- und Abgabenquote hat einen absoluten Rekordstand erreicht. Die österreichische Wirtschaft boomt trotz aller Bemühungen nicht so, wie man es sich vorgestellt hat, daher ist das Wachstum außerordentlich bescheiden. Sie kündigen bereits an, dass Sie sich gezwungen sehen, in Zukunft die Pensionen zu kürzen. Auch die erforderlichen Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung im Bereich von Forschung und Entwicklung sind nicht gegeben.

In einer solchen Situation, in der es derartige Mängel gibt, die direkt die österreichische Bevölkerung treffen, in dieser Situation sagen Sie als Finanzminister ja zum Ankauf von Luxus-Kampfflugzeugen! Das bezeichnet den Charakter Ihrer Politik: Sie kümmern sich nicht um die


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110. Sitzung / Seite 123

Menschen in unserem Land, nicht um die Betroffenen, sondern nur um Ihre Flugzeuge. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

Herr Finanzminister! Es ist im Übrigen auch interessant, wie Sie sich in dieser Frage als der Hauptumfaller in der Bundesregierung entpuppt haben. Sie haben nämlich noch am 6. April über die Beschaffung des von Ihnen so benannten "Kriegsgeräts" gesagt: "Zuerst müssen die Damen und Herren die Hosen runter lassen, dann wird man eine Entscheidung treffen können." – Herr Finanzminister, nun berichten Sie uns vielleicht, was Sie festgestellt haben, als die, wie Sie es formuliert haben, "Damen und Herren die Hosen runter gelassen" haben. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Was hat Sie dazu veranlasst, zum Ankauf der absolut teuersten Type bei den Kampfflugzeugen auf einmal ja zu sagen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja mit der Würde des Parlaments nicht vereinbar!)  – Frau Partik-Pablé, das ist ein Zitat Ihres Finanzministers! Die Diktion müssen Sie sich in der FPÖ selbst ausmachen. (Abg. Jung: Das hat er ja nicht im Parlament gesagt!)

Uns interessiert: Woher kommt dieser Gesinnungswandel? Was wurde festgestellt, wenn "am Ende des Tages" die absolut teuersten Kampfflugzeuge angekauft werden? – Herr Finanzminister! Darüber verlangen das Parlament und die österreichische Bevölkerung Aufklärung. Einfach das Teuerste zu nehmen und nicht zu sagen, wieso, obwohl es überhaupt keine Beweise für die Kompensationsgeschäfte gibt, das ist keine ehrliche Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Finanzminister! Sie haben gesagt, Sie würden es als Ihre Aufgabe ansehen, jede Ausgabe auf ihre Sinnhaftigkeit zu hinterfragen sowie Sparsamkeit sicherzustellen. Ich zitiere Sie jetzt wörtlich:

"Daher bin ich jeder neuen Ausgabe gegenüber skeptisch. Wenn wir entlasten wollen, können wir nicht dauernd Mehrausgaben erfinden. Daher passen solche Beschaffungen nicht in mein Bild." – Zitatende.

Herr Finanzminister, haben Sie jetzt ein anderes Bild? Was hat dazu geführt, dass auf einmal die allerteuersten Kampfflugzeuge in Ihr Bild hineinpassen? Wo sind Ihre Ansprüche von wegen Sparsamkeit? – Sie selbst haben sich als den Anwalt der österreichischen Steuerzahler bezeichnet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie einen solchen Anwalt haben, dann brauchen Sie sich über Ihre Nicht-Einkommen keine Sorgen mehr zu machen – so wenig passt der Finanzminister darauf auf! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister! Was sagen Sie eigentlich zur Einschätzung renommierter österreichischer Wirtschaftswissenschafter wie des Herrn Professor Streissler, der im "trend" gemeint hat: "Die Behauptung, dass Kompensationsgeschäfte für die Wirtschaft günstig sind, ist bestenfalls ein Irrglaube, schlechtestenfalls eine glatte Lüge."?

Herr Finanzminister, legen Sie doch die Liste auf den Tisch! Wie schauen die Kompensations-geschäfte aus? Welche Verträge wurden bereits abgeschlossen? Wie schaut der versprochene Rückfluss in das Budget aus? – Nichts von dem haben Sie bis zum heutigen Tag auf den Tisch legen können, aber die Entscheidung darüber, wohin das Geld der österreichischen Steuerzahler fließen soll, haben Sie getroffen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit wird der Charakter dieser Bundesregierung klar: nichts tun gegen die Arbeitslosigkeit, höchste Steuern und Abgaben, Belastungen der Patienten in Österreich, Kürzung der Pensionen – aber 2,4 Milliarden € für Luxus-Kampfflugzeuge. Da entlarven Sie sich selbst, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nur damit wir es für alle konkret Betroffenen auch benennen: Erklären Sie einer durchschnittlichen österreichischen Familie, die unter Umständen über ein Monatseinkommen von 20 000 S oder 1 500 € verfügt, dass mit diesem Ankauf von Kampfflugzeugen jede österreichische Familie 1 000 € dafür zu zahlen hat. Das heißt, nahezu ein durchschnittliches Monatseinkommen einer österreichischen Frau, die arbeiten geht, muss jede österreichische Familie für diesen


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110. Sitzung / Seite 124

Ankauf von Luxus-Kampfflugzeugen aufbringen – und das in Zeiten, in denen die Menschen durch Ihre Steuer- und Abgabenpolitik und durch eine Rekordsteuerbelastung ohnehin schon genug getroffen werden. Das ist in diesen Zeiten der völlig falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir schon den Herrn Verteidigungsminister hier auf der Regierungsbank sitzen haben, der ja bis zum Schluss, wie man hört, wie ein Löwe dafür gekämpft hat, dass man sich für eine andere Type von Kampfflugzeugen entscheidet, die, wie man hört, auch billiger gewesen sein soll als die, für die man sich jetzt entschieden hat, wollen wir folgende Fragen, Herr Verteidigungsminister, beantwortet haben: Gibt es irgendeine Schätzung, wie die Erhaltungskosten für diese neuen Kampfflugzeuge, die ja noch nirgends im regulären Einsatz sind und deren Einsatz in Großbritannien jetzt auch wieder verschoben wird, weil es so genannte Kinderkrankheiten gibt, aussehen? Wie werden Sie die Mehrkosten für die Wartung und die Erhaltung dieser Kampfflugzeuge im Verteidigungsbudget unterbringen? Was uns vor allem interessiert, ist, ob es in Zukunft für unsere Soldaten nicht mehr den erforderlichen Schutz geben wird, nicht mehr die erforderliche Ausrüstung geben wird, nur weil Sie diese Kampfflugzeuge anschaffen und daher für das normale Heeresbudget und für unsere Soldaten kein Geld mehr zur Verfügung steht. Das wäre nicht in unserem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht haben Sie, Herr Verteidigungsminister, auch die Güte, uns zu erzählen, wie weit jetzt die Vorbereitungen in Europa gediehen sind, wo vereinbart wurde, dass 60 000 Mann binnen 60 Tagen über ein Jahr lang für das internationale Krisenmanagement einsatzfähig sein sollen und natürlich jeder Mitgliedstaat in der Europäischen Union seinen Beitrag zu leisten hat. Welchen Beitrag wird Österreich leisten? Welche Art von Ausrüstung brauchen dafür unsere Soldaten und unser österreichisches Bundesheer? Brauchen Sie für die wesentlichen Einsätze im Rahmen der europäischen Solidarität diese Kampfflugzeuge, oder benötigt das österreichische Bundesheer in Wirklichkeit nicht etwas ganz anderes?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was hier gemacht wird, das entspricht nicht den Notwendigkeiten einer österreichischen Landesverteidigung, die sich zur europäischen Solidarität bekennt, sondern das, was hier geschieht, ist eine gigantische Fehlinvestition – sowohl auf dem Rücken der österreichischen Steuerzahler als auch auf dem Rücken der österreichischen Soldaten. Das ist der falsche Weg! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Frage, die in diesem Zusammenhang überhaupt noch nicht angesprochen wurde, ist die, woher unter Umständen die Empfehlungen in diese Richtung gekommen sind. Da wir für das europäische Krisenmanagement diese Kampfflugzeuge nicht brauchen, da dies für die österreichische Bevölkerung und für die Steuerzahler eine erhebliche Belastung darstellt, stellt sich die Frage: Wozu soll man diese Kampfflugzeuge ankaufen? Ist das eine der vielen Vorbereitungsaktionen für den von dieser schwarz-blauen Bundesregierung angestrebten NATO-Beitritt? (Abg. Jung schlägt die Hände zusammen.) Gibt es irgendwelche informellen Hinweise darauf, dass eine NATO-Mitgliedschaft nur dann möglich ist, wenn man diese Kampfflugzeuge anschafft?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Verteidigungsgründen und aus Gründen der sozialen Stabilität in unserem Land braucht niemand diese Kampfflugzeuge. Offensichtlich gibt es Geheimabsprachen in der Richtung, dass das die Vorbereitung für eine NATO-Mitgliedschaft ist. Dafür gibt es weder eine erforderliche Mehrheit im Hohen Haus noch die Zustimmung der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Fassen wir die Angelegenheit daher zusammen: Der Finanzminister als Meister der gebrochenen Versprechen, der gesagt hat, er sei der Anwalt der Steuerzahler, er halte nichts von diesem Kriegsgerät, stimmt zusätzlichen Ausgaben in der Höhe von 2,4 Milliarden € zu. Der Verteidigungsminister weiß nicht, wie er in Zukunft sein Verteidigungsbudget zusammenbekommen soll, da ein Großteil der Verteidigungsausgaben von den Erhaltungskosten für diese neuen Luxus-Kampfflugzeuge aufgefressen wird.


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110. Sitzung / Seite 125

Diese Bundesregierung, die jetzt zweieinhalb Jahre lang gesagt hat: Wir können uns verschiedene Dinge nicht leisten!, Alle müssen sparen, damit das Nulldefizit zustande kommt!, macht nun nach zweieinhalb Jahren massiver Belastung der österreichischen Bevölkerung auf einmal neue Schulden, aber nicht für die Erhaltung der sozialen Stabilität, nicht für die Bildung, nicht für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, sondern für den Ankauf von sündteuren Kampfflugzeugen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist kein fairer Weg: einerseits der österreichischen Bevölkerung Chancen und Möglichkeiten zu nehmen und andererseits eine Verschuldung unseres Landes nur für den Kauf dieser Kampfflugzeuge in Kauf zu nehmen. Herr Finanzminister, so haben wir beim Nulldefizit nicht gewettet. Die Menschen belasten und Kampfflugzeuge kaufen – das war nicht der Deal, der da dahintergestanden ist! (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Dr. Moser. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stellt sich die Frage: Wie wird eine durchschnittliche österreichische Familie das nach mehr als zwanzig Steuer- und Abgabenerhöhungen, die diese schwarz-blaue Bundesregierung vorgenommen hat, verkraften können? Nachdem die FPÖ, die einmal als Vertretung der so genannten kleinen Leute angetreten ist, als die Partei der Vertretung des Herrn Gaugg geendet hat, nachdem Sie die Österreicherinnen und Österreicher ganz massiv belastet haben, sagen Sie jetzt: Wir wollen von jeder Familie noch einmal 1 000 € haben, um diese Kampfflugzeuge zu finanzieren! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt geht Ihnen schon der Stoff aus! Sie werden nicht über die Zeit kommen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist sozial, wirtschaftlich und politisch nicht vertretbar. Wieso stellen Sie sich diesbezüglich nicht einer öffentlichen Auseinandersetzung? Wenn Sie glauben, dass Ihre Argumente so gut sind, dann treten Sie doch vor die österreichische Bevölkerung hin! Wieso lassen Sie die Österreicherinnen und Österreicher über diese Angelegenheit nicht abstimmen? Wenn Sie davon überzeugt sind, dass das der redliche und beste Weg ist, und wenn die FPÖ immer wieder sagt, es gebe überhaupt keine Frage, die man der Bevölkerung nicht vorlegen könnte, wieso haben Sie dann auf einmal weiche Knie und verschanzen sich hier herinnen und stellen sich nicht vor die Bevölkerung und sagen: Das sind die Argumente, und das Volk soll abstimmen!?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen es ganz genau: Die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung lehnt diesen Ankauf von Kampfflugzeugen ab. Aus guten Gründen! Wir brauchen sie aus verteidigungspolitischen Gründen nicht, und es ist eine Ausgabe in die völlig falsche Richtung. Daher wollen die Menschen es nicht. (Abg. Dr. Stummvoll: Bei der Wahl wird abgestimmt!) Ersparen Sie sich Ihre Zwischenrufe! Treten Sie vor die Bevölkerung hin und sagen Sie: Wir lassen das Volk abstimmen! Da können Sie beweisen, ob Sie Argumente haben und nicht nur Lautstärke. Das wäre der richtige Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher, Herr Finanzminister: Wenn Sie Ihre eigenen Aussagen, dass Sie der Anwalt der Steuerzahler sein wollen, Ihre eigenen Aussagen, dass die Anschaffung von Kriegsgerät nicht in Ihr Bild passe, Ihre eigenen Aussagen, dass Sie die sparsamste Variante wählen wollen, ernst nehmen, wenn Sie also sich selbst noch ein wenig ernst nehmen, dann gibt es für Sie nur einen Weg: Ziehen Sie als Finanzminister die Reißleine und stoppen Sie dieses enorm teure Rüstungsgeschäft, das eine Investition in die völlig falsche Richtung ist! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister Mag. Grasser das Wort zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Die Redezeit soll nach § 93 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.20

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Regierungskollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Da Alfred Gusenbauer ausgeführt hat, es gehe uns nicht um die Menschen, die Arbeitslosigkeit steige, wir


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110. Sitzung / Seite 126

täten nichts gegen die Arbeitslosigkeit, wir täten nichts für die Bildung, wir täten nichts für die soziale Stabilität, ist es mir ein großes Anliegen, gleich zu Beginn meiner Ausführungen Folgendes festzuhalten: Ich weiß nicht, von welchem Land Sie gesprochen haben, Herr Dr. Gusenbauer, ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben, ich bin mir nur sehr sicher, zu wissen, dass es nicht Österreich sein kann, das Sie gemeint haben (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie unser Land schlecht machen oder herabwürdigen wollen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das Land ist gut! Ihre Politik ist schlecht! Das ist ein Unterschied! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, wie die Daten und die Fakten für Österreich zurzeit sind:

Wir haben in diesem Jahr ein Wachstum von 1,2 Prozent zu erwarten, was mehr ist als im letzten Jahr.

Wir konnten im Juni dieses Jahres mit 3 181 350 Beschäftigten den höchsten Stand bei der Be-schäftigung in der Geschichte der Zweiten Republik in Österreich erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Aber welche Beschäftigungen!)

Wir haben mit 4 Prozent Arbeitslosigkeit die drittniedrigste Arbeitslosenrate in Europa hinter den Niederlanden und hinter dem eigentlich nicht vergleichbaren sehr kleinen Luxemburg. Wir kämpfen bei jedem Arbeitslosen und schauen, dass wir die Zahl der Arbeitslosen nach Möglichkeit reduzieren und Vollbeschäftigung erreichen können. Aber wir haben im internationalen Vergleich eine sehr gute Situation. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben, was die Inflation betrifft, mit 1,7 Prozent eine enorm hohe Preisstabilität.

Wir haben im Jahr 2001 erstmals seit mehr als 30 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreicht.

Wir haben eine sinkende Steuerquote in diesem Jahr, die wahrscheinlich sogar unter 45 Prozent zu liegen kommen wird.

Wir sind in der Wettbewerbsfähigkeit unter 145 Ländern im Jahre 1998 noch die Nummer 24 gewesen, während wir jetzt die Nummer 13 in der Welt sind. Österreich ist das dreizehntbeste Land hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das weiß der Gusenbauer alles nicht!)

Wir haben als österreichische Bundesregierung Schwerpunkte gesetzt: Wir geben mehr Geld aus für die Forschung und Entwicklung als jemals zuvor, wir geben mehr Geld aus für die Bildung als jemals zuvor, wir geben mehr Geld aus für die Infrastruktur als jemals zuvor. Wir verfolgen damit eine ganz klare Wachstumsstrategie, eine Strategie, meine Damen und Herren, die heuer erstmals in Österreich zu 30 000 neu gegründeten Unternehmen führen wird. (Abg. Dr. Mertel: Führen wird?) Das ist ein Rekord an Unternehmensgründungen in der Geschichte der Zweiten Republik.

Da sage ich Ihnen: Ich bin sehr stolz darauf und froh, in diesem Land zu leben, und sage ein Danke an die Beschäftigten, ein Danke an die Unternehmer in diesem Land dafür, dass sie eine solche Bilanz zustande bringen konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie uns mangelnde soziale Solidarität vorwerfen, dann möch-te ich Ihnen schon sagen: Uns ist die Solidarität, uns ist die soziale Absicherung unserer Bevölkerung, und uns ist die soziale Gerechtigkeit ein wirklich großes Anliegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel: Ambulanzgebühren!) Das war der Grund dafür, dass wir eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 130 Millionen € für Kinder ab dem vierten Lebensjahr beschlossen haben, und zwar ab dem Jahr 2003. Das war der Grund dafür, dass wir das Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 436 € im Monat für drei Jahre Anspruch beschlossen haben, weil wir wissen, dass Kinder die Zukunft unseres Landes sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zahlreiche Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wahrheit tut weh!)


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110. Sitzung / Seite 127

Sie sollten sich anhören, was wir für die soziale Gerechtigkeit in Österreich tun! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben die Studienförderung in Österreich von 111 Millionen € im Jahr 2001 auf 146 Millionen € erhöht. (Abg. Bures: In Form von Studiengebühren!) Wir haben eine Behinderten-Milliarde tatsächlich eingeführt, weil uns die Beschäftigung der behinderten Menschen ein großes Anliegen ist. Wir haben eine Entschädigung für die Kriegsgefangenen eingeführt, und wir haben mit der Mitarbeitervorsorge vor kurzer Zeit hier im Hohen Haus einen wirklichen sozialpolitischen Meilenstein für die Beschäftigten in unserem Land beschlossen und damit Maßnahmen gesetzt, mit welchen es gelingt, den sozialen Zusammenhalt in Österreich zu verstärken. Ich darf Ihnen versichern, dass die kleinen und mittleren Einkommen weiterhin die Priorität dieser Bundesregierung sein werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich nun das Thema "Abfangjäger" beleuchte, so muss ich sagen: Wer hat denn die Grundsatzentscheidung für die Beschaffung von Abfangjägern in Österreich gefasst? – Meine Damen und Herren, es war kein Geringerer als Bundeskanzler Fred Sinowatz, der als Vorsitzender des Landesverteidigungsrates am 26. März 1985 die Empfehlung an die Bundesregierung ausgesprochen hat, die Draken zu beschaffen. (Abg. Huber: Sie wollten ja etwas verändern! – Zahlreiche weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Es war der Herr Finanzminister Franz Vranitzky, der diese Beschaffung unterstützt hat, gemeinsam mit dem damaligen Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager.

Es war jeder sozialdemokratische Bundeskanzler seither immer für die Beschaffung von Abfangjägern. Zuletzt wurde bei den unter der Federführung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Viktor Klima stehenden Verhandlungen über das Koalitionsübereinkommen der Koalition, die Gott sei Dank – das "Gott sei Dank" ist bezogen auf dieses Land – nicht zustande gekommen ist (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso machen Sie es dann?), unter Punkt 4 festgehalten – ich zitiere –:

"Um die Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheers sicherzustellen, sind in dieser Legislaturperiode Investitionen insbesondere für die österreichische Luftraumüberwachung erforderlich." – Zitatende.

Dann wird erstens die Anschaffung der Hubschrauber angesprochen, die wir auch beschlossen und umgesetzt haben, weil uns ein zweites Galtür in unserer Verantwortung nicht passieren soll und wir das für die Sicherheit der Bevölkerung als wichtig erachten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben Sie die Hubschrauber schon?) Als zweiter Punkt wird die Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge angesprochen, wobei der Bundesminister für Landesverteidigung und der Bundesminister für Finanzen ersucht werden – ich zitiere –, "gemeinsam die Voraussetzungen zu entwickeln, dass der Ankauf rechtzeitig in dieser Legislaturperiode erfolgen kann" (Abg. Ing. Westenthaler: Hört! Hört!), "im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets, aber ohne zusätzliche Belastung für das Budget des Bundesministeriums für Landesverteidigung".

Meine Damen und Herren! Das heißt, es hat in der Zeit, in der die Sozialdemokratie in Regie-rungsverantwortung war, offensichtlich eine Zeit gegeben, in der sich die Sozialdemokraten ganz konsequent immer, und zwar über fast 20 Jahre, für die Beschaffung von Abfangjägern eingesetzt haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Schieder, Heinz Fischer!) Ich nehme nun zur Kenntnis, dass Sie jetzt Regierungspolitik durch oppositionellen Untergriff ausgetauscht haben und dieser Bundesregierung das vorwerfen, was Sie selbst in Ihren Regierungsübereinkommen festgehalten haben, was Sie ausverhandelt haben, was Sie als Sozialdemokratie umsetzen wollten. Ich sage Ihnen dazu Folgendes: Das ist Kindesweglegung ersten Ranges! Sie sitzen im Glashaus, aber werfen mit Steinen! Sie werden die Scherben Ihrer Politik selbst wegzuräumen haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie vorhin meine Verantwortung als Finanzminister angesprochen haben (Abg. Dietachmayr: Die nehmen Sie nicht wahr!), was Ihnen zusteht – und ich bin Ihnen dankbar für die Dringliche Anfrage, das sage ich ganz offen, denn ich habe selten Gelegenheit, mich so vor dem Hohen Haus zu artikulieren –, möchte ich sagen: Es wissen alle in Österreich, dass ich meine Position sehr klar artikuliert habe. Ich habe viele Male offen ausgesprochen, was ich


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denke. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Hört doch einmal zu, was er sagt!) Da gibt es ganz einfach so etwas wie einen geradezu natürlichen Interessengegensatz zwischen einem Verteidigungsminister wie auch allen anderen Res-sortkollegen und einem Finanzminister. Man versucht – und zwar jeder von uns – zu überzeu-gen, dass der eigene Weg der richtige ist.

Ich sage Ihnen ganz offen: Für mich ist das Wesen der Demokratie der Dialog. Ich habe einfach zur Kenntnis genommen, dass der Bundespräsident, dass die Regierungsspitzen, dass die Klubs, dass nicht nur die Freiheitlichen und die ÖVP, sondern eigentlich auch die Sozialdemokraten, so sie sich ihrer Verantwortung bewusst waren, für die Beschaffung von Abfangjägern eingetreten sind. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie waren sozusagen der einzige Gegner! Sie waren der einzige Gegner von Abfangjägern!) Für die Demokratie ist einfach ein Punkt eine ganz wesentliche Grundvoraussetzung, nämlich dass man klare Mehrheiten in Kollektivorganen auch zu akzeptieren hat.

Das ist für mich das Wesen der Demokratie. Das gilt auch für mich als Finanzminister. Daher sehen Sie, dass wir am Ende des Tages gemeinsam hinter einer Entscheidung stehen und deshalb auch zu dritt hier sitzen und diese Entscheidung guten Gewissens und voller Überzeugung vertreten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Na, sehr überzeugend hat das nicht geklungen!)

Ich sage Ihnen auch, dass ich natürlich als Finanzminister für die preisgünstigste Variante eingetreten bin – überhaupt keine Frage –, und diese preisgünstigste Variante wäre die Beschaffung von gebrauchten F-16 gewesen, aber man muss auch da zur Kenntnis nehmen, dass wir ein klares, transparentes, nachvollziehbares Ausschreibungsverfahren haben und dass diese Type, nämlich die F-16 Midlife Update, eben militärisch ausgeschieden werden musste, weil sie die Anforderungen des Ausschreibungsverfahrens nicht erfüllt hat, und dass sie auch im Offset, also bei den Gegengeschäften, die Anforderung der 200 Prozent nicht erfüllt hat. Daher sind im Wesentlichen zwei Typen übrig geblieben, nämlich der Gripen einerseits und der Eurofighter auf der anderen Seite.

Sie haben vollkommen Recht, dass ein solches militärisches High-Tech-Produkt natürlich viel Geld kostet, dass beide Produkte viel Geld kosten, dass es eine knappe Entscheidung am Ende des Tages war, aber dass das viele Geld, wie es der Verteidigungsminister oft zu Recht formuliert, natürlich auch relativiert werden muss, denn es geht um eine Ratenzahlung vor Verhandlungen, daher nur um eine Größenordnung von ungefähr 0,5 Prozent des Ausgabenvolumens der Republik. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das heißt, wir reden von 5 Promille des Ausgabenvolumens der Republik – um zu relativieren, was diese Entscheidung bedeutet.

Wir haben uns gemeinsam, meine Damen und Herren, für die bessere Variante entschieden, wissend, dass die Varianten im Preis eng beieinander liegen, wissend, dass der Eurofighter die knapp teurere Lösung ist, aber auch wissend, dass er den Vorteil bietet, damit eine europäische Lösung nach Österreich zu bringen, dass man – inmitten Europas liegend und die Vorteile der Integration mittragend – damit eine Entscheidung gefasst hat für ein Produkt, das von Spanien, von Italien, von Deutschland und von England vorangetrieben wird, wissend, dass es eine europäische Lösung und damit eine Zukunftslösung ist, und wissend, dass es, wenn es um das industriepolitische Signal, also um die Gegengeschäfte geht, hier ganz wichtige Effekte auf der einen Seite für den Luftfahrtbereich, auf der anderen Seite für den Automobil-Cluster und für einige weitere Bereiche geben wird.

Wobei ich eines ganz offen dazusage – da haben Sie Recht –: Wir kaufen natürlich Abfangjäger und keine Gegengeschäfte. Aber diese Gegengeschäfte brauchen natürlich auch einen Türöffner, und diese Investitionsentscheidung ist ein solcher wichtiger Türöffner für uns. Ich möchte darauf hinweisen, dass es im Wirtschaftsministerium, das ja für den gesamten Bereich der Gegengeschäfte zuständig ist, eine Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts gibt, das die Synergien berechnet hat, die durch alle Gegengeschäfte, die auf Grund von Heeresaufträgen seit dem Jahr 1978 umgesetzt worden sind, erzielt werden konnten.


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Das sind sehr interessante Zahlen: gesicherte Arbeitsplätze: 46 800, Sozialversicherungsbeiträge: 523 Millionen €, Steueraufkommen: 1 146 Millionen €, positiver Effekt auf die Handelsbilanz: 2,3 Milliarden €, Wertschöpfung insgesamt: 4,08 Milliarden €. All das durch Gegengeschäfte für Heeresaufträge seit dem Jahr 1978.

Ich möchte auf die Beschaffung des "Black Hawk" verweisen, bei dem es um Gegengeschäfte im Ausmaß von 200 Prozent geht. Konkrete Beispiele, noch ehe der "Black Hawk" ausgeliefert wurde: Pankl Racing in Bruck an der Mur: Heckrotorantrieb für den Hubschrauber um 11,5 Millionen €, Tiroler Plansee-Gruppe: Hochtemperaturwerkstoffe, FACC – Fischer Advanced Composite Components in Oberösterreich: Flugzeugteile.

Insgesamt wurden vor der Auslieferung der ersten "Black Hawk" Kompensationsgeschäfte in der Höhe von 42 Millionen € mit heimischen Firmen abgeschlossen. Das soll einfach zeigen, dass wir hier einen wichtigen Effekt für die Wirtschaft erreichen können – zugestehend, dass wir Abfangjäger kaufen und nicht Gegengeschäfte. Aber ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich freue mich, ich freue mich wirklich über jedes Gegengeschäft, das wir erreichen können. Wir werden in den Verhandlungen alles tun, um den Preis zu optimieren, um die Lieferkonditionen zu optimieren, um einen möglichst großen Effekt durch die Gegengeschäfte für die Klein- und Mittelbetriebe, für die Industrie dieses Landes auszulösen, damit es in dieser Zeit auch wiederum einen Beschäftigungseffekt für Österreich gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Damit darf ich zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen, wobei ich vorausschicke – das gilt für eine Fülle von Fragen –, dass ich versuchen möchte, klarzumachen, wo wir in diesem Verfahren stehen. Wir sind nicht in einer Phase, in der wir Ihnen sagen können, was das Produkt am Ende des Tages, nach Verhandlungen, nach einem unterschriebenen Kaufvertrag kostet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben heute keinen Kaufvertrag, weil die Verhandlungen bevorstehen. Das heißt, wir stehen in den Wochen nach der Typenentscheidung, aber vor den Detailverhandlungen, die unter der Federführung des Verteidigungsministeriums und unter Beiziehung des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums in den nächsten Tagen beginnen werden. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und weil diese Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, weil es daher keinen Kaufvertrag gibt, über den von der Bundesregierung und von den zuständigen Ministern entschieden wurde, kann ich Ihnen auch nicht sagen, was die Konditionen eines Kaufvertrages sind. – Ich bin mir sicher, dass Sie bei einem Auto, bevor Sie es gekauft haben und bevor Sie den Kaufvertrag unterschrieben haben, auch noch nicht wissen werden, was Sie tatsächlich zahlen, sonst würde ich mich für die hellseherischen Fähigkeiten der Kollegen zur Linken sehr herzlich bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 1:

Der Kaufpreis von 24 "Typhoon"-Abfangjägern beträgt 1 791 Millionen €. Die Finanzierungskosten hängen von der noch zu verhandelnden Finanzierungslösung ab. Wir haben von den Bietern drei unterschiedliche Varianten angeboten bekommen, die in einer Modellrechnung, der so genannten Kostenanalyse, bei einem hypothetischen Bewertungsmengengerüst miteinander verglichen worden sind. Daher sind die kolportierten 2,4 Milliarden €, die Sie angesprochen haben, Herr Dr. Gusenbauer, sicherlich nicht mit dem noch zu verhandelnden Kaufpreis identisch, sondern sie liegen darüber und sind damit nicht vergleichbar.

Zu den Fragen 2 und 3:

Auch hier habe ich vorausgeschickt, dass die konkreten Vertragsverhandlungen auf der Basis der Typenentscheidung bis zum Herbst dieses Jahres ablaufen werden. Daher kann ich diese Fragen vor Vertragsabschluss logischerweise nicht beantworten.

Es stehen mehrere Varianten zur Verfügung: die Barzahlungsvariante, die Fünfjahresvariante, die Neunjahres-Zahlungsvariante. Ich bitte um Verständnis dafür, dass man hier konkreten Verhandlungslösungen nicht vorgreifen kann, dass dies geradezu eine Selbstschwächung wäre. Wenn wir heute auf den Tisch legen: Das sind die Zahlen, die wir einsetzen!, dann ist klar, dass


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wir am Ende des Tages kein besseres Verhandlungsergebnis erreichen können, und daher kann das nicht unsere Intention sein.

Zur Frage 4:

Ich möchte festhalten, dass ich für den Vertragsabschluss nicht primär zuständig bin und daher auch von meiner Seite keine Vertragsauflösung garantieren kann, möchte aber doch gleichzeitig sagen, dass wir mit dem Verteidigungsminister schon bei der Ausschreibung übereingekommen sind, dass, wenn nicht rechtmäßige Zahlungen in irgendeiner Form vorliegen, wie das bei Ihnen auch mit "nützlichen Aufwendungen", Provisionszahlungen und anderen Dingen formuliert wird, das aus unserer Sicht selbstverständlich zur Vertragsauflösung zu führen hat.

Die Mitwirkungsbefugnis des Finanzministers ist nach dem Bundeshaushaltsgesetz insbesondere so definiert, dass wir die Durchführung eines Vorhabens zu kontrollieren haben, damit es erstens den Zielen für die Haushaltsführung des Bundes entspricht, zweitens die erwachsenden Kosten bedeckbar sein werden und drittens mit der Durchführung des Vorhabens keine Finanzschuld des Bundes entsteht.

Um Vorkommnisse, wie sie von Ihnen in der Anfrage beschrieben worden sind, auszuschließen, habe ich vorgeschlagen, die Textierung der Angebotseinholung durch einen so genannten Code of Business Conduct zu ergänzen, was vom Verteidigungsministerium auch aufgegriffen wurde. Ich sage Ihnen also in aller Deutlichkeit: Uns geht es um Transparenz, uns geht es um Nachvollziehbarkeit. Jeder der Anbieter, der diese Spielregeln nicht einhält, soll natürlich sofort ausgeschlossen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu den Fragen 5, 6 und 7:

Da auch diese Fragen Gegenstand der künftigen Vertragsverhandlungen sind, können sie, wie das auch das Bundesministerium für Landesverteidigung mitgeteilt hat, verlässlich erst nach dem Abschluss der Vertragsverhandlungen beantwortet werden. Nochmals: Die Nennung konkreter Beträge würde die laufenden Verhandlungen präjudizieren und damit die österreichische Verhandlungsposition verschlechtern.

Zur Frage 8:

Die Abwicklung allenfalls auftretender Betriebsprobleme wird sich einerseits nach dem allgemeinen Gewährleistungsrecht, andererseits nach den entsprechenden Regelungen im Vertrag, der, wie gesagt, noch auszuverhandeln sein wird, richten.

Zu den Fragen 9 bis 11:

Auch hier muss ich darauf hinweisen, dass es sich um schützenswerte Angaben von Firmen handelt, die ja auch noch in anderen Staaten in laufenden Beschaffungsvorgängen anbieten. Das heißt, sie stehen in einem laufenden Wettbewerb, daher dürfen wir diese Zahlen auf Grund einer sonst möglichen Wettbewerbsverzerrung nicht nennen. (Abg. Schieder: Welche Wettbewerbsverzerrung?) Ich weise aber darauf hin, dass Sie selbstverständlich im Nationalen Sicherheitsrat, wo der Verteidigungsminister, der Wirtschaftsminister, mein Staatssekretär und der Bundeskanzler ja in aller Breite Auskunft gegeben haben, diese Fragen hätten stellen können. (Abg. Ing. Westenthaler: Da hat die SPÖ keine einzige Frage gestellt!)

Zur Frage 12:

Für eine derartige Entscheidung sind in erster Linie militärische Aspekte zu beachten. Im Falle des Vorbringens annähernd gleichwertiger Angebote sind für die Entscheidung dann eben auch die Gegengeschäfte maßgebend. Weitere Überlegungen sind anzustellen im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen in der europäischen Zusammenarbeit im Sicherheits- und Verteidigungsbereich.


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Laut Auskunft des Wirtschaftsministeriums ist ein Gegengeschäftsvolumen in der Größenordnung von 5,5 Milliarden € in Diskussion, was das EADS-Angebot betrifft. Sie wissen, dass die 200-prozentige Kompensation des Kaufpreises zugesagt worden ist. Das ist also noch deutlich mehr als diese 200 Prozent des Kaufpreises. In Detailverhandlungen wird man dann diese 200 Prozent zu fixieren haben.

Zur Frage 13:

Was die Ambulanzgebühren betrifft, so gibt es im Bundesbudget aus der Ambulanzgebühr selbstverständlich keinerlei Einnahmen. Die gesetzliche Krankenversicherung hat im Jahr 2001 Einnahmen in der Höhe von 29,8 Millionen € erzielt und rechnet für 2002 mit 37 Millionen €. Ich möchte dem Ausgaben für den Gesundheitsbereich im Budget in der Höhe von 870 Millionen € und natürlich auf der anderen Seite im gesamten Gesundheitsbereich Ausgaben in einer Höhe von vielen Milliarden Euro für die Gesundheit unserer Bevölkerung im Sozialversicherungs-bereich gegenüberstellen.

Besteuerung der Unfallrenten: Die Einnahmen der Republik belaufen sich in den Jahren 2001 und 2002 jeweils auf 120 bis 140 Millionen €. Sie wissen, dass wir von diesen Einnahmen jährlich 73 Millionen € zweckgewidmet für Behindertenpolitik zur Verfügung stellen. Ich möchte hinzufügen, dass wir im Sozialbereich insgesamt natürlich einen sehr erklecklichen Teil unseres Budgets ausgeben, weil uns der soziale Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit sehr große Anliegen sind.

Studienbeiträge: Die Einnahmen im Jahr 2001 betrugen 64 Millionen €, im Jahr 2002 werden es rund 61 Millionen € sein. Dem stehen Ausgaben im Wissenschaftsbereich von 2,5 Milliarden € gegenüber.

Die Streichung der beitragsfreien Mitversicherung hat in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2001 zu Einnahmen von 15,3 Millionen € geführt. Im Jahr 2002 rechnen wir mit 15,5 Millionen €. Dem stehen Ausgaben für Zuschüsse an Sozialversicherungen in der Höhe von 5,7 Milliarden € gegenüber – also wiederum Ausgaben für das Gesundheitswesen.

Zur Frage 14:

Ich möchte festhalten, dass die Frage unterstellt, dass die Finanzierung der Luftraumüberwachungsflugzeuge aus den Einnahmen aus Ambulanzgebühren, der Besteuerung der Unfallrenten und Studiengebühren erfolgt. Ich möchte und muss diese Unterstellung wirklich auf das Schärfste zurückweisen. Die Finanzierung der Luftraumüberwachungsflugzeuge – die Finanzierungsform wird ja dann noch im Detail auszuverhandeln sein – erfolgt selbstverständlich aus dem allgemeinen Budget. Es gilt, wie Sie wissen, der Gesamtbedeckungsgrundsatz, sodass man es im Sinne der politischen Seriosität bitte unterlassen sollte, einzelne Staatsausgaben und -aufgaben gegeneinander aufzurechnen. Das ist unseriös und nicht zu akzeptieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 15 und 16:

Zur Vorbereitung der Einführung des Flugzeugsystems sind in Zusammenarbeit mit einer Referenzluftwaffe, voraussichtlich der deutschen Luftwaffe, betriebliche Vorbereitungen unter Einschluss eines Flugbetriebs mit bis zu sechs Luftfahrzeugen vorgesehen. Die diesbezüglichen Sondierungen sind angelaufen; über konkrete Ergebnisse kann derzeit noch nicht berichtet wer-den.

Zur Frage 17:

Die mit dem Ankauf der Flugzeuge verbundenen finanziellen Implikationen sind Gegenstand der zukünftigen Budgetverhandlungen, wie ich bereits mehrfach ausgeführt habe.

Zur Frage 18:

Die Valorisierung des Pflegegeldes betreffend: Den Medien konnte ich einmal entnehmen, dass Alfred Gusenbauer die Einführung des Pflegegeldes als einen großen ökonomischen Fehler


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bezeichnet hat und sich der ehemalige Sozialminister Hesoun damals auch über die Aussagen des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden gewundert hat. Ich nehme also zur Kenntnis, dass Sie jetzt doch sagen, es wäre gut, das Pflegegeld zu valorisieren, und damit die Richtung wiederum ändern. (Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder eine verlorene Dringliche!)

Zur Frage 19:

Es wird darauf Bezug genommen, dass die Budgets anderer Ministerien für den Kampfflugzeugankauf gekürzt werden müssten, und es werden entsprechende Detailfragen dazu gestellt. Das passt zu den Ausführungen, die Sie in Bezug auf die Ausgabenseite gemacht haben. Klar ist für mich, dass wir auf der Ausgabenseite restrukturieren müssen. Das war ja auch mit ein Grund dafür, dass es gelingen konnte, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Daher müssen wir, wenn wir eine nachhaltige Entlastung in Österreich erreichen wollen – das ist das Ziel bis zum Jahr 2010: 40 Prozent der Abgabenquote –, natürlich den Schwerpunkt auf die Ausgabenseite legen, um das zustande zu bringen. Das wird Gegenstand der zukünftigen Budgetverhandlungen sein.

Zur Frage 20:

Genauso wird auch diese Frage selbstverständlich Gegenstand der Budgetverhandlungen sein.

Zu den Fragen 21 und 22:

Für die Beurteilung der Kompensationsgeschäfte ist, wie Sie wissen, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zuständig. Es wird bei der Vertragsgestaltung und bei der Abrechnung dieser Gegengeschäfte um größtmögliche Transparenz bemüht sein. Es hat bereits einen ersten Kontakt mit den beiden Instituten Wifo und IHS bezüglich einer begleitenden Kontrolle gegeben. Beide Institute haben ihre grundsätzliche Bereitschaft hiezu erklärt. Ich möchte auch betonen, dass es uns wirklich ein großes Anliegen ist, auf Punkt und Beistrich begleitend zu kontrollieren, welche Gegengeschäfte tatsächlich zustande kommen, und darauf zu drängen, dass wir diesbezüglich ein Optimum erreichen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die jährliche anonymisierte Veröffentlichung, wie sie in der Frage 21 erwähnt wird, ist für mich durchaus vorstellbar und wird von mir auch unterstützt. Auf Firmengeheimnisse wird entsprechend Rücksicht zu nehmen sein.

Zur Frage 23:

Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass alle bestehenden Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften beim laufenden Beschaffungsvorgang eingehalten wurden und auch in Zukunft eingehalten werden, und deshalb konnten wir den Ministerratsbeschluss vom 2. Juli 2002 auch gemeinsam tragen und verabschieden.

Zur Frage 24:

Hiezu möchte ich ganz einfach sagen, dass man, wie ich bereits ausgeführt habe, als Demokrat die in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen Instrumente der direkten Demokratie selbstverständlich respektiert, dass das österreichische Verfassungssystem mit seiner Gewaltenteilung der Legislative, Exekutive und Judikative ganz klar bestimmte Aufgaben zugeordnet hat und dass es in der Tradition der österreichischen Demokratie steht, dass Beschaffungsvorgänge durch Organe der Vollziehung verhandelt und abgeschlossen werden.

Daher abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, letzte Sätze: Natürlich ist es unsere Aufgabe, ist es unsere Verantwortung, das Sozialsystem zu sichern, die Pensionen zu garantieren, die Ausbildung unserer Jugendlichen sicherzustellen, aber es ist ebenso und genauso wichtig, die Sicherheit und die Souveränität unseres Landes zu garantieren. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir alle müssen uns dazu bekennen, dass wir sowohl das eine


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im Sozialbereich als auch das andere im Sicherheitsbereich sicherzustellen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Finanzminister.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass kein Redner in dieser Debatte länger als 10 Minuten und jeder Klub maximal 25 Minuten sprechen darf.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Maximale Redezeit: 10 Minuten; freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Finanzminister! Sie sollten künftig hier im Hohen Haus liegend referieren, dann sieht man Ihre Umfaller nicht so deutlich! (Beifall bei der SPÖ.)

APA, 12. Juni 2002: "Nulldefizit hat absolute Priorität" vor Abfangjägern. – Stimmt nicht mehr!

"profil", 24. Juni 2002: Grasser: "Gebrauchte Abfangjäger" oder "gar keine". – Das stimmt erst recht nicht!

"ZiB 1", 19. Juni 2001: Von Kompensationsgeschäften nicht überzeugt. – Schon damals!

Oder Grasser in "NEWS", 7. Februar 2002: "Abfangjäger ... aus finanzieller Sicht nicht leistbar." (Abg. Ing. Westenthaler: SP-Vizevorsitzender Fischer: Abfangjäger ja!)

Sie machen genau das Gegenteil von dem, was Sie bei mehreren öffentlichen Auftritten gesagt haben! Wie sollen wir Ihnen also glauben, wenn Sie heute hier im Hohen Haus eine Stellungnahme abgeben? Das ist im höchsten Maße unglaubwürdig!

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: In der heutigen Ausgabe der "Presse", die ja wahrlich kein linkes Kampfblatt ist, sondern eine Tageszeitung, die in ihren Grundlinien sehr konservativ orientiert ist, wird zum Thema "Kostenwahrheit" geschrieben, dass die 24 "Eurofighter" 2,4 statt der behaupteten 1,79 Milliarden € kosten werden. Der Artikel wird wie folgt eingeleitet:

"1,79 Milliarden € – diesen Gesamtpreis für die 24 neuen Abfangjäger nannte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel – flankiert von Finanzminister Grasser und Verteidigungsminister Scheibner am 2. Juli nach dem Ministerrat. Was Schüssel nicht sagte, Scheibner und Grasser aber jedenfalls schon zu diesem Zeitpunkt wissen mussten: Die 24 Flugzeuge vom Typ Eurofighter ,Typhoon‘ werden deutlich teurer kommen."

Für so etwas gibt es in der Bevölkerung einen simplen Satz: Sie haben die Bevölkerung beschwindelt, Sie haben nicht die Wahrheit gesagt. Und das ist ein Riesenskandal, denn da geht es um Hunderte Millionen Euro! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Deutlicher kann die "Presse" nicht formulieren. Gerade, dass sie nicht schreibt: Schüssel, Grasser, Scheibner belügen die österreichische Bevölkerung. Gerade, dass sie das nicht als Titel verwendet haben. Und dann kommt Herr Minister Grasser, der ja immer betont: Ich habe eine Tür offen zurück in die Privatwirtschaft! – na gut –, und hält uns einen Vortrag, wie man richtig Autos kauft.

Also angenommen, ich gehe ins Autohaus Grasser (Bundesminister Mag. Grasser: Gute Idee!)  – mir fällt jetzt gerade kein anderes ein – und sage zum Herrn Grasser: Ich begrüße Sie. Ich habe mir diese Type in den Kopf gesetzt. Ich leide faktisch unter Kaufzwang, ich kann nicht mehr anders: Ich muss diese Type kaufen! Sagen Sie mir irgendeinen Preis – ich kaufe sie! Wie wird es mit der Instandhaltung sein? Ich kaufe sie! – Das erste Service beim Ferrari 120 000 S, wird Herr Grasser dann wahrscheinlich sagen. Unter Kaufzwang stehend, werde ich sagen: Ja, ich will es haben!


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Ungefähr so spielt sich das bei diesen Luxus-Kampfflugzeugen ab, wobei man dazu sagen muss, dass man da nicht einmal die Kosten der Instandhaltung weiß. Man weiß nicht einmal, was das kostet, denn das Flugzeug gibt es eigentlich noch gar nicht. Das ist ja überhaupt das Unglaublichste! Es ist ein Prototyp, dessen Entwicklung man in Wirklichkeit gar nicht fortsetzen, sondern abbrechen wollte. Das Geld dafür war nicht da und die Entwicklung zu teuer. Und dann sind es ausgerechnet wir in der Situation, in der wir uns befinden – seit zwei Jahren Sozialabbau, seit zwei Jahren die höchste Steuer- und Abgabenquote –, die damit beginnen, dieses Flugzeug zu kaufen, ohne zu wissen, wie teuer es sein wird. Und dann wird gleich die Bevölkerung beschwindelt, und es sind um Hunderte Millionen Euro mehr. Ja, wie viel kostet denn das letztlich wirklich, frage ich mich! Wie ungeheuer teuer wird das wirklich sein, wenn Sie jetzt schon mit den Zahlen so herumjonglieren?

Gehen Sie nicht in die Privatwirtschaft, gehen Sie als Generaldirektor in die Lotterie – aber nicht in die große, denn da gibt es nur 46 Zahlen, sondern in die kleine, denn da gibt es 90. Da kön-nen Sie dann mehr spielen mit den Zahlen, denn etwas anderes ist es nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Klar, der neue politische Slogan der FPÖ wird heißen: Großes Kriegsgerät statt kleiner Mann. – Das ist jetzt der Slogan! Der Slogan der Bundesregierung wird lauten: Sparen für den Euro-fighter! – Das war zwei Jahre de facto so, dass man gespart hat: Ambulanzgebühr, Unfallrenten, die Pensionen wurden nicht angepasst, höchste Steuer- und Abgabenquote. So ist es zu-gegangen! Und warum war das so? – Es war deswegen so, damit man sich den "Eurofighter" leisten kann. Aber die Belastung beginnt jetzt erst so richtig, denn man muss sich das auch leisten können, den "Eurofighter" zu haben. Da muss eine völlig neue Infrastruktur aufgebaut werden.

Ich kenne die Diskussionen im Bundesheer im Zusammenhang mit den anderen Waffengattungen. Ich weiß, wo die kleinen Wehwehchen sind: Da eine Toilette renovieren, dort ein bissel Artillerierohr verbessern und da ein bissel was an Kriegsgerät dazutun. Und jetzt gibt es eine Waffengattung, die das Bundesheerbudget so sehr belasten wird, dass Sie in Wirklichkeit eigentlich bankrott sind. Es ist unfassbar, was hier vor sich geht! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Eines war verräterisch: Zuerst hat es "Luftraumüberwachungsflugzeuge" geheißen. Das klang so ein bissel nach: Hinauffahren, ein bissel schauen, was sich so in der Luft tut – ein paar Gelsen, ein paar Tauben –, wieder hinunter und so weiter. Dann hat es schon gefährlicher geheißen: "Abfangjäger". Das hat schon gefährlicher ausgeschaut: Rauffliegen, abfangen und runterholen. Und jetzt heißt es: "Kriegsgerät". Und das ist schon wieder eine ganz andere Qualität, denn jetzt wird beim nächsten Mal die Anfrage kommen, beim nächsten Bombardement, wo auch immer, ob wir mit unseren supermodernen Flugzeugen nicht mitmachen wollen. Und dann kann sich Herr Scheibner endlich hinstellen und stolz sagen: Na klar können wir, denn jetzt haben wir die 24 besten Flugzeuge, Kampfflugzeuge, Luxus-Kampfflugzeuge, mit denen können wir das machen. – Das steckt dahinter, und das um hohe soziale Kosten, mit einem Aussackeln der Österreicher bezahlt, damit Sie sich das leisten können. Es ist gewissenlos, sozial gewissenlos, was Sie hier machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich sind Sie rücktrittsreif, wenn man sich das ansieht, was Sie machen, nämlich der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit zu sagen, mit den Steuergeldern der Österreicherinnen und Österreicher so umzugehen, sie so auszusackeln, sie so zu belasten, nur damit Sie sich das kaufen können. Sie sind eigentlich rücktrittsreif! Gehen Sie doch endlich in die Privatwirtschaft, wo Sie hingehören! Ich gebe Ihnen aber einen Tipp: Nehmen Sie die Herren links und rechts von Ihnen bitte mit, das wäre für Österreich besser! (Beifall bei der SPÖ.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.54

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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Was sich jetzt abgespielt hat, betrübt mich, nämlich dass sich jemand in diesem Hohen Haus, das die Interessen der Republik vertreten soll, über Leute, die ihre Gesundheit und vielleicht, wenn es darauf ankommt, auch ihr Leben für diese Republik einsetzen sollen, unter dem Ge-johle seines Klubs lustig macht. Herr Kollege Cap, schämen Sie sich! (Beifall bei den Freiheitli-chen und der ÖVP.)

Sie haben davon gesprochen, dass von in höchstem Ausmaß unglaubwürdigen Argumenten ausgegangen werde. Wissen Sie, was in höchstem Ausmaß unglaubwürdig war? Diese abstruse Verschwörungsidee Ihres Vorsitzenden Gusenbauer mit der NATO-Mitgliedschaft. – Wissen Sie, Herr Kollege Gusenbauer, über jemanden, der mit Ihrem Wissensstand – den Sie ja hoffentlich doch haben – so etwas verbreitet, über so schrullige Leute gibt es beim Militär einen Ausspruch, der da lautet: Nicht mehr ernst zu nehmen, aber noch zu grüßen. – Das kann ich Ihnen nur sagen, wenn man so etwas hört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer! Sie haben vor kurzem gegenüber einem Pressedienst versprochen, die SPÖ werde, sollte sie an die Regierung kommen – diese Gefahr ist nicht sehr groß –, die Kaufverträge prüfen und rückgängig machen, wenn das schadensfrei möglich wäre. Herr Kollege Gusenbauer! Eine solche Feststellung kann doch nur entweder in rührender Ahnungslosigkeit ihren Grund haben oder eine bewusste Verdummung der Bevölkerung zum Ziel haben, denn welche Firma wird einen unterschriebenen Vertrag gratis zurücknehmen? Das wissen Sie! Sie haben gesagt: Die Verträge rückgängig machen. Welche Firma sollte das tun, Herr Kollege? Sie wissen das ganz genau! Sie wollten nichts anderes machen, als das, was Sie erkennen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer. ) Die internationale Sozialdemokratie der europäischen Staaten hat Ihnen schon längst klargemacht: Es geht nicht ohne einen österreichischen Beitrag zum Sicherheitssystem. Sie werden ihn erbringen müssen. Sie wollen, dass wir die Unannehmlichkeiten auf uns nehmen, wie beim Kindergeld, und Sie wollen nachher wie beim Kindergeld, zu dem Sie auch gesagt haben, Sie würden es beibehalten, die Profite einheimsen. Es wird Ihnen aber nicht gelingen, denn Sie werden nicht an die Regierung kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer, Sie wollten die Regierung peinlichst befragen über die Abfangjägerbeschaffung. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ihm auch gelungen!) Wissen Sie, was peinlich ist? – Ihr Redebeitrag, in dem Sie sich auch von Ihren Vorgängern distanziert und die "SPÖ neu" eingeführt haben, die mit Kreisky, Vranitzky – bei Klima verstehe ich es ja besonders – nichts mehr zu tun hat. Aber so leicht werden wir es Ihnen nicht machen. Sie wollen die "SPÖ neu" einführen, ziehen den Trennstrich, und die Schulden, die 2 000 Milliarden Schilling, überlassen Sie uns, und wir müssen das jetzt sanieren. – So billig werden wir Sie nicht aus der Verantwortung entlassen, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Finanzminister hat schon ganz richtig gesagt, dass die SPÖ in dieser Frage eine bewusste Irreführung und Kindesweglegung betreibt. Sie haben die gesamte Entscheidung der Abfangjägervorbeschaffung, den Grundsatzentscheid wie auch noch 1999 die letzte Entscheidung selbst mit getroffen, und nicht nur mit getroffen, sondern unter der Führung sozialdemokratischer Kanzler getroffen, Herr Kollege Gusenbauer, auch wenn Sie sich von diesen mittlerweile wieder trennen wollen.

Ich sage Ihnen: Pilatus war mit seinem Waschen der Hände in Unschuld noch ein Waisenknabe gegen das, was Sie jetzt versuchen. Aber Sie werden dem nicht entkommen! Wir werden Sie immer wieder daran erinnern, dass die SPÖ gesagt hat, die nächste Regierung werde den Draken-Nachfolge-Beschluss fällen müssen. Sie wird, hat Kollege Gaál, Ihr Wehrsprecher, unwidersprochen gesagt, ein neues Flugzeug beschaffen müssen.

Was haben wir jetzt getan? Wir haben den Typenentscheid durchgeführt, wie Sie es gewollt haben, wir haben ein neues Modell beschafft, und Gusenbauer, die SPÖ und Gaál sind unzufrie-den. Ja was sollen wir denn noch alles tun, um es Ihnen recht zu machen, meine Damen und Herren von der SPÖ? So einfach können Sie sich das nicht machen! Sie waren die ganze Zeit über dabei! Und erklären Sie mir nicht, dass sich die Weltlage seit 1998 so sehr verändert hätte


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oder dass vielleicht der Terroranschlag von New York vom 11. September des Vorjahres die Luftraumbedrohung völlig verändert und verringert hätte. Das ist doch, gelinde gesagt, Unsinn.

Und erklären Sie mir auch nicht, dass alle anderen Staaten in der EU, einschließlich der Sozialdemokraten – oder sogar die Sozialdemokraten voran, wie im Fall von Herrn Blair –, Flugzeuge aus Jux und Tollerei beschaffen. Darunter sind Staaten, die wesentlich ärmer als wir sind, Herr Kollege Gusenbauer. So geht es denn doch wirklich nicht, machen Sie es sich nicht so billig!

Sie wollen sich davon abseilen. – Hätte Ihr Minister Edlinger damals nicht die 1 800 Milliarden Schilling Schulden für uns gemacht, dann könnten wir von den 100 Milliarden Schilling, die wir jährlich an Zinsendienst leisten, jährlich 100 Abfangjäger kaufen, ohne einen einzigen Schilling dazuzahlen zu müssen. So schaut es aus, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn man Ihnen so zuhört, dann kommt einem unwillkürlich immer wieder der frühere deutsche Kanzler Adenauer in Erinnerung, der gesagt hat: Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern! – Sie wollen genau das in der SPÖ praktizieren: Sie waren vorher die ganze Zeit dafür; jetzt sind Sie in der Opposition, und alles, was Ihre Politiker – nein, nicht Sie als Person, das habe ich nicht gesagt, sondern die SPÖ –, alles, was Ihre Führungsleute damals gesagt haben, das zählt für Sie heute nicht mehr. – Und diese Leute haben Sie doch gewählt! Auch Sie haben sie gewählt! Oder haben Sie Klima nicht gewählt, haben Sie Vranitzky nicht gewählt? Waren Sie damals dagegen? – Eben. Sie haben mit gewählt, und Sie tragen daher Mitverantwortung. Jetzt aber wollen Sie sich abseilen, jetzt sagen Sie: Was schert mich mein dummes Geschwätz – oder mein dummes Wählen, wenn Sie so wollen – von gestern!

So einfach kann es nicht gehen! – So weit auch zu Ihrer Seriosität. (Abg. Murauer: Er distanziert sich von der SPÖ!)

Kollege Cap hat noch vor zwei Tagen gesagt, die elektronische Überwachung des Luftraums mit Radargeräten wäre ausreichend. Wollen Sie, nur weil wir Radarboxen haben, im zivilen Bereich die Funkstreifen abschaffen, Herr Kollege Cap? Sie wissen doch ganz genau – Sie sind doch ein intelligenter Mensch –, dass das nichts bringen würde.

Ihr Vorgänger, Kollege Kostelka, hat eine noch "tollere" Lösung gehabt. Er hat gesagt: Wir haben ein gutes Luftraumüberwachungssystem; wenn einer wirklich unkontrolliert einfliegt, dann schießen wir ihn ab. Wir kaufen ein paar Raketen, und dann schießen wir ihn ab.

Nach dem SPÖ-Modell der Luftraumüberwachung hätten wir heuer schon 15 Verkehrsmaschinen abschießen müssen. – So etwas ist doch wirklich nicht mehr ernst zu nehmen. Sie haben sich in diesem Haus schon längst von ernsthafter Politik verabschiedet, Herr Kollege! Das kann ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte noch ein Beispiel für Ihre Rechenkünste in dieser Geschichte bringen. Sie haben in Ihrer Dringlichen Anfrage die Einsatzhäufigkeit der Flugzeuge bei scharfen Einsätzen – das haben Sie nicht dazugesagt – der letzten fünf Jahre herausgegriffen, haben gerechnet, dividiert, und sind auf eine geradezu lächerliche und horrende Summe betreffend die Kosten eines Einsatzes gekommen, da Sie die Lebenszeit als Rechenfaktor genommen haben. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Wissen Sie, welche Zahl Sie stattdessen zum Dividieren hätten nehmen müssen? Nicht diese 48 Einsätze, sondern etwa 40 000 Einsätze! (Abg. Dr. Gusenbauer: Offizielle Zahlen! Anfragebeantwortung!) Dann wären Sie auf die richtige Zahl gekommen. Selbst Ihnen müsste klar sein, dass ein Pilot, bevor man ihn in den Einsatz schicken kann, erst einmal fliegen lernen muss, dass er Routine erhalten muss, dass Patrouillenflüge notwendig sind und vieles andere. (Abg. Dr. Gusenbauer: So oft? Wieso?)  – Dann haben Sie wieder einmal nicht lesen können, Herr Kollege Gusenbauer. Aber vielleicht wird Sie der Herr Minister nachher noch darüber aufklären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Schauen Sie, das ist ja das Problem: Sie können nicht rechnen! Deswegen haben Sie in der SPÖ Ihre 300 Millionen Schilling Schulden angehäuft (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Gusenbauer )  – weil Sie nicht rechnen können, einschließlich Ihres Ex-Finanzministers. So schaut die Situation aus! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Die Wahrheit ist: Sie haben saniert! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es kommt aber auch noch viel unehrlicher. Herr Kollege Gusenbauer! Sie stellen verschiedene Leistungen, wie Kassensanierung für die Pensionen und so weiter, schon als für das nächste Jahr gefährdet dar. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Sie wissen aber ganz genau, dass die Zahlungen erst frühestens in zwei Jahren beginnen und zum Tragen kommen. (Abg. Dr. Gusen-bauer: Ja, Schulden auf die Zukunft! Schulden auf die Zukunft!) Sie wollen die Bevölkerung ver-wirren und nichts anderes; genauso, wie Sie mit einem Budgetanteil von, wie wir jetzt gehört haben, 5 Promille alles sanieren wollen. Hören Sie gut zu: 5 Promille! Damit sanieren Sie alles! – Dabei bekommen allein die Bundesbahnen jährlich eine Summe im Gegenwert von 30 Abfangjägern bezahlt, um das Defizit, das sie unter Ihrer glorreichen Wirtschaft angehäuft haben, abzuzahlen. So sieht die Situation aus, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ihre gesamte peinliche Befragung, der Sie die Regierung unterziehen wollen, ist nichts anderes als eine peinliche Pleite für Sie in der langen Folge Ihrer Dringlichen Anfragen. Sie können nicht abstimmen – das haben wir heute schon gesehen –, Sie können aber auch nicht Dringliche Anfragen stellen. Dazu ist Ihr Klub zurzeit einfach nicht in der Lage, aber vielleicht werden Sie auf diesem Sektor noch viel üben.

Sie sagen bewusst die Unwahrheit, in der Hoffnung, die Bevölkerung zu verwirren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Applaus! – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Es fällt uns nicht leicht, diese Entscheidung zu treffen, weil wir uns der Kosten bewusst sind. Wir sind uns andererseits aber auch der Verpflichtung bewusst, die wir im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verteidigung übernommen haben, die Sie angesprochen haben. Und dort wird man uns nicht erlauben, mit Militärmusik und Gu-laschkanonen aufzutreten, während die anderen die Flieger und die Kampftruppen stellen. So wird es nicht laufen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie wollen Kampftruppen? Sie wollen Kampftruppen?) – "Die anderen", habe ich gesagt.

Wir haben im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer, Solidarität zu üben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie wollen Kampftruppen? Sagen Sie doch ja! Sagen Sie doch die Wahrheit!) Sie haben sich unter einem sozialdemokratischen Kanzler zum Einsatz von Kampftruppen bekannt. Verleugnen Sie es nicht, Herr Kollege, und beruhigen Sie sich.

Wir werden diese Entscheidung treffen, weil wir die staatspolitische Verantwortung und Notwendigkeit erkannt haben. Sie wollen sich abseilen und billig aus der ganzen Angelegenheit herausziehen – es wird Ihnen nicht gelingen, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Schwach! Schwach! Schwach!)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

16.04

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Meine Damen und Herren! Es wäre natürlich verlockend, Herr Genosse Gusenbauer, bei Volksbefragungen oder Volksabstimmungen auch über die Schulden, die uns Genosse Kreisky hinterlassen hat, abstimmen zu lassen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Herr Präsident, der ist nicht dazu autorisiert! – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Aber darüber können wir auch nicht abstimmen, sondern wir müssen sie einfach zurückzahlen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder: Wenn Genosse Cap darüber referiert, dass die Herren Minister zurück zur Wirtschaft – in die Niederungen der Wirtschaft, wie er es bezeichnet hat – sollten, dann spricht er von etwas, was er nicht kennt. Er selbst war niemals von der Wirtschaft abhängig (Ruf bei den Freiheitli


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chen: Aber immer von der Politik!), musste dort niemals seinen Mann stehen und kann es von der Höhe seiner Politik aus natürlich nicht beurteilen, wenn er andere in die Niederungen der Wirtschaft schickt. Wahrscheinlich wären Sie arbeitslos, Kollege Cap, wenn Sie das so darstellen. (Abg. Böhacker: Vielleicht wäre er im Kabarett untergekommen!)

Meine Damen und Herren! Es ist im wesentlichen Sinn des ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Ein niedriges Niveau ist das! Das ist unerhört! – Abg. Dr. Gusenbauer begibt sich in Richtung Ausgang. – Rufe bei den Freiheitlichen: Auf Wiedersehen! – Abg. Ing. Westenthaler: Nur für das Protokoll: Der Anfragesteller verlässt den Saal! Jetzt wird es gleich wieder wärmer herinnen! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Kollege Gusenbauer! Wenn Sie jetzt gehen, möchte ich Ihnen alles Gute wünschen.

Auf jeden Fall sind es einige wenige Entscheidungskriterien, auf die es ankommt: Entweder wir entscheiden uns für Grenzüberwachung sowie Luftraumüberwachung oder nicht, entweder wir erfüllen den Auftrag der Verfassung oder nicht, entweder wir lösen unsere völkerrechtliche Verpflichtung ein oder nicht, entweder wir entscheiden uns für Eigenständigkeit und Souveränität oder nicht (Abg. Dr. Gusenbauer verlässt den Sitzungssaal – Rufe bei den Freiheitlichen: Auf Wiedersehen, Herr Gusenbauer!), entweder wir entscheiden uns für Verantwortung oder nicht.

Entscheiden Sie sich, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, für Verantwortung oder bleiben Sie beim Populismus – ja oder nein? Sie können sich entscheiden; die Österreichi-sche Volkspartei und die Regierung haben sich entschieden und ein Bekenntnis für die Sicherheit und somit auch für die Abfangjäger abgelegt.

Es wurde schon erwähnt: Es handelt sich um ein europäisches Gerät, das zukunftsorientiert und leistungsstark ist, das für eine Lebensdauer von 40 Jahren konzipiert und mit der unbedingt notwendigen Konfiguration ausgestattet ist, sodass es die luftpolizeilichen Aufgaben, die Aufgaben der Luftraumüberwachung und Luftraumsicherung übernehmen kann.

Da hier dialektisch von Kriegsgerät und Luftkampf gesprochen wurde, möchte ich sagen, dass es um Überwachung geht und nicht um Kriegsführung – dies nur zur Klarstellung.

Meine Damen und Herren! Wir sind unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern auch europäische Verträge eingegangen (Abg. Gradwohl: Steht da drin, wir brauchen Kampfjets?), Amsterdamer Verträge, gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, falls Sie das vergessen haben, Herr Kollege. (Abg. Gradwohl: Steht da drin, wir brauchen Kampfjets? Zeigen Sie mir das! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Gerade für uns als kleinen Staat muss es das primäre Ziel sein, die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend einzumahnen.

An vorderster Stelle hat natürlich die nationale Verantwortung zu stehen – ob wir jetzt allianzfrei oder in einem Bündnis sind, was auch die NATO-Staaten beweisen.

Kollege Cap hat sich fast selbst überlistet, als er gemeint hat, die Luftraumüberwachung und ein Abfangjäger könnten eventuell so gestaltet sein, dass die NATO schon bei der Tür hereinblickt – oder war es Kollege Gusenbauer? Auf jeden Fall war es einer von ihnen. (Die Abgeordneten Jung und Großruck: Der Cap!)

Meine Damen und Herren! Die Luftraumüberwachung hat in allen europäischen Staaten, aber auch in vielen anderen Staaten hohe Priorität. Sehen Sie sich um und schauen Sie, wer aller mit einem wesentlich geringeren Bruttoinlandsprodukt, mit wesentlich geringerem Wohlstand Luftraumüberwachungsflugzeuge, Abfangjäger hat!

Ich begrüße Herrn Gusenbauer, der wieder zurück ist! (Ruf bei den Freiheitlichen: Jetzt kann die Klimaanlage wieder ausgeschaltet werden! – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ja auch nicht zum Aushalten, das Geschwätz! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, haben Sie den Zwischenruf von Gusenbauer gehört? "Geschwätz"!)


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Ich darf darauf aufmerksam machen, dass unsere Nachbarstaaten neu beschaffen, dass die Schweiz als neutrales Land 154 Abfangjäger hat, Schweden 250 und Finnland 65 und dass sich Holland, Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien, obwohl sie bereits Abfangjäger haben, für Neubeschaffungen entschieden haben, und zwar ebenfalls für den "Typhoon".

Und wir, meine Damen und Herren, gerade wir in Österreich meinen, wir bräuchten das nicht? Wir, das kleine Österreich, meinen, wir könnten unseren Luftraum freigeben und sagen: Wer kommt, ist immer herzlich willkommen, egal was er mit uns macht!? – Meine Damen und Her-ren! So läuft das nicht mit uns, nicht mit dieser Regierung, nicht mit der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer hat im Nachhinein auch das Kindergeld befürwortet. Er hat zur Budgetkonsolidierung einmal nein gesagt, gesagt, das gehe nicht, aber auf der anderen Seite wollte er sie dann in der Verfassung verankert haben, hat uns also Recht gegeben. Ich bin überzeugt davon: Beim ersten kritischen Vorfall wird er auch – und das möchte ich fast garantieren – den Abfangjägern zustimmen und sagen, er wäre sowieso immer dafür gewesen, auch seine Vorgänger Klima, Vranitzky und die Sozialdemokraten davor waren sich schon immer dieser staatspolitischen Verantwortung bewusst. Jetzt allerdings hat Sie der Populismus übermannt, und Sie ha-ben sich von jeder Verantwortung verabschiedet.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche keine Katastrophe wie Galtür, damit wir Argumente haben, die diese Beschaffung rechtfertigen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gradwohl und Reheis. ) Ich wünsche das weder Ihnen, meine Damen und Herren, noch uns noch unserer Bevölkerung. Wir müssen auf Unvorhergesehenes vorbereitet sein, wir müssen auch auf "Unmögliches" vorbereitet sein. Das verlangen wir, um ein Beispiel zu nennen, auch von unseren Feuerwehren – ich hoffe, Sie können mir hiebei folgen. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.  – Abg. Marizzi: Kampfjäger für Galtür?)

Die Chronologie der Beschaffung wurde schon erwähnt, auch, dass die Beschaffung im ÖVP-SPÖ-Regierungsübereinkommen verankert war. Das möchte ich nur der Ordnung halber erwähnen.

Der Obmann des Pensionistenverbandes, Herr Blecha, hat in seiner Kühnheit den Vogel abgeschossen und meinte, es sei ein Verbrechen, Abfangjäger zu beschaffen und den Luftraum zu sichern. Diesen Herrn Blecha kannte ich bis jetzt doch eher als für die christliche, für die nachchristliche Seefahrt zuständig. Ich möchte das nicht bewerten, aber dass er sich nun zum Spezialisten für Luftraumüberwachung entwickelt, ist wirklich verblüffend.

Meine Damen und Herren! Abschließend darf ich darauf aufmerksam machen, dass für diese Beschaffung selbstverständlich Gegengeschäfte ausschlaggebend sind, dass hiebei 200 Prozent – ich wiederhole: 200 Prozent! – vorgesehen sind mit einem Pönale von 10 Prozent und einem "memo of understanding" von 25 Prozent. Die kleineren und mittleren Unternehmen werden entsprechend Vorzüge haben.

Meine Damen und Herren! Die Sicherheit und Kontrolle zu Land und in der Luft sichern nicht nur den Wirtschaftsstandort, sondern auch den Sozialstaat und den Wohlstand. Die Entscheidung für Abfangjäger zu unserer Sicherheit ist sicher nicht von Populismus getragen – das wissen wir –, sondern von Verantwortung, von höchster Verantwortung für unser Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.12

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen eingangs kurz die gewaltigen Dimensionen des vorliegenden militärischen Problems schildern: Abgeordneter Jung hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es seit Jahrzehnten immer wieder vorkommt, dass Piloten von Verkehrsflugzeugen vergessen, rechtzeitig den Flughafen Wien-


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Schwechat oder andere Flughäfen anzufunken, bevor sie in den österreichischen Luftraum eindringen. (Abg. Öllinger: Skandal!) Und wenn sich ein Verkehrsflugzeug Österreich nähert, dann ist es natürlich notwendig, die teuersten Kampfflugzeuge dieser Welt zu besitzen, weil unser Hauptinteresse sein muss, dass kein unangemeldetes oder zu spät angemeldetes Verkehrsflugzeug im überausgelasteten Flughafen Wien-Schwechat landet. Das ist offensichtlich das Problem. (Abg. Murauer: Wie es in Amerika der Fall war, Herr Kollege! Wie argumentieren Sie nach dem 11. September?)

Meine Damen und Herren! Gut, ich verstehe noch ein Eigeninteresse der Militärs. Ich kann keinem Militär, auch nicht dem Abgeordneten Jung und auch nicht dem Verteidigungsminister zumuten, dass sie sich an das Rednerpult stellen und sagen: Es stimmt eigentlich, wir brauchen keine Luftwaffe mehr, lösen wir sie auf.

Was bei jedem Gendarmerieposten, bei jedem Postamt und bei jedem Bezirksgericht geht, geht aus irgendeinem Grund bei der österreichischen Luftwaffe nicht. Und jetzt erklären Sie einmal, Herr Verteidigungsminister, Herr Finanzminister, Herr Wirtschaftsminister, meine Damen und Herren Regierungsabgeordneten, warum Abfangjäger und die Existenz einer überflüssigen Luftwaffe für acht Millionen Menschen in Österreich wichtiger als Postämter, Gendarmerieposten und Bezirksgerichte sind! Das Spannende dabei ist, dass das die Menschen anders sehen und sagen: Nein, wir wollen lieber Bezirksgerichte, Gendarmerieposten und Postämter. (Abg. Dr. Petrovic: Schulbücher und Kindergärten! – Abg. Großruck:  ... die Unwahrheit!)

Erst wenn es all das gibt, wenn es keine Studiengebühren, ein besseres Schulwesen, einen Ausbau der sozialen Versorgung und die Zurücknahme der unsozialen Besteuerungen gibt, dann werden vielleicht einige Österreicherinnen und Österreicher bereit sein, mit Ihnen über die Beschaffung von Abfangjägern zu diskutieren, aber vorher garantiert nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun gibt es den Spezialfall Finanzminister Grasser und die große Frage: Warum ist der Finanzminister in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli mit derartigem Getöse umgefallen? Warum ist das passiert? (Abg. Wittauer: Weil er ein Demokrat ist, im Gegensatz zu Ihnen!)

Warum geht ein Finanzminister wie Mag. Grasser ein derart hohes öffentliches Risiko ein, ein doch relativ gutes Image so schwer zu beschädigen? Wenn man nämlich ganz offensichtlich sein zehnfach gegebenes Wort nicht hält und es in aller Öffentlichkeit während einer Ministerratssitzung und nach einer Ministerratssitzung bricht, dann werden die Leute das sanktionieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Er ist übrigens im Ranking fast Nummer eins, der Grasser!)

Meine Damen und Herren! Deshalb müssen wir einmal nachfragen: Was ist da passiert? Warum sagt ein Finanzminister: Wenn ich nicht den billigsten bekomme, dann gibt es nur eine Alternative, nämlich den teuersten Abfangjäger? (Abg. Mag. Schweitzer: Grasser hat 4 Prozent zugelegt letzte Woche!) Darauf gibt es für mich nur eine einzige Antwort, die wir überprüfen müssen. Und diese Antwort besteht aus zwei Namen: erstens Frank und zweitens Stronach.

Meine Damen und Herren! Die Frage ist: Hat der Finanzminister als Vertreter der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler oder als Vertreter seines ehemaligen und zukünftigen Arbeitgebers gehandelt? Handelt es sich um den "Eurofighter" oder handelt es sich um den "Stronachfighter"? – Das ist die große Frage, die sich in der Beschreibung dieses Projektes stellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich jetzt die Unterlagen des Verteidigungsministeriums nehme, finde ich darauf noch kei-ne Antwort. Dieser Akt (der Redner hält die Kopie eines Aktes in die Höhe), der zwar in Redaktionen auftaucht, aber etwa dem Nationalen Sicherheitsrat vorenthalten worden ist, der zentrale Beschaffungsakt, beantwortet nicht die Frage (Abg. Dr. Trinkl: Zum Glück gibt es den Pilz!), was im Finanzministerium und im Büro Grasser passiert ist.

Aber wenn wir etwa ein Projektdatenblatt von EADS zur Abwicklung der Kompensationsgeschäfte nehmen, dann wird es schon spannender. Auch das wurde uns nicht zur Verfügung ge


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stellt, aber es gibt zum Glück gesetzestreue, engagierte und an Sparsamkeit orientierte Beamtinnen und Beamte des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, die uns hiebei gerne helfen.

"Eurofighter", Projekt E 307, österreichische Firma: Magna Steyr-Puch, Umsatzerwartung: 400 Millionen €. – Wahrscheinlich das wichtigste Kompensationsprojekt, ein Stronach-Projekt, genaue Beschreibung dieses Projekts. Und dann stellt sich heraus – Fahrzeugproduktion Chrysler Voyager und so weiter –, dass das schon längst abgesprochen und vereinbart ist. Dazu hat es keine Abfangjäger gebraucht, das ist doch schon längst alles gelaufen! Es werden gerade die Maschinen vom Chrysler zur Stronach-Firma Magna hinübertransportiert. Da ist nichts mehr zu kompensieren! – Das ist der Grund, warum die Kompensationsliste verheimlicht und vor dem Nationalrat sowie vor dem Nationalen Sicherheitsrat abgeschirmt wird. (Ruf bei der SPÖ: Da schau her!) Es geht hier nämlich um eine Kette von Scheingeschäften, und der Verdacht der politischen und finanziellen Schiebung steht ganz klar im Raum! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien! Sie haben Gründe, warum Sie uns die Kompensationsliste nicht zeigen. (Abg. Murauer: Der Oberverdächtiger Pilz!) Sie haben Gründe, warum Sie uns auch alte Kompensationslisten von längst abgeschlossenen Geschäften verheimlichen. Sie haben Gründe, warum Sie alles zurückhalten, alles abdichten und schauen, dass Sie dieses Geschäft in aller Heimlichkeit abwickeln können. (Abg. Murauer: Die Heimlichkeit ist nicht sehr groß!)

Und wir haben Gründe, ein Maximum an Transparenz zu fordern. Wir haben Gründe, Sie aufzufordern, dass eben genau diese Kompensationsliste veröffentlicht und dem Nationalrat zur Prüfung vorgelegt wird. Werner Kogler, der in unserem Klub dafür zuständig ist, wird dann einen dementsprechenden Antrag einbringen, der es Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ermöglichen wird, für ein Maximum an Transparenz zu sorgen. Ich bin mir sicher, dass der Wirtschaftsminister heute aufstehen und sagen wird: Ja, weil ich vorschlage, jährlich über die Kompensationsgeschäfte detailliert zu berichten, bin ich auch dafür, dass dieser Antrag, die Kompensationsliste schnell dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen, auch mit großer Mehrheit möglichst einstimmig beschlossen wird.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Genau so wird es passieren, denn Sie haben ja schließlich nichts zu befürchten.

Wie wird es weitergehen? – Wir werden darüber reden, was hier möglicherweise geschoben worden ist, was rund um diesen Vertrag passiert ist, warum der Finanzminister plötzlich für das teuerste Projekt gestimmt hat und warum einer der Hauptprofiteure Frank Stronach heißt. Aber wir werden auch – Herr Finanzminister, das werden Sie uns nicht verbieten – darüber reden, wo Sie aller Wahrscheinlichkeit nach einsparen müssen.

Und das ist nicht unfair und unsauber, wenn die Opposition darüber spricht. Ich gehe nämlich nach wie vor davon aus, dass Sie nicht in Form einer Kopiertechnik über die Budgetmittel verfügen können. Wenn Sie 2 bis 3 Milliarden € für Abfangjäger ausgeben, geht es nicht so, dass Sie dann Geld in den Kopierer legen und sagen: Universitäten oder Arbeitslosenunterstützung können wir auch noch finanzieren. – Beim Budget – insbesondere dann, wenn gespart wird – heißt es: Entweder – oder. Und wer Abfangjäger kauft, wird nicht mehr in diesem Umfang soziale Sicherheit, Bildung, Forschung und Entwicklung finanzieren können.

Herr Finanzminister! Sie haben eine ganz wichtige Entscheidung getroffen. Weil Sie sagen, es soll weiter ein Null-Nettodefizit geben, und weil die Abfangjäger jetzt auch mit Ihrer Unterschrift finanziert werden, wird irgendwo eingespart werden müssen. Wir müssen davon ausgehen, dass Sie dort einsparen, wo Sie bisher eingespart haben, bei jenen Menschen, die Ihnen nicht besonders wichtig sind, nämlich bei berufstätigen Frauen, bei Studentinnen und Studenten, bei Erwerbslosen, bei Unfallrentnerinnen und Unfallrentnern – bei denjenigen, von denen Sie glauben, dass sie sich am wenigsten wehren können.


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Aus diesem Grund – und das ist kein reiner Begriff aus der Finanzpolitik – erinnern wir Sie daran, so wie früher manchmal eine FPÖ mit Chancen auf Erfolg andere Bundesregierungen daran erinnert hat: Auch in der Frage der Abfangjäger ist der Wahltag der politische Zahltag, Herr Finanzminister! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. In der Debatte zur Dringlichen Anfrage darf kein Redner länger als 10 Minuten sprechen. – Bitte, Herr Bundesminister.

16.22

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zur Meinung einiger meiner Vorredner bin ich als Verteidigungsminister der Republik Österreich sehr froh darüber, dass wir spät – wirklich spät –, aber doch sichergestellt haben, dass auch in Zukunft – und nicht, wie in der Dringlichen Anfrage behauptet wird, auf 20 Jahre, sondern auf die nächsten 30 bis 40 Jahre – die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags, den uns die Republik Österreich übertragen hat, nämlich die Souveränität Österreichs auch in der Luft abzusichern und den Luftraum zu überwachen, sichergestellt werden kann. Das ist ein wichtiges Ergebnis dieser Bundesregierung, die nicht nach Meinungsumfragen schielt, Herr Abgeordneter Gusenbauer, die sich nicht nach dem Mainstream richtet (Abg. Dr. Gusenbauer: Machen Sie eine Volksabstimmung!), sondern die sich nach den Verantwortlichkeiten, den Notwendigkeiten und den verfassungsrechtlichen Aufgaben richtet. (Abg. Öllinger: Lassen Sie das Volk entscheiden!) Das war unser Auftrag, als wir unser Regierungsprogramm erarbeitet haben, und daran haben wir uns auch gehalten, Herr Abgeordneter Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Von einer "Husch-Pfusch-Aktion" zu sprechen ist ein wenig vermessen. 17 Jahre ist es in Wirklichkeit her, seitdem dieses Projekt eingeleitet worden ist. Alle Regierungen seit Bruno Kreisky haben die Notwendigkeit von "Luftraumüberwachungsflugzeugen" – diesen Begriff haben Sie (in Richtung SPÖ) in Ihrer Regierungsphase kreiert –, von Abfangjägern, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Es wurde ja schon angesprochen: Auch die Koalitionsverhandlungen im Jahre 2000 haben sich in diese Richtung bewegt. Es war natürlich auch für uns eine Notwendigkeit, dieses Versäumnis der letzten sechs oder sieben Jahre – Sie wissen ja, dass diese Entscheidung schon Mitte der neunziger Jahre hätte getroffen werden müssen – nun nachzuholen.

Da hier der Vorwurf in den Raum gestellt worden ist, wir hätten die Bevölkerung unrichtig über diesen Beschaffungsvorgang und dessen Einzelheiten informiert, möchte ich hier noch einmal klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir uns in einem Verfahren befunden haben, in dem es darum ging, einen Bestbieter zu ermitteln, mit dem wir dann den Kaufvertrag ausverhandeln. Wir haben auf Grund der Angaben der verschiedenen Bieter ein Verfahren entwickelt, um sehr unterschiedliche Geräte vergleichbar zu machen und dadurch einen Bestbieter zu ermitteln.

Es gab eine ganze Reihe von unterschiedlichen Angaben, von Mengengerüsten und auch von Finanzierungsvarianten. Wir haben den Barpreis bei Kauf, bei Lieferung veröffentlicht. Es gab Varianten, die im Preis darüber lagen. Es gab aber auch Varianten, die im Preis darunter lagen. Ich habe auch klar zum Ausdruck gebracht, dass zu diesem Preis die Pakete für Logistik und Ausbildung dazukommen, auch die Kosten für die Finanzierung, sofern man eine Finanzierung benötigt. All diese Parameter müssen aber jetzt mit der Bestbieterfirma ausverhandelt werden. Wir werden das dann den zuständigen Gremien hier zur Kenntnis bringen können, wenn dieser Vertrag vorliegt. Ich habe den Nationalen Sicherheitsrat über den Entscheidungsfindungsprozess ausführlich informiert.

Aber wie schon der Herr Finanzminister gesagt hat: Es ist jetzt wohl auch im Interesse der österreichischen Position, sehr geschlossen in diese Verhandlungen zu gehen und keine Präjudizien in der Öffentlichkeit zu positionieren. Ich kann Ihnen jedenfalls nur eines sagen: Jeder, der glaubt, dass wir hier etwas verschweigen oder bewusst falsch darstellen, irrt. Entweder weiß


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er das und sagt das bewusst, oder er weiß das nicht – dann sollte er sich in einer so wichtigen Angelegenheit besser informieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da hier so humoristische Untertöne zu Tage getreten sind: Ich glaube, dabei ist wenig Humorismus und Polemik an den Tag zu legen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Humorismus, Frau Abgeordnete, wenn Sie mir zugehört haben. – Ich sage Ihnen, wir sollten uns hier generell der Verantwortung stellen, dass Österreich im gesamten Spektrum der militärischen Aufgaben auch in Zukunft die notwendigen Kapazitäten benötigt.

Wenn Herr Abgeordneter Gusenbauer behauptet, wir hätten diese Flugzeuge für einen NATO-Beitritt angeschafft, dann frage ich mich: Woher haben Sie diese Meinung? Wie kommen Sie zu dieser Ansicht? – Ganz im Gegenteil! Würde man einer Ihrer Ideen nahe treten, indem man sagte, man versuche, künftig irgendwann einmal ein aufgabenteiliges Verfahren zu entwickeln, und dass wir eine andere Armee dafür bezahlen würden, dass sie diese Luftraumüberwachung für uns übernimmt, wäre das – obwohl das auch jetzt noch nirgends umgesetzt ist, aber zumindest theoretisch – nur in einem Verteidigungsbündnis, wie es die NATO darstellt, möglich. Das heißt, eigentlich müssten Sie einer der größten Befürworter eines NATO-Beitritts Österreichs sein. Darüber können wir auch sehr gerne – weil das eine grundsätzliche Frage in der Sicherheitspolitik ist – eine Volksabstimmung abhalten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Jederzeit!)

Ich als österreichischer Verteidigungsminister sage: Ich möchte, dass die Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung zu Lande und in der Luft durch österreichische Soldaten mit österreichischem Gerät gewährleistet wird und nicht durch Gerät oder Personal von fremden Armeen. Auch das ist ein klares Prinzip dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie stellen immer wieder notwendige Aufwendungen des Staates den Aufwendungen für die Sicherheit gegenüber und spielen diese manchmal auch gegeneinander aus. Natürlich ist es für eine Opposition, der es um Polemik, vielleicht auch um einen tagespolitischen Effekt geht, einladend, das zu tun. Aber was würden Sie sagen, wenn man denselben Mechanismus in anderen Bereichen anwendete, wenn man etwa bei den Pensionistenverbänden das Kindergeld in Frage stellte, umgekehrt den Studenten die Aufwendungen für die Pensionen gegenüberstellte, wenn man darüber diskutierte, dass der öffentliche Beitrag für die Österreichischen Bundesbahnen doppelt so hoch ist wie das gesamte Verteidigungsbudget der Republik Österreich, wenn man die Frage stellte, ob wir auf der einen Seite für die Kultur so viel aufwenden müssen, während auf der anderen Seite nach Ihrer Argumentation Steuererhöhungen zu verzeichnen sind? (Abg. Dr. Gusenbauer: Wollen Sie zusperren?)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ist das wirklich das Ziel? – Ich möchte das nicht. Ich argumentiere ja nicht in diese Richtung (Abg. Öllinger: Sie nicht, die FPÖ schon!), aber Sie versuchen, die eine gegen die andere notwendige Aufgabe des Staates auszuspielen. Ich möchte eine derartige Politik nicht, auch nicht eine derartige Gesellschaft, in der wir Kultur gegen Sicherheit ausspielen, in der wir Sozialleistungen gegen Sicherheit ausspielen, in der wir vielleicht Aufwendungen der Demokratie gegen andere Bereiche ausspielen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten einen Grundkonsens haben, dass die notwendigen Leistungen, die notwendigen Aufgaben des Staates auch entsprechend finanziert und sichergestellt werden müssen.

Ich habe es hier schon einmal gesagt: Ich kann mich gut an eine Debatte hier im Nationalrat erinnern – ich glaube, es war im Jahre 1998 –, als ich als Wehrsprecher der Freiheitlichen Partei die Neuanschaffung von Transporthubschraubern verlangt habe.

Ich bin damals hier ausgelacht worden, auch von Vertretern Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Als Hirngespinste, als nicht notwendige Leistungen für das österreichische Bundesheer wurde das bezeichnet. Es wurde gesagt, niemand sei bereit, jetzt so viel Geld dafür aufzuwenden.


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Dann kam Galtür, und plötzlich waren alle der Meinung, wir bräuchten das. Aber es waren ein paar Dutzend Tote dazwischen, zwischen dem Auslachen und dem Konsens, dass dieses Gerät notwendig ist.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Das sollte in Zukunft nicht der Fall sein, sondern wir müssen für alle Bereiche der Landesverteidigung die notwendige Vorsorge betreiben. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer und meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, hier dann auch ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Ohne die Hubschrauber hätte es Galtür nicht gegeben, oder?) – Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich habe jetzt nicht die Zeit, Ihnen ein persönliches Erlebnis zu schildern, ich werde es Ihnen dann sagen. Wenn man dort an dem Platz steht, wo man weiß, dass mit besserem Gerät einige Dutzend Menschen heute noch leben könnten, dann spricht man anders, als Sie das jetzt getan haben, Herr Abgeordneter Gusenbauer. (Abg. Böhacker: Jawohl! – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie sagen, diese ganzen Betriebskosten und die Aufwendungen für diese relativ geringe Zahl von Alarmeinsätzen unserer Abfangjäger seien ja viel zu teuer, dann muss ich dem entgegenhalten: Herr Abgeordneter Gusenbauer! Meine Damen und Herren! Es hat in der Geschichte des österreichischen Bundesheeres in der Zweiten Republik einen Einsatz, einen militärischen Einsatz zur militärischen Landesverteidigung der Republik Österreich gegeben, einen einzigen, wenn ich von den Assistenz- und Katastropheneinsätzen absehe, einen einzigen militärischen Einsatz! Viele Milliarden an Schilling, jetzt an Euro, wurden dafür aufgewendet, um einen Einsatz zu bestreiten, nämlich 1991, als es darum ging, unsere Grenzen vor einer Gefährdung aus dem Süden zu schützen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Die MiGs sind bis Graz geflogen!)

Aber was, Herr Abgeordneter Gusenbauer, wären die Folgen, wenn man sich vielleicht über viele Jahre viel Geld ersparte, aber für diesen einen Einsatz nicht die notwendigen Kapazitäten hätte, um der österreichischen Bevölkerung den Schutz und die Hilfe zu geben, die sie dann von uns erwartet? Da können Sie dann nicht mehr mit Meinungsumfragen kommen. Da können Sie nicht mehr mit den Postämtern kommen, da können Sie nicht mehr mit irgendwelchen anderen Dingen kommen, sondern dann müssen Sie das Gerät, das Personal und die Infrastruktur haben, um diese Sicherheit zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich froh, dass wir jetzt die Vertragsverhandlungen mit einem Minimum an Preis schließen können – das wird das Ziel sein –, einem Maximum an technischer Leistung, einem Maximum an Gegengeschäften, zum Wohle und zur Sicherheit der Republik Österreich und seiner Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

16.33

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Scheibner! Herr Bundesminister, uns geht es nicht um Polemik, sondern uns geht es um verantwortungsbewusste Politik. Uns geht es darum, dass sich die Menschen in diesem Land wohl und sicher fühlen und gerne hier leben. Das ist auch der Grundsatz und das Prinzip unserer Politik, und das wollen wir auch verwirklichen, auch in der Position der Oppositionspartei.

Herr Finanzminister! Wenn Sie uns in Ihrem Redebeitrag beziehungsweise bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage die "Draken"-Beschaffung 1987 vorgehalten haben, dann bitte ich schon die damaligen Gegebenheiten zu berücksichtigen. 1987 hatten wir ein ganz anderes Bedrohungsszenario. Da standen einander noch zwei feindliche Militärblöcke gegenüber: auf der einen Seite die Staaten des Warschauer Pakts, auf der anderen Seite die NATO.

Heute haben wir eine gänzlich andere sicherheitspolitische Situation, meine Damen und Herren. Wir arbeiten an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in diesem Europa. Wir sind dabei, eine Friedensunion aufzubauen. Niemand weiß, wie es sicherheitspolitisch in diesem Europa weitergeht. Und noch bevor dieser Prozess abgeschlossen ist, haben Sie ohne Wenn


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und Aber diese sündteure Rüstungsbeschaffung beschlossen. Da haben wir gesagt: Nicht mit uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe leider nicht so viel Zeit. Herr Murauer, der jetzt nicht da ist, hat auch die angebliche Schuldenpolitik Kreiskys angesprochen. (Abg. Murauer: Ich bin extra in die erste Reihe gegangen, weil du sprichst!) – Entschuldige, ich habe nicht gewusst, dass du da so großartig vorgerückt bist. Mich stört es nicht, ob Khol oder du auf diesem Platz sitzt. Da bist du mir vielleicht sogar noch lieber.

Wenn du die angebliche Schuldenpolitik Kreiskys ansprichst, lieber Freund, dann möchte ich schon sagen: Wir haben das Geld nicht im Kasino verspielt. (Abg. Murauer: Wir auch nicht!) Hier wurden Werte geschaffen: Schulen gebaut, Krankenhäuser errichtet, Straßen gebaut, Arbeitsplätze geschaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben die Arbeitslosigkeit bekämpft. (Abg. Murauer: Beim "Konsum" und in der Verstaatlichten Industrie! Nein, so einfach ist es nicht!) Aber bei eurer Politik habe ich den Eindruck, dass ihr die Arbeitslosen bekämpft – und da habt ihr mit unserem Widerspruch zu rechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben Österreich sozialer und gerechter gemacht. Wir brauchen uns unserer Vergangenheit nicht zu schämen. Wir können stolz sein auf unsere Politik. Sie aber gefährden den sozialen Frieden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Herren Minister! Daher hat die Bevölkerung kein Verständnis für diese teure Beschaffung, für diesen Abfangjägerkauf, für die teuerste Fehlentscheidung dieser Bundesregierung. Und es ist auch eine kühne Entscheidung, denn dieses Flugzeug ist in keiner Armee eingeführt, ist auch nicht wirklich einsatzfähig. Was wir haben, ist ein Funktionsprototyp mit enormen technischen Problemen, die bis heute nicht gelöst worden sind, sondern es ist eigens ein Direktor eingesetzt worden, der sich mit diesen Mängeln zu beschäftigen hat.

Die volle Einsatzbereitschaft erwartet man in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Jetzt wird einmal probiert. Österreich ist das Versuchskaninchen. Und dieses Probieren, meine Damen und Herren, kostet uns, wenn wir von der Neunjahresvariante ausgehen, von der Sie immer wieder gesprochen haben, Herr Finanzminister, 2,4 Milliarden €, das heißt, weit mehr als 30 Mil-liarden Schilling.

Sie, Herr Bundesminister, bekommen den Flieger nicht, der Ihnen angeboten wurde, weil er nicht fertig ist; sie bekommen ihn nicht jetzt und heute, wie es die Ausschreibungskriterien verlangen. Sie bekommen ihn vielleicht in fünf Jahren, das kann möglich sein, denn als frühester Termin ist immer wieder 2007 genannt worden. Dann wird das ausgereifte Modell zur Verfügung stehen, aber nicht jetzt. Daher ist es ein Luftgeschäft im wahrsten Sinne des Wortes. Das, Herr Finanzminister Grasser, steht in krassem Widerspruch zu den Ausschreibungskriterien. Ich sage, es ist hier eine schwere Missachtung der Sorgfaltspflicht gegeben, weil Muss-Forderungen nicht erfüllt worden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sie kaufen, meine Damen und Herren, ist ein Kampfflugzeug mit hoher Waffenladungskapazität. Sie kaufen ein komplexes, sündteures System mit Infrarot-Lenkwaffensystem, mit radargelenktem Waffensystem, Präzisionsbekämpfung – also all das, was nicht notwendig ist. Das ist alles erforderlich für den Luftkampf, für den Luftangriff, für den Luftkrieg, aber hat nichts mehr mit Luftraumüberwachung und mit luftpolizeilichen Aufgaben zu tun. Das ist Großmannssucht, Herr Bundesminister, und das darf ganz einfach nicht sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das brauchen wir in einem neutralen Österreich sicherlich nicht. Es ist sicherheitspolitisch nicht notwendig, budgetpolitisch ein Wahnsinn und vom Typ her überschießend. Es bleibt kein Spielraum mehr für wirklich notwendige Beschaffungen im österreichischen Bundesheer. Herr Bundesminister! Wir wollen den Schutz und die Sicherheit der Soldaten erhöhen. Dafür bleibt kein Groschen Geld mehr übrig, kein Euro, nichts mehr ist vorhanden! Wenn Sie von Zukunftsinvestitionen sprechen, dann kann ich nur sagen: Wenn Sie das Wort "Zukunft" in den Mund nehmen,


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dann müssen Sie nur sagen: Ja, wir machen Schulden in die Zukunft, die andere dann bezahlen müssen. – Daher gibt es hier ein Nein! (Abg. Murauer: Wie viel zahlen wir denn ungefähr jährlich? Von wegen Schulden! Von der Verstaatlichten Industrie bis zum "Konsum"! Gott sei Dank brauchen wir die Schulden der SPÖ nicht zurückzuzahlen! – Beifall bei der SPÖ.)

Was die Gegengeschäfte angeht, Herr Bundesminister, so hat Herr Minister Bartenstein da von guten industriepolitischen Signalen gesprochen. Ich sehe diese nicht, Herr Bundesminister, denn die angekündigten 200 Prozent müssen erst realisiert werden! Es gibt keine Angebotsgarantie. Wie es international üblich ist, wurde von Ihnen nichts verlangt – nur Absichtserklärungen, aber keine Haftung, keine Verpflichtungen zur hundertprozentigen Erfüllung des schriftlichen Angebotes, Herr Bundesminister. Österreich hat keine Garantie für den Wahrheitsgehalt des Angebots!

Bei den Kompensationsgeschäften bleibt nur der gute Glaube. Es werden einige wenige Großbetriebe profitieren, Klein- und Mittelbetriebe bleiben zum überwiegenden Teil auf der Strecke.

Ich kann nur sagen, Herr Bundesminister Grasser: Wären Sie doch bei den Abfangjägern bei Ihrem Satz: Mit mir nein!, geblieben! Ich glaube, Sie hätten dadurch vielen etwas erspart – aber so sind Sie jetzt der Umfaller der Nation. Sie haben mit Ihrem Umfaller die Österreicherinnen und Österreicher ge- und enttäuscht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.41

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren Bundesminister! Wenn ich mir die Debatte so anhöre und sie parallel zu anderen ähnlichen Aktionen der Sozialdemokratischen Partei in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten sehe, dann, muss ich sagen, können mir meine alten Freunde aus den Reihen der Sozialdemokraten wirklich ein bisschen Leid tun. Sie können da inszenieren, was Sie wollen – auch vor dem Hintergrund, dass das Parlament traditionell das Feld der Opposition ist –, alles, was Sie machen, geht in die Hose! Ich würde mir wünschen, dass viel mehr auch von der Nachmittagsdebatte direkt im Fernsehen übertragen würde. Ich würde mir wünschen, alles! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie tupfen an bei den Herren Ministern, und da kommen so perfekte Darstellungen heraus, die alle der Wahrheit entsprechen, alle nachvollziehbar sind, alle überzeugend sind. Ich würde mir wünschen, dass das Publikum viel größer wäre. (Abg. Nürnberger: Das glaubst du ja selber nicht!) Rudi, ihr stürzt – um beim Fachjargon zu bleiben – immer brennend ab bei diesen Dingen. Das wünschen wir uns von den Jagdfliegern nicht, aber ihr stürzt halt brennend ab in diesem Zusammenhang.

Man muss sich natürlich auch ein bisschen entscheiden, denn ich kann mich noch erinnern, wie andere oder auch dieselben vor Jahren, als es um die "Draken" gegangen ist, immer wieder verkündet haben: Mein Gott, den alten Schrott kaufen die ein, diese Kramuri wird eingekauft, das ist ja alles schon für den Lagerplatz!

Jetzt auf einmal kaufen wir etwas ganz Neues, jetzt kaufen wir das Beste. Es wird behauptet, es sei das Teuerste – das weiß ich nicht; das Beste ist es auf jeden Fall. Und jetzt auf einmal wünschen Sie sich den Schrott. Das kann es doch auch nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist ein Bruch in der Linie, die Sie vorgeben, den jeder spürt und jeder hört. Das macht Sie nicht überzeugend.

Man muss natürlich auch aufpassen, denn, Rudi Gaál, wenn du sagst, du wünscht dir Schutz und Sicherheit (Abg. Murauer: Toni Gaál!)  – Toni Gaál, Entschuldigung, Rudi Nürnberger, Toni Gaál – vor allem für die Soldaten und nichts sonst, dann muss ich sagen: Bitte, bei welcher modernen Armee gibt es auch nur ein Mindestmaß an Schutz und Sicherheit, wenn nicht der Luftraum entsprechend gesichert und abgeschirmt ist? Das ist alles, das musst du zugeben! Und da


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kann ich nicht sagen, wir kaufen uns irgendwelche Flieger, und zwar ein paar, damit das Kind einen Namen hat. Wenn wir Schutz und Sicherheit für unsere Soldaten haben wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Luft, der Luftraum entsprechend abgesichert ist. Das ist jedenfalls ganz klar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich kann mich an noch etwas erinnern: Vor langer, langer Zeit sind die "Draken" angeschafft worden. Na da war der Wirbel los in Österreich, nicht ganz aus dieser Ecke, sondern aus allen möglichen anderen Bereichen und Bundesländern. Da ist sogar in einem bestimmten Bundesland ein Volksbegehren gegen die eigene Bundesregierung inszeniert worden. Ich weiß nicht, wie weit es gediehen ist, aber es hat jedenfalls stattgefunden, denn man wollte die Jäger überhaupt nicht haben, und vor allem wollte man sie nicht im eigenen Bundesland haben – denn der Lärm und was damit alles verbunden ist!

Dann hat es die Slowenienkrise gegeben, und da hat sich folgendes Peinliches ereignet: Nicht zufällig am Sankt-Veits-Tag – und wir wissen, was der im serbischen Bereich für eine Rolle spielt – hat sich eine serbische MiG bis Graz "verirrt" – verirrt unter Anführungszeichen. Sie wollten zeigen, dass die das können. Und dann ist eine Rotte von "Draken" gekommen, und der Spuk war für immer weg. Und dieselben Politiker – nicht die gleichen, dieselben Politiker! –, die ein paar Jahre vorher noch die Volksbegehren gegen die eigene Regierung inszeniert haben, haben sich dann jubelnd über die "Draken" im Fernsehen abbilden lassen. Das soll natürlich auch nicht passieren. (Abg. Jung: "Unsere Buam" hat er gesagt!)  – "Unsere Buben". Na ja, in der Politik gibt es ein kurzes Gedächtnis, das muss man dazusagen.

Eine Komponente, glaube ich, ist heute noch viel zu wenig bedacht worden, nämlich die soziale. Wir machen uns im Unterschied zu anderen um die Arbeitsplätze wirklich Sorgen, und zwar erfolgreich. Wir sichern ein höheres Maß an Beschäftigung, als es jemals zuvor in Österreich der Fall war. Aber bitte bedenken Sie auch, dass mehr als 1 000 Arbeitskräfte, zivile und militärische, auf dem Boden tätig sind, Arbeit haben, Brot haben, bezahlt sind, nur damit und weil in der Luft die Jagdflugzeuge unterwegs sind! 1 000 Personen! Wenn man heute darauf verzichtet, anstelle der "Draken", die kein Pickerl mehr kriegen, neue Maschinen anzuschaffen, hat man 1 000 Arbeitslose mehr, das muss man auch dazu wissen, und zwar geht es da um hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Das ist etwas, was man vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennt, aber auf den zweiten sollte man es erkennen und vertreten.

Und es kommt noch etwas dazu, bitte: Der Luftraum gehört zum souveränen Staatsgebiet. Es ist eine völkerrechtliche Verpflichtung, dass man das Staatsgebiet und damit auch den Luftraum, soweit er beherrschbar ist, soweit die Dinge erreichbar sind, in die Verteidigungsüberlegungen und in die Verteidigung mit einbezieht. Wir reden ja da wie die Blinden von der Farbe, weil wir gar nicht nachdenken. Natürlich wissen wir das ohnehin alle. Wir sind verpflichtet dazu. Jeder andere, noch dazu in der Zeit nach dem 11. September vergangenen Jahres, jeder aus einem Nachbarstaat könnte sagen: Halt, die Österreicher haben da das Handtuch geworfen, sie kommen ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung, ihren Luftraum zu überwachen und notfalls auch zu verteidigen, gar nicht nach, aber wir sind dadurch stärker bedroht, das Vorfeld für uns irgendwo in der Nachbarschaft ist nicht entsprechend gesichert. Wir sichern das mit unseren eigenen Maschinen. – Da kann man sich jetzt aussuchen, wer immer das ist. Ich wünsche mir überhaupt keinen. Ich wünsche mir keine Amerikaner, ich wünsche mir auch keine Italiener, keine Slowenen, Ungarn, Slowaken, Tschechen, Deutsche und was es vielleicht noch geben mag. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das sind Menschen!)

Wir haben die Verpflichtung, und wenn wir sie nicht wahrnehmen, müssen wir in Kauf nehmen, dass die anderen an unserer Stelle diese Verpflichtung erfüllen. Wer das will, der soll es offen sagen! Wir wollen es nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte.

16.47

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Herren Minister! Hohes Haus! In Ihrer Dringlichen Anfrage, Kollege Cap, sprechen Sie von Sozialkürzungen und


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110. Sitzung / Seite 148

Sozialabbau. Wie erklären Sie den Menschen in Österreich diese Behauptung? Würden Sie das Kindergeld, das Kinderbetreuungsgeld, die neue Möglichkeit der Familienhospizkarenz und die "Abfertigung neu" als Sozialabbau bezeichnen? Ich verstehe, dass Ihr Herz blutet, aber die SPÖ war in den letzten 30 Jahren ihrer Regierungszeit nicht in der Lage, solche sozialpolitischen Meilensteine zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Reheis. )

Es ist auch nicht daran zu rütteln, dass es unser Bundeskanzler mit unserer ÖVP-FPÖ-Regierung war, die diese Meilensteine setzen konnten.

Sie, verehrte Kollegen von der SPÖ, sprechen sich für das Bundesheer aus. Sie bekennen sich auch zum Schutz und zur Sicherheit der österreichischen Soldaten. Sie wollen auch jene Verbände modernisieren, die bei Auslandseinsätzen Verwendung finden.

Liebe Kollegen! Hört bei Ihnen die Gerätschaft im Luftraum auf? Ist Ihnen lieber, bei internationalen Einsätzen 2 000 bis 3 000 österreichische Soldaten mehr zu entsenden, als zwei Staffeln modernst ausgestatteter Kampfflugzeuge mit best ausgebildeten Piloten zu haben?

Die SPÖ hat sich – und da muss ich sagen: leider! – total von der Verantwortung für unser Österreich verabschiedet. Sie wollen den Österreicherinnen und Österreichern weismachen, dass unser Schutz und unsere Sicherheit im Luftraum aufhören. Ich meine, Sie glauben es eigentlich nicht wirklich. Aber es ist Ihnen parteipolitisches Geplänkel mittlerweile viel wichtiger als die Sicherheit unseres Landes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pumberger: Wo sind Ihre Leute, Herr Gusenbauer?)

Kollege Cap! Als sehr junge Mandatarin hat es mich eigentlich sehr getroffen, dass Sie sich lustig machen über das Bundesheer, über den Einsatz von Kampfflugzeugen. Für mich haben die Sicherheit meiner Familie, der Schutz meiner Kinder oberste Priorität. Um diesen Schutz zu gewährleisten, bin ich bereit, große Verantwortung zu übernehmen. Unser Bundeskanzler, unsere Bundesregierung sind bereit, große Verantwortung für die Großfamilie, der alle Österreicherinnen und Österreicher angehören, zu übernehmen, weil die Sicherheit in unserem Lande oberste Priorität hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Sie haben sich von dieser Verantwortung für Österreich verabschiedet. Sie wollen ein gutes Haus, nur: Auf das Dach, das uns vor negativen Einflüssen schützt, wollen Sie aus populistischen Gründen verzichten.

In all seinen Ausführungen hat der Parteivorsitzende der SPÖ, Gusenbauer – jetzt sitzt er wieder da –, immer wieder soziale Leistungen gegen die Sicherheit in unserem Lande aufgerechnet. Er hat aber auch die Wahrheit eingefordert. Er vergisst eigentlich immer zu sagen, wie viel die Österreicherinnen und Österreichern die Schuldentilgung kostet, die wir zu leisten haben, wie viel zum Beispiel die ÖBB jährlich kosten. Das kostet weit mehr als die Abfangjäger! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, als Bürgerin dieses Landes bin ich sehr froh, dass unsere Bundesregierung staatliche Aufgaben nicht gegeneinander aufrechnet. Es ist unsere Verantwortung für Österreich, die Sicherheit nicht aufzuwiegen, sondern Sicherheit der Menschen und von deren Hab und Gut als oberste Priorität zu sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Friede in unserem Lande, Friede in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Sicherheit ist vielleicht nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

16.51

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Am Dienstag um 12.44 Uhr war die Katze aus dem Sack. Bis


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zum Vormittag mochte man noch der Meinung gewesen sein, es sollte bei dieser Typenentscheidung der "Gripen" herauskommen.

Eigentlich könnte es meiner Fraktion relativ egal sein, für welchen Typ man sich entscheidet, weil beide sehr teuer sind und wir eine grundsätzlich ablehnende Haltung einnehmen, aber es geht hier auch um die von Kollegem Pilz angesprochene Rolle des Finanzministers in diesem Entscheidungsverfahren. Ein Finanzminister, der als angeblicher Anwalt der SteuerzahlerInnen ausgezogen ist, um eine teure Lösung zu verhindern, um die billigste zu forcieren, hat ein Verhalten an den Tag gelegt, auf Grund dessen sich – wenn man jetzt ganz simple logische Mechanismen walten lässt – am Schluss seines Vetos, das er de facto eingelegt hat, eigentlich nur mehr für einen Typ eine Zustimmung ergeben konnte. (Zwischenruf des Abg. Wittauer. )

Er selbst hat heute gesagt, dass die Variante mit den gebrauchten "F 16" schon militärisch ausgeschieden war. Bis zum Schluss hat er aber so getan, als ob er um diese und sonst um keine kämpfen würde, und hat sich vordergründig voll gegen den "Gripen" quergelegt.

Und am Schluss der Übung kommt nicht nur die teuerste Lösung heraus – all das brauche ich nicht zu wiederholen –, sondern es kommt eine Type heraus, die von einer Firma, einem Konsortium produziert wird, das engste Geschäftsbeziehungen zu einem Konsortium hat, bei dem der Finanzminister selbst vorher Manager war und möglicherweise bald wieder sein wird. (Abg. Wittauer: Das ist eine Unterstellung!) – Ich weiß nicht, wo Sie da die Unterstellung heraushören.

Das ist eigentlich das Unfassbare an diesem Vorgang. Deshalb glaube ich, Herr Finanzminister, dass Sie sich da einen weit schlechteren Dienst erwiesen haben, als nur an Ihrem Image gekratzt und das Nulldefizit nicht richtig verteidigt zu haben. Sie haben sich hier sehenden Auges in eine unvereinbare Situation gebracht. Sie hätten von vornherein anders argumentieren müssen, aber diese Vorgangsweise macht Sie eigentlich rücktrittsreif! (Beifall bei den Grünen.)

Die Folgekosten dieser Entscheidung, sollte sie tatsächlich so durchgezogen werden, werden uns hier im Haus noch lange beschäftigen. Ich sage nur eines, weil wir hier drei Minister sitzen haben: Bei dieser Bundesregierung, die mit der Parole "keine neuen Schulden" angetreten ist und dann den mit Abstand teuersten zur Verfügung stehenden Typ auswählt, hört sich sowieso jede Glaubwürdigkeit auf. Da hat sich jede Glaubwürdigkeit aufgehört! (Beifall bei den Grünen.)

All das passiert vor dem Hintergrund, dass hohe Militärs eigentlich mit dem "Gripen" nicht nur zufrieden, sondern durchaus einverstanden gewesen wären, weil sie natürlich auch die Folgefinanzierungsprobleme erkannt haben. Wenn eine technische Gleichwertigkeit gegeben ist, aber vor allem bei den Systemeinführungskosten, bei den Betriebskosten, die dann auf uns zukommen, wesentlich günstigere Werte erzielt werden können, dann ist doch klar, dass ein Militär, der selbst noch die nächsten 20 Jahre auf sein Haus schaut, eigentlich für den "Gripen" votieren müsste, und das haben die Herrschaften auch gemacht. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. ) Wir werden all das dann wieder, so wie bei der Radar-Entscheidung, im Nachhinein aufrollen können, Herr Minister Scheibner – da Sie mir von hinten gute Tipps geben. Da war es auch so, dass sich im Nachhinein herausgestellt hat, warum wer in welchen Bewertungskommissionen die Dinge plötzlich immer wieder ein bisserl anders gesehen hat.

Jetzt zeichnet sich, mit freiem Auge erkennbar, das Gleiche wieder ab. Das Gleiche zeichnet sich wieder ab! In Wirklichkeit wäre der "Gripen" durchaus geeignet gewesen, aber man greift zum teuerstmöglichen Produkt – und das werden Sie zu verantworten haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Zweytick: Schön, dass du für den "Gripen" bist! Das ist schon etwas ganz anderes!) – Kollege! Beruhigen Sie sich! (Abg. Böhacker: Bass erstaunt!)

Die Frage der Gegengeschäfte wollte ich ... (Abg. Böhacker: Kogler ist lernfähig!) – Jetzt beruhigt euch! – Die Frage der Gegengeschäfte wollte ich durchaus mit einer weniger emotionalen Zugangsweise aufrollen und möchte einmal eines voranstellen und außer Streit stellen, weil auf allen Seiten sehr viele Fehler in den Argumentationen begangen wurden (Abg. Dr. Trinkl: Jetzt musst du die Kurve kratzen!): Es ist aus heutiger Sicht tatsächlich sehr schwer zu bewerten,


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110. Sitzung / Seite 150

was ein Gegengeschäft sein kann und was nicht. Es ist selbstverständlich so, dass mit heutigem Tag nicht verlangt werden kann, zu sagen, was alles von dem, was EADS in diesem Fall angeboten hat, ein Gegengeschäft ist. (Abg. Wittauer: Von Ihnen verlangt man das eh nicht!)

Würde das nämlich heute schon feststehen, dann wäre es nach strenger Auslegung der Kriterien gar kein Gegengeschäft, weil es dann auf Grund anderer Situationen bereits zu Stande gekommen wäre und nicht erst auf Grund des Abfangjägerkaufs, und das Kriterium der Ursächlichkeit wäre damit nicht gegeben. Das gestehe ich in Bezug auf die Einwände, die hier vorgebracht werden, durchaus zu. Wesentlich ist aber, wenn wir die Gegenwart und Zukunft, was das betrifft, so schwer abtesten können, der Blick auf die Vergangenheit – und die Vergangenheit lehrt uns diesbezüglich Fürchterliches.

Erinnern wir uns daran, wie es – ich muss das jetzt in die Debatte bringen – bei der Radarbeschaffung war. Da ist im Übrigen auch von der Türöffnerfunktion die Rede gewesen. Wissen Sie, was eines der wenigen identifizierten Gegengeschäfte mit der Firma Thompson war? – Das waren lackierte Telegraphenmasten, die nach Frankreich geliefert wurden, obwohl High-Tech ein Eingangskriterium war. (Abg. Jung: Aber Sie wissen genau, dass ...! Das wurde geändert!) – Ja, das war einmal! Aber bis vor wenigen Monaten war das – und es ist meines Erachtens nach wie vor – Status quo der österreichischen Gegengeschäftspraxis. (Abg. Jung: Das wurde geändert!)

Wissen Sie, was mich im Zusammenhang mit dieser Vergangenheitsbewertung so skeptisch für die Zukunft stimmt? – Der Umstand, dass überhaupt kein Wille dazu besteht – entgegen dem, was Sie immer behaupten, Kollege Jung –, diese Sachen aufzuarbeiten. (Abg. Jung: Das wurde geändert!) Sämtliche Anfragen, die wir in diese Richtung stellen, enden damit, dass zum Beispiel vom hier anwesenden Herrn Wirtschaftsminister auf Grund von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen keine Antwort gegeben werden kann. – Es verlangt im Übrigen niemand, dass Details von Geschäftsbeziehungen bekannt gegeben werden – überhaupt nicht! Es würden schon die notwendigsten Kenndaten – wer waren die Geschäftspartner?, wie hoch war das Volumen? – reichen. Ähnliches gilt auch im Zusammenhang mit dem bereits angekündigten Entschließungsantrag, den ich hier einbringen werde, wonach einmal eine solche Liste dem Wirtschaftsausschuss vorzulegen wäre.

Sie verweigern hier jede Auskunft und jedes Angebot, das es ermöglichen würde, dieses Problem seriös aufzurollen. Ich habe Ihnen, Herr Verteidigungsminister, schon einmal das Angebot gemacht, dass wir im Rechnungshofausschuss im Zuge einer aktuellen Aussprache die Dinge so beleuchten könnten. Wenn irgendwo Geschäftsgeheimnisse tangiert würden, dann wird dieser Bereich einfach für vertraulich erklärt. Das muss doch möglich sein, wenn das Grundgeschäft, auf das sich die Gegengeschäfte beziehen – damit bin ich wieder bei Thompson –, bereits, wenn ich mich recht erinnere, im Jahr 1993 abgeschlossen wurde.

Wenn all das verweigert wird, dann besteht überhaupt keine Hoffnung oder auch nur irgendein Grund für Sie, Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen zu wollen, was die Zukunft betrifft. Deshalb ist es so wichtig, dass die Vergangenheit mit der Zukunft sozusagen in Übereinstimmung gebracht wird, weil es anders nicht möglich erscheint. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir zum Beispiel zu den von Ihnen apostrophierten Gegengeschäften mit den Sikorsky-Hubschraubern. Alle Firmen, die hier aufgezählt wurden – das kann man in der April-Ausgabe des "Trend" nachlesen –, verwahren sich in empörter Weise dagegen, dass schon Vertragsverhandlungen bezüglich der Gegengeschäfte eingeleitet worden wären. Es ist überhaupt seit Abschluss des Vertrages über das Grundgeschäft niemand mehr bei den Firmen vorstellig geworden, es hat sich derweil einmal alles in Luft aufgelöst. Und das ist das Problem, mit dem Sie zu operieren haben. Es wird ständig damit argumentiert, dass all diese Dinge stattfinden. Sie finden aber nicht statt!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Kogler! Sie haben den Antrag zwar am Präsidium abgegeben und ihn angekündigt, ihn aber noch nicht verlesen. Bitte, das nachzuholen.


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Abgeordneter Mag. Werner Kogler
(fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich darf das aber trotzdem zu Ende bringen: Die Gegengeschäfte sind in erster Linie dazu da, ein Karussell von Schmiergeldzahlungen in Gang zu setzen. Das ist das Einzige, was bewiesen wurde, weil im Wirtschaftsministerium (Rufe bei den Freiheitlichen: Antrag!) – hören Sie zu! – praktisch eine Liste zur Abgabe gelangt, wo eine Firma der anderen einen Stempel gibt, und dann gibt es noch eine vierte Firma, die vom Wirtschaftsministerium beauftragt ist, das Ganze zu bestätigen. – Sie haben den gleichen Bericht unterschrieben, Kollege Jung! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

All das bewegt sich nach Höhe des Geschäftsvolumens. Sie haben damals staatlich angeregte Schmiergeldzahlungen in Gang gesetzt. Das wissen Sie ganz genau. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damit all das anders und besser wird, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kompensationsgeschäfte beim Ankauf von Abfangjägern

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses die Liste der EADS-Kompensationsgeschäfte zur Einsicht zugänglich zu machen.

*****

Wenn Sie jetzt aufpassen, was die Frage der Unvereinbarkeit und der ...

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet, Kollege Kogler!

Es liegt mir fern, die Kritik der Opposition irgendwie einzuschränken, aber man kann nicht pauschal Gegengeschäfte als "Karussell von Schmiergeldzahlungen" bezeichnen. Ich glaube, das muss man klarstellen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Kogler. – Abg. Murauer: Wenn Kogler das sagt, ist es nicht so dramatisch!)

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Kogler, Pilz, Kolleginnen und Kollegen ist ordnungsgemäß unterschrieben und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zum Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

17.02

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Meine Herren Präsidenten am Präsidium! Meine geschätzten Herren Regierungskollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Präsident Fischer, ich kann Ihnen mehr als nur Recht geben: Es war schon ein wenig verwunderlich, mit welch eigenartiger Art von Lässigkeit Herr Abgeordneter Kogler jetzt mit Gegengeschäften und auch mit Anbietern umgegangen ist, mit denen wir solche Gegengeschäfte abwickeln wollen, werden und können. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf in Erinnerung rufen, dass der von Herrn Kogler angesprochene Konzern niemand anderer ist als DaimlerChrysler, ein Konzern, der in Österreich jährlich um etwas mehr als 2 Milliarden € an Zulieferungen von einer hoch technisierten Zulieferindustrie zukauft, damit Tausende, vielleicht Zigtausende Arbeitsplätze sichert und zu unseren wichtigsten Partnern gehört.

In Richtung des Herrn Abgeordneten Pilz darf ich sagen, dass wir uns bei allem Verständnis für die politische Argumentation und auch für manche Polemik in Erinnerung rufen sollten, dass der aus Österreich stammende Austrokanadier Frank Stronach in diesem Land wie kaum ein


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zweiter Investor in den letzten Jahren Tausende Arbeitsplätze gesichert und geschaffen hat und deswegen auch der Wertschätzung dieses Hohen Hauses sicher sein sollte – bei aller politischer Diskussion. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht außer Frage, dass es mein und unser Interesse ist, Sie bestmöglich zu informieren. Deswegen sind nicht nur der Verteidigungsminister und der Finanzminister, sondern auch ich heute hier auf der Regierungsbank, um Ihnen im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage Rede und Antwort zu stehen. Wir haben das auch im Nationalen Sicherheitsrat so gehalten, und wir werden das weiterhin so halten.

Gerade wir sind an einem Maximum an Transparenz interessiert – natürlich mit der Einschränkung, dass vertrauliche Firmendaten als solche zu behandeln sind. Aber sofern es möglich ist, werde ich darauf dringen, dass zum Beispiel der in den nächsten Wochen zu verhandelnde Gegengeschäftsvertrag mit EADS veröffentlicht wird, über das Internet auf geeignete andere Art und Weise zugänglich sein wird, weil die Österreicherinnen und Österreicher wissen sollen, was da an Gegengeschäften machbar ist und wie das Ganze abgewickelt werden soll, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bevor ich als zuständiger Minister zum Thema Gegengeschäfte noch etwas ausführlicher Stellung nehme, möchte ich auf die Kindesweglegung zu sprechen kommen, die Kollege Grasser vorhin angesprochen hat.

Es war für mich ein bisschen enttäuschend, sehr geehrter Herr Abgeordneter Cap, dass Sie mit keinem Wort darauf eingegangen sind, was Herr Minister Grasser hier zitiert hat, nämlich die zuletzt glücklicherweise nicht unterschriebene Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2000. In dieser hatte sich die Sozialdemokratie – das war erst, Herr Abgeordneter Gaál, vor zwei Jahren und ein bisschen mehr, das ist also noch nicht so lange her; seither hat sich das sicherheitspolitische Bild in Europa nicht wirklich nachhaltig verändert – dazu bekannt, dass die Nachbeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen kostengünstig durchzuführen ist, dass aber der Ankauf rechtzeitig in dieser Legislaturperiode erfolgen soll.

Ich sage das deswegen hier noch einmal, weil ich vor einigen Tagen die Ehre hatte, mit Herrn Klubobmann Cap im Rahmen einer Fernsehdiskussion debattieren zu dürfen. Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Cap, haben sich dort relativ lässig von allem und jedem verabschiedet und gemeint – Herr Klubobmann, vielleicht könnten Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken! –, dass niemand mehr von damals in der SPÖ Verantwortung trägt.

Ich finde das recht bemerkenswert, denn schräg hinter Ihnen sitzt der damalige Finanzminister Edlinger. Im Nationalen Sicherheitsrat haben Sie Platz genommen neben dem damals und heute Verantwortung tragenden Parlamentspräsidenten Fischer. So sollte man sich also von seiner eigenen Vergangenheit nicht verabschieden, vor allem nicht, wenn das erst zwei Jahre zurückliegt. – Wir wissen, dass Herr Abgeordneter Ofner Recht hat, wenn er meint, das Gedächtnis in der Politik sei etwas Kurzzeitiges, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )

Wir waren damals dabei, und wir setzen das jetzt auch mit unserem Regierungspartner FPÖ in aller Konsequenz im Sinne der Österreicher, im Sinne der Sicherheit unseres Landes, im Sinne der Sicherheit unseres Luftraumes um, weil es notwendig ist und weil es nicht anders geht. (Abg. Dr. Kräuter: Von der steirischen ÖVP kommen Sie! Da hat es eine andere Linie gegeben!)

Es interessiert mich vor allem, welche Linie die steirische ÖVP und Frau Landeshauptmann Klasnic in den letzten Wochen und Monaten (Abg. Edler: Ach so?) zum Thema Ankauf moderner Luftraumüberwachungsflugzeuge hatten. Frau Landeshauptmann Klasnic steht mit der steirischen ÖVP, mit mir als stellvertretendem Landesparteiobmann ganz klar hinter dieser Sache, was man von Ihnen, Herr Kräuter, nicht behaupten kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun aber zu den Gegengeschäften: Das Thema Gegengeschäfte war in den letzten Wochen und bei den Diskussionen zwischen uns dreien, zwischen den Experten ein wesentliches Thema. Es war das nicht das alleinige Entscheidungskriterium, aber natürlich ein wesentliches Entscheidungskriterium zugunsten des "Eurofighters", zugunsten von EADS.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da wird uns ein Potential angeboten, das keinen Vergleich zu scheuen braucht. 5,5 Milliarden € beträgt die Summe der angebotenen Gegengeschäfte. Das ist deutlich mehr als die geforderten 200 Prozent und macht es sehr wahrschein-lich, dass im Rahmen des Gegengeschäftsvertrages die 200 Prozent als Untergrenze abzuschließen sein werden.

Herr Finanzminister Grasser hat, so glaube ich, schon darauf hingewiesen, welch hohen Stellenwert die sehr innovativen, wichtigen Industriebereiche wie Luft- und Raumfahrtechnik, die Verkehrs- und Automobiltechnik im Rahmen des Gegengeschäftsangebotes von EADS spielen. Die Glaubwürdigkeit dieses Gegengeschäftsangebotes ist auch besonders hoch, nicht weniger als 20 Memoranda of Understanding, nicht weniger als 20 Absichtserklärungen liegen jetzt schon vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz egal, ob das jetzt Herr Vorsitzender Gusenbauer oder Sie, Herr Abgeordneter Gaál, sind, muss ich Sie fragen: Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie, dass Wochen oder Monate, bevor der Kaufvertrag für die Flugzeuge überhaupt abgeschlossen ist, Verträge über diese Gegengeschäfte unterschrieben werden? – Das geht nicht, ist völlig unlogisch und würde dazu führen, dass Sie dann rechtens in der Lage wären, zu argumentieren, dass bereits abgeschlossene Geschäfte nicht auf das Gegengeschäftsvolumen angerechnet werden können. Sie müssen sich schon für eine schlüssige Argumentation entscheiden und dazu durchringen. Das, was Sie heute geboten haben, war alles andere als schlüssig, war alles andere als konsistent, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Edler: Den Sinneswandel hat die ÖVP gehabt!)

Sie haben aber auch, Herr Abgeordneter Gaál, kritisiert, dass der Mittelstand unter die Räder käme. Es ist interessant, dass ein Sozialdemokrat plötzlich pro Mittelstand und gegen die Großbetriebe argumentiert (Abg. Edler: Floskeln!), aber Minister Grasser und ich nehmen Ihren Gesinnungswandel gerne zur Kenntnis, er entspricht der heutigen Zeit.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wir werden ganz genau darauf achten, dass dem Mittelstand, dass den kleineren und mittleren Unternehmungen ein überproportionaler Stellenwert im Bereich der Gegengeschäfte eingeräumt wird. (Abg. Edler: Floskeln!) Bei den ÖBB werden wir dann schauen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Edler, aber jetzt reden wir einmal über den Mittelstand. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden darüber hinaus natürlich auch berücksichtigen, dass jedes Großunternehmen, das Aufträge abwickelt, Dutzende, oft Hunderte mittelständische Unternehmungen beschäftigt – als Zulieferer oder als Dienstleister. Auch das ist ganz klar, und das sieht man rund um die Automobil-Cluster in Österreich, ganz egal, ob in Wien-Aspern, in der Steiermark, in Oberösterreich oder sonstwo.

Ich freue mich auch besonders darüber, dass EADS in sehr innovative Bereiche einsteigt und Kofinanzierungen im Bereich von Venture Capital Funds angeboten hat; auch für Forschung sind Angebote vorhanden. Etwas, was im Mittelpunkt der Verhandlung des Gegengeschäftsvertrages der nächsten Wochen und Monate stehen wird, meine Damen und Herren, ist die konkrete Vereinbarung eines Starting Packages im Bereich der Gegengeschäfte, bei dem Sie, aber vor allem die Österreicher sehen werden, was zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses schon dingfest ist.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass ein Vertreter von EADS hier von 1 Milliarde € an sehr rasch abschließbarem Volumen gesprochen hat, dass bereits Projekte im Automobil-Bereich – Stichwort: Jeep Cherokee – und Projekte im Bereich der Luft- und Raumfahrt-Industrie in der


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Öffentlichkeit genannt wurden. Das wird von mir in den nächsten Wochen und Monaten zum Gegenstand der Gespräche mit EADS, die am 15. Juli beginnen, gemacht werden.

Herr Präsident! Wenn Sie mir einen Schlusssatz gestatten, dann sage ich noch, dass wir nebst größtmöglicher Transparenz natürlich auch ein vernünftiges Controlling, eine vernünftige begleitende Evaluierung sicherstellen werden. Ich freue mich mit Minister Grasser darüber, dass seitens des Wifo, seitens des IHS die Bereitschaft zu einem derartigen Controlling bekundet wurde – ein Controlling, das sich über viele Jahre erstrecken wird, weil wir wissen, dass sich die Gegengeschäftsabwicklung über einen Zeitraum von nicht weniger als 15 Jahren erstrecken wird (Zwischenruf des Abg. Edler ), sehr geehrter Herr Abgeordneter, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

17.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

17.12

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Entscheidung für den "Eurofighter" war eine vorausblickende Entscheidung unserer Bundesregierung, eine Entscheidung, die von einer verantwortungsvollen Regierung gefällt wurde, die das Beste für unser Land will und nicht nur bis zur nächsten Wahl denkt.

Es geht neben der Sicherheit für unser Land darum, durch die Gegengeschäfte bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, und zwar Arbeitsplätze für unsere Zukunft.

EADS ist ein multinationaler Konzern mit einem Verbund europäischer Großunternehmen. Die Möglichkeiten, die EADS der heimischen Wirtschaft bietet, sind auf lange Sicht beachtlich: Forschungskooperationen und die Stärkung der heimischen Flugzeugzulieferindustrie, die seit den Geschehnissen um den 11. September mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen hat, sind wichtige Beispiele dafür. Hunderte Arbeitsplätze in der Luftfahrtzulieferindustrie gingen bei uns in Österreich verloren, davon viele Frauenarbeitsplätze.

Herr Vorsitzender der SPÖ Gusenbauer! Sie haben sich bei Ihrem Besuch der FACC in Ried davon überzeugen können, und Ihnen wurde dort auch gesagt, dass es massive Probleme gibt und dass zu erwarten ist, dass man im Sinne der dortigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entscheidet. Aber Sie wollen davon nichts wissen, und das nehme ich Ihnen sehr übel. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Arbeitsplätze, die hier geschaffen werden beziehungsweise erhalten bleiben, sind für die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft sehr wesentlich. Meistens handelt es sich bei Angestellten in diesem Bereich um Experten, die beachtliches Know-how haben. Diese Experten sichern dem ressourcenarmen Österreich eine wichtige Kompetenz: hervorragend ausgebildetes Personal, hohe Qualität und innovative Produkte.

Wenn Sie immer wieder von den Kompensationsgeschäften sprechen und Magna in den Mund nehmen, so möchte ich schon sagen, dass sicher auch Androsch seine Freude damit haben wird. Androsch, das wissen wir, war Vizekanzler der SPÖ und auch Finanzminister.

Die Dringliche Anfrage der SPÖ ist voll von Argumenten, die mit der Beschaffung überhaupt nichts zu tun haben. Sie strotzt von populistischen Äußerungen und dient nur dazu, der Be-völkerung bewusst falsche Tatsachen vorzutäuschen.

Ein souveräner Staat ist verpflichtet, seinen Luftraum zu schützen. Das war übrigens auch lange Zeit die Meinung der SPÖ, die eine Anschaffung immer befürwortet hat. Jetzt, in der Opposition, hat sie ihre alte Überzeugung wie vieles andere über Bord geworfen, nur um populistisch zu sein und nur um justament ihren Standpunkt durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass es nur eine künstliche Aufregung auch von Ihnen, Herr Abgeordneter Gaál, war, die Sie hier heute an den Tag gelegt haben. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Wenn heute behauptet wird, man brauche keine Luftraumüberwachung, dann möchte ich doch an die Zeit des Balkankrieges erinnern, als die österreichische Bevölkerung sehr wohl sehr froh war, österreichische Abfangjäger an den Grenzen zu sehen. Ein ungeschützter Luftraum ist für alle potentiellen Aggressoren – das müssen nicht immer Staaten sein – eine willkommene Einladung. Nach den Ereignissen des 11. September wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Großkonferenzen oder Großereignisse wie zum Beispiel eine Fußball-Europameisterschaft – die Bewerbung dafür haben wir alle gemeinsam gestern beschlossen – bedürfen eines besonderen Schutzes.

Durch Gegengeschäfte, meine sehr geschätzten Damen und Herren, werden viele österreichische Firmen enorm profitieren. Ich nenne als Beispiele nur einige Firmen in Oberösterreich: FACC-Fischer in Ried, GFM Steyr, WFC Linz, die Firma Palfinger in Lengau, die AMST in Ranshofen. Meine Damen und Herren! All das sind österreichische Unternehmen, die von diesem Geschäft profitieren können, und letzten Endes dient das unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. (Beifall bei der ÖVP.)

Schon frühere militärische Beschaffungen erwiesen sich als Gewinn für die österreichische Wirtschaft. Wenn die Opposition behauptet, das würde der Wirtschaft nichts bringen, möchte ich den Ankauf des "Black Hawk", des Großraumhubschraubers, als Beispiel anführen. Die Firma FACC-Ried hat durch die Triebwerks-Komponenten für Pratt and Whitney mit einem Auftragsvolumen von zirka 7 Millionen € gepunktet. Das kommt unserer klein- und mittelständischen Wirtschaft sehr wohl zugute. Herr Abgeordneter Gaál, Sie haben das hier auch vorgebracht.

In diesem Sinne, meine sehr geschätzten Damen und Herren, kann man diese Entscheidung für den "Eurofighter" sehr wohl sehr befürworten. (Beifall bei der ÖVP.)

17.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

17.17

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Eine österreichische Gemeinde entschließt sich, zu beträchtlichen Kosten für ihre freiwillige Feuerwehr einen Tankwagen anzuschaffen, um – sagen wir einmal – 300 000 €. Gott sei Dank brennt es in den kommenden Jahren nur ein einziges Mal, und ein Stadel im Wert von 30 000 € kann vom Tankwagen dann gelöscht werden. (Abg. Gradwohl: Warum löscht die Feuerwehr nicht mit Raketen?)

Außerdem geht die freiwillige Feuerwehr neun Mal auf Übungseinsatz. Ist es nun sinnvoll, die Anschaffungskosten dieses Tankwagens durch diese insgesamt zehn Einsätze zu dividieren und zu sagen: Damit zeigt sich, dass der Tankwagen nie hätte angeschafft werden dürfen!, oder überhaupt durch den einen ernsthaften Einsatz zu dividieren? – Sie werden sagen: Diese Überlegung ist völlig absurd, sie findet sich jedoch genau so in der Dringlichen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei, die die Anschaffungskosten des "Eurofighters" durch die Zahl der erwarteten Einsätze dividiert. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Ich gehe noch einen Schritt weiter, ich sage: An sich wäre es wünschenswert, wenn der Tankwagen überhaupt nie ausrücken müsste und wenn die "Eurofighter" auch kein einziges Mal tatsächlich zum Einsatz kommen müssten. – Wodurch dividieren wir dann? – Wenn Sie das für absurd ansehen, dann darf ich Sie doch auf das Beispiel der Schweiz verweisen, die 154 Kampfflugzeuge hat, die meines Wissens noch nie zum Einsatz gekommen sind: Durch Null zu dividieren, führt zu Kosten von unendlich – so weit habe ich Mathematik gelernt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Dabei müssen wir doch in aller Nüchternheit feststellen, dass sich die flächenmäßig und bevölkerungsmäßig kleinere Schweiz in einer weit günstigeren geopolitischen Lage befindet als Österreich.

Vor kurzem hat Klaus Emmerich in einem Leitartikel mit dem Titel "Abfangjäger Zeman" geschrieben: Tschechien hat 110 Kampfflugzeuge. Wollen wir durch einen Verzicht auf eigene Kampfflugzeuge – Kriegsmaterial, wie es genannt wird – vielleicht dann im Ernstfall – bitte, Zeman ist es nicht mehr – die jeweilige tschechische Regierung bitten, unseren Luftraum mit ihren 110 Kampfflugzeugen zu schützen? Ist das wirklich das, was Sie wünschen? – Ich bin sicher, dass die österreichische Bevölkerung diesem Wunsch nicht beitreten würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Definieren Sie Ernstfall, Herr Professor! Was ist ein Ernstfall?)

Noch ein Zweites: In Ihrer Dringlichen Anfrage befindet sich ein "hübscher" Satz, demzufolge sich die blau-schwarze Regierung durch die Ablehnung eines Vorschlags auf Volksabstimmung der Diskussion mit der österreichischen Bevölkerung entzieht und damit versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Hohes Haus! Damit hat man offenbar das Grundprinzip einer repräsentativen Demokratie nicht verstanden. Grundprinzip einer repräsentativen Demokratie ist es, dass das Volk Abgeordnete wählt, die die Pflicht und Schuldigkeit haben, sich mit komplexen Materien wesentlich gründlicher auseinander zu setzen, als dies der großen Masse der Bevölkerung zumutbar ist, und dann vertretend für die Bevölkerung in Sachfragen Mehrheitsentscheidungen zu treffen. Es wäre ein Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen, wenn man in einer bloß administrativen Frage, in einer Frage der Vollziehung die Verantwortung auf jene zurück abschöbe, die einem diese Verantwortung übertragen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein selbstverständliches Ja zu Volksabstimmungen von grundsätzlicher Art wie etwa Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, aber ein klares Nein zu einer Rückverweisung und einem Abschieben von Verantwortung aus der eigenen Ingerenz .

Ein abschließender Satz noch, bereits mehrfach von Bundesministern und anderen zum Ausdruck gebracht: Herr Dr. Gusenbauer! Es steht Ihnen nicht gut an, Minister Grasser Gesinnungswandel vorzuwerfen. Vor zwei Jahren noch hat Ihre Partei – den Grünen konzediere ich, dass sie immer eine gerade Linie vertreten haben – ohne Wenn und Aber ein eindeutiges Ja zu den Abfangjägern gesagt. In diesen zwei Jahren hat sich die geopolitische Makrosituation in keiner Weise wesentlich verändert. Was sich verändert hat, ist, dass Sie heute nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen, sondern auf jener der Opposition. Was Sie damals für staatsmännisch richtig befunden haben, ist nunmehr bei Ihnen zum reinen Populismus degradiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Restliche Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.23

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Phase der Debatte ist es sicherlich einmal interessant, sich mit den genannten Argumenten der Regierung auseinander zu setzen. Fangen wir dabei an, dass das Hauptdiskussionsthema, wenn man mit Menschen, mit ganz einfachen Bürgerinnen und Bürgern spricht, jenes ist, dass diese einen voll Sorge darauf ansprechen, was denn da von dieser Regierung beschlossen wird. Der Fall Gaugg und die Abfangjäger sind derzeit die dominierenden Themen, mit denen man konfrontiert wird, wenn man mit Menschen im Zug oder anderswo ins Gespräch kommt. (Abg. Böhacker: Die haben ganz andere Sorgen!)

Jetzt haben wir als erstes Argument zweier Minister gehört, dass man das Geld doch nicht gegeneinander aufrechnen könne, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Sparpolitik der Regierung – zum Beispiel im Sozialbereich – und dem Ankauf von Abfangjägern gäbe. Meine Damen und Herren! Das kann es doch wohl nicht sein! (Beifall bei den Grünen.)


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Es ist absolut unglaubwürdig, dass Gelder, die aus demselben Budget kommen, dass Anschaffungen, die aus demselben Budget bezahlt werden müssen, nicht miteinander in Zusammenhang stehen. Wenn Sie sich in einer Familie auf der einen Seite ein Haus kaufen, können Sie sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren kein Auto leisten. Genauso wird es eben auch in einem Budget aussehen – außer, meine Herren Minister, Sie gewinnen das Geld im Lotto, Sie erhalten es von irgendjemandem geschenkt oder sonst etwas. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. ) Jedenfalls ist es notwendig, richtig und wichtig, hier in diesem Haus darüber zu diskutieren – denn das ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung –, wofür Geld eingesetzt wird. Meine Damen und Herren! Das haben Sie verweigert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sagen, man solle nicht verschiedene Dinge gegeneinander aufrechnen, denn Sozialausgaben würden nicht deswegen gesenkt, weil man Abfangjäger kauft, sondern man habe das wegen des Nulldefizits gemacht. Dann aber wird Ihr Argument, Herr Minister, noch viel unsinniger: Wenn Sie auf das Nulldefizit, auf Ihre Sparpolitik bestehen und dafür schmerzhafte selektive Eingriffe bei den Ärmsten unserer Gesellschaft vornehmen, dann können Sie nicht – das ist einfach nicht mehr nachvollziehbar – auf der anderen Seite Geld für Kriegsgerät ausgeben. Das, meine Damen und Herren, versteht kein Mensch, mit dem man spricht, der nicht ein Militärfan oder ein Waffenfan ist. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Herr Minister! Eines muss ich Ihnen schon sagen: Jetzt neuerlich – das hat ein Abgeordneter von der ÖVP auch noch gemacht – zur Rechtfertigung der Abfangjäger wieder die Katastrophe von Galtür heranzuziehen, ist nicht anständig! Das ist eine unanständige Vorgangsweise, das kann man nicht machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Verwandten der Opfer werden sich bei Ihnen bedanken, wenn sie auf diese Art und Weise in diese Debatte hineingezogen werden. (Abg. Murauer: Aber das ist nicht unrichtig! Ist das unrichtig?)

Herr Scheibner! Sie haben im Lauf der Debatte neben meiner lieben Kollegin aus Tirol von der ÖVP auch die Maske abgenommen. Es geht gar nicht darum, Abfangjäger in einem früheren Verständnis, in einem alten Verständnis, wie wir das früher gewohnt waren, zu besorgen, sondern es geht de facto um Kampfgerät. Wenn meine liebe Kollegin aus Tirol sagt, es sollten zwei Fliegerstaffeln geschickt werden, anstatt geschulte Menschen in Friedenseinsätze zu entsenden, um so unseren Auftrag zur Friedenssicherung auf der Welt wahrzunehmen, dann möchte ich Ihnen allen, meine Damen und Herren, erstens sofort das Neutralitätsgesetz überreichen, Sie zweitens an die Verfassung erinnern und Sie drittens auf Ihre Scheinheiligkeit in Bezug auf die NATO und die Sicherheitsdebatte in Europa hinweisen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Scheibner: Artikel 23f!) – Wir sprechen von oberen und unteren Petersberger Aufgaben. Darüber haben wir schon einige Diskussionen geführt. (Bundesminister Scheibner: Artikel 23f, Frau Kollegin!)

Zum Schluss zu den obskuren Gegengeschäften, die natürlich das Spannendste aller Themen sind. Nachdem ich mir jetzt das Ganze angehört habe, komme ich zu folgendem Schluss: Entweder sind diese Gegengeschäfte solche, die ohne den Abfangjägerkauf auch zustande gekommen wären, weil unsere Wirtschaft so gut ist – das wäre für mich nachvollziehbar, weil ich einige der Firmen, die genannt worden sind, kenne –, dann wären diese aber unrechtmäßig zugerechnet, oder aber es handelt sich um einen fadenscheinigen Ausverkauf, dann ist das auch nicht im Sinne einer langfristigen Wirtschaftsentwicklung, oder aber es handelt sich um eine selektive Begünstigung ganz bestimmter Firmen, wie es heute in einigen Wortmeldungen – ich nenne nur den Magna-Konzern – bisher angeklungen ist. Über den Jungunternehmer Rumpold, der ganz zufällig in diesem Geschäft auch noch eine Rolle spielen dürfte, möchte ich jetzt gar nicht mehr lange diskutieren.

Weil all das so unklar ist, meine Damen und Herren, richte ich erneut meine Aufforderung an Sie: Geben Sie den Weg frei für eine Volksabstimmung!

Deswegen bringe ich zum Abschluss folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pilz, Kogler, Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Bundesverfassungsgesetz vorzulegen, demzufolge

1. der Ankauf sowie die Produktion von Kampfflugzeugen, Abfangjägern oder Luftraumüberwachungsflugzeugen oder von Teilen derselben zur Verwendung im Rahmen der umfassenden Landesverteidigung der Republik Österreich einer bundesgesetzlichen Ermächtigung bedarf

2. über derartige bundesgesetzliche Ermächtigungen im Sinne des Pkt. 1 zwingend eine Volksabstimmung durchzuführen ist.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Rudi "Sieg Heil!"-Edlinger!)

17.30

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich habe in den letzten Wochen die Debatte mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt, und zwar unter dem Motto: der Kampf des Finanzministers (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie lieber: "Mein Kampf"!) gegen die Flugzeuglobby. (Abg. Ing. Westenthaler: Rudi Edlinger: "Mein Kampf"!) Fast emotionale Zuneigung hat mich erfasst, Herr Finanzminister Grasser (Abg. Ing. Westenthaler: "Sieg Heil!"-Edlinger!), weil ich mich in der Tat wie niemand in diesem Hause in Ihre Rolle hineinfühlen kann.

Ich habe hier schon einmal die Gelegenheit gehabt, über die emotionale Situation eines Finanzministers zu reden und Ihnen, Herr Finanzminister, einige von Ihnen nicht erbetene, aber von mir gut gemeinte Ratschläge zu geben. Damals habe ich Ihnen gesagt: Gefährlicher als Ihre politischen Gegner können Ihre politischen Freunde sein!

Sehr geehrter Herr Finanzminister! Ich erinnere mich noch, wie Sie bei der Pressekonferenz gesessen sind: Sie waren von einer Emotionalität erfasst, die der Spiegel Ihres Innenlebens war. Man könnte sagen: Das war der einsame Kampf des Finanzministers, den er verloren hat.

Ich möchte in aller Deutlichkeit, bevor ich ein paar Argumente vorbringe, noch auf Folgendes hinweisen: Als Beweis für das Argument, dass auch die SPÖ für Abfangjäger gewesen wäre, wurde von Herrn Minister Bartenstein das Dokument, das zwischen SPÖ und ÖVP vor zwei Jahren ausgearbeitet wurde, herangezogen. In der Tat war es so, dass wir bei den Regierungsverhandlungen darüber gesprochen haben.

Sehr geehrter Herr Dr. Bartenstein! Wenn Sie sich nur noch ein bisschen daran erinnern, dann werden Sie wissen, dass wir fast drei Tage lang über eine einzige Formulierung gestritten haben, und zwar eine Formulierung, die ich verlangt habe. Diese Formulierung haben Sie uns heute unterschlagen, aber der Herr Finanzminister hat sie richtigerweise vorgelesen. Sie lautete, dass dies nur "im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets" erfolgen solle.


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Nur
unter diesem Aspekt hätte es, weil es ein Herzenswunsch der Volkspartei war, die Zustimmung der Sozialdemokraten für den Ankauf der Abfangjäger gegeben, und zwar sollte dies, wie gesagt, nur "im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets" erfolgen. Dass dieser Rahmen heute nicht gegeben ist, das ist von Ihnen, sehr geehrter Herr Finanzminister, mehr als einmal belegt worden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich hatte bis vor wenigen Tagen eigentlich die Hoffnung, dass diese Bundesregierung bei der Anschaffung der Abfangjäger zumindest das Prinzip der Sparsamkeit anwenden wird. Jetzt wissen wir, dass die gewaltige Summe, die für den Ankauf der Abfangjäger benötigt wird und die vorige Woche kolportiert wurde, sogar falsch ist. Ich bin mir nicht sicher, wie ich das verstehen soll. Es wurde nämlich mehrfach gesagt, um 5,5 Milliarden € gebe es Gegengeschäfte. 5,5 Milliarden € und die 200 Prozent – ich hege zumindest den Verdacht, dass Sie schon damals von den 2,4 oder 2,5 Milliarden € ausgegangen sind, die die Anschaffung der Abfangjäger wirklich kostet, und erst viel später nachvollzogen haben, dass das mit Ihrer ursprünglichen Kostenschätzung nicht zusammenpasst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer soll das bezahlen? – Seit wenigen Tagen wissen wir – Herr Finanzminister Mag. Grasser hat es nämlich in sehr großer Offenheit und in ehrlicher Weise in einem Interview mit "NEWS" gesagt –, warum Finanzminister Grasser für den "Eurofighter" stimmte und wo er jetzt sparen muss. Er sagte, um die "Eurofighter" kaufen zu können, müssten wir unter anderem auch bei den Pensionen sparen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist genau das, was ich Ihnen vorwerfe! Es hat alles eine bestimmte Priorität, aber in der Prioritätensetzung unterscheiden wir uns voneinan-der: Wir wollen, dass die Menschen in unserem Lande ein sozial gerechtes Einkommen haben, dass die Pensionen gesichert werden. – Sie jedoch streichen die Pensionen! Sie haben gesagt, die Sozialleistungen würden steigen. – Ich sage: Wir haben die geringste Einkommensent-wicklung, und da zählen die Transfers dazu. Ihre Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, lautet: Abfangjäger und geringste Einkommensentwicklung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ihre Politik lautet: Abfangjäger und Pensionskürzungen! Ihre Politik lautet: Abfangjäger, aber keine sonstigen wirtschaftlichen Impulse! Infolgedessen haben wir heute das zweitgeringste Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union.

Sie haben eine falsche Prioritätensetzung! Sie wollen Prestigeankäufe! Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben sich – heute sitzen Sie ja zwischen den beiden Ministern Scheibner und Bartenstein, damit Sie ihnen nicht auskommen – nicht durchgesetzt! Sie sind in Wahrheit der Umfaller dieser Bundesregierung! Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Finanzminister! Sie machen großspurige Ankündigungen und unternehmen kleinlaute Erklärungsversuche. Die Budgetsanierung erfolge ausgabenseitig, haben Sie gesagt. In Wirklichkeit haben wir in Österreich die höchste Steuerquote in der Geschichte unseres Landes. Ein-kommen bis 30 000 S sind von Ihren Maßnahmen nicht betroffen. In Wirklichkeit erfolgen Sozialabbau und Sozialdemontage. Statt Nulldefizit gibt es neue Schulden. Das ist die Politik, die Sie machen!

Eines war wirklich "köstlich", nämlich wie großspurig Sie Ihre Tafel "Der Weg zum Nulldefizit" auf der Kärntner Straße montiert haben und wie kleinlaut Sie diese Tafel wieder abmontiert haben. Das sollte man den Österreichern sagen, denn das ist die Strategie Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.36

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Edlinger hat mich herausgefordert, ihm zu antworten.


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Stenographisches Protokoll
110. Sitzung / Seite 160

Meine Damen und Herren! Ich habe als Mitglied des Verhandlungsteams viele Wochen und Monate mit den Sozialdemokraten eine Koalition verhandelt, die nicht zustande gekommen ist. Und heute können Sie alle, meine Damen und Herren, nachvollziehen, warum eine solche Koalition mit den Sozialdemokraten nicht mehr zustande kommen konnte. Sie müssen nämlich Folgendes wissen: Mit uns einen Abfangjägerkauf zu vereinbaren – auf Seite 19 des nicht zustande gekommenen Regierungsübereinkommens – und in vier Zeilen zu sagen: Wir werden das machen, wir werden gemeinsam die kostengünstigste Variante finden, und das wird "ohne zusätzliche Belastung für das Budget des Bundesministeriums für Landesverteidigung" vor sich gehen!, das ist genau das, was wir derzeit machen.

Nur: Mich hat bereits stutzig gemacht, als in der "Pressestunde" am letzten Sonntag Präsident Fischer, Stellvertretender Parteiobmann, Mitglied des Verhandlungsteams, gesagt hat: Ja, ja, wir haben schon gesagt, wir sind für Abfangjäger, aber haben Sie nicht den Satz gelesen, dies solle nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten erfolgen?

Das, meine Damen und Herren, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus und bestätigt alles, was wir gewusst haben, nachdem im Parteivorstand der SPÖ das Abkommen angenommen wurde und hinterher Nürnberger seine Unterschrift nicht geleistet hat. Das war nämlich der Stil der Zusammenarbeit der zu Ende gehenden großen Koalition (Abg. Dr. Lichtenberger: Das war der Stil der ÖVP!): mit gekreuzten Fingern unter dem Tisch, nach dem Motto: Damit ihr die Regierungsvereinbarung unterschreibt, sagen wir, wir seien für Abfangjäger, aber wenn es dann so weit ist, dann haben wir kein Geld!

Genauso war es! Das war der Kreuzweg, den ich mit Kollegen Kostelka gegangen bin. Wir hatten unterschriebene Vereinbarungen, aber leider ist es dann nicht gegangen. Ich möchte nicht sagen, dass das Rosstäuschertricks waren, denn dafür würde ich einen Ordnungsruf bekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage das ganz bewusst nicht. Aber der neue Stil der Koalition ist "pacta sunt servanda". "Neu Regieren" heißt: Wir stehen zu dem, was wir vereinbart haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.39

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Worte möchte ich in erster Linie an die Vertreter der Sozialdemokratie und an die Grünen gerichtet wissen, denen ich Folgendes sagen möchte: "Die Verpflichtung zur Luftraumüberwachung ergibt sich zwingend aus den Rechtspflichten der dauernden Neutralität", also aus unseren Pflichten, die mit der dauernden Neutralität in Zusammenhang stehen. (Abg. Öllinger: Nein!) "Diese Konstruktion war auch seinerzeit mit ein Motiv für die vier Großmächte, der Zuerkennung der vollen Souveränität an Österreich zuzustimmen."

"Wer also konsequent sein will, der muss die Luftraumüberwachung und -sicherung als integrierten Bestandteil der österreichischen Sicherheitspolitik verstehen und akzeptieren, wenn ihm an einem unabhängigen neutralen Österreich liegt. Die Bereitschaft zum Schutz unserer Heimat kann nicht ein paar Meter über dem Erdboden enden." (Abg. Öllinger: Wir fordern Ma-rine-U-Boote!)

"Wer die Souveränität und die Neutralität unserer Republik zum Gegenstand von Experimenten machen will, der soll dies mit offenem Visier verlangen. Über das Hintertürl" des Populismus soll das nicht gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen und von der SPÖ!

Deshalb müssen die 24 Maschinen aus neutralitätspolitischen Gründen gekauft werden, die alten sind nämlich "ausgeflogen", meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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110. Sitzung / Seite 161

Weil Sie sich so große Sorgen um die Finanzierung machen: Die internationalen Kompensationsgeschäfte machen es möglich, dass diese Flieger praktisch nichts kosten. (Ironische Hei-terkeit und anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Auf genau diese Ihre Reaktion habe ich gewartet! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von den Grünen! Kein einziges Wort, das ich hier gesagt habe, stammt von mir! All das sind Zitate aus den Stenographischen Protokollen von Reden, die hier in diesem Hohen Haus gehalten wurden. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich zu Wort gemeldet in dieser Debatte ein Dr. Preiß, SPÖ. Es hat sich zu Wort gemeldet in dieser Debatte ein Ing. Ressel, SPÖ. Dass die 24 Flieger "ausgeflogen" sind und deshalb neue angeschafft werden müssen, verlangte der normalerweise hier sitzende Ex-Juso Schieder: Schieder besänftigte Jusos, aber Abfangjäger werden gekauft. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worüber Sie besonders gelacht haben, das war der Beschluss des SPÖ-Vorstandes (neuerliche ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), über den berichtet wurde und wo es geheißen hat: Warum regt ihr euch denn auf, das kostet doch nichts, das ist doch auf Grund der Gegengeschäfte alles umsonst! (Ironische Hei-terkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist peinlich! Ich habe euch ja nur aufzupassen angeschafft.

Zu guter Letzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich noch das richtig stellen, was Herr Präsident Fischer am Sonntag gesagt hat. Er hat am Sonntag wahrscheinlich nicht mehr gewusst, was er damals ausverhandelt hat, nicht gewusst, was er vor dieser Regierungsbildung, als er noch darauf gehofft hat, selbst Angehöriger einer Regierungspartei zu sein, ausverhandelt hat. Damals hat er folgenden Satz mit ausverhandelt:

"Die Entscheidung" ... (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Nein, das ist ein neuer, aber er hat da etwas Einschränkendes eingefügt, und das stimmt einfach nicht. – Präsident Fischer hat am Sonntag nachweislich die Unwahrheit gesagt.

Der ausverhandelte Satz lautet: "Die Entscheidung über den Ankauf eines neuen Luftraumüber-wachungsflugzeuges ist fixiert sowie die Refundierung von Assistenz- und Auslandseinsätzen beschlossen."– Zitatende.

Das steht so da, und zwar ohne die Worte "nach Maßgabe" oder sonst irgendetwas, was er ver-sucht hat, da als Einschränkung einzufügen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Pepi, bleib besser drinnen und geh nicht hier heraus, denn das sagt mehr als alles, was du noch zu sagen hast! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich tue mich da besonders leicht, denn ich war immer gegen den Ankauf von Abfangjägern. Ich habe sie immer für unfinanzierbar und für militärisch unsinnig gehalten. (Abg. Ing. Westenthaler: Du hast dich aber nie durchgesetzt!) Aber eines ist heute zusammengebrochen: die Schuldenlüge der beiden Koalitionsparteien gegenüber den Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Lüge ist heute zusammengebrochen, denn wenn Klubobmann Khol hier extra ans Rednerpult getreten ist, um zu beweisen, dass der ÖVP damals bei den Koalitionsverhandlungen


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110. Sitzung / Seite 162

mit der SPÖ die Auswirkungen auf das Budget gleichgültig waren, dann hat er das bestätigt, was wir immer schon gewusst haben, nämlich dass die Oberschuldenmacher der damaligen Koalition in den ÖVP-Ministerien gesessen sind (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), dass in Wirklichkeit Sie bei den Koalitionsverhandlungen gesagt haben: Abfangjäger um jeden Preis!

Es war Ihnen also gleichgültig, welche Auswirkungen das auf das Budget hat. Das muss hier einmal mit aller Deutlichkeit festgestellt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Der damalige Finanzminister Edlinger hat gesagt – und dadurch kam das in diese Koalitionsverhandlungen überhaupt erst hinein –, dass es im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets erfolgen müsse. Man muss sich einmal vorstellen: Damals hat es Auseinandersetzungen gegeben, die fast bis zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen geführt haben, weil die Sozial-demokraten und an der Spitze ihr Finanzminister gesagt haben, wenn schon Abfangjäger gekauft werden sollen, dann könne das nur im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets erfolgen. (Abg. Dr. Khol: Ja!) Aber die ÖVP hat die ganze Zeit über die Position vertreten: Abfangjäger um jeden Preis! Als dann die Koalitionsverhandlungen gescheitert sind, hat sich die ÖVP hingestellt und hat gesagt: Die Oberschuldenmacher waren die Sozialdemokraten! (Abg. Dr. Khol: Ja!) Der Oberschuldenmacher war der Finanzminister! (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das, meine Damen und Herren, ist die Schuldenlüge! Mich freut es, dass Sie dazu applaudie-ren, dass die Schuldenlüge von Ihnen heute zusammengebrochen ist. – Jetzt bitte Applaus! (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich noch bekannt, dass die beiden Präsidenten Dr. Fischer und Dr. Fasslabend an der Abstimmung nicht teilnehmen können, weil sie gerade am Empfang des chinesischen Außenministers teilnehmen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kompensationsgeschäfte beim Ankauf von Ab-fangjägern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Volksabstimmung über den Ankauf von Abfangjägern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun zur Kurzdebatte betreffend den Antrag des Abgeordneten Dr. Cap, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Fünfundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft eine Frist bis 18. September 2002 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.


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110. Sitzung / Seite 163

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung des Antrages über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

17.48

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! An sich war es bis jetzt Routine, über die Berichte der Volksanwaltschaft zu diskutieren. Wir haben uns entschlossen, zu dieser Praxis, und zwar betreffend den Fünfundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft, eine Fristsetzung zu beantragen; es soll eine Frist bis 18. September gesetzt werden, denn irgendwie ist es jetzt nicht mehr Routine, und zwar ist das so seit dem Moment, seit dem einer der drei Volksanwälte, nämlich Ewald Stadler, für eine wirklich gravierende Politisierung seines Amtsverständnisses und auch des Amtes und der Funktion der Volksanwälte verantwortlich ist.

Wie Sie wissen, gibt es heute eine Erklärung von zwei Volksanwälten zu diesem Amtsverständnis des Herrn Ewald Stadler, und zwar von den Volksanwälten Kostelka und Bauer, in welcher diese Kritik üben und anmerken, dass die öffentliche Auswirkung der Tätigkeiten und der Aussprüche von Ewald Stadler, die er in der letzten Zeit gemacht hat, dem Amt der Volksanwaltschaft Schaden zufügt. Das kann doch wohl nicht der Zweck dessen sein! (Abg. Dr. Martin Graf: Der "überparteiliche" Kostelka!)

Weil Sie gerade einen Zwischenruf in Zusammenhang mit dem Begriff "Partei" machen, darf ich Ihnen sagen: Der "gute" Ewald Stadler ist von diesen drei Volksanwälten der einzige, der eine Parteifunktion hat, und er ist auch derjenige, der sogar als Spitzenkandidat der niederösterreichischen FPÖ im Gespräch ist. Das sollte man schon auch einmal beachten, und man sollte wirklich fragen, ob nicht auch das in Wirklichkeit bereits eine politische Unvereinbarkeit darstellt. Das muss hier einmal festgestellt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wirft aber auch die Frage auf, inwieweit Volksanwalt Ewald Stadler dieses Amt des Volks-anwaltes für seine parteipolitische Tätigkeit im Rahmen der niederösterreichischen FPÖ einsetzt. Das alles ist aber letztendlich nicht Aufgabe der Volksanwaltschaft.

Ich glaube, wir sollten aber heute hier auch den Ausspruch reflektieren, den Ewald Stadler bei der Sonnwendfeier in Seebarn. getätigt hat. Ich zitiere – Originalton Ewald Stadler –:

"Und 1945 – und das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden und in die nächste Tyrannei geraten, insbesondere hier auf diesem Boden, auf dem wir uns heute befinden."

Wir wissen, auf dem Boden, auf dem er gesprochen hat, war die ehemalige sowjetische Besatzungszone. (Abg. Dr. Martin Graf: Woher wissen Sie das?) Er hat aber gesagt: "insbesondere". Das heißt, für ihn gab es in Wirklichkeit nicht nur in der sowjetischen Besatzungszone eine Art "nächster Tyrannei", sondern auch in den Besatzungszonen aller anderen Alliierten. Davon sind im Übrigen – das sei hier angemerkt – zwei Länder Mitgliedsländer der Europäischen Union.

Man darf eines nicht vergessen: dass sich ein Repräsentant der Republik, ein Volksanwalt, so über die Signatarmächte des Staatsvertrages geäußert hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Was sagen Sie zu Vietnam?) Dazu muss ich sagen: Das ist eine beispiellose Entgleisung und ist auch der Bruch mit dem Grundkonsens der Zweiten Republik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man muss einmal durchlesen, was in einer APA-Meldung vom 6. Juli steht, und zwar geht es hier darum, inwieweit diese Aussage von den Botschaftskreisen und von den Diplomaten in Österreich reflektiert wird. Der Titel lautet:


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110. Sitzung / Seite 164

"Perplexität in Botschaftskreisen – ,Beweis für Richtigkeit der Sanktionen‘? ,Vielsagendes Schweigen‘ der Regierungsspitzen".

Ich zitiere kurz: "Jedenfalls wäre es ,einfältig‘ zu glauben, dass sich ,ein Skandal von solchem Ausmaß‘ nicht negativ auf die Beziehungen zu den Alliierten auswirken würde, deren Armeen Österreich 1945 befreit haben und von denen zwei heute EU-Partnerländer sind, ..."

Und dann werden Fragen aufgeworfen wie zum Beispiel: "Dass die Besetzung (durch die Alliierten 1945 bis 1955) nicht ausgereicht hat, um alle Relikte einer unmenschlichen Ideologie zu beseitigen?" – Das fragen sich die Repräsentanten in den Botschafterkreisen, die von der APA zitiert werden.

Oder: "Dass die österreichische Argumentationslinie für die Erlangung des Staatsvertrages nur ein dreister Schwindel war?", fragen sich hier Personen und Diplomaten in den Botschafterkreisen.

Weiters: "Dass es 1945 als unabhängiger Staat wiedererrichtet worden ist, verdankt es dem Willen der Alliierten."

Und weiter: "Man müsse sich doch fragen, ob es dem Volksanwalt, der die Kapitulation Nazi-Deutschlands betrauere, etwa darum gehe, in Erinnerung zu rufen, dass ,der österreichische Beitrag zur eigenen Befreiung ein wohl eher bescheidener war‘." – Diesen Hinweis haben wir notwendig gehabt. – "Oder wolle er unbedingt wieder darauf aufmerksam machen, dass ,seine heute an der Regierung beteiligte Partei eine Schöpfung von ehemaligen Nationalsozialisten und von Deutschnationalen ist‘?"

Das ist ein Zitat aus der Austria Presse Agentur vom 6. Juli, in der Stimmen österreichischer Botschafter, Diplomaten vor allem der Signatarmächte zitiert werden, die den Staatsvertrag abgeschlossen haben und ganz entscheidend waren dafür, dass es heute die Demokratie, die Republik gibt. Und wir sollten eines nicht vergessen: Schon 1945 hat es die ersten demokratischen Wahlen gegeben. Man kann also nicht so tun, als hätte es nach der Tyrannei der Nazidiktatur von 1938 bis 1945 – und das wird mit dem Ausspruch Stadlers letztlich insinuiert – im Wesentlichen auch eine Tyrannei von 1945 bis 1955 in Österreich gegeben. Diese Umschreibung der Geschichte muss schärfstens verurteilt werden, und dazu ist auch der Nationalrat gefordert! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das, was ich nicht verstehe, ist, warum es so lange gedauert hat, bis es dazu auch Meinungsäußerungen aus der Bundesregierung gegeben hat, warum es so lange gedauert hat, bis sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dazu geäußert hat. Das ist mir unverständlich, denn hier geht es um diesen Grundkonsens der Zweiten Republik. Es gibt viele, auch aus der ÖVP, einer Gründerpartei der Zweiten Republik, die sich noch erinnern können, es gibt noch viele, die Verwandte oder Bekannte hatten, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten waren. Es gab die berühmte Lagerstraße in diesen Konzentrationslagern, wo Sozialdemokraten und Christlich-Soziale angehalten waren, Leid erdulden mussten und unterdrückt waren – sie haben sich nach 1945 geschworen, dass es nie wieder zu dieser Entwicklung kommen darf.

Daher kann es nicht so sein, dass wir diese Schwellenverschiebung einfach hinnehmen. Darum habe ich auch nicht verstanden, wieso es gestern hier im Haus diese Auseinandersetzung gegeben hat, als es darum gegangen ist, dass ein Dringlicher Antrag gestellt werden kann, der auch die Bundesregierung dazu verpflichtet, dass sie zu diesen Äußerungen Ewald Stadlers Stellung bezieht und diese klar verurteilt. Die Bundesregierung wird Handlungsbedarf bekommen, denn sie wird, wie ich hier zitiert habe, von den Botschaftern wichtiger Länder, vor allem auch aus der EU, darauf angesprochen werden. Sie werden das nicht hinnehmen, und daher wird die Bundesregierung als Organ zu handeln haben. Und dann verschanzen sich die Klubobleute Khol und Westenthaler hinter einer Geschäftsordnungsdebatte! (Abg. Ing. Westenthaler: Präsident Fischer war das!) In Wahrheit haben sie gemeint, dass diese Frage hier im Haus nicht zu diskutieren ist. Wir aber meinen, dass das natürlich hier im Haus zu diskutieren und zu verurteilen ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Wissen Sie, was das besonders Ungustiöse daran ist? – Dass hier versucht wird, die Schwelle zu verschieben, die Geschichte umzuschreiben und hier Gleichsetzungen vorzunehmen, die vö-llig deplaciert sind. Und das ist keine Fehlinterpretation! Herr Ewald Stadler soll Manns genug sein und zu seiner Sonnwendrede stehen. Er soll dazu stehen! Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass man auch erkennt, dass dieser Mann als Volksanwalt untragbar ist und dass dieser Mann zurückzutreten hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wann tritt denn der Edlinger zurück mit NS-Wiederbetätigungssprüchen im Parlament? – Abg. Edlinger: Außer Ihnen glaubt das niemand!)

Herr Klubobmann Westenthaler, Sie wissen ganz genau, dass in der damaligen Auseinandersetzung die Abgeordnete Partik-Pablé eine Tonlage gegenüber der Opposition gesucht und gefunden hat, die diesen Zwischenruf provoziert hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Im Protokoll ist nichts dergleichen zu finden! Laut Protokoll sagte Edlinger: "Sieg Heil!") Dieser Zwischenruf hat beschrieben, dass diese Methodik ähnlich ist wie die Methodik der Nazis von 1938 bis 1945. Deswegen kam es zu dem Zwischenruf – und nicht, weil hier Wiederbetätigung vorliegt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war NS-Wiederbetätigung! "Sieg Heil!" rufen ist NS-Wiederbetätigung! Leugnen Sie das nicht!)

Herr Klubobmann Westenthaler! Wenn es Wiederbetätigung gibt und wenn es berechtigt ist, dass die Staatsanwaltschaft prüft, ob es Wiederbetätigung gibt, dann betreffend Ewald Stadler und seine Umschreibung der Geschichte und Gleichstellung der Nazidiktatur mit der Be-satzungszeit. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein "Sieg-Heil!"-Ruf ist Wiederbetätigung! Das können Sie nicht leugnen!)

Es wäre an der Zeit, dass Sie sich entscheiden. Sie müssen sich langsam auch in diesem Punkt entscheiden, nicht bloß, ob Sie Oppositionspartei oder Regierungspartei sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben in Ihren Reihen jemanden, der NS-Wiederbetätigung getan hat!) Sie sollten sich auch entscheiden, ob Sie eine Partei sind, die auf dem Grundkonsens der Zweiten Republik stehen will, oder eine Partei der Ewiggestrigen, wie es ihre Gründer damals nach 1945 vorgehabt haben. Das ist die Wahrheit! Entscheiden Sie sich endlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Lassen Sie sich ausliefern, Herr Edlinger! ...)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Solange Leute wie Ewald Stadler von Ihnen toleriert werden, von Ihnen gewählt werden, bei Ihnen Führungsfunktionen ...

Hat Ihnen jetzt der Text nicht gefallen, Herr Präsident, denn im Prinzip müsste das Lichtlein hier leuchten, wenn meine Redezeit abläuft?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Das tut mir außerordentlich Leid, aber ich bitte Sie trotzdem um den Schlusssatz! (Abg. Jung: Sie merken jetzt, dass Ihre Zeit schon lange abgelaufen ist!)

Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Wenn die Zeit abgelaufen ist, dann jene des Ewald Stadler, und wir sollten alles dafür tun, dass es auch wirklich so ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sehr unglaubwürdig, solange Edlinger da sitzt!)

17.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der nachfolgenden Redner 5 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.00

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den Diskussionen der letzten Tage, nach den Äußerungen eines der Volksanwälte ist es wohl klar, dass


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110. Sitzung / Seite 166

der Bericht über die Volksanwaltschaft nicht mehr, wie Kollege Cap schon gesagt hat, eine Routineangelegenheit ist, und das begründet auch die von uns beantragte Fristsetzung.

Es ist Schaden an der Volksanwaltschaft angerichtet worden, und es gibt bereits einen Beleg dafür. Sie wissen, dass man sich als Betroffener nicht einfach aussuchen kann, an welchen Volksanwalt man sich wendet. Es sind den einzelnen Volksanwälten bestimmte Bereiche zuge-ordnet. Es wird viele Menschen geben, die künftighin dem Volksanwalt Stadler nicht mehr ihr Vertrauen schenken wollen. Es liegt heute eine Stellungnahme des Jüdischen Forums vor. Ich zitiere auszugsweise:

"Viele Österreicherinnen und Österreicher werden sich, wie dramatisch ihre Anliegen auch sein mögen, nicht an einen Mann wenden, der den Boden des demokratischen Konsenses verlassen hat und Grundwerte, die zur Verfassung der Zweiten Republik geführt haben, verhöhnt."

Meine Damen und Herren! Das zeigt, dass das Thema von großer Brisanz ist und hier im Parlament dringlich diskutiert werden muss. Wir sprechen über einen Mann, über Ewald Stadler, der immer wieder Grenzen ausreizt und an Grenzen anstreift. Und wenn er dann diese Grenzen berührt hat und darauf aufmerksam gemacht wird, dass er an die Grenze stößt, dann spricht er von Gesinnungsterror.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie schon fragen: Gesinnungsterror? Wovon fühlt sich dieser Mann eigentlich mit Gewalt abgehalten – ein Mann, der von der angeblichen Befreiung Österreichs vom Faschismus spricht, der davon spricht, dass ihm Befreiungsideologie übergestülpt worden ist, und der den EU-Beitritt Österreichs so sieht, dass Österreich seiner Selbständigkeit beraubt worden ist? Wovon fühlt sich dieser Mann noch mit Gewalt abgehalten? Das wollen wir in dieser Ausführlichkeit eigentlich gar nicht genauer erfahren.

Von Leuten, die Spitzenämter in dieser Republik einnehmen, muss man erwarten können, dass sie nicht nur an die Grenzen anstreifen und sie ausreizen, sondern dass sie selbst ganz klar Grenzen ziehen, ganz klar diese Grenzen akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir mussten aus unserer Sicht schmerzhaft lange darauf warten, dass es Stellungnahmen seitens der Regierungsspitze gegeben hat. Dem tagelangen Schweigen sind dann sehr zögerliche Stellungnahmen gefolgt. Die Frau Vizekanzlerin Riess-Passer wurde wieder einmal ganz klar darauf aufmerksam gemacht, dass sie über eine innerparteiliche Generalohnmacht verfügt, denn mit zwei Sätzen hat in den letzten Tagen der Alt-Parteiobmann der FPÖ klargemacht, dass sie zwar sehr viel spricht, aber er nach wie vor das Sagen in der FPÖ hat. Der eine Satz lautete, zum Kollegen Gaugg: Der geht mir auf die Nerven!, und seitdem ist er rücktrittsreif. Und der andere Satz lautete, zum Volksanwalt Stadler: Man muss ihm den Rücken stärken!, und das ist natürlich die Linie der Freiheitlichen Partei: Man stärkt ihm den Rücken, ganz gleich, was rundherum passiert und was rundherum an Einschätzungen gesagt wird. Aber das ist nicht weiter überraschend, man konnte sich da nicht mehr erwarten.

Liebe Kollegen von der ÖVP! Ich bin mir dessen ganz sicher, dass viele von Ihnen wissen, dass jetzt nicht mehr Anlass zu Gleichmut gegeben ist. Schließlich hat ja auch der Bundeskanzler sein Schweigen gebrochen. Er hat sich zu dem Satz durchgerungen, dass der 8. Mai für alle Österreicher ein Tag der Freude war. – Ja, offenbar ist das heute schon ein mutiger Satz geworden. Man möchte meinen, das sei eine Selbstverständlichkeit.

Ich möchte an Sie appellieren, noch einen Anlauf zu nehmen, zu einer vielleicht mutigeren, aber sehr angebrachten Aussage, nämlich dass jemand wie Ewald Stadler nicht mehr in dieser Funktion tragbar ist. Fordern Sie ihn doch bitte zum Rücktritt auf! Auf diese Stellungnahme warten wir jetzt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Schauen Sie einmal, dass der Herr Edlinger aus dem Parlament verschwindet!)

18.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Sorgen Sie dafür,


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dass jemand, der NS-Wiederbetätigungssprüche hier im Parlament von sich gibt, aus dem Parlament verschwindet!)

18.05

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der Opposition! Nach dem, was Sie heute hier dargeboten haben, glaube ich Ihnen noch viel weniger als vorher, dass es Ihnen um die Geschichte geht. Es geht Ihnen nur darum, einen Politiker wie Stadler, der als Volksanwalt sehr beliebt ist, sehr gut ankommt und von dem Sie fürchten, dass er als Spitzenkandidat nach Niederösterreich zurückgeht – das steht heute in der Zeitung –, politisch umzubringen. Das ist der wahre Hintergrund! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Geschichte der Befreiung Österreichs ist auch meine persönliche Geschichte. Ich habe das Jahr 1945 13-jährig erlebt, das Jahr 1955 23-jährig – beides sehr bewusst. Ich habe das Glück der frühen Geburt. Ich bin nicht darauf angewiesen, was mir andere erzählen. Ich muss nicht Meinungen haben und ihnen anhängen, und ich bin auch nicht darauf angewiesen, mich nach Sprachregelungen zu richten. Ich kann mich noch selbst erinnern, was ich mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört habe.

Auch Figl – damals frisch aus dem Konzentrationslager gekommen – und viele andere aus den Reihen der ÖVP, die ich in diesen fünf Minuten nicht alle nennen kann, sowie aus der Sozialistischen Partei, wie sie damals geheißen hat, haben es ebenso empfunden wie ich. Figl hat es in die Worte gekleidet: "Österreich ist frei!" Aber nicht 1945 hat er das getan, sondern 1955, vom Balkon des Belvederes in Wien. Ich habe ihn dabei gesehen und gehört, und ich habe geheult. So ist es gewesen.

Ich darf noch dazusagen, mit welchen Worten Figl seine Rede weiter ergänzt hat – das hätte sich Stadler nie trauen dürfen. Ich lese es langsam vor, obwohl ich wenig Zeit habe: "Ein 17 Jahre lang dauernder grauenvoller Weg der Unfreiheit ist beendet!" 17 Jahre, von 1938 bis 1955, Figl im O-Ton! "Heute ist der Tag gekommen" – heute, 15. Mai 1955! –, "an dem wir den Vertrag unterzeichneten, womit Österreich seine Freiheit und Unabhängigkeit bekommt. ... Mit dem Dank an den Allmächtigen haben wir den Vertrag unterzeichnet, und mit Freuden künden wir heute: Österreich ist frei!"

Figl hat gewusst, wo er redet, was er redet und wovon er redet! (Abg. Ing. Westenthaler: Das sollte der Herr Cap auch wissen!) Er war jahrelang im Konzentrationslager. Das ist Figl im O-Ton. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man ist gut beraten, wenn man die Zeitungen von damals liest und wenn man die Protokolle des Nationalrats und des Bundesrats von damals liest. Ich möchte ein Zitat von ÖVP-Bundesrat Wilhelm Salzer bringen. Von Ihrer Seite (in Richtung SPÖ) ist vor allem Koref, der Bürgermeister von Linz und auch Abgeordneter war, in dieser Reihe zu nennen. Ich kann aber heute nicht Zitate von allen vorlesen. Bundesrat Salzer sagte im Bundesrat – damals ein sehr prominenter Mann aus den Reihen der ÖVP –:

"Das österreichische Volk hat bisher, wie wir bereits hörten, an Besatzungskosten wahrlich schon genug geleistet. Bisnun sind es 5,5 Milliarden Schilling, die wir bezahlen mußten, für eine Befreiung zahlen mußten, die uns auf weiten Gebieten nur eine neuerliche Unfreiheit gebracht hat." – ÖVP-Bundesrat Salzer, 1955.

"Ist es, Hohes Haus, nicht tragisch ..., daß wir noch immer nicht frei sind, keinen Staatsvertrag haben und wie ein Kolonialland besetzt und behandelt werden und dafür sogar noch gigantische Mittel aufwenden müssen!" – Nicht Stadler, auch nicht Ofner – ein ÖVP-Bundesrat damals. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein echter "Extremist"!)

Noch ein interessantes historisches Wort. Der Historiker Gustav Spann – wir kennen ihn alle aus der Literatur, viele vielleicht auch persönlich – kommt zu folgendem Resümee:


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"So hatte Österreich zwischen 1945 und 1955 keinen offiziellen Staatsfeiertag. Es gab jedoch einen allerdings nicht erfolgreichen und daher rasch vergessenen Versuch, die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus zum Anlaß identitätsstiftender Feierlichkeit zu machen. ... Erst die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 und die Wiederherstellung der vollen Souveränität Österreichs ... lösten ein von breiten Bevölkerungsschichten getragenes Bedürfnis nach gemeinschaftlicher Feierlichkeit aus, wurde doch dieses Ereignis wesentlich mehr mit Gefühlen der Befreiung verbunden als das Kriegsende 1945." – Nicht Stadler, nicht Ofner, sondern Figl, sondern Salzer – beide hervorragende Repräsentanten der ÖVP, man könnte Dutzende aufzählen; machen Sie sich die Mühe, suchen Sie sich die Protokolle! – und der Historiker Spann.

Ich weiß schon, dass Ihnen der Spann jetzt Wurscht ist und der Figl und der Salzer auch – politisch schädigen und umbringen wollen Sie den Stadler! Aber Sie sind durchschaut, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

18.10

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Cap und GenossInnen wird von der ÖVP abgelehnt werden. Ich begründe das auch.

Ziel dieses Antrages ist nicht die Diskussion des 25. Berichtes der Volksanwaltschaft, wie Sie in diesem Antrag aussagen, sondern Sie wollen – wie Sie auch selbst dargelegt haben – die Aussagen des Volksanwaltes Stadler, die er in der jüngsten Zeit getätigt hat, diskutieren. Die Volksanwälte und deren Beamten haben das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht, sowohl im Plenum als auch im Ausschuss an den Beratungen ihres Berichtes teilzunehmen. Die beantragte Fristsetzung würde dem Ausschuss die Beratung über diesen 25. Bericht entziehen, daher sind wir der Meinung, dass sie verfassungsrechtlich bedenklich ist. Der Fristsetzungsantrag ist daher abzulehnen. Wir wollen den Inhalt des Berichtes der Volksanwaltschaft sowohl im Ausschuss als auch im Plenum diskutieren.

Lassen Sie mich kurz die Haltung der ÖVP zu den Aussagen Stadlers aufzeigen: Das Regime des Nationalsozialismus war ein Verbrecherregime, das ist klar. Jede Aufrechnung einer Diktatur mit dem NS-Regime trägt zu deren Verharmlosung bei. 1945 ist Österreich vom NS-Regime befreit worden, und dieses Datum wird auch alljährlich in einer Gedenkveranstaltung begangen. Die volle Unabhängigkeit hat Österreich 1955 mit dem Staatsvertrag erlangt. – Das ist unser Geschichtsverständnis, und dieses Geschichtsverständnis haben die wesentlichen Repräsentanten unserer Partei in den letzten Tagen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Ich verweise auf die Aussagen des Bundeskanzlers.

Zweideutigkeiten haben unserer Meinung nach in einer derart sensiblen Materie nichts verloren. Volksanwälte sind hohe Repräsentanten dieses Staates, eine entsprechende Sensibilität im Umgang mit unserer Geschichte ist von ihnen zu erwarten, auch in persönlichen Stellungnahmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen und der Grünen.)

18.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

18.12

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen meiner Vorrednerin nur beipflichten – allein was aussteht, ist die politische Konsequenz! (Abg. Neudeck: Haben Sie dem Ofner nicht zugehört?) Ich denke, eine derartige Schieflage der Bewertungen kann nur zu dem Schluss führen, dass eine Person, die beharrlich und in einem Ton, wie wir das gestern via Fernsehen erleben konnten,


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derartige Ungeheuerlichkeiten vorbringt, in diesem Land nicht Volksanwalt sein und bleiben kann. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Das war aber hervorragend! Hervorragend! Hervorragend! Was stimmt denn nicht von gestern im Fernsehen, Frau Kollegin?)

Herr Ofner hat gesagt, es sei die Opposition, die versuche, Volksanwalt Mag. Stadler – so seine martialische Diktion – politisch umzubringen. Herr Abgeordneter Ofner! Niemand von der Opposition war es, der diverse Feuerreden mit ungeheuerlichen Aussagen gehalten hat! Niemand von der Opposition war es, der immer wieder bei schlagenden deutschnationalen Verbindungen als Festredner aufgetreten ist und sich als Deutschnationaler geoffenbart hat! Niemand von der Opposition war es, der eigene Parteikollegen, Abgeordnete von der ÖVP, den Bundeskanzler, Staatssekretär Morak und andere, einfach ignoriert hat oder ihnen sogar eine Schelte erteilt hat!

Verdrehen Sie nicht die Tatsachen, Herr Kollege Ofner! Stadler selbst war es, der sich in diese Situation gebracht hat. Aber es ist unser aller Anliegen, dass diese Situation so nicht bestehen bleibt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist bei der Volksanwaltschaft bereits offenkundig – und insofern hat diese Fristsetzung sehr wohl mit dem Bericht zu tun –, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft wird bereits jetzt konstatiert, dass manche Leute, die bei ihnen auf Büroebene vorsprechen, dann, wenn die Zuständigkeit für ihr Anliegen in den Aufgabenbereich von Volksanwalt Stadler fällt, sagen: Bitte, vergessen Sie es! Da gehe ich wieder, denn diesem Mann kann ich mein Anliegen nicht unterbreiten!

Volksanwalt Stadler ist zuständig für Fremdenrecht, Polizei, Justiz, Bundesheer, Zivildienst, Unterricht und Kultur. – "Bravo", kann ich nur sagen!

Wir werden morgen oder übermorgen Gelegenheit haben, uns mit den Auffassungen dieses Nicht-Volksanwaltes im Zusammenhang mit Fremden auseinander zu setzen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso übermorgen?) Seine Auffassung zu manchen Fragen der Kultur lässt ganz deutlich erkennen: Er will kein Volksanwalt für alle Österreicherinnen und Österreicher im Sinne der österreichischen Bundesverfassung sein!

Diese Bundesverfassung, und das war eine große Errungenschaft der 1945 wiedererlangten österreichischen Verfassung, hat sich durch die leidvollen Erfahrungen der Jahrzehnte zuvor zu einer Definition des "Staatsvolkes" durchgerungen. Auch wenn manche das als "Missgeburt" bezeichnet haben, das ist die österreichische Definition des österreichischen Volkes: ein "Staatsvolk". – Das will dieser so genannte Volksanwalt nicht.

Dass er sein Amt nicht im Sinne des verfassungskonformen Auftrages versteht, sagt er ja selbst. Angesprochen auf den Grundkonsens, der gewachsen ist, der historisch durch die leidvolle Aufarbeitung des Unrechtes zwischen 1938 und 1945 entstanden ist – und diese Aufarbeitung dauert ja bis heute an; wir haben aus der Geschichte gelernt, auch aus der Geschichte der Nachkriegszeit, nur einige wenige haben nicht gelernt, und die wollen nicht lernen –, sagt Stadler im O-Ton am 10. Juli 2002: Einen politischen Grundkonsens (Rufe bei den Freiheitlichen: Zeit! Zeit aus!) an die Stelle von historischen Fakten zu setzen "wird es nicht spielen". – Ich finde, einen solchen Volksanwalt sollte es nicht länger spielen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den 25. Bericht der Volksanwaltschaft eine Frist bis 18. September 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.


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Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlung über die Punkte 10 bis 18 der Tagesordnung betreffend Alpenkonvention wieder auf.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten.

18.18

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich nicht so einfach, nach diesen beiden so emotionsgeladenen Debatten in der Tagesordnung fortzufahren. (Abg. Dr. Cap schickt sich an, den Sitzungssaal zu verlassen.)

Kollege Cap, bevor Sie den Saal verlassen, darf ich Ihnen noch etwas sagen: Spätestens seit dem Zeitpunkt, als Sie Bundesgeschäftsführer Ihrer Partei wurden, also seit der Zeit, in der Sie in Ihrer Partei etwas zu reden haben, geht es steil bergab. Das ist dokumentiert, das wissen wir alle. Es geht steil bergab! Der Nächste, den Sie wahrscheinlich ruinieren werden, ist der derzeitige Bundesparteivorsitzende Dr. Gusenbauer.

Herr Kollege Cap! Ich komme aus einem Teil Niederösterreichs, der damals mehr oder weniger Neuland für die Rote Armee war. Wenn man sich in dieser Gegend mit den dort ansässigen älteren Leuten unterhält und sie fragt, was damals war, dann kann man nur sagen – ohne ein Regime mit dem anderen zu vergleichen oder das eine mit dem anderen aufzurechnen –: Von "Befreiung" in dieser Zeit zu sprechen ist ein starkes Stück, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damals – darüber liegen schriftliche Aufzeichnungen vor – hat es, habe ich mir sagen lassen, kein Mädchen und keine Frau zwischen 14 und 60 gegeben, die diesen "Befreiern" unversehrt entkommen sind. Diesen Menschen, Herr Kollege Cap, müssen Sie erklären, dass das ihre "Befreier" waren, die sie jeden Tag vergewaltigt haben. (Abg. Mag. Posch  – in Richtung des Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Er soll zur Sache reden!)

Wissen Sie, was sich da abgespielt hat im angrenzenden Weinland, wenn ihre "Befreier", Herr Kollege Cap, voll besoffen aus den Weinkellern gekommen sind? (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist ja eine Frechheit, was er da sagt! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Diese Zeit hätte ich Ihnen vergönnt! Sie hätten vielleicht Glück gehabt, weil Sie ein Mann sind. Aber diesen Frauen und Mädchen gegenüber von "Befreiung" zu reden ist wirklich ein starkes Stück!

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist bald erschöpft, vielleicht kommen Sie zur Sache.

Abgeordneter Robert Wenitsch (fortsetzend): Ich komme schon zurück zur Tagesordnung, Herr Präsident, aber ich denke, es war notwendig, das zu sagen, damit die Leute Bescheid wissen, wenn man von "Befreiung" spricht. (Abg. Dr. Mertel: Tümlich!)  – Herr Präsident, ich hoffe, das wird auch vermerkt: "dümmlich". (Abg. Dr. Mertel: Tümlich, Herr Präsident!)  

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße natürlich die Regierungsvorlagen zur Alpenkonvention, freue mich darüber, denn gerade der Alpenraum ist ein sensibles Ökogebiet, hat ein empfindliches Ökosystem, und diesen Raum gilt es in Zukunft natürlich vermehrt zu schützen. Sehr geehrter Herr Minister! Gerade diese Alpenregion darf unter keinen Umständen dem Verkehrswahn der Europäischen Union geopfert werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ein anderer Punkt, der mich als Bauer auch ein wenig betrifft, ist die Bewirtschaftung in Extremlagen. Sehr geehrter Herr Minister! Die Europäische Union muss mehr oder weniger in die Pflicht genommen werden, damit die Bewirtschaftung dieser empfindlichen Regionen, dieser Extremlagen in den Alpen auch in Zukunft sichergestellt ist. All unsere Anstrengungen müssen darauf abzielen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Güterkreisverkehr der Europäischen Union und das Bauernsterben liegen sehr nah beieinander. Wenn wir diesem Güterkreisverkehr keinen Riegel vorschieben, werden wir unsere Produzenten, unsere Erzeuger, unsere Bauern nach und nach verlieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.22

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Von den Höhen, wo die Freiheit noch grenzenlos ist, sofern wir sie mit Abfangjägern entsprechend überwachen und sichern, zurück in die Niederungen der genauso wichtigen Umweltpolitik! Ich möchte die Alpenkonvention nicht noch mehr kommentieren und würdigen, weil das bereits meine Vorredner gemacht haben.

Im Rahmen der Ratifizierung des Protokolls "Naturschutz und Landschaftspflege" werden Anträge betreffend die mangelnde Umsetzung der Natura-2000-Gebiete mitverhandelt. Was ist das Ziel von Natura 2000? – Die Vielfalt an Pflanzenarten und wild lebenden Tierarten und naturnahen Lebensräumen auch entsprechend zu schützen.

Ich möchte als Beispiel mein Bundesland Salzburg anführen. Seit dem Jahr 1995 sind 24 Landschaften beziehungsweise Landstriche in das Schutzgebiet aufgenommen worden. Zwei sind noch ausständig, und das wird, soweit ich informiert bin, noch über den Sommer erledigt. Das heißt, das von der EU vorgegebene Ziel ist erreicht worden: 15 Prozent der gesamten Landesfläche liegen im Schutzgebiet. Ich gehe davon aus, dass im Endausbau sogar noch drei, vier weitere Landstriche dazukommen.

Das ist ein Salzburger Weg, der vor allen Dingen eines skizziert: Das Gespräch mit den betroffenen Grundeigentümern wird gesucht, und somit wird zur Entwicklung der Natura-2000-Gebiete beigetragen. Die Grundeigentümer sind nämlich diejenigen, die entsprechende Verpflichtungen eingehen müssen. Aber nicht nur Verpflichtungen, sondern auch Gebote gibt es. Bewirtschaftungsgebote müssen normiert werden, damit Natura-2000-Gebiete auch dauerhaft als solche geschützt werden.

Von einer mangelnden Umsetzung, zumindest was mein Bundesland betrifft, kann man grundsätzlich nicht sprechen. Ich gebe aber zu, dass es Abstimmungsunterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt. Salzburg zumindest hat seine Hausaufgabe positiv erledigt.

Meine Damen und Herren! Entscheidend ist, auch was das Management und die Bewirtschaftungspläne betrifft, dass den ökologischen Erfordernissen nachgekommen wird, dass die natürlichen Lebensräume geschützt werden und deren Erhalt auch weiterhin gesichert wird. Ich gehe davon aus, und das ist auch gesagt worden, dass die alpine Liste bezüglich der Natura-2000-Gebiete auch entsprechend finalisiert wird.

Letztendlich werden aber die geschützten Lebensbereiche auch touristisch genutzt – das darf ich als Bürgermeister einer Tourismusgemeinde erwähnen –, so zum Beispiel die Kalkhochalpen in meiner Gemeinde Maria Alm. Es geht dabei um den Kern der Sache, nämlich zum einen – und das ist das Entscheidende – darum, dass man die Artenvielfalt erhält, und zum anderen darum, dass man diese intakte Umwelt und diese intakte Natur auch erleben darf, und nicht – um bei den Worten meiner Kollegin Lichtenberger zu bleiben – um das Krankmachen unserer Umwelt, das es einfach gar nicht gibt. Wir dürfen, darüber sind wir froh, in einer sehr intakten Umwelt leben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen zu den Ausführungen meiner Vorredner, bevor ich auf die Alpenkonvention zu sprechen komme:


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Kollege Langreiter! Die Freiheit, die Sie meinen, wird nicht mit Abfangjägern zu verteidigen sein. Haben Sie schon einmal überlegt, ob die soziale Situation der Bergbauern in Ihrer Gemeinde zu verbessern wäre? In diesem Bereich könnten wir etwas tun, dafür wären Mittel notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Wenitsch! Ich will nicht polemisieren, aber gerade die Bauern haben 1945 tatsächlich eine Befreiung erlebt. Sie wurden von der Zwangswirtschaft der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft befreit, und das sollten Sie gerade als Bauer nicht vergessen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber nun zur Alpenkonvention. Ich werde mich auf das Protokoll "Berglandwirtschaft" als Teil dieser vorliegenden Alpenkonvention beziehen und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Forschung, Entwicklung, Erhaltung genetischer Ressourcen im Bergraum hinweisen.

Herr Bundesminister! Wie bereits im Vorfeld diskutiert, setzen wir uns dafür ein, dass die Bundesanstalt für Bergbauernfragen aufgewertet wird zu einem europäischen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen. Das wäre ein verbindliches Signal. Das angesprochene Protokoll sieht ja in mehreren Punkten eine Verstärkung der Forschung, einen Austausch von wissenschaftlichen Ergebnissen, eine Schwerpunktsetzung im Bereich der ländlichen Entwicklung und der ökologisch sensiblen Aspekte der landwirtschaftlichen Erzeugung in den Alpen vor.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pirklhuber, Lichtenberger, Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen zu einem europäischen wissenschaftlichen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ersucht, die Bundesanstalt für Bergbauernfragen zu einem Europäischen wissenschaftlichen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen aufzuwerten und nicht zuletzt im Sinne der dringend gebotenen Umsetzung der Alpenkonvention und ihrer einschlägigen Protokolle mit folgenden Aufgaben zu betrauen:

wissenschaftliche Forschung zu den Problemen der Berggebiete und der ökologisch sensiblen Zonen" – Herr Bundesminister, das ist derzeit ein Aufgabenbereich der Bundesanstalt, aber das wird auch in Zukunft ein wichtiger Aspekt in der europäischen Debatte sein –

"Kooperation und WissenschafterInnenaustausch mit anderen Berggebietsforschungseinrichtungen, umweltökonomischen Instituten in Europa

Analyse und Entwicklung von nachhaltigen ökonomischen und sozialen Programmen für Berggebiete und ökologisch sensiblen Zonen

Grundlagenarbeiten hinsichtlich der Ermöglichung einer gentechnikfreien Produktion in der Landwirtschaft."

*****

Herr Bundesminister! Es wäre ein schönes Signal, bei der Ratifizierung dieses "Berglandwirtschaft-Protokoll" wirklich ernst zu nehmen und die Forschung für die Bergregionen in Österreich auszubauen. Immerhin, meine Damen und Herren, sind mehr als 100 000, nämlich 112 000, bäuerliche Betriebe in den Berggebieten beheimatet, das sind mehr als 50 Prozent, und inklu


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sive der benachteiligten Zonen sind etwa 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe, nämlich 153 000 LandwirtInnen, in solch benachteiligten Zonen und Berggebieten zu Hause.

Ich möchte jetzt auch die Gelegenheit nutzen, um in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle agrarpolitische Debatte einzugehen, nämlich die heute vorgelegten Vorschläge von Kommissar Fischler zur Reform der europäischen Agrarpolitik.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang muss ich feststellen, dass Sie, Herr Bundesminister, hier einerseits Lippenbekenntnisse von sich geben, und zwar seit Monaten, seit Jahren, sich aber andererseits hinter Positionen stellen, die reformfeindlich sind, nämlich die Position der Landwirtschaftskammern und die Position des Österreichischen Bauernbundes. Das muss ich hier massiv kritisieren.

Sie selbst, Herr Bundesminister, sprechen in dem Organ der "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft" "Bauernstimme" – es ist das Organ der Agraropposition Deutschlands – im Juli 2002 davon, dass es notwendig ist, einen starken Reformschub für mehr Bäuerlichkeit und weniger Industrie einzuleiten sowie für mehr Qualität, Sicherheit und Vielfalt statt Preis- und Ökodumping. Sie sprechen davon, dass es darum geht, diesen Reformschub umzusetzen. Meine Damen und Herren! Das steht in einem Organ der Agraropposition Deutschlands, und Sie unterstützen diese Bestrebungen mit Ihren Aussagen.

Andererseits lese ich Ihre heutigen Presseaussagen, in denen Sie dezidiert jede Reformpolitik ablehnen. Ich zitiere sinngemäß aus einer heutigen APA-Meldung: Eine grundlegende Reform und Systemänderung, wie von der Kommission vorgeschlagen, sei in der Halbzeitbewertung – "mid term review" – nicht vorgesehen gewesen.

Das ist meiner Meinung nach ein wirklich klares Zeichen dafür, dass Sie nicht bereit sind, die guten Vorschläge von Kommissar Fischler zu unterstützen, aber gerade das wäre aus österreichischer Sicht zu erwarten gewesen. Das finde ich nicht nur schade, das finde ich beschämend, Herr Bundesminister, und ich finde es sehr beschämend, dass Sie bisher verweigert haben, im Landwirtschaftsausschuss eine intensive Debatte zum Thema "mid term review" zu führen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Molterer: Seit wann gibt es die Vorschläge?)

18.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der Entschließungsantrag der Abgeordneten Pirklhuber, Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheuch. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Hoch geschätzter Herr Minister! Zum Tagesordnungspunkt 17 hat es zwei Anträge der grünen Fraktion gegeben, welche sich mit Flächen der Natura 2000 befassen. Ich denke, dass es sehr viele engagierte Abgeordnete hier im Nationalrat gibt, welche sich mit Umweltfragen, mit Arterhaltung, mit biologischer Vernetzung von Lebensräumen, mit einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen befassen und für diese Ziele eintreten. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich hier zu Wort gemeldet habe, um dieses Thema hier kurz zu diskutieren.

Man muss sich aber auch die Anträge ansehen, welche dazu eingelangt sind. In einem Entschließungsantrag vom 4. April 2001 heißt es wörtlich: "Die Umsetzung von Natura 2000 verläuft in Österreich mangelhaft." – Das ist schon ein bisschen populistisch, weil man zu erwähnen vergisst, dass Frankreich und Deutschland bis zum heutigen Tag keine einzige Fläche dafür angemeldet haben.

Dann heißt es weiter, und zwar betreffend Gebietsfeststellungen: "... das Bundesland Niederösterreich hat zirka 30 Prozent der Landesfläche, Oberösterreich nur zirka 5 Prozent ausgewiesen. Diese Unterschiede sind aber fachlich nicht begründbar, sondern lediglich auf das Engage


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ment des jeweiligen Bundeslandes bei der Nominierung zurückzuführen." – Auch das ist eine sehr seichte Argumentation von grüner Seite.

Aber – und das mache ich in letzter Zeit immer öfter – ich habe im Internet ein bisschen nachgeschaut, wie ganz allgemein die Haltung der grünen Partei zu diesem Thema ist. Und da musste ich mit Befremden feststellen, dass eine gewisse Frau Weinzinger, niederösterreichische Grün-Abgeordnete, in einer Pressekonferenz am 14. März 2001 doch wahrlich gemeint hat, betreffend die Gebiete zur Nominierung von Natura 2000 sei "eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen nicht zulässig". (Abg. Auer: Eine Zumutung!)  – Das ist wirklich eine unglaubliche Vorgangsweise, und daran sieht man auch, dass es hier anscheinend zwei Welten, zwei verschiedene Zugänge zu diesem Thema gibt.

Abschließend zu diesem Thema – das sei mir erlaubt – möchte ich die Position Kärntens in dieser Frage einmal zur Diskussion stellen. Was geschieht in Kärnten? – Darauf kann man sehr stolz sein: Wir haben nämlich sehr verantwortungsvoll Flächen in das Gebiet Natura 2000 gemeldet, vor allem öffentliche Flächen. Wir haben sehr viel Geld eingesetzt, um Flächen anzukaufen und diesen Naturschutz dort dann auch durchzuführen. Und die Anmeldung aller anderen Flächen wurde mit den Besitzern abgestimmt, darauf sind wir besonders stolz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das impliziert natürlich, dass es wenig Konfliktpotential gibt, und vor allem, dass es sehr große Akzeptanz der Bevölkerung für diese Projekte gibt. Ich kann Ihnen authentisch dazu berichten: Ich arbeite im LIFE-Projekt der oberen Drau als Betroffener selbst sehr engagiert mit, und es ist erstaunlich, wie bereit Bauern und Grundbesitzer sind, hier aktiven Naturschutz zu leisten. Auch dafür sei ihnen von dieser Stelle aus einmal gedankt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein weiterer wichtiger Punkt, das Management und die Entwicklung dieser Programme, wurde gestern – das kann ich Ihnen hier authentisch berichten – von der Kärntner Landesregierung beschlossen. Es wurden nämlich 3,6 Millionen € für die Entwicklung dieser Natura-2000-Projekte beschlossen, und zwar für die Kartenerstellung und das Management sowie für die Managementplanerstellung dieser Flächen, was natürlich eine Musterregion wie Kärnten in diesem Bereich zusätzlich auszeichnet.

Abschließend sei mir erlaubt zu erwähnen, dass auch sehr viel Geld eingesetzt wird, um Naturparks zu gründen, zum Beispiel in der Landschaft um den Dobratsch. Die wenigsten Anwesenden hier werden das wissen: Der Dobratsch beziehungsweise der neue Naturpark um den Dobratsch ist der Standort der Illyrischen Gladiole. Österreichweit wächst diese Blume nur dort!

Oder, auch das ist ein wichtiges Projekt: Ein Bärenkorridor ist vorgesehen! Dafür wurden 27,5 Millionen € eingesetzt.

Auch international braucht sich Kärnten nicht zu verstecken: Wenn man weiß, dass die Europakonferenz der Weltnaturschutzorganisation IUCN dort stattgefunden hat, dann kann man auch darauf stolz sein.

Dies alles kann man wirklich vorzeigen! Das ist Naturschutz, wie er in der Praxis funktioniert, und das sei Ihnen allen zur Nachahmung ans Herz gelegt! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten.

18.37

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die FPÖ in Tirol hat den Schutz des Lebensraumes und der Lebensqualität seiner Menschen zu einer ihrer Grundmaximen erhoben, weil es uns wichtig ist, dass die Menschen in diesem hoch sensiblen Alpenraum gesund leben, arbeiten und wohnen können. Freu


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en wir uns darüber, dass 1991 die acht Alpenstaaten die Alpenkonvention unterzeichnet haben und nun acht Protokolle dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden!

Meine Damen und Herren! Wir haben mit der Alpenkonvention einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, der nicht nur unsere Absichten und Wünsche nach einem lebenswerten Alpenraum berücksichtigt, sondern auch erstmals unsere Nachbarn zu diesem gemeinsamen Ziel verpflichtet.

Es ist wichtig, dass wir eine gesunde und lebenswerte Umwelt haben. Sie ist der Garant für die Gesundheit der Menschen, sie ist unser wichtigstes Potential im Tourismus, und sie ist auch die Lebensgrundlage für unsere Landwirtschaft.

Für den Schutz unserer sensiblen Hochgebirgsregionen brauchen wir unsere kleinstrukturierten Landwirtschaften der Bergbauern, die mit ihren Leistungen eine nachhaltige ökologische Wirkung auf unser gesamtes Umweltsystem sichern, sprich: für die gesamte Gesellschaft eine nicht zu unterschätzende, eine wesentliche Rolle spielen. Und gerade sie, die Bergbauern, brauchen unseren Schutz und unsere Unterstützung.

Meine Damen und Herren! Bedenken Sie einen weiteren wichtigen Punkt: Einen lebenswerten Alpenraum zu sichern bedeutet auch, dass das Thema Verkehr nicht außer Acht gelassen werden darf. Mit der Alpenkonvention erkennen auch die Nachbarländer Österreichs an, dass wir in einer sensiblen geographischen Zone leben, die es zu bewahren gilt. Und gerade im Transitbereich stellt dieser Vertrag eine wichtige Grundlage für die künftige Entwicklung dar.

Ich hoffe, dass wir mit der Alpenkonvention bei unseren europäischen Partnern in Zukunft auf mehr Verständnis stoßen. Mit der offiziellen Anerkennung des lebenswerten Alpenraumes als politisches Ziel haben wir ein Instrument in der Hand, mit dem wir auch im europäischen Kontext besser nach einer Lösung der Verkehrsproblematik suchen können.

Zum Thema Wasser: Meine Damen und Herren! Die österreichische Bevölkerung hat Angst und Sorge, dass der Quellreichtum in Tirol eines Tages nicht mehr für alle so frei verfügbar sein könnte wie heute. Egal, ob die Wasserqualität durch Luft- und Umweltverschmutzung beeinträchtigt ist, egal, ob die Ängste in Richtung eines Ausverkaufs des Tiroler Wassers gehen, mit der Alpenkonvention können wir auch diesen Ängsten entgegenwirken, denn überall dort, wo wir unsere Natur schützen, schützen wir auch unser Wasser.

Meine Damen und Herren! Mit der Alpenkonvention in der Hand sichern wir uns eine bessere Position in Europa. Es müssen alle verstehen, dass wir unsere Menschen und unsere Umwelt in den Alpen schützen wollen. Ich hoffe nur, dass wir dieses Instrument der Alpenkonvention auch als solches verstehen und gebrauchen.

Ich möchte nicht wieder erleben müssen, dass die Opposition ohne jede Courage agiert, wenn es darum geht, gegenüber Brüssel im Sinne des Schutzes unseres Lebensraumes Positionen zu beziehen! Eigenartigerweise ist der Naturschutz für unsere Damen und Herren von der Opposition plötzlich gar nicht mehr so relevant, wenn es zum Beispiel um die Osterweiterung mit all ihren Problemen wie dem AKW Temelín oder das steigende Verkehrsaufkommen geht.

Nehmen wir die Alpenkonvention als Instrument zum Schutz unseres Lebensraumes und unserer Zukunft wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages:


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Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus"), in 1090 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft"), in 1091 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf, Fallent, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Arbeitsfeldes Nachhaltige Entwicklung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 145.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pirklhuber, Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen zu einem europäisch-wissenschaftlichen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten, in 1092 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung"), in 1093 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald"), in 1094 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1231 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 146.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr"), in 1095 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz"), in 1096 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege"), in 1097 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie"), in 1098 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

19. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1144 der Beilagen): Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung (1236 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1145 der Beilagen): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen (1237 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1171 der Beilagen): Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung (1238 der Beilagen)

22. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1146 der Beilagen): Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen (1239 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 bis 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Die Debatte eröffnet Frau Abgeordnete Mag. Sima. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.46

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Ratifizierung der drei internationalen Abkommen ist mit Sicherheit ein umweltpolitischer Meilenstein, und ich freue mich sehr, dass wir das heute beschließen können.

Das Rotterdamer Übereinkommen über gefährliche Chemikalien ermöglicht es den Ländern erstmals, die Einfuhr von gefährlichen Chemikalien zu verweigern beziehungsweise zu kontrollieren. Das betrifft vor allem die Entwicklungsländer, die bisher sehr mit dem Problem zu kämpfen hatten, dass eben aus den so genannten entwickelten Ländern gefährliche Chemikalien in die Entwicklungsländer exportiert wurden.

Dies betrifft derzeit 26 Pflanzenschutzmittel und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie fünf Industriechemikalien, und ich denke, dass das ein sehr wichtiger Schritt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Über das Protokoll für persistente organische Schadstoffe wird meine Kollegin dann noch sprechen.

Ich möchte kurz auf das Cartagena-Protokoll zu sprechen kommen, weil mir das sehr wichtig ist. Ich weiß, wie schwierig es war, dass dieses Protokoll überhaupt zustande gekommen ist. Geregelt wird darin die grenzüberschreitende Verbringung von gentechnisch veränderten Organismen. Es gibt erstmals eine verpflichtende Anmeldung, wenn es eine Ausfuhr von gentechnisch veränderten Organismen gibt, die für Freisetzungen gedacht sind, und es wurde ein Informationsverfahren eingeführt.

Ich persönlich bedaure sehr, dass es keine Haftung gibt und dass die Kennzeichnung nicht enthalten ist, aber ich hoffe, dass es im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz zu einer solchen Regelung kommen wird und dass Österreich sich auch weiterhin dafür einsetzen wird.

Insgesamt ist dies umweltpolitisch ein sehr großer Fortschritt, und wir werden dieser Ratifizierung natürlich unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Ratifizierungen sind zu begrüßen, keine Frage. In den vorliegenden Fällen von Ratifizierungen sind aber im Grunde genommen für Österreich auf Grund unserer bestehenden gesetzlichen Bestimmungen keine Auswirkungen gegeben. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, international vorzugehen und auf internationaler Ebene entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Das Rotterdamer Übereinkommen betrifft den Handel mit Chemikalien und dient, wie ich meine, insbesondere zum Schutz der Dritten Welt und der Schwellenländer. Es geht hierbei um die Verhinderung des Verkaufs von Stoffen, die in Ländern produziert werden, wo diese Stoffe verboten sind, und sie sollen demnach auch nicht verkauft werden können. Wie gesagt, für Österreich hat dies keine Auswirkungen, weil wir derlei Stoffe nicht produzieren.

Des Weiteren geht es um das Protokoll zum Übereinkommen betreffend POPs, also weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen. Das sind biologisch nicht abbaubare Materialien, also persistente organische Stoffe.

Der Inhalt dieses Übereinkommens befasst sich mit dem Verbot für Vertragsstaaten, bestimmte Substanzen zu produzieren oder zu verwenden, wie beispielsweise derzeit DDT. Wie gesagt, dies betrifft nicht Österreich. Vorschriften für die Entsorgung, und zwar die umweltgerechte Entsorgung, sind Bestandteil dieses Übereinkommens, ferner Verwendungsbeschränkungen und


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die Festlegung von verbindlichen Grenzwerten für neue Müllverbrennungsanlagen. Es ist auch eine Basis für den Informations- und Technologieaustausch mit der Zielsetzung der Entwicklung und Nutzung von Alternativen zu den von mir genannten persistenten organischen Schadstoffen.

Ebenso ist eine regelmäßige Überprüfung eine Verpflichtung für die Vertragsstaaten, die Vertragsparteien aus diesem Protokoll, die festgelegt ist und entsprechend stattzufinden hat. – Das Protokoll ist daher ausdrücklich zu begrüßen.

Ich weise noch darauf hin, dass es in Österreich ein sehr strenges Chemikaliengesetz gibt, das letztlich auch der Grund dafür ist, dass dieses Übereinkommen keine direkten Auswirkungen auf Österreich hat. Aber ich betone noch einmal: Die Ratifizierung ist zu begrüßen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.51

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Hohes Haus! Es sind vier internationale Umwelt-Abkommen, die jetzt zur Ratifikation vorliegen. Die grüne Fraktion wird allen vier zustimmen. Es sind bei allen vier Abkommen Fortschritte im internationalen Umweltdenken und in den Verhandlungen zu verzeichnen, die wir ausdrücklich begrüßen. Daher tragen wir die Ratifikation auch mit.

Zwei Abkommen spielen vor allem im Bereich Luftreinhaltung eine wesentliche Rolle, und ich möchte eines von ihnen herausgreifen, weil insbesondere das auch Auswirkungen auf Österreich hat.

Es handelt sich um das so genannte POP-Abkommen, und einer der Schadstoffe, die darin vorzugsweise behandelt werden, ist das Abgas Dioxin. Wir selbst haben in Österreich eine lange Diskussion darüber geführt, vor allem, was die Emissionen von Müllverbrennungsanlagen betrifft, und ich freue mich, dass dieses Abkommen jetzt ratifiziert wird. Ich hoffe vor allem auch, dass es umgesetzt wird, denn in einigen Bereichen besteht diesbezüglich auch in Österreich noch Handlungsbedarf.

Es gibt in Österreich etwa Handlungsbedarf, was die bundesweite Datenerfassung betrifft, vor allem, was einen Emissions-Kataster Wasser betrifft. Es besteht Handlungsbedarf, um die Begrenzung von Dioxin in der Luft zu verbessern, es ist eine Verordnung über die Verbrennung von Abfällen ausständig, und es fehlt eine Abwasser-Emissionsverordnung bezüglich Dioxinen aus Verbrennungsgas.

Ich halte nichts davon, internationale Abkommen zu ratifizieren, aber dann keine 100-prozentige Umsetzung zu garantieren. Daher gehe ich davon aus, dass der Umweltminister – das liegt im Wesentlichen in seinem Kompetenzbereich – diese fehlenden Schritte zur vollständigen Umsetzung so rasch wie möglich setzen wird.

Ein zweites Abkommen, auf das ich kurz eingehen möchte, ist das Protokoll von Cartagena. Dieses könnte insbesondere in der österreichischen Tradition, die Gentechnik und ihre Auswirkungen kritisch zu hinterfragen, für die Zukunft eine Hilfe darstellen. Das Protokoll von Cartagena war im Wesentlichen ein guter Kompromiss sowohl zwischen den NGOs als auch der Lebensmittelindustrie und der Gentechnik-Industrie, und es bietet vor allem den Entwicklungsländern die Möglichkeit, ihre Öko-Systeme dadurch zu schützen, dass sie gentechnikfreie Zonen einrichten oder eine besondere Rücksichtnahme auf spezielle Öko-Systeme erwirken können. Auch rechtlich haben sie nun mit diesem Protokoll eine Handhabe dafür.

Insgesamt ist das Cartagena-Protokoll ein Papier, das gerade den Konflikt, den es derzeit auf internationaler Ebene gibt – etwa betreffend die Gentechnik und deren Nutzung in der Land


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wirtschaft –, sehr gut zum Ausdruck bringt. Auch die Verhandlungen und Streitereien rund um dieses Protokoll haben die Konfliktlinien sehr genau aufgezeigt.

Ich würde mir wünschen, dass sich Österreich bei diesen Konfliktlinien immer auf die richtige Seite stellt und dass es die kritischen Aspekte und die Bedenklichkeit von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft auch bei solchen Verhandlungen sehr deutlich und massiv vertritt. Das sollte allerdings nicht nur bei internationalen Verhandlungen der Fall sein, sondern man muss in Österreich auch massiv den Weg öffnen und frei machen für eine gentechnikfreie Zone Österreich. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

18.54

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mai des heurigen Jahres fand in Stockholm eine Konferenz zum Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe – kurz "POP" genannt – statt. In diesem Übereinkommen sollen die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr, Beseitigung und Verwendung der toxischsten Chemikalien, die je geschaffen wurden, geregelt werden. Es führt strenge internationale Kontrollen für eine erste Gruppe von zwölf dieser Chemikalien ein, von denen die meisten mit sofortiger Wirkung verboten werden.

Das umfassende POP-Übereinkommen wurde im Rahmen des Umwelt-Programms der Vereinten Nationen ausgehandelt und im Dezember 2000 in Johannesburg von Delegierten aus 122 Ländern fertig gestellt.

Umweltkommissarin Margot Wallström meinte zu dieser Konferenz: Das POP-Übereinkommen ist ein umweltpolitischer Durchbruch und zeigt, dass die internationale Gemeinschaft hinsichtlich des Umgangs mit Chemikalien, die hoch toxisch sind und sich in unserem Körper und in der Umwelt anreichern, auf dem richtigen Weg ist. Sie fordert alle Länder nachdrücklich auf, die Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens als absolute Priorität zu betrachten.

Das Übereinkommen ist ein Schritt zu einer zukunftsträchtigen Welt. Es ist daher sehr erfreulich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass sich auch Österreich diesem internationalen Übereinkommen anschließt.

Von allen Schadstoffen, die jährlich durch den Menschen in die Umwelt freigesetzt werden, gehören die persistenten organischen Schadstoffe zu den gefährlichsten. Sie sind hoch toxisch und haben zahlreiche schädliche Wirkungen. Insbesondere können sie bei Menschen und Tieren zum Tode führen und Krankheiten und Erbschädigungen verursachen. Zu ihren Auswirkungen zählen Krebs, Allergien, die Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystems sowie die Schädigung des Immunsystems.

Letzten Berichten zufolge haben Untersuchungen ergeben, dass zwei von zwölf Gurken- und Paprika-Proben über dem Grenzwert mit dem hoch giftigen, verbotenen Dieldrin belastet sind. Diese Dieldrin-Belastung verdoppelt das Brustkrebs-Risiko, zudem verursacht das dem DDT sehr ähnliche Dieldrin besonders aggressive Formen dieser Krankheit; leider sind davon wir Frauen am meisten betroffen.

Es ist völlig richtig, dass diesem Übereinkommen beigetreten werden muss – zum Schutze unserer Menschen, unserer Nachkommen und unserer Umwelt! (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten.

18.57

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit ist das


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erste internationale Abkommen zu diesem Problem. Es schafft eine internationale Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch, damit nachvollziehbar ist, wohin gentechnisch veränderte Produkte verbracht werden; das muss auch registriert werden.

Es ist dies also ein sehr positives Abkommen im Hinblick darauf, dass es eine rasante Entwicklung im Bereich der Bio-Technologie gibt und dass auch nachvollziehbar ist, wohin diese Produkte verbracht werden.

Es ist dies ein sehr sinnvolles Abkommen, dem wir gerne zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung, in 1144 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte hiefür um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dieses Übereinkommen samt Anlagen und Erklärung in seiner arabischen, chinesischen, französischen, russischen, spanischen Sprachfassung dadurch kundzumachen, dass diese im Bundesmi


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nisterium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen, in 1145 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, dass dieses Protokoll samt Anhängen und Erklärungen in seinen französischen und russischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, dass diese im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung in 1171 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieses Übereinkommen samt Anlagen und Erklärung in seinen arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, dass diese im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen in 1146 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieses Protokoll samt Anlagen in seinen arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, dass diese im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

23. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1116 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002), und


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über den Antrag 524/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung erneuerbarer Energie im liberalisierten Markt sowie

über den Antrag 525/A (E) der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erstellung eines neuen Energieberichts (1242 der Beilagen)

24. Punkt

Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundes-gesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden (1243 der Beilagen)

25. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1222 der Beilagen)

26. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (482 der Beilagen): Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (1223 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Damit gelangen wir zu den Punkten 23 bis 26 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es sind zwei große Gesetzesvorhaben, die heute zur Beschlussfassung anstehen: Das eine ist das Gaswirtschaftsgesetz, mit dem die Vollliberalisierung erfolgt, und das andere ist ein neues Gesetz, das so genannte Ökostromgesetz. Ich möchte zuerst zum Gaswirtschaftsgesetz Stellung nehmen und kündige an, dass die grüne Fraktion diesem Gesetz in der vorliegenden Form auch zustimmen wird, und dann auf das Ökostromgesetz eingehen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Als mit dem GWG 2000 die Gasliberalisierung, vorgegeben durch eine EU-Richtlinie, in Österreich angestrebt wurde, war das erste Gesetz unserer Meinung nach noch etwas mangelhaft. Wenn man schon ein Liberalisierungsvorhaben angeht, dann ist es aus unserer Sicht sehr wichtig und notwendig, dass man auch Rahmenbedingungen schafft, die gewährleisten, dass es auch zu einem Wettbewerb kommen kann, dass es einen unabhängigen Regulator gibt, dass es eine wirksame Missbrauchsaufsicht gibt und dass es auch so etwas wie einen Schutz der Kleinverbraucher vor einer Umverteilung von Kleinverbrauchern zu Großverbrauchern gibt.

Der erste GWG-Entwurf war unserer Meinung nach nicht gelungen. Wir haben dem Gesetz damals auch nicht unsere Zustimmung gegeben und haben unsere Kritikpunkte in einer abweichenden Stellungnahme vorgebracht. Vor allem das Fehlen eines unabhängigen Regulators war uns ein Dorn im Auge. Diese Mängel werden jetzt korrigiert.


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Allerdings bleibt aus unserer Sicht ein großer Kritikpunkt aufrecht, nämlich in Bezug auf die Ökologisierung dieses Bereiches. Es ist immer noch so, dass das österreichische Steuersystem ökologisch völlig blind ist. Immer noch ist der Einsatz von Kohle und Gas zur Stromerzeugung steuerbefreit. Aber das ist ein Punkt, den wir an anderer Stelle einbringen, nämlich im Rahmen unserer Vorschläge zu einer Steuerreform, mit unserem Modell "anders steuern – die ökosoziale Steuerreform der Grünen", und nicht beim Gaswirtschaftsgesetz.

Die wesentlichen Punkte, die uns im Zusammenhang mit diesem Gesetz wichtig waren, nämlich die Schaffung einer wirksamen Missbrauchsaufsicht, das Anstreben eines weitgehenden Unbundling, der Einsatz eines Regulators und die Schaffung einer Situation, in der es in diesem Bereich endlich so etwas wie einen Wettbewerb geben wird, wurden jetzt berücksichtigt. Was den Wettbewerb betrifft, so gab es in der Vergangenheit, glaube ich, unter allen Durchleitungsanträgen, die gestellt wurden, nur einen einzigen, dem stattgegeben wurde! Das wird jetzt verbessert.

Wir haben dem GWG 2000 unsere Zustimmung nicht gegeben. Wesentliche Punkte, die damals offen geblieben sind, sind jetzt erfüllt worden, und deshalb wird die grüne Fraktion dem jetzt vorliegenden Gesetz zustimmen.

Anders ist die Situation beim Ökostromgesetz. Dieses stellt für uns ein sehr wichtiges Gesetz, ein wichtiges Vorhaben dar. Wir haben als Vorbild immer das deutsche Energieeinspeisegesetz betrachtet, das in Deutschland seit Jahren in Kraft ist und dort wunderbare Erfolge im Bereich erneuerbare Energie gebracht hat. Wir bedauern, dass die jetzt gegebene Möglichkeit, bundesweit einheitliche Förderrahmenbedingungen zu schaffen, nicht dafür genützt wurde, einen sehr großen, mutigen Schritt in Richtung Ökologisierung der Energieversorgung zu machen.

Wir haben einige Kritikpunkte zu diesem Gesetz. Was mich besonders stört und was ich besonders bedauere, ist, dass die so genannten Mindestziele in diesem Bereich, die Mindestziele für Ökostrom zu Obergrenzen werden, dass es ein sehr planwirtschaftliches System ist, dass die Tarife nur zehn Jahre gelten, dass für die Zukunftstechnologie Photovoltaik eine Deckelung besteht, die ein sehr schlechtes Signal darstellt, und dass positive Dinge, wie zum Beispiel eine wahrheitsgetreue bundesweite Stromkennzeichnung, erst nach einer zweijährigen Übergangsfrist in Kraft treten sollen.

Was ich auch kritisiere, ist, dass man beim Ökostrom etwas schlampig geworden ist, dass man auch Mischfeuerungsanlagen, Anlagen, die fossile Brennstoffe wie Steinkohle verfeuern, mit einer sehr geringen Zufeuerung von Biomasse, als Ökostromanlagen anerkennen will. Das ist meiner Meinung nach ein Rückschritt, und ein unsauberes Handhaben dieser Begriffe verhindert auch die wirksame und europaweite Positionierung von österreichischen Ökostromprodukten.

Alles in allem honoriere ich auch die Versuche, uns einzubinden und auf unsere Vorschläge zu hören. Das ist besser gelaufen als in der Vergangenheit. Wir hatten die Möglichkeit, unsere Punkte einzubringen. Ich bedauere es, dass es nur ein halbherziger Schritt in Richtung Ökologisierung der Stromwirtschaft geworden ist. Unsere Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Ökostromgesetz nach deutschem Vorbild, mit sehr hohen Tarifen, mit einem sehr offensiven Bekenntnis zur Förderung dieser Zukunftstechnologie, bleibt nach wie vor aufrecht.

Aufrecht bleibt auch unsere Forderung nach einer ökologischen Steuerreform, die viele Punkte, die hier sehr detailliert, fast planwirtschaftlich geregelt sind, mit einem Schlag einer Lösung zuführen könnte, nämlich indem man in Bezug auf die Kostenwahrheit ein anderes Verhältnis zwischen den so genannten erneuerbaren und den fossilen Energieträgern in Österreich herstellt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ging, wie bereits gesagt wurde, darum, die Vollliberalisierung des Gas


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marktes herbeizuführen, und wir von der SPÖ-Fraktion wussten: Wenn man etwas Ordentliches machen will, dann wird man unsere Zustimmung brauchen. Wir haben uns daher entsprechend gerüstet und uns mit unseren Forderungen positioniert.

Wir haben von Beginn an gesagt, dass die Systemkosten und damit die volkswirtschaftlichen Gaspreise so günstig wie nur möglich sein müssen. Die Kleinverbraucher müssen von Preissenkungen mitprofitieren. Garantiert wird das durch die Missbrauchsaufsicht. Die Gasversorgung soll weiterhin in gleicher Qualität wie bisher erfolgen. Auch der Gasnetz-Ausbau in unserem Land muss weitergehen – ich denke in diesem Zusammenhang in erster Linie an die Kyoto-Ziele. Auch volkswirtschaftliche Investitionen sollten in Zukunft sichergestellt werden.

Wir haben uns gegen ein völliges Unbundling von Gasvertriebsfirmen in Netz- und Vertriebsteil ausgesprochen, weil wir dadurch hohe Verluste an Kostensynergien befürchtet haben und, einhergehend damit, zu hohe Overheadkosten. Wir sind auch gegen Ausgleichszahlungen zwischen den Regionen eingetreten. Wir waren ferner der Meinung, dass der Regulator Kontrolle braucht. Für Problemkreise, die im Zuge der Marktöffnung zwangsläufig entstehen, fehlten im ursprünglich vorgelegten Entwurf wirkungsvolle Übergangsbestimmungen. Viele konnten wir hineinreklamieren.

Ich darf daran erinnern, dass viele Gasverträge in unserem Lande bis zum Jahr 2012 ihre Gültigkeit haben, und darauf musste Bedacht genommen werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang haben wir das große, immer stärker werdende Unbehagen vieler damit Befasster angesichts des österreichischen "Fleckerlteppichs", wenn es um die Förderung erneuerbarer Energieträger in unserem Lande gegangen ist, aufgegriffen. Wir waren der Meinung, wir sollten die Gelegenheit nutzen und beides in einem verhandeln. Zum Teil war die Förderung wenig effizient. Sie war zwischen den einzelnen Bundesländern logischerweise sehr unterschiedlich, sie war nur mit erhöhtem Aufwand kompatibel. Es gab also viele unterschiedlich hohe Zuschläge, und die Zuschläge auf dem Netz waren eher wettbewerbsverzerrend als -entzerrend.

Lange Rede – kurzer Sinn: Wir waren der Meinung, es ist höchste Zeit für gravierende, umfassende Änderungen, und wir haben daher dem Wirtschaftsminister und den Vertretern der Regierungsparteien signalisiert, dass wir dafür wären, das alles klugerweise in einem zu verhandeln.

Sie haben dem zugestimmt, und damit war der Weg für mehrmonatige Verhandlungen frei. Auch hier haben wir uns mit unseren Forderungen klar positioniert. Wir haben gesagt: Es muss bei all den Maßnahmen, die wir setzen, das Kyoto-Ziel im Vordergrund stehen. Wir müssen mit diesen Maßnahmen erreichen, dass wir im Jahr 2010, 2011 nicht zu Zahlern werden, sondern wenn wir uns schon die Förderung erneuerbarer Energieträger leisten – und das müssen schließlich und endlich die Stromkunden zahlen –, dann sollte diese Förderung so effizient wie nur möglich eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Ziel war, so kostengünstig und wirkungsvoll wie möglich zu fördern, und wir können sagen: Wir haben erreicht, dass im Vergleich zur bisherigen Regelung rund 120 Millionen € pro Jahr eingespart werden können.

Die Kraft-Wärme-Kopplungen haben, wie wir wissen, einen großen Anteil an sauberer Luft. Sie werden jetzt flächendeckend in ganz Österreich gefördert, und zwar gleich gefördert. Die Förderung der Kleinwasserkraft wurde noch etwas angehoben. Es ist schon richtig: Hier greift ein eher planwirtschaftliches System Platz. Ich hätte mir auch mehr Markt vorstellen können, aber, wie gesagt, wir haben auch noch einen dritten Verhandler mit im Boot gehabt: die Länder. Sie haben sehr gut, sehr effizient verhandelt. – Kompliment an die Ländervertreter, die heute hier im Haus anwesend sind! – Aber es war eben nicht alles, was wir uns vorgestellt haben, erreichbar und durchführbar. In Summe wurde und wird auch der Bereich Ökostrom von der Förderung her nach oben entsprechend gedeckelt.


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Für alles gemeinsam gilt, dass die Durchführung so sparsam wie nur möglich zu erfolgen hat. Daher haben wir auch die angedachte Ökostromgesellschaft herausreklamiert, weil wir der Meinung waren, dass das durchaus auch mit dem bestehenden Regelungssystem zu schaffen ist.

Wir hatten, wie bereits gesagt, bei den ohnehin sehr schwierigen und komplexen Verhandlungen einen dritten Verhandler mit im Boot, dessen Ansinnen und Überlegungen auch immer wieder mit berücksichtigt werden mussten. Nach den letzten Verhandlungen, die die Beamten entsprechend gefordert haben – wir haben eine ganze Nacht durchverhandelt –, war für uns klar, dass nicht mehr sehr viel von dem, was da ausverhandelt worden ist, von uns wiederum geöffnet und neu verhandelt werden kann – sonst wäre es wirklich ein Perpetuum mobile: wir wären nie zu einem Ende gekommen! –, auch wenn noch so berechtigte Anliegen von diversen Interessengruppen noch keine entsprechende Berücksichtigung gefunden hatten. Ich sage immer: Es ist kein Gesetz so gut, dass es nicht irgendwann später noch weiter verbessert werden könnte. Neue Zeit bringt neue Einsichten – und damit bekommt man auch eine neue, bessere Gesprächsbasis für so manches.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich abschließend bei den Beamten für ihren wirklich beispiellosen Einsatz in diesem Zusammenhang bedanken. Ich bedanke mich auch bei meinen Mitverhandlern Maximilian Hofmann von der freiheitlichen Fraktion und Karlheinz Kopf von der ÖVP; auch Frau Kollegin Glawischnig war erfreulicherweise mit eingebunden. Herzlichen Dank auch an dich, Herr Wirtschaftsminister, für deine Unterstützung aus dem Ministerium!

Die Verhandlungen waren, wie ich schon gesagt habe, nicht immer leicht, aber ich glaube, wir können sagen: Es ging nicht um Sieger und Verlierer, sondern es ging darum, im offenen Gasmarkt die bestmöglichen Preise für unsere Kunden zu erzielen, und um eine gesunde Umwelt. Ich glaube, dass sich in unseren Verhandlungen beides durchgesetzt hat, und dafür danke ich! (Beifall bei der SPÖ.)

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

19.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf beginnen, womit Kollege Oberhaidinger seine Ausführungen beendet hat, nämlich mit einem Dank für die, wie ich meine, sehr konstruktive Zusammenarbeit an den Herrn Bundesminister, an die Beamten seines Hauses, die wirklich mit Kompetenz und viel Verständnis für sehr mannigfaltige Anliegen zur Verfügung standen und einen wirklich sehr entscheidenden und maßgeblichen Beitrag zum Zustandekommen dieses Gesetzes geleistet haben, und nicht zuletzt auch an Georg Oberhaidinger, Karlheinz Kopf und Kollegin Dr. Glawischnig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die erste Stufe der Gasliberalisierung, die ja schon gesetzliche Gegebenheit ist, hat uns gezeigt, dass ein Handlungsbedarf besteht, weil diese Teilliberalisierung, wie ich meine, nicht in dem Maße funktioniert hat, wie sie wünschenswerterweise hätte funktionieren sollen. Es war also darauf Bedacht zu nehmen, diesbezüglich im Zuge der Totalliberalisierung eine Änderung herbeizuführen.

Bislang war die Liberalisierung begrenzt auf jene Abnehmer, deren Abnahmemenge über 25 Millionen Normkubikmeter Gas jährlich betrug, und hiervon waren eben nur wenige Unternehmen betroffen. Betroffen waren allerdings auch jene Unternehmen, die versucht haben, diesen ersten Schritt der Liberalisierung zu nutzen, und dann feststellen mussten, dass es sehr schwierig ist, den Netzzugang zu verhandeln.

Hier wurde, wie ich meine, etwas Vernünftiges gemacht: Es gibt jetzt einen geregelten Netzzugang, der sicherstellt, dass kurzfristige Zeitabläufe möglich werden, dass die Liberalisierung tatsächlich Einkehr hält. Und, was ich sehr begrüßenswert finde: Es ist dies nicht in weiteren Schritten und nicht unter Bedachtnahme auf EU-Erfordernisse, sondern vorzeitig gemacht


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worden, sodass auch der kleine Gasabnehmer in den Genuss dieser Liberalisierung, was sich dann pekuniär auswirken wird, kommt.

Verbunden mit einem geregelten Netzzugang ist auch ein starker Regulator erforderlich, der weisungsfrei und unabhängig sein muss. Das heißt, wenn er vom Wirtschaftsminister Weisungen erhält, dann sind dies Weisungen, die öffentlich zu machen sind, die transparent zu sein haben und die auch begründet werden müssen. Ich bin sehr froh, dass es auch gelingt, den Regulator, den wir bereits aus dem Strombereich kennen, sozusagen zusammenzuführen mit dem Regulator für den Gasmarkt.

Ich darf des Weiteren auf das bereits angesprochene Ökostromgesetz eingehen. Hier hat sich gezeigt, dass die ursprünglich angedachte und bislang aktuelle Förderung von förderbarer erneuerbarer Energie durch die Länder nicht zu dem gewünschten Ziel geführt hat. Dieses Ziel ist festgelegt mit einem Gesamtanteil des Stroms aus erneuerbarer Energie von 78,1 Prozent am gesamten Stromaufkommen.

Das Ziel schien durch die von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlichen Förderungen und durch die damit verbundenen Verzerrungen mehr als gefährdet. Insofern ist die Maßnahme, die heute gesetzt wird – nämlich eine bundesweite Vereinheitlichung des Fördersystems für die förderbaren erneuerbaren Energieträger vorzunehmen –, durchaus sinnvoll.

Etwas ganz Entscheidendes möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen: Wenn wir von Förderungen für erneuerbare Energieträger sprechen, dann muss uns auch bewusst sein, dass diese Fördervolumina letztlich natürlich auf den Konsumenten umgelegt werden und von ihm zu bezahlen sind. Insofern erscheint es mir auch sinnvoll, mit dieser bundesweiten Regelung zu einer höheren Effizienz im Rahmen des Fördermechanismus zu kommen, was sich in etwa so darstellt, dass das derzeit angedachte und hochgerechnete Fördervolumen mit der alten, bestehenden Regelung 400 Millionen € ausmachen würde, nunmehr jedoch auf 270 bis 275 Millionen € abzusenken sein wird, und vor allem, dass die Erreichung der Zielsetzung gewährleistet ist.

Ich darf allen Beteiligten danken. Abschließend möchte ich noch Folgendes festhalten: Ich weiß, dass es noch viele Wünsche gäbe, die Berücksichtigung finden sollten, aber es liegt wohl in der Natur der Sache, dass eine Gesamtbetrachtung durchzuführen ist, wenn es zur Vereinheitlichung eines Systems kommt, und nicht eine partielle Betrachtung, durch die möglicherweise eine Gruppe in einem Teil des genannten Förderbereiches einen Nachteil für sich erkennt. Ich denke, dass wir mit dieser Gesamtbetrachtung doch sehr zufrieden sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

19.22

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren in Österreich einige große Liberalisierungsprojekte umgesetzt und konnten den Konsumenten mit der Liberalisierung von Strom und Gas erhebliche Preisvorteile bescheren. Bei der Beschlussfassung des Gaswirtschaftsgesetzes 2000 war uns allerdings bewusst, dass eine Novelle des Gesetzes spätestens dann nötig sein würde, wenn wir zum letzten Schritt – der gänzlichen Marktöffnung für alle Gaskunden – kommen, dass wir aber zuvor doch einige Erfahrung darin sammeln würden müssen, wie denn die Öffnung des Marktes funktioniert.

Wir mussten feststellen, dass sie da oder dort doch mangelhaft war. Die Änderung hat also diese beiden Gründe: Wir haben zum einen gewusst, dass es neue Spielregeln brauchen wird, zum anderen, dass die Korrektur festgelegter Spielregeln nötig sein wird.

Ich denke, dass wir mit diesem Gaswirtschaftsgesetz, das ja von allen vier Fraktionen getragen wird, genau diesen Zielsetzungen gerecht werden. Wir haben mit der Zuständigmachung der bisherigen Elektrizitäts-Control GmbH und auch der Elektrizitäts-Control Kommission, die wir


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jetzt sinnvollerweise in "Energie-Control GmbH" und "Energie-Control Kommission"
. umbenennen, weil sie jetzt für beides, also für Gas und Strom, zuständig sein werden, meiner Meinung nach den richtigen Schritt gesetzt, nämlich dass ein Regulator über das Funktionieren dieses Wettbewerbes wacht und auch die notwendigen Marktregeln dazu festlegt.

Es gäbe noch viele Detailpunkte zu erwähnen; sie sind von meinen Vorrednern teilweise schon genannt worden. Ich denke, insgesamt liegt hier ein Gesetz vor, das dieser Marktöffnung und damit dem Spiel des Wettbewerbs den richtigen Rahmen geben wird.

Wir haben heute eine zweite Beschlussfassung durchzuführen, die eine Besonderheit darstellt: In Österreich besteht bekanntlich die Verfassungssituation, dass Energieangelegenheiten an sich Ländersache sind. Das hat auch dazu geführt, dass wir bei der Stromliberalisierung in weiten Bereichen den Ländern ihre Kompetenzen belassen haben. Das heißt, dass die Länder zum Beispiel auch für die Regelung der Förderung von Ökostrom – also Strom aus erneuerbaren Energieträgern – zuständig waren, was eben dazu geführt hat, dass wir derzeit in Österreich eine sehr zersplitterte Situation haben, was die Förderinstrumente beziehungsweise die Förderhöhen betrifft.

Mit der Zeit ist dann eigentlich bei allen der Wunsch entstanden und immer stärker geworden, man möge diese Länderregelungen österreichweit vereinheitlichen. Man muss ja auch sagen, dass die Ziele, die wir uns im ElWOG – also bei der damaligen Stromliberalisierung – gesteckt haben, was die Prozentanteile von Ökostrom am Gesamtstromaufkommen anbelangt, mit dieser länderweisen Regelung und den länderweisen Versuchen, diese Ziele zu erreichen, erstens möglicherweise verfehlt werden und zweitens vor allem nicht kosteneffizient genug erreicht werden können.

Ich denke, es ist sinnvoll, aber natürlich auch sehr mühevoll – das soll schon auch einmal betont werden –, so viele gegenläufige Interessen unter einen Hut zu bringen: auf der einen Seite den Anspruch auf größtmögliche Kosteneffizienz und Kosteneinsparung, auf der anderen Seite aber doch die legitimen Interessen von Ländern, die ja Ökoenergie gefördert sehen wollen und die auch sehen wollen, dass in ihren Ländern Investitionen in diesem Bereich getätigt werden, wieder andererseits das legitime Interesse der Stromkunden, dass die Kosten vertretbar bleiben. Ich glaube, dass die Österreicher und Österreicherinnen bereit sind, für diese Form der Stromaufbringung auch mehr Kosten in Kauf zu nehmen, aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze.

Ich meine, insgesamt liegt auch hier ein Gesetz vor, das erstens den Wunsch nach einer österreichweit einheitlichen Regelung umsetzt und dem es zweitens und vor allem gelingt, Kosteneffizienz zu erreichen. Wir wissen, dass die länderweise Regelung, die damit verbundenen Kosten für diese höheren Einspeisetarife im Endausbau ein Fördervolumen von über 400 Millionen € erforderlich gemacht hätten. – Die jetzt vorliegende Regelung wird im Stande sein, die Ökoziele mit einem Fördervolumen von etwa 270 Millionen € erreichbar zu machen. Das heißt, wir können den Stromkunden in Österreich 130 Millionen € an Kosten, die sie über Netzzuschläge zu tragen gehabt hätten, ersparen und trotzdem die gesteckten ökologischen Ziele erreichen. Ich meine, das ist eigentlich die wichtigste Botschaft im Zusammenhang mit diesem Gesetz.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es verdient auch Anerkennung, dass hier einige der Verhandler über ihren Schatten gesprungen sind – alle mussten wir über den einen oder anderen Schatten springen, ob die Länder, ob wir auf Bundesebene, ob die Opposition oder die Regierungsparteien –, dass es aber letzten Endes gelungen ist, ein wirklich kompaktes und homogenes Werk zu schaffen, wenngleich wir uns dafür auch ein bisschen Kritik dahin gehend eingehandelt haben, dass es sehr viel Planwirtschaft enthält. – Ich denke jedoch, angesichts der Schwierigkeit dieser Materie war es anders nicht zu regeln.

Insgesamt können wir hier ein Gesetz vorlegen, das wirklich zukunftsweisend ist und das auch der Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern in Österreich große Chancen einräumen


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wird. Dass zumindest drei Fraktionen dieses Hohen Hauses im Stande sind, diesem Gesetz zuzustimmen, zeigt ja, dass es auch von einer breiten Basis getragen wird.

Ich möchte mich abschließend – wie es meine Vorredner schon getan haben – noch sehr herzlich bei meinen Verhandlungspartnern in allen Fraktionen bedanken. Ich möchte mich sehr herzlich bei Herrn Bundesminister Bartenstein und seinen Beamten, angeführt vom Herrn Sektionschef Zluwa. und seinen Mitarbeitern, bedanken, bei Dipl.-Ing. Boltz. von der E-Control und seinen Mitarbeitern und bei allen, die sonst daran mitgewirkt haben, auch bei den Experten und Vertretern der Länder, die wirklich viele Stunden mit uns verhandelt haben und schlussendlich ein gutes Werk zu Stande gebracht haben. – Herzlichen Dank an alle! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

19.30

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Auch an mir ist es jetzt, Dank zu sagen. Ich möchte als Erstes zum Gaswirtschaftsgesetz Stellung nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der österreichische Gasmarkt ist ein wichtiger Markt mit einem Volumen von nicht weniger als 22 Milliarden Schilling – rund 1,6 Milliarden € – und 1,2 Millionen Kunden. Das bedeutet, dass die Vollliberalisierung des Gasmarktes für wesentliche Teile der Wirtschaft wichtig ist, aber auch für viele Haushaltskunden.

Die Experten der E-Control rechnen mit einer Kostenersparnis von etwa 10 bis 20 Prozent. Das ist nicht wenig und bringt insgesamt rund 160 Millionen € an Gewinn für unsere Volkswirtschaft, die Wirtschaft und die Haushaltskunden. Ich danke diesbezüglich allen vier Fraktionen, weil es allemal bemerkenswert ist, dass ein derartiges Gesetz von einem Vier-Parteien-Konsens getragen wird.

Wir haben in Österreich den Weg des regulierten Netzzuganges genommen. Wir haben sinnvollerweise – Karlheinz Kopf und Herr Abgeordneter Hofmann haben das schon erwähnt – den Regulator für Strom und Gas zusammengefasst. Das ist eine gute Sache. Wir wissen, dass Österreich in Sachen Liberalisierung im europäischen Spitzenfeld liegt, und können davon ausgehen, dass – ähnlich wie im Rahmen der hundertprozentigen Strommarktliberalisierung – letztlich auch die Branche profitieren wird.

Das ist das Gute an der Strommarktliberalisierung: Nicht nur, dass laut Herrn Dr. Kratena vom Wifo insgesamt bereits 700 Millionen € an Liberalisierungsrendite eingefahren wurden, es gibt auch sehr gute Bilanzen vieler Marktteilnehmer im Energiebereich, sodass man durchaus auch von einer Energiewirtschaft sprechen kann, die zumindest nicht allzu sehr unter der Vollliberalisierung des Strommarktes gelitten hat. – Ich hoffe und gehe davon aus, dass das auch im Gasbereich der Fall sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch bemerkenswerter als diese Vollliberalisierung des Gasmarktes und der Vier-Parteien-Konsens ist aber der Konsens zum Thema Ökostrom. Es haben hier nicht nur die politisch Verantwortlichen bestimmt – in Wirklichkeit waren über weite Strecken auch die Experten und Frau Dr. Glawischnig von der grünen Fraktion mit an Bord, die anderen drei Fraktionen ohnehin –, sondern es hat hier einen einmaligen Verhandlungsprozess gegeben.

Es war eigentlich die Initiative der Länder, die erkannt haben, dass diese Zersplitterung, diese "Verneunfachung" eines für die Wirtschaft wichtigen Themas für den Standort Österreich nicht gut ist. Über Bitte und im Auftrag der Länder haben die Experten unter der Führung von Sektionschef Zluwa durch Monate hindurch hart gearbeitet. Auch die Länderexperten waren eingebunden. Nicht alles ist immer ganz glatt gelaufen, aber das ist kein Wunder, wenn so unterschiedliche Partner am Tisch sitzen und wenn es um einen so ungewöhnlichen Vorgang


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geht, nämlich eine klassische Länderkompetenz wie die Ökostromregelung in eine bundeseinheitliche Regelung überzuführen.

Von durchverhandelten Nächten war schon die Rede. Es war ein außerordentlicher Arbeitseinsatz mit einem Ergebnis, das für die Ordnungspolitik im Energiebereich einen sehr schönen Rahmen ergibt. Das, was wir in Österreich jetzt an diesbezüglichen Gesetzgebungen haben – Gaswirtschaftsgesetz, ElWOG und Ökostromgesetz –, ist herzeigbar. Das ist beispielhaft, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dafür ist allen wirklich Dank auszusprechen.

Da die großen Anbieter in der österreichischen Energie- und Stromwirtschaft dieser Tage ihre Verhandlungen zum Konsortialvertrag abgeschlossen haben, bin ich optimistisch, dass einer österreichischen Stromlösung nichts mehr im Wege steht und dass noch vor dem echten Beginn der Urlaubssaison Ende dieses Monats die Verträge im Detail fertig sind und unterschrieben werden können, dass also so gesehen die österreichische Stromlösung per 1. Jänner nächsten Jahres operativ werden kann.

Das erhebliche Potential an Synergieeffekten bewegt sich in einer Größenordnung von nicht weniger als 80 Millionen € pro Jahr, aber an erster Stelle kommt es nicht unbedingt auf diese Summe an, sondern vielmehr darauf, dass jetzt Partner an einem Strang ziehen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten zumindest zum Teil eher gegeneinander gearbeitet haben.

Dieses Ökostromgesetz bringt aber auch finanziell etwas – Herr Abgeordneter Kopf hat bereits darauf hingewiesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 400 Millionen € pro Jahr ist kein kleiner Betrag. So viel hätte es wohl gekostet, wären die Länder weiterhin unterschiedlich und nicht geeint marschiert. Es wäre nicht einfach gewesen, trotz hoher Kosten, die jeweiligen Ökostromziele länderspezifisch zu erreichen, denn das eine Land hat viel Wind-, das andere viel Kleinwasserkraft, das dritte wiederum viel Biomasse, und im vierten ist die Kraft-Wärme-Kopplung ein Thema. Gemeinsam sind wir stärker, und die Länder und der Bund haben hier letztlich an einem Strang gezogen.

Herr Abgeordneter Kopf hat von 260 bis 270 Millionen € an Kosten und von rund 120 bis 140 Millionen € an Einsparungsvolumen gesprochen. – Dieses Drittel an Einsparungsvolumen ist wahrscheinlich sogar noch zu niedrig gegriffen, weil ja nicht damit zu rechnen ist, dass eine maximale Ökostromförderung und eine maximale KWK-Förderung zusammenkommen. Die KWK-Förderung wird ja bis 2008 beziehungsweise 2010 für Altanlagen degressiv auslaufen, sodass die Experten der E-Control und meines Hauses durchaus damit rechnen, dass eine Obergrenze von 220 Millionen € pro Jahr an Fördervolumen gegeben sein wird. – Das bedeutet dann eine Ersparnis um fast 50 Prozent gegenüber den 400 Millionen €, die bei getrenntem Marschieren erforderlich gewesen wären.

Frau Abgeordnete Glawischnig! Sie haben gesagt, das Ganze ist Ihnen zu planwirtschaftlich. Es kommt einem ein wenig eigenartig vor, wenn eine so respektable Vertreterin der Grünen mir vielleicht nicht ganz zu Unrecht den Vorwurf machen kann, das, wofür ich mitverantwortlich bin, sei zu planwirtschaftlich, zumal ich im Regelfall eher als zu marktwirtschaftlich auffalle, auch in diesem Hohen Hause. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das liegt aber ein bisschen in der Natur der Sache, weil per definitionem die spezielle Förderung von Ökostrom natürlich etwas Planwirtschaftliches ist. Überließe man den Ökostrom dem freien Markt, dann käme er nicht zu Stande. Die Kleinwasserkraft würde ein kümmerliches Dasein fristen, und mit Photovoltaik und Ähnlichem mehr kämen wir nicht weiter. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Da sind dann Instrumente wie eine Deckelung und Ähnliches Hilfskonstruktionen, die für einen gewissen Rahmen sorgen, was die Kosten betrifft. Wir müssen einfach anerkennen, dass Photovoltaik extrem sauber, aber auch extrem teuer ist. Wir haben deswegen eine Deckelung eingeführt, gleichzeitig können wir aber mit der notwendigen Flexibilität auf Entwicklungen reagieren und solche Deckelungen auch verändern.


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Dass hier ein Konsensprozess erforderlich ist und ich im Konsens mit den Ländern und dem Umwelt-, aber auch dem Konsumentenschutzministerium manches per Verordnung festlegen soll, das entspricht den Positionen der Länder und deren Interesse. Es ist den Ländern hoch anzurechnen, dass sie schließlich selbst zum Ausdruck gebracht haben, dass hiedurch aber keine Blockade entstehen soll. Wenn es sechs Monate lang zu keinem Ergebnis gekommen ist, ist der jeweilige Wirtschafts-, also Energieminister frei.

Also nochmals: Das ist ein ordnungspolitisch sehr bemerkenswertes Resultat, eine energiepolitische Weichenstellung, die international mehr als herzeigbar ist – und das de facto im Konsens aller vier Parlamentsfraktionen, im Konsens aller neun Bundesländer und auf der Basis exzellentester Verhandlungsleistungen vieler Experten, vor allem aber meiner leitenden Mitarbeiter, des Herrn Sektionschefs Zluwa – ich sage das noch einmal –, seiner Mitarbeiter und auch der leitenden Mitarbeiter der E-Control unter Herrn Dipl.-Ing. Walter Boltz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.38


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Totalliberalisierung des Gasmarktes in Österreich ist heute eigentlich eine Konsensmaterie. Ich möchte nahtlos an meine Vorredner anschließen und sagen: Im Grunde genommen war es eine große Leistung! Georg Oberhaidinger hat mir erzählt, die Verhandlungen haben einige hundert Stunden gedauert.

Ich denke, wenn man die Sache mit großer Verantwortung für Österreich betrachtet, sieht man, dass die Industrie und auch der Konsument jetzt zu billigeren Gaspreisen kommen werden und dass der Konsument das auch in der Geldbörse spüren wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wovon ist eigentlich die Rede? – Österreich verbraucht jährlich rund sieben Milliarden Kubikmeter Erdgas. Woher kommt dieses Erdgas? – Das wurde noch nicht erwähnt: 80 Prozent werden aus Russland importiert, die restlichen 20 Prozent aus Norwegen, aus der Nordsee, aus Algerien, und ein kleiner Teil kommt aus der europäischen Eigenproduktion. – Ich sage das, um auch einmal die Importabhängigkeit aufzuzeigen.

Das Gas kostet in der Rohproduktion 6 bis 7 Cent, und wenn es an den Konsumenten oder an den Haushalt geht, 40 bis 50 Cent pro Kubikmeter. Ich erwähne das, weil Erdgas einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren ist und letztendlich auch zu einer sehr großen wirtschaftlichen Prosperität und Entwicklung in Österreich beigetragen hat. Man hat sich sehr viel damit beschäftigt, und man sieht, wie rasch und zügig der Erdgasausbau vorangetrieben wird. Es sei hier auch angemerkt, dass Erdgas ein sehr umweltfreundliches Produkt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umstellung von PKWs auf Erdgas steckt eigentlich erst in den Kinderschuhen und ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, es wird dort geforscht. Ich bin aber davon überzeugt, dass es nicht lange dauern wird, bis das Erdgas auch in der Automobilindustrie seinen Einzug hält.

Seit August 2000 ist das Gaswirtschaftsgesetz nunmehr in Kraft. Durch die heute zu beschließende Novelle wird der freie Neuzugang für alle Gaskunden ab Oktober 2002 möglich sein.

Für unsere Fraktion sind alle wichtigen Punkte erledigt: Es gibt eine Missbrauchsaufsicht. Leitungsreserven können nicht reserviert werden. Es gibt eine Tariftransparenz, und das vor allem für die Kleinverbraucher, die von den Energiepreisen wahrscheinlich sehr gut profitieren werden. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn das ein Parteienkonsens wird, Einsparungen von rund 130 Millionen € im Jahr für die österreichische Bevölkerung erzielbar sind.

Es ist ein gutes Gesetz. Daher geben wir diesem Gesetz gerne die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

19.42

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Prinzip ist schon alles gesagt worden. (Abg. Gradwohl: Eben!)  – Ja, aber nicht von jedem.

Darum werde ich meine Ausführungen ganz kurz halten und zum Ökostromgesetz nur sagen, dass ich mit dieser Neuerung betreffend erneuerbare Energie, die jetzt auf die Beine gestellt worden ist, sehr zufrieden bin. Die bundeseinheitliche Regelung betrachte ich als sehr positiv. Die Änderung des alten Ökostrom-Förderungssystems war im Prinzip notwendig, denn die Regelung über die Länder war nicht das Gelbe vom Ei.

Die neue Regelung führt zu geringeren Kosten für die Endverbraucher: für den Konsumenten, für das Gewerbe und für die Industrie. Außerdem wird an den ökologischen Zielen nicht gerüttelt. Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energie auf über 78 Prozent der gesamten Stromerzeugung in Österreich bleibt weiterhin als Ziel aufrecht. Der Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung wird in Österreich in Zukunft möglich sein. Die Anhebung des Kleinwasserkraftanteils auf über 9 Prozent der Ökostromförderung erachte ich ebenfalls als einen Schritt in die richtige Richtung. Dem nunmehr entfallenden Zertifizierungssystem für Kleinkraftwerke, das in der Praxis nur mangelhaft funktioniert hat, weine ich keine Träne nach.

Beim Ökostromgesetz galt es, eine Fülle unterschiedlicher Interessen unter einen Hut zu bringen, und das ist gelungen. Nicht jeder ist mit jeder Detailfrage zu hundert Prozent einverstanden, aber Gespräche über Lösungen muss es immer wieder geben. Ich bin zuversichtlich, dass in Zukunft auch hier die Detailfragen positiv geklärt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

19.44

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Sicht der Wirtschaft ist das vorliegende Gaswirtschaftsgesetz ausgesprochen und ausschließlich positiv zu bewerten, denn die heimischen Unternehmen haben einen Preisrückgang von etwa 10 bis 20 Prozent – oder umgerechnet etwa 180 Millionen € pro Jahr – zu erwarten, und das ist für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich sehr, sehr positiv.

Das Ökostromgesetz hat positive und negative Seiten. Das möchte ich hier nicht verschweigen, weil es, was die Wirtschaft anbelangt, auch in den Medien teilweise so diskutiert wird. Es ist positiv, dass nunmehr eine bundesweite Optimierung der Förderungsstrategien möglich ist. Es ist auch das ökologische Ziel an sich positiv zu bewerten, denn würde jedes Land für sich allein agieren, so wäre die Lösung für Österreich insgesamt teurer geworden. Überdies haben die Investoren die von ihnen geforderte langfristige Rechtssicherheit.

Als negativ sehen wir es allerdings, dass die Reste der Landesförderungen und Landeszuschläge weiter bestehen, dass es keine Deckelung im Bereich des Ökostroms gibt und dass es leider keine Tarif- und Zuschlagsfestlegung durch den unabhängigen Regulator gibt. Dass das Zertifikatsmodell stirbt, sehen wir an sich schon mit einigem Bedauern, denn es war auch ein Vorschlag der EU und hätte vom System her doch eine Wettbewerbskomponente darstellen können.

Ich gehe jetzt zu einem ganz anderen Thema über, nämlich zum Dauerthema Gewerbeordnung. Hierzu haben wir einen Initiativantrag vorliegen. Der Initiativantrag hat im Wesentlichen zum Inhalt, dass wir die Unabhängigen Verwaltungssenate – weil dies systematisch der Verwal


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tungsreform entspricht – auch im gesamten Verfahren der Gewerbeordnung einführen. Hätten wir das schon vor drei Wochen gemacht, wäre das Problem entstanden, dass es, weil die Länder zustimmen müssen, insgesamt eine Verzögerung hätte geben können. Das ist nicht erwünscht, weil wesentliche Inhalte der Gewerbeordnung jetzt schon – und vermutlich wird die Kundmachung mit 1. August erfolgen – gelten sollen.

Ich darf in diesem Zusammenhang folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen zum Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes des Wirtschaftsausschusses (1222 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

"Der oben zitierte Initiativantrag (713/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (1222 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Im § 137 wird der Abs. 5 gestrichen."

Hier geht es um die Ihnen teilweise aus den Mails, die Sie erhalten haben, bekannte Problematik der Versicherungsagenten und Versicherungsmakler. Ich glaube, wir haben eine faire Lösung gefunden. Die faire Lösung sieht so aus: Da eine EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie zu erwarten ist, wollen wir diese Richtlinie abwarten und jetzt nicht in die Praxis eingreifen. In weiterer Folge wird sich ohnedies eine Konsequenz und damit Handlungsbedarf oder Nichthandlungsbedarf ergeben. Daher wird, bevor sich in der Praxis etwas ändert und die eine oder andere Existenz gefährdet wird, im Rechtsbereich der Status quo, wie er früher bestanden hat, wiederhergestellt.

"2. Nach der Z 3 werden folgende Z 3a und Z 3b eingefügt: ..."

Das heißt im Klartext und in der Umsetzung, dass einige technische Präzisierungen, was den Umfang der Gewerbetätigkeit insbesondere der Mechatroniker anbelangt, vorgenommen werden. Im Wesentlichen sind das alles Bestimmungen, die im Haus der Wirtschaftskammer einvernehmlich auch mit den anderen Berufsgruppen abgeklärt sind und daher aus meiner Sicht positiv zu bewerten sind.

"3. Nach der Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt: ..."

Hier geht es um die Nichtigerklärung von Bescheiden und die Löschung aus dem Gewerberegister, und hierbei wird auch technisch etwas präzisiert.

Insgesamt sind die von mir angesprochenen und präzisierten Änderungen nichts anderes als technische und praxisorientierte Klärungen, die im Sinne des Standortes Österreich vorzunehmen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der in seinen Kernpunkten soeben erläuterte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und daher auch mit zur weiteren Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen zum Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes des Wirtschaftsausschusses (1222 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (713/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (1222 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Im § 137 wird der Abs. 5 gestrichen.

2. Nach der Z 3 werden folgende Z 3a und Z 3b eingefügt:

"3a. § 150 Abs. 10 lautet:

"(10) Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) sind auch berechtigt, die Tätigkeiten der Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung und der Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik auszuüben.""

"3b. § 150 Abs. 15 lautet:

"(15) Mechatroniker für Maschinen- und Fertigungstechnik (§ 94 Z 49) sind auch zum Instandsetzen von Motorrädern, zur Ausübung der Gewerbe der Schlosser (§ 94 Z 59), der Landmaschinentechnik (§ 94 Z 59), der Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik (§ 94 Z 49) und der Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung (§ 94 Z 49) sowie der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) berechtigt. Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung (§ 94 Z 49) sind auch zur Ausübung der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) sowie der Tätigkeiten der Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) berechtigt. Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik sind auch zur Ausübung der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) sowie zur Ausübung der Tätigkeiten der Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) berechtigt.""

3. Nach der Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt:

"6a. § 363 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift vor dem § 363 lautet:

"m) Nichtigerklärung von Bescheiden und Löschung aus dem Gewerberegister"

b) Dem § 363 wird folgender Abs. 4 angefügt:

"(4) Wird eine natürliche Person oder ein sonstiger Rechtsträger auf Grund der Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 340 Abs. 1 in das Gewerberegister eingetragen und liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 vor, so kann die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes mit Bescheid die Löschung der Eintragung verfügen. Bis zum Eintritt der Rechtskraft des Löschungsbescheides darf das Gewerbe ausgeübt werden. Im Löschungsverfahren sind die Abs. 2 und 3 anzuwenden.""

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

19.48

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte auch zwei Anmerkungen machen, eine zur Gewerbeordnung und eine zur Energiepolitik.


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110. Sitzung / Seite 195

Hinsichtlich der Gewerbeordnung spreche ich zu dem gleichen Thema, zu dem mein Kollege Mitterlehner gesprochen hat, nämlich zu dem Antrag 713/A der Abgeordneten Mitterlehner und Hofmann. Hier gibt es aus unserer Sicht ein Problem, das zu lösen ist:

Derzeit sieht der § 371a Gewerbeordnung aus 1994 vor, dass der Landeshauptmann lediglich dann Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben kann, wenn der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates ein Straferkenntnis betrifft. Nunmehr besteht die Absicht, den Unabhängigen Verwaltungssenat auch in Administrativverfahren als Berufungsinstanz einzurichten. In Administrativverfahren hätte der Landeshauptmann nach der derzeitigen Rechtslage nicht die Berechtigung, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Hier wollen wir eine Einheitlichkeit der Spruchpraxis und damit mehr Rechtssicherheit erwirken.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eder und KollegInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Wirtschaftsausschusses 1222 der Beilagen über den Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Folgende Z 6a wird angefügt:

"6a. § 371a lautet:

,§ 371a. Der Landeshauptmann ist berechtigt, gegen Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Gegen ein Straferkenntnis steht dieses Recht dem Landeshauptmann nur dann zu, wenn der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates das Straferkenntnis der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben hat.‘"

*****

Ich möchte weiters eine kurze Bemerkung zur Energiepolitik machen. Alles, was bisher schon gesagt wurde, kann ich nur unterstreichen, darf aber trotzdem auf eine Bemerkung hinweisen, die wir im Ausschuss diskutiert haben, Herr Bundesminister, nämlich dass wir gemeinsam versuchen sollten, vor allem die berühmte österreichische Energielösung, diese Stromlösung auch im Kontext der Europäischen Union folgendermaßen zu sehen.

Hier schaue ich mir zum Beispiel das "Handelsblatt" an und lese darin, dass Experten wie der deutsche Bankanalyst Lüder Schumacher meinen, dass am Ende in Europa nur noch sechs große Akteure übrig bleiben werden. Die Staatsgesellschaften Electricité de France und Schwedens Wattenfall konzentrieren sich dabei immer mehr auf das Stromgeschäft. Die Energieunternehmen Deutschlands E.ON und RWE verfolgen dagegen einen so genannten "Multi Utility"-Ansatz, das heißt, es kommen auch andere Energiebereiche hinzu. Da muss uns nur klar werden, was das in Summe für Player auf dem europäischen Markt und deren Konkurrenz in Zukunft bedeutet.

Erlauben Sie mir, hier in Bezug auf die Größenordnung zum Beispiel zu erwähnen, dass nur ein Konzern in der deutschen Energielandschaft, nämlich der RWE-Konzern, allein einen Konzernumsatz von 33 Milliarden €, das sind 460 Milliarden Schilling, verzeichnet – das ist ungefähr fünf Mal so viel wie der Umsatz des größten österreichischen Energieunternehmens – und daraus einen Ertrag von 50 Milliarden Schilling erzielt. Daran sehen wir schon, mit welchen Größenordnungen wir es in Zukunft zu tun haben werden.


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Daher wird es umso wichtiger sein, dass wir möglichst eine große österreichische Unternehmung haben, die nicht nur auf dem österreichischen Markt, sondern auch auf dem europäischen Markt mitspielen kann. Ich meine, dass es nicht zielführend ist, dass es in Zukunft so sein soll, dass wir durch all das, was wir heute beschlossen haben und was wir schon letztes Mal beim ElWOG beschlossen haben, zwar vorübergehend Preissenkungen für die Konsumenten erhalten, aber im Endeffekt dann, wenn die fünf oder sechs großen europäischen Konzerne alles in Europa beherrschen werden, durch diese Oligopole mit den Preisen wieder in die Höhe kommen werden.

Herr Bundesminister! Ich glaube, dass wir auch hier gemeinsam – wie wir es heute und hier bewiesen haben – in die Richtung weiterarbeiten sollten, dass wir in Zukunft auch den Energie-markt in Österreich mit guten und wirtschaftlich sehr starken österreichischen Energieunternehmen weiterführen können. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Eder vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und daher mit zur weiteren Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

19.53

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Obwohl das Gaswirtschaftsgesetz natürlich einen enormen Stellenwert hat, Herr Bundesminister, möchte ich mich jetzt auf einige Ausführungen zur Gewerberechtsnovelle beschränken. Diese hat eine besonders aktuelle Thematik.

Ich finde es ebenfalls gut, Herr Kollege Kopf, dass wir uns darauf geeinigt haben, auf Grund des aktuellen Streits zwischen Versicherungsmaklern und -agenten hier die Sache noch einmal von Grund auf zu überdenken und sozusagen zurück an den Start zu gehen, damit wir uns im Herbst in aller Vernunft, mit aller Rationalität nochmals diesem Thema widmen können, sobald die neue EU-Vermittlerrichtlinie in Kraft gesetzt sein wird. Es sollte allerdings auch dazugesagt werden, dass wir uns im Wege eines Parteiengespräches vorgenommen haben, dies nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern es unverzüglich umzusetzen, sodass auf dem Markt faire Bedingungen, die für alle transparent und nachvollziehbar sind, herrschen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es in dieser Hinsicht Regelungsbedarf gibt. Es ist heute zum Beispiel so, dass Großbritannien fast überhaupt keine Versicherungsagenten kennt, sondern dort alles über Makler abgewickelt wird. In Holland ist es ähnlich. In Österreich – das muss ich schon sagen – kann Wettbewerb nur der im Namen und im Interesse des Kunden agierende Versicherungsmakler herbeiführen, aber nicht der Versicherungsagent.

Aber, meine Damen und Herren, wir wollen faire Bedingungen schaffen. Wir wollen auch Übergangszeiträume schaffen, sodass Berufsbilder nicht grundsätzlich verbaut werden und auch Versicherungsagenten die Chance bekommen, sich innerhalb einer angemessenen Frist einer europaweit neuen Situation anzupassen und geordnet in ein neues Berufsbild überzugehen. Ich halte das für sehr wesentlich und auch für gut im Interesse des Konsumenten. Es ist außerdem gut aus Sicht der Betroffenen, jetzt mit klaren Verhältnissen zu argumentieren und zu operieren, sodass man in Zukunft die emotionale Seite etwas beiseite lassen kann.

Aus der Sicht der Versicherungswirtschaft, aus der Sicht der großen Versicherungsunternehmen ist natürlich ganz klar, dass sie lieber mit Versicherungsagenten operieren wollen, weil das für die Versicherungswirtschaft oder für die Unternehmen der etwas günstigere Vertriebsweg ist. Man hat da vielleicht auch versucht, ein bisschen an Kosten zu sparen. Ich meine aber, dass der Markt transparent dargestellt werden muss und dass das ein hohes, im allgemeinen Interesse stehendes Gemeingut ist. Daher haben wir gemeinsam in vollem Einklang mit den Rahmenbedingungen der Europäischen Union Bedingungen herbeizuführen, die europaweit gelten und die für alle klar und nachvollziehbar sind.


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Ich bin daher froh darüber, dass wir diese Einigung erzielt haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

19.57

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das jetzt in Verhandlung stehende Ökostromgesetz wird eine praktikablere Regelung, als sie für den Ökostrom bisher im ElWOG verankert gewesen ist, mit sich bringen.

Im ElWOG ist vorgesehen, dass 4 Prozent an Strom aus Biomasse bis zum Jahr 2008 als Zielwert anzusehen sind, 9 Prozent des Stroms aus Kleinwasserkraftwerken stammen und insgesamt 78 Prozent des in Österreich produzierten Stroms aus erneuerbarer Energie kommen sollen. Nur gilt jetzt laut ElWOG, dass jedes Land für sich diese Prozentwerte zu erbringen hat. Das ist mit größeren Schwierigkeiten verbunden, weil die einzelnen Ausstattungen und Möglichkeiten in den Ländern unterschiedlich sind. Außerdem ist mit dieser Beschlussfassung ein Entschließungsantrag verbunden, wonach der Anteil des Stroms aus Biomasse ab dem Jahre 2008 nach Möglichkeit auf 5 Prozent angehoben werden sollte.

Um diese Ziele zu erreichen, können Zuschläge für Stromkunden bis zu 0,34 Cent je Kilowatt eingehoben werden. Diese Zuschläge werden allerdings mit höchstens 275 Millionen € gedeckelt. Während bei Kleinwasserkraftwerken der Zielwert schon fast erreicht ist, liegt die Produktion von Ökostrom erst bei etwa 1 Prozent. Hier könnten wir noch eine Vervierfachung der derzeitigen Produktion erreichen.

Wenn wir – und wir haben heute schon sehr ausführlich darüber diskutiert – in Europa den Ausstieg aus der Atomenergie forcieren wollen, dann müssen wir auch so ehrlich sein, alternative Energien zu finden. Da derzeit in Europa rund 30 Prozent der gesamten Strommenge in Atomkraftwerken erzeugt werden, haben wir hier noch große Möglichkeiten, durch erneuerbare Energie zumindest einen Teil dieser Strommenge abzudecken. In Österreich werden zum Beispiel nur zwei Drittel des Zuwachses in unseren Wäldern genutzt. Hier haben wir für erneuerbare Energie aus Biomasse wirklich ein enormes Produktionsvolumen vor uns.

Mit dem vorliegenden Gesetz werden die Weichen für eine positive Zukunft der erneuerbaren Energie in Österreich gestellt. Investitionen in Milliardenhöhe werden in den nächsten Jahren Österreich wieder an die Position eines Vorreiters in der EU heranführen. Besonders der ländliche Raum kann davon mit zusätzlichen Arbeitsplätzen und Wertschöpfungen profitieren.

Durch das neue Ökostromgesetz kann die Erzeugung von Energie aus Biomasse weiter gefestigt werden. Das eröffnet unseren Bauern eine ganz klare Einkommensalternative zur Nahrungsmittelherstellung.

Das Vorhandensein dieses zweiten Standbeins für die landwirtschaftlichen Betriebe hat auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaft im gesamten ländlichen Raum, denn auch angesichts modernster vorhandener Potentiale für nachwachsende Energieträger schafft das bis zu 60 000 zusätzliche Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Diese Zahlen betreffen nicht nur Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft und im Gewerbe, sondern auch in den Bereichen Errichtung und Betrieb notwendiger Anlagen. Somit ist dies für alle Berufsgruppen und alle Schichten der Bevölkerung von großem Vorteil. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer.

20.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zunächst möchte ich zu dem von Herrn Dr. Mitterlehner eingebrachten Abänderungsantrag zur


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Novellierung der Gewerbeordnung anmerken, dass er damit eine Änderung im Hinblick auf eine Übergangsfrist beantragt, die ihm notwendig erscheint. – Tatsache ist jedoch, dass wir vor drei Wochen eine Regelung beschlossen haben, die heute schon als EU-Richtlinie bekannt ist und auch bereits praktisch vorliegt. Das vor drei Wochen von uns beschlossene Gesetz ist eine wörtliche Wiedergabe davon. Heute soll das jedoch wieder zurückgenommen werden.

Ich möchte Sie, in Anbetracht dessen, dass das bereits als EU-Richtlinie vorliegt, ersuchen, diese Änderung nicht vorzunehmen! Sinngemäß wurde das auch aus dem Büro Brüssel mitgeteilt.

Ich möchte auch noch kurz eine Bemerkung zur Frage der gesamten Neustrukturierung der Energiewirtschaft machen: Auch ich bin sehr froh darüber, dass diese bedeutende Gesetzesmaterie gemeinsam getragen wird und wir diese Neuordnung gemeinsam treffen, weil ich meine, dass dies ein gewaltiger Schritt in Richtung Liberalisierung ist, die 1998 mit der Liberalisierung im Energiebereich beziehungsweise im Elektrizitätsbereich begonnen hat. Im Jahre 2000 folgte die Vollliberalisierung mit der teilweisen Liberalisierung auch des Gasmarktes, und nun wird auch im Bereich des Gasmarktes voll nachgezogen. – Ich glaube, das sind wirklich gewaltige Schritte, die noch dazu ergänzt werden durch eine Ökostromregelung und durch die Möglichkeit, für erneuerbare Energien nun auch eine entsprechende Unterstützung zu bekommen.

Ich meine, dass wir diesen Grundgedanken der Liberalisierung immer unterstützt und mitgetragen haben, weil wir davon ausgegangen sind, dass diese Schritte der Liberalisierung letztlich allen zugute kommen. Ich glaube, dass es die oberste Prämisse ist, dass es nicht nur um die Großkunden gehen darf, sondern auch um die Kleinabnehmer von Energie. Daher muss es Aufgabe des Bundesministers und des Regulators sein, auch dafür Sorge zu tragen, dass die Vorteile aus der Liberalisierung tatsächlich allen zugänglich gemacht werden.

Ich bin der Meinung, dass die Überwindung der Monopolstrukturen in Österreich durchaus Sinn macht, und ich meine auch, dass wir alles tun müssen, um eine starke österreichische Energiegruppe zu haben – und dazu habe ich, wie ich glaube, auch sehr viel beigetragen –, und dass es wichtig ist, dass man sich im europäischen Konnex eines Binnenmarktes bewegen und auch als Player entsprechend auftreten kann.

In diesem Zusammenhang möchte ich nur noch eine Anmerkung in Bezug auf den Regulator machen. – Ich halte es für höchst kontraproduktiv, wenn in der Öffentlichkeit gewisse Äußerungen zur österreichischen Stromlösung getroffen werden, die wir alle gemeinsam wollen und die, wie der Herr Bundesminister ausgeführt hat, nun auf gutem Wege ist, auch umgesetzt zu werden. Ich meine, dass da eine gewisse Definition des Selbstverständnisses vorgenommen werden soll und nicht eine Art "Überministergefühl" Platz greift, es sei denn – das sage ich jetzt einschränkend –, dass es der Herr Bundesminister vielleicht manchmal gar nicht so ungern sieht, wenn jemand anderer Aussagen trifft, die er nicht treffen will. Ich hoffe aber, dass das nicht der Fall ist, und meine, dass die Selbstdefinition eine wichtige Frage des Regulators für sein künftiges Wirken sein wird. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet.

Ich gehe davon aus, Herr Abgeordneter, dass Ihnen die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung bestens bekannt sind. – Bitte.

20.06

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Bauer hat gerade behauptet, es gäbe im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung eine Richtlinie der EU, die genau dem Gesetzestext entspräche, den wir vor drei Wochen in derselben Angelegenheit – Versicherungsmakler und Versicherungsagenten – beschlossen haben.


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Tatsache ist, dass es keine verbindliche, nämlich beschlossene, EU-Richtlinie gibt, sondern nur einen Entwurf, der vom Rat eben noch nicht beschlossen wurde, und dass auch noch nicht feststeht, wann die Umsetzung der Richtlinie tatsächlichen erfolgen wird.

Das heißt: Es gibt erstens keinen diesbezüglichen Richtlinienbeschluss und zweitens auch noch keine Umsetzungsfrist für den Bereich Österreich. Das ist natürlich ein gravierender Unterschied, und es müsste den einzelnen Sparten, insbesondere den Agenten, wenn die Richtlinie inhaltlich wirklich so kommt, eine entsprechende Übergangsfrist eingeräumt werden, die wir eben vor drei Wochen nicht beschlossen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. – Bitte.

20.07

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zum Thema Gaswirtschaftsgesetz, zu dem es erfreulicherweise auch die Zustimmung der großen Oppositionspartei gibt, möchte ich anmerken: Diese Bundesregierung hat sich immer stark und konsequent für eine rasche Liberalisierung des Strommarktes und jetzt auch des Gasmarktes eingesetzt. Diese Maßnahmen dienen dem Wirtschaftsstandort Österreich und kommen natürlich auch den österreichischen Konsumenten zugute.

Der erste Bericht der E-Control, der jetzt als Jahresbericht 2001 vorliegt, zeigt, welch umfassendes und komplexes Regelwerk notwendig war, um die Liberalisierung zu ermöglichen, und dass auch die Aufgabe einer optimalen Information und Transparenz für den Konsumenten gut erfüllt wurde. Die Gesetze zur Liberalisierung dienen somit nicht nur der Kostensenkung, sondern erfüllen auch ihre anderen wichtigen Aufgaben.

Meine Damen und Herren! Auch das Ökostromgesetz stand im Dienste dieser raschen Liberalisierung und fügt sich konsequent in die von der ÖVP immer wieder forcierte Linie der Sicherung von Ressourcen ein. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das von Josef Riegler ausgearbeitete Konzept zur ökosozialen Marktwirtschaft, ich erinnere auch an das erst jüngst erschienene, im Speziellen von Willi Molterer ausgearbeitete Strategiepapier der österreichischen Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung beziehungsweise an den heutigen Antrag zur Antiatompolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel des Ökostromgesetzes ist es, die alternative Energiegewinnung zu fördern und den in Österreich sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien von 72 Prozent auf 78 Prozent zu erhöhen. Positiv an diesem neuen Gesetz ist, dass es eine österreichweit einheitliche Regelung darstellt. Es wurde vor allem auch von allen Interessengruppen unterstützt, dass die jetzige Regelung sparsamer ist als die bisherigen Förderungen, und zwar – wie Herr Bundesminister Bartenstein schon erwähnt hat – wahrscheinlich sogar um fast 50 Prozent, sodass dadurch möglicherweise fast 200 Millionen € an Förderungsmitteln eingespart werden können und die Ökoziele dennoch erreichbar sind.

Als Wienerin möchte ich aber auch erwähnen, dass es durch das neue Ökostromgesetz im Zusammenhang mit der von Wien als Zuschlag zum Strompreis eingehobenen KWK-Abgabe nun zu einer österreichweiten Verumlagungsregelung und dadurch zu einer Senkung kommt. Es wurde auch im E-Control-Bericht explizit erwähnt, dass der von Wien eingehobene KWK-Zuschlag eindeutig zu hoch berechnet war.

Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit kann sicherlich nur durch einen sparsamen Verbrauch von Ressourcen erreicht werden. Der Einführung von Ökosteuern stehen wir aber kritisch und skeptisch gegenüber. Wir wollen diese genau prüfen, wie Sie das auch dem Bericht zur Nachhaltigkeit entnehmen können.

Wir glauben aber – und das zeigt auch dieses Ökostromgesetz –, dass das ein sehr sensibler Bereich ist und dass es natürlich große Bereiche gibt, die davon sofort betroffen sind, die hier auch nur von einer Glättungsregelung massiv betroffen sind. Das heißt, Ökosteuern sind im


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Vorfeld genau zu prüfen, und erst dann kann man über eine Einführung sprechen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

20.11

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben heute ein für die österreichische Volkswirtschaft sehr wichtiges Gesetz neu geschaffen, das sich für die Standortentwicklung in Österreich jedenfalls in nächster Zeit sicherlich positiv auswirken wird. Es ist für die Unternehmungen und die Industrie, aber auch für die Konsumenten mit Nutzen verbunden.

Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist, und bedanke mich ganz im Besonderen bei Georg Oberhaidinger, der ein wehrhafter Streiter und Kämpfer für diese Regelungen war und dazu beigetragen hat, dass es zu dieser Einigung kommen konnte.

Ich möchte allerdings feststellen, dass die österreichische Wirtschaftspolitik nicht immer so konsensual läuft und wir mit der Politik der Bundesregierung nicht immer einverstanden sind. Es gibt auch heute eine Entscheidung im gewerberechtlichen Bereich, der wir nicht zustimmen werden.

Ich glaube, dass wir in Österreich derzeit zu wenig aktive Wirtschaftspolitik betreiben. Das zeigen auch die neuesten EUROSTAT-Daten über die wirtschaftliche Entwicklung, nach welchen Österreich in Europa inzwischen Schlusslicht ist. (Bundesminister Dr. Bartenstein : Wo sind wir Schlusslicht?) Ganz besonders dramatisch ist der Rückgang der Binnennachfrage um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Diesbezüglich ist Österreich wirklich Schlusslicht in Europa. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das muss ein Irrtum sein!) – Das sind neue EUROSTAT-Zahlen! Ich kann sie Ihnen dann sehr gerne zeigen! Ich habe sie erst heute bekommen!

Ich glaube, dass durch die ausgewiesene gute Beschäftigungslage strukturverändernde Aktivitäten nur vorgetäuscht werden. Tatsächlich ist es so, dass es beispielsweise im Bereich der Saisonniers sehr viele und sehr großzügige Regelungen gibt. Wir haben inzwischen auch Ganzjahres-Saisonniers. Das ist wohl eine sehr eigenartige Definition! Auch gibt es eine Art Wochenlöhner, nämlich die Wochenpendler, die in Zukunft nach Österreich einreisen und hier arbeiten dürfen, ohne hier einen Wohnsitz haben zu müssen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass diese Aktivitäten im Zusammenhang mit der Ausländerbeschäftigung negative Auswirkungen auf die österreichische Arbeitslosenrate, mit Sicherheit aber eine gute Wirkung auf die Beschäftigungssituation in Österreich insgesamt haben werden. Nichtsdestoweniger glaube ich, dass es nicht normal ist, wenn die Zahl der Beschäftigten steigt und die Zahl der Arbeitslosen trotzdem zunimmt.

In diesem Sinne erhoffen wir uns von Ihnen, Herr Bundesminister, auch im Beschäftigungsbereich eine intensivere und arbeitsmarktfreundlichere Politik! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

20.14

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Meine zweite Wortmeldung hätte eigentlich nur dazu dienen sollen, Versäumtes nachzuholen, nämlich drei Anträge einzubringen.

Ganz kurz möchte ich jedoch noch ein Wort an Kollegen Bauer richten, und zwar zu seiner Bemerkung betreffend Dipl.-Ing. Boltz und seine öffentlichen Aussagen zur Österreichlösung: Ich glaube, wir alle freuen uns, wenn diese Österreichlösung zustande kommt. Auf der anderen Seite gilt es dabei aber natürlich auch, Wettbewerbsaspekte zu beachten und auf diese auf


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merksam zu machen. Ich denke, es ist nicht nur das gute Recht, sondern die Aufgabe eines Regulators, auf solche Dinge aufmerksam und diese bewusst zu machen, und ich meine, Dipl.-Ing. Boltz hat hier nichts anderes getan, als seiner Aufgabe nachzukommen.

Nun aber zu den Anträgen. – Zunächst erläutere ich den umfangreichen Abänderungsantrag der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann und Oberhaidinger nur kurz in seinen Grundzügen:

Im ersten Punkt geht es darum, die Abnahmepflicht für Ökoenergie genau zu regeln und in diesem Zusammenhang auch eine spezielle Bestimmung für Photovoltaik-Kleinanlagen zu schaffen.

Im zweiten Punkt soll im Rahmen einer Verfassungsbestimmung eine Übergangsbestimmung betreffend die Neuanlagen, deren Errichtung bis 2004 genehmigt wird, getroffen werden.

Weiters geht es in diesem Abänderungsantrag um die Sicherstellung von Verträgen über Stromlieferung aus Ökostromanlagen beziehungsweise auch betreffend Verträge, die auf den jetzt abgeschafften Zertifikaten, dem Zertifikatshandel basieren.

Schlussendlich soll damit noch eine Verfassungsbestimmung getroffen werden, die unter § 66 auch Verträge regelt, denen ursprünglich schon durch das alte ElWOG die Basis entzogen wurde.

Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger und Kollegen zur Regierungsvorlage 1116 der Beilagen über ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes 1242 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage (1116 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (1242 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

Im Artikel 1 Z 40 erhalten in Anlage 2 die Z 6 bis 10 die Ziffernbezeichnungen "7" bis "11"; als Z 6 wird eingefügt:

"6. Die Pyhrnleitung, Fortsetzung im steiermärkischen Netz bis zu der unter Z 5 benannten Leitung;"

*****

Schließlich bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger und Kollegen zum Bericht und Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgen und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Koppelung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 geändert werden (1243 der Beilagen), betreffend Betrauung der EXAA mit der Verwertung von Ökoenergie

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, mit den Regelzonenführern in Gespräche einzutreten, inwieweit die Grazer Strombörse von den Regelzonenführern als geeignete Einrichtung zur Erfüllung der ihnen vom Gesetz übertragenen Aufgaben herangezogen werden kann.

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die von Abgeordnetem Kopf vorgetragenen beziehungsweise in den Kernpunkten erläuterten Anträge sind ausreichend unterstützt, stehen in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur weiteren Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger und KollegInnen zum Bericht und Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 geändert werden (1243 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Bericht und Antrag (1243 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Im Artikel 1 lautet § 10 Abs. 2:

"(2) Die Abnahmepflicht gemäß Abs. 1 ist nur gegeben, wenn die gesamte aus einer Ökostromanlage in das öffentliche Netz abgegebene elektrische Energie in einem, mindestens drei Kalendermonate dauernden Zeitraum an die Ökobilanzgruppenverantwortlichen abgegeben wird und der Betreiber dieser Anlage Mitglied der Bilanzgruppe gemäß § 16 Abs. 1 ist, wobei der Eigenverbrauch in Abzug zu bringen ist. Hinsichtlich Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie aus Photovoltaik, die im Zusammenhang mit Gebäuden errichtet werden und eine installierte Leistung von 20 kW nicht übersteigen, besteht eine Pflicht zur Abnahme auch dann, wenn das gemäß Abs. 1 Z 1 oder durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit bestimmte bundesweite Gesamtausmaß überschritten wurde, wobei jedoch in diesem Fall – unbeschadet von Förderungen gemäß § 30 Abs. 4 – die gemäß § 11 bestimmten Preisansätze nicht anzuwenden sind. Ab 1. Jänner 2005 kann der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Erreichung der im § 4 bestimmten Zielsetzungen durch Verordnung die Abnahmepflicht von elektrischer Energie aus Photovoltaikanlagen gemäß Abs. 1 Z 1 erhöhen."

2. (Verfassungsbestimmung) Im Artikel 1 lautet § 30 Abs. 4:

"(4) Sind für Neuanlagen, für die bis 31. Dezember 2004 die für die Errichtung erforderlichen Genehmigungen vorliegen und die bis 31. Dezember 2005 nachweislich errichtet sind, die Preise gemäß § 11 niedriger als die bis zum 1. Oktober 2001 in den Ländern auf Grundlage des § 34 Abs. 1 ElWOG verordneten Einspeisetarife, wird der Landeshauptmann ermächtigt, die Mindestpreise gemäß § 34 Abs. 1 ElWOG durch Verordnung fortzuschreiben und die Bedeckung dieses Mehraufwandes aus den, durch einen mit Verordnung des Landeshauptmannes festzusetzenden, ergänzenden Zuschlag zum Netznutzungsentgelt für die gesamte Laufzeit der erhöhten Tarife für alle Endverbraucher im Bundesland vorzunehmen. Soweit diese Verordnungen keine Befristungen für die Gewährung der Einspeisetarife enthalten, gelten die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme geltenden Tarife ab Inbetriebnahme der Anlage auf die


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110. Sitzung / Seite 203

Dauer von zehn Jahren weiter. Dieser Zuschlag zum Netznutzungsentgelt ist auf der Rechnung für Netznutzung gesondert auszuweisen.

3. (Verfassungsbestimmung) Im Artikel 1 lautet § 30 Abs. 8:

(8) Verträge,

1. die Stromlieferungen aus Ökostromanlagen,

2. die Stromlieferungen aus Kleinwasserkraftwerksanlagen, oder

3. die die Einräumung von Rechten zum Bezug von Kleinwasserkraftzertifikaten oder zum Handel mit Kleinwasserkraftzertifikaten,

zum Gegenstand haben, sind – soweit erforderlich – diesem Bundesgesetz anzupassen. Betreiber von Kleinwasserkraftwerksanlagen, die auf Bestandsdauer der Anlagen das Recht zum Bezug der in diesen Anlagen produzierten Energie sowie die zugehörigen Zertifikate an Dritte übertragen haben, haben erst dann Anspruch auf einen Einspeisetarif gemäß § 11, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Kleinwasserkraftwerksbetreiber und dem Zertifikatsberechtigten der neuen Erlösstruktur der Kleinwasserkraftwerke durch Einspeisetarife gemäß Ökostromgesetz beziehungsweise durch den Entfall der Zertifikatsgenerierung ab 1. Jänner 2003 unter ausdrücklicher Zustimmung beider Vertragspartner dahingehend angepasst wurden, dass der wirtschaftliche Vorteil aus der Förderung von Kleinwasserkraftwerksanlagen dem Bezugs- und Zertifikatsberechtigten zukommt."

4. (Verfassungsbestimmung) Artikel 2 Z 1 lautet:

"1. (Verfassungsbestimmung) § 1 lautet:

"§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Aufhebung und Vollziehung von Vorschriften, wie sie im § 2 Abs. 1 Z 2, in den §§ 16, 25, 34, 36, 38, 45 und 45a, 48, 54 bis 57, 62 bis 65, 66 Abs. 2 bis 6, 66a Abs. 2 bis 7, 66c Abs. 2, 69, 70 Abs. 1 und 71 Abs. 1, 2, 4 und 6 bis 8 enthalten sind, sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes bestimmt. Die in diesen Vorschriften geregelten Angelegenheiten können unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden."

5. Artikel 2 Z 6 lautet:

"6. Dem § 25 wird folgender Abs. 14 angefügt:

"(14) Für die Bereitstellung der Systemdienstleistung (§ 22 Abs. 2 Z 1) steht dem Regelzonenführer gegenüber Erzeugern ein Anspruch auf Abgeltung der damit verbundenen Aufwendungen zu.""

6. Artikel 2 Z 14 lautet:

"14. (Verfassungsbestimmung) Nach § 66a werden folgende §§ 66b und 66c Abs. 1 samt Überschriften eingefügt:

"Klarstellung des zeitlichen Anwendungsbereichs von Systemnutzungstarifverordnungen

§ 66b. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden vom 18. Februar 1999, Zl. 551.352/96-VIII/1/99, ist nach Maßgabe des Abs. 2 auf im Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis zum Ablauf des 22. September 1999 verwirklichte Sachverhalte anzuwenden. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden vom 22. September 1999, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, ist nach Maßgabe des Abs. 2 auf im Zeitraum vom 23. September 1999 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 verwirklichte Sachverhalte anzuwenden.


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110. Sitzung / Seite 204

(2) Die in Abs. 1 angeführten Verordnungen sind nicht gegenüber denjenigen Normadressaten anzuwenden, denen aufgrund eingebrachter Individualanträge (Art. 139 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 B-VG) im Zuge der Aufhebung dieser Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof oder im Zuge des Ausspruches der Gesetzwidrigkeit der Verordnungen Anlassfallwirkung im Sinne des Art. 139 Abs. 6 oder des Art. 140 Abs. 7 B-VG zuzuerkennen ist. Eine rückwirkende Beseitigung aus dem Rechtsbestand der in Abs. 1 angeführten Verordnungen für alle anderen Normadressaten ist mit der Aufhebung oder mit dem Ausspruch der Gesetzwidrigkeit dieser Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof nicht verbunden.

In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. xxxx/2002

§ 66c. (1) (Verfassungsbestimmung) Die §§ 1, 10 erster Satz, 20 Abs. 2, 24 Abs. 1, 31 Abs. 1, 46 Abs. 5, 47 Abs. 4, 66b und § 71 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. xxxx/2002 treten mit dem, der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Die Aufhebung des § 33 tritt mit 1. Jänner 2003 in Kraft.""

7. Im Artikel 2 wird folgende Z 14a eingefügt:

"14a. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) Dem § 66c Abs. 1 wird folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) Die §§ 45 Abs. 2 und 3 und 45a in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, treten mit 1. Juli 2004 in Kraft. Die §§ 16 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 14, 45 Abs. 1 und 55 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, treten mit dem, der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.""

*****


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110. Sitzung / Seite 205

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

20.17

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Grund für meine zweite Wortmeldung ist die formelle Berichtigung eines redaktionellen Versehens.

In dem ursprünglichen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann und Kollegen zum Antrag 713/A hat es einen Fehler in der Durchnummerierung gegeben, den ich hiemit richtig stelle, sodass jetzt Kontinuität gegeben ist.

Inhaltlich hat sich nichts geändert. Der erste Punkt lautet jetzt:

"Die bestehende Ziffer 3 wird gestrichen."

Dann folgt die richtige Nummerierung, und dann geht es weiter, wie es im alten Antrag auch schon vorgesehen war. Es hat sich, wie gesagt, inhaltlich nichts daran geändert, aber wir haben dadurch jetzt eine saubere Durchnummerierung der einzelnen Artikel.

Meine Damen und Herren! Abschließend noch eine kurze Bemerkung, damit hier vollkommene Klarheit herrscht: Was auf europäischer Ebene bezüglich der Versicherungsagenten und Versicherungsmakler beschlossen wurde, das ist nicht die in diesem Zusammenhang von meinen Vorrednern bereits angesprochene Richtlinie, sondern es wurde im Europäischen Parlament in zweiter Lesung ein Entschließungsantrag beschlossen. Die Richtlinie wird für Herbst erwartet, dann soll sie in Kraft treten. Dann werden wir sehen, was genau ihr Inhalt ist, und dann werden wir die neue gewerberechtliche Bestimmung auch hier im Parlament verabschieden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der ursprünglich von Abgeordnetem Mitterlehner eingebrachte und in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag, welcher, wie jetzt ausgeführt, eine fehlerhafte Bezeichnung aufwies, ordnungsgemäß zurückgezogen und ordnungsgemäß neu eingebracht wurde und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung steht.

Der neu eingebrachte Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 713/A der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes des Wirtschaftsausschusses (1222 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (713/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (1222 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1) Die bestehende Ziffer 3 wird gestrichen:

2) Folgende neue Ziffer 3 und 3a eingefügt:

"3. § 150 Abs. 10 lautet:

"(10) Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) sind auch berechtigt, die Tätigkeiten der Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung und der Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik auszuüben.""

"3a. § 150 Abs. 15 lautet:

"(15) Mechatroniker für Maschinen- und Fertigungstechnik (§ 94 Z 49) sind auch zum Instandsetzen von Motorrädern, zur Ausübung der Gewerbe der Schlosser (§ 94 Z 59), der Landmaschinentechnik (§ 94 Z 59), der Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik (§ 94 Z 49) und der Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung (§ 94 Z 49) sowie der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) berechtigt. Mechatroniker für Elektromaschinenbau und Automatisierung (§ 94 Z 49) sind auch zur Ausübung der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) sowie der Tätigkeiten der Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) berechtigt. Mechatroniker für Elektronik, Büro- und EDV-Systemtechnik sind auch zur Ausübung der Tätigkeiten der Kälte- und Klimatechniker (§ 94 Z 37) sowie zur Ausübung der Tätigkeiten der Kommunikationselektroniker (§ 94 Z 39) berechtigt.""

3) Nach der Ziffer 6 wird folgende Ziffer 6a eingefügt:

"6a. § 363 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift vor dem § 363 lautet:

"m) Nichtigerklärung von Bescheiden und Löschung aus dem Gewerberegister"

b) Dem § 363 wird folgender Absatz 4 angefügt:

"(4) Wird eine natürliche Person oder ein sonstiger Rechtsträger auf Grund der Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 340 Abs. 1 in das Gewerberegister eingetragen und liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 vor, so kann die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes mit Bescheid die Löschung der Eintragung verfügen. Bis zum Eintritt der Rechtskraft des Löschungsbe


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scheides darf das Gewerbe ausgeübt werden. Im Löschungsverfahren sind die Abs. 2 und 3 anzuwenden.""

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Rednerliste hiezu ist erschöpft.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1242 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 Z 40 eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche all jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme und damit auch die Erreichung der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich stelle damit ausdrücklich noch einmal die Erfüllung der verfassungsmäßigen Vorgaben fest.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1242 der Beilagen als Anlage 2 beigedruckte Entschließung betreffend die Förderung von weiteren Investitionen für den Ausbau von Strom- und Gasnetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 147.)

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1242 der Beilagen als Anlage 3 beigedruckte Entschließung betreffend die Erstellung eines neuen Energieberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 148.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1243 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs- beziehungsweise einen Zusatzantrag eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag ebenfalls Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich wiederum zunächst die Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1243 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungs- beziehungsweise


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Zusatzantrages der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich die Erreichung der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich neuerlich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich neuerlich die Erreichung der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit fest. (Ruf bei der SPÖ: Das war jetzt aber eine vierte Lesung!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf, Dipl.-Ing. Hofmann, Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betrauung der EXAA mit der Verwertung von Ökoenergie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 149.)

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1243 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest. (E 150.)

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, in 1222 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik nach, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen haben die Streichung der Ziffer 3 beantragt.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 3 und 3a zum Inhalt hat.

Jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 6a.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 6a eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 482 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich wurde soeben darauf aufmerksam gemacht, dass möglicherweise im Croquis ein Fehler vorgelegen ist, dass die dritte Lesung von 1243 möglicherweise doppelt erfolgt ist. (Abg. Dr. Mertel: Lag der Fehler im Croquis oder bei Ihnen?)

Falls das der Fall gewesen sein sollte, bitte ich die zweite Abstimmung als gegenstandslos zu betrachten. Wir haben dann zweimal über den gleichen Gegenstand abgestimmt. Wir werden das sofort überprüfen.

27. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1175 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002) (1202 der Beilagen)

28. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird (1203 der Beilagen)


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29. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1158 der Beilagen): Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen (1206 der Beilagen)

30. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1137 der Beilagen): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1207 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 27 bis 30 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Ich erteile es ihm hiermit.

20.29

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zur Debatte steht, wie schon gesagt, das zweite Abgabenänderungsgesetz 2002. Zwei Schwerpunkte sind unsererseits vor allem hervorzuheben:

Erstens, dass im Rahmen der Prüfungen aller lohnabhängigen Vorgänge im Regelfall ein Prüfungsorgan vorgesehen ist. Warum glauben wir, dass das besonders wichtig ist? – Wir meinen, dass das nicht nur aus Gründen der Entlastung bei Unternehmen beziehungsweise der Verwaltungsvereinfachung bei Behörden wichtig ist. Ich persönlich glaube, dass es noch einen eminenten Vorteil geben wird: In der Regel wird ein Sachverhalt von einem Organ geprüft, und daher werden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Bewertung eines Sachverhaltes bei der Würdigung sicherlich von Vorteil sein. Daraus ergeben sich neuerliche Synergieffekte, auch im rechtlichen Sinn. Im Hinblick darauf meinen wir, dass das wirklich zu begrüßen ist.

Bei einem Thema hat meine Fraktion im Ausschuss – heute werden wir das nicht machen – getrennte Abstimmung verlangt, und zwar beim Thema Tabaksteuer. Jetzt könnte man populistisch sein und könnte sagen, wir seien gegen jede Steuererhöhung. Nein! Nachdem sichergestellt ist, was Kollege Edlinger im Ausschuss verlangt oder aufgezeigt hat, nämlich dass es eine Zweckwidmung hinsichtlich der Krankenkassensanierung gibt, sind wir der Auffassung, dass es keiner getrennten Abstimmung bedarf. Wir stimmen selbstverständlich auch diesem Bereich zu, und es wird eine einvernehmliche Abstimmung geben.

Lassen Sie mich aber doch einige Sätze zu einem weiteren Schwerpunkt sagen, nämlich zu jenem Bereich, der die umsatzsteuerliche Neuregelung bei Bauleistungen betrifft.

Meine Damen und Herren! Wir halten diese Regelung deswegen für einen richtigen und ersten Schritt, weil sie zur Bekämpfung des vielschichtigen Steuerbetruges im gesamten Baubereich getroffen wird. Die in der Vorlage vorgesehene Vorgangsweise – ich habe das noch mit einigen Experten besprochen – scheint mir, was den bürokratischen Aspekt betrifft, angenehm, also wenig aufwendig zu sein.

Der Grund, warum wir glauben, dass das so wichtig ist, ist folgender: Es hat sich in den letzten Jahren immer häufiger gezeigt, dass im Bereich der Bauwirtschaft – in der Regel bei Generalunternehmen – Gesetzwidrigkeiten vorkommen, die in die Hunderte Millionen Schilling, jetzt Euro, gehen; bis zu einer Milliarde Euro, schätzt man schon! Das sind Beträge, auf die der Fiskus nicht verzichten kann. Daher sind wir der Auffassung, dass es höchst an der Zeit ist, dass das geregelt wird.

Zweitens: Ich begrüße es, dass die Finanzverwaltung seit einiger Zeit dieses Problem erkannt hat und durch Einsetzung einer Gruppe zur Bekämpfung dieser Gesetzwidrigkeiten im Sozial-


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und auch im Steuerbereich aktiv geworden ist. Ich hoffe, dass das nicht nur dem Staat etwas bringt, sondern dass das auch präventiv wirkt, denn diese spontane Einsatzbereitschaft ist natürlich wichtig und wird, so hoffen wir, in diesem Bereich, der nicht nur fiskalisch von Bedeutung ist, sondern letztlich den unfairen Wettbewerb enorm fördert, ein Beitrag zu einem fairen Wettbewerb sein.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat der Problematik des Bereichs der Schattenwirtschaft schon in der Vergangenheit große Bedeutung beigemessen. Sie wissen, es liegt ein umfassender Antrag unserer Fraktion zum Thema Schattenwirtschaft in einem Unterausschuss. Dieser Antrag ist noch immer nicht behandelt worden, und wir erwarten uns, dass man nun auch die nächsten Schritte in diese Richtung setzt.

Ich möchte noch etwas sagen, meine Damen und Herren: Für mich oder für uns in der sozialdemokratischen Fraktion ist es unverständlich, dass Brüssel nicht nur keine Rezepte zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft kennt, sondern auch Aktivitäten der einzelnen Mitgliedstaaten sogar behindert. Herr Staatssekretär, ich ersuche Sie und die gesamte Regierung, gerade betreffend diesen Bereich in Brüssel aktiv zu werden, denn Österreich allein kann zwar gewisse Bereiche regeln, aber die umfassende Problematik der Schattenwirtschaft ist so sicherlich nicht in den Griff zu bekommen.

In diesem Sinn stimmen wir dieser gesamten Vorlage zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

20.33

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zunächst einmal bedanke ich mich bei den Sozialdemokraten, dass sie diesem Abgabenänderungsgesetz 2002 nun doch zustimmen werden, einem Abgabenänderungsgesetz, das vom äußeren Erscheinungsbild her durchaus schlank ist, inhaltlich aber doch gewichtige Materien behandelt, wie Maßnahmen zur Verwaltungsreform, Abbau der Steuerbürokratie, Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges, Gleichmäßigkeit der Besteuerung und bürgerfreundliche Steuerverwaltung.

Im Wesentlichen, Herr Kollege Dr. Heindl, sind es vier Punkte: eben die Zusammenlegung der Prüfung aller lohnabhängigen Steuern und Abgaben, der Übergang der Umsatzsteuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den empfangenden Unternehmer, Änderungen in der Bundesabgabenordnung, die bedeuten, dass die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass elektronische Steuererklärungen – sowohl Lohnsteuer- als auch Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen – abgegeben werden können, und zum Vierten die Anpassung der Tabaksteuer zur Sicherung der österreichischen Gesundheitsvorsorge.

Lassen Sie mich aber auf einen Punkt näher eingehen, und zwar auf den ganzen Bereich der Lohnsteuerprüfung, der Prüfung der lohnabhängigen Steuern und Abgaben. Derzeit gibt es noch einen so genannten Prüfungs-Overkill, denn bis zu vier Prüfer prüfen ein und dieselbe Lohnverrechnung. Mit diesem Abgabenänderungsgesetz wird diesem Prüfungs-Overkill endgültig der Garaus gemacht.

Ich darf daran erinnern – Kollege Khol, der zwar jetzt telefoniert, wird sich sicherlich daran erinnern –, dass es Bundeskanzler Gorbach war, der den damaligen Salzburger Landeshauptmann Dr. Josef Klaus als Finanzminister in die Regierung nach Wien berufen hat, mit dem Ergebnis – so die Überlieferung –: Der Landeshauptmann beziehungsweise der neue Finanzminister Dr. Klaus ist mit einem Aufgabenheft nach Wien gefahren, in dem an vorderster Stelle – dreimal rot unterstrichen, oder besser gesagt, dreimal schwarz unterstrichen – die Vereinfachung der Lohnverrechnung und die Zusammenlegung der Lohnsteuerprüfungen stand.

In Zukunft werden diese Betriebsprüfungen in geballter Form stattfinden. Es wird also nicht mehr dazu kommen, dass am Montag der Lohnsteuerprüfer vom Finanzamt anruft, worauf die


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Unterlagen herbeigeschafft werden, geprüft werden, die Schlussbesprechung stattfindet, der Bescheid erstellt wird, und 14 Tage später meldet sich die Gebietskrankenkasse an, der Gebietskrankenkassenprüfer kommt und sagt: Herbei mit den Lohnunterlagen! Dann prüft er ein und dieselbe Materie zum zweiten Mal. – Endlich ist die Prüfung wieder vorbei. Es folgt die Prüfungstatbestandfeststellung und der Bescheid. Dann glaubt der Unternehmer, es sei endgültig vorbei. Mitnichten! Wenige Tage später ruft die Gemeinde an und sagt, es kommt der Kommunalsteuerprüfer. Er prüft dieselbe Materie noch einmal. Aber noch immer nicht ist das Ende der Fahnenstange erreicht, denn dann kommt der Betriebsprüfer und sagt: Das ist sowieso alles nicht wahr. Das Dienstverhältnis wird nicht anerkannt, weil der geschäftsführende Gesellschafter zu mehr als 25 Prozent am Unternehmen, an der GesmbH beteiligt ist. – So schaut es also in der Praxis aus.

Was wird mit dieser Vereinfachung und Zusammenlegung, mit der Vereinheitlichung der Prüfung entstehen? – Es wird vor allem im klein- und mittelständischen Bereich zu einer enormen Zeitersparnis kommen, es wird zu einer Kosteneinschränkung kommen, es kommt aber auch zu mehr Rechtssicherheit. Aber nicht nur für die Unternehmen, für die Wirtschaft wird es Vorteile geben, sondern auch für die Behörde, weil hier entsprechende Synergieeffekte genutzt werden können. Es kommt zu kürzeren Prüfungsintervallen, eventuelle Unregelmäßigkeiten werden viel rascher festgestellt, was auch wieder für die Unternehmer von Vorteil ist, weil eben Fehler rasch festgestellt und beseitigt werden können und es nicht zu Nachzahlungen für viele Jahre kommen wird.

Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht gelungen ist, eine einheitliche Prüfungsbehörde zu schaffen. Es werden die 250 Gebietskrankenkassenprüfer weiterhin im Ressort von Herbert Haupt sein, die 180 Lohnsteuerprüfer im Ressort von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, aber durch entsprechende Kooperation werden alle diese von mir genannten Synergieeffekte genutzt.

Auf den Übergang der Umsatzsteuerschuld bei Bauleistungen wird Kollege Sodian noch näher eingehen. – Es ist damit aus meiner Sicht nicht nur die Bekämpfung des Umsatzsteuer- und Vorsteuerbetruges ausreichend umgesetzt, es wird auch entsprechende Wettbewerbsneutralität geben.

Insgesamt ein Abgabenänderungsgesetz, das sich die Zustimmung aller im Parlament vertretenen Parteien verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

20.38

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Zustimmung aller Fraktionen würde sich dieses Werk verdienen. – Ja, möglich. Kollege Böhacker, wir haben über die Zweckbindung der in diesem gesamten Paket vorgesehenen Erhöhung der Tabaksteuer diskutiert. Dazu ist jetzt weniger gesagt worden. Ich habe auch in der Zwischenzeit seit dem Ausschuss keine Informationen bekommen, wie das geregelt war. Ich weiß, es gibt eine Bestimmung im ASVG – die habe ich mir gerade auch noch einmal von Kollegin Silhavy zeigen lassen –, allerdings ist dort die Rede davon, dass Mehreinnahmen auf Grund von Preiserhöhungen, also Steuermehreinnahmen auf Grund von Zigarettenpreiserhöhungen gemeint seien. Hier wird aber auch noch eine Mehreinnahme auf Grund der Steuererhöhung erzielt.

Das ist möglicherweise ein semantisches Problem meinerseits, aber an sich ist das ein Unterschied, ob ich eine Mehreinnahme daraus lukriere, dass das zu besteuernde Produkt in seinem Preis steigt, und zwar ab 1. Juli 2002, oder ob ich auch das abschöpfen will, was ich kraft einer Steueranpassung drauflege. Vielleicht habe ich da einen Denkfehler, aber so steht es jedenfalls drinnen. Gerade habe ich es nachgelesen.


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Wenn das geklärt wäre, wäre die Zustimmung aller Fraktionen gesichert, obwohl ich schon hinzufügen muss, dass wir auch bis zum Jahresende hätten warten können, denn bis zu diesem Zeitpunkt hätte uns die EU-Richtlinie noch Zeit gegeben. Aber Sie haben es da mit der Besteuerung von Rauchwaren besonders eilig gehabt.

Ich komme aber zu etwas im Prinzip Ernsterem in diesem ganzen Block – das wird dann mein letzter Punkt sein –, zur Veräußerung des beweglichen Bundesvermögens, wie es hier genannt wird. Das bewegliche Bundesvermögen ist so beweglich bisher nicht gewesen. Es handelt sich nämlich um eine Reihe von Panzern, die zugegebenermaßen relativ ungenutzt bei uns herumstehen und die adaptiert worden sind für einen Verkauf nach Ägypten.

Da kann man jetzt verschiedener Meinung sein. Man kann sagen: Hauptsache, wir sind den Krempel los und bekommen wenigstens auch noch ein bisschen Geld dafür. Das könnte man meinen. Das würde ich zumindest als minimalökonomisch begründet erachten, bevor wir das weiter irgendwo im Marchfeld restaurieren und noch ein bisschen M60-Bemalungsübung machen.

Aber die Sache ist ernster. Ägypten ist natürlich erstens ein Krisengebiet allerersten Ranges, auch im bilateralen Vergleich vor Ort wegen der Nahostkrise. Zweitens gibt es dort – und auch darauf stellt unser Kriegsmaterialiengesetz im Prinzip ab – nachweislich Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn diese dort systematisch gegen Fundamentalisten begangen werden, müssen sie deshalb noch nicht gerechtfertigt sein. Drittens aber ist meiner Information nach vor allem nicht gesichert, dass das Kriegsgerät nicht binnen kurzer Zeit weitergeliefert werden könnte, etwa an den Sudan. Da hilft uns die Bescheinigung der USA, dass gegen den Export nichts einzuwenden ist, überhaupt nichts. Das muss Österreich schon selbst bewerten. Deshalb halte ich diesen Verkauf für moralisch sehr fragwürdig. (Beifall bei den Grünen.)

Weil wir schon beim Ökonomischen und Finanziellen sind: Es kommt immerhin noch – in alten Schilling gerechnet – fast eine halbe Milliarde Schilling herein. Okay, das ist anerkennenswert. Aber wenn man weiß, was dieses ganze System gekostet hat – auf Grund einer Reihe von Fehlentscheidungen (Abg. Öllinger: Ja, das ist das Problem!) – , und angesichts der Tatsache, dass wir das Zeug überhaupt so in der Gegend herumstehen haben, stellt sich natürlich schon die Frage: Wie ist das bei unseren Rüstungsentscheidungen, bei unseren Investitionsentscheidungen für Rüstungsgüter, bei Entscheidungen darüber, wie Dinge adaptiert werden oder nicht? Da scheint mir in diesem Fall wieder ein wunderbares Beispiel gegeben zu sein, dass hier Millionen und Millionen durch Fehlentscheidungen und Missplanung einfach den Bach hinuntergehen. (Abg. Öllinger: Das geht an den Verteidigungsminister!)

Ja, der Herr Finanzstaatssekretär kann wenig dafür. (Abg. Öllinger: Wer war der Verteidigungsminister? Wie hat der Verteidigungsminister geheißen?) Es war sicher eine kleine Liste an Verteidigungsministern, möglicherweise auch unter Beteiligung des sehr geschätzten Herrn Präsidenten – sitzt er da? – jawohl! (Heiterkeit – Abg. Dr. Lichtenberger: Aber er hört nicht zu!)  –, auf die in diesem Zusammenhang zu verweisen wäre, aber das Problem, das Grundproblem bleibt als solches dennoch bestehen. Im Ausschuss ist nicht groß gejubelt worden, aber ich weiß, dass sich in den medialen Vorberichten Herr Scheibner dessen gerühmt hat, dass das gemacht wird, damit wir endlich wieder Geld hereinbekommen. Aber man muss es einfach hinzufügen: In Wirklichkeit ist durch diese Entscheidungskette mindestens so viel Geld beim Fenster hinausgeschmissen worden, wie wir jetzt am Schluss noch einnehmen können. Das ist das Problem. Das muss einfach festgehalten werden. (Beifall bei den Grünen.)

Man muss sich auch noch anschauen, welcher Vermittler man sich da bedient, seitens des Herrn Bundesministers zum Beispiel. Da ist so ein Vermittler aufgetreten, von dem bis heute nicht klar ist, ob er nicht sowohl in Ägypten als auch in Österreich anständig Provision kassiert hat für die Vermittlung dieses Geschäfts. Auch das gehört ausgeleuchtet.

Da sind wir immer sehr schweigsam im Ausschuss und auch hier im Nationalratsplenum. Das scheint diesen Rüstungsgeschäften wesensimmanent zu sein. Deshalb: Kaufen wir weniger von dem Krempel ein, dann müssen wir nachher weniger ungünstig loswerden! – Ich danke für Ihre


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Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger: Privathaftung des Verteidigungsministers!)

20.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Abg. Dr. Lichtenberger: Der kann das jetzt sicher aufklären, wie das mit den Provisionen war!)

20.44

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Frau Kollegin! Ich kann das leider nicht aufklären. Ich bin weder ein Experte des Militärs, noch weiß ich, wie die Verhandlungen gelaufen sind. Aber ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, meine Damen und Herren, weil hier unter dem schlichten Titel "Abgabenänderungsgesetz" – mein Kollege Hermann Böhacker hat es bereits sehr stark betont – zwar keine großen Reformen im Sinne von Inhalten vorgesehen sind, aber wenn man weiß, dass manche dieser kleinen Reformen, wie zum Beispiel die gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben, Steuern und Beiträge, eigentlich jahrzehntelang ein Anliegen waren, dann sieht man an diesen kleinen Dingen eigentlich die Reformkraft dieser Bundesregierung. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich glaube, ich höre nicht gut!)

Was Hermann Böhacker gesagt hat, ist gar nichts Neues. Es war seit Jahrzehnten bekannt, dass es ein Unsinn ist, dass mehrere Behörden das Gleiche prüfen. Das war jahrzehntelang bekannt. Die Wirtschaft hat sich und ich persönlich habe mich jahrelang engagiert, um hier eine Änderung herbeizuführen. Ich kann objektiv sagen, es war jahrzehntelang nicht möglich – und plötzlich ist es möglich! Es ist möglich auch unter Zustimmung der Opposition.

Meine Damen und Herren! An diesen kleinen Beispielen sieht man, wie wichtig es für dieses Land war, dass zwei Partner eine Regierung bilden, die beide reformwillig sind. An diesen kleinen Beispielen kann man das ersehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Jahrelang haben alle Experten gesagt, es ist eigentlich ein Unsinn, was wir da machen, und auch die Betriebe haben darüber geklagt. Trotzdem war eine Änderung nicht möglich. Jetzt gelingt es plötzlich, und zwar ohne Schaffung einer neuen großen Behörde, mit einem sehr flexiblen Modell, wobei eben einmal die Krankenkasse kommt und alles prüft, einmal der Finanzbeamte kommt und alles prüft, jeweils als Organ seiner Behörde. Es werden also keine neuen Strukturen, keine großartigen neuen Behörden geschaffen. Es ist ein sehr flexibles Modell, aber doch mit der Zielsetzung, größtmögliche Effizienz der Prüfung, Ausschöpfung von Synergieeffekten, größere Prüfungsdichte und auch eine Erleichterung für die Betriebe zu erreichen, die bisher darunter gelitten haben – so wie Hermann Böhacker es aufgezeigt hat –, dass einmal das Finanzamt kommt, einmal die Krankenkasse und einmal die Gemeinde und alle das Gleiche prüfen. Hier gibt es also in der Tat eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. (Abg. Böhacker: Nur für die Steuerberater nicht!)  – Für die Steuerberater nicht, aber ich glaube, die Steuerberater sind nicht unsere große Priorität. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die werden überleben!) Außerdem gebe ich ehrlich zu, die Materie wird ohnehin immer komplexer. Um die Steuerberater und deren Arbeitsplätze mache ich mir angesichts der Komplexität der Materie im Bereich der Steuer- und Finanzgesetzgebung keine Sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Herr Staatssekretär hinter mir schmunzelt. Ich sehe das. Er ist also auch dieser Meinung.

Ein zweites Thema noch: Ich bekenne mich wirklich auch dazu, dass im Bereich des Umsatzsteuerrechtes eine Änderung vorgenommen wird, die Steuerbetrug verhindern soll. Ich gebe gerne zu, dass es hier darum geht, die vielen Zehntausenden Betriebe, die brav und ehrlich und gesetzestreu ihre Steuern zahlen, zu schützen vor jenen, die das System ausnützen. Hier geht es wirklich darum, dass wir diesem Missbrauch einen Riegel vorschieben. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Schritt im Sinne von Steuerehrlichkeit, Steuerverantwortlichkeit und Unterscheidung zwischen jenen, die sich gesetzestreu verhalten, und jenen, die das System immer wieder zu missbrauchen versuchen.


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110. Sitzung / Seite 214

Die Erhöhung der Tabaksteuer wurde bereits angesprochen. Zwei Fliegen auf einen Schlag: einerseits Erfüllung der EU-Richtlinie, andererseits ein Beitrag zur Sanierung unseres Gesundheitssystems.

Alles in allem, glaube ich, ein Abgabenänderungsgesetz, bei dem wir sehr froh sind, dass wir diesen breiten Konsens erzielt haben. Herr Staatssekretär, wenn Sie die Frage des Kollegen Kogler auch noch aufklären können, dann haben wir vielleicht sogar einen Vierparteienkonsens. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. – Bitte.

20.48

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stummvoll hat ja angesprochen, in welcher Form sich die Vorteile für die Wirtschaft bei dieser Regierungsvorlage darstellen. Es sind tatsächlich einige Vorteile damit verbunden. Dies wird klar, wenn man sich etwa die Verbesserung in der Verwaltung, in der Bürokratie etwas näher ansieht.

Ich glaube, Wirtschaftsbetriebe und Unternehmer müssen sich einfach von der Verwaltung erwarten können, dass sie als Kunden bedient werden, dass sie schnell bedient werden und dass nicht ihre kostbare Zeit für Mehrfachprüfungen, wie sie Kollege Böhacker geschildert hat – alle paar Tage kommt ein anderer Prüfer –, in Anspruch genommen wird. So soll es im Sinne einer zukunftsorientierten Bürokratie und Verwaltung also nicht sein.

Meine Damen und Herren! Es hat anscheinend erst dieser Regierung bedurft, dass das jetzt erkannt und letztlich umgesetzt wurde. Ich bin auch froh darüber, dass hier alte Zöpfe der Bürokratie abgeschnitten werden.

Zum Punkt der Bauleistungen beziehungsweise der Steuerschuld bei Bauleistungen: Es ist nicht selten, dass sich Scheinfirmen, Firmen bereits bei Beginn ihrer Geschäftstätigkeit am Rande der Legalität bewegen. Ich kann Ihnen das aus der Praxis schildern. Es sind dies Firmen, die etwa bereits nach einem Jahr zum dritten Mal unter anderem Namen auftauchen, immer mit den gleichen handelnden Personen – das ist keine Seltenheit –, und die natürlich diese 20 Prozent Umsatzsteuer sozusagen als Kalkulationsmasse verwenden, die sie einberechnen und damit natürlich den Markt bei Bauleistungen beziehungsweise bei Subleistungen völlig ruinieren. Ganz zu schweigen von Konstruktionen, die als Subsubsub bezeichnet werden können, an die Arbeiten wieder weitervergeben werden. Das soll also nun eingedämmt werden. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden, und es war höchste Zeit, dies zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte diese Vorlage für sehr zukunftsträchtig. Es ist dazu zu gratulieren, und wir werden selbstverständlich im Interesse der Wirtschaft und im Interesse der Steuerzahler gerne die Zustimmung dazu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

20.51

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoch geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Großen und Ganzen ist zu den vorliegenden Materien alles gesagt worden. Es ist für die Kommunen sicherlich erfreulich, wenn künftig die Kommunalsteuerprüfung durch Organe entweder des Finanzministeriums oder der Krankenkassen durchgeführt wird. Ähnliches haben wir ja schon einmal bei der Lohnsummensteuer gehabt, wo über die Finanzämter die Lohnsummen abgefragt worden sind. Ich bin überzeugt, dass dieser Informationsfluss hinkünftig wiederum ganz hervorragend funktionieren wird und die Kommunen daraus Vorteil ziehen werden.


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110. Sitzung / Seite 215

Meine eigentliche Wortmeldung betrifft allerdings die Einbringung von zwei Abänderungsanträgen.

Zum Ersten bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht und Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird (1203 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Bericht und Antrag (1203 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1. Nach der Ziffer 1 wird folgende Ziffer 2 eingefügt:

"2. Im § 34 wird in Abs. 1 nach der Ziffer 8 folgende Ziffer 9 eingefügt:

"9. § 15 Abs. 1 Z 19 in der Fassung des BGBl. I Nr. xxxx/2002 tritt mit 1. Juli 2002 in Kraft.""

*****

Der zweite Abänderungsantrag bezieht sich auf das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 und lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (1175 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002), in der Fassung des Ausschussberichtes des Finanzausschusses (1202 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage 1175 der Beilagen in der Fassung des Ausschussberichtes 1202 der Beilagen wird geändert wie folgt:

In Artikel XII (ASVG) lautet in der Z 3 in § 34 Abs. 2 der erste Satz:

"Erfolgt die Abrechnung der Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren (§ 58 Abs. 4), so hat der Dienstgeber nach Ablauf eines jeden Beitragszeitraumes mittels elektronischer Datenfernübertragung (§ 41 Abs. 1 und 4) die Gesamtsumme der in diesem Zeitraum gebührenden und darüber hinaus bezahlten Entgelte zu melden (Beitragsnachweisung)."

*****

Das ist der zweite Abänderungsantrag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Regieren neu dokumentiert sich heute ganz besonders. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.55


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110. Sitzung / Seite 216

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Ich gebe bekannt, dass beide soeben vorgetragenen Abänderungsanträge ausreichend unterstützt sind und in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung stehen.

Als Nächster spricht Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

20.55

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kogler hat die Tabaksteuer angesprochen. Um das nochmals klarzustellen: Der EU-Mindeststeuersatz sieht 57 Prozent des Kleinverkaufspreises der gängigsten Marke als Besteuerungsgegenstand vor. Auf Grund einer erfolgten Preiserhöhung durch die Tabakverschleißer war dieser Mindestsatz unterschritten. Wir hätten zur Reparatur, zur Angleichung eine Jahresfrist gehabt, haben sie aber vorgezogen, um die daraus resultierenden Mehreinnahmen dem Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen.

Also die Preiserhöhung war durch die Austria Tabak verursacht, und wir ziehen jetzt mit den 57 Prozent nach und stellen diese Mehreinnahmen dem Gesundheitswesen zur Verfügung. Ich hoffe, das damit präzisiert zu haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.56


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110. Sitzung / Seite 217

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz mit der Änderung des Umsatzsteuergesetzes befassen. Es ist ja teilweise schon darüber gesprochen worden, wobei ich hier einleitend sagen will: Das Bundesministerium für Finanzen hätte hier die große Lösung vorgeschlagen. Das wäre eine tolle Idee gewesen, sie ist uns nur leider von der EU nicht bewilligt worden. Es sollten zwischen den Unternehmen keine Mehrwertsteuern, keine Vorsteuern mehr in Rechnung gestellt werden, nur mehr der Endverbraucher sollte sie am Schluss verrechnet bekommen. Das wäre ein Milliardengeschenk an den Finanzminister gewesen.

Im Bereich des Baugewerbes wurde ja festgestellt, dass es zu massiven Steuerausfällen kommt, indem Leistungen von Subunternehmen an den Generalunternehmer wohl in Rechnung gestellt werden, dieser jedoch die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abliefert. Gleichzeitig macht jedoch der Generalunternehmer die ausgewiesene Umsatzsteuer beim Finanzamt als Vorsteuer geltend. Die Eintreibung beim Subunternehmer kann dann nicht mehr erfolgen, weil er in der Zwischenzeit in Konkurs gegangen ist.

Wie hat das funktioniert? – Man gründet eine GmbH. Dazu braucht man 35 000 €. Man geht mit einem geliehenen Sparbuch zum Notar und weist es vor. Am nächsten Tag wird das Sparbuch zurückgegeben. Also kein Problem. Man braucht eine Konzession, eine Gewerbeberechtigung. – Auch kein Problem. Mit wenigen Euros kann man diese bekommen. Der Konzessionsinhaber verabschiedet sich nach einigen Tagen, und dann geht es los. Man geht mit Dumpingpreisen in die Wirtschaft, man entrichtet keinen Cent an den Fiskus, an die Krankenkasse, an die BUAK. Die Scheinfirma führt dann die Leistung aus, stellt die Rechnung mit Mehrwertsteuer und liefert sie nicht ab.

Hier gehen Milliarden verloren. Allein in Wien soll es, wie ich gehört habe, über 200 solche Scheinfirmen geben. Die Zeche dabei zahlt aber nicht nur der Steuerzahler, da dem Finanzamt dadurch enorme Summen entgehen, sondern die Zeche zahlen auch jene Unternehmen, die durch solche Praktiken keine Aufträge mehr bekommen.

In Zukunft soll eben die Steuerschuld, die durch die Subleistungen im Bau- und Baunebengewerbe entsteht, an den Auftraggeber übergehen. Das heißt, der Subunternehmer stellt keine Mehrwertsteuer mehr in Rechnung. Mit dieser Gesetzesänderung wird daher diesen Praktiken ein Riegel vorgeschoben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass auf Grund der kurzfristig eingebrachten umfangreicheren Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge die dazu erforderliche Vorbereitung der Abstimmung eine Sitzungsunterbrechung von zirka 10 Minuten erfordern würde. Ich glaube daher, dass es angeraten ist, die Abstimmung an den Schluss der Sitzung zu verlegen.

Ich setze daher in der Tagesordnung fort.

31. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1181 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz) (1204 der Beilagen)

32. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 714/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert werden (1205 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 31 und 32, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein. Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Ich erteile es ihm.

21.00

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die beiden gegenständlichen Tagesordnungspunkte – ich spreche jetzt so, als hätte sich da in den letzten zwei, drei Stunden nichts bewegt, deswegen bleibe ich kurz bei meiner Einstellung, wie ich sie noch heute Nachmittag hatte – haben eines gemeinsam, meine Damen und Herren, nämlich dass sie abgesehen vom Inhaltlichen von einer Vorgangsweise zeugen, die zu Entwicklungen geführt hat, die kritisierbar sind, um es vorsichtig auszudrücken, und die bei manchen äußerstes Befremden hervorgerufen haben.

Bleiben wir zunächst beim ersten Punkt, beim Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, wie es so schön heißt, also der Zusammenführung aller Fördermaßnahmen. An sich ist das eine begrüßenswerte Idee. Es handelt sich jedoch um jahrzehntelang gewachsene Förderpraktiken – egal, ob man die jetzt kritisiert oder nicht –, in die verschiedenste Institutionen eingebunden sind, die man in Zukunft überhaupt nicht hört und brauchen wird und deren Erfahrungen man sich nicht anhört. Wozu wird das führen? Letztlich wird es auf Grund dieser Vorgangsweise zu – sagen wir es vorsichtig – fehlerhaften und zum Teil auch ergänzungsbedürftigen Formulierungen kommen.

Kollege Stummvoll hat selbst – ich sage das, weil er gerade hier steht; ich habe mir das während der Ausschussberatungen aufgeschrieben – gesagt: Jawohl, es stimmt, viele Einzelfragen sind noch zu klären! – Wenn Vertreter der Regierungsparteien sagen, dass das nicht der


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110. Sitzung / Seite 218

Weisheit letzter Schluss ist, dann zeigt allein das schon, dass die Vorgangsweise wirklich nicht die glücklichste war. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten stimmen der Idee dieses Vorhabens grundsätzlich zu. Ich sage jedoch noch einmal: Bei einer besseren Vorgangsweise hätten wir vielleicht manche Dinge, die noch zu erwarten sind, Kollege Stummvoll, schon in Diskussionen vor der Ausschussberatung erledigen können. Es ist daher kein Zufall, dass nicht nur aus Bereichen, die meiner Fraktion nahe stehen, sondern selbst aus dem Wirtschaftskammerbereich kritische Anmerkungen kommen. Ich entnehme zum Beispiel dem "Standard", dass Präsident Leitl von einem einheitlichen Förderdach und vehementer Flurbereinigung im Exportbereich gesprochen hat. Als Praktiker kann ich nur sagen: Jawohl, es ist höchste Zeit, hier etwas zu tun. Wir haben aber nichts gemacht.

So gibt es noch einige andere Bereiche, wo man bei konstruktiver Zusammenarbeit wahrscheinlich zu einem besseren Gesetz gekommen wäre. Umso erfreulicher ist es, dass es heute Nachmittag – eigentlich eine Minute vor zwölf Uhr – doch noch gelungen ist, in verschiedenen Bereichen Ergänzungen mit einem Entschließungsantrag vorzunehmen, in dem man zum Ausdruck bringt, in welche Richtung man sich erwartet, dass dieses – ich wiederhole es – von der Tendenz her, von der Idee her richtige Gesetz eine positive Entwicklung bringt.

Meine Damen und Herren! Da die Lampe am Rednerpult schon aufleuchtet, kann ich nur noch kurz zum anderen Punkt, dem Bankwesengesetz, etwas sagen. Das ist noch unverständlicher! Herr Kollege Stummvoll, ich muss Sie noch einmal ansprechen. Es geht dabei um eine sehr wichtige Materie, die den Bankplatz Österreich betrifft. Meine Damen und Herren! Die gewählte Vorgangsweise, nämlich das ohne Begutachtungsverfahren zu machen, ist, um es vorsichtig zu formulieren, unverständlich. Ich erspare mir härtere Ausdrucksformen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie nicht auch Briefe bekommen haben. Ich jedenfalls bekomme Briefe vom Förderungsverein der österreichischen Primärbanken. Wissen Sie, welch harte Worte in diesen Briefen stehen? – Mit Befremden nehmen sie die Vorgangsweise zur Kenntnis. Es heißt: Besonders befremdend ist, dass diese höchst bedeutsame Änderung mit den betroffenen Banken überhaupt nicht verhandelt worden ist. – Zitatende. (Die Abgeordneten Neudeck und Böhacker: Stimmt nicht!) Das sind doch Sätze, bitte, die alle Alarmglocken läuten lassen. Ich habe die Briefe nicht bestellt, sondern ich habe sie in den letzten Tagen bekommen.

Da steht – ich zitiere –: Eine Konsolidierung samt vorgeschlagener Begleitregelung käme einer stillen Enteignung von über zwei Millionen Mitgliedern aus dem Genossenschaftsbereich gleich. – Zitatende. (Abg. Neudeck: Stimmt nicht!) Bitte, das sind Briefe, Sie können sie durchlesen. Was heißt da: Stimmt nicht!? Was sagen Sie dann dazu, dass selbst renommierte Anwaltskanzleien, die sich damit beschäftigen, sagen, dass es wahrscheinlich EU-widrig ist? (Abg. Dr. Krüger: Ein guter Anwalt sagt nie: wahrscheinlich, sondern das ist so oder das ist nicht so!)

Meine Damen und Herren! Das kritisieren wir, und deswegen können wir bei diesem Initiativantrag nicht mitgehen. Die Vorgangsweise und die dadurch bewirkte Regelung entsprechen nicht ganz dem, was wirklich notwendig gewesen wäre. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher. – Bitte.

21.05

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte gerne ein paar Ausführungen zum Gesetz zur Austria Wirtschaftsservice GmbH machen, von dem selbst Kollege Dr. Heindl sagt, dass es ein von der Idee her richtiges und gutes Gesetz ist.


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110. Sitzung / Seite 219

Mit der Austria Wirtschaftsservice GmbH entsteht per 1. Oktober dieses Jahres ein One-Stop-Shop für die unternehmensbezogene Wirtschaftsförderung. Mit der Verschmelzung, der Einbeziehung beziehungsweise der personellen Verschränkung der bisher voneinander unabhängigen Einzelfördereinrichtungen zu einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft wird eine Ein-richtung geschaffen, die wesentliche Vorteile auf verschiedenen Ebenen und für alle Betroffenen bringen wird. Auf der einen Seite werden mit dieser Neuorganisation beträchtliche Synergieeffekte in der Verwaltung erzielt werden können. Es ist mit einer jährlichen Kosteneinsparung von immerhin 18 Millionen € zu rechnen, unter anderem dadurch, dass die einzelnen Buchhaltungs- und Informatikabteilungen zusammengeführt und künftig die Zahl der Geschäftsführer von derzeit 6 auf 2 und die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder von derzeit 27 auf 12 reduziert werden.

Auf der anderen Seite jedoch – und darüber werden sich vor allem viele Klein- und Mittelunternehmen freuen – bringt diese neue Einrichtung wesentliche Erleichterungen und Verbesserungen für die zu fördernden Unternehmen. Jedes Unternehmen, das sich schon einmal um eine Förderung gekümmert hat, weiß, was es bedeutet, sich durch den Förderungsdschungel zu schlagen. Manch förderungswürdiges Unternehmen gab gar schon auf, bevor es überhaupt anfangen konnte. All diese Unternehmen werden sich auf den Tag des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes freuen, denn es bedeutet für sie: eine Anlaufstelle, die Bündelung von Kompetenzen, mehr Transparenz, bessere Planbarkeit durch Festlegung der Förderpolitik für mindestens zwei Jahre und die Einrichtung von bürgerfreundlichen und serviceorientierten Kundenzentren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dieser Vorlage wird ein weiterer wesentlicher Reformschritt getan, der nicht nur das One-Stop-Shop-Prinzip verwirklicht, sondern Doppelgleisigkeiten und Unübersichtlichkeiten abbaut und dafür Service und Kundenorientiertheit an erste Stelle stellt. Wir geben diesem Gesetz selbstverständlich gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

21.08

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Vorrednerin, ich kann mich, was die Zustimmung zum ersten hier vorliegenden Gesetz betrifft, gerne anschließen. Wir haben allerdings auch noch ein zweites zu behandeln, zu dem Sie überhaupt nichts gesagt haben.

Es ist sicher ein Vorteil, wenn sich mehrere Wirtschaftsförderungs-Anlaufstellen, wenn man so will, jetzt zu einer zusammenfinden. Das ist mit anderen Dingen, die jetzt auch noch bereinigt wurden, seit wir uns im Ausschuss darüber unterhalten haben, insgesamt eine sinnvolle Sache, und deshalb gibt es dafür auch unsere Zustimmung.

Ich darf damit gleich zum zweiten Punkt kommen, den mein Vorredner Heindl bereits angesprochen hat – das erscheint mir doch irgendwie problematisch. Ich beziehe mich zunächst genauso wie er auf einen Brief, den Sie ja hoffentlich auch gelesen haben – ich nehme einmal an, Sie haben ihn auch erhalten –, und zwar vom Förderungsverein der österreichischen Primärbanken. Darin wurde nicht nur das Procedere kritisiert – das gibt es ja öfters, seit hier "speed kills" ausgerufen wurde –, nein, es sind auch inhaltlich gewichtige Argumente, die darin vorgebracht werden, auf die aber bis jetzt meines Erachtens noch niemand eingegangen ist.

Dabei geht es etwa um die Fragestellung, um welche rechtlich eher unlogische Konstruktion es sich handelt, wenn mit dieser Sektorkonsolidierung ein Weisungsrecht der Zentralinstitute einhergehen soll. Nun ist aber das Zentralinstitut sozusagen erst ein Folgeunternehmen der zunächst rechtlich unabhängigen Sparkassen. Es kann ja nicht sein, dass die zwar größere, aber immerhin noch Tochter ein Weisungsrecht zurück auf das Primärinstitut hat. So wird in diesem Brief jedenfalls argumentiert, und mir scheint das nicht unplausibel zu sein. Das hat auch in der Vergangenheit schon zu entsprechenden Diskussionen und Argumentationsaustauschen geführt. Das ist meines Erachtens nach wie vor noch nicht bereinigt.


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110. Sitzung / Seite 220

Ich sehe auch nicht ein, warum hier solch große Eile herrschen muss. Damit bin ich bei dem Punkt, der einen als Parlamentarier vielleicht noch mehr ärgern sollte, als das Kollege Heindl zum Ausdruck gebracht hat. Dass die Erste Bank großes Interesse daran hat, dass hiemit juristisch sozusagen etwas "nachgezogen wird" – unter Gänsefüßchen –, woran dort im Sektor schon vorgearbeitet wurde, mag deren Sache sein, aber dass die Parlamentarier und das Parlament, sofern man einem Magazinartikel folgt, sozusagen nichts anderes zu tun hätten, als dem möglichst schnell "nachzugaloppieren", halte ich doch für sehr bedenklich. Im Artikel wird nämlich ein Sprecher der Erste Bank zitiert, der auf die Frage, wie es jetzt weitergehen soll, sagt – ich zitiere –: Der Gesetzentwurf muss vor der Pause kommen; die Dinge sind im Laufen. – Zitatende. Aha, das richtet uns der Sprecher der Erste Bank aus. Das halte ich für problematisch!

Ich sehe nicht ein, dass das mit heutigem Tag so beschlossen werden soll und zu diesen gewichtigen Einwänden nicht einmal ein Gegenargument auf den Tisch gelegt wird. Das sind Sie schuldig, und Sie sollten zumindest versuchen, das nachzuholen. – Ich bin gespannt! (Beifall bei den Grünen.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stummvoll. – Bitte.

21.12

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausschließlich mit der Novelle zum Bankwesengesetz beschäftigen, weil mir diese besonders am Herzen liegt und auch einige Fragen und einige Kritikpunkte aufgeworfen wurden.

Ich möchte zunächst sagen, dass diese Novelle zum Bankwesengesetz aus meiner Sicht eine Stärkung eines wichtigen Teils unserer Geld- und Kreditwirtschaft im internationalen Wettbewerb, vor allem auch mit Blickrichtung auf die Chancen in Osteuropa bringt.

Zweitens bringt diese Novelle einen stärkeren Kundenschutz dadurch, dass über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus eine Einlagensicherung betrieben wird.

Drittens werden hier auch entsprechende internationale Standards berücksichtigt.

Nun zum Vorwurf, der soeben auch von meinem Vorredner erhoben wurde, dass es sich um eine Lex Erste Bank handelt. Ich habe auch in Zeitungsinterviews schon oft gesagt, und zwar als einer, der mit dieser Materie seit Beginn dieses Jahres konfrontiert war und der immer gesagt hat: Ich bin für jede Maßnahme zur Stärkung der dezentralen Sektoren, aber ich bin nicht bereit, in den Wettbewerb der dezentralen Sektoren untereinander einzugreifen!: Ich bin erst dann bereit, diese Novelle zu beschließen, wenn ich von allen dezentralen Sektoren grünes Licht bekomme!

Ich habe das durchgehalten, und ich habe vor dem Ausschuss vom großen Raiffeisensektor grünes Licht erhalten, der erklärt hat, sie seien für jede Unterstützung der dezentralen Sektoren, bei ihnen sei das kein Thema, aber sie seien für diesen Vorschlag. Ich habe Gespräche mit den Österreichischen Volksbanken geführt, die gesagt haben: Uns bringt das Modell nichts, aber wir sind in Verhandlungen mit dem Finanzministerium, im Hinblick auf unsere Gegebenheiten für den Herbst ein Modell zu erarbeiten! Ich habe den Volksbanken jede parlamentarische Unterstützung zugesagt, wenn sie ein solches Modell ausgearbeitet haben.

Herr Kollege Kogler! Ich habe im Hinblick auf meinen eigenen Wahlkreis Wert darauf gelegt, dass auch die Arbeitsgemeinschaft der Regionalsparkassen grünes Licht gibt, und das ganz bewusst, weil ich immer gesagt habe: Ich greife als Gesetzgeber sicher nicht in den Wettbewerb der dezentralen Sektoren ein!

Richtig ist, dass es die Sparkassen unter der Führung der "Ersten" waren, die uns Parlamentarier mit diesem Vorschlag konfrontiert haben. Warum? – Weil sie aus eigener Kraft, aus Eigeninitiative und ohne unsere Hilfe mit dem Haftungsverbund des Sparkassensektors eine


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110. Sitzung / Seite 221

gewaltige Leistung zustande gebracht haben. Das ist für den Finanzmarkt Österreich, für die Stabilität und Sicherheit auch der Investoren und für das Vertrauen der Investoren unglaublich wichtig – und das haben sie ohne unsere Hilfe zustande gebracht. Das, was wir als Gesetzgeber jetzt tun, ist eigentlich nur der Nachvollzug dessen, was sich in der Geld- und Kreditwirtschaft bereits entwickelt hat.

Noch einmal: Das ist keine einseitige Bevorzugung! Ich bin wirklich ein vorsichtiger Mensch, und alle, die dabei waren, wissen es: Ich habe immer gesagt: Ich stimme erst dann zu, wenn ich von allen Seiten grünes Licht erhalten habe! Ich kann das heute hier bestätigen. Ich habe mir diese Zusagen zum Teil sogar schriftlich geben lassen, und kann heute daher guten Herzens sagen: Ich freue mich, dass wir diese Novelle heute verabschieden. Sie ist ein wichtiger Beitrag für einen wichtigen Sektor unserer Wirtschaft, der die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb stärkt, und letztlich nur der Nachvollzug dessen, was diese Gruppe auf Grund ihrer Eigeninitiative, ihrer eigenen Stärke, ihres Engagements zustande gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte, Herr Staatssekretär.

21.15

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Aus der Sicht des Finanzministeriums ist die Stärkung in Form einer Sektorkonsolidierung zu begrüßen. Es gibt ein Frühwarnsystem für den gesamten Sektor, sodass Fehlentwicklungen früh erkannt werden können. Damit dient diese Maßnahme auch dem Gläubigerschutz.

Diese BWG-Änderung kann mit unterschiedlichen Vorteilen auch von anderen dezentralen Sektoren – Raiffeisen und Volksbanken – genützt werden. Raiffeisen könnte das Modell auch partiell anwenden, also nur auf bestimmte regionale Bereiche bezogen. Der Volksbankensektor hat derzeit noch ein organisatorisches Problem, weil die Sektorpolitik über den Österreichischen Genossenschafsverband als Zentralorganisation und nicht über das Spitzeninstitut ÖVAG abläuft.

Grundsätzlich ist die Gesetzesinitiative aus der Sicht der Finanzmarktaufsicht zu begrüßen, weil durch ein Früherkennungssystem wirtschaftliche Fehlentwicklungen rascher erkannt werden können und es durch einen Haftungsverbund gegenseitig zu Aushilfen kommt. Wie gesagt: Wir begrüßen, dass einmal ein Sektor, ein Bereich so weit ist, und würden es auch begrüßen, wenn in anderen Bereichen ebenfalls die gleichen Bedingungen geschaffen würden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

21.17

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ein paar Gedanken zur Austria Wirtschaftsservice GmbH. Nicht zu Unrecht war am Samstag im "WirtschaftsBlatt" zu lesen: "Tourismus fürchtet um seine Förderungen." Herr Matthias Krenn hat darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsservice GmbH doch ein bisschen die Gefahr in sich birgt, dass der Tourismus und im Besonderen die KMUs bei den Förderungen möglicherweise untergehen, zu kurz kommen, weil der Tourismus im Gesetz einfach nicht mehr erwähnt wird.

Ich bin sehr froh darüber, dass es in den Verhandlungen gelungen ist, zu einem Vier-Parteien-Entschließungsantrag zu kommen, um gerade den KMUs und der Tourismuswirtschaft gerecht zu werden. In diesem Entschließungsantrag ist vor allem auch eines festgehalten, dass nämlich evaluiert, das heißt, überprüft wird, ob diese Wirtschaftsservice GmbH entsprechend der Zielsetzung gut arbeitet, und vor allem, wie es den KMUs und der Tourismuswirtschaft dabei geht.


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110. Sitzung / Seite 222

Vergessen wir nicht, dass es gerade bei der Hotellerie um einen Garantierahmen von 500 Millionen € geht.

Daher danke ich den Kollegen der anderen Parteien dafür, dass sie sich bei diesem Entschließungsantrag angeschlossen haben, und ich möchte ihn hiemit einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Schwemlein, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit werden ersucht, spätestens bis Ende des Jahres 2004 einen Bericht vorzulegen, in dem insbesondere folgende Punkte evaluiert werden:

- Erfahrungen mit der neuen Struktur der AWS

- Mittelstandsfreundlichkeit der AWS

- Zugang von KMU zu Förderinstrumenten

- Abwicklung der Tourismusförderung

*****

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir diesem Vier-Parteien-Entschließungsantrag die Zustimmung geben, gerade der kleinstrukturierten Wirtschaft – vergessen wir nicht, dass im Tourismusbereich der überwiegende Teil der Betriebe weniger als zehn Mitarbeiter hat – eine wesentliche Stütze geben und Hilfestellung bieten. Mit diesem Entschließungsantrag können wir zumindest sicherstellen, dass das, was in der Vergangenheit garantiert war und bestanden hat, in Zukunft fortgesetzt wird und dass das in der Folge auch überprüft, evaluiert werden kann. (Allgemeiner Beifall.)

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

21.20

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Als Bankensprecher der Freiheitlichen Partei möchte ich mich in meiner Rede auch mit der Bankenkonsolidierung befassen. Bei der nun zu beschließenden Novellierung des Bankwesengesetzes geht es darum, den Sparkassen eine freiwillige Sektorkonsolidierung zu ermöglichen. Voraussetzung für die künftige Bewertung als Kreditinstitutsgruppe war die Gründung des mit Jahresbeginn in Kraft getretenen Haftungsverbunds zwischen Erste Bank und Sparkassen. Mit der jetzigen Sektorkonsolidierung kann die Erste Bank nicht nur die mehr als 60 Sparkassen in einer Bilanz konsolidieren, sondern damit auch zusätzliche anrechenbare Eigenmittel in der Höhe von rund 290 Millionen Schilling lukrieren.

Seitens des Finanzministeriums wird die Initiative zu derartigen Sektorkonsolidierungen begrüßt, denn diese stärken die einzelnen Geldinstitute. Der Haftungsverbund wiederum dient dem verbesserten Gläubigerschutz und enthält auch positive Bonitätsaspekte.

Es wird davon ausgegangen, dass auch in den anderen dezentralen Sektoren wie Volksbanken und Raiffeisen Gespräche aufgenommen werden. Was den Volksbankensektor betrifft, soll über den Sommer eine analoge Lösung ausverhandelt werden. Was den Raiffeisensektor betrifft, so wurden bereits in den Jahren 1992 und 1993 Konsolidierungsversuche dieser Art seitens der restautonomen Raiffeisenkassen abgelehnt. Ob in den nächsten Monaten weitere Gespräche


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geführt werden, kann ich nicht sagen. Als ehemaliger Geschäftsleiter, der 30 Jahre bei Raiffeisen war, würde ich die Lage so kennzeichnen – und ich habe das immer gesagt –: Die Restautonomie wird auch hier in Verlust geraten.

Der Förderverein betont, dass die Zusammenarbeit innerhalb des Genossenschaftssektors auf freiwilliger Basis beruht, wobei die Sektorunternehmen auf Landes- und Bundesebene Tochterunternehmen der Primärstufe sind. Es wäre daher geradezu absurd, den Tochterunternehmen gegenüber ihren Eigentümern über das BWG ein Weisungsrecht einzuräumen.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann jedoch festgehalten werden, dass sich die Sektorkonsolidierung positiv auf den Einlegerschutz auswirkt. Ein starkes und stabiles Finanz- und Bankenwesen stärkt das Vertrauen von inländischen und international tätigen Investoren. Es ist somit auch eine Voraussetzung für eine Steigerung der Attraktivität des österreichischen Kapitalmarkts. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

21.23

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Stummvoll hat sehr euphorisch ausgeführt, dass das neue Bankwesengesetz für alle ganz klar sei. In Wirklichkeit erhitzt es sehr wohl die Gemüter. (Abg. Dr. Stummvoll: Nur deines!) Nein, nein, das steht zum Beispiel hier im "WirtschaftsBlatt" sehr klar: Neues Bankgesetz erhitzt die Gemüter. (Abg. Dr. Stummvoll: Man darf nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht!) Es steht auch da, dass zum Beispiel gegen eine solche Beherrschung durch ein Spitzeninstitut viele, auch kleine Raiffeisenkassen, Sturm laufen. Aber auch Rechtsanwälte – Sie haben das wahrscheinlich auch bekommen – beschäftigen sich damit, ob das überhaupt den Konsolidierungsrichtlinien und dem EU-Recht entspricht. Ich sage nur: So ganz klar, wie das hier ausgedrückt wird, und dass das alles überhaupt nicht der Rede Wert ist, weil es so klar ist, so ist es nicht.

Es wird klar gesagt, dass es hinter die Anforderungen der EU-Bankgesetzgebung zurückfällt und dass vor allem – und das wissen Sie ganz genau – die Frage des Durchgriffsrechts schon eine ist, worauf die Konzernbegriffe aufgebaut sind. Wenn keine beherrschende Stellung und kein Durchgriffsrecht bestehen, dann kann man eigentlich auch keine Konsolidierung verlangen. Das ist schon Allgemeinwissen, würde ich fast sagen, wenn es auch manche jetzt etwas wegschieben. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist wahr!)

Ich möchte auch noch ein paar Sätze zur Austria Wirtschaftsservice GesmH sagen, denn ich meine, dass eine Zusammenfassung des Förderwesens etwas ist, das grundsätzlich zu begrüßen und auch zu unterstützen ist, wenn es in vernünftiger Weise geschieht, wenngleich – und das möchte ich kritisch anmerken – der Zugang zu den Förderungen in Wirklichkeit primär über die Hausbanken erfolgt und daher nicht immer so viel an Zeit dabei verloren geht. Aber dennoch: Es ist ein gewisser Vorteil zu sehen.

Noch etwas zur so genannten Zusammenfassung: Im Internetzeitalter kann man sich auch anders informieren, da muss man nicht unbedingt die physische Zusammenfassung haben. Weiters wird die Vermeidung von Doppelgleisigkeit angeführt. Die Kosteneinsparungen, schätze ich, werden hier etwas überhöht angesetzt, es sei denn, die Regierung geht von massivem Personalabbau in diesen Fördereinrichtungen aus. Damit rechne ich allerdings nicht, weil das nicht sinnvoll wäre.

Das, was ich noch ansprechen möchte, ist, dass man die Gelegenheit auch noch in anderer Hinsicht nützen sollte, nämlich dahin gehend, dass die Kompetenz der Austria Wirtschaftsservice nicht an den Bundesländergrenzen Halt machen sollte und dass sie durchaus auch eine Koordinationsfunktion zum Beispiel für EU-Förderungen aus Strukturfondsmitteln und EU-Förderungen direkter Art ausüben sollte. Ich halte das für eine sehr wichtige Forderung. Ich bin auch überzeugt davon, dass diese Koordinationsfunktion eine wirklich wichtige Aufgabe für die


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zu schaffende Wirtschaftsservice GesmbH wäre. Diese Ergänzung sollte noch im Laufe der Arbeit erfolgen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

21.27

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Da meine Kollegin Schoettel-Delacher bereits in prägnanter Form die Vorteile der Austria Wirtschaftsservice GesmbH kundgetan hat, darf ich mich auf die Einbringung eines Abänderungsantrags beschränken:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Dr. Heindl, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz) (1204 der Beilagen), in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1181 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage (1181 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (1204 der Beilagen) wird geändert wie folgt:

1) Im Art. I lautet der § 2 Abs. 1 wie folgt:

"§ 2 (1) Aufgabe der Gesellschaft ist die Vergabe und die Abwicklung von unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderungen des Bundes sowie die Einbringung sonstiger, im öffentlichen Interesse liegender Finanzierungs- und Beratungsleistungen zur Unterstützung der Wirtschaft."

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Erbringung!

Abgeordneter Hermann Böhacker (fortsetzend): Die Erbringung , nicht Einbringung, Entschuldigung! – Ich bedanke mich, Herr Präsident, dass Sie mich hier berichtigt haben.

"Die Gesellschaft übt ihre Tätigkeit unter Beachtung der Vorschriften des europäischen Beihilfenkontrollrechtes mit dem Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen mit Sitz oder Betriebsstätte in Österreich unter Berücksichtigung der besondern Bedeutung der Technologie- und Innovationsförderung für die Wirtschaftsentwicklung und Wertschöpfung sowie der Standortsicherung und der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen aus. Die Gesellschaft hat das unternehmensbezogene Förderungswesen des Bundes effizient und serviceorientiert zu gestalten."

2) Im Art. I hat der § 3 Abs. 1 zu lauten:

"§ 3 (1) Die Gesellschaft hat einen Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus zwölf Mitgliedern. Der Gesellschaftsvertrag hat dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit das Recht einzuräumen, vier Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, und weiters der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer" – und das kommt neu hinzu –, "dem


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Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Vereinigung der Österreichischen Industrie das Recht einzuräumen, jeweils ein Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden."

*****

Zur BWG-Novelle darf ich sagen: Ich kann mich dem anschließen, was Kollege Stummvoll gesagt hat. Ich kann dazu aus persönlicher Erfahrung noch sagen, dass wir sehr viele Verhandlungsrunden etwa auch mit den Österreichischen Volksbanken gehabt haben. Das Gesetz wäre für alle offen, nur ist die Volksbankengruppe derzeit organisatorisch nicht dazu in der Lage. Wenn es ihr aber gelingt, entsprechende organisatorische Reformen durchzuführen, dann wird auch sie in diesem BWG Platz haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Dr. Heindl, Kolleginnen und Kollegen zur Vorlage betreffend das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz ist ausreichend unterstützt, ist vorgetragen worden und steht in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

21.30

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Ich glaube, dass die Schaffung der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft, also eines Daches für die Wirtschaftsförderung, die sich im Verantwortungsbereich von Finanz- und Wirtschaftsressort befindet, einen großen Schritt im Sinne der Wirtschaft, im Sinne vor allem der mittelständischen Unternehmungen, aber auch im Sinne desjenigen Bereiches, der sich im Mittelstand mit Tourismus beschäftigt, darstellt.

So gesehen ist der Entschließungsantrag, der vom Kollegen Schwemlein eingebracht wurde, ganz in meinem Sinne. Wir wollen, dass es durch die Verwirklichung des One-Stop-Shop-Prinzips in diesem Bereich gerade für die kleineren und mittleren Unternehmungen im Tourismusbereich einfacher wird als bisher, zu einer Förderung zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verwirklichung des One-Stop-Shop-Prinzips im Sinne von mehr Effizienz mit einer Ansprechperson beziehungsweise einer Ansprechadresse, sei es per E-Mail oder Telefon, die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und Unübersichtlichkeiten: All das ist die Zielsetzung der Schaffung der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft, welche die bekannten Marken wie ERP, FGG, Finanzierungsgarantiegesellschaft, Bürges, aber auch die Arbeitsmarktförderung und die ÖHT, die Hoteltreuhand, unter einem Dach vereint. Ich freue mich, dass es auf der Basis dieses Abänderungsantrages möglich sein wird, alle vier Sozialpartner, die entsprechende Interessen haben – die Landwirtschaft ist ja nicht direkt betroffen –, von der Vertretung her, aber natürlich auch von der Mitverantwortung her einzubeziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier letztlich um ein Förderungsvolumen von immerhin etwa 110 Millionen € pro Jahr und ein Investitionsvolumen, das von diesem Förderungsvolumen ausgelöst wird, von etwa 3 Milliarden € pro Jahr. Wenn ich zu dem Förderungsvolumen von 110 Millionen € das Kreditvolumen des ERP von weiteren 500 Millionen € dazurechne, dann zeigt sich, wie namhaft die Beträge und damit die Hebelwirkungen sind und sein sollen.

Die Ausrichtung der Geschäftsfelder dieser Austria Wirtschaftsservice GesmbH erstens auf die Felder Forschung und Technologie, zweitens auf Start-Ups, also Unternehmensgründungen, und KMUs, drittens auf Regionalförderung und viertens auf Internationalisierung und auf den sich selbst tragenden kommerziellen Bereich ist eine Struktur, die nicht nur praxisnah ist, sondern die im Lauf der nächsten Jahre auch manch bestehende Doppelgleisigkeit wird abbauen helfen.


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Es ist dies eine bemerkenswerte Partnerschaft zwischen dem Finanzressort und meinem Ressort. Herr Staatssekretär! In diesem Fall danke ich nicht nur dir, sondern auch dem Herrn Finanzminister! Wir sind hier über manche Eitelkeit und über manche eingefahrene Schiene der letzten Jahre oder Jahrzehnte hinweggekommen, und ich glaube, dass wir damit im Sinne der Wirtschaft dieses Landes etwas Vernünftiges geschaffen haben.

Herr Abgeordneter Kogler! Wenn ich Sie richtig verstanden habe und das Ganze ein Vier-Parteien-Einvernehmen ergeben kann, dann macht mich das im Interesse unserer Wirtschaft umso froher, um nicht zu sagen glücklicher! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. – Bitte.

21.33

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich muss sagen, dass ich bisher weder zu den demokratiepolitischen noch zu den eventuellen EU-rechtlichen Problemen irgendein gewichtiges Gegenargument gehört habe. Mit dem Initiativantrag zum Bankwesengesetz und zum Kartellgesetz wird wieder einmal eine sehr wichtige Gesetzesänderung ohne Begutachtung, sozusagen an den Betroffenen vorbei einfach durchgesetzt. Es bestand keine Möglichkeit zur Stellungnahme, keine Möglichkeit, Bedenken einzubringen, und keine Möglichkeit, Änderungen zu diskutieren. Ich halte das demokratiepolitisch wirklich für einen schweren Schlag! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt natürlich eine Reihe von Bedenken. Ich nehme wohl an, auch Sie bekommen Briefe und Mails wie zum Beispiel den Brief vom Verein der Primärbanken, der meines Erachtens wirklich sehr ernst genommen werden sollte. Darin wird sehr eindringlich darauf aufmerksam gemacht, wie sich die geplante Gesetzesänderung auf die österreichische Bankenstruktur auswirken könnte und was das eventuell für kleine Institute insbesondere im ländlichen Raum bedeuten könnte. Sie sprechen doch immer wieder davon, welch große Bedeutung der ländliche Raum für Sie hat! Daher frage ich Sie: Was sagen Sie dazu, dass hier ausgeführt wird, dass das zu einer dramatischen Verschärfung der ohnehin bestehenden Nachteile im ländlichen Raum führt? Es gibt dort keine Nahversorger, Postämter wurden zugesperrt, Bezirksgerichte werden geschlossen, und jetzt sollen vielleicht auch noch die so genannten finanziellen Nahversorger verloren gehen. Wollen Sie das wirklich? – Ich habe bisher überhaupt kein Argument dagegen gehört.

Ich betone noch einmal: Ich halte es auf Grund demokratiepolitischer, aber auch auf Grund EU-rechtlicher Bedenken, die schon formuliert wurden, nicht für richtig, dieses Gesetz in dieser Geschwindigkeit und Eile durchzupeitschen. Möglicherweise wollen Sie das Ganze auch am Konsumentenschutzminister Böhmdorfer, der sich ja gewehrt hat, diesbezüglich eine Änderung vorzunehmen, ein bisschen vorbeischwindeln. Wir werden dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen.

Ich darf in diesem Zusammenhang noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Schwemlein, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, eingebracht im Zusammenhang mit dem Bericht des Finanzausschusses (1204 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (1181 der Beilagen): Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit werden ersucht, spätestens bis zum Ende des Jahres 2004 einen Bericht vorzulegen, in dem insbesondere folgende Punkte evaluiert werden:


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- Erfahrungen mit der neuen Struktur der AWS

- Mittelstandsfreundlichkeit der AWS

- Zugang von KMU zu Förderinstrumenten

- Abwicklung der Tourismusförderung

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

21.37

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich möchte mich mit dem neuen Austria Wirtschaftsservice-Gesetz beschäftigen, das ein weiteres Reformwerk dieser Bundesregierung beziehungsweise der Regierung Schüssel ist.

Nach dem Anlagerecht wird nun auch die Wirtschaftsförderung reformiert. Wir alle wissen, dass dies längst notwendig war, denn bisher war es ein wahrer Hürdenlauf von einem Amt zum nächsten und von einer Stelle zur anderen, wenn man Unternehmer werden wollte. Damit ist es nun aus und vorbei. Alle Fördereinrichtungen sowohl des Wirtschaftsministeriums als auch des Finanzministeriums werden nun unter einem Dach vereint. Ein kundenfreundliches Servicecenter ersetzt die derzeitige Zersplitterung, die alles andere als wirtschaftsfreundlich war.

Natürlich wird der neue Wirtschaftsservice auch der Verwaltung viel bringen – Herr Bundesminister Bartenstein hat es vorhin schon angeschnitten –: Doppelgleisigkeiten werden auf diese Weise abgestellt und Synergien genutzt. Man kann allein bei der Administration der Wirtschaftsförderung 20 Prozent an Kosten einsparen.

Aber das allein wird es wohl nicht gewesen sein. Geschätzte Damen und Herren! Wir erwarten uns vom neuen Austria Wirtschaftsservice auch neue, moderne Förderinstrumente. Die Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren rasant verändert, das ist sicher allen bewusst. Wenn sich die Förderpolitik nicht anpasst, würde sie kontraproduktiv und würde nur den Wettbewerb verzerren. Daher wurde dieser Schritt in Richtung einer neuen zentralen und einheitlichen Förderstelle gesetzt.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich freue mich, dass hiemit ein großes lange aufgeschobenes Problem bereinigt wird, denn das zeigt auch sehr deutlich, dass diese Bundesregierung arbeitet und weiter reformiert, und zwar allen Unkenrufen zum Trotz und zum Leidwesen der beiden Oppositionsparteien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Abgeordneten Böhacker, Stummvoll, Schwemlein, Mag. Kogler und Kollegen ist ordnungsgemäß unterfertigt, steht zur Verhandlung und zur Abstimmung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor, daher schließe ich die Debatte.

Schlussworte werden keine gewünscht.

Daher gelangen wir zu den Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend das Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz in 1204 der Beilagen.

Es liegt dazu ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Dr. Heindl vor.


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Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen also zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf samt Abänderungsantrag, und ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung ebenfalls ziemlich einstimmig angenommen  – wenn ich auf Kollegen Eder blicke. (Zwischenrufe.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Schwemlein, Mag. Kogler betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vier-Parteien-Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Entschließungsantrag einstimmig angenommen ist. (E 151.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1205 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Nationalrat hat dies in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Damit haben wir diese beiden Tagesordnungspunkte erledigt.

33. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1166 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) (1213 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zum 33. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

21.42

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Bures: Der Justizminister ist nicht da!) Ich darf ihn zumindest symbolisch hier im Haus begrüßen, auch wenn er nicht hier ist, weil das für mich eine Geste der Höflichkeit ist.

Herr Staatssekretär! Ich darf jetzt an Sie meine folgenden Worte richten. Ich glaube, dass das zum innovativen Stil dieser Regierung gehört, und ich betrachte es letztlich für relativ irrelevant,


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110. Sitzung / Seite 229

ob der Herr Staatssekretär oder der Herr Justizminister hier ist, denn ich habe leider Gottes erfahren, dass es eigentlich völlig egal ist, welche Vorschläge man anbietet und welche Art und Weise an Diskussionsbedarf man ortet: Es wird ohnedies so abgestimmt, wie es weder die Experten noch jene, die sonst Erfahrungswerte einbringen, wollen, und es wird keine Möglichkeit geschaffen, hier eine Diskussion zu führen.

Wir haben heute hier zum § 209 erstaunlicherweise eine Vorlage, die dem Vernehmen nach aus der Feder des Herrn Khol geflossen ist, die nicht einmal im Justizausschuss beraten wurde, die also ängstlich an jeder Expertenmeinung vorbeigehievt wurde, und so befassen wir uns jetzt hier mit Ihrer neuen Qualität von Gesetzen. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Bundesminister! Ich darf Sie herzlich begrüßen.

Ich meine, dass heute viele, die in der Sache kundig sind, nicht zu Unrecht von einer Nacht der Unvernunft sprechen. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Man muss zur Kenntnis nehmen, dass das im Justizbereich besonders evident ist.

Wir verabschieden nun ein Strafrechtsänderungsgesetz, im Zusammenhang mit welchem wir es zustande gebracht haben, dass auf Grund der völlig überschießenden Bestimmungen erheblichste Bedenken bestehen. Außerdem haben wir in Fortsetzung einer Reihe von Vorhaben etwas zustande gebracht, was Sie auch in der Vergangenheit schon ausgezeichnet hat: dass Sie mit der Datenrückerfassung von Bewegungsdaten mehr oder weniger halb Österreich jederzeit überprüfbar machen. Ich weiß nicht, ob sich die Kolleginnen und Kollegen von der schwarzen und der blauen Regierungspartei bewusst sind, wozu sie die Zustimmung geben, dass nämlich sie selbst und alle anderen aus ihrem Wahlkreis, für die sie eintreten müssen, verfolgbar sind. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Herr Jung ist wahrscheinlich der Einzige, der sich wirklich darüber freut, und das wahrscheinlich aus Gründen, die wir nicht unbedingt für wünschenswert erachten.

Außerdem gibt es noch eine "tolle" Bestimmung, die auch als innovativ gilt, nämlich dass wir im Strafgesetzbuch endlich die Ihnen so verhasste Neutralität streichen. Sie würden natürlich keine Mehrheit für die Streichung der Neutralität aus der Bundesverfassung zustande bringen, denn Sie getrauen sich natürlich nicht, das Wort in der Öffentlichkeit im negativen Sinn in den Mund zu nehmen – außer der Herr Bundeskanzler, der einmal in einem Anfall von Redewut den Vergleich mit Mozartkugeln gezogen hat. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Daher gehen Sie es jetzt mutig an und streichen die Überschrift einer Gesetzesbestimmung, in der das Wort "Neutralität" steht, damit Sie – etwas sublimierend, wie ich meine – zeigen können, dass Sie damit nichts im Sinn haben.

Ich möchte sagen: Das zeichnet Sie nicht aus! Sie gehen einer öffentlichen Diskussion aus dem Weg, und das zeichnet Sie lediglich im negativen Sinn aus. Das bedaure ich. Ich glaube aber, dass Sie der Öffentlichkeit doch irgendwann einmal werden sagen müssen, wofür Sie eigentlich stehen und nicht stehen in diesem Land.

Betreffend § 209 ist festzustellen – und das verstehe ich –, dass Sie krampfhaft bemüht sind, die Argumentationen des Verfassungsgerichtshofes zu vertuschen; eigentlich war es hauptsächlich Herr Bundeskanzler Schüssel. Ich möchte hier schon sagen, dass einige von der FPÖ in der Diskussion immer wieder zu verstehen gegeben haben, dass auch sie der Meinung sind, dass hier eine relativ massive Grundrechtsverletzung vorliegt. Das war eigentlich absehbar, denn uns wurde in verschiedenen Diskussionen auch hier im Haus von Expertinnen und Experten beschieden, dass dieser § 209 nicht nur einzigartig in ganz Europa war – ich glaube, Kollege Amon hat einmal wegen eines Gipsfußes an der Abstimmung nicht teilnehmen können –, sondern dass er auch schlicht und einfach dem Verfassungsbestand nicht entspricht. (Abg. Amon: Im Gegenteil! Da bin ich sogar mit Gipsfuß hergekommen!)

Daher haben Sie das bekommen, was Sie eigentlich wollten – das ist auch nicht unbedingt ein Zeichen von Größe –: dass nämlich nicht die Regierung in Kenntnis des Umstandes, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegt, diese beseitigt, sondern dass sie wartet, bis der Verfassungs


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110. Sitzung / Seite 230

gerichtshof entscheidet, und dann sagt, der Verfassungsgerichtshof habe aufgetragen, eine Ersatzlösung herbeizuführen, man möge sich das Erkenntnis anschauen. – Das ist ja völlig grotesk, meine Damen und Herren!

Auch Herr Khol, glaube ich, hat einige Male in diese Richtung argumentiert – er ist jetzt nicht hier. Er ist, soweit ich weiß, Universitätsprofessor im Bereich des Verfassungsrechtes. Das zeigt, dass eine gewisse Verwilderung in der Gesprächskultur eingetreten ist, die zutiefst bedauerlich ist, was allerdings die Gesetzesvorlage, die heute hier zur Diskussion steht, verständlich macht.

Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Der § 209 ist eine Sache, und das, was Sie heute präsentieren, ist eine andere Sache.

Wir haben schon immer gesagt, dass man sich mit den Schutzbedürfnissen der Jugend und mit dem Sexualstrafrecht insgesamt auseinander setzen soll. Daher wurde seinerzeit auf Initiative der Sozialdemokratischen Partei eine Arbeitsgruppe zum Sexualstrafrecht im Justizministerium geschaffen, deren Aufgabe es auch war, Schutznormen für Jugendliche aufzubauen. Herr Khol hat dann in einer mir nicht nachvollziehbaren Weise – dem Vernehmen nach über Wunsch des Herrn Bundeskanzlers – die Abschaffung dieser eigentlich vernünftigsten Maßnahme in diesem Bereich herbeigeführt, wobei ich bis heute nicht weiß, warum. (Abg. Mag. Posch: Weil es der Khol anscheinend besser weiß!)

Man wollte schlicht und einfach nicht in einem Expertenkreis über zweckmäßige rechtliche Maßnahmen für einen erhöhten, vernünftigen und auch verfassungsmäßigen Schutz der Jugend diskutieren. Das wurde auf die Seite gestellt. Stattdessen kommen Sie jetzt mit einem grauenhaften Exzerpt hierher, das weder im Justizausschuss noch sonst in einer Expertenrunde diskutiert wurde. Dem Vernehmen nach ist es aus der Feder des Herrn Khol geflossen, und Sie glauben jetzt wirklich, das in der Öffentlichkeit so darstellen zu können, als wäre es sinnhaft und als hätte es mit dem Schutz von Jugendlichen zu tun. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Ja, im ÖVP-Klub.

Es geht doch auch um eine gewisse intellektuelle Redlichkeit hier im Haus, wenn wir Gesetze beschließen, daher möchte ich Sie ersuchen: Lesen Sie sich doch die Expertenmeinungen durch! Lassen Sie doch Herrn Professor Friedrich zu Wort kommen, der alles andere als ein linker Rowdy ist, der die Kinder gefährden will! Machen Sie dann das Einzige, das man in diesem Zusammenhang vernünftigerweise machen kann: Setzen Sie diese Arbeitsgruppe wieder ein! Diese kann in zwei Monaten einen Vorschlag ausarbeiten, der wirklich vernünftig ist und den wir dann umsetzen.

Ich habe die Sorge, dass man nachher, wenn wir das heute in dieser Form beschließen, die Argumentation hören wird, dass wir jetzt schon ein Gesetz haben und daher die Expertengruppe nicht mehr brauchen, und dass überhaupt nichts geschehen wird. Daher appelliere ich jetzt wirklich an Ihre Verantwortlichkeit: Es geht hiebei um die Jugend und den Schutz der Jugend! Es geht nicht darum, dass man in die Betten der Jugend schaut. – Ich habe das Gefühl, dass man hier teilweise mit Verklemmtheit beziehungsweise einem völlig absurden Verhältnis vorgeht.

Wir werden – das darf ich abschließend sagen – im Rahmen eines Abänderungsantrages auch eine Bestimmung einbringen, dass in Bezug auf Prostitution und sexuelle Ausbeutung von Jugendlichen eine Bestimmung eingezogen wird. Wir haben diese sogar in Anlehnung an Ihre Formulierungen gemacht, damit Sie sich leichter tun, zuzustimmen. Wir haben – damit das nicht eintritt, wovon wir glauben, dass es Herrn Khol als Sittenrichter vorschwebt – die Jugendwohlfahrtsbehörde als antragsberechtigt vorgesehen, weil diese im Einzelfall schauen kann, ob etwas zwischen Jugendlichen vorfällt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) – Kollegin Fekter! Das wäre ja auch nach Ihrer Vorlage möglich.

Die Jugendwohlfahrtsbehörde kann wirklich das tun, was zur Verhinderung der sexuellen Ausbeutung wirklich notwendig ist. Ich komme aus dem zweiten Bezirk, und ich kenne diese


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110. Sitzung / Seite 231

menschenwidrige und wirklich beleidigende Art und Weise: Im Stuwerviertel werden von 10 Uhr bis in die Nacht alle weiblichen Wesen, die älter als zehn Jahre sind, angesprochen, und dann werden letztlich diejenigen, die dort stehen, aus Gründen ... (Abg. Dr. Fekter: Warum tun Sie nichts dagegen?) – Die Lösung, die Sie vorschlagen, ist unsinnig! Sie haben auch bis zur Aufhebung des § 209 kein einziges Mal gesagt, dass wir für die Mädchen etwas tun müssen. Nichts! Sie haben unsere Arbeitsgruppe abgeschafft, und dann haben Sie die Stirn, sich hierher zu stellen und zu sagen, dass Sie etwas für die Mädchen machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Kollege Jarolim! Sie haben nicht aufgepasst!) Das ist eine Unverfrorenheit und eine exzessive Dummheit! – Entschuldigen Sie bitte.

Ich glaube, damit ist alles gesagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Jarolim! Ich habe die letzten Sätze nicht gehört! Aber ich bitte ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja. Wir werden jetzt eine gute Justizdebatte führen. (Abg. Mag. Kukacka: Das war aber ein schlechter Beginn!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

21.52

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus dem umfangreichen Bukett, das diese Vorlage darstellt, nur den heute wahrscheinlich nicht ganz zu Recht, aber doch besonders interessierenden § 207b, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, herausgreifen, der neu geschaffen wird, während § 209 mit der heutigen Beschlussfassung verblichen ist.

Um den § 209 ist es viele Jahre hindurch gegangen. Es gab Bestrebungen, ihn abzuschaffen. Im internationalen Kontext war er jedenfalls nicht zu halten, und nach der Antragstellung durch das Oberlandesgericht Innsbruck hat man damit rechnen können, dass der Verfassungsgerichtshof – wenn auch vorsichtig formuliert, wie er es dann tatsächlich getan hat – veranlassen wird, dass es diesen Paragraphen nicht mehr geben wird.

Wer gehofft hat, dass es bis zum 28. Feber 2003 dauern wird, bis sich die Regierung aufgerafft hat, daraus die Konsequenzen zu ziehen, der hat sich getäuscht. Die einzige Kritik, die von Seiten der Opposition ernsthaft an der neuen Regelung angebracht wird, ist, dass alles zu schnell gegangen ist. Man hatte offenbar gehofft, monatelang diskutieren und so tun zu können, als sei eine Staatsaffäre im Gange. Aber alle, die das gehofft hatten, haben sich getäuscht. Die Regierung hat rasch, kompetent und konsequent reagiert.

§ 209 ist gekippt. Es ist darum gegangen, alle Dinge, die angestanden sind und die man regeln wollte, streng geschlechtsneutral und auch beziehungsneutral in die Welt zu setzen, das heißt jeweils in allen Mustern: Mann-Mann, Frau-Frau, Frau-Mann, Mann-Frau. Das ist jetzt in der Vorlage tatsächlich geschehen. (Abg. Dr. Niederwieser: Das stimmt nicht!)

Übrig geblieben in Relation zu vorher ist, dass sich jemand dann, wenn er die Zwangslage, in der sich ein junger Mensch zwischen 14 und 16 Jahren befindet, ausnützt, um irgendwelche geschlechtlichen Handlungen an ihm oder vor ihm oder mit seiner Hilfe vorzunehmen, strafbar macht. Die Ausnützung der Zwangslage eines jungen Menschen ist besonders verwerflich. Auch der Tatbestand, dass jemand ausnützt, dass sich ein "Partner" – unter Anführungszeichen – unter 18 Jahren gegen Entgelt zu solchen Handlungen versteht, soll strafbar sein. Das ist von Brüssel aus vorgegeben. Wir sind etwas vorausgeeilt und haben die Dinge jetzt schon in die Praxis beziehungsweise ins Gesetzblatt umgesetzt.

Die Bestimmung des Alters der problematischen Reife ist aus dem Jugendgerichtsgesetz entlehnt. Das hat sich dann bewährt, wenn ein junger Mensch, Bub oder Mädel, zwischen 14 und 16 Jahren in Wahrheit zwar dieses Alter erreicht hat, aber doch noch nicht so reif ist, zu erkennen, worum es wirklich geht, und auch nicht in der Lage ist, sich danach zu verhalten. Wenn – und da gibt es zwei weitere Säulen – noch nicht die Reife gegeben ist, die man voraussetzen muss, um eine normale Beziehung annehmen zu können, wenn außerdem eine


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allfällige altersbedingte Überlegenheit ausgenützt wird, sodass ein Missbrauch in dieser Richtung entsteht, wenn also alle drei Voraussetzungen gegeben sind, dann soll auch ein strafbarer Tatbestand erfüllt sein.

Das betrifft nicht Liebesbeziehungen zwischen annähernd gleichaltrigen Menschen, auch nicht echte Liebesbeziehungen zwischen Menschen, egal welcher Altersstufe und welchen Geschlechts, sondern vielmehr geht es darum, dass sich jemand dann, wenn er wirklich seine allfällige Überlegenheit, die aus seinem fortgeschrittenen Alter resultiert, gegenüber einem Menschen ausnützt, der zwar das 14. Lebensjahr überschritten hat, aber eigentlich noch ein Kind ist, strafbar macht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Das ist die rasche Neugestaltung dieses Problemkreises, und sie findet unsere Zustimmung, die Zustimmung meiner Person und auch die Zustimmung meiner Fraktion. Ich glaube, dass damit ein Fortschritt erzielt worden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

21.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Es hat schon viele, zahlreiche – ich weiß nicht, wie viele – Debatten zum § 209 hier im Nationalrat gegeben, nicht zuletzt die Abstimmung 1996, bei welcher wir alle gemeinsam ganz nahe daran waren, einen menschenrechtswidrigen und, wie ich meine, unmenschlichen Paragraphen aus der österreichischen Rechtsordnung zu entfernen. (Abg. Dr. Grollitsch: Woher kommt der Paragraph?) Die Uneinsichtigkeit jener Fraktion, die jetzt die drittstärkste oder zweitkleinste Fraktion des Nationalrats ist (Heiterkeit bei den Grünen – Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber ), hat die Streichung des § 209 aus dem österreichischen Strafgesetzbuch fünf Jahre lang verhindert. (Abg. Dr. Jarolim: Wo ist Khol?)

Inzwischen gab es sozusagen zahlreiche menschliche Schicksale – ich kann nicht abschätzen, wie viele – bedingt durch diesen Paragraphen. Dieser Paragraph ist ja nicht erst verfassungswidrig, seit ihn der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, sondern schon all die Jahre hindurch, als das beteuert wurde. Das wurde gemeinsam von Harald Ofner, Terezija Stoisits, Werner Amon und zahlreichen anderen beteuert, die mit mir gemeinsam bei Pressekonferenzen waren, bei welchen es um die Beseitigung von Diskriminierung ging. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Er erinnert sich nicht mehr so genau daran, aber er war einmal Obmann der jungen ÖVP und hatte eine ein bisschen andere Haltung! Aber Erinnerung ist ja nicht gerade die Stärke von Mitgliedern von Regierungsfraktionen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies deshalb eine so ernsthafte Angelegenheit – es ist eigentlich unerheblich, ob sich Kollege Amon daran erinnert oder nicht –, weil es in der Zwischenzeit so viele menschliche Schicksale gegeben hat, für die wir hier im Nationalrat die unmittelbare Verantwortung tragen, nämlich für die Schicksale jener, die im Extremfall im "Häfen" gelandet sind, aber auch jener, die nicht in Strafhaft waren, bei welchen aber die so genannte bürgerliche Existenz auf dem Spiel gestanden ist oder vielfach zerstört wurde durch eine Verfassungswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung. – Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille sind die Materien, mit denen wir uns als JustizpolitikerInnen durchaus ernsthaft zu beschäftigen haben: Was ist die Absicht? Welches Schutzbedürfnis gibt es? Was sind die Schutzsubjekte des Strafrechtes? Was ist Ziel des Strafrechtes? Was ist Ziel des Jugendschutzes? Welche Bestimmungen – ob jetzt in strafrechtlicher oder auch nur in verwaltungsrechtlicher Hinsicht – braucht es, um Jugendliche vor ganz unterschiedlichen Einwirkungen zu schützen, denen sie ausgesetzt sind?

Wir haben das – der eine oder andere von Ihnen erinnert sich vielleicht daran – im Zusammenhang mit der Senkung der Strafmündigkeit letztes Jahr sehr ernsthaft diskutiert. Der österreichische Gesetzgeber hat letztes Jahr, als man die Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre


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gesenkt hat, gemeint – und dem haben auch die Grünen, wie ich jetzt im Nachhinein meine, nicht so wohlüberlegt, zugestimmt, weil es uns irgendwie plausibel erschien –, dass man auch im Zivilrecht den jungen Menschen diese Volljährigkeit und damit auch die volle Geschäftsfähigkeit schon ab 18 zusprechen will. Das hatte auch sofort Auswirkungen auf das Strafrecht, weil es damit auch im Strafrecht maßgebliche Veränderungen gegeben hat.

Es gab eine ernsthafte Diskussion hier im Nationalrat. Es war eine lange Diskussion, es hat dazu eine Expertenanhörung in der Strafrechts-Enquete-Kommission stattgefunden, es hat ausgedehnte Beratungen im Justizausschuss gegeben, weil es eine ernsthafte Sache ist, ob Jugendliche schon ab 18 oder erst ab 19 Jahren voll zur Verantwortung gezogen werden sollen für Straftaten, die sie begehen. Eine ernsthafte Diskussion!

Ich erzähle das jetzt deshalb so genau, weil wir heute eine von den Auswirkungen für Jugendliche mindestens so dramatische und vom Ausmaß her eine ähnlich hohe Zahl von Jugendlichen betreffende Änderung des Strafrechtes vornehmen werden. Wir, das heißt nicht wir hier auf der linken Seite von mir aus betrachtet, sondern (Abg. Jung: Sondern wir hier!) rechts und rechts außen von mir aus betrachtet. Aber dies geschieht ohne Diskussion in der Strafrechts-Enquete-Kommission, ohne Diskussion im Ausschuss, ohne Beiziehung von Experten, ohne auch nur eine schriftliche, wenn auch noch so verkürzte Anhörung von Experten. (Abg. Jung: Schriftliche Anhörung? – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Das ist der Punkt, der mir das wesentlichste Anliegen ist, und deshalb verbreite ich mich hier auch so speziell. Ich meine, dass es Verantwortung des Nationalrates ist, immer, wenn es um das Strafrecht geht, immer wenn es darum geht, das Strafrecht auszuweiten, sorgsam vorzugehen, sorgsam in dem Sinne, dass man die Diskussion so lange führt, bis man zu einem Ergebnis kommt, das für viele – ich gehe nicht davon aus, dass es immer alle sein müssen – tragbar ist.

Nichts davon ist in diesem Zusammenhang passiert! Es wurde tagelang von Jugendschutz geredet, von Reife geredet, von angeblichem Mangel an Reife geredet, von Strafmündigkeit geredet, davon geredet, ob jemand Recht und Unrecht unterscheiden kann oder nicht – alles von Laien, alles von Leuten, deren Qualifikation jene ist, dass sie auch einmal Jugendliche waren: Herr Klubobmann Khol, Frau Dr. Fekter, Frau Terezija Stoisits, Herr Posch, Herr Schieder, wer auch immer. Das ist meine Qualifikation, wenn es darum geht, zu beurteilen, was mangelnde Reife eines Jugendlichen ist. Eine ähnliche Qualifikation, nämlich nur jene, einmal jugendlich gewesen zu sein, haben jene, die künftighin über das Schicksal von jungen Menschen, aber nicht nur von jungen, sondern auch von erwachsenen, die hier involviert sind, entscheiden werden, wenn es um die angebliche mangelnde Reife geht.

Das ist der Punkt, der in dieser Diskussion so hervorzuheben ist: dass hier der Justiz eine Kompetenz zugemutet wird, die sie einfach nicht haben kann, jenseits von allem Expertenwissen. Das ist der Punkt, der hier der wesentliche ist und der mir der wesentliche ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wissen, es war nicht ich allein, die das geäußert hat, sondern es waren viele Grüne, die gesagt haben: Reden wir über Jugendschutz, reden wir über Mängel, die es beim vermeintlichen oder auch wirklichen Schutz Jugendlicher in Österreich gibt! Niemand hätte sich dieser Diskussion verschlossen. Aber nein! Hier gilt der Grundsatz, dass Geschwindigkeit tötet – im wahrsten Sinne des Wortes oder im übertragenen Sinne. Schon wieder wird getötet, nämlich abgetötet. Abgetötet wird jede demokratische, sinnvolle Diskussion, in die auch die Meinung von Experten, die wirklich etwas davon verstehen, mit eingeschlossen wird.

Darum ist das Motto "speed kills" in diesem Fall tatsächlich etwas, was tötet, aber nicht grüne Laien oder sozialdemokratische Laien sind es, die auf diesem Gebiet bestimmen, sondern Jugendpsychiater, der gesamte Bereich des Jugendamtes in allen Ländern, jene, deren Beruf es ist, deren Profession es ist, das zu beurteilen, sagen: Bitte lasst uns mitreden! Doch genau das verweigern Sie. – Das ist die Seite der Medaille, die mir wichtig ist.


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Auf die andere Seite der Medaille, welche Auswirkungen jene Bestimmungen haben werden, die heute als so genannter Ersatz für den § 209 beschlossen werden, wird Kollegin Lunacek noch eingehen. (Abg. Dr. Pumberger: Ist sie Expertin?)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, ich habe meine Meinung darüber, was es mit den neuen Bestimmungen im § 207a auf sich hat. Sie sind durch die Art und Weise des Zustandekommens, durch die Art und Weise der Gesprächsverweigerung, durch diese Art und Weise von ungustiösen Wortmeldungen von Seiten von Spitzenrepräsentanten der Bundesregierung in der Öffentlichkeit nur mit einem zu umschreiben, das ist ... (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Danke, Herr Präsident, noch eine Minute. Es ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es geht nicht um die Redezeit. Es ist um einen bestimmten Ausdruck gegangen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Um welchen Ausdruck? Sehen Sie, jetzt haben Sie mich davon abgehalten, gemilderte Ausdrücke zu verwenden. Mir geht es hier darum, Herr Präsident, dass diese Frage einer Diskussion hätte unterzogen werden können, die seriös gewesen wäre.

Jetzt komme ich zu dem Schluss, den ich aus diesem Prozess gezogen habe: Er ist Ausdruck eines homophoben Bewusstseins Einzelner in diesen Parteien. Sozusagen auf Grund des Unvermögens Einzelner, damit fertig zu werden, dass Verfassungswidrigkeiten, Menschenrechtswidrigkeiten aus dem österreichischen Strafrecht verschwinden, werden in Zukunft viele Hunderte, vielleicht auch Tausende büßen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Zuletzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch zwei Worte zu anderen Punkten des Strafrechtsänderungsgesetzes 2002. Ganz still wird heute die Neutralität wieder ein Scheibchen mehr entsorgt, als sie ohnedies in diesem Land schon gefährdet ist. Es wird heute durch die Änderung der Strafprozeßordnung die Telefonüberwachung geändert, was dazu führt, dass genaue soziale Bewegungsprofile einzelner Personen erstellt werden können, und zwar völlig legal. Der gläserne Mensch, der durch und durch transparente Mensch ist wieder ein Stück mehr Wirklichkeit geworden, wenn das in Kraft tritt.

Das sind jene Punkte, die uns an diesem Strafrechtsänderungsgesetz so aufstoßen, dass es keine Zustimmung geben wird, mit Ausnahme des einen Punktes über die Tierquälerei.

Abschließend möchte ich noch den Abänderungsantrag der Grünen verlesen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Maga. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden – Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (1166 der Beilagen) in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (1213 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In Artikel I wird folgende Ziffer 19 a eingefügt:

"Der § 209 entfällt."

2. Artikel IX lautet wie folgt:


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"In-Kraft-Treten

(1) In Artikel I, mit Ausnahme der Ziffer 19a, sowie Artikel II dieses Bundesgesetzes tritt mit 1. Oktober 2002 in Kraft.

(2) Ab Inkrafttreten von Artikel I Ziffer 19a ist die damit aufgehobene Strafbestimmung nicht mehr anzuwenden."

*****

Das heißt, den § 209 soll es nicht mehr geben, und all jenes Unrecht, das durch den § 209 in der Vergangenheit begründet wurde und in der Gegenwart weiter begründet wird, soll auch dazu geführt werden, dass die Leiden ein Ende haben.

Mit Ihrer Regelung geschieht dies nicht, aber der § 209 ist tot, und es müssen auch jene entschädigt werden, die Opfer dieses Unrechtsparagraphen geworden sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der soeben vorgetragen wurde, liegt vor, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte sehr. (Abg. Öllinger: Wo ist denn der Herr Bundeskanzler? Der hat ja die Regelung zu verantworten! – Abg. Dr. Fekter: Ich glaube, sogar im Haus, Herr Öllinger! – Abg. Dr. Jarolim: Das wäre ein Experte! – Weitere Zwischenrufe.)

22.10

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu so später Stunde haben wir auch noch Gäste und Zuhörer, auch sie seien herzlichst begrüßt. (Abg. Dr. Jarolim: Die werden sich freuen!)

Das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 – das ist das, was jetzt als Tagesordnungspunkt debattiert wird – ist unter dem Kurztitel "Terrorpaket" vorbereitet worden.

In Artikel I ändern wir das Strafgesetzbuch, und wie Sie den Medien bereits entnehmen konnten, bietet uns diese Novelle die Möglichkeit, durch einen Abänderungsantrag in zweiter Lesung auf das Verfassungsgerichthoferkenntnis zum § 209 zu reagieren.

Der Verfassungsgerichtshof hat es als unsachlich angesehen, dass eine Beziehung zwischen zwei Männern zuerst straffrei ist, weil beide jugendlich sind, dann kurz strafbar wird, weil einer der Partner über 19 Jahre alt ist, anschließend aber wieder straffrei ist, wenn beide über 18 sind. Diese Konstellation wurde als verfassungswidrig angesehen, weil sie unsachlich ist. Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof aber in seiner Begründung erläutert, dass der Schutzzweck des § 209, nämlich Jugendliche vor allzu frühen und vor ausbeuterischen sexuellen Beziehungen zu bewahren, nicht verfassungswidrig ist. Daher sind nicht alle Verurteilungen nach § 209 per se Unrecht, sondern das muss man sich sehr wohl im Einzelfall anschauen.

Um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, diesem Schutzzweck zu entsprechen, hat der Verfassungsgerichtshof eine Frist bis Ende Februar 2003 gesetzt. Wir kommen nun dieser Anregung des Gerichthofs nach und schließen die Lücken im Sexualstrafrecht, indem wir diesen Schutzzweck verstärkt in das Sexualstrafrecht integrieren.

Wir schaffen einen neuen Tatbestand als § 207b, dessen Überschrift "Sexueller Missbrauch von Jugendlichen" lauten soll.

In Abs. 1 wird Missbrauch normiert, wenn aus bestimmten Gründen ein noch nicht reifer Jugendlicher unter 16 Jahren, der mangels Einsicht nicht entsprechend nein sagen kann, von


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einem älteren Partner durch dessen altersbedingte Überlegenheit ausgenützt wird. Der Strafrahmen beträgt ein Jahr.

Es ist also nicht allein die Unreife maßgeblich für Unrecht, sondern hier müssen schon mehrere Tatbestandsmerkmale zusammenkommen, damit man von Missbrauch sprechen kann. (Abg. Öllinger: Warum schaffen Sie nicht den § 100 ab?)

In Abs. 2 normieren wir als Missbrauch das Ausnützen einer Zwangslage. Hier beträgt der Strafrahmen drei Jahre. (Abg. Öllinger: § 100 Abs. 2!) Abs. 2 ist die Zwangslage. (Abg. Öllinger: § 100 meine ich, wonach man straffrei geht, wenn man heiratet! Ein ganz widerlicher Paragraph!)  – Darüber können wir reden, Herr Öllinger.

Gemäß Abs. 3 ist Sex mit Jugendlichen unter 18 Jahren gegen Entgelt strafbar. Auch hier beträgt der Strafrahmen drei Jahre.

Im § 100 Abs. 2 geht es darum, dass, wenn jemand zu unter 14-Jährigen sexuellen Kontakt hat, das durch die Ehe saniert wird. Wenn geglaubt wird, dass hier Handlungsbedarf besteht, bin ich gerne dazu bereit, darüber zu reden. Ob man eine Beziehung, die in einer Ehe mündet, als Missbrauch ansehen kann, bezweifle ich aber. (Abg. Mag. Posch: Die Ehe macht das straflos?)

Der geltende § 209 entfällt bei unserem Antrag.

Die begrifflichen Erläuterungen und die Begründung zu unserem Antrag bringen wir als eigenen Entschließungsantrag ein, und zwar deshalb, weil sich sonst in den gesetzlichen Materialien nur mehr der abgeänderte Text im neuen Gesetz befindet, nicht jedoch die eigentliche Begründung der Erläuterungen.

Herr Präsident! Ich bringe nun gemäß § 53 Abs. 3 Nationalratsgeschäftsordnung den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Kollegen zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 ein, mit dem eine Nachfolgeregelung für den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen § 209 StGB geschaffen werden soll, den ich in seinen Eckpunkten dargestellt habe und der in der Zwischenzeit verteilt worden ist.

Ferner bringe ich gemäß § 55 Abs. 3 Nationalratsgeschäftsordnung auch einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Kollegen zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 ein, mit dem der Justizminister ersucht wird, die Begründung des vorhin erwähnten Abänderungsantrages den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Einführungserlass zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 mitzuteilen.

Auch dieser Antrag ist verteilt worden, und ich möchte ihn in seinen Eckpunkten darstellen.

Die Begründung ergibt sich selbstverständlich durch das Verfassungsgerichtshoferkenntnis und die Ausführungen insbesondere zum Schutzzweck des § 209.

Die rasche Umsetzung des Erkenntnisses dient der Rechtssicherheit und schützt Missbrauchsopfer. Ein weiteres Zuwarten hätte für Betroffene erhebliche Nachteile. Ein Rahmenbeschluss der EU zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ausbeuterischen sexuellen Handlungen erfordert zudem eine Verschärfung unseres Sexualstrafrechtes und das Verbot von Sex gegen Entgelt mit Jugendlichen. – So einsichtig ist inzwischen auch die SPÖ geworden, wie der Abänderungsantrag des Kollegen Jarolim gezeigt hat.

Die verwendeten Begriffe stützen sich überwiegend auf Formulierungen aus dem geltenden Strafrecht, zu denen es Judikatur gibt. Das gilt beispielsweise für die "mangelnde Reife", für die "Zwangslage", das "Entgelt" oder das Tatbestandsmerkmal "ausnützen".

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir erkennen, dass die mangelnde Reife beim Täter dazu führt, dass wir ihn für schützwürdiger halten als einen Erwachsenen, warum erkennen Sie dann diese mangelnde Reife nicht für schützwürdig an, wenn es sich um Opfer handelt? Für uns sind Opfer in diesem Fall genauso schutzwürdig.


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"Liebe braucht keinen Richter" – das war heute ein Schlagwort, das die SPÖ in einer Aktion propagiert hat. Herr Kollege Jarolim, ich stimme Ihnen voll und ganz zu: Liebe braucht keinen Richter und kein Strafrecht (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber Missbrauch gehört mit dem Strafrecht bekämpft. Aber wenn Sie Missbrauch tolerieren, ist das den Opfern gegenüber eine heuchlerische Parteitaktik. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Wir wissen nicht einmal, wozu wir zustimmen sollen! – Abg. Dr. Fekter  – das Rednerpult verlassend –: Bekommen Sie von Ihrem Klub die Unterlagen nicht?)

22.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um eine Sekunde Geduld, ich muss nur etwas mit Präsidenten Fasslabend abklären. (Abg. Mag. Mühlbachler: Wegen eines Ordnungsrufes für die Stoisits!)

Ich setze die Beratungen fort.

Der Abänderungsantrag liegt vor. Er ist soeben von Frau Dr. Fekter eingebracht worden. Es ist ein Vermerk darauf, dass Präsident Fasslabend die Verteilung genehmigt hat. Da das zu einem Zeitpunkt war, zu dem der Tagesordnungspunkt noch gar nicht aufgerufen war, habe ich mich jetzt vergewissert, ob das so zutrifft, und ich nehme das zur Kenntnis. Beide Anträge, der Abänderungsantrag und der Entschließungsantrag, stehen daher zur Verhandlung.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Kollegen zur Regierungsvorlage (1166 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1213 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (1166 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1213 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I werden nach Z 19 folgende Z 19a und 19b eingefügt:

"19 a. Nach § 207a wird folgender § 207b samt Überschrift eingefügt:

‚Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

§ 207b. (1) Wer an einer Person, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie seiner altersbedingten Überlegenheit eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen zu bestrafen.

(2) Wer an einer Person, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Ausnützung einer Zwangslage dieser Person eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine ge


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schlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(3) Wer eine Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm oder einem Dritten vorzunehmen oder von ihm oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

19b. § 209 entfällt."

2. In Art. I Z 25 wird in § 278c Abs. 1 Z 6 die Wortfolge "schwere Sachbeschädigung (§ 126) oder Datenbeschädigung (§ 126a)" durch die Wortfolge "schwere Sachbeschädigung (§126) und Datenbeschädigung (§ 126a)" ersetzt.

3. Artikel IX lautet wie folgt:

"In-Kraft-Treten

Artikel I, mit Ausnahme der Ziffern 19a und 19b, sowie Artikel II dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Oktober 2002 in Kraft."

*****

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Kollegen an den Bundesminister für Justiz zum Bericht des Justizausschusses (1213 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage (1166 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002)

Im Zuge der Debatte zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002 und unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21.6.2002, G 6/02-11, mit welchem er § 209 StGB aufgehoben hat, haben die Abgeordneten Dr. Fekter und Dr. Ofner einen Abänderungsantrag eingebracht, durch den im Interesse des Schutzes Jugendlicher Regelungen geschaffen werden sollen, durch den diese vor Ausnutzung ihrer sexuellen Unreife geschützt werden sollen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, im Rahmen des Einführungserlasses zum Strafrechtsänderungsgesetz an die Gerichte und Staatsanwaltschaften diesen die nachstehenden Überlegungen der Antragsteller zur Schaffen des neuen § 207b StGB mitzuteilen:

"1. Mit Entscheidung vom 21.6.2002, G 6/02-11, hat der Verfassungsgerichtshof den § 209 des Strafgesetzbuches als verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28.2.2003 in Kraft. Der VfGH hat seine Entscheidung damit begründet, dass homosexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen bzw. jungen Männern, deren Altersunterschied ein bis fünf Jahre beträgt, nach den in § 209 StGB vorgesehenen Altersgrenzen in zeitlicher Abfolge


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zunächst straflos, dann strafbar und später wieder straflos sind bzw. sein könnten, was in sich unsachlich sei.

Zu anderen in verfassungsrechtlicher Hinsicht geäußerten Bedenken hat sich der VfGH nicht geäußert, jedoch festgehalten, dass er das den einschlägigen Normen des Sexualstrafrechts zugrunde liegende Schutzziel, Kinder und Jugendliche vor frühzeitigen, vom Gesetzgeber als für die Entwicklung schädlich angesehenen (hetero- und homo-)sexuellen Kontakten sowie vor sexueller Ausbeutung zu bewahren, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Zweifel ziehe. Die Festlegung eines bestimmten Schutzalters für Jugendliche falle weitgehend in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wobei eine allfällige Neuregelung auch andere Elemente, wie etwa den Altersunterschied der Partner, berücksichtigen dürfte.

2. Vor allem im Hinblick auf anhängige Strafverfahren wegen Tatverdachts nach § 209 StGB und auf nach diesem Tatbestand ausgesprochene strafgerichtliche Verurteilungen empfiehlt es sich nicht, die durch das Erkenntnis des VfGH bewirkte Ungewissheit über das weitere Vorgehen des Gesetzgebers im angesprochenen Bereich längere Zeit aufrecht zu erhalten.

3. In einer beim BMJ eingerichteten Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts sind bereits im Jahr 1997 vor allem von Praktikern in der Betreuung von Jugendlichen Überlegungen zu einer möglichen (geschlechtsneutralen) Neugestaltung des strafrechtlichen Schutzes Jugendlicher angestellt worden, die sich insbesondere auch auf Fallkonstellationen bezogen haben, in denen die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit Jugendlicher zwischen 14 und 16 Jahren im Hinblick auf eine Zwangslage, das Anbot eines Entgelts oder dergleichen beeinträchtigt ist (vg. auch § 182 dStGB in der seit 1994 in Deutschland geltenden Neufassung).

Im Rahmen des 3. Pfeilers der Europäischen Union befindet sich seit dem Vorjahr der Entwurf eines Rahmenbeschlusses des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie in Vorbereitung, nach dem u.a. die Vornahme sexueller Handlungen mit Jugendlichen (bis zum 18. Lebensjahr) unter Strafe zu stellen sein soll, soweit "Geld- oder sonstige Vergütungen oder Gegenleistungen dafür geboten werden, dass sich das Kind zu den sexuellen Handlungen bereit findet".

4. Im Sinne dieser Erwägungen und Vorhaben empfiehlt es sich, die Frage des strafrechtlichen Schutzes Jugendlicher – unbeschadet weiterer legislativer Reformvorschläge zum Sexualstrafrecht, die sich insbesondere aus dem erwähnten Rechtsakt der EU ergeben werden – schon jetzt einer Neuregelung zuzuführen.

Hiebei ist im Sinne der internationalen Rechtsentwicklung (vgl. u.a. Art 13 EUV in der Fassung des Vertrages von Amsterdam sowie die Tendenz der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu den Art. 8 und 14 ERMK), aber auch der maßgebenden Auffassungen der Lehre und von Experten aus dem medizinisch-psychologischen Bereich davon auszugehen, dass neue Strafbestimmungen zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes Jugendlicher hinsichtlich des Geschlechtes und der sexuellen Orientierung "neutral" zu konzipieren sind.

Solche Bestimmungen sollten sich ferner auf Fallkonstellationen beschränken, in denen die – grundsätzlich vom Gesetzgeber mit Vollendung des 14. Lebensjahres angenommene – sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit junger Menschen aus besonderen Gründen fehlen bzw. deutlich eingeschränkt sein kann. Mit den Strafbestimmungen (insbesondere) gegen sexuelle Gewalt und Nötigung, gegen den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und gegen Kuppelei sowie gegen sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren deckt das geltende Recht Teile solcher Fallkonstellationen ab. Der vorgeschlagene neue § 207b StGB will diesen strafrechtlichen Schutz – im Sinne eines "Lückenschlusses" – durch Bestimmungen ergänzen, die Sachverhalte erfassen, in denen die individuell fehlende Reife oder eine besondere Zwangslage eines oder einer noch nicht 16-jährigen Jugendlichen zu sexuellen Kontakten ausgenützt und damit missbraucht wird, zu denen sich der/die Jugendliche andernfalls nicht bereit finden würde. Gleiches gilt für die Verleitung Jugendlicher (unter 18 Jahren) zu sexuellen Handlungen durch Anbieten oder Gewähren eines Entgelts im Sinne des erwähnten EU-Rechtsaktes.


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5. Tathandlungen soll nach allen drei Absätzen der vorgeschlagenen Strafbestimmung die Vornahme geschlechtlicher Handlungen mit Jugendlichen unter sechzehn – nach Abs. 3 unter achtzehn – Jahren sein (Vornahme am Jugendlichen, Vornehmen lassen an sich, Verleiten des Jugendlichen dazu, eine solche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen), wobei nicht von einem erzwungenen Sexualkontakt ausgegangen wird.

Werden geschlechtliche Handlungen erzwungen oder abgenötigt, so ist in de Regel der Tatbestand der Vergewaltigung oder der geschlechtlichen Nötigung (§§ 206 und 207 StGB) erfüllt. Geschlechtliche Handlungen mit Personen unter vierzehn Jahren sind als solche – ungeachtet der sonstigen Umstände – durch die §§ 206 und 207 StGB erfasst, wobei das Gesetz bei Kindern unter vierzehn Jahren generell davon ausgeht, dass sie im Sinne einer ungestörten Entwicklung gar nicht in die Lage kommen sollen, nein sagen zu müssen. Im Fall einer Widerstandsunfähigkeit oder Unzurechnungsfähigkeit des Opfers im Sinne einer Geisteskrankheit, psychischen Behinderung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung liegt eine Schändung (§ 205 StGB) vor. Der Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, das für das Opfer in der Regel die Schwelle, nein zu sagen, erhöht, ist bereits durch § 212 StGB unter Strafe gestellt.

Nach den einzelnen Varianten der vorgeschlagenen Bestimmung treten zu dem unmittelbaren körperlichen und spezifisch sexualbezogenen Kontakt des Täters mit dem Opfer (oder auf Veranlassung des Täters eines Dritten mit dem Opfer) bestimmte Elemente hinzu, die den Sexualkontakt im Interesse einer ungestörten sexuellen Entwicklung von Personen unter sechzehn bzw. achtzehn Jahren und zur Wahrung deren sexueller Autonomie strafwürdig erscheinen lassen. Allen Fällen ist – wie den bereits erwähnten übrigen Bestimmungen gegen sexuellen Missbrauch – gemeinsam, dass sie Situationen im Auge haben, in denen es dem Opfer unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird, sein sexuelles Selbstbestimmungsrecht dahin auszuüben, dass es einen von ihm nicht gewünschten Sexualkontakt (mit Erfolg) ablehnt.

Zu Abs. 1:

Durch diese Bestimmung sollen Jugendliche unter sechzehn Jahren, die aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug sind, die Bedeutung sexueller Kontakte einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (fehlende Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit), davor geschützt werden, dass ihre individuelle Unreife durch erheblich Ältere ausgenützt wird. Die Formulierung orientiert sich bei der Umschreibung der "verzögerten Reife" an § 4 Abs. 2 Z 1 JGG, stellt im gegebenen Kontext jedoch auf die "sexuelle Reife" des/der Jugendlichen und nicht auf die Fähigkeit zur Unterscheidung von Recht und Unrecht im Sinne des Strafrechts ab.

Der Tatbestand kommt dann in Betracht, wenn sich im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem Opfer wegen des verzögerten Entwicklungsprozesses (arg. "noch nicht reif genug") die Fähigkeit fehlt, Bedeutung und Tragweite einer konkreten sexuellen Handlung für seine Person einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Das Fehlen der sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit bei mündigen Jugendlichen unter sechzehn Jahren muss im konkreten Fall festgestellt werden ("aus bestimmten Gründen"). Handelt es sich nicht um eine entwicklungsbedingte Unreife, sondern um eine Geisteskrankheit, um einen Schwachsinn, um eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder um andere seelische Störungen gleichwertiger Art, so kommt nicht § 207b Abs. 1 StGB zur Anwendung. Das Element der Unreife wird als Tatfrage in der Regel durch ein Sachverständigengutachten zu klären sein, die Beurteilung des Sachverhalts an Hand von § 207b Abs. 1 bleibt aber immer eine vom Richter zu lösende Rechtsfrage.

Das Bestehen einer besonderen Unreife beim Jugendlichen soll allerdings allein nicht zur Verwirklichung des Tatbestandes ausreichen. Der Täter muss vielmehr sowohl die eben beschriebene mangelnde Reife des Opfers als auch seine eigene altersbedingte Überlegenheit beim Zustandekommen des Sexualkontaktes ausnützen.


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Mit dem Kriterium der altersbedingten Überlegenheit sollen starre Altersgrenzen vermieden werden. Dennoch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gefahr nachteiliger Folgen für die sexuelle Entwicklung eines Jugendlichen bei Beziehungen mit älteren Partnern, die an Wissen und Erfahrung Jugendlichen unter sechzehn Jahren überlegen sind, größer ist als bei sexuellen Erlebnissen und Erfahrungen mit annähernd Gleichaltrigen.

Wesentlich für das Ausnützen als das bewusste Sich-Zunutze-Machen der Unreife des jugendlichen Opfers ist, dass dieses auf Grund seiner individuellen Unreife keinen entsprechenden Willen entwickeln und verwirklichen kann und der Täter dies bewusst als einen Faktor einkalkuliert, der seinem Vorhaben zugute kommt. Von einem Ausnützen kann umso eher ausgegangen werden, je größer das zwischen Täter und Opfer bestehende, insbesondere im Altersunterschied begründete "Machtgefälle" ist. Beim Ent- oder Bestehen eines echten Liebesverhältnisses hingegen geht es nicht darum, sich die jugendliche Unreife des Opfers bzw. seine eigene altersbedingte Überlegenheit zunutze zu machen; in einem solchen Fall liegt daher auch kein Ausnützen iSd Tatbestandes vor.

Auf der subjektiven Tatseite ist für alle Elemente zumindest bedingter Vorsatz erforderlich. Dieser muss sich insbesondere darauf beziehen, dass das Opfer unter sechzehn Jahre alt ist, auf die Umstände, welche die mangelnde Reife des Jugendlichen begründen, sowie auf die Tatsache, dass diese Unreife und die eigene altersbedingte Überlegenheit bei der geschlechtlichen Handlung ausgenützt werden.

Zu Abs. 2:

Durch Abs. 2 sollen Personen unter sechzehn Jahren davor geschützt werden, dass sich ein anderer – unabhängig von seinem Alter – eine Zwangslage des Opfers für dessen Bereitschaft zu sexuellen Kontakten zunutze macht. Der Begriff "Zwangslage" kommt unterhalb bzw. außerhalb der Schwelle zur Nötigung zum Tragen und ist im gegebenen Kontext naturgemäß nicht auf eine wirtschaftlich bedrängende Situation im Sinne der §§ 154 und 155 StGB (Wucher) beschränkt, vielmehr wäre insbesondere an Fälle ernsthafter Drucksituationen wie Drogenabhängigkeit, illegaler Aufenthalt, Obdachlosigkeit, Angst vor der Gewalt des Täters oder an jugendspezifische Zwangslagen wie die Notsituation von zu Hause fortgelaufener oder aus einem Heim entwichener Jugendlicher zu denken. Die bloße Befürchtung elterlicher Sanktionen z.B. für zu spätes Nachhausekommen hingegen soll nicht ausreichen.

Unter Ausnützung einer solchen Zwangslage handelt der Täter, wenn diese sein Vorhaben ermöglicht oder zumindest begünstigt, er dies bewusst als einen Faktor einkalkuliert und die ihm damit gebotene Gelegenheit wahrnimmt. Beruhen die Sexualkontakte hingegen nicht auf der Zwangslage des Opfers, sondern auf einer echten Liebesbeziehung zwischen ihm und dem Täter, fehlt es bereits begrifflich an der "Ausnützung" einer Zwangslage.

Auch hier muss auf der subjektiven Tatseite zumindest bedingter Vorsatz hinsichtlich aller Elemente (Alter des Jugendlichen, Umstände, die seine Zwangslage begründen und Ausnützen derselben) gegeben sein.

Zu Abs. 3:

Nach dem schon einleitend erwähnten, in den zuständigen Gremien der Europäischen Union derzeit vorbereiteten Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie soll jedenfalls bestraft werden, wer Geld oder sonstige Vergütungen dafür bietet, dass sich eine Person unter achtzehn Jahren zu sexuellen Handlungen bereit findet. Damit soll den im Erleben von Sexualität als "käuflicher Ware" liegenden Gefahren für die sexuelle Entwicklung und dem zu befürchtenden Abgleiten in eine häufig mit Begleitkriminalität verbundene "Szene" oder in die Prostitution begegnet werden.

Der Begriff "Entgelt" ist im Sinne der Legaldefinition des § 74 StGB als jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung zu verstehen; immaterielle Vorteile sind daher ausgeschlossen. Durch die Wendung "unmittelbar durch Entgelt dazu verleitet" soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Zuwendung bzw. auch das bloße Anbieten einer solchen für die


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Bereitschaft des Jugendlichen zum Sexualkontakt ursächlich sein muss, m.a.W., dass der Täter das Opfer dadurch konkret zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung bestimmt. An einer solchen Bestimmung (Verleitung) fehlt es bei einem Geschenk im Rahmen einer Liebesbeziehung und bei einer von der sexuellen Handlung abgekoppelten, nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Sexualkontakt angebotenen oder gewährten Vermögenszuwendung.

Auch hier ist auf der inneren Tatseite zumindest bedingter Vorsatz bezüglich aller Elemente erforderlich."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

22.19

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auch zu der längst fälligen Streichung des menschenunwürdigen § 209 Stellung nehme, möchte ich insgesamt doch kurz zu dieser Gesetzesänderung Stellung nehmen, weil das Strafrecht eine Rechtsordnung ist, die eigentlich am stärksten in das Leben der Menschen eingreift. Das Strafrecht ist sozusagen die stärkste Eingriffsmöglichkeit des Staates in das Leben des Menschen, und umso mehr, denke ich, ist eine seriöse Auseinandersetzung mit dieser Rechtsmaterie erforderlich.

Mein Vorwurf an Sie, Herr Bundesminister, und an die Regierungsparteien ist, dass genau mit dieser sensiblen Rechtsordnung nicht sehr seriös umgegangen wird, dass hier versucht wird, ohne Einbeziehung von Experten Dinge durchzupeitschen, die sich massiv auf das Leben der Menschen auswirken, die sich vor allem massiv negativ auf das Leben der Menschen auswirken. (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Missbrauch! Wollen Sie die Missbrauchstäter schützen?) Wissen Sie, Frau Kollegin Fekter, Sie verwechseln das Strafrecht mit irgendeiner Materie, wo Sie populistisches politisches Kleingeld machen. (Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie die Missbrauchstäter schützen?) Dazu ist diese Rechtsmaterie zu wichtig. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! In aller Kürze möchte ich neben dem § 209 auch auf den § 320 StGB eingehen, nämlich auf den Begriff der Neutralitätsgefährdung. Ich habe mir die Erläuternden Bemerkungen ganz genau angesehen, und ich habe mich lange bemüht, Argumente zu finden, warum Sie den Begriff "Neutralitätsgefährdung" aus dem StGB ganz einfach herausstreichen. Es gibt offensichtlich keine rechtliche, keine inhaltliche Begründung dafür, sondern es ist die Neutralität für Sie offensichtlich ein ungeliebter Begriff, daher versuchen Sie, diesen Begriff aus dieser Regelung zu streichen.

Es spricht überhaupt nichts dagegen, bei dieser Begrifflichkeit zu bleiben. Die Neutralität ist auch in unserem Bundes-Verfassungsgesetz als fixe Rechtsordnung verankert. Da ist es zum Glück so, dass sich diese beiden Regierungsparteien nicht so einfach austoben und die Neutralität auch aus der Verfassung streichen können. Es ist gut, dass Sie diese notwendige Verfassungsmehrheit nicht haben. Darum glauben Sie, sich in an deren Bereichen austoben zu müssen.

Herr Bundesminister! Ich halte es für falsch, das Wort "Neutralität" und das Wort "Neutralitätsgefährdung" aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Ich habe, wie gesagt, auch keine Begründung dafür in Ihrem Antrag und auch nicht in den Erläuterungen gefunden. Es geht offensichtlich um einen ungeliebten Begriff. Sie haben Schwierigkeiten mit der Neutralität. Dann sollten Sie, wenn dem so ist, das auch so aussprechen.

Nun möchte ich aber auf die Diskussion zum § 209 – das ist jener Paragraph, der auch, was das öffentliche Interesse betrifft, natürlich im Mittelpunkt gestanden ist – eingehen, vor allem


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auch auf diese für mich nicht nachvollziehbare Diskussion um eine Nachfolgeregelung, die es im Zusammenhang mit der Aufhebung des § 209 gibt.

Festzuhalten ist: Die ÖVP, allen voran Klubobmann Khol, war immer jene Partei, die über viele Jahre hinweg verhindert hat, dass dieser menschenunwürdige und diskriminierende Paragraph endlich gestrichen wird. Der Verfassungsgerichtshof musste erst entscheiden, um Ihnen Ihren offensichtlich so geliebten § 209 zu nehmen. Weil Sie sozusagen vor lauter Schmerz über den Verlust des § 209 damit nicht fertig geworden sind, wollen Sie hier eine Nachfolgeregelung finden, für die es keine Notwendigkeit gibt.

Wenn es eine Notwendigkeit gibt, dann für begleitende Maßnahmen, um darauf zu dringen, dass nach dem § 209 Inhaftierte sofort freigelassen werden, dass Prozesse nach dem § 209 nicht mehr geführt werden und dass Sie sich überlegen, was Sie an Wiedergutmachung für diese Menschen vorhaben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist nicht auszuhalten, diese Polemik!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist daher unglaubwürdig, wenn Frau Fekter heute von Jugendschutz spricht. Zweieinhalb Jahre lang hätten Sie jede Jugendschutzbestimmung hier beschließen können. Sie haben nichts gemacht! (Abg. Dr. Fekter: Sie haben nicht zugehört bei meinen Reden! Wir haben das immer wieder angeführt! Sie haben ja nicht zugestimmt!) Sie nehmen den § 209 beleidigt zum Anlass, um etwas zu tun, was es eigentlich heute schon gibt.

Nicht nur, dass Sie zweieinhalb Jahre lang nichts getan haben; Herr Bundesminister, bis zum Jahr 1999 hat es einen Arbeitskreis im Justizministerium gegeben, der sich genau mit der Frage des Sexualstrafrechts in Zusammenhang mit Jugendlichen beschäftigt hat. Sie haben diesen Arbeitskreis – auch auf Anregung des Herrn Khol – eingestellt. Ihnen ist das kein politisches Anliegen. Sie benutzen das heute und wollen politisches Kleingeld machen. Mit Jugendschutz haben Sie überhaupt nichts am Hut. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Ihnen etwas am Jugendschutz läge, dann frage ich mich, warum Sie gleichzeitig drauf und dran sind, den Jugendgerichtshof zu zerschlagen. Da höre ich kein Wort von Jugendschutz. Ich höre kein Wort, wenn es darum geht, dass junge Mädchen Beratungsstellen wegen sexueller Belästigung aufsuchen können. Sie kürzen und streichen die Förderungen für diese Beratungsstellen und geben keine Unterstützung, wenn es darum geht, junge Mädchen davor zu schützen, dass sie sexuell belästigt werden. Da kürzen Sie! Da ist nichts von Jugendschutzbestimmungen zu bemerken. Das ist doppelzüngig, was Sie machen! Was Sie vorhaben, ist in Wirklichkeit blau-schwarze Beischlafbespitzelung. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist Ihr Vorschlag, und das werden wir ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, bitte!

Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Sie wollen das nicht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Polemik ist unerträglich, Frau Bures! Das ist eine richtige Wirtshauspolemik!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass es notwendig ist, junge Menschen zu schützen, sie aber auch vor solchen gesetzlichen Regelungen zu schützen, wie Sie sie heute einführen wollen. Das ist eine Ho-Ruck-Aktion. Experten kommen bei Ihnen nicht mehr zu Wort. Expertenmeinungen werden vom Tisch gewischt. Wir haben auch gesehen, wozu das führt: Der Verfassungsgerichtshof hebt in der Regel Ihre Regelungen auf.

Wissen Sie, wozu es noch führen wird? – Sie werden das Vertrauen vor allem der jungen Menschen im Land nicht bekommen, wenn Ihr Zugang der ist, unter die Bettdecken junger Menschen schnüffeln zu wollen. Sie werden keine Zukunft für die Jungen anbieten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben gesagt, unsere Politik ist hirnlos! Das kann man heute zurückgeben bei Ihrem Debattenbeitrag!) Sie werden die Probleme, die Anliegen, die Wünsche, die junge Menschen haben, in Ihre Politik nicht aufnehmen, daher werden Sie auch das Vertrauen und die Stimmen dieser jungen Menschen nicht bekommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie sich noch erinnern, dass Sie gestern gesagt haben, wir seien hirnlos? Ihr Beitrag heute ist auch hirnlos!)


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Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, bei dem Sie die Möglichkeit haben, einmal ein Bekenntnis zur Neutralität abzugeben. Das wäre sehr wichtig. Die Mehrheit der Österreicher ist stolz darauf, dass Österreich ein neutrales Land ist.

Ich bringe nun einen Abänderungsantrag ein, in dem es darum geht, vor allem in der Neuregelung des § 207, was die sexuelle Ausbeutung von Jugendlichen betrifft, nicht doppelzüngig Jugendschutz zu betreiben, sondern tatsächlich Hilfestellung zu leisten. Ich bringe damit den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen ein. Er ist ausreichend unterstützt und verteilt, daher brauche ich ihn nicht zu verlesen.

Ich appelliere noch einmal an die Regierungsmitglieder: Nehmen Sie Abschied von § 209 – er war längst menschenunwürdig – und versuchen Sie nicht, sich hier mit Jugendschutz und Jugendschutzzielen herauszuschwindeln, die Ihnen kein Mensch abnimmt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Ein Angebot der Vernunft an eine unvernünftige Regierung!)

22.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ein Abänderungsantrag Dr. Jarolim, Bures, der sich auf § 207 und § 209 bezieht und über den Frau Abgeordnete Bures gesprochen hat, liegt vor und steht mit in Verhandlung. Er ist verteilt worden.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (1166 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1213 der Beilagen)

Der Nationalrat wollen in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (1166 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1213 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I werden nach Z 19 folgende Z 19a und 19b eingefügt:

"19a. Nach § 207a wird folgender § 207b samt Überschrift eingefügt:

‚Sexuelle Ausbeutung von Jugendlichen

§ 207b. (1) Eine Person über 21 Jahre, die eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm oder einem Dritten vorzunehmen oder von ihm oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Die Verfolgung des Täters bedarf der Ermächtigung des Jugendwohlfahrtsträgers.’

19b. § 209 entfällt."

2. In Artikel I Z 23 lautet § 278 Abs. 3 letzter Halbsatz wie folgt:

"dass er dadurch die strafbaren Handlungen der Vereinigung fördert."


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3. In Artikel I entfällt Z 27.

4. In Artikel II wird bei Z 7 nach § 149a Abs. 2 Z 2 statt dem Punkt ein Beistrich gesetzt und dann der Halbsatz angefügt:

"sofern ein dringender Tatverdacht vorliegt".

5. In Artikel II lautet bei Z 8 der erste Satz des § 149b Abs. 1 folgendermaßen:

"Die Überwachung der Telekommunikation ist durch die Ratskammer mit Beschluss anzuordnen."

6. Artikel IX lautet wie folgt:

"In-Kraft-Treten

(1) Artikel I, mit Ausnahme der Z 19b, sowie Artikel II dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Oktober 2002 in Kraft.

(2) Die durch Z 19b aufgehobene Strafbestimmung ist ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nicht mehr anzuwenden.

(3) Auf § 209 StGB beruhende Verurteilungen gelten als getilgt (§ 1 Tilgungsgesetz). Niemand darf wegen einer solchen Verurteilung oder wegen gegen ihn geführter Strafverfahren oder sonstiger behördlicher Tätigkeiten auf Grund von § 209 StGB in welcher Art immer benachteiligt werden.

(4) Ist eine Verurteilung neben § 209 StGB auch auf die Verletzung anderer Strafbestimmungen gestützt, so hat das Gericht auf Grund der Aufhebung des § 209 StGB die Strafe angemessen zu mildern. § 410 StPO gilt. Wurde eine vorbeugende Maßnahme angeordnet, so haben bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Anhaltung (§§ 25m 54 StGB) die Altlasten nach § 209 StGB außer Betracht zu bleiben. Steht die vorbeugende Maßnahme noch im Vollzug, so hat das Gericht unverzüglich nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von Amts wegen zu prüfen, ob auch unter Ausschaltung des § 209 StGB die weitere Anhaltung noch notwendig ist (§ 25 StGB).

(6) Unter Verurteilungen im Sinne des Absatzes 3 sind auch Urteile zu verstehen, mit denen die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches angeordnet wird."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

22.28

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nach dem, was Frau Abgeordnete Bures jetzt gesagt hat, muss ich mich zu Wort melden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Darauf würde ich gar nicht eingehen!), weil doch einiges klarzustellen ist und auf Seiten der Opposition offensichtlich massive Irrtümer vorhanden sind. (Abg. Dr. Fekter: Nein! Bewusste Irreführung! Das ist kein Irrtum, das ist bewusst!)

Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass der § 209 StGB sofort entfällt, obwohl das nicht notwendig wäre, weil er nach dem Willen des Verfassungsgerichtshofes noch eine Geltungsdauer bis Ende Februar 2003 gehabt hätte. Das wurde bisher mit keinem Wort erwähnt.

Es ist auch keine Ersatzregelung getroffen worden, sondern es ist eine begleitende Maßnahme vorgesehen, die vor allem dem Jugendschutz dient.


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Frau Abgeordnete Lunacek wird sich noch zu Wort melden, und ich nehme an, dass sie darauf eingehen wird. Ich möchte deshalb gerade auf den Jugendschutz sofort persönlich eingehen. In dieser begleitenden Regelung des § 207b ist vorgesehen, dass Menschen geschützt werden, die bedauerlicherweise eine "mangelnde Reife" – und mit diesem Begriff kann die österreichische Justiz erfahrungsgemäß seit Jahrzehnten umgehen – aufweisen und missbraucht werden, insbesondere von Menschen, die ihre altersbedingte Überlegenheit ausnutzen. Wenn Sie meinen, das sei nicht schutzwürdig, dann sagen Sie es klar und deutlich. Ich bin der Meinung, dass das sehr wohl eine schutzwürdige Personengruppe ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Ich weiß nicht, wie oft Sie schon sexuell missbrauchte Menschen gesehen haben. Bei mir im Ministerium war gestern eine Gruppe von sieben geschädigten jungen Menschen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist sehr unseriös, was Sie da machen!) Es ist bedrückend, wenn man diese Menschen sieht (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen die Wahrheit nicht hören!), weil es eine Tatsache ist, dass gerade junge Menschen, die eine verzögerte persönliche Reife aufweisen, primär Opfer von Tätern sind, die sexuellen Missbrauch an ihnen begehen.

Das ist der Beginn von sexuellen Erlebnissen, der Beginn von sexuellem Missbrauch, den sie oft ein Leben lang nicht loswerden. (Abg. Schieder: Und das gilt bis 18, und über 18 gilt das nicht?)  – Nein, Sie irren Herr Abgeordneter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dieser Schutz dauert bis zum 16. Lebensjahr, und geschützt werden solche Menschen, die eine verzögerte Reife aufweisen, die also dieses Schutzes bedürfen. Sie können sich hier herstellen und sagen: Diese Menschen wollen wir nicht schützen. – Ich sage: Ich will diese Menschen schützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die österreichischen Gerichte können mit Begriffen wie "altersbedingte Überlegenheit" durchaus umgehen. Es ist ein unzulässiger Angriff auf unsere Richter, auf ihre Intelligenz und ihre Erfahrung, zu sagen, die Richter könnten mit diesen Begriffen nicht umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie können auch sagen, dass Sie Menschen, die noch nicht 16 Jahre alt und in einer Zwangslage sind, nicht geschützt haben wollen. Immer wieder wird dasselbe Beispiel gebracht: Jemand reißt von zu Hause aus, kommt ohne Geld am Westbahnhof an. Er befindet sich in einer Zwangslage. Wollen Sie ihn ungeschützt lassen? Bitte, dann sagen Sie es, und treten Sie hierher! – Wir wollen ihn schützen! (Abg. Schieder: Was ist mit einem 30-Jährigen ohne Geld, den wollen Sie nicht schützen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ich kann leider nicht auf jede Themaverfehlung eingehen, es tut mir Leid.

Letzter Punkt: Wir wollen auch diejenigen schützen, die noch nicht 18 Jahre alt sind und die gegen Entgelt sexuell missbraucht werden. Ich meine, auch das ist richtig. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch, warum wir diese Regelung so schnell machen: Weil es sich, wie Frau Abgeordnete Mag. Stoisits gesagt hat, sehr wohl um menschliche Schicksale handelt, und wir wollen deshalb die Aufhebung des § 209 StGB vorziehen, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Jarolim: Hätten Sie ihn doch einfach abgeschafft! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen und Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Das ist ein heikles Thema. Es ist 22.30 Uhr, und da besteht immer ein wenig Gefahr, dass sich da etwas aufschaukelt. (Abg. Dr. Trinkl: Beim Jarolim! – Abg. Dr. Jarolim: Es geht um die Bilder, die da in den Raum gestellt werden! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ einerseits und der ÖVP und den Freiheitlichen andererseits.) Einer nach dem anderen! Jetzt ist Herr Minister Böhmdorfer am Wort, dann folgt eine tatsächliche Berichtigung.

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, fortzusetzen.


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Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer
(fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich möchte vor allem auch auf die Frage und den Vorwurf eingehen, warum diese Regelung so schnell getroffen wird. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Das geschieht deswegen, weil wir Verfahren haben, die von ihrem Stadium her anklagereif sind und den § 209 betreffen, weil die Justiz Strafanträge einbringen könnte, die wir jetzt einbringen sollten, wenn der § 209 StGB nicht aufgehoben würde, weil wir Untersuchungshäftlinge haben, die wir enthaften könnten, und weil wir Strafhäftlinge haben, die wir enthaften könnten, wenn dieser Paragraph aufgehoben wird. (Abg. Dr. Jarolim: Ja, dann tun Sie das!) Wir tun das auch! Aus diesem Grund wird er ja so schnell aufgehoben, deshalb wird er nach unserem Willen und nach dem Willen der Regierungsparteien heute aufgehoben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.  – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung der SPÖ –: Ihr wollt ihn nicht aufheben!) Auch noch so viele Unterbrechungen ... (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie wollen, Herr Abgeordneter Jarolim, dass der § 209 bis Februar 2003 weiter besteht, dann kommen Sie an das Rednerpult und sagen Sie das. Wir wollen das nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Bures: Das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden!)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. Sie kennt die einschlägigen Bestimmungen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Frau Kollegin Bures hat in ihren Ausführungen hier an die ÖVP gerichtet behauptet: Seit zweieinhalb Jahren hätten Sie Zeit gehabt, Jugendschutzmaßnahmen zu setzen.

Ich möchte Frau Abgeordnete Bures berichtigen: Nicht zweieinhalb Jahre hat die ÖVP Zeit gehabt, Jugendschutzmaßnahmen zu setzen, sondern sie war seit 1945 44 Jahre lang an der Regierung, und die ganze Zeit über hätte sie Zeit gehabt, Jugendschutzmaßnahmen zu setzen. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Minister Böhmdorfer, Sie sind seit 28 Monaten Bundesminister für ... (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten aller Fraktionen.)

22.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich stelle fest, dass der letzte Teil keine tatsächliche Berichtigung war.

Ich erteile nun Frau Abgeordneter Dr. Papházy das Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Die Grünen brauchen endlich einmal Nachhilfe in der Geschäftsordnung! – Abg. Ing. Westenthaler: Ja, genau! – Abg. Dr. Khol: Keine Anträge können sie formulieren! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Jarolim: Viel wichtiger wäre Nachhilfe in Wahrhaftigkeit!)

Herr Abgeordneter Jarolim, bitte! Ich richte ausdrücklich das Ersuchen an Sie, ...

Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

22.36

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin schon seit einiger Zeit im Parlament, wundere mich jedoch immer wieder über das Benehmen, das hier herrscht, so zum Beispiel über jenes von Frau Kollegin Stoisits gerade eben. Ich wundere mich auch über Polemik, die durch schrillen Vortrag weder besser noch richtiger wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Wen meinen Sie?)


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Ich wundere mich auch über Kollegen Jarolim, der darüber gesprochen hat, was diese Regierung "auszeichnet", wie er meinte. – Was Sie auszeichnet, Herr Kollege Jarolim, ist, dass Sie es fertig bringen, viele Minuten zu sprechen, ohne irgendetwas zu sagen, und sich dann noch Diskussionen wünschen, die man jedoch mit Ihnen nicht führen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut! – Abg. Mag. Posch: Sie haben aber bis jetzt auch noch nichts zur Sache gesagt!)

Da Frau Kollegin Stoisits hier von Liebe gesprochen hat, möchte ich Ihnen folgendes Beispiel bringen: Kommenden Samstag bin ich zu einer "Feier zum 100. Geburtstag" eingeladen: meine Freundin wird 44, ihr Mann 56. Diese beiden sind für mich das Musterbild einer guten Partnerschaft, einer Liebesbeziehung, wie man sie sich nur wünschen kann. Was das Besondere daran ist: Die beiden sind seit 30 Jahren glücklich zusammen. Ich gehe davon aus, dass es auch in anderen – auch in gleichgeschlechtlichen – Beziehungen ähnliche Konstellationen geben kann und wird, und deshalb halte ich es auch für richtig, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 StGB aufgehoben hat.

Genauso richtig, wenn nicht noch viel richtiger ist, dass diese Regierungskoalition eine Schutzbestimmung zum Schutz der Jugendlichen schafft: Durch den § 207b wird dem sexuellen Missbrauch an Jugendlichen ein Riegel vorgeschoben. Dabei geht es um den Schutz von Buben und Mädchen, und – an Sie, Frau Stoisits –: Echte Liebe wird entkriminalisiert! Das sei gesagt, um jeglichen Irrtum auszuschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dass die Opposition das nicht verstehen kann beziehungsweise nicht verstehen will, habe ich bereits heute Nachmittag APA-Meldungen entnommen, Meldungen, die mich nur so haben staunen lassen. (Abg. Dr. Mertel: Echte Liebe!)  – Als Frau, als Mutter und als Politikerin kann ich es nur begrüßen, dass der Schutz Jugendlicher verstärkt wird. Es sollte das Selbstverständnis aller Politiker sein, Schwache und Jugendliche verstärkt zu schützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Bures: Wann haben Sie ...?)

Wir haben ja gehört, unter welchen Voraussetzungen unter 16-Jährige verstärkt geschützt werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hören Sie mir bitte gut zu! – Die neuen Schutzbestimmungen für unter 18-Jährige schützen vor sexueller Ausbeutung gegen Entgelt.

Vielleicht ist Ihnen eine Sendung des "Europa-Panorama" vom Mai vergangenen Jahres in Erinnerung, eine Sendung, in der Kinder- und Jugendprostitution in EU-Beitrittskandidatenländern gezeigt wurde. Mir ist leider der Name entfallen, und ich konnte das auch beim ORF nicht eruieren, jedenfalls wurde eine kleine tschechische Stadt an der Grenze zu Deutschland gezeigt, wo Kinder und Jugendliche in Autos gereicht werden, wo junge Mädchen auf den Straßenstrich gehen. Wir wissen auch, dass Budapest, wo Prostitution Minderjähriger leider auch traurige Realität ist, das "Bangkok Europas" genannt wird. Wir wissen, dass es in Prag einen Straßenstrich für Kinder gibt und dass die Europastraße 55 auf einer Länge von zehn Kilometern weniger schön ist, als sie klingt. (Abg. Öllinger: Auch in Wien gibt es das!)

Vielfach sind es Ausländer aus dem Westen, die sich diese traurige Realität zunutze machen. Wir müssen aber auch der Tatsache ins Auge sehen, dass auch in Wien vermutlich 200 bis 300 Kinder unter solch furchtbaren Umständen zu leiden haben, und auch sie verdienen unseren Schutz.

Der bereits erwähnte EU-Rahmenbeschluss richtet sich gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gegen Entgelt; dieser ist in Vorbereitung. Diese Koalitionsregierung antizipiert jedoch die Bestimmungen zum Schutze der Jugendlichen bereits jetzt – und hat damit auch in diesem Punkt eine Vorreiterrolle.

Wichtig ist, dass die Neubestimmung des § 207b StGB breite Zustimmung bekommt; sie verdient diese auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Eine sehr selektive Wahrnehmung!)


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22.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

22.41

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Als wir am 24. Juni zu Mittag ... (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Mertel und Abg. Dr. Partik-Pablé. – Ich warte jetzt, bis die werten Damen und Herren bereit sind, mir zuzuhören. Vielleicht ist das möglich? (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Mertel muss ein bissl aufpassen!)

Als wir am 24. Juni dieses Jahres zu Mittag die Nachricht bekamen, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 aufgehoben hat, gab es im ersten Moment große Freude. Endlich! Endlich etwas, was die ÖVP seit Jahren und Jahrzehnten verhindert hat. Die anderen haben auch mitgeholfen. Endlich etwas, damit Österreich von dieser Schlusslicht-Position wegkommt, was Menschenrechte betrifft, Menschenrechte für schwule Männer. Die Freude war leider etwas kurz und auch etwas gedämpft. Anstatt dass die Regierungsfraktionen diese Aufhebung als Auftrag nehmen, endlich tatsächlich Anti-Diskriminierungsbestimmungen zu schaffen, tatsächlich die Gleichstellung für Lesben und Schwule in diesem Land voranzutreiben – was tun sie stattdessen? –, schaffen sie eine angebliche Ersatzlösung.

Ersatz für etwas, was keinen Ersatz braucht, denn diese Aufhebung des § 209  sollte ersatzlos stattfinden. Sie schaffen eine angebliche Ersatzlösung, reparieren das, machen etwas anderes. Minister Böhmdorfer hat vorhin gesagt, dass sie das jetzt dazu nutzen, um den Missbrauch von Jugendlichen einzuschränken. Das Problem ist aber: Dieser § 209 braucht keinen Ersatz, er gehört ersatzlos gestrichen. Aus! Punkt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist wirklich nicht verständlich, und das ist heute schon ein paar Mal gesagt worden: Seit mehr als 100 Jahren gibt es diese Regelung mit 14 Jahren, und niemandem ist eingefallen, das zu ändern – auch nicht der ÖVP vor zehn Jahren, als sie an der Regierung war, als es einen Ministerratsbeschluss gab, in dem stand, dass die bestehenden Strafbestimmungen zum Kinder- und Jugendschutz ausreichend seien. Das war 1992, ein Ministerratsbeschluss mit der ÖVP mittendrin. Damals ist Ihnen das nicht eingefallen? Jetzt auf einmal kommen Sie darauf, dass die jungen Mädchen und Buben stärker geschützt werden müssen? – Sehr spät, und vor allem aus einem Anlass, der keiner ist.

Da der Herr Minister begründet hat, warum Sie das jetzt so rasch gemacht haben, frage ich mich wirklich, wieso Sie nicht einfach den Satz hineinschreiben, der in unserem Entschließungsantrag, der übrigens von Frau Stoisits bereits eingebracht worden ist, steht: § 209 entfällt. – Aus! Das hätte völlig gereicht! Die Regelung, die Sie jetzt vorschlagen, hat mit dem § 209 überhaupt nichts zu tun. Deswegen hätten Sie überhaupt nicht rasch zu reagieren brauchen, deswegen wäre es nicht notwendig gewesen.

Wenn Sie etwas gegen den Missbrauch hätten tun wollen, wenn Sie etwas gegen Zuhälterei von Jugendlichen hätten tun wollen, hätten wir darüber schon reden können. Diese Missbräuche gibt es tatsächlich! Aber so husch-pfusch drüberfahren? Wissen Sie, was das heißt? "Speed kills intelligence", "speed kills" intelligente Lösungen. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine schnellen Denker, die Grünen!) Was es außerdem noch bedeutet: "speed kills safety". Sie sagen: Damit gibt es mehr Sicherheit für junge Leute. – Das stimmt nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sicherheit, gerade in einem Alter, in dem junge Menschen Dinge selber herausfinden wollen, in der Pubertät sind und ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen: Sie haben einen Anspruch und ein Recht darauf, dass sie sicher sind, wenn sie sexuelle Beziehungen eingehen. Was Sie da machen, ist aber, neue Unsicherheit zu schaffen. Wer klärt denn, wer "sexuell unreif" ist?

Wie war denn das bei Ihnen, Frau Kollegin Fekter? – Es gibt da eine Aussage von Ihnen in einer Ausgabe des "Falter" aus dem Jahr 1996: "Ich war 15, als ich es das erste Mal tat." Wie wäre das nach dem neuen Gesetz, das Sie jetzt einführen? (Abg. Dr. Fekter: Ich bin nicht missbraucht worden!) Würde das heißen, dass Ihre Eltern damals, wenn sie gemeint hätten, dass Ihr Freund damals, der – ich weiß nicht – 17, 18, 19, 20, 21 vielleicht 25 war, das tat,


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obwohl Sie dafür zu unreif gewesen wären, zur Polizei hätten gehen können und der Staatsanwalt dann eine Klage hätte einbringen müssen? Er hätte Ihren damaligen Freund anzeigen und ins Gefängnis bringen müssen? Na super! (Abg. Dr. Fekter: Er muss nicht klagen! Es gibt einen klaren Straftatbestand!)

Was heißt das für eine Familie, für die Familienpartei ÖVP, die sagt, die Familien seien so toll und so wichtig? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Dann können die Eltern sagen: Nein, meine Tochter ist noch zu unreif! Mein Sohn – nein, ich will nicht, dass er mit 15 schon eine Freundin hat! Oder gar einen Freund vielleicht oder eine 15-jährige Lesbe, wenn ihr einmal klar geworden ist, dass sie Lesbe wird, eine Freundin. Wenn die Eltern das nicht wollen, dann schaffen diese Tatbestände, die Sie hier einführen, völlige Unsicherheit für diese Jugendlichen. Das wollen Sie erreichen! Unsicherheit für Jugendliche, und das hat überhaupt nichts mit Sicherheit zu tun. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu kommt noch – und das ist ja vorhin schon angesprochen worden – so ein gewisses homophobes Bewusstsein, das auch da durchdringt, denn wie Sie alle wissen, sind gleichgeschlechtliche Beziehungen in der österreichischen Gesellschaft immer noch keine Selbstverständlichkeit. Da kann es natürlich passieren, wenn sich ein 15- oder 16-jähriges Mädchen das erste Mal in ein Mädchen oder ein Bursch in einen Burschen verliebt, dass es dann wohl zahlreiche Eltern geben wird, die finden, das sei nichts, das sei unreif, da gebe es irgendwo eine Zwangslage. Oder vielleicht hat der 20-Jährige den 16-Jährigen zum Abendessen eingeladen, und danach sind sie gemeinsam ins Bett gegangen. – Das ist gegen Entgelt! Hier gehört der Strafrichter her!, würden die dann meinen. (Ruf bei der ÖVP: Falsch!)

Meine Damen und Herren! Diese Interpretationen werden ermöglicht durch die Strafbestimmungen, die Sie einführen, und diese schaffen Unsicherheit für junge Leute. Sie führen dazu, dass Sexualität nicht in Sicherheit erfahren werden kann. Das ist kein Schutz von Jugendlichen! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie, Herr Kollege Ofner, davon sprechen, dass Sie die Unreife-Bestimmung aus dem Jugendgerichtsgesetz genommen haben, wo es ja auch die Formulierung "Unreife" gibt, frage ich schon: Was haben Straftatbestände wie Diebstahl, Raub oder Ähnliches mit Sexualität zu tun? Machen Sie damit nicht Sexualität zu einem Straftatbestand? – Das tun Sie hier! Sie nehmen die Unreife im Erkennen von Straftaten zum Vorbild. Wir sollen jetzt aber irgendwie erkennen, wo sexuelle Unreife vorliegt, und das heißt de facto, die Jugendlichen sind dann unreif, wenn die Eltern das so bestimmen. Diese Unsicherheiten schaffen Sie damit, und das ist auch der Hauptvorwurf gegen diesen Gesetzestext.

In dieser Schwammigkeit der Formulierungen liegt das Problem. Sie haben noch kein konkretes Beispiel genannt. Sie drücken sich davor, genau zu sagen, was diese Zwangslagen sind, was sexuelle Unreife ist; das heißt, das können, ja müssen dann die Richter interpretieren. Es wird Jahre brauchen, bis es eine entsprechende Judikatur dazu gibt. (Abg. Dr. Fekter : Sie wollen Missbrauchstäter schützen!)

Frau Kollegin Fekter! Das hat auch Kollegin Stoisits bereits x-mal gesagt: Jugendschutz, ja! Warum diskutieren wir dann nicht über Fragen wie Zuhälterei, wie das anders geregelt werden könnte, wie Freier bestraft werden können und nicht die Prostituierten? Warum diskutieren wir das nicht? Darum könnte es gehen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Sie schützen Jugendliche damit nicht, Sie wissen doch ganz genau, dass es zahlreiche Strafgesetzbestimmungen gibt wie geschlechtliche Nötigung, Vergewaltigung, Schändung, sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren et cetera, et cetera. Die sind alle anwendbar! (Abg. Dr. Fekter: ... Exhibitionismus ...!)

Ich habe dann noch eine Vermutung, die dazukommt. Noch eine Vermutung! Wenn Sie immer sagen: Reine, echte Liebesbeziehungen, das ist kein Problem. – Wer entscheidet das, wo die echte Liebe ist? (Abg. Dr. Mertel: Der Bischof Laun!)  – Der Bischof Laun wahrscheinlich, genau! Danke für den Tipp! Ich weiß, er hat vor allem gesagt, man müsse die Heterosexualität und die Homosexualität auch wieder trennen. (Abg. Dr. Jarolim: Auch der Khol!)


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Wer entscheidet denn, was eine echte Liebesbeziehung ist? Wie ist das? Stellen Sie sich vor: Ihr Sohn hat eine Freundin, sie ist 15, er ist 20, also ungefähr wie das Paar, das Kollegin Papházy vorhin erwähnt hat; da war sie 14, und er war, wenn ich das jetzt richtig rechne, 26, als sie sich kennen gelernt haben. Wenn die Eltern dann sagen, sie sei unreif oder er habe sie ins Kino eingeladen, also gegen Entgelt ... (Abg. Dr. Fekter: Der Staatsanwalt wird das einstellen, weil kein Tatbestand erkennbar ist!)

Frau Kollegin Fekter! Sie haben vorhin, soweit ich das verstanden habe, auf den Strafrechtsparagraphen 100 angesprochen, gesagt, ob der Missbrauch, der in eine Ehe mündet, als Missbrauch anzusehen ist, das bezweifelten Sie. (Abg. Dr. Fekter: Dann wird es wahrscheinlich Liebe gewesen sein, sonst würde er sie nicht heiraten!) Wissen Sie, was da durchkommt? Dieser § 100 Abs. 2 besagt nämlich Folgendes:

Wenn ein an der Tat, eine Frau zu entführen, eine Person weiblichen Geschlechts, die geisteskrank ist et cetera, Beteiligter die Entführte heiratet, so wird der Täter nur bestraft, wenn die Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist. – Sie sagen, Sie bezweifeln, ob der Missbrauch dann als Missbrauch anzusehen ist? Wissen Sie, was da dahinter steckt? Sie haben kein Interesse daran, die Mädchen zu schützen!

Wie hat Klubchef Khol gestern im "Report" gesagt: Wenn den Buben künftig passiert, was den Mädchen derzeit schon passiert, dann lege er sein Mandat zurück. Sie haben kein Interesse daran, die Mädchen zu schützen. (Abg. Dr. Khol: Ich bitte Sie!)  – Na ja, sonst hätten Sie das so nicht gesagt. Das ist doch einfach eine Haltung, die sich jetzt, weil Sie meinen, Buben stärker schützen zu müssen, aktiviert. Jetzt kommt das alles, sonst hätten Sie ja jetzt gar nicht reagiert! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich muss auch noch den Entschließungsantrag einbringen, der beabsichtigt, einige Punkte klarzustellen – Minister Böhmdorfer hat einige Punkte erwähnt –, die mit der Aufhebung des § 209 zusammenhängen.

Ich gehe davon aus, dass auch dieser Antrag ob seiner Länge verteilt wird, so wie jener der Kollegin zuvor. Deswegen werde ich ihn nur kurz erläutern. Es geht darum, dass der Minister für Justiz ersucht wird, Maßnahmen zu treffen, dass zum Beispiel die Löschung aller Vormerkungen im Strafregister von wegen des § 209 Verurteilten vorgenommen wird, dass Personen, die derzeit inhaftiert sind, entlassen werden, aber auch, dass Möglichkeiten für Entschädigungen von Verurteilten geschaffen werden, die vorrangig nach diesem § 209 in diesen letzten 30 Jahren verurteilt worden sind.

Ich hoffe, dass es hier Regelungen geben wird, denn der Verfassungsgerichtshof hat jetzt bestätigt, dass das Unrecht war, dass das verfassungsrechtlich nicht in Ordnung war. Ich hoffe sehr, dass es eine Lösung geben wird, die diesen Verurteilten in Zukunft wirklich auch helfen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, auf den sich die Frau Abgeordnete soeben bezogen hat und dessen Kernpunkte angesprochen wurden, ist genügend unterstützt, steht mit in Verhandlung und ist verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Maga. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof

Der Nationalrat wolle beschließen:


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1. Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat einen Entwurf für ein Bundesgesetz zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung wegen Verurteilungen, die überwiegend nach dem als verfassungswidrig aufgehobenen § 209 Strafgesetzbuch erfolgten, vorzulegen. Der Vorschlag hat jedenfalls die Rechtsgrundlage für folgende Maßnahmen zu umfassen:

Die Tilgung aller überwiegend auf § 209 beruhenden Verurteilungen, damit niemand wegen Verurteilung oder sonstiger behördlicher Tätigkeit aufgrund § 209 StGB in welcher Art auch immer benachteiligt wird;

die Löschung aller Vormerkungen, insbesondere im Strafregister und im kriminalpolizeilichen Aktenindex auf Grund § 209 StGB;

die Löschung aller personenbezogenen Daten, insbesondere auch erkennungsdienstlichen Daten, die im Zusammenhang mit Verfahren nach § 209 StGB ermittelt worden sind;

die rückwirkende Aufhebung aller Verurteilungen, die überwiegend auf § 209 StGB beruhen;

die Entlassung aller überwiegend nach § 209 StGB verurteilten Gefangenen aus dem Strafvollzug und

die volle finanzielle Entschädigung aller überwiegend nach § 209 StGB Verurteilten und Rückerstattung der Geldstrafen.

2. Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur Amnestie, Rehabilitierung und Entschädigung von Verurteilten nach dem als verfassungswidrig aufgehobenen § 209 StGB alle nach der geltenden Rechtslage möglichen Schritte zu setzen, damit

die Aussetzung des Strafvollzuges für alle nach § 209 StGB verurteilten Strafgefangenen und

den Aufschub des Strafvollzuges für alle allein nach § 209 StGB Verurteilten

gewährleistet werden kann, und dem Nationalrat darüber zu berichten.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

22.53

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich eigentlich dem Hauptthema des Strafrechtsänderungsgesetzes, nämlich der Terrorbekämpfung widmen. Daher nur eine Bemerkung zu meiner Vorrednerin, die sich bemüht hat, die Unmöglichkeit solcher auch subjektiv empfundener Zwangslagen darzustellen. (Abg. Dr. Mertel: Der Experte für Jugendsexualität! Ein "Jugendlicher Liebhaber"!)

Ich verweise auf das herrschende österreichische Arbeitnehmerschutzrecht. Darin gibt es sehr strenge Bestimmungen auch schon für sexuelle Belästigung, bei der es um vielleicht auch nur empfundene Zwangslagenausnützung gehen könnte. Wir wollen nichts anderes und machen heute nichts anderes, als junge Menschen auch in der Zeit zwischen dem 14. Lebensjahr und dem Eintritt in ein Arbeitsverhältnis in solchen Situationen zu schützen. Darum geht es und um nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Endlich eine Erklärung!)

Jetzt aber zum eigentlichen Thema aus Anlass des heutigen Strafrechtsänderungsgesetzes, zur Terrorbekämpfung, zu der Sie sicherlich auch vieles an Kritik vorzubringen gehabt hätten, wenn Ihnen nicht der § 207b dazwischengekommen wäre.

Im Wesentlichen geht es darum, nach dem 11. September des vergangenen Jahres die Rechtsordnungen der zivilisierten Länder für die Terrorbekämpfung fit zu machen. Dazu sind für


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uns zwei Übereinkommen von Bedeutung: eine Richtlinie der Europäischen Union zur Bekämpfung terroristischer Vereinigungen und eine UN-Konvention zur Verhinderung der Basisfinanzierung eben solcher terroristischer Vereinigungen.

Es ist das Wesen von Terrorismusbekämpfung, dass sie präventiv gestaltet werden muss, um eben so verheerende Anschläge, wie wir sie erleiden mussten, gar nicht zustande kommen zu lassen. Es ist daher auch ein Spannungsfeld, das hier aufzuzeigen ist, zwischen dem in unserer Rechtsordnung gut verankerten Persönlichkeits- und Datenschutz auf der einen Seite und eben dem Zweck der Terrorbekämpfung auf der anderen Seite. Ich meine, dass das mit den Hauptveränderungen, dem § 278b und d, dem vorausschauenden Bekämpfen terroristischer Vereinigungen durch präventive Bekämpfung, durch Beobachtung, durch Gefahrenerfassung sowie der Finanzierungsabschöpfung und -überwachung nach dem Muster der Bekämpfung krimineller Organisationen gut gelungen ist.

Ich möchte auch noch einen Teilaspekt beleuchten, den meiner Erinnerung nach Frau Kollegin Bures angesprochen hat, nämlich die so genannte Neutralitätsgefährdung. Der Tatbestand, wie er im Strafgesetz vorhanden ist, wurde in keiner Weise verändert. Im Gegenteil: Im Zuge der Terrorismusbekämpfung wurde er von "kriegerischen Handlungen" auf "bewaffnete Konflikte" ausgedehnt. Systematisch richtig hat man dabei allerdings die Überschrift "Neutralitätsgefährdung" entfallen lassen, da ja Neutralität bekanntlich ein völkerrechtliches Institut ist – und kein Straftatbestand. Die Neutralität kann nicht der Einzelne gefährden, sondern nur der Staat, indem er zum Beispiel als neutraler Staat keine Abfangjäger kaufen würde.

In diesem Sinne denke ich, dass das Strafrechtsänderungsgesetz samt den eingebrachten Abänderungsanträgen die Zustimmung wert ist und seinen Hauptzweck erfüllt, nämlich dass man uns nicht mehr vorwerfen kann, in Europa wären Terroristen sicherer als in Afghanistan. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

22.58

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Tancsits, Sexualexperte sind Sie keiner, das hat sich jetzt herausgestellt. (Ruf bei der ÖVP: Sie auch nicht!) Am Beginn meiner Ausführungen möchte ich auf den Jugendschutz eingehen, nämlich darauf, was Sie unter Jugendschutz verstehen und was nicht. Da es in letzter Zeit sehr viele Vorfälle, in die Jugendliche involviert waren, gegeben hat in Zusammenhang mit Waffen, Waffengebrauch, Verbrechen mit Waffen, weil Waffen nicht weggesperrt waren, möchte ich Ihr Verständnis von Jugendschutz einmal abtesten und Sie fragen, warum Sie nicht für ein schärferes Waffengesetz stimmen.

Ich möchte daher zu Beginn einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Kuntzl, Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen einbringen, das Waffengesetz 1996 zu ändern, und zwar geht es um das generelle Waffenverbot in privaten Haushalten. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Herr Kollege Kiss! Dagegen wehren Sie sich schon lange, das ist mir ohnehin bewusst. Im Wesentlichen beschäftigt sich der im Saal verteilte Antrag mit dem Verbot von Feuerwaffen und den Ausnahmen davon, aber auch mit den Gegebenheiten in Bezug auf Waffenpass und Waffenbesitzkarte.

Aber kommen wir zu einer anderen Facette des Jugendschutzes, kommen wir zum besagten § 207b, den Sie heute beschließen wollen. Und es ist kein Lüfterl der Entrüstung, es ist ein Sturm der Entrüstung, meine Damen und Herren, der losbricht, wenn man sich Ihre schwammigen – wie es ja oft zitiert wurde – Ersatzlösungen für den § 209 StGB genauer anschaut, wobei das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Viele Jugendorganisationen haben sich zu Wort gemeldet; die österreichische Bundes-Jugendvertretung, die die österreichische Jugend gesetzlich vertritt, wurde nicht einmal mit einbezogen, so wie überhaupt niemand in die Vorverhandlungen zu dieser Husch-Pfusch-Gesetzesaktion einbezogen war.


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Die Bundes-Jugendvertretung macht sich Gedanken. Sie hat schon, bevor der Verfassungsgerichtshof diesen Bescheid erlassen hat – so wie auch wir – die ersatzlose Streichung des § 209 gefordert. Gleichzeitig warnt die Bundesjugendvertretung in ihren Papieren davor, die Jugend mit irgendwelchen Ersatzbestimmungen, die jetzt von Ihnen beschlossen werden sollen, zu kriminalisieren.

Jetzt haben wir diese Husch-Pfusch-Aktion, und das ist eine Blamage! Sie wollen ablenken von der Blamage, dass Sie sich so lange gewehrt haben, dass der § 209 StGB ersatzlos gestrichen wird – und entdecken jetzt den Jugendschutz neu. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Man muss die Jugend vor Ihren Anträgen und vor Ihnen selbst schützen! Die FPÖ liegt überhaupt schon flach. Ich weiß nicht, wie Kollege Mainoni heute abstimmen wird. Ich glaube, die FPÖ ist wieder einmal umgefallen, denn es gab ja ganz andere Aussagen im Vorfeld. Ich bin neugierig, wie heute das Verhalten der FPÖ dazu sein wird.

Meine Damen und Herren! Zum Sexualstrafrecht selbst darf ich Ihnen Folgendes in Erinnerung rufen: Seit 1803 – ich wusste das auch nicht – gilt für alle Mädchen und Burschen ein generelles Schutzalter von 14 Jahren bei freiwilligen sexuellen Handlungen. Über das allgemeine Schutzalter hinaus gewährleistet das österreichische Sexualstrafrecht einen starken Schutz vor Missbrauchshandlungen für alle Jugendlichen zwischen 14 und 18 – unabhängig davon, ob sie heterosexuell oder homosexuell orientiert sind. Dazu – Sie wissen es – gehören Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung, Schändung, sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren, der Tatbestand des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses, Kuppelei und so weiter und so fort. Es sind, glaube ich, über 20 Bestimmungen.

Im Wissen, dass die jetzt bestehende Gesetzeslage ausreichen würde – obwohl ich dann vielleicht noch auf Lücken zu sprechen kommen werde, die durchaus bestehen –, konstruieren Sie jetzt diese drastischen Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechtes aller Jugendlichen, und steigen, wie heute schon gesagt wurde und es auch in der APA gestanden ist, symbolisch in die Betten der jungen Menschen. Da will ich Sie fragen: Was haben Sie dort verloren, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Das fragen wir uns auch!)

Apropos, Herr Kollege Klubobmann Khol: Frau Kollegin Lunacek hat es gerade zitiert, auch ich darf Sie noch einmal an Ihre gestrige Aussage im "Report" erinnern: Khol betonte, er würde einem Nationalrat nicht angehören wollen, der die Not der Jugend übersieht:

"Wenn ich die Verantwortung haben müsste, dass das, was derzeit im Prater an jungen Mädchen geschieht, auch an Buben geschieht, würde ich mein Mandat zurücklegen." – Zitatende.

Machen Sie das, Herr Kollege Khol! Treten Sie zurück! Legen Sie Ihr Mandat zurück! (Beifall bei der SPÖ.) Es darf doch nicht wahr sein, dass Sie mit geschlossenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und nicht sehen, dass es die Stricherszene schon seit Jahren und Jahrzehnten gibt, im Prater und überall! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Herr Kollege Khol! Sie waren es, der vor drei Jahren, als die Bestimmungen betreffend die Stricherszene ernsthaft diskutiert wurden, diese Verhandlungen abgebrochen und seither bis heute überhaupt nichts mehr getan hat, bis auf so einen komischen, schwammigen Antrag, ohne ExpertInnen, ohne Begutachtungen, ohne Justizausschuss und so weiter und so fort. Sie diskriminieren ja frisch wieder die homosexuellen Jugendlichen, und Sie diskriminieren Tausende heterosexuelle Pärchen – das wissen Sie genau –, die einander lieben!

Zu Abschluss möchte ich einen


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Entschließungsantrag einbringen, der eine wirklich seriöse Diskussion im Anschluss daran ermöglichen würde. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek und KollegInnen zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert,

1. eine Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts und zum bestmöglichen Schutz der Jugend unter Einbeziehung einschlägiger Experten und von einschlägig befassten Praktikern aus der Justiz einzuberufen. In dieser Arbeitsgruppe soll insbesondere auf die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen sowie die Schließung von allfälligen Gesetzeslücken im Sexualstrafrecht im Interesse des bestmöglichen Jugendschutzes besonderes Augenmerk gelegt werden;

2. bei allfälligen Vorschlägen zur Reform des Sexualstrafrechts den Diskussionsstand der Europäischen Union mit einzubeziehen und allfällige Ergebnisse dieser Diskussion im erforderlichen Ausmaß zu berücksichtigen;

3. so rasch als sachlich vertretbar, aber spätestens bis zum 31.12.2002 einen Bericht über die Ergebnisse der eingesetzten Arbeitsgruppe dem Nationalrat zu erstatten.

*****

Bitte, seien Sie einmal seriös! (Beifall bei der SPÖ.)

23.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek und KollegInnen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Kuntzl, Mag. Maier betreffend Gesetzesantrag im Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage 1166 ist in seinen Kernpunkten erläutert und gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf Grund seines Umfanges verteilt worden; er wird dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abg. Dr. Jarolim, Mag. Kuntzl, Mag. Maier und GenossInnen betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage Nr. 1166 d B: Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel VI samt Überschrift lautet wie folgt:

Artikel VI

Änderung des Waffengesetzes 1996

Das Waffengesetz 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:


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1. § 2 Abs. 1 lautet:

"(1) Schußwaffen sind Waffen, mit denen feste Körper (Geschoße) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können; es sind dies:

1. Verbotene Schußwaffen und Schußwaffen, die Kriegsmaterial sind (Kategorie A, §§ 17 und 18);

2. Feuerwaffen (Kategorie B, §§ 19 bis 23);

3. sonstige Schußwaffen (Kategorie C, §§ 30 bis 34).

2. § 3 samt Überschrift lautet:

"Feuerwaffen

§ 3. (1) Feuerwaffen sind Schußwaffen, bei denen die Geschoße durch Verbrennung eines Treibmittels ihren Antrieb erhalten.

(2) Faustfeuerwaffen sind Feuerwaffen, die eine Gesamtlänge von höchstens 60 cm aufweisen.

(3) Sonstige Feuerwaffen sind Feuerwaffen, die nicht Faustfeuerwaffen sind."

3. Die Überschrift des 4. Abschnittes lautet:

"4. Abschnitt

Feuerwaffen

(Kategorie B)"

4. § 19 lautet samt Überschrift:

"Verbot

§ 19. Verboten sind der Erwerb, die Einfuhr, der Besitz und das Führen von Feuerwaffen, sofern keine Ausnahme nach den Bestimmungen dieses Abschnittes besteht."

5. § 20 lautet samt Überschrift:

"Ausnahmen

§ 20. (1) Folgenden Personen kann die Behörde bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (§ 21) aus folgenden Gründen Ausnahmen vom Verbot des § 19 bewilligen:

1. Personen, die zum Schutz- und Wachpersonal konzessionierter Wach- und Schließgesellschaften gehören, den Erwerb, den Besitz und das Führen von Faustfeuerwaffen;

2. SportschützInnen den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen, die sie nachweislich für die Ausübung ihres Sports benötigen;

3. Personen, die im Besitz einer gültigen Jagdkarte sind (JägerInnen), den Erwerb, den Besitz und das Führen von sonstigen Feuerwaffen, die für die Ausübung der Jagd bestimmt sind;

4. Angehörigen einer traditionellen Schützenvereinigung für den Erwerb und den Besitz von sonstigen Feuerwaffen, wie sie bei diesen Schützenvereinigungen in Gebrauch sind.


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(2) Das Vorliegen einer Ausnahme im Sinne des Abs. 1 ist nachzuweisen. Im Falle der Z 1 ist eine Bestätigung der konzessionierten Wach- und Schließgesellschaft vorzulegen. Im Falle der Z 2 ist eine Bestätigung eines einschlägigen Vereines vorzulegen, dass der Sport tatsächlich ausgeübt wird. Im Falle der Z 4 ist eine Bestätigung der einschlägigen Vereinigung vorzulegen, dass die Person für Betätigungen im Rahmen dieser Vereinigung die Waffe benötigt.

6. § 21 lautet samt Überschrift:

"Waffenpaß und Waffenbesitzkarte

§ 21. (1) Personen, die gemäß § 20 zum Erwerb, Besitz und Führen von Feuerwaffen berechtigt sind, ist ein Waffenpaß auszustellen.

(2) Personen, die gemäß § 20 zum Erwerb und Besitz von Feuerwaffen berechtigt sind, ist eine Waffenbesitzkarte auszustellen.

(3) Ein Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte ist nur EWR-Bürgern auszustellen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und verläßlich sind.

(4) Entsprechend dem Ermessen der Behörde kann, abweichend von Abs. 3 EWR-Bürgern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ein Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte aus den Gründen des § 20 Abs. 1 Z 2 bis 4 ausgestellt werden.

(5) Wird ein Waffenpaß aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 20 Z 1 oder 3 ausgestellt, so hat die Behörde die Befugnis zum Führen durch einen Vermerk im Waffenpaß so zu beschränken, dass die Befugnis erlischt, sobald der Berechtigte die einschlägige Tätigkeit nicht mehr ausübt.

(6) Die Gültigkeitsdauer von Waffenpässen und Waffenbesitzkarten, die für EWR-Bürger ausgestellt werden, beträgt zwei Jahre. Der Berechtigte hat mit Ablauf der Gültigkeitsdauer, spätestens aber sechs Wochen danach, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen zur Ausstellung der jeweiligen Berechtigung weiterhin gegeben sind, andernfalls die Berechtigung erlischt. Die Gültigkeitsdauer der für andere ausgestellten Waffenpässe und Waffenbesitzkarten ist angemessen zu befristen.

(7) Wer den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zwar in der Europäischen Union aber nicht im Bundesgebiet hat, darf eine Feuerwaffe darüber hinaus nur erwerben, wenn er hiefür die vorherige Einwilligung des Wohnsitzstaates nachweist.

(8) Wer zwar in der Europäischen Union einen Wohnsitz, den Hauptwohnsitz aber nicht im Bundesgebiet hat, darf die in dem für ihn ausgestellten Europäischen Feuerwaffenpaß eingetragenen Waffen besitzen, sofern das Mitbringen dieser Waffen von der zuständigen Behörde (§ 38 Abs. 2) bewilligt worden ist.

7. § 22 samt Überschrift lautet:

"Auflagen

§ 22. Die Behörde kann in einer Bewilligung gemäß §§ 20 und 21 Auflagen betreffend den Besitz und das Führen von Feuerwaffen erteilen, soweit diese der Abwehr von Gefahren, die von Feuerwaffen ausgehen können, dienen und mit dem Zweck, für den eine Ausnahme gemäß § 20 erteilt wird, vereinbar sind. Insbesondere kann die Behörde die Verwahrung der Feuerwaffe an einem bestimmten Ort, z. B. an einer Schießstätte, in einem Vereinslokal oder an der Arbeitsstätte, vorschreiben und das Führen der Waffe auf bestimmte Gelegenheiten beschränken."

8. § 23 samt Überschrift lautet:


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110. Sitzung / Seite 258

"Anzahl der erlaubten Waffen

§ 23. (1) Im Waffenpaß und in der Waffenbesitzkarte ist die Anzahl der Feuerwaffen, die der Berechtigte besitzen darf, festzusetzen.

(2) Die Anzahl der Feuerwaffen, die der Berechtigte besitzen darf, ist mit nicht mehr als zwei festzusetzen. Eine größere Anzahl darf – außer in den Fällen des Abs. 3 – nur erlaubt werden, wenn der Berechtigte hiefür eine Rechtfertigung nachweist. Als solche Rechtfertigung gilt insbesondere die Ausübung der Jagd oder des Schießsports. Das Sammeln von Feuerwaffen kommt als Rechtfertigung nur in Betracht, wenn sich der Berechtigte mit dem Gegenstand der Sammlung und dem Umgang mit solchen Waffen als vertraut erweist, und nachweist, dass er für die sichere Verwahrung der Feuerwaffen vorgesorgt hat.

(3) Für den Besitz von Teilen von Feuerwaffen, wie Trommel, Verschluß oder Lauf, muß keine gesonderte Rechtfertigung glaubhaft gemacht werden, wenn sie Zubehör einer solchen Waffe des Berechtigten sind. Eine dafür erteilte zusätzliche Bewilligung ist durch einen Vermerk in der Waffenbesitzkarte oder dem Waffenpaß zu kennzeichnen. Diese erlischt, sobald der Teil kein Zubehör einer Feuerwaffe des Betroffenen mehr ist.

9. § 24 samt Überschrift lautet:

"Munition für Feuerwaffen

§ 24. Munition für Feuerwaffen darf nur Inhabern eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte überlassen und nur von diesen erworben und besessen werden.

10. In § 25 Abs. 1 wird das Wort "fünf" durch das Wort "zwei" ersetzt.

11. In § 25 Abs. 4 und Abs. 5 wird die Wortfolge "genehmigungspflichtigen Schußwaffen" durch das Wort "Feuerwaffen" und in § 25 Abs. 4 letzter Halbsatz das Wort "Schußwaffen" durch das Wort "Feuerwaffen" ersetzt.

12. In § 28 samt Überschrift wird die Wendung "genehmigungspflichtige Schußwaffen" jeweils durch das Wort "Feuerwaffen" in der grammatikalisch richtigen Form ersetzt.

13. In § 29 wird die Wendung "genehmigungspflichtige Schußwaffen oder Munition für Faustfeuerwaffen" durch die Wendung "Feuerwaffen oder Munition dafür" ersetzt.

14. Die Überschrift des 5. Abschnittes lautet:

"5. Abschnitt

Sonstige Schußwaffen

(Kategorie C)"

15. In § 30 entfällt die Wendung "mit gezogenem Lauf".

16. In der Überschrift des § 32 wird das Wort "meldepflichtiger" durch das Wort "sonstiger" ersetzt.

17. In § 32 Abs. 1 wird die Wendung "meldepflichtige Waffe" durch die Wendung "sonstige Schußwaffe" ersetzt.

18. In § 32 Abs. 2 wird die Wendung "Schußwaffen mit gezogenem Lauf" durch die Wendung "sonstige Schußwaffen" ersetzt.

19. § 33 entfällt.


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110. Sitzung / Seite 259

20. In § 34 samt Überschrift entfällt jeweils die Wendung "meldepflichtiger oder".

21. § 35 samt Überschrift lautet:

"Führen von Schußwaffen

§ 35. (1) Das Führen von Schußwaffen ist Menschen mit Wohnsitz im Bundesgebiet nur aufgrund eines hiefür von der Behörde ausgestellten Waffenpasses gestattet (§ 21). Der Waffenpaß ist beim Führen von Schußwaffen mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen vorzuweisen.

(2) Außerdem ist das Führen von Feuerwaffen zulässig für Menschen, die

1. als Angehöriger einer traditionellen Schützenvereinigung mit ihren Gewehren aus feierlichen oder festlichem Anlaß führen; dies gilt auch für das Ausrücken zu den hiezu erforderlichen, vorbereitenden Übungen;

2. sich als Sportschützen mit ungeladenen Waffen auf dem Weg zur oder von der behördlich genehmigten Schießstätte befinden.

22. In § 39 samt Überschrift wird jeweils die Wendung "genehmigungspflichtige Schußwaffen" durch das Wort "Feuerwaffen" in der grammatikalisch richtigen Form und in § 39 Abs. 1 die Wendung "Faustfeuerwaffen (§ 24)" durch das Wort "Feuerwaffen" ersetzt.

23. § 40 Abs. 1 lautet:

"(1) Die nach dem Aufenthaltsort im Bundesgebiet zuständige Behörde kann bei Vorliegen eines Ausnahmegrundes des § 20 Abs. 1 auf eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 3 das Führen der gemäß § 38 mitgebrachten oder § 39 eingeführten Schußwaffen bewilligen."

24. In § 40 Abs. 3 wird die Wortfolge "genehmigungspflichtigen Schußwaffen" durch das Wort "Feuerwaffen" ersetzt.

25. Im 7. Abschnitt wird die Wortfolge "genehmigungspflichtige Schußwaffe" jeweils durch das Wort "Feuerwaffen" ersetzt.

26. In der Überschrift des § 41 sowie im Inhaltsverzeichnis wird die Wortfolge "größeren Zahl" durch die Wortfolge "großen Anzahl" ersetzt.

27. In § 45 entfällt Z 3.

28. Dem § 47 wird folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung Ausnahmebestimmungen für die Einfuhr, den Besitz und das Führen von Schusswaffen durch Organe ausländischer Sicherheitsbehörden in Fällen festzusetzen, in denen glaubhaft gemacht wird, dass sie diese im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes oder Dienstes benötigen."

29. § 50 wird wie folgt geändert:

a) In § 50 wird die Wendung "genehmigungspflichtige Schußwaffen" durch die Wendung "Feuerwaffen" in der grammatikalisch richtigen Form ersetzt.

b) Nach dem Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer vorsätzlich eine oder mehrere der in Abs. 1 mit Strafe bedrohten Handlungen in Bezug auf eine große Anzahl von Schusswaffen oder Kriegsmaterial begeht. Ebenso ist zu bestrafen, wer die nach Abs. 1 Z 5 mit Strafe bedrohte Handlung in der Absicht begeht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen."


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110. Sitzung / Seite 260

c) Im Abs. 3 wird nach der Zitierung des Abs. 1 der Ausdruck und "und Abs. 1a" eingefügt.

30. In § 51 Abs. 1 wird die Wortfolge "Sofern das Verhalten nicht nach § 50 Abs. 1 zu bestrafen ist" durch die Wortfolge "Sofern das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gericht fallenden strafbaren Handlung bildet" ersetzt.

31. In § 56 Abs. 1 entfällt die Wendung "meldepflichtigen oder".

32. Nach § 58 wird folgender § 58a samt Überschrift eingefügt:

"Übergangsbestimmungen zur Novelle BGBl. I . . ./ . . .

§ 58a. (1) § 2 Abs.1, § 3 samt Überschrift, die Überschrift des 4. Abschnittes, § 19 samt Überschrift, § 20 samt Überschrift, § 21 samt Überschrift, § 22 samt Überschrift, § 23 samt Überschrift, § 24 samt Überschrift, § 25 Abs. 1, 4 und 5, § 28 samt Überschrift, § 29, die Überschrift des 5. Abschnittes, § 30, § 32, der Entfall des § 33, § 34 samt Überschrift, § 35 samt Überschrift, § 39 samt Überschrift, § 40 Abs. 1 und 3, der 7. Abschnitt, der Entfall der § 45 Z 3, § 47, § 50, § 51 und § 56 in der Fassung des Bundesgesetzes I Nr. . . ./. . . treten mit 1. August 2002 in Kraft.

(2) Personen, die Schußwaffen entgegen den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. . . /. . . besitzen, haben diese bis zum Ablauf des

30. Dezember 2002 an eine berechtigte Person zu übertragen oder an die Behörde abzuliefern. Die Behörde hat den Verkehrswert der Waffe zu ersetzen.

(3) Personen, die ab 1. August 2002 Schußwaffen abliefern, zu deren Besitz sie auch nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. . . ./. . . nicht berechtigt waren, bleiben straffrei."

33. In § 62 erhält der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 57/2001 eingefügte Abs. 3 die Absatzbezeichnung "(4)". Der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001 eingefügte Abs. 4 erhält die Absatzbezeichnung "(5)".

Begründung

Die Gewalttaten der jüngsten Vergangenheit haben einmal mehr gezeigt, dass auch mit legalen Waffen häufig Gewaltdelikte geübt werden. Zwei Drittel der mit Schußwaffen verübten Gewalttaten im Familienkreis werden mit solchen legalen Waffen begangen. Natürlich tötet eine Waffe nicht selbst, doch ist unbestreitbar, dass die leichte Zugänglichkeit von Waffen Morde, andere Gewalttaten und Selbstmorde wesentlich erleichtern und vielfach erst ermöglichen.

Es gibt auch mit wenigen Ausnahmen keine triftigen Gründe dafür, dass in Privathaushalten Feuerwaffen vorhanden sind. Obwohl sie vielfach zu "Selbstverteidigungszwecken" besessen werden, sind sie ein untaugliches Mittel zur Schaffung von mehr Sicherheit, sie erhöhen allenfalls ein subjektives Sicherheitsgefühl, das aber trügerisch ist. Dem stehen die immensen Gefahren gegenüber, die von Feuerwaffen ausgehen können, wie sich an regelmäßig vorkommenden Tragödien zeigt. Diese Tragödien zeigen auch, dass die vor sieben Jahren vorgenommen Verschärfungen bei weitem nicht ausreichend sind.

Ein generelles Verbot von Feuerwaffen in Privathaushalten ist daher erforderlich. Ausnahmen sollen nur für jenen Personenkreis vorgesehen werden, der für die Berufsausübung oder für die Ausübung eines gesellschaftlich anerkannten Hobbys eine Feuerwaffe unbedingt benötigt. Zu diesen Personen zählen MitarbeiterInnen konzessionierter Wach- und Schließgesellschaften, JägerInnen, SportschützInnen und Mitglieder traditioneller Schützenvereine.

Die vorliegende Gesetzesnovelle enthält ein derartiges Verbot mit folgenden Grundsätzen:


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110. Sitzung / Seite 261

Innerhalb der Waffenkategorien des Waffengesetzes wird eine eigene Kategorie Feuerwaffen geschaffen, worunter alle Schußwaffen zu verstehen sind, deren Geschoße durch Verbrennung von Treibmitteln ihren Antrieben erhalten (also nicht Luftdruckgewehre und dergleichen)

Der Privatbesitz von Feuerwaffen wird generell verboten; Ausnahmen bestehen für folgende Personengruppen:

Personal von konzessionierten Wach- und Schließgesellschaften;

JägerInnen;

SportschützInnen;

Schützenkompanien

Waffen, die schon bisher für alle Personen (ausgenommen allenfalls Militär, Polizei usw.) verboten waren, wie Maschinenpistolen und -gewehre, Pumpguns usw. bleiben weiterhin verboten; die Ausnahmebestimmungen für Pumpguns auf Grund der letzten Novelle fallen aber weg.

Innerhalb der Personengruppen, die auf Grund einer besonderen Bewilligung noch Feuerwaffen besitzen dürfen wird noch weiter differenziert, ob sie für ihren Zweck Faustfeuerwaffen oder sonstige Feuerwaffen besitzen dürfen.

Diese Personengruppen benötigen jeweils eine behördliche Bewilligung und erhalten entweder einen Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte:

Der Waffenpaß berechtigt zum Führen einer Waffe (das Mitführen einer Waffe in der Öffentlichkeit, z.B. außerhalb einer Schießstätte usw.)

Die Waffenbesitzkarte berechtigt lediglich zum Besitz der Waffe und dem Gebrauch innerhalb einer Liegenschaft zum angegebenen Zweck (z.B. Sportschützen in der Schießstätte)

Waffenpaß und Waffenbesitzkarte gibt es grundsätzlich nur für Personen über 21 Jahren (Ausnahmen ab 18 Jahren möglich), die einer strengen Prüfung ihrer Verlässlichkeit zu unterziehen sind; die Prüfung ist alle zwei Jahre zu wiederholen.

Die Behörde hat zusätzliche Auflagen vorzusehen, soweit dies mit dem Zweck des ausnahmsweisen Waffenbesitzes vereinbar ist, z.B. Aufbewahrung der Waffe in der Schießstätte, am Arbeitsplatz, Führen der Waffen nur bei der Jagd usw..

Alle Personen, die entgegen diesen Vorschriften Waffen besitzen, haben diese an befugte Personen zu veräußern oder an die Behörde abzuliefern; für diese Waffen ist ein angemessener Ersatz (Verkehrswert) zu leisten, sodass keine Enteignung vorliegt.

Personen, die illegal Waffen besitzen und diese freiwillig abliefern, bleiben straffrei.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Z 1: Die bisherige Definition von Schußwaffen soll grundsätzlich beibehalten werden; es sollen jedoch die Kategorien "genehmigungspflichtige Schußwaffen" und "meldepflichtige Schußwaffen" in einer neuen Kategorie "Feuerwaffen" zusammengefasst werden. Die bestehende Rechtslage verkennt den Umstand, daß alle Feuerwaffen – in falsche Hände geraten – gefährlich sind.

Zu Z 2: Da bei der Definition von Schußwaffen der Begriff "Feuerwaffen" neu eingeführt werden soll, ist es auch notwendig, diesen Begriff zu definieren. Innerhalb der Feuerwaffen soll zwischen Faustfeuerwaffen (Pistolen, Revolver uä) und sonstigen Feuerwaffen (Gewehre, Flinten uä) unterschieden werden. Auch nach der geltenden Rechtslage werden Faustfeuerwaffen zT gesondert behandelt, was an ihrer höheren Gefährlichkeit liegt. Diese Unterscheidung soll


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110. Sitzung / Seite 262

innerhalb der Feuerwaffen erhalten bleiben, um den Besitz an Faustfeuerwaffen nur in noch engeren als für die sonstigen Feuerwaffen geltenden Grenzen zu gestatten.

Zu Z 3: Das grundsätzliche Verbot des Erwerbes, Besitzes, der Einfuhr und des Führens von Feuerwaffen.

Zu Z 5: Enthält die – im Vergleich zu den nach der geltenden Rechtslage bestehenden Möglichkeiten eines legalen Waffenbesitzes wesentlich engeren – Ausnahmebestimmungen, nach denen Feuerwaffen legal besessen (und zT auch geführt) werden dürfen.

Die oben angeführten Personengruppen (JägerInnen, MitarbeiterInnen konzessionierter Wach- und Schließgesellschaften, SportschützInnen und Mitglieder traditioneller Schützenvereine) sollen – auf die sich aus ihrer Tätigkeit ergebenden Bedürfnisse zugeschnitten – Feuerwaffen besitzen (und zT auch führen) dürfen. Dabei soll berücksichtigt werden, daß etwa das Führen (also das "Beisichhaben" von Waffen in der Öffentlichkeit mit Ausnahme des Transports in ungeladenem Zustand in geschlossenen Behältnissen) von Faustfeuerwaffen nur für die MitarbeiterInnen konzessionierter Wach- und Schließgesellschaften uU notwendig ist, und daher auch nur dieser Personengruppe gestattet werden kann. Der Besitz von Faustfeuerwaffen (nicht aber das Führen, denn dazu besteht keine Notwendigkeit) soll darüberhinaus auch SportschützInnen gestattet sein. Für JägerInnen und Mitglieder traditioneller Schützenvereine besteht überhaupt keine Notwendigkeit eines Besitzes einer Faustfeuerwaffe. Demzufolge soll JägerInnen der Erwerb, der Besitz und auch das Führen (weil das für ihre Tätigkeit notwendig ist) von sonstigen Feuerwaffen, den Mitgliedern traditioneller Schützenvereine lediglich der Erwerb und der Besitz solcher Waffen gestattet werden. Personen, die unter eine Ausnahmebestimmung fallen, sollen dies nachweisen müssen, um eine Feuerwaffe legal besitzen zu können.

Zu Z 6: Zu den vorgeschlagenen Änderungen ist es auch notwendig, die Regelung über Waffenpaß und Waffenbesitzkarte anzupassen. Diese waffenrechtlichen Dokumente sind nur mehr auszustellen, wenn ein Ausnahmetatbestand (siehe oben) vorliegt. Die bestehende Regelung über die Verläßlichkeit soll natürlich – als zusätzliche Voraussetzung – beibehalten werden. Berechtigte sollen alle zwei Jahre nachweisen müssen, daß die Voraussetzungen zur Berechtigung nach wie vor gegeben sind.

Zu Z 7: Der Behörde soll die Möglichkeit gegeben werden, die Berechtigung zum Erwerb, Besitz oder Führen einer Feuerwaffe nur unter der Erfüllung bestimmter Auflagen zu erteilen. Dazu zählt insbesondere die sichere Verwahrung, aber auch die Einschränkung der Berechtigung des Führens auf dienstliche Erfordernisse.

Zu Z 9: Auch der Erwerb und der Besitz von Munition für Feuerwaffen soll – als weitere, vor Mißbräuchen schützende Hürde – in Hinkunft ausschließlich Berechtigten gestattet sein.

Zu Z 10: Einhergehend mit der Nachweispflicht der Berechtigten soll auch die Behörde alle zwei Jahre die Verläßlichkeit überprüfen, anstatt wie bisher alle fünf Jahre.

Zu Z 14 - 20: Diese enthalten lediglich Anpassungen an die neue Kategorie "sonstige Schusswaffen". In diese Kategorie sollen in Zukunft Luftdruckgewehre uä. fallen.

Zu Z 21: Eine Anpassung der Regelung über das Führen von Schusswaffen ist erforderlich. Für SportschützInnen und Mitglieder traditioneller Schützenvereine soll das Führen ihrer Feuerwaffen anläßlich bestimmter Gelegenheiten gestattet sein.

Zu Z 29: Personen, die nach den vorgeschlagenen Änderungen ihre Waffe nicht mehr besitzen dürfen, sollen diese bei der Behörde abliefern. Die Behörde soll dafür den Verkehrswert ersetzen, um einen entsprechenden Anreiz zu bieten. Als zusätzlicher Anreiz sollen Personen, die schon bisher ihre Waffe nicht legal besessen haben, straffrei gestellt werden, wenn sie diese abliefern. Durch diese Bestimmungen kann eine zufriedenstellende Rücklaufquote erwartet werden.


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110. Sitzung / Seite 263

Zu den übrigen Bestimmungen: Sie enthalten lediglich terminologische Anpassungen.

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

23.05

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Verfassungsgerichtshof hat vor wenigen Wochen den § 209 StGB als verfassungswidrig aufgehoben. Das war in Wirklichkeit für jeden, der sich einigermaßen mit dieser Thematik befasst hat, keine Überraschung.

Man kann letztlich dazu stehen, wie man möchte. Es hat Gegner und Befürworter der Aufhebung des § 209 gegeben. Ich glaube, dass es sich dabei um keine ideologische Frage handelt. Das zeigt auch die Tatsache, dass diesbezüglich die Reihen quer durch alle Parteien gespalten waren und es in fast allen Reihen das eine und das andere Lager gegeben hat.

Letztlich ist dieses Ergebnis umzusetzen, und meiner Meinung nach wird damit eine Diskriminierung beendet. Meiner Meinung nach ist das Strafrecht nicht das geeignete Mittel, über die sexuelle Neigung einer Person zu entscheiden.

Meine Damen und Herren! Trotzdem geht es vor allem um den Schutz der Jugendlichen, und daher ist die Einführung dieses § 207b StGB betreffend den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen eine notwendige Regelung. Es handelt sich hiebei um keine Ersatzregelung des § 209, das will sie auch nicht sein, sondern sie hat den Schutz von jungen Menschen, die sich nicht wehren können, im Sinn.

Kollegin Lunacek! Wenn Sie hier von diesem Rednerpult aus Beispiele genannt haben, so wissen Sie ganz genau, dass diese Dinge selbstverständlich nicht bedroht sind von diesem § 207b. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sagen, dass Familienväter zur Staatsanwaltschaft gehen werden, wenn sie der Meinung sind, dass ihre 15-jährige Tochter für eine Liebesbeziehung noch nicht reif ist, und der Staatsanwalt dann Anklage erheben wird. – Mitnichten, Frau Lunacek, und das wissen Sie ganz genau, denn der Staatsanwalt reagiert nicht auf den Zuruf von verärgerten, gekränkten oder vielleicht auch besorgten Eltern, sondern er entscheidet nach der Gesetzeslage!

Die Gesetzeslage wird sehr eindeutig sein. Es wird darum gehen, dass zum einen Gründe vorliegen müssen, die besagen, dass der Jugendliche unter 16 Jahren noch nicht reif ist, und es müssen eine vorsätzliche Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie eine altersbedingte Überlegenheit vorliegen. Solange diese Umstände nicht vorliegen, wird es auch zu keiner Anklageerhebung kommen, genauso wenig, wie der Staatsanwalt nicht alles wegen Betrugs anklagt, was im Volksmund vielleicht als Betrug bezeichnet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Pendl zu Wort gemeldet. – Bitte.

23.08

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zu einem kleinen Segment der Justiz hier kurz Stellung nehmen, weil wir im Justizausschuss über den Strafvollzug, vor allem über den Jugendstrafvollzug diskutiert haben.

Gestatten Sie mir einleitend die Feststellung, dass es derzeit keine Justizanstalt in Österreich gibt, wo wir nicht sehr große Probleme haben. Wir haben steigende Inhaftiertenzahlen, vor allem im U-Haft-Bereich, und leider sind die Ressourcen im Sachaufwand, vor allem aber auch im Personalaufwand nicht so, wie es ein ordentlicher Dienst verlangen würde.


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110. Sitzung / Seite 264

Herr Bundesminister! Ich bin sehr, sehr beunruhigt, wenn ich nur daran denke, dass von einem alten in ein neues Haus gewechselt wird. Jeder, der die Justizanstalt Wien-Josefstadt kennt, weiß, dass wir mit heutigem Tag einen Gefangenenstand von 1 042 bei 408 Wachebeamten und einer Belastungsfähigkeit von 990 haben. Wenn Jugendliche in die Josefstadt kommen, wird diese auf 960 heruntersystemisiert, und wenn ungefähr 100 Jugendliche in die Josefstadt kommen sollen, dann überlasse ich es Ihrer geschätzten Phantasie, sich vorzustellen, wie ein geordneter Dienstbetrieb und vor allem ein Jugendstrafvollzug organisiert werden sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Letzte, der sagt: Rechnen wir einander innerhalb der Justiz gegenseitig etwas auf! Aber wenn man 2 Milliarden Schilling mehr an Mieten für die neue Einmietung des Handelsgerichts ausgeben kann, dann müsste man, glaube ich, einige Millionen auch für den Strafvollzug zur Verfügung stellen. Herr Minister! Und wenn man von sechs Spazierhöfen jetzt zwei für die Jugendlichen umbauen muss und es nicht einmal einen Euro dafür gibt und die Kollegen das in Eigenregie machen müssen und dafür kein Geld da ist, dann muss ich sagen: So stelle ich mir einen modernen Jugendstrafvollzug wirklich nicht vor! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin sehr froh, dass wir vom Justizausschuss uns auch auf Initiative der Vorsitzenden im September gemeinsam die Anstalten anschauen werden. Ich freue mich schon darauf! Herr Minister! Jeder, der die Josefstadt kennt, weiß, dass dort, wo Sie die Jugendlichen unterbringen wollen, genau daneben die zentrale Aufnahme für alle U-Häftlinge und Strafhaftgefangenen ist. Dort geht alles vorbei, vom Essen über die Bibliothek bis zum ärztlichen Dienst, zur Besucherzone und zur Bewegung im Freien. Herr Minister! Sie haben uns das letzte Mal gemeinsam mit dem Sektionschef gesagt, dass die Jugendlichen nie in Berührung mit den Erwachsenen kommen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder, der die Justizanstalt Josefstadt kennt, weiß, wie schwer es die Kolleginnen und Kollegen in der Josefstadt jetzt schon haben und wie problematisch und schwierig es werden wird, wenn dann auch noch die Jugendlichen in der Justizanstalt Josefstadt sein werden.

Herr Minister! Ich glaube, es wäre wirklich im Interesse aller Beschäftigten in der Josefstadt, aber auch im Interesse der Insassen, vor allem auch der Jugendlichen, wenn man diesbezüglich im Interesse der Menschen andere Überlegungen treffen könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

23.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

23.12

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn Abgeordnete Bures heute im Zuge dieser Debatte von "Bettdeckenbespitzelung" oder "Schnüffeln" spricht, also einen Ausdruck aus dem Tierreich verwendet, oder Abgeordnete Stoisits mehrmals von Töten spricht beziehungsweise sagt, dass der § 209 tot ist, dann muss ich sagen, dass dieses Haus einen solchen Stil und eine solche Wortwahl nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Bei welchen Tieren gibt es Bettdecken?) Das Wort "Schnüffeln" ist hier heute gefallen, ich habe es mir aufgeschrieben!

Wir beschließen heute Änderungen im Strafrecht, die einen stärkeren Schutz der Jugend vor sexuellem Missbrauch bringen werden. Der Verfassungsgerichtshof hat den § 209 als verfassungswidrig eingestuft und dem Nationalrat eine Frist für eine Aufhebung beziehungsweise Nachfolgeregelung bis zum 28. Feber 2003 gegeben. Im Sinne der Rechtssicherheit war es notwendig, rasch zu handeln. Dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes sind wir nachgekommen und werden diesen Paragraphen aufheben. Der neue § 207b unterscheidet nicht mehr zwischen Homo- und Heterosexuellen und nicht mehr zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht. Damit wird jede Diskriminierung ausgeschaltet.


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110. Sitzung / Seite 265

Meine Damen und Herren! Es gibt kaum ein wertvolleres Gut als den Schutz der Jugend vor Missbrauch. Diese Neuerungen schließen völlig frei von jeder Diskriminierung Lücken, die es objektiv gegeben hat, und werden von uns daher vollinhaltlich unterstützt. Es gibt kein Gesetz, welches zu 100 Prozent schützt, mit dem § 207b wird jedoch entsprechend vorgesorgt. Die Jugend bekommt den Schutz und die Sicherheit, die sie sich verdient. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

23.14

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Seit sechs Jahren wird um das Bundestierschutzgesetz in diesem Hause gerungen. Das Bundestierschutzgesetz soll gewährleisten, dass es einheitlichen Schutz, unabhängig davon, in welchem Bundesland, nicht nur für Menschen, sondern auch für alle Tiere in Österreich gibt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Bitte beruhigen Sie sich! Ich habe im Zusammenhang mit Schutz auch die Menschen erwähnt! (Zwischenruf des Abg. Wittauer. )

Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an, zu sagen, Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch, dass diese heutige kleine Veränderung im Strafrechtsänderungsgesetz ein Zeichen ist, hoffentlich auch für die Zukunft. (Zwischenruf des Abg. Dr. Grollitsch. ) Hören Sie einmal zu, was ich sage! Regen Sie sich um Gottes willen nicht so auf! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Die Verschärfung des § 222 betreffend das Quälen von Tieren – nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren – ist hoffentlich mehr, Herr Dr. Grollitsch, als eine Goodwill-Aktion. Wir werden ja sehen, wie es dann in der Praxis ausschauen wird! Wie Sie wissen, bleibt das Vollzugsproblem in den Ländern, und es hat sich bisher schon gezeigt, dass der § 222 nur zu einer bedingten Verbesserung des Tierschutzes geführt hat. 70 Prozent der Strafverfahren nach § 222 haben mit Freispruch geendet, und ich denke mir, dass wir so viele Verschärfungen beschließen können, wie wir wollen: Wenn es dann mit Freispruch endet, dann ändert das auch nichts für die Tiere!

Ich hätte einige Kritikpunkte anzuführen, so zum Beispiel, dass unter Umständen die tierquälerische Tierhaltung in die Strafbestimmungen aufzunehmen wäre. Aber sei es drum, es ist schon sehr spät, und Sie sind schon sehr unruhig. Wir stimmen natürlich jeder Bestimmung, die eine kleine Geste in Richtung Verbesserung des Schutzes der Tiere ist, zu, zumal auch einige Vorschläge von uns eingearbeitet worden sind, auch diejenigen von Herrn Klubobmann Cap. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

23.17

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Parfuss hat das Eis gebrochen und ein paar Worte zum Tierschutz gefunden. Während der Beratungen im Justizausschuss war das nicht möglich. Da war das Verhältnis von Kinderquälerei zur Tierquälerei 300 : 1. Die Grünen haben im Ausschuss nämlich 300 Minuten über den § 209 und dessen Entfall gejammert; dieser angeblichen Tierschutzpartei war der Quantensprung im Tierschutz, den wir heute beschließen, kein Wort wert, auch bisher in dieser Debatte nicht!

Herr Bundesminister! Ich stehe nicht an, mich bei Ihnen und Ihren Beamten zu bedanken, dass Sie diesen Antrag, den wir gemeinsam mit der ÖVP vor nunmehr fast zwei Jahren gestellt haben, so konstruktiv und positiv aufgenommen haben! Es war auch in den Vier-Parteien-Beratungen durchaus sichtbar, dass diesbezüglich Nachholbedarf besteht.

Frau Parfuss hat es angesprochen: Nicht einmal 1 Prozent der Klagen, die im Zusammenhang mit Tierquälerei bei Gericht gelandet sind, haben zu einer Verurteilung geführt. Jetzt haben wir


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110. Sitzung / Seite 266

maßvolle strengere Bedingungen in einem neuen § 222 geschaffen, und ich bin der Ansicht, dass man das doch ein wenig gemeinsam feiern und diesen Quantensprung hier lobend erwähnen sollte! (Abg. Dr. Mertel: Wovon reden Sie?)

Dagegen spricht allerdings die jüngste Anfrage des Blödlers in diesem Zusammenhang – ich riskiere jetzt einen Ordnungsruf –, nämlich von Dr. Cap: Er hat eine Anfrage mit dem Titel "gerichtliche Strafbarkeit des Zerquetschens von Käfern und Mücken" gestellt und den Herrn Justizminister ernsthaft gefragt, wann das Erschlagen einer Stubenfliege nach diesem Gesetzesvorschlag grundlos wäre und wann ein vernünftiger Grund vorliegen würde. – Auf diese Ebene begibt sich Herr Dr. Cap, wenn er diesen Gesetzesvorschlag zu zerlegen versucht, allerdings nicht ohne zu bemerken, dass der Herr Justizminister diese Verbesserung im § 222 StGB natürlich nur deshalb vornehme, um ehestmöglich sein "Konzept zur größtmöglichen Kriminalisierung aller Lebensbereiche" durchzuziehen.

Das ist Tierschutz Marke Dr. Cap! Schämen Sie sich dafür, Herr Dr. Cap! Ich bin froh, dass man sich da nicht irritieren ließ, sondern einen vernünftigen Gesetzesvorschlag zur Verbesserung des Tierschutzes gemacht hat! – Danke noch einmal, Herr Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

23.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

23.20

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe der Debatte relativ aufmerksam gelauscht, und mir ist eine Aussage der Frau Kollegin Heinisch-Hosek aufgefallen. Sie meinte: "Seien Sie doch einmal seriös"! – Frau Kollegin! Das hat mich zutiefst getroffen! (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. )

Frau Kollegin! Ich zitiere jetzt aus dem Buch eines Iren über Kinderprostitution, der unter anderem in Europa und auch in Österreich Untersuchungen gemacht hat, und zwar eine kurze Passage aus dem Vorwort:

"Kinderprostitution ist immer noch auf dem Vormarsch, aber die Geschichte verbucht jeden noch so kleinen Erfolg, und nichts ist für immer verloren. Wir sind noch voller Hoffnung und Zuversicht, dass die Welt eines Tages erkennt, wie wir mit unseren Kindern umgehen, und dass dann alle erforderlichen Schritte unternommen werden, um dem ein Ende zu setzen."

Frau Kollegin Heinisch-Hosek! (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!) Ich bin froh und dankbar, einen Beruf haben zu dürfen, in dem ich miterlebe, dass das, was wir heute beschließen, in der Realität stattfindet. Frau Kollegin Stoisits! Frau Kollegin Lunacek! Es ist dies kein Ersatz für den § 209, sondern ein längst notwendiger Lückenschluss! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich gibt es die Kinderprostitution bei uns nach wie vor. Jetzt frage ich Sie: Wieso fragen Sie mich? Sie waren 30 Jahre lang in der Regierung und haben diesbezüglich nichts getan! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Selbstverständlich! Aber jetzt tun wir es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt die Zwangslage unter Jugendlichen. Frau Kollegin! Was passiert denn in Graz, wenn die Mädchen aus dem Landesjugendheim Blümelhof türmen? Soll ich es Ihnen sagen? Ich habe es x-mal miterlebt, und dafür gibt es keinen Paragraphen. Die Mädchen sind in einer Zwangslage, die Männer warten am Bahnhof auf diese Mädchen, und es gibt kein Gesetz, das dem Einhalt gebietet. Meine Damen und Herren! Da haben wir rasch zu handeln und etwas zu unternehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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110. Sitzung / Seite 267

Ich sage Ihnen noch etwas: Gerade in Graz haben wir derzeit eine zunehmende Drogensituation, und junge Mädchen tun alles, um zu ihren Drogen zu kommen, und wenn sie einen "Turkey" haben oder wenn sie "krachen", dann sind sie bereit, sich ihrem Dealer hinzugeben. Es gab bisher kein Gesetz, das da Regelungen trifft, Frau Kollegin! – Jetzt versetzt uns das Gesetz erstmals in die Lage, etwas gegen die Kinderprostitution zu tun. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Ich kenne die Szene ein bisschen besser, und ich lade Sie gerne ein, sich das mit mir vor Ort anzuschauen, wovon Sie hier theoretisch reden. Ich bin wirklich dankbar, dass ich erleben darf, was sich draußen tatsächlich abspielt. Und das, was mir so wehtut, ist, dass hier billiges politisches Kleingeld mit der Not und der Sexualität junger Männer und Frauen zu machen versucht wird.

Ich bin froh, dass wir hier seriös arbeiten und jetzt ein Gesetz beschließen dürfen, das letztlich den Jungen und ihrer Entwicklung zugute kommen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

23.23

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte drei Bemerkungen machen.

Erstens: Ich bin, wie ich glaube, der Einzige im Haus, der auch Abgeordneter war, als vor 31 Jahren die generelle Strafbarkeit der Homosexualität gefallen ist. Ich war auch damals Mitglied des Unterausschusses. Wir haben damals erreicht, dass die Altersgrenze, die in der Vorlage mit 21 festgesetzt war, auf 18 heruntergesetzt wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Ganz konnte man sie leider nicht wegbringen, weil es damals noch keine absolute Mehrheit gab und man die Zustimmung anderer Parteien brauchte. Ich habe damals im Unterausschuss mit anderen gegen diese Altersgrenze geredet. Ich weiß: Ohne dass das gemacht worden wäre, hätte es die ganze Abschaffung nicht gegeben, und dennoch habe ich mich in all den Jahren ein bisschen mitschuldig an sehr viel Unrecht an Menschen in diesem Lande durch diesen Paragraphen gefühlt. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

Zweitens: Ich freue mich, dass der Verfassungsgerichtshof das getan hat, was das Europäische Parlament und der Europarat von unserem Land seit langem erwarten. Es wäre schön gewesen, wenn der Gesetzgeber das von sich aus zustande gebracht hätte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Drittens: Ich weiß nicht, was alles an Gründen vorliegt, dass es diesen § 207b nun gibt. Gut ist, dass der § 209 gleich fällt. Da ich aber, wie gesagt, die Gründe nicht kenne, wende ich mich an diejenigen, die aus guter Absicht für diesen § 207b eintreten, und bitte sie, sich all das noch einmal durchzulesen. Ich habe nämlich Sorge, dass diese Formulierungen Angst, Unsicherheit und Unklarheit bei Menschen schaffen werden und dass damit wieder Menschen auf Grund von Liebe mit einem Fuß ins Kriminal gestellt werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Das Gegenteil ist der Fall!)

Der Herr Minister hat gesagt, dass die Justiz und die Richter mit dem Begriff "Unreife" umzugehen wissen. Das gibt eine gewisse Beruhigung betreffend die Gerichtsurteile. Ich frage Sie aber: Wäre es nicht wichtiger, Gesetze so zu machen, dass die Menschen mit diesen Begriffen umgehen können? Wäre es nicht wichtig, dass sie schon vor dem Gerichtsurteil wissen, ob Sie etwas tun, das unter Strafsanktion steht, und dass sie nicht erst bei der Gerichtsverhandlung erfahren, ob sie in ihrem Leben und in ihrer Liebe richtig oder falsch gehandelt haben? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im ersten Absatz ist zumindest noch die Unterschiedlichkeit des Alters enthalten. Im zweiten Absatz ist sie nicht mehr enthalten. Überlegen Sie sich das, und überlegen Sie, ob der dritte


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110. Sitzung / Seite 268

Absatz wirklich in Ordnung ist, in welchem die gute und richtige Idee der Bekämpfung der kindlichen Prostitution unter Umständen dadurch, dass man die Täter bestraft und in einem Aufwaschen gleich andere Dinge mit erledigt, relativiert wird! Es kann sich um Jugendliche im Alter von 14 oder 15 Jahren handeln, und aus einem Scherz mit einem Entgelt unserer Kinder untereinander kann plötzlich ein Tatbestand mit einem Strafrahmen von drei Jahren entstehen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. )

Das andere Extrem: Wäre es nicht gescheiter gewesen, sich zu überlegen, die Volljährigkeit zu nehmen, statt 18 Jahren, damit klar ist, dass nicht auch Ehepaare darunter fallen, denn so, wie das hier formuliert ist, betrifft das sogar Ehepaare. Diese Bestimmungen sind mit den Ehebestimmungen und mit der wirtschaftlichen Ausbeutung nicht synchron, und Sie schaffen ein zweites Mündigkeitsalter. Es wird Unsicherheit geschaffen, selbst von denen, die hier Jugendschutz schaffen wollen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bedauere, dass eine so gute Sache wie die Abschaffung des § 209 StGB eine Begleitmusik hat, die zu neuem Unrecht, zu neuer Unsicherheit und zu neuem Unglück führen wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1213 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Kuntzl, Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Es liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Jarolim vor.

Ferner hat die Abgeordnete Mag. Lunacek ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und KollegInnen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen sowie die von den Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, und zwar der Reihenfolge nach, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 19a in Artikel I zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag bezüglich einer neuen Ziffer 19a in Artikel I eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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110. Sitzung / Seite 269

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kollegen und Kolleginnen, ferner die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben jeweils einen Zusatzantrag betreffend Artikel I eingebracht, der den Entfall des § 209 zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Damit erhält der soeben angenommene Zusatzantrag die Ziffernbezeichnung 19b.

Wir gelangen nunmehr zur getrennten Abstimmung über Artikel I Z 20 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 23 eingebracht.

Wer sich hiefür ausspricht, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel I Z 23 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Z 25 eingebracht.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben die Streichung der Ziffer 27 in Artikel I beantragt.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel I Z 27 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II Z 7 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Artikel II Z 7 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II Z 8 eingebracht.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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110. Sitzung / Seite 270

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über Artikel II Z 8 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Kuntzl, Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel VI eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über Artikel VI in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Ich lasse nunmehr über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Bures, Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel IX abstimmen.

Jene Abgeordneten, die hiefür sind, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel IX eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Artikel IX in der Fassung des umfassenden Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafrechtsänderungsgesetz 2002.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 152.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen nach der Aufhebung von § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend bestmöglichen Jugendschutz und eine verantwortungsvolle Weiterentwicklung des Sexualstrafrechtes. (Abg. Dr. Khol: Fromme Worte!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

34. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1168 der Beilagen): Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1214 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 34. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenrednerin erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Hlavac das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.36

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ist bekanntlich mit 1. Juli 2002 in Kraft getreten, nachdem es inzwischen von mehr als 60 Staaten, darunter auch Österreich, ratifiziert worden ist.

Die SPÖ hat die Schaffung dieses Internationalen Strafgerichtshofes, der für die Verbrechen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig sein soll, begrüßt. Der Gerichtshof wird nur für solche Verbrechen zuständig sein, die nach dem In-Kraft-Treten des Statuts begangen wurden beziehungsweise werden, und soll außerdem nur dann tätig werden, wenn der an sich dazu berufene Staat – aus welchen Gründen immer – nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Strafverfolgung selbst aufzunehmen.

Da der Gerichtshof im Gegensatz zum jetzt tätigen in Den Haag kein Ad-hoc-Gerichtshof ist, sondern eine allgemeine Zuständigkeit hat, ist zu hoffen, dass ihm die internationale Anerkennung entgegengebracht wird, die er braucht, um auch tatsächlich die Bedeutung zu haben, die er verdient, und dass seine Verfahren nicht als Ausfluss von Siegerjustiz herabgesetzt werden. Es ist daher bedauerlich, dass die USA zum Ausdruck gebracht haben, dass sie nicht bereit sind, die Jurisdiktion über amerikanische Staatsbürger zu akzeptieren. Da ja eigentlich, wie erwähnt, der Gerichtshof nur dann tätig sein soll, wenn der zuständige Staat es selbst unterlässt, tätig zu werden, hätten es die USA eigentlich selbst in der Hand, zu verhindern, dass Staatsbürger ausgeliefert werden und dass Verfahren gegen sie geführt werden.

Es ist zu hoffen, dass es noch zu einer Meinungsänderung kommt, denn der Gerichtshof wird nur dann das internationale Gewicht haben, das er braucht, wenn auch eine klare Meinungsäußerung vorliegt.

Zum vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich feststellen, dass es sinnvoll ist, in dieser Weise vorzugehen. Ich würde mir aber wünschen, dass die Gelegenheit genützt wird, auch über materiell-rechtliche Regelungen nachzudenken.

Es sollten auch entsprechende Strafbestimmungen geschaffen werden. Im Strafgesetzbuch ist ja nur Völkermord als eigener Tatbestand aufgenommen, nicht aber andere internationale Verbrechen wie zum Beispiel Folter, die natürlich unter Körperverletzung subsumiert werden kann, aber es wäre doch lohnend, darüber nachzudenken, ob nicht für diesen ganz spezifischen Bereich eigene rechtliche Bestimmungen geschaffen werden sollten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf andere Regelungen wie zum Beispiel den deutschen Entwurf eines Völkerstrafgesetzbuches zur Erfassung der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die


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Menschlichkeit im nationalen Strafrecht oder auch auf die in Belgien geltenden Regelungen verweisen.

Daher möchte ich zusammenfassen: Selbstverständlich ein Ja zum vorliegenden Gesetzentwurf, aber weitere Schritte sollten folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

23.40

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Kriegsverbrechen im Zuge von Kriegshandlungen gab es in der Vergangenheit mehrfach die Einsetzung von so genannten Ad-hoc-Tribunalen – Beispiel Nürnberg, Beispiel Den Haag –, die alle den "Schönheitsfehler" hatten, dass sie quasi rückwirkend auf Verbrechen anzuwenden waren.

Aus diesem Grund sah man sich in der internationalen Staatengemeinschaft veranlasst, 1998 das Römische Statut zu beschließen, das die Einsetzung eines Internationalen Strafgerichtshofes vorsieht, das heißt die Einrichtung eines Gerichtshofes für Völkermord im Zuge von Kriegsgeschehen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Damit wollte man einen Internationalen Strafgerichtshof auch für zukünftige Verbrechen, ganz egal, wo sie sich ereignen, schaffen.

Dieses Römische Statut ist zwischenzeitig von vielen Staaten ratifiziert worden, so auch von Österreich. Nun wird auch ein Bundesgesetz dafür geschaffen. Wir sehen uns allerdings jetzt mit der Tatsache konfrontiert, dass wesentliche und wichtige Staaten der Staatengemeinschaft, der Völkerrechtsgemeinschaft von einer Ratifizierung des Römischen Statuts wieder Abstand nehmen. Dieses Abstandnehmen bedeutet, dass sich einige Staaten aus dieser internationalen Strafgerichtsbarkeit ausblenden, und das ist natürlich sehr negativ.

Ich erinnere daran, dass es, glaube ich, eine der letzten Amtshandlungen des damals aus dem Amt scheidenden Präsidenten Clinton war, dass er noch im Sinne einer Ratifizierung dieses Statuts vorgehen wollte, während bekanntlich die Bush-Administration jetzt vehement davon Abstand nimmt. Es findet derzeit eine sehr engagierte Debatte in den Vereinigten Staaten von Amerika statt, die in einer Art und Weise geführt wird, die bei uns auf kein sehr großes Verständnis stößt. Dort gibt es etwa Abgeordnete, die sagen, für den Fall, dass der Internationale Strafgerichtshof in einer Weise einschreitet, dass amerikanische Soldaten inhaftiert werden, sollen die USA sogar ermächtigt werden, eine "Befreiungsaktion" in Den Haag zu starten. Derartige Dimensionen hat das bereits erreicht.

Auch heute war wieder zu lesen, dass die USA dabei bleiben. Der amerikanische Vertreter im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat heute wortwörtlich erklärt: Es ist ganz klar, unsere Männer werden nicht dem Internationalen Strafgerichtshof und dieser Gerichtsbarkeit unterworfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss schon sagen, dass ein derartiges Verhalten unser Befremden hervorruft. Bedenken Sie vor allen Dingen eines: Gerade die Vereinigten Staaten von Amerika sind versucht, ihre Justiz auf andere Jurisdiktionen auszudehnen. Diese Justizhegemonie der Vereinigten Staaten von Amerika geht ja so weit, dass es für sie genügt, irgendwo irgendeinen Anknüpfungspunkt zu finden, damit eine Streitigkeit in einem völlig anderen Teil der Erde administrativ oder legistisch beziehungsweise judiziell von Amerika abzuwickeln ist. Auf einmal gibt es eine Zuständigkeit, weil irgendeine Schraube von irgendeinem Auto in den Vereinigten Staaten von Amerika erzeugt wurde.

Das heißt, die USA selbst versuchen, ihre Justizhegemonie möglichst weit auszudehnen und möglichst weltweit alle Fälle in die USA zu transferieren. Aber auf der anderen Seite, dort, wo es wirklich um einen Schulterschluss in der internationalen Staatengemeinschaft geht, blenden sie sich aus, verlangen Immunität für ihre Soldaten. Sie gehen dabei so weit, die internationale


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Staatengemeinschaft zu nötigen, indem sie sagen: Wir ziehen unsere Soldaten ab, die für friedensstiftende und friedenssichernde Missionen in Bosnien oder wo immer unterwegs sind, wenn ihr uns nicht dieses Privileg der Immunität zuerkennt!

Das ist sicher sehr bedauerlich, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das der Weisheit letzter Schluss ist, wenn sich die Vereinigten Staaten von Amerika da ausklinken.

Wenn man heute die APA-Meldungen gelesen hat, so hat man überdies zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich diesem Ausschluss von der internationalen Strafgerichtshofgerichtsbarkeit auch Israel angeschlossen hat. Das ist gleichermaßen bedauerlich, und die Beweggründe, die Israel veranlasst haben, diesen Internationalen Strafgerichtshof abzulehnen, sind offensichtlich in der Tatsache begründet, dass im Zuge von Kriegshandlungen fremdes Gebiet besetzt wurde, dass es aber mit dieser Besetzung allein nicht sein Bewenden hatte, sondern dass man dort Siedlungen errichtet hat und dergleichen. Jetzt fürchtet Israel eine Anwendung – zwar keine rückwirkende, aber völkerrechtlich kann man von einer Art Dauerdelikt sprechen – zu Lasten von israelischen Staatsbürgern. Leider blendet sich also auch Israel da aus, und wenn das so weitergeht, wird die Sinnhaftigkeit dieses Internationalen Strafgerichtshofes sehr in Frage gestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden selbstverständlich zustimmen, aber ich glaube, es kann nicht das Ende der Fahnenstange sein, dass einzelne Nationen ganz einfach sagen: Wir tun hier nicht mit!, während sie auf der anderen Seite ihre Jurisdiktion ausdehnen und andere durchaus dieser internationalen Gerichtsbarkeit unterwerfen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

23.47

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bedeutet die Umsetzung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in das österreichische Rechtssystem. Das Römische Statut wurde am 28. Dezember 2000 ratifiziert und ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten.

Im Interesse der Lesbarkeit und der Rechtssicherheit ist ein eigenes Bundesgesetz, eben die hier vorliegende Regierungsvorlage, geschaffen worden, die uns heute zur Beschlussfassung vorliegt und der wir gerne unsere Zustimmung geben.

74 Staaten haben inzwischen diese Statuten ratifiziert. Zuständig ist dieser Internationale Strafgerichtshof für die weltweite Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. In erster Linie sind die Staaten selbst berufen, die Gerichtsbarkeit über diese Verbrechen auszuüben. Fall sie aber dazu nicht in der Lage sind beziehungsweise es nicht tun, wird der Internationale Strafgerichtshof aktiv.

Es ist das erste ständige internationale Tribunal für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und es ist laut Kofi Annan ein fehlendes Glied im internationalen Rechtssystem. Umso mehr bedauern wir – wie auch meine beiden Vorredner –, dass die USA dem Vertrag bisher nicht beigetreten sind. Ich hoffe aber, dass es da noch zu einer Einigung kommt.

Da in der Regierungsvorlage der In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt noch offen gelassen wurde, möchte ich hier einen


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Abänderungsantrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Kollegen zur Regierungsvorlage (1168 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in der Fassung des Ausschussberichtes (1214 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (1168 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in der Fassung des Ausschussberichtes (1214 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

§ 45 Abs. 1 lautet:

"Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Oktober 2002 in Kraft."

*****

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 2 Minuten eingestellt. – Bitte.

23.50

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Keine Sorge, ich wiederhole nichts, was jemand bisher zu diesem Tagesordnungspunkt schon gesagt hat! Das Bundesgesetz heißt Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, und ich möchte in diesem Zusammenhang eine Bitte an den Herrn Bundesminister äußern.

Herr Bundesminister! Selbstverständlich stimmen wir diesem Bundesgesetz zu. Meine Bitte an Sie lautet: Ich habe gerüchteweise vernommen, dass Österreich nicht daran denkt, für die Nominierung von Richtern beim Internationalen Strafgerichtshof Vorschläge zu machen, Nominierungen vorzunehmen. Da Sie, Herr Bundesminister, sicher genauso gut wie ich wissen, dass wir einige ausgewählte, einige exzellente Experten auf diesem Gebiet haben, möchte ich Sie bitten, dass sich die österreichische Bundesregierung – jetzt insbesondere Sie, weil Sie sie heute hier vertreten –, dafür einsetzt, dass Österreich danach trachtet, diese Spezialisten und Experten in den Strafgerichtshof zu bringen, weil ich glaube, dass das der wichtigste und wesentlichste Beitrag ist, den Österreich dort leisten kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1168 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.


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110. Sitzung / Seite 275

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1168 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner, Kolleginnen und Kollegen, und ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

35. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1167 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG) (1215 der Beilagen)

36. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1169 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1216 der Beilagen)

37. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1003 der Beilagen): Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1217 der Beilagen)

38. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (974 der Beilagen): Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1218 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 35 bis 38 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.53

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf namens unserer Fraktion festhalten, dass wir heute gegen das Zinsenrechts-Änderungsgesetz stimmen werden, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Der Grund ist bekannt; er wurde in der Öffentlichkeit mehrfach artikuliert. Es geht um die Rechte von Schuldnern, es geht um die Frage: Werden durch diese neue Regelung Konsumenten benachteiligt oder nicht?


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110. Sitzung / Seite 276

Hohes Haus! Die bisherige Regelung zum § 1333 ABGB sah so aus, dass von Amts wegen, von Gerichts wegen überprüft werden musste, ob Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Mit dieser neuen Regelung, die Sie, Herr Bundesminister, vorgeschlagen haben, passiert nun Folgendes: Konsumenten müssen, wenn sie einen Zahlungsbefehl erhalten, dagegen Einspruch erheben.

Derzeit ist es so, dass gegen 10 Prozent von Zahlungsbefehlen Einsprüche erhoben werden. Das heißt, wenn die Schuld dem Grunde nach besteht, müsste jetzt jeder Einzelne – bei allem Prozesskostenrisiko – die Kosten eines Inkassobüros, aber auch die Kosten eines Anwaltes bekämpfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anbetracht der Tatsache, dass es in diesem Bereich – ich sage das hier sehr offen – sowohl bei Inkassobüros als auch bei Rechtsanwälten eine Art Raubrittertum gibt, halten wir diese Bestimmung für absolut unangebracht und nicht gerechtfertigt.

Das, Herr Bundesminister, ist der Hauptgrund, warum wir diese Gesetzesvorlage ablehnen.

Die anderen Bestimmungen – und das sage ich auch sehr deutlich; ich bedanke mich hier auch bei den Beamten des Ministeriums –, mit denen die Richtlinie über den Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in die österreichische Rechtsordnung eingearbeitet werden soll, werden von uns ausdrücklich begrüßt. Aber trotzdem, Herr Bundesminister: Auf Grund der Bestimmung des § 1333 Abs. 3 ABGB können wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.56


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110. Sitzung / Seite 277

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.56

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die EU-Richtlinie 2035/EG zielt darauf ab, die Unterschiede der Mitgliedstaaten im Bereich der Zahlungsbestimmungen und der Zahlungspraktiken zu harmonisieren. Das ist ja auch sehr sinnvoll, denn insbesondere Klein- und Mittelbetriebe als Gläubiger leiden oft darunter, dass in sehr vielen Mitgliedstaaten durch erstens niedrige Verzugszinsen und zweitens auch langsame Betreibungsverfahren vor allem Schuldner profitieren.

Es geht dabei – und da unterscheide ich mich in meinen Ausführungen vom Abgeordneten Maier – natürlich um den Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen oder Unternehmern und der öffentlichen Hand. Die EU hätte gerne diese so genannten erhöhten gesetzlichen Zinsen nach Ablauf von 30 Tagen ab Rechnungszugang normiert. Ich halte das für eine sehr sinnvolle Lösung, die hier angestrebt wird, für einen sehr vernünftigen Weg, dass man die Formulierung "ohne unnötigen Aufschub", wie es dem österreichischen Recht entspricht, wählt. Das ist nämlich eine flexible Lösung. Sie entspricht den Grundwertungen des österreichischen Fälligkeitsrechts, sie entspricht vor allem auch der wirtschaftlichen Praxis hier in Österreich.

Es besteht also die Hoffnung, dass durch diese 8 Prozent über dem Basiszinssatz der gesetzlichen Verzugszinsen erstens die Zahlungsverzögerungen zurückgedrängt werden, zweitens dadurch natürlich die Liquidität der Unternehmen verbessert wird.

Zwei Wermutstropfen gibt es allerdings bei diesem Vorhaben: Das eine ist, dass es wahrscheinlich verstärkt zu abweichenden vertraglichen Vereinbarungen kommen wird, denn diese Regelungen gelten ja nur dann, wenn keine abweichenden vertraglichen Vereinbarungen bestehen. Zum Zweiten werden natürlich die anderen europäischen Staaten vermutlich ebenfalls diese Richtlinie vollziehen. Die Praxis im unternehmerischen Geschäftsverkehr – das wissen wir – ist jedoch oft eine wesentlich andere, und deshalb wird es da oder dort den heimischen Unternehmern möglicherweise doch nicht so gut gehen, wie es von der EU und vom Gesetzgeber gewünscht wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

23.58

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es hat uns überrascht, dass der Konsumentenschutz, nachdem er jahrelang als "Wanderpokal" von Ministerium zu Ministerium und auch in Staatssekretariate gewandert war, nun im Justizministerium gelandet ist. (Abg. Mag. Mainoni: Das ist erfreulich!) Es bestünde jetzt die Hoffnung, dass bei einzelnen juridisch-legistischen Materien doch der Schutzaspekt zugunsten der KonsumentInnen mehr in den Vordergrund treten könnte.

Diese Hoffnung erfüllt die vorliegende Gesetzesregelung jedoch nicht. Eine EU-Regelung muss umgesetzt werden, aber wie wir schon gehört haben, wird das Problem für die KonsumentInnen schwieriger. Sie müssen jetzt aktiv werden, sie müssen jetzt Einspruch erheben. Und wie wir auch gehört haben, machen das derzeit die wenigsten, und in Zukunft werden es sicherlich auch nicht mehr machen. Deswegen werden wir dieser Vorlage auch nicht zustimmen.

Es gibt aber auch noch drei andere Gründe: Da es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, könnte man etwas weiter ausholen und noch Anrechnungsregeln berücksichtigen, Zinseszinsregeln verbessern, Zinsen insgesamt für KonsumentInnen günstiger machen und auch Reformen bei den Ratenzahlungen ansetzen.

Noch ganz kurz zu diesen Anrechnungsregeln: Bei Zahlungsverzug sollten Zahlungen eigentlich zuerst auf die Kosten der Rechtsverfolgung, dann auf das Kapital und zuletzt auf die Zinsen angerechnet werden. Das wäre unser Vorschlag. Was die Zinseszinsen im Verbrauchergeschäft betrifft, könnte die Berechnung von Zinseszinsen überhaupt verboten werden. Der Entwurf sieht dagegen vor, dass Zinseszinsen ausdrücklich vereinbart werden müssen, andernfalls sie in der Gerichtsanhängigkeit gefordert werden können.

Zu den Zinsen: Die Gesamtzinsen sind im Verbrauchergeschäft auf die Höhe des Kapitals zu beschränken – das wäre unsere Ansicht –, und zwar unabhängig davon, ob sie gerichtlich geltend gemacht werden oder nicht.

Zum Schluss noch: Auch was die Ratenzahlungen anlangt, ist festzustellen, dass in der Praxis immer noch Fälle vorkommen, bei denen KonsumentInnen Ratenvereinbarungen aufgezwungen werden, nach denen sie zwar relativ niedrige Raten bezahlen, aber insgesamt praktisch in eine Schuldenspirale geraten, die sehr ungünstig ist.

Deswegen werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

0.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

0.01

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte hier doch Missverständnisse des Herrn Abgeordneten Mag. Maier und der Frau Abgeordneten Dr. Moser aufklären.

Frau Abgeordnete Dr. Moser! Sie haben gesagt, der vom Zahlungsbefehl Betroffene, also der Beklagte, müsse jetzt aktiv werden. – Er musste immer aktiv werden! Früher musste er einen Rekurs einbringen, und war damit auf die Aktenlage verwiesen. Jetzt kann er einen Teileinspruch gegen den Zahlungsbefehl einbringen, und kann erzwingen, dass über die zu hohen Kosten verhandelt wird, was ein Vorteil ist. Also zusammenfassend: Er musste in jedem Fall aktiv werden. Jetzt hat er mehr Rechte, und er kann diese auch präzisieren.

Was Herr Abgeordneter Mag. Maier gesagt hat, dass eine Prüfung durch das Gericht nach § 1333 ABGB früher möglich war und jetzt nicht mehr möglich ist, ist nicht richtig, weil jetzt


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110. Sitzung / Seite 278

diese Prüfung nach – es tut mir Leid, dass ich Paragraphen nennen muss – § 448 ZPO in gleicher Weise möglich ist.

Es bietet diese Regelung mehr und variablere Rechte für die beklagten Konsumenten; sie ist für die Konsumenten von Vorteil. Man muss nur praktische Kenntnisse ihrer Probleme haben, und die glaube ich, einigermaßen zu haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

0.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

0.03

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden. Zahlungsverzug belastet vor allem kleine und mittlere Unternehmen gegenüber Übermächtigen auf dem Markt. Genau dieser Schaden, der sich durch verspätete Zahlung von Geldforderungen in den Unternehmen anhäuft, soll durch diese Umsetzung der Richtlinie beziehungsweise durch die gegenständliche Vorlage behoben werden.

Interessant ist, dass diese neue Bestimmung nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Unternehmen und der öffentlichen Hand gilt, die hin und wieder auch die kleinen und mittleren Unternehmer sehr lange auf offene Forderungen warten lässt. Ich hoffe, dass sich dieser Zustand bessern wird.

Was auch interessant und positiv zu vermerken ist, ist, dass die gesetzlichen Zinsen nunmehr praktisch in allen Rechtsgebieten gleich hoch sind: sowohl bei Geschäften zwischen Unternehmern als auch bei Arbeits- und Sozialrechtsangelegenheiten. Die eigene Zinsenbestimmung im Handelsgesetzbuch entfällt auch, weil sie nicht mehr notwendig ist.

Zum Missverständnis, dem Mag. Maier aufgesessen ist, hat der Herr Bundesminister bereits Stellung genommen. – Ich möchte noch anmerken, dass Inkassoinstitute gerade deswegen eingesetzt werden, um Prozesse zu vermeiden. Daher ist die jetzige Regelung meiner Meinung nach auch für den Konsumenten besser. Wenn ein Prozess durch die Einschaltung eines Inkassobüros vermieden wird, dann soll der Konsument die Inkassokosten gesondert bestreiten können.

Insgesamt ist, so meine ich, diese Vorlage zu begrüßen, und ich bitte auch die Opposition, dem Rechnung zu tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

0.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

0.05

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Absicht, Rechtspraktikanten in Zukunft zu ermöglichen, Teile ihrer Ausbildung auch in Justizanstalten zu absolvieren, ist ausdrücklich zu begrüßen. Absolventen des Studiums der Rechtswissenschaften sollen nämlich nach ihrem theoretischen Studium einen möglichst umfassenden Einblick in die Praxis erhalten.

In diesem Zusammenhang hat auch die Volksanwaltschaft unter dem Vorsitzenden Dr. Kostelka im Begutachtungsverfahren den Vorschlag unterbreitet, dass hinkünftig auch eine Ausbildung bei der Volksanwaltschaft möglich sein soll. Um das Ausbildungsspektrum zu erweitern und damit die Qualität der Ausbildung zu erhöhen, ist es sinnvoll, Rechtspraktikanten auch eine Ausbildungsmöglichkeit bei der Volksanwaltschaft gesetzlich zu eröffnen. (Abg. Schieder: Aber nicht beim Stadler!)

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:


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110. Sitzung / Seite 279

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Heinzl, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (1169 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

"Die Regierungsvorlage (1169 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

In Z 1 wird im § 6 Abs. 3 folgender Satz angefügt:

"Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch eine Ausbildung bei der Volksanwaltschaft möglich."

*****

Hohes Haus! Ich bin davon überzeugt, dass mit dieser Ergänzung ein weiterer entscheidender Schritt in Richtung Verbesserung der juristischen Ausbildung gesetzt würde, und ich darf Sie ersuchen, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Heinzl, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

0.07

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf mich mit Kollegem Jacky Maier auseinander setzen. Zu seinen Anmerkungen zum Zinsenrechts-Änderungsgesetz ist Folgendes zu sagen: Er lehnt die Bestimmung des § 1333 Abs. 3 rundweg ab. Was steht drinnen? – Da steht nichts anderes drinnen, als dass der Gläubiger außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen kann, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

Nicht mehr und nicht weniger! Das ist eine Bestimmung, die absolut gerecht ist; denn wenn jemand einen Vertrag bricht und außergerichtlich gemahnt wird, wenngleich auch möglicherweise durch einen Anwalt oder ein Inkassobüro, und ihn ein Verschulden am Zahlungsverzug trifft, wieso soll man dann nicht auch die Kosten dieser außergerichtlichen Betreibung geltend machen können?

Ich darf darauf hinweisen, dass gerade die jetzige Situation der Rechtsunsicherheit mit den vorprozessualen Kosten, der Kostennote und dem tatsächlichen Kapital dazu führt, dass sich viele Anwälte überlegen, das außergerichtlich geltend zu machen, weil sie um die Kosten umfallen und das gleich einklagen. Daher ist es doch wirklich zweckmäßig, dass man hier eine ganz klare Bestimmung schafft. Es kann doch nicht vom Gutdünken des einen oder anderen Bezirksrichters abhängen, ob vorprozessuale Kosten zugesprochen werden oder nicht. Das heißt, das ist eine Bestimmung, die insgesamt sachlich sehr begründet ist.

Wenn du, Kollege Maier, von "Raubrittertum" sprichst, gestehe ich dir durchaus zu, dass es in jeder Berufsgruppe schwarze Schafe gibt – darüber brauchen wir nicht zu reden –, auch in der Berufsgruppe der Anwälte, dort allerdings sehr wenige, auch in der Berufsgruppe der Inkassobüros. (Abg. Dr. Khol: Mehr!)


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110. Sitzung / Seite 280

Aber die Arbeiterkammer kann dagegen einschreiten, und wie ich dich kenne, wirst du das auch tun, bis hin zu einer Anzeige bei der Standesbehörde, wahrscheinlich auch bis hin zu einer Verbandsklage. Ich möchte dir jetzt keine Regeln vorgeben und es steht mir auch nicht zu, dir das zu sagen, aber wenn mir als Schuldnervertreter auffiele, dass ein und derselbe Anwalt immer gesetzwidrige Kosten geltend macht, dann bekommt er zunächst einmal eine Anzeige bei der Disziplinarbehörde. Und wenn das noch immer nichts nützt, würde ich sogar eine Strafanzeige wegen versuchten Betrugs ins Auge fassen; denn wenn derjenige in Kenntnis, dass ihm eine Forderung nicht zusteht, diese Forderung immer wieder geltend macht, dann ist das auch der Versuch einer Täuschung des Gerichts. Ob es Betrug ist, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber es gibt Möglichkeiten, dass man sich gegen schwarze Schafe – seien es Inkassobüros, seien es auch vereinzelt Rechtsanwälte – zur Wehr setzt.

Ich bin kein besonderer Freund der Inkassobüros, das gebe ich durchaus zu. Aber die Inkassobüros, sofern sie seriös betrieben werden, verfolgen auch einen wirtschaftlichen Zweck. Aus der mir bekannten Praxis kann ich bestätigen – ich möchte hier die Organisation nicht nennen, die einer bestimmten Partei nahe steht –: Es handelt sich um einen Serviceclub, der Forderungen in geringer Höhe gegen seine Mitglieder hat, Zehntausende Forderungen im Jahr, der diese Forderungen generell über Inkassobüros abrechnet und nicht über Anwälte und der, wenn diese Forderungen trotz Einschreiten des Inkassobüros nicht berichtigt werden, die Forderungen lieber fallen lässt, als den Gerichtsweg zu beschreiten. Also auch hier wird eine gewisse Berechtigung ... (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sehe, die Begeisterung meiner eigenen Fraktion ist so groß, dass ich jetzt meine Rede abrupt abzubrechen habe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzte Rednerin hiezu zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

0.11

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, genauso kurz zu reden wie mein Vorredner, also bis meine eigene Fraktion meine Ausführungen abbricht.

Es geht um zwei Regierungsvorlagen von Erklärungen der Republik Österreich. Es geht um Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, schlicht, es geht um den Beitritt Litauens und Lettlands. Diese Beitritte haben im Ausschuss die Zustimmung aller vier Parlamentsfraktionen gefunden. Dieses Übereinkommen steht in Gesetzesrang und wirkt nur zwischen dem beitretenden Staat und dem Staat, der den Beitritt annimmt. Die Annahmeerklärung betrifft keine verfassungsändernden oder -ergänzenden Bestimmungen. Es geht also darum, den Beitritt anzunehmen, weshalb ein Genehmigungsbeschluss des Nationalrates und in der Folge auch des Bundesrates erforderlich ist, weil es eben auch den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berührt.

Dieses Übereinkommen regelt die Zuständigkeit der jeweiligen Behörden zum Schutz der Minderjährigen. Bei uns sind das die Gerichte und die Bezirksverwaltungsbehörden, schlicht die Jugendämter. Mit dem Beitritt wird die Zuständigkeit der vergleichbaren Behörden in den Beitrittsländern anerkannt. Jeder weitere Staat, der beitritt, bringt ein Plus für die Rechtssicherheit und einen Schritt zum erweiterten Schutz von Minderjährigen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


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110. Sitzung / Seite 281

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Zinsenrechts-Änderungsgesetz samt Titel und Eingang in 1167 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird, in 1169 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über diesen Zusatzantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Z 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung zum Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen in 1003 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen in 974 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dies tut, den ich ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

39. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert wird (671/A)


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110. Sitzung / Seite 282

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Damit gelangen wir zu Punkt 39 der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Wittmann. – Bitte.

0.16

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mit dem Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetz 1999 wurde mit Wirksamkeit 1. Jänner 2000 das Reichspolizeigesetz aufgehoben, und gemäß der damaligen Fassung des § 15 VStG wären ab diesem Zeitpunkt alle Vollzugsgelder, die in Vollziehung von Bundesgesetzen eingehoben wurden, dem Land beziehungsweise Sozialhilfeverbänden oder der Sozialhilfe zugeflossen.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2000 wurde das wieder geändert, und es wurde bestimmt, dass von Polizeibehörden in Ausübung ihres Dienstes in der Vollziehung von Bundesgesetzen eingehobene Strafgelder nunmehr wieder dem Bund zufließen. Wir von der SPÖ meinen, dass es sinnvoll wäre, diese Strafgelder Sozialhilfezwecken in den Ländern beziehungsweise Sozialhilfeverbänden zukommen zu lassen, wie das ja auch mit den Geldern, die von der Gendarmerie eingehoben werden, geschieht. Das wäre nur recht und billig. (Beifall bei der SPÖ.)

0.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. (Abg. Dr. Petrovic: Bitte streichen!)  – Die Frau Abgeordnete zieht die Wortmeldung zurück.

Zu Wort ist also niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 671/A dem Verfassungsausschuss zu.

40. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (659/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 40.  Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Maier. – Bitte.

0.18

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Änderung des Konsumentenschutzgesetzes, die wir jetzt vorschlagen, schließt an die Debatte zum Zinsenrechts-Änderungsgesetz an. Es geht um die Fragen: Wie kann man auf der einen Seite Menschen davor bewahren, in einer Schuldenfalle zu landen? Wie kann man auf der anderen Seite verhindern, dass die derzeitige Regelung insbesondere von Unternehmen missbraucht wird?

Die derzeitige Regelung, nämlich § 12 Konsumentenschutzgesetz, lässt die Abtretung von Lohn- und Gehaltsforderungen zur Sicherung und Befriedigung noch nicht fälliger Unternehmerforderungen zu, während die sicherungsweise Verpfändung von Lohn- und Gehaltsforderungen nach den Gesetzesmaterialien von dieser Bestimmung nicht erfasst werden soll. Auch der Oberste Gerichtshof hat diese Rechtsauffassung bestätigt. In der Literatur gibt es allerdings andere Auffassungen.


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110. Sitzung / Seite 283

Konsumentenschützer sind in der Beratung laufend mit einer missbräuchlichen Anwendung dieser Bestimmung konfrontiert. Wir sind daher der Auffassung, dass ein Verbot im § 12 Konsumentenschutzgesetz verankert werden soll, wonach Vormerkungen von vertraglichen Gehaltsverpfändungen erst dann zulässig und wirksam sind, wenn sich der Schuldner im Zahlungsverzug befindet und die zugrunde liegende Schuld nach § 13 Konsumentenschutzgesetz wirksam fällig gestellt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich darf Sie einladen, über diese Problematik nachzudenken, insbesondere darüber, welche Auswirkungen dies auf Menschen hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Was sagen die roten Banken dazu?)

Abschließend möchte ich diese Gelegenheit wahrnehmen, dem ersten Tabellenführer der T-Mobile-Liga, nämlich dem SK Rapid, herzlich zu gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

0.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Abgemeldet? – Nein, nicht abgemeldet. Frau Dr. Moser, wünschen Sie das Wort?  (Abg. Dr. Moser: Ja!)  – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.21

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich wollen wir Grüne eine ordentliche Behandlung von Konsumentenschutzangelegenheiten, und deswegen unterstützen wir das Anliegen des Kollegen Maier. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

0.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 659/A dem Justizausschuss zu.

Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 27, 28, 29 und 30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nunmehr zu den gemäß § 65 Abs. 1 der Geschäftsordnung an das Ende der Sitzung verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 27, 28, 29 und 30, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 in 1202 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. XI ASVG Z 3 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1202 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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110. Sitzung / Seite 284

Nunmehr kommen wir zu der Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird, in 1203 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z 2 zum Inhalt hat. (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1203 der Beilagen unter Berücksichtigung des Zusatzantrags der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung leerer Bankreihen bei der SPÖ –: Das ist eine Auffassung von Parlamentarismus! – Ruf bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Da ist wohl eine Seuche ausgebrochen!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies ebenso einstimmig. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen. (Neuerlicher Ruf bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Da ist wohl eine Seuche ausgebrochen! – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Wahnsinn!)

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf – Herr Abgeordneter Westenthaler! – betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen samt Titel und Eingang in 1158 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das Gesetz somit in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen samt Titel und Eingang in 1137 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 730/A (E) bis 732/A (E) eingebracht wurden.


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110. Sitzung / Seite 285

Ferner sind die Anfragen 4154/J bis 4189/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 11. Juli 2002, um 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 0.25 Uhr