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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

77. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Jänner 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

77. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode            Donnerstag, 14. Jänner 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Jänner 2021: 9.05 – 14.55 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung des neuen Bundes­ministers für Arbeit, Familie und Jugend

2. Punkt: Bericht über den Antrag 1196/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (Wiederaufnahme der am 13. Jänner 2021 vertagten Verhandlungen)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epi­demiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (Wiederauf­nahme der am 13. Jänner 2021 vertagten Verhandlungen)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1124/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz, über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1162/A(E) der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Gemeinden nicht im Stich lassen: Ersatz der Kosten für die Durchführung der Massentests

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................         9

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 4066/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ...................................................................      10


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 2

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ..............................    110

RednerInnen:

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    110

Bundesminister Karl Nehammer, MSc .................................................................    113

Karl Mahrer ..............................................................................................................    115

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................    117

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................    118

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................    120

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    121

Antrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 4066/AB – Ablehnung ...  112, 122

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschuss­berichte 627 und 628 d.B. gemäß § 44 (2) GOG .....................................................      11

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      11

Wortmeldung des Abgeordneten Erwin Angerer betreffend § 59 GOG ...  12, 12

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Ing. Norbert Hofer ....................................................    122

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    123

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Enthebung der Bun­desministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher vom Amt bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher zum Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend ..................................         9

Vertretungsschreiben ................................................................................................         9

Ausschüsse

Zuweisungen .............................................................................................................      10

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung des neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend ..........................................      12

Bundeskanzler Sebastian Kurz .............................................................................      13

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................      14

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 GOG ....................      12

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................      17

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (tatsächliche Berichtigung) .....................      18

August Wöginger ....................................................................................................      18

Herbert Kickl ............................................................................................................      20

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................      25

Rainer Wimmer .......................................................................................................      26


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 3

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .........................................................................      27

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      30

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................      33

Tanja Graf ................................................................................................................      37

Josef Muchitsch ......................................................................................................      39

Mag. Markus Koza ..................................................................................................      43

Michael Schnedlitz ..................................................................................................      45

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      46

Petra Wimmer ..........................................................................................................      48

Claudia Plakolm ......................................................................................................      49

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................      50

Josef Schellhorn .....................................................................................................      52

Norbert Sieber .........................................................................................................      53

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „NEO-Liberaler Theoretiker als Arbeitsminister: Nein Danke!“ – Ablehnung .....................................................................................  35, 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „350.000 neue Arbeitsplätze – Koste es, was es wolle?!“ – Ab­lehnung ..........................................................................................................  41, 54

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1196/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (626 d.B.) (Wiederaufnahme der am 13. Jänner 2021 vertagten Ver­handlungen) ..............................................................................................................      55

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 d.B.) (Wiederaufnahme der am 13. Jän­ner 2021 vertagten Verhandlungen) .........................................................................      55

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1124/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, über einen Zweckzu­schuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschuss­gesetz) geändert wird (627 d.B.) ..............................................................................      55

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1162/A(E) der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gemeinden nicht im Stich lassen: Ersatz der Kosten für die Durchführung der Massentests (628 d.B.) ..................................................................................................................      55

RednerInnen:

Philip Kucher ...........................................................................................................      55

Ralph Schallmeiner ................................................................................................      57

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................      62

Gabriela Schwarz ....................................................................................................      66

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      67

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................      68

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................      71

Mag. Verena Nussbaum .........................................................................................      72

Dr. Josef Smolle ........................................................................................  74, 101

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................      77


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 4

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigungen) ....  78, 87, 95, 101, 106

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................      78

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................      80

Karlheinz Kopf .........................................................................................................      82

Rudolf Silvan ...........................................................................................................      84

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................      86

Peter Wurm ..............................................................................................................      88

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................      93

Henrike Brandstötter ..............................................................................................      96

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................      97

Mag. Thomas Drozda ..............................................................................................      98

Dietmar Keck ............................................................................................  102, 107

Laurenz Pöttinger ...................................................................................................    103

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    104

Christoph Stark (tatsächliche Berichtigung) ...........................................................    106

Martina Diesner-Wais .............................................................................................    107

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiheitliches Maßnahmenpaket zu Covid-19“ – Ableh­nung .............................................................................................................  64, 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rascher Ausbau der öffentlichen unentgeltlichen Corona-Testmöglichkeiten“ – Annahme (132/E) ..  73, 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Josef Schellhorn, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Wirksame Wirtschaftshilfen für das erste Quar­tal 2021“ – Ablehnung .................................................................................  85, 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangs-impfungen“ – Ablehnung .............................................................................  89, 108

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realisti­sche Rahmenbedingungen setzen“ – Ablehnung .......................................  99, 108

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 626, 629 und 627 d.B. ..................................    108

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 628 d.B. ..................................................    108

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage .................................................................................................      10

630: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommen­steuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nach dem Lockdown: Kul­tur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen (1208/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zum Schutz von Journalist_innen (1209/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 5

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsatzersatz für alle direkt und indirekt vom Lockdown betroffenen Unternehmen für die Dauer des Lockdowns (1210/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der Versammlungs­freiheit vor ministerialer Willkür (1211/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend umgehende Öffnung des Härtefallfonds für Privatvermieter, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung er­halten (1212/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (1213/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1214/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1215/A)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Berufskrankhei­tenliste (1216/A)(E)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Berufskrankhei­tenliste (1217/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der staatsan­waltschaftlichen Berichtspflichten in clamorosen Fällen (1218/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kai Jan Krainer, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Drei-Tages-Berichtsfrist in clamorosen Fällen im Berichts­pflichtenerlass (1219/A)(E)

Kai Jan Krainer, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entzug der Fachaufsicht der OStA Wien im „Ibiza“-Strafverfahren (1220/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Betriebskosten der Kampfpanzer Leopard und Schüt­zenpanzer Ulan (4855/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Weitergabe von Bewe­gungsdaten an die Gesundheitsbehörden (4856/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Covid-Impfressourcen (4857/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Co­vid-Impfstoffe (4858/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend eines neues Projekt der „Neuen Rechten“ (4859/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Hausdurchsuchung in Wien Floridsdorf (4860/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 6

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend eine Hausdurchsuchung in Wien Floridsdorf (4861/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Daten zu Dublinverfahren 2020 (4862/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltsstatus Asylberechtigter 2020 (4863/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Fa­milie und Jugend betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete 2020 (4864/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Jahr 2020 (4865/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Daten zu Schubhaft und Abschiebungen im Jahr 2020 (4866/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aberkennungsverfahren nach dem Asylgesetz im Jahr 2020 (4867/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Entscheidungen des BVwG über Beschwerden gegen Bescheide des BFA im Jahr 2020 (4868/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inseratenausgaben Bundesregierung in Tageszeitungen II, Folgeanfrage zu 4037/J (4869/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Ausbildungsoffensive Elementarpädagogik (4870/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4871/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4872/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4873/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Fami­lie und Jugend betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4874/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Coro­na-Tests (4875/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Ver­fassung betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4876/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4877/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4878/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 7

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Druck auf Bedienste­te in Bezug auf Corona-Tests (4879/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4880/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4881/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4882/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4883/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten im Burgenland im Jahr 2020 (4884/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4885/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Druck auf Bedienstete in Bezug auf Corona-Tests (4886/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in der Steiermark im Jahr 2020 (4887/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Kärnten im Jahr 2020 (4888/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Vorarlberg im Jahr 2020 (4889/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Tirol im Jahr 2020 (4890/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Salzburg im Jahr 2020 (4891/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Oberösterreich im Jahr 2020 (4892/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Niederösterreich im Jahr 2020 (4893/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Wien im Jahr 2020 (4894/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme Straftaten in Österreich im Jahr 2020 (4895/J)

Anfragebeantwortungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 8

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (4142/AB zu 4144/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (4143/AB zu 4150/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (4144/AB zu 4147/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (4145/AB zu 4142/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (4146/AB zu 4140/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (4147/AB zu 4148/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (4148/AB zu 4143/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (4149/AB zu 4145/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kolle­gen (4150/AB zu 4146/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (4151/AB zu 4202/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 9

09.05.41Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.42*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­nete, ich darf Sie herzlich begrüßen, auch die Damen und Herren Journalisten auf der Galerie und die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen. Ich begrüße die Bundesregierung – den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Vizekanzler und die weiteren Regierungsmitglieder. Ich darf die 77. Sitzung eröffnen, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 7 des Geschäftsordnungsgesetzes einberu­fen wurde.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Mag. An­dreas Hanger, Gabriele Heinisch-Hosek, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Christian Hafen­ecker, MA und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff.

Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vom Bundeskanzleramt ist folgendes Schreiben eingelangt:

„Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. Jänner 2021 gemäß Artikel 74 Absatz 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes Frau Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ihrem Wunsch entsprechend vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 des Bundes-Ver­fassungsgesetzes Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher zum Bundesminister für Ar­beit, Familie und Jugend ernannt.“

Ich darf mich an dieser Stelle für die wertvolle Arbeit von Frau Ministerin Aschbacher – in einer sehr herausfordernden Zeit, die sich fast durch die gesamte Zeit ihrer Minister­schaft gezogen hat – ganz herzlich bedanken. Ich darf mich auch für ihre Ansätze, die sie ja auch in ihren Reden hier im Parlament immer wieder intensivst dargestellt und argumentiert hat, sowie für den respektvollen Umgang mit dem Parlament bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Gleichzeitig darf ich den neuen Arbeitsminister recht herzlich hier im Hohen Haus be­grüßen, in einer Zeit, die gerade diesem Ressort sehr viel abverlangt. Das ist eine sehr, sehr verantwortungsvolle Aufgabe, da wir uns in einer der tiefsten Wirtschaftskrisen seit 1945 befinden, in der gerade der Arbeitsmarkt in besonderer Art und Weise gefordert ist. Ich darf Sie, Herr Minister – ich bin mir sicher, dass wir eine gute Kooperation haben werden –, um einen regen Austausch mit dem Parlament bitten, denn gerade auch das Parlament ist in dieser Situation immer ein ganz wesentlicher Partner, war es und wird es auch in der Zukunft sein.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung ge­macht:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 10

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. wird durch Vizekanzler Mag. Werner Kogler und Bundesminister für Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. durch Bun­desministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner vertreten.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 4855/J bis 4895/J

2. Anfragebeantwortungen: 4142/AB bis 4151/AB

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommensteuerge­setz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden (630 d.B.)

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 1204/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die humanitäre Versorgungslage in Syrien

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1202/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung des Erlasses zur Handhabung von CBD

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 1203/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schaffung einer Dekarbonisierungsstrategie für die Landwirtschaft bis 2040

Tourismusausschuss:

Antrag 1207/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend dringende Unterstützung für vom Lockdown massiv betroffene Sportartikelhänd­ler und Skiverleiher in Tourismusregionen

Verfassungsausschuss:

Antrag 1205/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministerien­gesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2021)

Antrag 1206/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsge­setz 1989 geändert wird

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4066/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich noch mitteilen, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine


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kurze Debatte über die Beantwortung 4066/AB der Anfrage 4040/J der Abgeordneten Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Terroranschlag in Wien 54 Fragen von profil“ durch den Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Diese Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

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Ich darf bekannt geben, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III in voller Länge übertragen wird.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung in Ver­handlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzusehen.

Bei den Punkten 4 und 5 handelt es sich um die Berichte des Gesundheitsausschusses über die Anträge 1124/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Schallmeiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der Covid-19-Krise geändert wird (627 der Bei­lagen), und 1162/A(E) der Abgeordneten Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gemeinden nicht im Stich lassen: Ersatz der Kosten für die Durchführung der Massen­tests (628 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 5 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 4,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten erge­ben: ÖVP 88, SPÖ 61, FPÖ 50, Grüne 45 und NEOS 36 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 18 Minuten. Die Rede­zeit wird auf 5 Minuten pro Debatte beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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09.11.261. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung des neuen Bun­desministers für Arbeit, Familie und Jugend


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluss an diese Erklärungen wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden, ausreichend unterstützten Verlangen eine Debatte statt­finden.

Bitte, Herr Abgeordneter Angerer, Sie haben sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort ge­meldet.

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9.11.52

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ich möchte auf die Geschäftsordnungs­debatte der gestrigen Sitzung zurückkommen. Herr Präsident, da haben Sie einleitend über einen Brief berichtet, den Sie uns übermittelt haben. Dazu hat sich unser Klubob­mann zu Wort gemeldet.

Es hat dann mehrere Unterbrechungen durch Sie gegeben und deshalb habe ich zwei Anregungen für die nächste Präsidiale: Erstens möchten wir klären, auf welcher Rechts­grundlage Ihre Wortmeldung beruhte, zumal sie mit der Tagesordnung in keinem Zusam­menhang stand und auch relativ lange dauerte.

Zweitens sind wir der Auffassung, dass es im Zuge einer Geschäftsordnungsdebatte und einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung nicht zwingend erforderlich ist, dass ein Antrag gestellt wird. Sie haben gestern von unserem Klubobmann eingefordert, dass er einen Antrag stellt. Das ist unserer Meinung nach nicht zwingend erforderlich, und des­halb möchten wir, dass diese beiden Punkte in der nächsten Präsidiale behandelt wer­den. (Beifall bei der FPÖ.)

9.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gerne behandle ich diese Punkte. Ich bewege mich auf Grundlage der Geschäftsordnung des Nationalrates (Abg. Kickl: Da haben Sie noch nie hineingeschaut!), und dort ist selbstverständlich vorgesehen, dass zur Ge­schäftsbehandlung ein entsprechender Antrag vorzulegen oder zu stellen ist. In der Ge­schäftsordnung ist auch klar festgelegt, dass der Präsident natürlich das Wort ergreifen kann.

Bitte, Herr Abgeordneter.


9.13.29

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich muss mich jetzt noch einmal zu Wort melden, denn soweit ich in § 59 der Geschäfts­ordnung lese, steht unter Absatz 2: „Meldet sich ein Abgeordneter, ohne einen Antrag zu stellen, zur Geschäftsbehandlung zum Wort, so ist der Präsident berechtigt, ihm das Wort erst am Schlusse der Sitzung zu erteilen.“ (Abg. Belakowitsch: Von einem Antrag steht da nix! – Abg. Kickl: Von einem Antrag steht da gar nix!)

9.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Lesen Sie die nächsten Absätze! (Abg. Belako­witsch: Vielleicht lesen Sie einmal die Geschäftsordnung!)

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Wir kommen jetzt zur Erklärung des Bundeskanzlers. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schnedlitz: Dass die ÖVP parteipolitisch applaudiert, nachdem der Präsident ...! – Zwi­schenruf des Abg. Loacker. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) – Der Herr Bundeskanzler gelangt jetzt zu Wort. – Bitte.


9.14.19

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, insbe­sondere Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie diese Sitzung von zu Hause aus verfolgen! Schönen Vormittag! Ich freue mich, Ihnen heute im Parlament Martin Kocher als neuen Arbeitsminister vorstellen zu dürfen.

Wir wissen, wir alle sind seit mittlerweile knapp einem Jahr inmitten einer der schwersten Pandemien. Wir sind da nicht nur in der Gesundheitskrise gefordert, sondern diese Pan­demie hat auch eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst, die um Österreich keinen Bogen macht und uns auch im Bereich Wirtschaft und Beschäftigung massiv fordert.

Auch wenn Österreich in der Europäischen Union mittlerweile wieder unter den Ländern mit den niedrigsten Ansteckungszahlen ist – wir gehören seit einigen Wochen zum Drittel der Länder mit den niedrigsten Ansteckungszahlen –, so ist die Situation dennoch eine extrem volatile. Wir erleben Varianten, Mutationen des Virus, die sich mittlerweile in Eu­ropa verbreiten, die nicht mehr nur in Großbritannien oder Südafrika zu finden sind, son­dern auch in anderen europäischen Ländern, auch in unseren Nachbarländern. Auch bei uns sind mehr und mehr Fälle feststellbar.

Es ist also klar, dass uns die akute Pandemie noch monatelang beschäftigen wird, aber wie schon im Sommer angesprochen: Es gibt Licht am Ende des Tunnels (Abg. Ames­bauer: Das haben Sie voriges Jahr schon gesagt!), durch die Impfung werden wir in Richtung Sommer mehr und mehr zur Normalität zurückkehren können. (Abg. Belako­witsch: Das haben Sie vor einem Jahr auch schon gesagt! – Abg. Kickl: Sie werden gar nicht mehr fertig mit dem Auferstehen!)

Die Gesundheitskrise möchte ich heute gar nicht weiter thematisieren, sondern mich auf die Vorstellung von Martin Kocher beschränken. Ich habe eingangs gesagt: Die Gesund­heitskrise hat eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst, die auch um Österreich keinen Bogen gemacht hat. Das zeigen die Zahlen leider in einer dramatischen Art und Weise. Wir hatten im Jahr 2020 einen Wirtschaftseinbruch von 7,5 Prozent, wir erleben nach wie vor eine wirtschaftlich sehr, sehr herausfordernde Situation. Wir haben das ganze Jahr 2020 über versucht, die Herausforderungen und die Auswirkungen dieser Krise bestmöglich abzufedern. Wir haben in Summe über 30 Milliarden Euro ausbezahlt oder zugesagt, um Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen. Am Höhepunkt der Krise waren weit über eine Million Menschen in Kurzarbeit. Das ist auf der einen Seite negativ, auf der anderen Seite aber positiv, weil es dadurch gelungen ist, viele Jobs zu retten, die sonst vernichtet worden wären.

Ich möchte mich an dieser Stelle beim gesamten Regierungsteam, insbesondere aber bei Christine Aschbacher, die aus der Regierungsmannschaft ausgeschieden ist, für ihre Arbeit (Abg. Belakowitsch: Welche Arbeit?), für ihren wirklich unermüdlichen Einsatz im letzten Jahr bedanken. Ich kann nur sagen, ich bin der festen Auffassung, dass, wenn Vorwürfe gegen Menschen erhoben werden, öffentlich werden, ganz gleich ob gegen Politiker oder andere, jeder immer ein faires Verfahren verdient hat. Ich respektiere aber ihre Entscheidung, ihr Amt sofort zurückzulegen, auch um ihre Familie zu schützen. Ich danke ihr für ihre Arbeit und wünsche ihr für ihren weiteren Werdegang alles Gute. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Mir als Regierungschef war es nach ihrem Rücktritt nicht nur wichtig, eine gute, sondern vor allem auch eine rasche Personalentscheidung zu treffen, denn gerade in Zeiten wie


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diesen ist es wichtig, dass in allen Bereichen der Bundesregierung auf Hochtouren gear­beitet wird.

Ich bin froh, dass Susanne Raab bereit war, die Agenden für Familie und Jugend zusätz­lich zu ihrem Aufgabenbereich zu übernehmen, und ich möchte mich bei Martin Kocher bedanken, dass er bereit war, ins Regierungsteam einzusteigen und die Aufgaben im Bereich Arbeit und Arbeitsmarkt zu übernehmen. Dieser Bereich ist jetzt, in der akuten Phase der Krise, ein herausfordernder, er wird aber auch ein herausfordernder bleiben, weil die wesentliche Aufgabe neben der Krisenbewältigung in den nächsten Monaten und Jahren sein wird, Österreich wieder zu alter Stärke im Bereich Arbeit und Wirtschaft zurückzuführen.

Martin Kocher ist ein international anerkannter Experte mit einer beeindruckenden Lauf­bahn, zuletzt war er Direktor des IHS. Er ist uns in diesem Jahr der Krise immer wieder beratend zur Seite gestanden – nicht nur ein Danke für die gute Begleitung und Beratung im vergangenen Jahr, sondern vor allem auch ein Danke, dass du bereit bist, diese Auf­gabe zu übernehmen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Herzlich willkommen im Team, ich freue mich auf die Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Herausforderungen im Bereich Wirtschaft und Arbeit für Gernot Blümel, Margarete Schramböck und Martin Kocher sind groß. Ich habe es eingangs schon angesprochen: Wir sind nach wie vor in der akuten Phase der Krise, mit einer Arbeitslosigkeit von über 530 000 Menschen, mit derzeit rund 400 000 Menschen in Kurzarbeit, und wir wissen, dass die nächsten Monate nach wie vor extrem schwierig bleiben werden. Es ist daher die wesentliche Aufgabe, in diesem Bereich akut bestmöglich die Auswirkungen der Kri­se abzufedern, mit Möglichkeiten wie der Kurzarbeit und anderen alles zu tun, um trotz Krise so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern.

In weiterer Folge geht es um den Kampf zurück, die Notwendigkeit, wieder Arbeitsplätze entstehen zu lassen, Menschen wieder zurück in Arbeit zu vermitteln und alles zu tun, dass wir möglichst schnell wieder als Republik zu alter Stärke zurückkommen.

Als dritten Bereich sehe ich selbstverständlich – wir haben das schon vor der Krise er­lebt, die Krise hat es noch einmal beschleunigt und sichtbarer gemacht – die große Transformation, die auf dem Arbeitsmarkt stattfindet, insbesondere durch die Digitalisie­rung.

In diesem Sinne ein herzliches Danke an Martin Kocher für die Bereitschaft, zur Verfü­gung zu stehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, ich sage das dazu. Ich habe immer wieder Experten in die Bundesregierung geholt (Zwischenrufe bei der SPÖ), Menschen in die Bundesregierung geholt, die eine beeindruckende Laufbahn außerhalb der Politik absolviert haben, aber über wenig politische Erfahrung verfügt haben. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Herausforderung für alle war eigentlich stets die gleiche, nämlich auch damit zurechtzukommen, dass man in der Regierung – natürlich auch durch Sie von der Opposition, aber auch durch die Medien – härter angefasst wird, dass die Kritik größer ist und dass man vieles aushalten muss. (Abg. Kickl: Der Unterrichtsminister ...!)

In diesem Sinne sage ich, es ist keine Selbstverständlichkeit, dass du dich als Experte auf diese Aufgabe eingelassen hast, gerade in dieser Krise weiß ich das zu schätzen. Ein herzliches Danke! Willkommen! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. (Anhalten­der Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

9.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.


9.22.08

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen auf der Regierungsbank, insbesondere Martin Kocher! Es ist auch mir


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eine tatsächliche und ehrliche große Freude, Sie/dich hier in unserem Team mitbegrü­ßen und anlässlich dieser Vorstellung auch an Sie, geschätzte Abgeordnete, ein paar Worte richten zu dürfen.

Zunächst einmal: Ja, Martin Kocher ist tatsächlich ein international anerkannter Experte, der in mehreren Feldern, in mehreren wissenschaftlichen und politikrelevanten und jetzt vor allem wirtschaftswissenschaftlichen Feldern, tätig ist, die genau jetzt gebraucht wer­den. Also wenn schon die Experten benannt wurden, dann ist das etwas mit einer zusätz­lichen Qualifikation vom Tätigkeitsfeld her. Und ja, wir waren ja auch schon spätestens ab dem Frühjahr im Austausch, was die Beratungsfrage betroffen hat. Ich habe diesen Austausch immer schon als bereichernd empfunden; umso mehr freue ich mich jetzt, wenn wir in eine vertiefte Zusammenarbeit eintreten können – genau zum richtigen Zeit­punkt, die Lage ist nämlich genau jetzt besonders schwierig. Deshalb auch danke dafür, dass du diese Herausforderung angenommen hast. Das ist nämlich wirklich nicht selbst­verständlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich habe schon öfter das Bild gebraucht, dass die Bekämpfung dieser Coronakrise ein Langstreckenlauf ist. Ich weiß ja, dass du passionierter Marathonläufer bist, das können wir jetzt, glaube ich, auch im Team gut gebrauchen. Wir wähnen uns zumindest auf den letzten Kilometern, das sind meistens die schwierigsten im Marathon. Hinzu kommt jetzt durch die Virusmutationen Gegenwind, fast hat man das Gefühl, es geht noch bergauf. Umso mehr müssen wir alle Kräfte bündeln, die Ärmel aufkrempeln und diese letzten Kilometer – das sind immerhin noch die nächsten Monate, der Bundeskanzler hat es gesagt – mit gemeinsamer Anstrengung und Zusammenhalt – ich hoffe, auch hier im Haus – vorankommen, also gemeinsam vorankommen. Ich glaube, dafür bringt der neue Kollege sehr, sehr viel mit.

Apropos Kollege: Ja, auch bei aller Kritik, die jetzt auf Christine Aschbacher einprasselt – ich will das gar nicht bewerten (Abg. Kickl: Was würde der Anstand sagen?) –, möchte ich, weil es so war und weil es aus meiner Sicht der Wahrheit entspricht, Christine Asch­bacher ausdrücklich für die Zusammenarbeit danken. Die Zusammenarbeit war nämlich eine sehr gute, es bestand mit ihr und mit ihrem Kabinett, auch das darf hier einmal erwähnt werden – eine wirklich gute Austauschbasis, und es ist auch sehr viel gelungen! (Abg. Belakowitsch: Was?!  Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist auch sehr viel gelungen, stichwortartig  wenn ich das heranziehen darf, denn das betrifft ja auch die Arbeitsbasis des neuen Kollegen Kocher –, das Aufstellen der Kurz­arbeit. Deren Fortentwicklung und Reform wird Aufgabe sein, nach wie vor dürfen wir aber davon ausgehen, dass das ein einmaliges Erfolgsmodell ist, auch wenn es etwas kostet. Wir gehen aber von der Einschätzung aus, dass dieses nicht zu tun oder es an­ders zu machen, noch viel mehr kosten würde. Das sind auch ökonomische Abschät­zungsfragen, und es geht in Wahrheit um das Schicksal von Hunderttausenden Men­schen.

Ich glaube, an dieser Stelle – diesbezüglich sollten wir wenigstens eine Übereinstim­mung finden, auch hier im Haus – ist wirklich sehr viel gelungen. Jetzt geht es ohnehin um die Fortentwicklung, weil wir uns ja, was die ökonomischen, die sozialen Auswirkun­gen dieser Gesundheitskrise betrifft, auch immer wieder anpassen müssen, um die richti­gen Instrumente zielgenau, so gut es halt in solch unsicheren Zeiten geht, einzustellen. Ich bin zuversichtlich, dass der neue Minister dafür genau der geeignete ist.

Die Gesundheitskrise führt eben zu Verwerfungen, auch am Arbeitsmarkt und überhaupt im Wirtschaftsleben, das ist ja ganz klar, eines muss aber schon gesagt sein: Die Be­kämpfung dieser Gesundheitskrise ist selbst Voraussetzung für ein wirtschaftliches Flo­rieren und auch für die Beschäftigung. Würden wir das nicht so tun, um die Wirtschaft zu schützen – wie es manche hier vielleicht vertreten; das ist ihnen ja unbenommen –,


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würden wir riskieren, dass es Hunderttausende Ansteckungen mit entsprechend vielen Krankheitsfällen und einer entsprechend höheren Zahl schwerer Krankheitsverläufe et cetera gibt. Auch das lähmt die Wirtschaft. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Deshalb sind wir der Überzeugung, dass die Bekämpfung der Gesundheitskrise mit ihren Auswirkungen auch ein Beitrag für Wirtschaft und Beschäftigung ist, weil wir der Pande­mie nicht einfach freien Lauf lassen können. Das schauen wir uns dann an, was wir davon hätten, auch im wirtschaftlichen Bereich. Das einmal, weil Sie sich schon für einen Zwischenruf bereit machen (in Richtung Abg. Wurm) – jetzt haben Sie ihn verges­sen, gell? (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir waren da schon immer in Übereinstimmung mit dem IHS, aber auch mit dem Wirt­schaftsforschungsinstitut, wie diese Dinge zusammenhängen. Wir haben jetzt ins Retten der Unternehmen und in Überbrückungshilfen investiert, und auch dazu ein Wort: Ich halte überhaupt nichts von Studien, die uns erklären, das sei ja nur Unternehmerinnen- oder Unternehmerförderung. Na ja, wer sich unser Wirtschaftssystem anschaut, wird halt entdecken, dass sehr viele in der österreichischen Industrie – Gott sei Dank, die ist sehr modern – vor allem in den Klein- und Mittelbetrieben arbeiten. Wenn wir da die Krise nicht voll durchschlagen lassen wollen, sodass die Unternehmen nicht ratzfatz in großer Zahl vom Markt verschwinden, weil es in dieser Krise gar nicht anders ginge, dann ist auch diese Hilfe und diese Unterstützung für Unternehmen ein großer Beitrag zur Siche­rung der bestehenden Beschäftigung. Das ist doch völlig logisch. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

An dieser Stelle hat das Auseinanderdividieren relativ wenig Sinn – obwohl eine Vertei­lungsdebatte nicht schaden kann. Dazu wird es immer unterschiedliche Werturteile geben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dieser Erkenntnis aber, dass der Schutz der öster­reichischen Wirtschaft, so gut wir können, mit den budgetären Möglichkeiten, die wir ja Gott sei Dank haben, auch etwas für die Beschäftigung tut, dieser Erkenntnis sollte man sich nicht aus Verbohrtheit verschließen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Deshalb tun wir ja das, was wir tun. Für die Zukunft gilt: Rausinvestieren aus der Krise! Sie kennen diese Ansätze.

Und weil immer wieder Konjunkturpakete gefordert werden: Gerne, Sie sollten aber nicht übersehen, dass schon sehr viel im wahrsten Sinne des Wortes aufgegleist wurde, und zwar in Milliardenhöhe. Ja, es ist schon richtig, zu hinterfragen und zu fragen, wie treffsi­cher das ist und wie man das navigiert. Es ist schon angedeutet worden – ich finde es super –, dass wir bei all dem Schutz des Bestehenden, wie ich vorhin erwähnt habe, auch versuchen, nicht nur zu konservieren, sondern auch zu modernisieren, weil das die Stabilität moderner Arbeitsplätze bringen wird. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Das hat mit Digitalisierung, mit Ökologisierung und da und dort auch wieder zunehmend mit Regionalisierung zu tun; und genau in diesen drei Schritten wollen wir das machen: ökologisieren, digitalisieren, regionalisieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belako­witsch und Wurm.) Das führt zur regionalen Wertschöpfung, und das führt wiederum nicht nur zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze, sondern wird auch zur Schaffung neuer beitragen. So sehen wir das und so werden wir das auch weiter angehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) In diesem Bereich sind 100 000 Jobs und mehr drinnen, das wissen wir ja aus allen Studien. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Abschließend zur Struktur der Arbeitslosigkeit: Das wird natürlich nicht einfach. Ich habe ja mit Freude vernommen, dass auch bezüglich der Langzeitarbeitslosigkeit Neues ge­dacht und angegangen wird. Das ist sicher keine leichte Aufgabe – mit Sicherheit nicht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –, aber das Problembewusstsein und die Lö­sungskompetenz sind vollständig vorhanden, und so gehören die Dinge zusammen.


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Wir haben auch wieder Chancen, schon in diesem Jahr. Die nächsten Jahre werden mit Sicherheit Comebackjahre für die österreichische Wirtschaft und für die Arbeitsplätze. In diesem Sinn: Ärmel aufkrempeln, weitertun (Abg. Wurm: Das sind alles Stehsätze!)  lassen wir das, ich will das gar nicht wiederholen! – und etwas hackeln! (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

9.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Leichtfried. – Bitte.


9.31.54

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ko­cher – ich sehe Sie gerade nicht, ah ja, jetzt sehe ich Sie (Abg. Michael Hammer: Brillen aufsetzen!) –, ich begrüße Sie auch von unserer Seite im Hohen Haus!

Wie ist die Situation? – Im Jahr 2020 ist die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau gestie­gen, das wir in Österreich in dieser Zweiten Republik so noch nie erlebt haben. Die Pro­gnosen – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – schauen nicht gut aus, sondern sie schauen sehr schlecht aus. Wenn es hier jetzt auch Lob für die ehemalige Arbeitsminis­terin gegeben hat, so kann ich mich diesem Lob nicht anschließen, geschätzte Damen und Herren, denn zuzusehen und nichts gegen die Arbeitslosigkeit zu machen, das ist in dieser Situation eindeutig zu wenig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Warum sage ich das? (Abg. Loacker: Ganz viele Leute ...!) – Wir haben versucht, hier Vorschläge zu präsentieren, wir haben versucht, mitzuwirken, wir haben versucht, die Dinge zum Besseren zu wenden, aber alles ist von Ihnen abgelehnt worden – alles abge­lehnt! Aufstockung der AMS-Mittel: abgelehnt; Erhöhung des Arbeitslosengeldes: abge­lehnt; Verpflichtung zur regionalen Wertschöpfung: abgelehnt. Stattdessen, geschätzte Damen und Herren: Showpolitik.

Ich sage Ihnen eines: Wenn man diese Arbeitslosigkeit bekämpfen möchte, wenn man wirklich etwas tun möchte – und, Herr Kocher, das ist Ihre zentrale Aufgabe für die Zu­kunft! –, dann braucht es nicht Showpolitik, sondern endlich Substanz und Maßnahmen für die Menschen, die jeden Tag in der Früh aufstehen, hart für ihr Geld arbeiten müssen, oder die, die arbeitslos geworden sind. Das ist Politik, die in Zukunft zu machen ist, ge­schätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kocher, ich muss Ihnen sagen, das, was Sie bis jetzt gesagt haben, ist enttäu­schend. Sich gegen die Hacklerregelung, gegen ein höheres Arbeitslosengeld, gegen die geförderte Viertagewoche, gegen Erbschaftssteuern, auf der anderen Seite aber für höhere Pensionsantrittsalter, für die Sonntagsöffnung (Zwischenruf bei der ÖVP), für die Senkung der Unternehmenssteuern auszusprechen  Herr Kocher, das geht so nicht. Wenn man diese Haltung vertritt, wird man nichts gegen die Arbeitslosigkeit tun, wird man nichts gegen die Situation der Menschen tun, die jetzt arbeitslos sind.

Können Sie sich vorstellen, wie es einem Menschen geht, der die Hälfte seines Gehalts verliert und diese Einkommensverluste über Monate hat oder der in Kurzarbeit ist und dadurch sehr viel Geld verliert? Das sind die Menschen, um die es jetzt geht, und um die hat sich die ÖVP-Grünen-Regierung bis jetzt nicht gekümmert. Ich fürchte, wenn Sie das umsetzen, was Sie bis jetzt angekündigt haben, dann wird es nicht besser werden, Herr Kocher! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Punkt: zur Änderung der Ressortverteilung, um das auch anzumerken. Ich bin da auch nicht sehr zuversichtlich, dass das, was Sie da machen, wirklich Sinn macht. Eine Frauenministerin, die bis jetzt wenig bis gar nichts für Frauen getan hat (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Unterstellung ...!), bekommt jetzt ein noch größeres Ressort und ist


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auch für Familie und Jugend zuständig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen eines: Es kann nicht sein, dass diese wichtigen Themen immer hin- und hergeschoben werden, von einem Ministerium zum anderen geschoben werden, und dann am Ende wieder nichts passiert. Das ist nicht die richtige Politik in dieser Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzter Herr Kocher, geschätzte Damen und Herren, wir sind in einer Situation, in der es ums Ganze geht. Wir sind in einer Situation, die für die Menschen im Land un­glaublich schwierig ist. Mich hat etwas, was Sie in dieser Arbeitslosengelddiskussion gesagt haben, sehr verwundert: Sie haben die Weigerung, das Arbeitslosengeld für die Menschen, die jetzt in dieser Situation sind, zu erhöhen, damit begründet, dass es für die Bundesregierung schwierig sein wird, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes wieder zurückzunehmen. Ich sage Ihnen: Das ist die falsche Einstellung. Die richtige Einstellung wäre, sich nicht darum zu kümmern, was für die Bundesregierung schwierig ist, sondern sich darum zu kümmern, was für die Menschen in Österreich schwierig ist, denn das hat in der Politik primär zu gelten, geschätzte Damen und Herren! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Pfurtscheller zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.36.44

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Herr Kol­lege Leichtfried hat wider besseres Wissen behauptet (Abg. Leichtfried: Nicht wider besseres Wissen ...! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), dass Frauenministerin Raab im letzten Jahr nichts für die Frauen getan hat.

Ich berichtige tatsächlich: Allein schon an der Tatsache, dass das Frauenbudget in den letzten zwei Jahren, also bei den letzten zwei Budgetbeschlüssen, unter Frau Ministerin Raab um über 40 Prozent erhöht worden ist, zeigt, wie viel Frau Ministerin Raab für die Frauen in Österreich getan hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte. (Abg. Belakowitsch: Oh, der Kollege Wöginger!)


9.37.37

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere sehr geehrter Herr Arbeitsminister Martin Kocher! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich möchte seitens der Volkspartei mit einem großen Dankeschön an Christine Aschbacher beginnen, denn sie hat ein sehr herausforderndes Jahr für die Bereiche Ar­beit und Arbeitsmarkt, Familie und Jugend gemeistert, mit einer ganz engen Kooperation mit allen Fraktionen hier im Parlament.

Lieber Kollege Leichtfried, du hättest vielleicht Kollegen Muchitsch herausschicken sol­len, der würde sich wenigstens in der Arbeits- und Sozialpolitik auskennen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Der kommt noch!) Christine Aschbacher war nämlich dafür verantwortlich, dass durch die Kurzarbeit über 1,3 Millionen Menschen die Jobs behalten konnten und bei Weitem höhere Einkommen gesichert waren, als dass durch Arbeitslo­sigkeit möglich gewesen wäre. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir haben zwei Mal an alle arbeitslosen Menschen Einmalzahlungen ausgegeben. Wir haben das ganze Jahr 2020 über das Niveau des Arbeitslosengeldes auch für Notstandshilfebezieherin­nen und -bezieher aufrechterhalten. Wir haben das Personal des AMS um 500 Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter ergänzt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben un­sere Hausaufgaben gemacht.


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Ich möchte daher seitens der Volkspartei ein ganz großes Dankeschön an Christine Aschbacher richten: Sie hat als Arbeits-, Familien- und Jugendministerin einen top Job gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun zur Regierungsumbildung: Bundeskanzler Sebastian Kurz hat wie immer rasch und professionell gehandelt (Heiterkeit bei der SPÖ sowie des Abg. Kickl) und dem Kapitel Arbeit auch für das Jahr 2021 die oberste Priorität gegeben, und zwar mit der Besetzung mit Martin Kocher, einem international anerkannten Experten, einem ausgebildeten Volkswirt, geboren 1973 in Salzburg, in Altenmarkt im Pongau, der zuletzt auch Direktor des IHS und Präsident des Fiskalrates war. Martin Kocher ist also ein absoluter Fach­mann für diesen Bereich.

Arbeit und Beschäftigung wird auch im heurigen Jahr eine ganz zentrale Rolle einneh­men. Oberste Priorität hat natürlich die Bekämpfung der Gesundheitskrise und der Pan­demie auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch der Wirtschafts- und Ar­beitsmarktkrise, die wir jetzt seit einigen Monaten parallel dazu haben.

Ich danke den meisten Parteien hier im Hohen Haus, nämlich jenen, die – auch partei­übergreifend – der Besetzung von Martin Kocher Respekt und Anerkennung ausgespro­chen haben, weil er eben ein anerkannter, ein absoluter Experte ist.

Bei der FPÖ weiß man es nicht so genau. Kickl hat es nicht getan; Herwig Mahr, sein Klubobmann in Oberösterreich, hat es schon getan. Ich weiß nicht, ob ihr schon mitein­ander telefoniert habt, es würde nicht schaden. (Abg. Kickl: Frust-Gust!) Jedenfalls halte ich als Oberösterreicher es mit der oberösterreichischen FPÖ (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die in Oberösterreich mit uns in einem Regierungsübereinkommen steht. Das ist anscheinend noch eine Partei, die versteht, wie man Verantwortung wahr­nimmt, und nicht nur wild um sich schlägt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe angesprochen, dass dies ein herausforderndes Jahr bleiben wird, insbesonde­re betreffend die Kapitel Arbeit und Beschäftigung. Wir haben derzeit rund 530 000 Ar­beitslose, wir haben über 400 000 Menschen, die sich nach wie vor in Kurzarbeit befin­den. Ich möchte das Modell der Kurzarbeit noch einmal äußerst positiv hervorheben. Das hat vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein hohes Einkommen gesichert, und viele Unternehmerinnen und Unternehmer waren dadurch, dass die Mitarbeiter so­zusagen in Beschäftigung bleiben, in einer Situation, dass, wenn die Wirtschaft wieder angekurbelt wurde oder angesprungen ist, sie am Arbeitsmarkt nicht nach Mitarbeitern suchen mussten. Es ist und bleibt ein Erfolgsmodell, das international seinesgleichen sucht. Derzeit haben wir, wie gesagt, auch wieder über 400 000 Menschen in Kurzarbeit.

Krisenbedingt haben wir über 100 000 Menschen zusätzlich in der Arbeitslosigkeit, da­her – und da gratuliere ich zu den ersten Pressestatements, Herr Arbeitsminister – wird das oberste Ziel sein müssen, die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Das Jahr 2021 wird auch das Jahr zurück zu Wachstum und Beschäftigung sein. Wenn wir die Impfstrategie und darüber hinaus heute hier eine Teststrategie für die kommen­den Wochen und Monate verabschieden können, dann wird es dieses Licht am Ende des Tunnels zur Mitte des Jahres 2021 auch geben; und darum geht es, meine Damen und Herren: dass wir zurückkommen zu Wachstum und Beschäftigung, dass wir dieses Österreich wieder großmachen nach einer Krise (Zwischenruf des Abg. Kickl) aufgrund einer Pandemie, wie wir sie seit 100 Jahren nicht hatten, nach einer Wirtschaftskrise, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht hatten. Das ist machbar, wenn wir jetzt alles tun, um diese Pandemie gemeinsam durch Impfen und durch eine Teststrategie zu be­wältigen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Arbeitsminister, wir haben hier im Hohen Haus auch wichtige Maßnahmen verab­schiedet, die das unterstützen. Es gibt Arbeitsstiftungen in der Höhe von 700 Millionen


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Euro, für heuer sind 400 Millionen Euro eingestellt. Die Schlagworte werden Umschu­lung und Qualifizierung sein: Umschulung und Qualifizierung, damit wir die Menschen zurück in die Jobs bringen, damit wir die Beschäftigung ankurbeln. Und es ist schon seit einigen Monaten – momentan ist es, glaube ich, verfrüht, weil wir erst einmal die Krise bewältigen müssen, nach der Krise aber können und sollen wir natürlich auch die Dis­kussion darüber fortsetzen – ein degressives Modell auch beim Arbeitslosengeld in Dis­kussion. Wir haben das nicht mehr im Regierungsprogramm vereinbart – Diskussionen dazu hat es gegeben –, ich glaube aber, man kann sinnvoll darüber diskutieren, ob wir da auch eine Umgestaltung vornehmen können. Jetzt aber hat die Bewältigung der Krise die oberste Priorität.

Ich bin froh und dankbar, dass das Ressort Arbeit so schnell mit einem absolut aner­kannten Experten nachbesetzt wurde. Lieber Arbeitsminister, nicht nur als Klubob­mann, sondern auch als Sozialsprecher der Volkspartei bitte ich um eine gute Zusam­menarbeit, die wir sicher haben werden. Es gibt ja auch immer diese Runden: Kollege Muchitsch lädt hier auch zu Sozialsprecherrunden – sozusagen Aussprachen der Frak­tionsobleute, die für den Ausschuss für Arbeit und Soziales zuständig sind – ein. Ich glaube, das könnten wir auch einmal zeitnah durchführen. Ich weiß nicht, wie du das siehst, es wäre aber sicherlich sinnvoll.

Ich möchte auch Susanne Raab zur Erweiterung ihres Ressorts um die Agenden Familie und Jugend gratulieren. Wir haben auch viel gemacht, was den Familienhärteaus­gleichsfonds und all diese Dinge anbelangt, um die Familien zu unterstützen. Das ist bei ihr hundertprozentig in guten Händen. – Alles Gute dafür!

Lieber Herr Arbeitsminister, alles Gute, viel Glück! Die Expertise, die Sie mitbringen, wird uns aus dieser Krise im Bereich Arbeit und Beschäftigung herausbringen. Wir sind bereit dazu. Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Kickl. – Bitte.


9.45.10

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vor allem aber: Sehr geehrter Herr Neominister Kocher! Ja, es stimmt: Sie haben in den letzten Tagen aus den verschiedensten politischen Be­reichen heraus einen ganzen Haufen an Vorschusslorbeeren bekommen, und dazu ist Ihnen auch wirklich zu gratulieren, da schließe ich mich an.

Der Wahrheit halber muss man allerdings dazusagen, dass sich diese Vorschusslorbee­ren und die Anerkennung, die Ihnen da entgegengebracht wurden, ja auf den Bereich Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit beziehen. Das hat ja mit Ihrer wissenschaftlichen Ver­gangenheit, die sich über viele Jahre erstreckt, zu tun, und darin steckt natürlich auch – na ja, wie soll man das denn nennen? – eine Art Anti-Aschbacher-Reflex, das ist ja auch ein gewisser Rebound aus den negativen Ereignissen, die es in den letzten Tagen rund um diese Plagiatsdiskussion gegeben hat.

Als Politiker hingegen, Herr Neominister, als Politiker werden Sie Ihre Leistungsfähigkeit erst unter Beweis stellen müssen. Darauf werde ich jetzt im Folgenden auch eingehen – und, lieber Frust-Gust, du siehst, es ist gar nicht so schwer, die Dinge differenziert zu betrachten. (Beifall bei der FPÖ.) Im Übrigen auch ein herzliches Dankeschön für diese Wahlempfehlung, die du vorhin für die Freiheitliche Partei Oberösterreich ausgespro­chen hast, denn ein gutes Ergebnis in Oberösterreich kann ja nur auf Kosten der Volks­partei gehen, und das ist gut für dieses Land. (Beifall bei der FPÖ.)


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Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren und Herr Minister – das wird Sie vielleicht überraschen –, ich wünsche Ihnen jedenfalls, dass Sie bei der Bewältigung der Aufga­ben am österreichischen Arbeitsmarkt erfolgreich sind. Es ist wirklich eine Herkulesauf­gabe, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass die Vorzeichen, unter denen Sie zur Bewäl­tigung dieser Aufgabe antreten, nicht besonders verheißungsvoll sind. Wir haben näm­lich in Österreich einen Bundeskanzler – er ist heute eh da –, der mit dem LD-Merkel-20/21-Virus infiziert ist – LD ist ein Kürzel für Lockdown.

Das ist eine besonders gefährliche Art der Infektion – besonders gefährlich und hartnä­ckig! –, und die Symptomatik dieser Infektion besteht darin, dass der Infizierte eine regel­rechte Zusperrwut gegenüber Betrieben, Arbeitsstätten und Schulen entwickelt und zu­gleich eine regelrechte Einsperrwut gegenüber der eigenen Bevölkerung. Die hartnäcki­ge Infektion mit diesem politischen Virus ist auch der Grund, der mich zur Überzeugung bringt, dass die Talfahrt am österreichischen Arbeitsmarkt, wo wir jetzt fast eine Million Menschen in Kurzarbeit beziehungsweise in Arbeitslosigkeit haben, weitergehen wird. Das ist insgesamt das Problem der Politik dieser Bundesregierung, die sich nicht darüber freut, dass mehr als 99 Prozent der Menschen in Österreich im Zusammenhang mit Co­vid weder infiziert noch krank sind, sondern dass – und das ist immer noch zu viel! – es weniger als 1 Prozent der Menschen ist, auf die das zutrifft. Ihre Politik aber tut so, als ob es genau umgekehrt wäre (Beifall bei der FPÖ): als ob wir 99 Prozent Kranke und Infizierte hätten und nur 1 Prozent von Leuten, die gesund sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben sich jetzt in dieses Team eingegliedert, und manche sagen ja, das ist gut so, weil man Ihnen zutraut, dass Sie einen größeren und vielleicht auch einen fundierteren Einfluss auf den Bundeskanz­ler haben werden, als es Ihre Vorgängerin gehabt hat. Ich meine, in gewisser Weise ist das ja fast eine Beleidigung, wenn man Ihnen das ausrichtet, denn allzu groß sind die Fußstapfen der Frau Aschbacher, in die Sie hineintreten, ja nicht.

Man muss aber auch Frau Aschbacher Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sie war ja im­merhin von einer großen wissenschaftlichen Leidenschaft getrieben. Ja, sie hat wirklich versucht, ihren Teil zum akademischen Fortschritt in Europa beizutragen, und da hat sie von ihrer ohnehin knappen Zeit in der größten Arbeitsmarktkrise der Zweiten Republik auch noch etwas für das Verfassen und Verteidigen einer wissenschaftlichen Abschluss­arbeit an der renommierten Universität von Bratislava abzweigen können. Ich kann Ihnen nur sagen, dass diese wissenschaftliche Arbeit ein echtes Highlight der österreichischen Wissenschaftsgeschichte ist. Damit werden sich noch Generationen von Germanisten auseinandersetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Schlimme ist: Wenn das nicht durch einen Plagiatsjäger aufgedeckt worden wäre, würde Frau Aschbacher heute noch hier sitzen, und dann würden wir dieselben sal­bungsvollen Worte von wegen Expertise und Fachwissen, die wir jetzt aus dem Mund des Bundeskanzlers in Richtung ihres Nachfolgers gehört haben, in ihre Richtung hören.

Herr Neominister, Sie verdanken Ihre Ernennung also nicht dem Bundeskanzler – der hätte Sie ja gleich nehmen können, wenn er so von Ihren Fähigkeiten überzeugt wäre ‑, sondern Sie verdanken Ihre Ernennung der Aufdeckungsarbeit eines Plagiatsjägers. Das ist die ganze Wahrheit! Und da kann ich nur hoffen, dass in Zukunft der Einfluss, den Sie in der Regierung geltend machen werden, auch einer ist, der in Richtung mehr Redlichkeit wirksam wird. Redlichkeit, das wäre das, was auch in der politischen Diskus­sion angebracht wäre. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Wöginger.)

Und wenn es um die Redlichkeit geht, bin ich wieder bei Ihnen, Herr Bundeskanzler. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe Ihnen ein Beispiel mitgebracht, das Sie ganz persönlich betrifft. Herr Bundeskanzler, Sie haben in der „Kronen Zeitung“ am 3.1. dieses Jahres, als dieser gesamte Impfskandal, das Chaos betreffend Ihre Impfstra­tegie aufgeflogen ist, gesagt, dass Sie mit den führenden Pharmaunternehmen, allen


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voran mit Biontech, seit Wochen in Kontakt stehen und alles unternehmen, um zusätzli­che Impfdosen für die österreichische Bevölkerung zu organisieren.

Jetzt haben wir nur ein kleines Problem, denn wir haben gestern hier eine Veranstaltung gehabt, wo wir Fragen an den Gesundheitsminister gestellt haben, unter anderem auch diese, und der Gesundheitsminister hat in seiner Beantwortung der Frage 16, in der es genau darum geht, Folgendes gesagt: Im EU-weiten Beschaffungsprozess ist es ein kla­rer Verstoß, wenn ein Mitgliedsland direkt an Hersteller herantritt. (Bundeskanzler Kurz: Das stimmt nicht!) Österreich plant keine nationalen Alleingänge. „Österreich ist [...] zu keinem Zeitpunkt an Biontech/Pfizer herangetreten“.

Wer lügt jetzt? Sie oder der Herr Gesundheitsminister? Einer von beiden muss lügen  so viel zur Seriosität Ihrer Covid-Politik. (Beifall bei der FPÖ.) Da würde ich ja schon fast den Herrn Nationalratspräsidenten ersuchen, seinen Gebetskreis Beten für Sobotka um einen Beichtvater zu erweitern, den würde es bei dieser Bundesregierung schon lang­sam brauchen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nun, der Herr Minister ist ein Wirtschafts- und Finanzexperte, er wird aber Arbeitsminis­ter. Zugegebenermaßen, man hätte auch einen neuen Wirtschaftsminister gebraucht, Stichwort Kaufhaus Österreich, und man hätte – bei den Gedächtnisverlustdingen, die wir alle in Erinnerung haben – auch einen neuen Finanzminister brauchen können, wie auch immer. Der Herr Minister ist aber Arbeitsminister, und vor diesem Hintergrund ist auch seine Expertise zu bewerten. (Abg. Wöginger: Gott sei Dank haben wir einen neu­en Innenminister!) Das heißt, man wird sich die Frage stellen müssen, wofür oder wo­gegen er diese Expertise einsetzt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das ist ja der Punkt. Expertise ist ja kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Das ist die eine Frage, die sich stellt.

Die zweite Frage ist: Wie weit wird er denn in einer Bundesregierung, wo doch der Bun­deskanzler der Oberexperte für alles ist, überhaupt kommen? Da ist sozusagen das Un­fehlbarkeitsdogma vom Vatikan direkt ins österreichische Bundeskanzleramt überge­gangen. Und er grätscht ja den eigenen Ministern, den Fachministern, wie zum Beispiel dem Unterrichtsminister, ohnehin laufend hinein. Der hat sich heute eh schon absentiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Der einzige bisherige Fachminister in der Regie­rung will mit Ihnen (in Richtung Bundeskanzler Kurz) nichts mehr zu tun haben.

Herr Minister, welche Rolle werden Sie da einnehmen? – Die Minister spielen ja eigent­lich nur die Rolle von Trabanten, die den zentralen Planeten Sebastian Kurz umkreisen. Welche Möglichkeiten werden Sie denn da haben, in einer Bundesregierung, von der man sagen muss, dass ihre Coronapolitik im Wesentlichen von einer Art Herdenimmu­nität gegen Hausverstand und Logik geprägt ist?  Na, da darf man sehr gespannt sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Minister ist Experte für Volkswirtschaftslehre. Volkswirtschaftslehre, das ist die Disziplin, die die wissenschaftlichen Grundlagen für die Wirtschaftspolitik erarbeitet. Und jetzt ist es halt so – das ist wie bei der Gesundheitspolitik (in Richtung Abg. Wöginger), August, gut aufpassen! –, da gibt es nicht nur eine Gesundheitspolitik, sondern die Wirtschaftspolitik umfasst ein breites Spektrum, das vom real existierenden Sozialismus über den Turbokapitalismus bis hin zum Raubtierkapitalismus reicht. Das alles ist Wirt­schaftspolitik.

Und jetzt ist die Frage, wo in diesem Spektrum sich der neue Minister, der neue Ar­beitsminister, verortet. Das ist doch der entscheidende Punkt. Welche wirtschaftspoliti­schen Forderungen leiten Sie aus Ihrer Expertise ab? – Schauen Sie, da habe ich mir die Mühe gemacht, einen Blick ins Archiv zu werfen, und ehrlich gesagt, ist das, was ich dort gefunden habe, einigermaßen ernüchternd, um nicht zu sagen verstörend, und da verstehe ich so manche Lobhudeleien aus den letzten Tagen schon gar nicht mehr. Ich


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gehe zumindest davon aus, dass der Herr Bundeskanzler den Minister deshalb in sein Team geholt hat, damit er das gleiche, was er als Wissenschafter gesagt hat, dann auch in der Politik umsetzt.

Jetzt schauen wir uns einmal an, was das war: Im Oktober 2018 haben Sie gesagt, Sie wollen das Pensionsantrittsalter anheben, nicht das faktische, sondern das gesetzliche – das gesetzliche! (Beifall bei den NEOS.) Na, da werden sich die Helden des Alltags freuen, die Kassiererinnen in den Supermärkten, die Leute, die jetzt die Stellung in den Betrieben halten, wenn sie dann mit 65 nicht in Pension gehen dürfen. Ja, ich habe da eine andere Meinung und die Freiheitliche Partei mit mir.

Sie haben im Februar 2019 gesagt, dass Österreich mehr Fachkräfte von außerhalb der Europäischen Union braucht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wögin­ger.) Das heißt, Ihnen reicht der europäische Arbeitsmarkt mit der ganzen Arbeitnehmer­freizügigkeit immer noch nicht aus  die Hunderten, Millionen Arbeitslosen, die es gibt, die völlige Bewegungsfreiheit –, Sie müssen noch weiter aufmachen und Sie heizen da­mit Verdrängung und Lohndumping an.

Sie haben in der „Pressestunde“ gesagt, dass man einen leichteren Zugang für Asylwer­ber zum Arbeitsmarkt finden soll. (Beifall bei den NEOS.) Ja, ja, die Neos klatschen.  Das würde mich ja überhaupt stutzig machen, da sind wir dann nämlich bei den Neo­liberalen und beim Turbokapitalismus! Der Arbeitsmarkt soll also für Asylwerber geöffnet werden. Na, da sage ich Ihnen als ehemaliger Innenminister (Abg. Wöginger: Gott sei Dank ehemalig!): Das ist der größte Unfug, den Sie machen können (Beifall bei der FPÖ), weil Sie damit einen Anziehungseffekt auslösen und weil Sie logischerweise das tun, was die ÖVP im Regierungsprogramm ausgeschlossen hat, nämlich Asyl und Zu­wanderung miteinander zu vermanschen. Also ich kenne mich nicht mehr aus (Abg. Wöginger: Das sehen wir eh!), was die ÖVP jetzt will.

Auch im Zusammenhang mit Corona haben Sie ja in einer Zeitschrift mit dem klingenden Namen „Fonds professionell“ Erhellendes von sich gegeben. Das ist jetzt wieder Ihre Zeit zu klatschen (in Richtung NEOS), weil das ein Magazin für diejenigen ist, die so viel Geld haben, dass sie an der Börse spekulieren können. (Beifall bei den NEOS.) – Ge­nau. (Abg. Loacker: ... das Sie das auch lesen!) Sie haben also der Zeitschrift „Fonds professionell“ ein Interview gegeben und sich dabei zu den Coronamaßnahmen geäu­ßert. Darin heißt es: „Das 38 Milliarden Euro schwere Corona-Paket der Regierung war gut, aber man darf den Ausstieg aus den Hilfen nicht verpassen“, und wörtlich: „Wenn ich Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld oder Fixkostenzuschüsse zu lange setze, ist die Gefahr, dass ich notwendige Strukturveränderungen verschleppe.“ (Beifall bei den NEOS.)

Angesichts der Situation, in der wir uns befinden, wo Abertausenden Unternehmen in Österreich das Wasser bis zur Kinnlade und darüber hinaus steht (Zwischenruf des Abg. Haubner), wo Hunderttausende Leute in Kurzarbeit sind, ist das doch keine optimisti­sche Botschaft, sondern das ist eine gefährliche Drohung, die Sie da abgesondert ha­ben. Und wie die Strukturveränderung, von der Sie gesprochen haben, aussieht, das wissen wir auch alle: Die kleinen Betriebe gehen in die Pleite, werden von den Großen aufgefressen, und die Zahl der Arbeitslosen steigt weiter. Das ist die Strukturreform – jetzt dürfen Sie von den NEOS wieder klatschen, das ist das, was Sie gerne haben wollen (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger) –, und damit treiben Sie auch in diesem Bereich die Spaltung der Gesellschaft voran.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da passt es abschließend ja nur ins Bild, wenn man dann in der „Zeit im Bild 2“ auch noch verkündet: Na, bitte jetzt, wo wir die Arbeits­losen haben, ist natürlich nicht der Zeitpunkt dafür da, dass man das Arbeitslosengeld erhöht! Das kann man dann vielleicht irgendwann einmal machen!  Ich glaube, Sie haben es eh nicht vor.


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Ja bitte, wann, wenn nicht jetzt muss ich verhindern, dass die Arbeitslosen, die durch Ihre Politik in diese Situation geraten sind, in die Armut abgleiten? Das, was Sie da von sich gegeben haben, das ist mehr von der sozialen Kälte der Unmenschlichkeit und der Empathielosigkeit, die wir nicht brauchen können, davon haben wir schon genug in Ge­stalt des Bundeskanzlers. Wir brauchen das Gegenteil! Wir brauchen Einfühlungsvermö­gen und ein soziales Herz in diesem Land. Das, was Sie machen, ist das Gegenteil davon! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Alles in allem also ist das, was Sie bisher von sich gegeben haben – und deswegen klatschen die NEOS ja immer –, ein neoliberaler Offenbarungseid. Und jetzt kenne ich mich beim Kogler nicht mehr aus. Der Kogler hat vor wenigen Tagen gesagt: Die Zeit des Neoliberalismus ist vorbei. – Das war O-Ton Kogler; und heute stellt er sich her und peitscht einen Neoliberalen ein. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Ein Widerspruch mehr in dieser Bundesregierung, das ist aber bei den Widersprüchen, die Sie am lau­fenden Band produzieren, eh schon wurscht. (Beifall bei der FPÖ.)

In den ersten Stunden Ihrer Amtstätigkeit haben Sie ja schon einen Kardinalfehler be­gangen, einen Sündenfall, möchte ich fast sagen: nämlich, dass Sie sich dem Diktat der sogenannten Infektionszahlen unterworfen haben. Da kann man keine vernünftige Ar­beitsmarktpolitik machen, da kann man Beschäftigung nicht erhalten, geschweige denn kann man Arbeitsplätze schaffen, wenn man gleichzeitig diese sinnbefreite Lockdown­politik im Gleichschritt mit Berlin fortsetzt – Lockdown, und dann kommt der nächste Lockdown, und dann kommt wieder ein Lockdown, und nach dem Lockdown kommt der nächste Lockdown.

Jetzt bin ich wieder bei Expertise, bei wissenschaftlicher Expertise. Da gibt es nämlich auch ganz andere Herrschaften von ganz anderen Universitäten. Ihnen wird sicher der Name John Ioannidis etwas sagen. Das ist ein echter Experte, das ist eine weltweite Koryphäe im Gesundheitsbereich. Dieser hat sich angeschaut, wie das mit den Lock­downs in den letzten Monaten so gewesen ist, und ist zum Ergebnis gekommen: Das bringt auch gesundheitspolitisch überhaupt gar nichts. Arbeitsmarktpolitisch bringt es nichts, wirtschaftspolitisch bringt es nichts und gesundheitspolitisch bringt es nichts. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Sie es permanent fortsetzen, und das ärgert mich so, weil Ihre politische Immunabwehr nur dann anschlägt, wenn Sie Fakten hören, die eigentlich angenehm sind. Sie sollten sich doch freuen, wenn es Erkenntnisse gibt, dass wir keinen Lockdown brauchen! Stattdessen kriminalisieren und verunglimpfen Sie die Überbringer dieser Botschaften! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt noch ein letztes Wort an Sie persönlich, Herr Minister: Sie sind ja Marathonläufer, und das macht Sie mir sympathisch, da haben wir etwas gemeinsam. Die Regierung – das ist ja auch heute wieder so gewesen – strapaziert ja auch gerne dieses Bild des Marathonläufers, um ihr Coronamanagement irgendwie zu visualisieren. Ich habe da nur eine Befürchtung: Wenn Kogler vom Marathon redet, dann meint er nicht die Sportver­anstaltung, sondern, ich glaube, dann bezieht er sich auf das historische Ereignis, das dieser Sportveranstaltung quasi die Grundlage gegeben hat. Jetzt muss ich Herrn Blü­mel anschauen, einen Kenner von Plutarch. Wir wissen ja, wie die Geschichte ausge­gangen ist: Der gute Mann ist tot umgefallen, nachdem er sozusagen das Ziel erreicht hat. Und wenn das Ihre Wirtschaftspolitik und Ihre Arbeitsmarktpolitik ist, na dann gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, ich kann Ihnen nur wünschen, dass sich dieser Kardinalfehler nicht wieder­holt und dass Sie etwas machen, was keiner Ihrer anderen Ministerkollegen zu machen wagt, nämlich dem Bundeskanzler Widerstand zu leisten. Das ist nämlich notwendig, um eine vernünftige Politik in diesem Land zu machen, und daran werden wir Sie messen. (Beifall bei der FPÖ.)


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10.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Maurer. – Bitte.


10.02.12

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Lie­ber Martin Kocher, herzlich willkommen hier bei uns im Parlament! Ja, wir haben eine Regierungsumbildung in einer extrem herausfordernden Zeit. Wir haben eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und die Perspektive, dass sich die Pandemie nicht so schnell beruhigen und bewältigen lässt. In dieser Situation ist es natürlich extrem notwendig, die arbeits­marktpolitisch richtigen Maßnahmen zu setzen und zu schauen, dass wir so viele Men­schen wie möglich wieder in Beschäftigung bringen und uns aus dieser Krise so gut wie möglich hinausinvestieren, auch in neue Arbeitswelten. Den Wandel in der Arbeitswelt gilt es gut zu begleiten.

Herr Minister Kocher, lieber Martin! Es eint uns der Beginn unseres politischen Engage­ments, ich habe ja auch in der Studierendenpolitik begonnen. Das war bis jetzt deine einzige politische Station. Danach haben sich unsere Karrierewege, unsere Lebensläufe etwas getrennt. Der Eintritt – jetzt wieder – in die Politik ist sicher sehr spannend, aber wenn man aus der Wissenschaft kommt, dann ist das politische Geschehen oft nicht ganz nachvollziehbar.

Wir haben es jetzt gerade gesehen: Dass sich die Freiheitliche Partei mit der Wissen­schaft nicht leichttut, das ist bekannt. Das Thema haben wir ständig hier im Parlament (Abg. Kickl: Sie sind ja eine Koryphäe!), insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Coronapandemie, aber auch sonst ist es eher so, dass die Freiheitliche Partei an die Wissenschaft nicht so gut anschließen kann.

Da gibt es ein paar Punkte, die ich für extrem wichtig und gut halte, und ich freue mich auch darauf, dass du die einbringen wirst. Wissenschaft ist ambivalenter als Politik. Wis­senschaft sagt nicht, das ist die absolute Wahrheit und das ist die absolute Nicht­wahrheit. Wissenschaft formuliert in Thesen, formuliert in Möglichkeiten, formuliert in verschiedenen Modellen. Das ist ein Beitrag, der uns in der Politik nicht schaden kann: mehr Ambivalenz, mehr Diskurs, mehr Abwägung und weniger Schwarz-Weiß. Ich freue mich, wenn mit dir diese Ebene der Wissenschaft hier Eingang findet. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich finde es auch etwas befremdlich und kenne mich ehrlich gesagt nimmer ganz aus bei der FPÖ: Eine Partei, die immer ganz eng mit der Industriellenvereinigung verbunden war, entwickelt jetzt plötzlich ein Problem mit angeblichem Neoliberalismus – die FPÖ, jene Partei, die als einzige Goldbarren in irgendwelchen Hütten am Berg lagert (Abg. Kickl – die Hände zusammenschlagend –: Jessas na! Jessas na!), die FPÖ, die bekannt dafür ist, dass ihre Mitglieder am öftesten in die Taschen der Republik gegriffen und Korruption betrieben haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich finde es ja gut, wenn sich mehr Menschen dafür einsetzen, dass jene Menschen, denen es in unserer Republik am schlechtesten geht, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, die von Armut betroffen sind, gut unterstützt werden. (Abg. Kickl: Das ist ja heute noch schlechter als sonst!)

Die Herausforderungen, mit denen wir zu kämpfen haben, sind natürlich die Massenar­beitslosigkeit, die wir jetzt haben, und die potenziell daraus resultierende Armutsgefähr­dung, auch die Gefahr, dass wir eine sehr hohe Sockelarbeitslosigkeit aus dieser Krise mitnehmen. Ich bin sehr froh, dass Sie, Minister Kocher, in Interviews, die bis jetzt noch nicht zitiert wurden, gesagt haben, öffentliche Beschäftigungsprogramme seien bei­spielsweise ein wichtiger Punkt, um aus dieser Problematik herauszukommen.

Aber es gibt auch andere Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben: die Frage der Digitalisierung, die Frage der Green Jobs, die Frage von Just Transition ganz grund­sätzlich: Wie kommen wir in der Arbeitswelt weg von Arbeitsplätzen, an denen sehr


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umweltschädliche Güter produziert werden, hin zu Jobs, die gut fürs Klima sind?, aber auch Themen wie Frauen am Arbeitsmarkt, die niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen, die wir nach wie vor in Österreich haben, die extrem hohe Zahl an teilzeitbeschäftigten Frauen, oder auch die Frage, wie Menschen mit Behinderungen besser in den Arbeits­markt integriert werden können. All das wird uns beschäftigen, und bei all diesen The­men freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Es ist klar, dass wir in wirtschaftspolitischen Themenbereichen durchaus unterschiedli­che Ansätze haben, aber ich freue mich, dass mit dir, lieber Martin, jetzt jemand Teil dieser Regierung ist, mit dem man auf wissenschaftlicher Ebene evidenzbasiert sehr gut diskutieren kann, welche Maßnahmen man setzen kann und soll. (Abg. Kickl: Da wird er sich freuen!) Die FPÖ hat es in ihrem Antrag erwähnt, ich war ja auch am IHS, ge­meinsam mit dir, bevor ich wieder in die Politik zurückgekehrt bin, und deinen Umgang generell, deinen Zugang zu wissenschaftlicher Evidenz, deine Diskussionsfähigkeit und auch Diskussionsfreude schätze ich sehr. Dementsprechend, glaube ich, können wir diese Zusammenarbeit gut gestalten. Alles Gute! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wimmer. – Bitte.


10.08.06

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr ge­schätzten Damen und Herren der Bundesregierung! Kollege Wöginger! Du hast heute der scheidenden Bundesministerin sehr viele Rosen gestreut. Ich kann mich dem über­haupt nicht anschließen, denn das Einzige, was mir in Erinnerung bleibt, liebe Kollegin­nen und Kollegen, ist dieses Bild (ein Foto in die Höhe haltend, auf dem zu sehen ist, wie Bundesministerin Aschbacher einem Baby in den Händen seiner Mutter einen Hun­derteuroschein reicht), wenn ihr euch noch erinnert. (Beifall des Abg. Loacker.) Im Mai hat Frau Aschbacher mit einem Gurkenzangerl in der Hand einen kleinen Buben mit 100 Euro beteilt. Das ist das Einzige, was offensichtlich funktioniert hat, sonst hat sich da überhaupt nichts getan, Kollege Wöginger. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Sonderbetreuungszeit anbelangt, hat doch jeder gewusst, dass das ein Rohr­krepierer ist, dass das ohne Rechtsanspruch nicht funktioniert. Wie lange hat es ge­dauert, bis dieser Rechtsanspruch über die Bühne gegangen ist? Genauso die Freistel­lung für Schwangere: Wie lange hat das gedauert? – Nach hundertmaligem Nachfragen, nach hundertmaligem Druckausüben ist erst etwas gegangen! Seit Juli sollte es eine Arbeitsstiftung geben, du hast es angesprochen: Bis heute ist diese Stiftung nicht einge­richtet, es gibt keine Arbeitsstiftung!

Das Einzige, das wirklich funktioniert hat, war die Kurzarbeit, das ist heute angesprochen worden, aber deshalb, weil da die Aschbacher nicht die Finger drinnen gehabt hat. (Abg. Wöginger: Rainer, das ist erbärmlich, was du da sagst! – Abg. Haubner: Das ist stillos!) Sie war nur am Rande dabei! Das haben nämlich die Sozialpartner gemacht, liebe Kol­leginnen und Kollegen, Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: So etwas tut man nicht, das ist eine Charaktersache! – Abg. Ottenschläger: So was ist Gewerkschafter! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister, Sie haben eine große Aufgabe übernommen. Sie nehmen die He­rausforderung an, haben Sie gesagt. Die Baustellen, die Ihre Vorgängerin hinterlassen hat, sind groß, und Sie haben in einem „ZIB 2“-Interview gesagt – ich zitiere –: „[...] ich glaube, dass es nicht die Zeit ist, um ein Arbeitslosengeldreformkonzept vorzulegen“. – Herr Bundesminister, wir brauchen kein Reformkonzept! Wir brauchen Geld, wir brau­chen mehr Geld für die Arbeitslosen, für die Menschen, die ihre Arbeit verloren haben,


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liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können nämlich mit 55 Prozent ihres Einkommens ihren Unterhalt nicht leisten, und darum werden wir diese Forderung von 70 Prozent immer aufrechterhalten, weil das einfach notwendig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die Jugendarbeitslosigkeit anlangt: Das ist wirklich zum Schämen. 45 000 junge Menschen sind arbeitslos, um 27 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, und das müss­te es überhaupt nicht geben. Wenn ein junger Mensch arbeitslos wird, dann müssen sofort Qualifizierungsmaßnahmen, sofort Schulungsmaßnahmen greifen. Da war die Ab­schaffung der Ausbildungsgarantie, die ja von ÖVP-Seite ganz massiv betrieben und dann tatsächlich umgesetzt wurde, ein riesiger Fehler. Ich fordere Sie auf, Herr Bundes­minister, Maßnahmen zu ergreifen, damit die jungen Menschen wieder Arbeit finden, und zwar schneller als bisher! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die älteren Arbeitnehmer anlangt: Wir haben ein riesiges Problem, weil die älteren Kolleginnen und Kollegen auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben, wir wissen das. Es gibt 135 000 Langzeitarbeitslose, 35 000 mehr als im vergangenen Jahr. Die Aktion 20 000 war ein Rettungsanker für viele, und die Abschaffung dieser Maßnahme war ein Kardinalfehler. Sie haben den betroffenen Menschen die Hoffnung genommen. Das war der einzige Rettungsanker, den sie gehabt haben, und diese Aktion wurde ja ganz gerne angenommen.

Homeoffice wurde heute schon angesprochen. Zumindest Sie, Herr Bundesminister, haben das in irgendeiner Aussendung erwähnt. Elf Monate dauert die Pandemie jetzt, und es gibt noch keine Lösung. Und jetzt höre ich, dass das offensichtlich an der Steuer liegt. Herr Bundesminister für Finanzen, dann müssen wir das aber so schnell wie mög­lich unter einen Hut bringen, denn länger können wir nicht mehr warten! Die Menschen, die im Homeoffice arbeiten – und das sind enorm viele –, brauchen diese Sicherheit.

Noch ein letzter Satz, und zwar zur Arbeitsstiftung: Wir brauchen diese Arbeitsstiftung, aber nicht nur vom Namen her, sondern wir brauchen tatsächlich eine Arbeitsstiftung, die diesen Namen auch verdient. Das ist aber etwas ganz anderes als das, was da zur­zeit vonstattengeht. Auch das ist eine große Herausforderung, zu der wir Ihnen einfach sagen: Machen Sie das, die Menschen brauchen das!

Herr Bundesminister, Sie haben alle Hände voll zu tun. Machen Sie es besser als Ihre Vorgängerin, die nur Sprechblasen hinterlassen hat! Wir werden Sie an Ihren Taten mes­sen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Stillos! – Abg. Wöginger: Erbärm­lich! Verwerflich! Sowas tut man nicht!)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Meinl-Reisin­ger. – Bitte.


10.13.13

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Ministerinnen und Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die zuschauen! Vielleicht wundern Sie sich – normalerweise ist es üblich, dass wir bei solchen Gelegenheiten eine Klubob­leuterunde machen, der Größe nach. Wir haben es für diese Sitzung verabsäumt, eine Regelung zu treffen, und dass ich erst jetzt spreche, liegt daran, dass wir uns als Pro­redner eingemeldet haben – es wird ja immer abwechselnd pro und contra gesprochen.

Warum habe ich mich als Prorednerin eingemeldet? – Weil ich es begrüße, dass wir mit Martin Kocher endlich, möchte ich sagen – endlich! –, einen namhaften Wirtschafts­experten in der Regierung haben. Ich möchte Ihnen auf das Herzlichste gratulieren und Ihnen wirklich von Herzen alles Gute und auch viel Erfolg wünschen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Es ist von Klubobmann Kickl schon ein bisschen angesprochen worden: Wir schätzen Ihre Expertise. Wir schätzen auch Ihre bisherigen Wortmeldungen zu Wirtschaftspolitik, Fiskalpolitik, wir schätzen Ihre liberale Grundeinstellung. Wir glauben, es tut dieser Re­gierung gut, endlich wieder diese liberale Grundeinstellung in der Regierung vertreten zu sehen, vor allem aber endlich auf Expertise und Substanz zu setzen. Sie verfügen zweifelsohne über Expertise weit über den Arbeitsmarkt hinaus, im wirtschaftlichen Be­reich, gerade im Bereich der Verhaltensökonomie, wo wir es für so wichtig erachten, dass sie stärker zum Einsatz kommt, natürlich aber auch in fiskalpolitischen Fragen.

Ich möchte, was vielleicht ungewöhnlich ist, auch an Ministerin Aschbacher einen Dank aussprechen. Nein, wir beurteilen ihre Arbeit in der Regierung nicht mit Bestnoten. Ich glaube aber, dass es der Anstand auf jeden Fall gebietet, jedem und jeder zu danken, der oder die bereit ist, Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Daher auch von unserer Seite herzlichen Dank! (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir hoffen auf einen Kurswechsel. Diese Ernennung von Martin Kocher zum Arbeitsmi­nister kann nur der Beginn sein, der Beginn für eine vielleicht größere Regierungsumbil­dung, mit der endlich stärker auf Substanz und Expertise statt auf Parteiloyalität, Verbun­denheit aus Jugendparteitagen, Schlagzeilen, Schlagworte und Showpolitik gesetzt wird. Wir sind in der schwersten Krise der Zweiten Republik, und diese Herausforderungen brauchen Expertise und Substanz und Ehrlichkeit, Redlichkeit im Umgang mit diesen Herausforderungen.

Wir haben eine enorme Wirtschaftskrise, wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit, wir er­warten dramatische Firmenpleiten und natürlich auch massiv steigende Staatsschulden. Das können wir, mit Blick auf die nächste Generation, nicht vom Tisch wischen. „Koste es, was es wolle“ wird irgendwann ein Ende haben müssen und muss umbenannt wer­den in: das tun, was nötig ist, damit wir uns wieder an die Spitze bringen. Dazu braucht es seriöse, ernsthafte, inhaltliche Planung und echte Substanz. Es ist nämlich so, dass wir die Regierung an ihren Taten messen und nicht daran, was Sie über diese berichten. Nicht das Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt – das sollte in einer Krise noch stärker gelten.

Daher appelliere ich an Sie, Herr Bundeskanzler, dass diese Regierungsumbildung nur der Anfang einer viel, viel größeren sein möge, denn Erneuerung und Expertise braucht diese Regierung dringend, nicht nur im Arbeitsbereich, sondern meiner Meinung nach auch im Wirtschaftsbereich.

Österreich steht wirtschaftlich schlecht da. Ja, es gibt eine Weltwirtschaftskrise. Was Sie aber in Ihren Ausführungen unterschlagen haben, ist, dass Österreich im Vergleich zu anderen Ländern, vor allem auch anderen europäischen Ländern, wirtschaftlich schlech­ter durch die Krise gegangen ist, mehr Menschen arbeitslos sind, mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten sind oder geraten werden und auch unser Wohlstand einge­brochen ist. Und ja, die Frage ist, ob Ideen wie Kaufhaus Österreich uns wirklich aus dieser Krise führen werden. Wir denken: eher nicht.

Man könnte aber auch in den Sozialbereich schauen, in dem die Themen Arbeit und Soziales natürlich sehr eng miteinander verbunden sind. Man kann das nicht getrennt voneinander betrachten, und wir werden diskutieren müssen, wie wir in Zukunft eine Grundsicherung für Menschen, die ihre Arbeit verloren haben und die aber auch sonst keine Chance haben, schnell wieder Fuß zu fassen, gestalten können. Eine Umgestal­tung beispielsweise in der Form, Arbeit und Soziales zusammenzulegen, hätte – das habe ich diese Woche schon gesagt – einen angenehmen Nebeneffekt, nämlich dass der Gesundheitsminister wirklich für die Mammutaufgabe der Bekämpfung der Gesund­heitskrise und insbesondere des Impfens freigespielt wäre, denn nichts anderes hat er jetzt zu tun, als dafür zu sorgen, dass Österreich rasch geimpft wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 29

Was es jetzt jedenfalls nicht braucht, ist Zögern und Zaudern. Das sage ich ganz be­wusst, denn wir hatten gestern hier die Diskussion zum Thema Impfen, und verzeihen Sie, Herr Minister Anschober, aber ich habe Sie auch wieder zögernd und zaudernd erlebt und nicht mit dem Mut zu der nötigen Klarheit, die es jetzt braucht. Wir brauchen Klarheit und konkrete Antworten, was jetzt der weitere Plan der Bundesregierung in Be­zug auf die Infektionszahlen, in Bezug auf die Frage des Lockdowns und insbesondere in Bezug auf die Frage der Virusmutation ist.

Wir haben gestern auch beim Bildungsminister Unklarheit und Schwammigkeit erlebt. Um 12 Uhr geht er in das „Mittagsjournal“ und sagt, am 25. Jänner sperren die Schulen im Schichtbetrieb wieder auf, und um 13 Uhr sagt er in der „ZIB“: Nein, nein, das gilt aber nur dann, wenn es keinen weiteren Lockdown gibt. (Abg. Kickl: ... der Oberexperte ...!) – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das Gegenteil von Klarheit, das ist das Gegenteil von Planbarkeit, und das ist meines Erachtens das Gegenteil von Ehrlichkeit.

Wenn wir nämlich jetzt jeden Tag von, was weiß ich, 17 Skilehrern da – es sind natürlich immer die ausländischen Skilehrer die Bösen –, ein paar Fällen dort lesen, dann müssen wir uns doch die Frage stellen: Ist das eine ehrliche Auseinandersetzung? (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Mich erinnert das ein wenig an letztes Jahr, als wir von einem Hotel in Innsbruck und von einem Anwalt in Wien gehört haben und eigentlich jedem Beobachter klar war, dass das Virus im Land ist. Genauso müsste man jetzt ehrlich fragen: Ist die Mutation nicht schon längst im Land, und was heißt das?

Diese Fragen müssen Sie ehrlich beantworten. Die Bürgerinnen und Bürger in Öster­reich haben sich Ehrlichkeit und Klarheit darüber verdient, wie Sie das Virus einschätzen, wie Sie die Mutation einschätzen und was auch das langsame Impfen, das viel zu langsame Impfen in Bezug auf diese Mutation jetzt bedeutet. Das wäre Leadership: end­lich ehrlich und transparent, umfassend informierend zu sagen, was Sache ist!

Was passiert aber stattdessen? Sie wissen, wir stehen diesem Thema ja grundsätzlich positiv gegenüber, weil wir seit Monaten eine Teststrategie verlangen und auch damals, als Sie mit Ihrer Schnapsidee des Massentests gekommen sind, gesagt haben: Voraus­setzung dafür, dass das sinnvoll ist, wäre zum Beispiel, solche Tests in bestimmten Berufsgruppen oder in bestimmten Regionen durchzuführen. Auch wenn es heute hier einen ersten Schritt, sage ich einmal, zu einer sinnvollen Teststrategie gibt, so frage ich mich, ob das nicht eine Selbstbeschäftigung zur Unzeit ist – so wie es völlig klar war, dass die Idee des Freitestens eine Selbstbeschäftigung zur Unzeit ist, wenn wir wissen, dass jetzt eine ansteckendere Virusvariante im Haus ist. Sie können dankbar sein, dass die Opposition Ihnen diesen Bauchfleck – Sie haben in der Bekämpfung dieser Pande­mie schon viele geliefert – erspart hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Menschen wollen wissen, wann die Schulen öffnen, die Schüler wollen wissen, wie es weitergeht, die Lehrerinnen und Lehrer wollen wissen, wie es weitergeht, die Direk­torinnen und Direktoren wollen wissen, wie es weitergeht. Ja, und auch die Gastrono­mieunternehmen und Hotelunternehmen wollen wissen, ob sie damit rechnen können, dass im Februar aufgemacht wird. Haben Sie die Ehrlichkeit, heute zu sagen, was Sache ist? Ich sage Ihnen nämlich etwas: Keiner glaubt mehr daran. Die bereiten sich zwar vor, weil sie vorbereitet sein müssen, aber eigentlich – wie man erkennt, wenn man die Zei­tungen aufschlägt – denkt niemand daran, dass am 25. der Lockdown endet, Testen hin oder her. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Haben Sie den Mut, zu sagen, dass das nicht funktionieren wird! Das würde Planbarkeit schaffen, das wäre Ehrlichkeit, und das wäre auch das Leadership, das es jetzt so dringend braucht.

Was muss noch getan werden? – Dass darüber gesprochen wird, das erwarte ich mir eigentlich auch heute und jetzt in dieser Diskussion. Natürlich wäre, wie schon öfters angesprochen worden ist, die Verwendung von FFP2-Masken auszuweiten – das ist ei­ne sinnvolle Möglichkeit –, es braucht endlich – Kollege Loacker fordert das seit Monaten –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 30

die Digitalisierung des Contacttracings, gerade in Bezug auf die Frage, wie wir die Virus­mutation B.1.1.7 verfolgen. Es braucht aber auch, und ich sage das auch, die Schaffung der Möglichkeit, dass jede und jeder Einzelne selbstermächtigt, eigenverantwortlich ei­nen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten kann, indem die Tests niederschwellig mehrfach jede Woche angeboten oder sogar nach Hause geschickt werden, sodass wir alle nicht nur unseren eigenen Status wissen, sondern jeder Einzelne auf diese Weise zu einem echten Covid-Fighter werden kann. Das wäre ein Ansatz, der endlich auch mit den Menschen gemeinsam auf die Pandemiebekämpfung abstellt, statt immer nur auf Zwänge und Strafen.

Jetzt habe ich mich wieder sehr viel mit dem, was jetzt aktuell zu tun wäre, aufgehalten. Ich möchte aber, Herr Kocher, die Gelegenheit schon auch nutzen, um zu sagen, was 2021 unsere Erwartungshaltung an diese Regierung generell und ganz speziell auch an Sie ist, denn eines ist klar: Die Krise wird uns zwar noch einige Monate begleiten, aber danach muss alles getan werden, dass es weitergeht, und zwar meines Erachtens nicht in Richtung eines Comebacks – ich halte das für völlig falsch; es kann kein Comeback sein, das sich daran ausrichtet, was wir davor gemacht haben, da wir wissen und jetzt auch noch stärker wissen, was alles nicht funktioniert hat. Das hat uns nahe an ein Staatsversagen, ein Systemversagen geführt, mit einem Bürokratismus, der uns knebelt und bindet, sodass wir nicht einmal eine gescheite Impfstrategie auf den Weg bringen können. – Nein, wir brauchen einen echten Neustart, und der erfordert Mut zu Reformen in ganz vielen Bereichen dieses Staates. An kleinen Rädchen zu drehen, das haben vergangene Regierungen schon gekonnt, das hat diese Regierung schon gekonnt, das hat vielleicht bis jetzt gereicht, aber jetzt reicht es nicht mehr.

Wenn wir wirtschaftspolitisch, wenn wir in Bezug auf die Wiedererlangung einer Vollbe­schäftigung, wenn wir bildungspolitisch und auch in Bezug auf die Staatsschulden und die Frage der – hoffentlich auch – Steuererleichterungen für die Menschen Österreich wieder an die Spitze bringen wollen, dann braucht es Mut für echte Reformen, dann braucht es Substanz, dann braucht es Qualität, dann braucht es weniger Pressekonfe­renzen und mehr ernsthaftes und solides Krisenmanagement.

Ich habe das am Dienstag gesagt, und ich sage es heute wieder – Herr Kickl hat ja auch Aussagen von Herrn Kocher bezüglich der Frage, was in unserem Land dringend getan werden müsste, aufgezählt –: Wenn Sie bereit sind, statt an kleinen Rädchen zu drehen, mutige, große Reformen zu wagen, dann ist unsere Hand immer ausgestreckt. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun der neue Bundesminister für Arbeit Martin Kocher. – Bitte.


10.24.53

Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, ob ich Arbeitsminister werden möchte, kam für mich sowohl überraschend als auch sehr kurzfristig. Ich möchte mich aber zuallererst ausdrücklich bei meiner Vor­gängerin Christine Aschbacher bedanken, nämlich dafür, was ihre Arbeit für den Bereich Arbeit, Familie und Jugend betrifft. Sie hat ein Ministerium in einer für den Arbeitsmarkt Österreich schweren Phase geführt, hat es durch diese schwere Phase mit all diesen Schwierigkeiten gut durchgebracht und mir ein sehr gut bestelltes Haus hinterlassen, und dafür bin ich sehr dankbar. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Angebot kam für mich sehr überraschend. Ich habe es trotzdem sehr gerne ange­nommen, freue mich über die Chance, die Expertise, die ich in der Wissenschaft sam­meln konnte – und mir ist natürlich klar, das ist anders als das politische Umfeld –, ein­bringen zu können und aktiv mitgestalten zu können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 31

Das Gute am Thema Arbeit ist aus meiner Sicht, dass alle Parteien hier im Parlament, auch alle Menschen das gleiche Ziel haben: Wir wollen möglichst rasch und möglichst nahe an Vollbeschäftigung herankommen. Es gibt natürlich Unterschiede in den Instru­menten, in den Maßnahmen, die bevorzugt werden, und ich bin jemand – wer mich kennt, weiß das –, der sehr gerne über diese Maßnahmen, über die Instrumente, über die richtigen Maßnahmen diskutiert, auch kontrovers diskutiert, am liebsten natürlich nicht auf Basis von einzelnen aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen, sondern auf Basis von mehr Substanz. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt ist Zitieren auch schon problematisch!)

Ich lasse mich in solchen Diskussionen auch gerne überzeugen – ich habe natürlich eine Meinung, bin aber nicht jemand, der sich, wenn die Evidenz in eine andere Richtung schlägt, an dieser Meinung festkrallt.

Ich bin mir der Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt, bewusst. Verantwortungs­bewusstsein ist aus meiner Sicht – das war auch der Grund, das zu machen – gerade jetzt gefragt. Wir sind in einer tiefen Wirtschaftskrise, in einer tiefen Arbeitsmarktkrise, der tiefsten seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit, ausgelöst durch eine Pandemie. Die Krise ist leider noch nicht überstanden. Mir ist bewusst, wie schwer die Lage auch für die einzelnen Personen, die Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist, für jene, die Arbeit suchen, aber auch für jene, die in Beschäftigung sind und vielleicht das Gefühl haben, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet ist, wodurch Angst entsteht.

All das ist etwas, was mir auch sehr nahegeht, und ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass sich die Lage rasch bessert. Mit aktuell rund 530 000 Arbeitslosen und gut 410 000 Personen, die in Kurzarbeit sind, bringt diese Krise große Herausforderun­gen für den Arbeitsmarkt mit sich. Wir müssen daher, und das ist meine feste Überzeu­gung, das Infektionsgeschehen rasch in den Griff bekommen – mit den richtigen Maß­nahmen, mit der Impfung –, damit weitere Öffnungsschritte möglich sind und damit auch wieder eine Entspannung am Arbeitsmarkt Platz greift.

Daher der Appell an alle, auch die, die via Fernsehen oder via Livestream dabei sind, sich an die Infektionsregeln zu halten. Das wird in den nächsten Wochen ganz entschei­dend sein: ein Verständnis dafür aufzubringen, dass die Regeln zwar schwer und hart sind, dass wir alle müde sind, dass aber die Erholung auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirt­schaft nur möglich ist, wenn wir das in den nächsten Wochen tun, um dann möglichst rasch wieder langfristig aus der Krise herauszukommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wichtig ist auch, die Chance zu nutzen, sich impfen zu lassen. Längerfristig ist die Schutzimpfung das bei Weitem beste Mittel, um die Ausbreitung der Pandemie in den Griff zu bekommen und wieder zu einem Leben zurückzukommen, das wir als normaler empfinden als das Leben, das wir derzeit haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Was den Arbeitsmarkt und den Standort betrifft, so geht es jetzt darum, die Folgen der Arbeitslosigkeit abzufedern und die Auswirkungen der Pandemie so gering wie möglich zu halten. Das tun wir aktuell unter anderem – das ist bekannt – mit der Kurzarbeit spe­ziell für diese Krise. Über eine Million Jobs konnten damit in Österreich bisher erhalten bleiben und eine kurzfristige massive Unterauslastung überbrückt werden. Die Kurzar­beit ist nach wie vor relevant, besonders natürlich während Lockdownzeiten. Wie wir mit der Kurzarbeit nach dem Auslaufen von Phase drei im März weiter fortfahren, ist natür­lich von den Infektionszahlen und den damit einhergehenden Öffnungsschritten ab­hängig. Jedenfalls müssen wir sehr rasch über die Zukunft der Kurzarbeit diskutieren.

Im Budget 2021 haben wir einen sehr großen Betrag für den Themenbereich Arbeit und Beschäftigung vorgesehen. Das zeigt, dass diesem Bereich von der Bundesregierung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 32

eine hohe Priorität zugemessen wird. Wir haben dem Bereich Arbeitsmarkt und Beschäf­tigung 30 Milliarden Euro zugerechnet, und jeder weiß, dass Budgets in Zahlen gegos­sene Politik sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Neben der Kurzarbeit stehen mehrere weitere Maßnahmen bereit, die eine Reaktion auf die aktuelle Situation sind. Mit der Joboffensive – die Arbeitsmarktstiftung ist angespro­chen worden – investieren wir intensiv in Ausbildungsvorbereitung und Qualifizierung. Qualifizierung wird entscheidend sein, um nach der Krise möglichst rasch wieder Be­schäftigung zu schaffen und für alle bessere Chancen zu bieten. Dafür gibt es alleine heuer, im Jahr 2021, 428 Millionen Euro. Das ist wichtig, weil wir eben langfristige Lösun­gen brauchen, um nach der Krise wieder auf den Fachkräftemangel reagieren zu kön­nen.

Zweitens geht es mir um die Zukunft des Arbeitens. Da geht es um die Gestaltung von Homeoffice, und das hat für mich hohe Priorität. Homeoffice hat besonders während der Pandemie an Bedeutung gewonnen, aber ich erwarte auch, dass nach der Pandemie die Nachfrage nach Lösungen für Arbeiten im Homeoffice groß sein wird. Ich habe mir daher zum Ziel gesetzt, möglichst bald im Einvernehmen mit den Sozialpartnern eine Lösung zu präsentieren. Ich weiß, wir warten schon lange auf diese Lösung – sie soll in den nächsten Wochen kommen.

Drittens: Seit Sommer forciert die Taskforce für Jugendbeschäftigung gezielt Ausbil­dung, Beschäftigung und Vermittlung junger Menschen. Es gelingt dem AMS auch wäh­rend der Krise laufend, Jugendliche zu vermitteln: Letztes Jahr waren das 83 000 Per­sonen im Alter von 20 bis 24. Für die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen ist die Lage am Arbeitsmarkt besonders schwierig, das ist mir klar, trotzdem stehen wir im Ver­gleich noch einigermaßen gut da: Wir haben die drittniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Sie ist zu hoch, das ist mir klar, aber wir haben es geschafft, die Krisenfolgen einigermaßen abzufedern.

Viertens: Der Neustartbonus setzt entsprechende Anreize für arbeitslose Menschen, da­mit sie wieder aus der Arbeitslosigkeit geholt werden und in eine vollversicherte Be­schäftigung wechseln können.

Wir werden natürlich in der aktuellen Krisenzeit grundsätzlich weitere Maßnahmen brau­chen – Angebote für spezifische Zielgruppen und auch immer Anpassungen an die ak­tuellen Gegebenheiten –, aber wir müssen Schritt für Schritt vorangehen. Der erste Schritt ist jetzt die Akutbewältigung: die Bewältigung der Krise, solange es noch Ein­schränkungen in der Geschäftstätigkeit und Schließungen gibt. Dafür gibt es Instru­mente, die weiterentwickelt werden müssen. Wir werden auch relativ rasch die Maßnah­men vorbereiten, die noch notwendig sind, bis es dann hoffentlich sehr schnell im Laufe des Frühjahrs wieder eine großflächige Öffnung gibt und sich auch der Arbeitsmarkt zum Teil erholen wird.

Es wird aber auch danach noch Schwierigkeiten geben. Wir werden danach eine Wachs­tumsstrategie brauchen, eine rasche Strategie, um eben Beschäftigung zu schaffen und den Sockel an Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Ein weiterer Punkt, der aber in meinem Haus auch schon angegangen wird, ist die Gestaltung der Zukunft der Arbeit. Arbeit in fünf oder zehn Jahren wird anders ausschauen als Arbeit vor fünf oder zehn Jahren, und die Krise hat diesen Strukturwandel beschleunigt.

All diese Maßnahmen sollen uns näher an das Ziel, die Krise zu bewältigen, bringen. Am Ar­beitsmarkt wird es einige Jahre dauern, bis das vollständig möglich ist. (Abg. Kickl: ... einige Jahre!) Je besser es uns gelingt, desto schneller können wir wieder zu einem Wachs­tumspfad am österreichischen Arbeitsmarkt zurückfinden, und umso besser sind wir für die Zukunft der Arbeit gerüstet.


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Ich freue mich, mit Ihnen allen, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, für Österreich, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Unterneh­men in diesem Land arbeiten zu dürfen. Machen wir uns an die Arbeit! (Lang anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


10.35.01

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werter Herr Arbeitsminister, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ihre Rede jetzt war mehr als enttäuschend. Sie haben doch ein tolles Curriculum Vitae, eine enor­me Expertise, die wir auch in keinem Fall anzweifeln, sondern schätzen, aber ich möchte schon dazusagen: Auch Karl Marx hatte eine Expertise im Bereich der Wirtschaft, und auch diese Expertise ist anerkannt. (Zwischenruf der Abg. Maurer. – Heiterkeit des Abg. Kickl.) Die Frage ist nur, was Sie daraus machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Arbeitsminister, bei dem, was Sie uns hier gerade geboten haben, muss man ehr­licherweise schon ein bisschen darüber nachdenken, was Sie sich da überlegt ha­ben. Zunächst einmal haben Sie uns gleich gesagt, diese Krise am Arbeitsmarkt wird noch einige Jahre dauern. Finanzminister Blümel hat vor wenigen Wochen gesagt, im Jahr 2021, spätestens 2022 haben wir das Loch überwunden. Darüber müssen Sie sich, glaube ich, innerhalb dieser Regierung noch ein bisschen einig werden. Gut, Sie sind ja auch noch kein ÖVP-Mitglied, aber das wird schon noch werden – Sie werden schon noch unter die Fittiche genommen werden, damit Ihnen da keine weiteren Versprecher mehr unterlaufen.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, Sie wissen aber schon: Wir haben massive soziale Probleme in unserem Land, und die werden noch größer werden. Wir haben derzeit über eine Million Menschen, die de facto beschäftigungslos sind, nämlich fast 500 000 in Kurzarbeit und über eine halbe Million Menschen, die derzeit arbeitslos sind. Jede Woche des Lockdowns bringt uns weitere 15 000 Personen, die arbeitslos wer­den – jede weitere Woche. Als ich Ihnen jetzt zugehört habe, habe ich erfahren, dass Sie davon ausgehen, dass irgendwann, vielleicht im Laufe des Frühlings, aufgesperrt werden wird. Man braucht kein großer Prophet zu sein: Schauen Sie auf der Homepage des Dots, eines Lokals auf der Wiener Mariahilfer Straße, nach! Dort können Sie für ab dem 14.4. buchen. Es ist bekannt, dass Herr Ho gute Verbindungen in höchste Regie­rungskreise hat und auch immer sehr genau weiß, wann er seine Lokale auf- und zu­sperrt. Es wäre nicht das erste Mal, dass er uns sagt, wie lange ein Lockdown dauern wird, Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Während die Arbeitslosigkeit in jeder Woche des Lockdowns steigt, sinkt das Wirt­schaftswachstum in jeder Woche des Lockdowns, nämlich in etwa um 0,1 Prozent. Wenn ich mir die Prognose anschaue, die die OECD für Österreich abgegeben hat – sie rechnet im heurigen Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent –, dann stelle ich fest, dass sie diese Bundesregierung schon richtig eingeschätzt hat. 1,3 bis 1,4 Pro­zent Wachstum haben wir in jedem Fall, nämlich dann, wenn – egal, was die Bundesre­gierung macht – de facto ein Nullwachstum stattfindet. Das schätzt die OECD für Öster­reich. Das ist kein gutes Zeugnis, damit sind wir international bei den Schlechtesten, meine Damen und Herren, und das hat natürlich auch seinen Grund. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, diese Bundesregierung schiebt alles – und das haben Sie jetzt wieder ge­macht, Herr Arbeitsminister – auf irgendwelche Infektionszahlen. Die Infektionszahlen sind nicht schuld an diesem wirtschaftlichen Desaster, in dem wir stecken. (Zwischenruf


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des Abg. Obernosterer.) Schuld sind die Maßnahmen dieser Bundesregierung, schuld ist dieses sinnlose Zusperren (Beifall bei der FPÖ) – das ist schuld an diesem Wirt­schaftsdesaster, in dem Österreich sich befindet.

Österreich ist eines der Schlusslichter in Europa, das sollte man ja auch nicht vergessen. Wir haben eine der höchsten Inflationsraten in ganz Europa – praktisch alle anderen EU-Länder stehen besser da als wir. Das ist natürlich ein großartiges Verdienst dieser Bun­desregierung! Der Kanzler ist eh schon gegangen, der will sich das gar nicht mehr an­hören. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Er hat heute hier seine Erklärung ab­gegeben, hat sich den Applaus von der ÖVP geholt, und jetzt ist er wieder weg. (Abg. Michael Hammer: Recht hat er!) Wahrscheinlich holt er sich die nächsten Eingebungen von Frau Merkel ab. Das ist doch die Wahrheit: Wenn Frau Merkel ruft, muss der Kanzler springen, meine Damen und Herren, und genau so schaut die Politik in Österreich aus! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Herr Minister, ich komme jetzt wieder auf Sie zurück, und wenn ich mir anschaue, was Sie an Zitaten – einiges ist heute schon gefallen – schon so von sich gegeben haben, kann ich Ihnen eines nicht ersparen: Wir sind jetzt in einer Krise, und in dieser Krise, meine Damen und Herren, gibt es eine Berufsgruppe, die mit Sicherheit ganz besonders drangekommen ist: Das waren die Krankenpfleger. Das ist aber auch eine Berufsgruppe, die nicht besonders geschätzt ist und auch nicht besonders gut verdient.

Ihr einziger Kommentar zu den Pflegern war: „Offensichtlich wird der Wert der Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert“. Herr Minister, ich würde Sie bitten: Überdenken Sie diese Aussage! Ich glaube, die Pflegekräfte haben eine gute Ausbildung, sind einer enormen Belastung ausgesetzt, und die Tätigkeit erfor­dert spezifische Fähigkeiten. (Beifall bei der FPÖ.) Es wäre gut, Herr Minister, wenn Sie sich etwas respektvoller den Pflegekräften widmen würden, denn sie leisten wirklich Enormes.

Herr Präsident, meine Uhr! (Sich zum Präsidenten umdrehend deutet die Rednerin auf das Uhrendisplay am Rednerpult.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben insgesamt 14 Minuten; 5 Minuten sind vorbei.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Da leuchtet aber nichts und da stehen immer noch die 5 Minuten. (Abg. Kickl: Da leuchtet aber nichts! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Wissen Sie, die Erleuch­tung würden die Herrschaften da drüben (in Richtung ÖVP) brauchen. Ihr bräuchtet einmal eine Erleuchtung (Zwischenruf bei der ÖVP), muss man sagen, wenn man sich das ansieht, was ihr in diesem Land aufführt, wie ihr dieses Land gegen die Wand fahrt, wie ihr es runtergefahren habt, und bis 14. April wollt ihr ja zu lassen. Die Schulen bleiben zu! Der Minister erzählt uns, wie arm die Jugendlichen am Arbeitsmarkt sind, und was ist die Antwort der ÖVP? – Die Schulen bleiben zu. Na, bitte schön, dann wird es immer schwieriger werden, dass wir die Jugendarbeitslosigkeit auf die Reihe bekommen. Das ist die Wahrheit. Ihr braucht das Licht der Erleuchtung. (Beifall bei der FPÖ.)

Da ich jetzt noch ein paar Sekunden Redezeit bekommen habe, bringe ich noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „NEO-Liberaler Theoretiker als Arbeitsminister: Nein Danke!“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 35

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

- Die Wiedereinführung und Adaptierung der ,Hacklerregelung‘ für Langzeitversicherte.

- Ein ,COVID19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020, auszuzah­lend durch die Finanzämter.

- Eine praxisorientierte arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelung für ,Homeoffice‘-Arbeitsplätze.

- Jedem österreichischen Staatsbürger Gutscheine im Wert von insgesamt 2.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2021 nur bei heimischen und in Österreich steuer­pflichtigen Betrieben eingelöst werden können (Österreichgutscheine 2020/2021).“

*****

Das wäre notwendig, um die heimischen Unternehmen auch wieder ein bisschen zu unterstützen, denn die Einzigen, die von Ihrer Politik profitieren, das sind die großen Konzerne, die Onlineversandhäuser. Das sind die, die die Pluspunkte schreiben, und dort wird schon jeden Tag gefeiert. (Beifall bei der FPÖ.)

10.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Erwin Angerer und weiterer Abgeordneter

betreffend NEO-Liberaler Theoretiker als Arbeitsminister: Nein Danke!

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1) Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend in der 77. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Jänner 2021.

In der ersten Republik gab es die Bezeichnung „Prälat ohne Milde“ für den Sozialminis­ter, Bundeskanzler und Obmann der Christlich-Sozialen, Ignaz Seipel. Wenn man sich die bisherigen Aussagen des neuen ÖVP-Arbeitsministers Univ.Prof. Martin Kocher im Zusammenhang mit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ansieht, dann gewinnt man den Eindruck, dass die historische politische Persönlichkeit Prälat Ignaz Seipel und der ak­tuelle Arbeitsminister nicht nur die Haartracht miteinander teilen.

Auch der Wirtschaftstheoretiker Kocher hält wenig bis Nichts vom österreichischen So­zialstaat, das hat er als einer der berühmt-berüchtigten Wirtschaftsberater der schwarz-türkisen ÖVP und ihrer ideologischen Netzwerke mehrfach bewiesen. Er gibt den NEO-Liberalen Theoretiker als Experte und er wird diesen auch als Arbeitsminister geben. Und dazu sagt die FPÖ als soziale Heimatpartei aus ganzem Herzen; „Nein Danke!“

Obwohl die gleichgeschalteten Propagandaabteilungen aus dem ÖVP-Bundeskanzler­amt Martin Kocher als „unabhängigen Experten“ zu präsentieren versuchen, ist er ein beinharter Wirtschaftsliberaler ohne Empathie für den österreichischen Sozialstaat und seine Errungenschaften.

Martin Kocher ist gegen höhere Pensionen und gegen die Erhöhung des Arbeitslosen­geldes in der durch Covid-19-Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung provo­zierten Wirtschaftskrise. Der neue ÖVP-Arbeitsminister möchte stattessen, dass die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 36

österreichischen Beschäftigten später in Pension gehen und dass das Personal im Handel auch am Sonntag arbeiten müsse.

Das Online-Magazin Neuezeit.at bringt einige Zitate des neuen ÖVP-Ministers, der im­merhin für die Arbeitsagenden, und somit einem zentralen Politikfeld in der österreichi­schen Sozialpolitik zuständig ist:

„Mehr Gerechtigkeit führt zu einem Verlust an Effizienz“.

„Die Gefahr ist aber, wenn etwas öffentlich und gerecht organisiert ist, dass es wenig Innovation und Dynamik gibt“

„Offensichtlich wird der Wert von Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert, und es zu viel Angebot am Arbeitsmarkt gibt.“

„Wenn man das Arbeitslosengeld jetzt erhöht, wird es schwierig sein, es wieder abzu­senken.“

Österreich hat einen neuen Arbeitsminister: So tickt Martin Kocher (neuezeit.at)

Damit nicht genug, hat sich Martin Kocher auch als neoliberaler Chef-Ideologe im hoch­subventionierten Institut für Höhere Studien (IHS) immer wieder als Ideenspender der ÖVP, die ihn jetzt zum Dank in ein Ministeramt gehievt hat, betätigt.

Und das Institut für Höhere Studien dürfte auch der Anknüpfungspunkt für die engen Kontakte zu den Grünen sein. Die amtierende grüne Klubobfrau Sigrid Maurer war nach „großzügigen Studien“ an den Universitäten Innsbruck und Wien, zuletzt im Fach „Sozio­logie“, im IHS nach dem Scheitern der Grünen bei der Nationalratswahl 2017 unter dem Titel

„Sozialwissenschaftlerin, Institut für Höhere Studien - Higher Education Research 3/2018–10/2019“

geparkt.

Sigrid Maurer, BA, Biografie (parlament.gv.at)

Um keine neue „soziale Eiszeit“ durch den NEO-Liberalen Professor im Arbeitsminis­terium aufkommen zu lassen, ist es notwendig, dass dies durch entsprechende legisti­sche Maßnahmen verhindert wird. Deshalb wir die soziale Heimatpartei FPÖ eine Reihe von Maßnahmen gesetzlicher Natur vorschlagen, um vor allen im Angesicht der Covid-Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise hier gegenzusteuern.

Dieses Covid-19-Maßnahmenpaket gegen die neue „soziale Eiszeit“ umfasst:

-             Die Wiedereinführung der „Hacklerregelung“

-             Die Umsetzung einer längst überfälligen arbeits-, steuer- und sozialversiche­rungsrechtlichen Regelung für „Homeoffice“-Arbeitsplätze

-             die Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld befristet auf die Zeit der Covid-19-Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise

-             die Einführung von „Österreich-Gutscheinen “ für den Zeitraum 2020/2021 mit einem Gesamtbetrag von 2.000,- Euro.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 37

•             Die Wiedereinführung und Adaptierung der „Hacklerregelung“ für Langzeitversi­cherte.

•             Ein „COVID19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschla­ges zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020, auszuzahlend durch die Finanzämter.

•             Eine praxisorientierte arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rege­lung für „Homeoffice“-Arbeitsplätze.

•             Jedem österreichischen Staatsbürger Gutscheine im Wert von insgesamt 2.000.- Eu­ro auszustellen, die bis 31. Dezember 2021 nur bei heimischen und in Öster­reich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können (Österreichgutschei­ne 2020/2021).

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Sie hätten noch eine Restredezeit von etwa 13 Minuten gehabt, es war also keine Eile.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte sehr. (Abg. Stefan: Stellen wir die Uhr jetzt nicht mehr ein? – Abg. Kickl: Bis jetzt hat er immer im U-Ausschuss ge­schlafen, jetzt schläft er hier auch schon!)


10.42.23

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, insbesondere Herr Bundesminister Kocher! Liebe Zuschauer! Hohes Haus! Erlauben Sie mir zwei Kommentare, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede starte! Herr Wimmer, zu Ihren Ausführungen zu Bundesministerin Christine Aschbacher muss ich Ihnen eines sagen: Das ist eine Frage des Charakters; derartiges Nachtreten ist stillos, respektlos und wirklich erbärmlich! – Dazu kann ich nur dieses sagen. Es ist eine Frechheit, wie Sie hier agiert haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zur FPÖ, zu Herrn Kickl: Ihre Statements und Ihre Aussagen, die Sie hier tätigen, zeigen mir eines ganz klar: Sie haben weder Ahnung von der Wirtschaft noch von Arbeit und auch nicht vom Sport, wie ich nun feststellen konnte, denn wo ist Ihr Teamkollege Hofer? (Abg. Michael Hammer: Das geht sich nicht aus, dass beide gleichzeitig da sind!) Ich würde Ihnen da wirklich ein Teambuildingseminar anbieten; ich würde Ihnen wirklich empfehlen, dass Sie als Sportler so etwas einmal besuchen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Na, Sie haben Sorgen!)

Zu Frau Kollegin Belakowitsch kann ich nur eines sagen: Lautstärke war noch nie ein Argument; vielleicht werden Sie in Zukunft ein bisschen leiser (Zwischenruf der Abg. Steger), dann hört man Sie vielleicht auch besser. (Abg. Kickl: Sie haben nicht einmal die Lautstärke! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Nun aber zu meinem Redebeitrag: Das Jahr 2021 hat überaus turbulent und sehr bewegt begonnen. Es startet allerdings auch mit einem großen Hoffnungsschimmer, denn Hoff­nung haben wir nun durch den gelieferten Impfstoff bekommen. Mit Testen und Impfen gibt es jetzt zwei ganz klare Schwerpunkte, die uns dabei helfen, die Pandemie zu besie­gen. Bei allen Veränderungen und Turbulenzen der ersten Tage dieses Jahres bleibt die Herausforderung aber trotzdem unverändert: Das ist die Bewältigung der Coronakrise, die uns neben dem Gesundheitsbereich vor allem im Bereich der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes massiv fordert. (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 38

Diesen wichtigen Herausforderungen widmen wir uns mit aller Kraft. Die Zahlen des Ar­beitsmarktes, die wir heute schon gehört haben, sind leider nicht so erfreulich. In einem sind wir uns alle, glaube ich, einig: Arbeitslosigkeit darf sich nicht verfestigen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Daher ist es auch wichtig, neben dem Impfen der Bevölkerung den Fokus darauf zu legen, dass wir die Wirtschaft ankurbeln. Wir brauchen wirklich Wirtschaftswachstum, denn das Wachstum wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus. Arbeitsplätze sichern und die Wirtschaft ankurbeln, das sind neben dem Schutz der Gesundheit die wichtigs­ten Ziele für dieses Jahr.

Die Anforderungen im Bereich des Arbeitsmarktes sind hochkomplex, denn wir haben Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und Fachkräftemangel auf der anderen Seite. Aus den E-Mails, die ich von den Bürgern, die leider arbeitslos geworden sind, bekomme, geht aber aus den Schilderungen der persönlichen Schicksale auch eines klar hervor: Sie wollen wieder in den Arbeitsmarkt. Sie wollen eine Aufgabe, sie brauchen Unterstüt­zung, um wieder in Beschäftigung zu kommen, denn es ist keiner gerne arbeitslos zu Hause.

Allerdings gibt es unterschiedliche Lösungen, um dieses Problem anzugehen. Eine Er­höhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, wie es die SPÖ immer wieder fordert, hilft uns leider nicht wirklich weiter. Menschen wollen und brauchen Perspektiven durch Arbeit, um nicht in der Arbeitslosigkeit verharren zu müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Darum sind wir dafür, den Arbeitsmarkt zu gestalten und nicht die Arbeitslosigkeit zu verwalten. Da haben wir nun mit unserem neuen Arbeitsminister Dr. Martin Kocher einen ausgewiesenen Experten, der internationale Erfahrung und langjährige wissenschaftli­che Kompetenz und Expertise mitbringt. Der Minister hat bereits anklingen lassen, dass es neben dem vollen Einsatz für die Maßnahmenbündel zur Unterstützung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes auch bereits jetzt um eine Vorbereitung auf die Zeit nach der Pan­demie geht. (Abg. Belakowitsch: Wann wird die sein? – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Selbstverständlich unterstütze ich auch seine Ideen, dass wir gemeinsam die Zeit nutzen, um den Menschen Perspektiven zu geben (Zwischenruf des Abg. Wurm), wie zum Beispiel durch eine Forcierung der Aus- und Weiterbildung oder durch neue moder­ne Arbeitsmodelle, denn wie schon erwähnt, benötigt die Wirtschaft dringend Facharbei­ter und auch Menschen, die im digitalen Bereich fit sind. Jede Krise muss man auch als Chance sehen. Das Jahr ist heute noch jung, machen wir da ganz klar die Offensive am Arbeitsmarkt zu unserem Vorhaben! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Darum möchte ich auch unseren Arbeitsminister herzlich willkommen heißen und ihm ganz viel Erfolg wünschen. Seine Expertise habe ich schon angesprochen, dazu kommt aber auch noch, dass er Sportler ist, noch dazu ein Ausdauersportler, und daher auch über das notwendige Durchhaltevermögen verfügt. Als Salzburger – was mich persön­lich als Tennengauerin sehr freut – bringt er eine hohe Salzburger Qualität mit, die ihn mit unserem Landeshauptmann sehr verbindet. Er spricht die Themen klar an und hat auch einen entsprechenden Lösungsvorschlag dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Sosehr mich die Bestellung freut, sosehr haben mich die Vorgänge rund um den Abgang unserer Ministerin Christine Aschbacher, bei der ich mich sehr herzlich für ihren Einsatz und ihr Engagement bedanke, sehr nachdenklich gestimmt. Seien wir doch wirklich in einem ehrlich: Wenn politisch engagierte Menschen zur wehrlosen Beute von selbster­nannten Jägern werden und die Vorverurteilungen zum Programm werden, dann ist das absolut inakzeptabel. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 39

Darum habe ich eine Bitte: Schauen wir, dass wir wieder zu Grundwerten wie Wertschät­zung, Leistung und Respekt, die Österreich groß gemacht haben, zurückfinden (Abg. Wurm: Bin dabei!) und das Gemeinsame vor das Trennende stellen! Österreich, seine Unternehmer und seine Arbeitnehmer haben immer bewiesen, was in ihnen steckt, und wir haben immer wieder gemeinsam Erfolgsgeschichte geschrieben. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Wurm.) Deshalb: Setzen wir jetzt Impulse, damit wir mit der Wirt­schaftskraft und der Ideenkraft unserer Betriebe und mit dem Fleiß unserer Arbeitnehmer zu unserer ausgezeichneten Performance von vor Corona zurückkommen!

Sehr geehrter Herr Minister, ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und darf Ihnen meine Unterstützung aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Kollegen Muchitsch das Wort erteile, darf ich, bevor ich vom Vorsitz gehe, noch eine Klarstellung betreffend Kollegen Angerer machen, zu dem, was er zur Geschäftsbehandlung und zu den Mitteilungen des Präsi­denten angemerkt hat:

Der Präsident ist nach § 49 Abs. 1 und 2 der Geschäftsordnung nicht nur am Anfang, sondern auch während der Sitzung und am Ende dazu berechtigt, Mitteilungen vorzu­bringen.

Anträge zur Geschäftsbehandlung brauchen nach § 59 nicht schriftlich eingereicht zu werden, sie bedürfen keiner Unterstützung und werden, sofern der Nationalrat nicht gemäß Abs. 3 die Durchführung einer Debatte beschließt, vom Präsidenten sogleich zur Abstimmung gebracht. Wird kein Antrag in der Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung gestellt, ist der Präsident berechtigt, diesen Beitrag zur Geschäftsbehandlung erst am Ende der Sitzung zuzulassen.

Darum habe ich Abgeordneten Kickl gestern gefragt, ob er einen Antrag stellen möchte – dann hätte ich ihm diese Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung erst am Ende der Sit­zung gestattet.

Zur Klarstellung: Das ist nachzulesen in der Geschäftsordnung des Nationalrates, § 49 Abs. 1, 2 und § 59.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)


10.50.25

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister Martin Kocher! Eingangs muss ich festhalten, dass die Bundesregierung nicht nur im Kampf gegen die Pandemie, sondern auch im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit versagt hat. Seit März 2020: zehn Monate keine Strategie, kein Plan, kein Licht am Ende des Tunnels, auch was die Pro­blematik am Arbeitsmarkt betrifft. Diese Bundesregierung hat in den letzten zehn Mona­ten durch ihre Unfähigkeit nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern auch die Wirtschaft und somit die Arbeitsplätze in Österreich gefährdet und vernichtet.

Es gab immer nur öffentliche Inszenierungen und leere Versprechungen. Der Herr Bun­deskanzler selbst hat am 5. Oktober vor laufender Kamera gesagt, er wird jetzt das Heft in die Hand nehmen und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Chefsache erklären. Das war wieder nur eine Inszenierung. Dreieinhalb Monate später: 533 000 Menschen sind arbeitslos. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Zehn Monate hat diese Regierung Vorschläge der Opposition im Kampf gegen die Ar­beitslosigkeit beiseitegeschoben. Vom Rednerpult aus immer wieder das Gemeinsame


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 40

zu beschwören und zu predigen, aber dann letztendlich bei der parlamentarischen Arbeit nicht zu berücksichtigen – so geht das nicht gemeinsam, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Arbeitsminister, machen Sie nicht den gleichen Fehler wie diese Bundesregierung, dass Sie im Husch-pfusch-Verfahren Gesetze auf den Tisch knallen, für die Sie dann von den Oppositionsparteien innerhalb weniger Stunden Zustimmung erwarten! So geht das nicht. Herr Arbeitsminister, machen Sie auch nicht denselben Fehler wie Ihre Vor­gängerin Christine Aschbacher, von der ich aus persönlichen Gesprächen weiß, dass sie in manchen Bereichen für betroffene Menschen mehr tun wollte, als sie letztendlich durfte, weil sie von der ÖVP zurückgepfiffen wurde.

Herr Arbeitsminister, Sie haben öffentlich erklärt, Sie sind parteiunabhängig. Sie sind jetzt ein Bundesminister in einer Regierung, wo Sie bitte nicht denselben Fehler machen dürfen wie alle anderen zuvor, indem Sie gute Vorschläge der Oppositionsparteien nicht annehmen, sondern ausschlagen. Nutzen Sie die Chance im Kampf gegen diese Re­kordarbeitslosigkeit, alle politischen Parteien miteinzubinden, deren Vorschläge zu be­werten, zu diskutieren und die besten Ideen auch umzusetzen! Nutzen Sie die politi­schen Erfahrungen der Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien, aber auch jener beim AMS beschäftigten Expertinnen und Experten, die täglich einen tollen Job machen, um den betroffenen Menschen zu helfen – aber es ist halt schwierig bei 533 000 Arbeit su­chenden Menschen und 55 000 offenen Stellen.

Herr Arbeitsminister, ich kann mich an den 28. Dezember erinnern: Der Herr Bundes­kanzler war mit dem Herrn Gesundheitsminister in einem Warteraum, da waren auch jene fünf Menschen, die als Erste geimpft worden sind. Der Bundeskanzler hat diese fünf Personen gefragt, wie es ihnen geht. – Herr Arbeitsminister, gehen Sie zu diesen betroffenen Arbeit suchenden Menschen und fragen Sie sie – die alleinerziehende Mut­ter, den Familienvater, den Langzeitarbeitslosen –, wie es ihnen damit geht, dass sie keine Chance auf einen Job haben, und wie sie es schaffen, mit 34 Euro Arbeitslosen­geld pro Tag ihre Rechnungen zu bezahlen. Fragen Sie sie! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Arbeitsminister, die Menschen erwarten sich von Ihnen, dass Sie die Anliegen aller dieser von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen vertreten. Es sind 533 000 Menschen, die sich von Ihnen rasche Maßnahmen und ein Licht am Ende des Tunnels erwarten, indem sie wieder an einen Job kommen. Daher lade ich als Vorsitzender des parlamen­tarischen Ausschusses für Arbeit und Soziales Sie ein: Versuchen wir mit Ihnen neu an der Spitze gemeinsam, diese Probleme zu lösen!

Ich darf schon heute der Partei, die Sie nominiert hat, eine Chance geben. Ich bringe namens der SPÖ zu diesen Themen folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend: „350.000 neue Arbeitsplätze – Koste es, was es wolle?!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung – insbesondere der Bundeminister für Arbeit – wird aufgefordert, die aktuellen, dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt mit einer Rekordarbeitslo­sigkeit von mehr als 533.000 arbeitslosen Menschen zu bekämpfen, statt bloß zur Kennt­nis zu nehmen und dem Nationalrat rasch ein Paket vorzulegen, welches insbesondere folgende Maßnahmen enthalten soll:

1. Eine Stärkung der Kaufkraft für kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55% auf 70% des Letzteinkommens, sowie eine Steuersen­kung für kleine und mittlere Einkommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 41

2. Milliardeninvestitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2021. Darunter Ausbildungsoffensiven in den Bereichen, Pflege, Schule und Kindergarten.

3. Die Schaffung einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose nach dem Vorbild der Ak­tion 20.000.

4. Eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen: Insbesondere über einen voll­ständigen Ersatz des Ertragsausfalls der Gemeinden, zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz sowie den sozialen Wohnbau.

5. Die Schaffung von Stiftungen für die Rettung von Arbeitsplätzen und Firmen.

Durch dieses Paket sollen 350.000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden.“

*****

Abschließend, Herr Arbeitsminister: Ich wünsche mir wirklich einen Arbeitsminister, der Lösungen vor Populismus und Parteipolitik stellt. Ich wünsche mir auch einen Arbeitsmi­nister, der Menschlichkeit vor Profilierung und Spaltung unserer Gesellschaft stellt. Nut­zen Sie die Chance einer Zusammenarbeit im Interesse aller betroffenen Menschen, die durch diesen Virus arbeitslos geworden sind! – Alles Gute. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch

Genossinnen und Genossen

betreffend: 350.000 neue Arbeitsplätze - Koste es, was es wolle?!

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1 Erklärung des Bundeskanzlers und des Vi­zekanzlers gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR betreffend „Ernennung eines neuen Bundesmi­nisters für Arbeit, Familie und Jugend“

Der neue Bundeminister für Arbeit muss angesichts der massiven Versäumnisse der Kurz-Kogler Regierung in der Pandemiebekämpfung ein schweres Erbe antreten. In den letzten Wochen und Monaten des vorangegangenen Jahres gehörte Österreich welt­weit(!) zu jenen Ländern mit den höchsten Neuinfektionen. In Österreich starben über Wochen jeden einzelnen Tag mehr als 100 Leute an der Corona-Erkrankung – dreimal so viel wie in Deutschland. Glücklicherweise war die EU für die Bestellung der nötigen Impfstoffe verantwortlich. Für die Verteilung im Land ist allerdings wiederum die öster­reichische Chaos-Regierung zuständig und die hat schon zu Beginn des neuen Jahres wieder gezeigt, Stichwort: „Impfstart“, dass sie es einfach nicht kann. Zur schlechten Per­formance in der Pandemiebekämpfung gesellen sich mittlerweile dramatische Entwick­lungen bei Arbeitsmarkt und Wirtschaft.

•             Österreich ist unter den Ländern mit dem stärksten Wirtschaftseinbruch in der europäischen Union.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 42

Anfang Dezember hat die OECD eine aktuelle Wirtschaftsprognose veröffentlicht. Es gibt kaum noch Länder, die eine schlechtere wirtschaftliche Performance in der Krise aufweisen als Österreich. In Deutschland ist der Wirtschaftseinbruch um 50%(!) schwä­cher als in Österreich.

•             Die Arbeitslosigkeit ist seit Ausbruch der Pandemie doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland.

Im Dezember 2020 waren in Österreich rund 110.000 mehr Menschen arbeitslos als vor einem Jahr. Noch nie war die Arbeitslosigkeit in der Geschichte der Zweiten Republik in diesem Monat höher. Im zehnmal so großen Deutschland liegt der Wert aber nicht etwa bei 1,1 Mio. Arbeitslosen. Mit einem Plus von nur480.000 Arbeitslosen, haben in Deutschland nur halb so viele Menschen ihren Job verloren wie in Österreich.

•             Schlechte Wirtschaftshilfen – im ersten Lockdown: zu wenig, zu bürokratisch, im zweiten Lockdown: Überförderung von einigen wenigen, viele KMUs bekommen nichts oder zu wenig.

Im ersten Lockdown im März hat man den Unternehmen die Entschädigungszahlungen aus dem Epidemiegesetz gestrichen und gesagt: „Ihr bekommt schon was.“ Sie wurden allerdings zu Bittstellern bei der Wirtschaftskammer gemacht. Die Hilfen mussten an­schließend laufend aufgestockt werden, da sie viel zu gering waren. Zu diesem Zeitpunkt haben aber binnen weniger Wochen schon 200.000 Menschen in Österreich ihren Job verloren. Es war ein Totalversagen. In Deutschland lief die Abwicklung über die Fi­nanzämter: viel schneller, viel unbürokratischer – das Resultat, weniger Arbeitslose in Deutschland.

Im zweiten Lockdown wurde glücklicherweise das umgesetzt, was die SPÖ schon im ersten Lockdown verlangt haben: Eine Arbeitsplatzgarantie mittels Kündigungsverbot für alle Menschen in den Betrieben die Hilfszahlungen erhalten. Das große ABER leider ist: Das betrifft nur Betriebe die DIREKT betroffen sind und dabei kommt es beispielsweise bei Glückspielkonzernen und Luxushotels im Westen teilweise zu massiven Überförde­rungen. Betriebe die nur indirekt betroffen sind, warten teilweise bis heute auf entspre­chende Hilfszahlungen. Die Folge: In den nächsten Monaten wird eine massive Pleite­welle über Österreich rollen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 43

•             Keine Pakete zur Stärkung der Massenkaufkraft und Verhinderung von Armut

Weitsichtige Politik müsste – insbesondere angesichts dessen, dass Österreich beim Wachstum der Wirtschaft jetzt auf die hintersten Plätze in der EU zurückgefallen ist – die Massenkaufkraft stärken und angesichts Rekordarbeitslosigkeit auch ein Paket zur Verhinderung von Armut schnüren. Die SPÖ hat wiederholt im Nationalrat eine Senkung der Lohnsteuer für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von 5 Mrd. € sowie eine Anhebung des Arbeitslosengeldes von 55% auf 70% gefordert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung – insbesondere der Bundeminister für Arbeit - wird aufgefordert, die aktuellen, dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt mit einer Rekordarbeitslo­sigkeit von mehr als 533.000 arbeitslosen Menschen zu bekämpfen, statt bloß zur Kennt­nis zu nehmen und dem Nationalrat rasch ein Paket vorzulegen, welches insbesondere folgende Maßnahmen enthalten soll:

1. Eine Stärkung der Kaufkraft für kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55% auf 70% des Letzteinkommens, sowie eine Steuersen­kung für kleine und mittlere Einkommen.

2. Milliardeninvestitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2021. Darunter Ausbildungsoffensiven in den Bereichen, Pflege, Schule und Kindergarten.

3. Die Schaffung einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose nach dem Vorbild der Ak­tion 20.000.

4. Eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen: Insbesondere über einen voll­ständigen Ersatz des Ertragsausfalls der Gemeinden, zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz sowie den sozialen Wohnbau.

5. Die Schaffung von Stiftungen für die Rettung von Arbeitsplätzen und Firmen.

Durch dieses Paket sollen 350.000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Ich würde bitten, dass man die Namen zu den Unterschriften dazuschreibt, damit man überprüfen kann, ob es wirklich fünf sind.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koza. – Bitte.


10.57.24

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über 532 000 Menschen sind aktuell arbeitslos, das haben wir bereits gehört. Besonders dramatisch ist dabei der Anstieg der Langzeitarbeitslosig­keit, die aus unserer Sicht wohl eine der größten Herausforderungen in den nächsten Monaten und Jahren sein wird.

Wir haben jetzt mit 700 Millionen Euro ein Joboffensivpaket geschnürt, das insbeson­dere auf Qualifizierung, auf Weiterbildung, auf berufliche Umorientierung und auch auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 44

Arbeitsstiftungen setzt; es soll in die Pflege, in digitale Berufe und in Green Jobs inves­tiert werden, was auch tatsächlich zukunftsweisend ist. In Kombination mit den Investi­tionstätigkeiten, die wir im Bereich des Klimaschutzes, im Bereich der Pflegereform vor­haben (Abg. Wurm: ... Lösung!), ist das auch sehr sinnvoll, weil daraus entsprechende Beschäftigungseffekte entstehen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Allerdings ist zu befürchten, dass das alleine nicht ausreichen wird, um insbesondere die Gruppe von Menschen, die von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen sind, ent­sprechend zu unterstützen und die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. (Abg. Wurm: Wie?) Die aktuellen Zahlen dahin gehend sind schon sehr beeindruckend, denn wir ha­ben aktuell 170 000 Langzeitbeschäftigungslose. Es wird vermutlich nicht ohne entspre­chende Beschäftigungsprogramme – Beschäftigungsprogramme in der Privatwirtschaft, in kommunalen Diensten, aber auch in gemeinnützigen Unternehmen – gehen, das sage ich hier ganz klar – auch aus einer grünen Position heraus –, am besten kombiniert mit Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten.

Wir wissen zwar, dass derartige Programme nicht unumstritten sind, aber es gibt sie tatsächlich schon. Wir haben beispielsweise dieses Programm für 1 000 administrative Kräfte im Bereich der Pflichtschulen. Wir haben die Vermittlung von Menschen in Arbeits­losigkeit in das Contacttracing. Wir sind der Meinung, diese Programme gehören ausge­weitet, diese Programme gehören gefördert, für diese Programme braucht es auch mehr Geld.

Es war daher für mich sehr erfreulich, dass ich heute im „Standard“ wie schon auch in einem „Kurier“-Interview mit Ihnen vom September gelesen habe, dass Sie für derartige Beschäftigungsprogramme durchaus offen und zu haben sind. Das ist sehr ermutigend. Ich würde sagen: Gehen wir es möglichst bald an!

Was man allerdings auch ganz klar sagen muss: Der hohe Stand an Arbeitslosen ist längst nicht nur der Coronakrise geschuldet, sondern er ist schon auch die Folge der Finanzkrise von 2008 und den Folgejahren. Es wurde einfach nach der Wirtschaftskrise, der Finanzkrise 2008 nie wieder der Stand der Arbeitslosigkeit von vor der Krise er­reicht. Ich erinnere daran, dass sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen bis 2016 auf 160 000 Betroffene erhöht hat, also beinahe auf das gleiche Niveau wie heute gestiegen ist, und auch in den folgenden Boomjahren – wir erinnern uns: 2019 war noch ein Wachs­tumsjahr – nicht wirklich deutlich gesunken ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vor­sitz.)

Dieser Arbeitslosensockel ist nicht zuletzt auch deswegen in der Finanz- und Wirt­schaftskrise von 2008 und den Folgejahren gestiegen, weil leider viel zu früh mit Spar­maßnahmen und der Budgetkonsolidierung begonnen worden ist. Wir erinnern uns an den Beschluss hier von SPÖ und ÖVP zum Fiskalpakt, der letztlich in ganz Europa gleichzeitig diese Konsolidierungsmaßnahmen vorangetrieben hat. Das hat zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, zu verlorenen Jahren und zu diesem hohen Ar­beitslosensockel, den es seit damals gibt, geführt.

Das heißt einfach, was wir aus dieser Zeit lernen müssen, ist: Ja nicht zu früh zum Bud­getkonsolidieren anfangen! Ja nicht zu früh zum Sparen anfangen, sondern eben aus der Krise hinausinvestieren, wie es auch Vizekanzler Kogler immer wieder betont! Ich hoffe, diese Lehren werden nicht nur in Österreich gezogen, sondern auch im ganzen europäischen Raum.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben in Ihrer Antrittsrede auch gemeint, dass Sie sich sehr darauf freuen, mit den Sozialpartnern und den anderen Stakeholdern in der Arbeits­marktpolitik zusammenzuarbeiten. Diese Ankündigung begrüßen wir außerordentlich.

Wir halten eine Kooperation mit den Sozialpartnern, den Gewerkschaften, den Arbeiter­kammern, den Arbeitgeberverbänden, für ausgesprochen wichtig und zielführend. Die


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Lösungskompetenz der Sozialpartner hat sich nicht zuletzt auch in dieser Krise beson­ders gezeigt. Ich denke sowohl an die Coronakurzarbeit als auch an dieses Testungs­paket jetzt, an den Generalkollektivvertrag zu den Testungen. Wir können Sie in dieser Zusammenarbeit nur bestärken, weil wir die Lösungskompetenz der Sozialpartner nicht nur bei der Überwindung der Krise brauchen werden, sondern auch, wenn es darum geht, den strukturellen Wandel in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft auch sozial gerecht zu gestalten, eine Just Transition herzustellen, damit niemand überbleibt.

Ich möchte Sie auch dringend einladen, auch mit anderen Stakeholdern in Kontakt zu treten. Ich denke da beispielsweise an Arbeit plus, den Verband der Sozialen Unterneh­men in Österreich, an die Armutskonferenz, die die Stimme auch für diejenigen erhebt, die auf dem Arbeitsmarkt oft zu wenig gehört werden, deren Probleme zu wenig gesehen werden. Ich würde Sie dringend ersuchen, auch im Sinne Ihrer Offenheit, wie wir sie kennen, tätig zu werden.

Zu guter Letzt: Wir müssen alles tun, damit die Gesundheitskrise nicht zu einer dauerhaf­ten, tiefgreifenden sozialen Krise wird. Das ist uns im letzten Jahr nicht so schlecht ge­lungen, wie uns auch die Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigen. Insbesondere auch die Notstandshilfe hat sich als wirksamer und wichtiger automatischer Stabilisator be­währt. Wir dürfen aber nicht vergessen – auch wenn wir es 2020 noch geschafft haben –, diese krisenhaften sozialen Entwicklungen aufzufangen: Gerade Menschen in Langzeit­arbeitslosigkeit sind besonders armutsgefährdet. Da steigt nämlich die Armutsgefähr­dung auf 46 Prozent.

Der Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist damit auch ein Kampf für eine bessere soziale Absicherung, für eine Verbesserung von Chancen und Perspektiven und für die Schaffung von Jobs. Mit Druck auf Arbeitslose schaffen wir keinen einzigen Job, mit weniger sozialer Sicherheit genauso wenig.

Zum Abschluss, sehr geehrter Herr Minister: Sie haben in Ihrem „ZiB-2“-Interview Voll­beschäftigung als Ziel genannt. Vollbeschäftigung ist ein Wort, das heute nicht mehr besonders oft verwendet wird. Wir finden das sehr schade, weil dieses Ziel zu erreichen absolut lohnenswert ist. Sehr geehrter Herr Minister, wir werden unser Bestes tun, Sie bei der Erreichung dieses lohnenswerten Ziels auch zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


11.04.48

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte heute ist nötig, weil ein türkises Regie­rungsmitglied untragbar für diese Republik geworden ist. Ich weiß, dass viele TV-Zuse­her zu Hause jetzt spontan an die Verteidigungsministerin oder den Innenminister den­ken werden. Ja, auch die sind untragbar geworden, aber zurückgetreten, sehr geehrte Damen und Herren, ist die Arbeitsministerin. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Immer dann, wenn ein Regierungsmitglied zurücktreten muss, ist das kein Jubeltag für die Regierung, und in diesem Fall ist es natürlich auch kein Jubeltag für die türkise ÖVP. Untragbar ist Frau Aschbacher aus unserer Sicht nicht geworden, weil sie vorverurteilt wurde oder plagiiert hat oder abgeschrieben hat, denn das ist eh Usus im Team Kurz. Indem er plagiiert hat, ist er ja auch Kanzler geworden: Er hat nämlich das freiheitliche Parteiprogramm abgeschrieben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist nicht das Problem. Das Problem an billigen Kopien ist jedoch, dass man danach nicht in der Lage ist, die Theorie auch in die Praxis umzusetzen. Genau diese Praxis


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 46

aber würde Österreich jetzt dringend brauchen, nämlich keine Kopien und Theorien, son­dern Persönlichkeiten, die anpacken und handeln.

Das ist der Pferdefuß an der ganzen Geschichte, sehr geehrte Damen und Herren: dass jetzt aufgeflogen ist, dass es im Team Kurz nicht ums Anpacken und ums Handeln geht, sondern nur um PR, Showpolitik und Pressekonferenzen. Es bräuchte aber gerade in einer Krise, sehr geehrte Damen und Herren, Persönlichkeiten, die für die Österreiche­rinnen und Österreicher arbeiten und nicht für ihre persönliche Karriere, ihren persönli­chen Vorteil und ihr persönliches Fortkommen. Genau das passiert aber im Team Kurz und bei den Ministern des Team Kurz. In einem Satz zusammengefasst: Im Team Kurz geht es vor allem um den Vorteil des Teams Kurz.

Während Frau Aschbacher sich bei unzähligen Pressekonferenzen und auch mithilfe des Kanzlers – unter Anführungszeichen – „positiv“ als Arbeitsministerin verkauft hat, ist die Wahrheit, dass sie im Hintergrund an ihrer Dissertation geschrieben hat. Sehr geehr­te Damen und Herren, das ist der Grund, warum sie untragbar für dieses Land geworden ist: dass sie als Arbeitsministerin in der größten Arbeitsmarktkrise der Zweiten Republik, mitten in einem Lockdown, im Jahr 2020 nichts Besseres zu tun hat, als aus Eigeninter­esse an einer Dissertation und an Sonstigem zu arbeiten, anstatt ihren Job zu erledigen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist die große Demütigung: Hunderttausende Arbeitslose wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen, und was macht das Team Kurz? – Es kümmert sich um sich selbst. Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher in Kurzarbeit wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen, und was macht das Team Kurz? – Es kümmert sich um sich selbst. Hunderttausende soziale und wirtschaftliche Opfer Ihrer Regierungs­politik wissen nicht mehr weiter, und was macht das Team Kurz? – Es kümmert sich um sich selbst. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine Demütigung unserer Bevöl­kerung, die nicht mehr tragbar ist, eine Demütigung aller Arbeitslosen, aller Menschen in Kurzarbeit und aller sozialen und wirtschaftlichen Opfer dieser Krise. Vor den Kulissen machen Sie Pressekonferenzen, hinter den Kulissen kümmern Sie sich um sich selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren! Viel wird – außer dem Foto mit dem Baby zum Bei­spiel – von der Arbeitsministerin nicht übrig bleiben. Das ist halt das Problem, wenn Poli­tiker nicht arbeiten. Ein ähnliches Problem gibt es ja auch bei den Grünen. Da wird von der Klubobfrau auch nur ein Foto in Erinnerung bleiben – da das Stinkefingerfoto, dort das Babyfoto. Dem Land werden Sie mit dieser Showpolitik nicht helfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer trägt die Verantwortung für diesen Schlendrian im Team Kurz? – Ich muss Ihnen sagen: Nein, es ist nicht Herbert Kickl, sondern es ist Sebastian Kurz. Wie schaut das Rezept aus, um aus diesem Schlendrian, aus dieser Showpolitik wieder herauszukommen und dieses Land aus dieser Geiselhaft zu befrei­en? – Das Rezept ist ganz einfach. Frau Aschbacher hat es vorgemacht: Sie ist zurück­getreten. Viele von Ihnen, allen voran Kanzler Kurz, sollten es ihr gleichmachen und ihr folgen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


11.09.22

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Minister Kocher! Ich habe ein schönes Zitat gelesen: „Für die Regierung ist es – ob zufällig oder nicht – eine Erlösung“, dass Frau Aschbacher nicht mehr Teil des Teams ist.

Es ist jedenfalls eine große Chance, dass wir jetzt einen Fachmann an die Spitze des Arbeitsministeriums bekommen. Ich freue mich persönlich, einmal in einem Ausschuss


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zu sitzen, in dem nicht der Abgeordnete dem Minister erklären muss, was eine Teilver­sicherung ist und was eine Lump-of-Labour-Fallacy ist, weil der das viel besser weiß als die Abgeordneten. Das freut mich. (Beifall bei den NEOS.)

Wir hätten uns auch gefreut, wenn der Herr Bundeskanzler die Gelegenheit genutzt hätte, diesen Zug zu den Fachleuten im Rahmen einer größeren Regierungsumbildung umzusetzen, weil natürlich ein eigenes Gesundheitsministerium auch eine Fachperson an der Spitze verdient hätte.

Die Arbeitsmarktzahlen sind genannt worden. Wir haben mehr als eine halbe Million Ar­beitslose und wir haben mehr als 400 000 Personen in Kurzarbeit. Die Langzeitarbeitslo­sigkeit steigt vor allem bei den Jungen. Die Jungen sind die, die für diese Krise in jeder Hinsicht am meisten zahlen müssen, betreffend Bildung, auf dem Arbeitsmarkt und be­treffend Verschuldung. Daher braucht es Lösungen, die uns aus diesem Schlamassel schnell wieder herausbringen.

Wir brauchen auch einen Weg aus der Kurzarbeit heraus. Kurzarbeit ist gut als Brücke von einem Ufer zum anderen, Kurzarbeit kann nie ein Steg in den Ozean sein. Bei man­chen Unternehmen besteht die Gefahr, dass die Republik ihnen einen Steg in den Ozean, aus dem sie nicht mehr herausschwimmen können, gebaut hat. Je länger die Kurzarbeit dauert, umso höher ist der Anteil der Jobs, die eigentlich schon vor der Co­ronakrise strukturell problematisch waren. Damit machen dann staatlich am Leben ge­haltene Firmen den ökonomisch gesunden Konkurrenz und ruinieren diese Arbeitsplätze auch noch. Das sollten wir nicht unnötig in die Länge ziehen.

Wahrscheinlich geht es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie mir: Wir erhalten jede Woche Anrufe von Bürgern, die uns aufmerksam machen, dass da und dort sys­tematisch Kurzarbeitsbetrug betrieben wird, weil ein Automechaniker die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat, diese aber gar nicht kurzarbeiten, sondern Vollgas arbeiten, und nur das System ausgenützt wird. – Auch da gilt es, weiter die Zügel anzuziehen. Die Kurzarbeit ist insgesamt ein wichtiges Instrument, vielleicht aber auf Dauer auch zu billig geworden.

Ein weiteres Problem auf dem Arbeitsmarkt ist der Fachkräftemangel. 61 Prozent der Unternehmen, die Fachkräftemangel vermelden, haben Umsatzeinbußen, weil sie Fach­kräftemangel haben. Das führt natürlich zu einem Rückgang bei der Innovation, zu einem Rückgang bei der Produktentwicklung. Daher ist auch der Fachkräftemangel und das vom Herrn Minister angesprochene Thema Qualifikation ein großes Arbeitsfeld, auf dem Sie sich noch bewegen werden müssen.

Der Arbeitsminister ist aber in der Republik Österreich natürlich ein Stück weit ein König ohne Land. Sie haben zwei Sektionen für den Arbeitsmarkt – Sie haben die Präsidialsek­tion als dritte, aber die ist halt für die Garnitur –, substanziell das AMS und das Arbeits­inspektorat. Im AMS muss man sich mit ein bisschen behäbiger Gewerkschaftslogik he­rumschlagen; es ist nicht leicht, dort Dynamik hineinzubekommen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wir sehen auch in dieser Regierung, dass es Expertise nicht leicht hat. Fragen Sie ein­mal bei einem privaten Gespräch Ihren Kollegen Faßmann – man kann viel Expertise und auch viel Durchsetzungswillen haben, wird dann aber von der Kurzschen Partie eingebremst und kann nicht gestalten. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich über dieses Kurzsche Regime hinwegsetzen und Ihrer Expertise zum Durchbruch verhelfen können.

Wir werden uns natürlich immer daran erinnern, was Sie in Ihrer vorigen Funktion gesagt haben: Die Arbeitskosten in Österreich sind zu hoch, wir müssen bei den Lohnnebenkos­ten etwas machen. Mein Kollege Sepp Schellhorn würde sagen, die Mitarbeiter kosten zu viel und verdienen zu wenig. Wir brauchen eine Pensionsreform, die diese Regierung


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auch nicht vorgesehen hat. Auch da haben Sie sich schon früher eindeutig positioniert. Ich freue mich, wenn ich von Ihnen lese, dass ein degressives Arbeitslosengeld ange­sagt wäre. Das sind viele gute Ideen. Und ich freue mich, dass Herbert Kickl auch Fi­nanzmagazine liest und dort Ihre Interviews nachlesen kann. Ich wünsche Ihnen alles Gute. (Beifall bei den NEOS.)

11.14


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


11.14.31

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, vor allem sehr geehrter Herr Minister Kocher! Sie treten Ihr Amt in einer sehr herausfordernden Zeit an. Die Covid-Krise hat das Land nach wie vor fest im Griff.

Als Familiensprecherin der SPÖ weise ich seit Monaten darauf hin, dass Familien und Kinder besonders unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise leiden. Die psychi­schen und die finanziellen Belastungen sind für viele Familien kaum mehr verkraftbar. Die Verzweiflung wächst jeden Tag ein Stück mehr. Diese Familien fühlen sich nicht unterstützt. Sie schöpfen keine Hoffnung aus den ständigen Pressekonferenzen der Regierung. Sie fühlen sich durch unterschiedlichste, ständig neue Informationen aus den Medien und zusätzliche Gerüchte aus den sozialen Medien verunsichert. Gibt es wieder Präsenzunterricht? Wenn ja: wann und wie? Wie genau wird er gestaltet? Und vor allem: Wie soll ich das als Familie bewerkstelligen und schaffen?

Wissen Sie, wie schwierig es für ein minderjähriges Kind ist, dass es nicht mit beiden Elternteilen seine Großeltern besuchen darf? Das ginge mit der momentanen Regel nur, wenn sie sich auf einer Skipiste treffen. Das soll einmal jemand seinem Kind erklären, das ist nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese Ankündigungspolitik und diese Unklarheiten zermürben die Menschen. Eltern sind verunsichert, und das spüren besonders die Kinder. Dabei sind Sicherheit und Klarheit genau das, was wir alle in einer Krise brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wo bleiben die klaren Aussagen der Regierung? Wo bleiben die Regelungen, die nach­vollziehbar sind? Nach zehn Monaten Krise mit all ihren Entbehrungen und nachhaltigen Folgen gibt es noch immer keinen erkennbaren Plan. Genau solche nicht nachvollzieh­baren Regelungen versteht einfach keiner mehr, das macht die Menschen müde und das macht die Menschen wütend.

Wo bleibt die finanzielle Unterstützung für Familien, die es geldmäßig besonders schwer haben? Der Coronafamilienhärteausgleich sollte schnelle und unbürokratische Hilfe brin­gen. Es gibt aber viele Familien, die immer noch auf die Auszahlung warten. Dabei ha­ben diese eigentlich noch Glück, denn sie können darauf hoffen, dass doch noch Geld auf ihrem Konto eintrifft. Andere Familien sind nämlich gar nicht anspruchsberechtigt, zum Beispiel können getrennt lebende Eltern gar nicht ansuchen. Ungerecht ist auch, dass der Familienhärtefonds nur Unterstützung für drei Monate auszahlt. Dass das auf­grund dieser andauernden Krise nicht ausreichen kann, erklärt sich von selbst. Viele ArbeitnehmerInnen sind schon mehr als drei Monate in Kurzarbeit oder in der Langzeitar­beitslosigkeit gelandet.

Werte Damen und Herren! Ich wiederhole es: Familien sind besonders stark von der Covid-Krise betroffen, und jene Familien, die auf Unterstützung aus einem Hilfsfonds angewiesen sind, haben keine Reserven und keine anderen Möglichkeiten. Die Reform des Familienhärtefonds wird immer dringender notwendig.


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Sehr geehrte Frau Ministerin Raab! Sie werden die Agenden Familie und Jugend über­nehmen. Es gibt sehr viele dringend zu erledigende Aufgaben im Bereich Familie. Wir erwarten uns Ihren vollen Einsatz für die Familien in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.


11.18.32

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher der heutigen Natio­nalratssitzung! Vor gut einem Jahr wurde die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen angelobt, mit einem Regierungsprogramm, das voller Ideen und zukunftsweisender Maßnahmen für Österreich ist. Es ist ein Programm, das gerade auch eine junge Hand­schrift trägt.

Vor gut zehn Monaten ist dann die Coronapandemie auch über Österreich hereingebro­chen und hat unser Land erreicht. Seither hat sich nicht nur der Alltag jedes Einzelnen, sondern auch die politische Diskussion sehr, sehr stark verändert. Nichtsdestotrotz hat unsere Bundesregierung aber bereits viele der Maßnahmen und Ideen aus dem Regie­rungsprogramm im vergangenen Jahr, im ersten Jahr der Amtszeit dieser Bundesregie­rung, umsetzen können.

Insbesondere im Bereich Jugend möchte ich hier kurz ein paar Meilensteine aufzählen: Die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für alle berufstätigen Studierenden, die Digitalisie­rung an den Schulen, die insbesondere auch durch Corona vorangetrieben wurde, die Aufwertung der Lehre und des Meistertitels oder auch die Einführung des Lehrlings­bonus. Nicht zuletzt durch den Lehrlingsbonus wurden viele, viele Lehrstellen und damit auch die Ausbildung junger Menschen in diesem Land, insbesondere während dieser Wirtschaftskrise, abgesichert. Jugendliche brauchen eine Beschäftigung und eine Pers­pektive während der Krise, vor allem aber auch für die Zeit nach der Krise.

In diesem Sinne wünsche ich unserem neuen Arbeitsminister Martin Kocher alles Gute für seine neue Aufgabe und Herausforderung. Ich freue mich gleichzeitig auch auf die Zusammenarbeit mit dir und natürlich auch auf die mit unserer neuen Jugendministerin Susanne Raab. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Pandemie und ihre Folgen werden uns in den nächsten Monaten noch viel abver­langen. Meiner Meinung nach ist die größte Aufgabe aber, die Gesellschaft, unser Land wieder zu einen. Das ist die Aufgabe von uns allen, auch von der Opposition, denn jeder Einzelne, der hier im Hohen Haus sitzt, ist gewählt worden, um für Österreich zu arbeiten und Verantwortung in unserem Land zu übernehmen, besonders dann, wenn es nicht leicht ist. Das kann sich die Bevölkerung von uns im Parlament auch zu Recht erwarten. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Tage schauen wir oft in die USA, in ein Land, das komplett gespalten ist, in ein Land, in dem die Demokratie den Menschen offenbar immer weniger wert ist, in ein Land, in dem Polarisierung sogar zu gewaltsamen Ausschreitungen führt. Wir Österreicherin­nen und Österreicher dürfen unter keinen Umständen einen derartigen Keil zwischen uns kommen lassen. Dazu möchte ich einige Worte vor allem an die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ richten, insbesondere an den Kickl-Flügel in der FPÖ – ihr seid ja sogar in diesen Fragen parteiintern sehr gespalten –: Ich komme aus Oberösterreich wie Kollege Klubobmann Wöginger, er hat es in seiner Rede schon erwähnt –, die dor­tige FPÖ hat ja schon über die Medien ausrichten lassen, was man innerhalb der FPÖ vom fahrlässigen Kurs Kickls hält. Der Einzige, der Angst und Panik verbreitet, das sind Sie, Herr Kickl. Sie verunsichern, Sie spalten und Sie verbreiten bewusst Unwahrheiten. Das ist in Zeiten wie diesen völlig verantwortungslos. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)


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Sie missbrauchen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung (Abg. Kickl: So jung und so unkritisch!), Sie schädigen nachhaltig das Vertrauen in die Wissenschaft (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und damit verunsichern Sie, damit treiben Sie bewusst einen Keil zwischen die österreichische Bevölkerung. (Abg. Belakowitsch: Wer sind Sie über­haupt? Abg. Kickl: ... Happy Nature!)

Herr Kickl, ich glaube aber, Sie sind schlauer, als Sie sich hier im Hohen Haus geben. Sie wissen ganz genau, dass ein schnelles Öffnen die Spitäler enorm überlasten würde, und Sie wissen ganz genau, dass die Massentests notwendig sind, um die Coronapan­demie einzudämmen. (Abg. Kickl: Happy Nature steht da drauf!) Sie wissen auch, dass die Impfung unser einziger Weg aus dieser Pandemie ist, aber Sie behaupten aus Partei­taktik etwas ganz anderes. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus Parteitaktik (Abg. Belakowitsch: Bei uns gibt’s keine Parteitaktik!) spielen Sie be­wusst mit den Ängsten und Sorgen der Bevölkerung, Sie leugnen wissenschaftliche Fakten aufgrund von Youtube-Videos (Abg. Kickl: Gar nicht wahr!) und alternativen In­formationen, die Sie daraus gewinnen, und Sie vertrauen in der Pandemiebekämpfung namhaften Coronaleugnern (weiterer Zwischenruf des Abg. Kickl) wie Michael Wendler, Attila Hildmann oder Xavier Naidoo. Das ist absolut nicht wissenschaftlich, was Sie da machen, das verunsichert nur und spaltet die Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP. Zwi­schenruf des Abg. Hauser.)

Vielmehr müssten Sie auf die Bevölkerung vertrauen (Abg. Kickl: Zuhören und nicht diese Messagecontrol ...!), auf jene Menschen, die die Situation tagtäglich in den Kran­kenhäusern erleben, auf die Menschen, die Impfstoffe in Rekordzeit entwickelt haben. Das, was Sie hier machen, ist absolut gefährlich und fahrlässig. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Kickl: Ja, ja, macht nur weiter so!)

In diesem Land sind keine Verunsicherer und Spalter gefragt, gefragt sind Verantwor­tungsträger. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Kickl.) Sie übernehmen absolut keine Ver­antwortung, indem Sie zum Boykott von Massentests und zum Boykott von Impfungen aufrufen. (Abg. Kickl: Da braucht man niemand aufrufen! Die Leute sind gescheit ge­nug!) Sie übernehmen absolut keine Verantwortung, wenn Sie umgekehrt vorschlagen, alles ab sofort aufzusperren, als gäbe es kein Corona, als gäbe es keine britische Mu­tation, als gäbe es keine gefährdeten Risikogruppen. (Abg. Kickl: Ah, die britische Muta­tion!)

So wie wir diese Pandemie nur gemeinsam bekämpfen können, wenn jeder Einzelne seinen Beitrag leistet, so lade ich auch Sie als demokratisch gewählte Vertreter hier im Parlament ein, konstruktiv mitzuarbeiten und zur Abwechslung einmal Vorschläge und Lösungen auf den Tisch zu legen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ja, auch die FPÖ wurde gewählt, um für Österreich, für die Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten, und vor allem auch, um Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen. Abg. Kickl: Nächste Beauftragte der JVP!)

11.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.24.40

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Bundesre­gierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister! Ich möchte Ihnen betreffend Ihr „Zeit im Bild 2“-Interview nur eines nachschicken, auch wenn die Kollegen von den Grünen gerade ins Gespräch vertieft sind und das durchaus ein bisschen stören – es ist egal, sie können es auch gerne in der TVThek nachschauen –: Es hat sich noch nie als Fehler erwiesen, gegen menschenunwürdige Lebensbedingungen einzutreten.


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Es hat sich auch noch nie als Fehler erwiesen, für Menschlichkeit zu sein. Deswegen ist es ganz wichtig – das möchte ich betonen –: Schauen wir nicht länger zu, wie es in den Lagern in Bosnien und Griechenland zugeht. Handeln wir! Wir wären da Bündnispart­nerinnen und Bündnispartner. Holen wir die Menschen dort endlich raus, alles andere ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das Jugendressort wandert nun gemeinsam mit dem Familienressort zu Ministerin Raab, die nun für Frauen, Gleichstellung, Kultus, Integration und dann eben auch für Familie und Jugend zuständig ist. Das ist ein breites Feld, und ich bin gespannt, wie viel Zeit letztendlich wirklich für die Jugendagenden übrig bleibt, denn auch in der Bundesre­gierung hat der Tag nur 24 Stunden. Diese massive Ressortagglomeration sehe ich ehrlicherweise schon als bedenklich. Wir bräuchten eigentlich etwas komplett anderes: eine eigenständige, inklusive Jugendpolitik mit einem Ressort, das entsprechend ausge­stattet ist – kein Beiwagerl, kein Sammelsurium, kein Teilbereich irgendwo, sondern eine selbstbewusste Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hören immer: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Kinder und Jugendliche sind mit der Politik, die gemacht wird, am längsten konfrontiert. – Das sind Zitate, die wir im politischen Alltag ständig hören. Wir müssen diesen Zitaten aber auch Leben einhau­chen, das wahrnehmen und Kinder- und Jugendpolitik hier im Hohen Haus und auch in der Bundesregierung einen entsprechenden Stellenwert einräumen. Ich glaube, das ist wichtig.

Junge Menschen wollen teilhaben. Wir haben das jetzt auch beim Demokratiemonitor, der schon zum dritten Mal gemeinsam von Sora und dem Parlament erhoben wurde, wieder gesehen. Da kommt ganz klar raus, junge Menschen sind an Politik interessiert, sie wollen mitmachen. Diesen Tatendrang müssen wir hören, müssen wir wahrnehmen: Ja zu einem eigenständigen, selbstbewussten, klaren Kinder- und Jugendministerium! (Beifall bei der SPÖ.) Auf Twitter liest man schon: die Ministerin für alles, was der ÖVP eh irgendwie wurscht ist.

Ich glaube, es gibt einige wichtige große Punkte, derer man sich als Kinder- und Jugend­ministerin durchaus annehmen muss. Die Jugendarbeitslosigkeit war schon ein Thema, deren massive Bekämpfung muss Priorität Nummer eins sein. Wir wissen, nichts ist so prägend wie eine Lücke ganz am Anfang des Lebenslaufs. Das zieht sich durch wie ein roter Faden. Es braucht ein knackiges, konkretes Maßnahmenpaket – keine Taskforce, die vollmundig inklusive Doorstep angekündigt wird, wo letzten Endes wieder nichts rauskommt, die nur ein Showprojekt ist. Wir brauchen wirklich Konkretes! Die Jugend­strategie haben wir gemeinsam beschlossen – ein guter Punkt –, sie muss aber mit Le­ben erfüllt werden; ein Zeitplan und konkrete Maßnahmen sind auch da notwendig.

Ich möchte Ihnen einfach noch einmal die Concluding Observations aus Genf mitgeben, Frau Ministerin, bitte schauen Sie sich das an. Wir haben sonst immer nur gehört, es wird evaluiert, es wird geschaut und so weiter. Drücken wir auf die Tube, schütteln wir die Seepocken vom Boot ab, die verlangsamen es nur. Wir müssen jetzt wirklich einen Zahn zulegen. Auch die Folgen von Lockdown, Schulschließungen und Co sind Thema, genauso wie psychische Folgen der Coronakrise, die Kinder und Jugendliche beschäf­tigen – die Medizinische Universität Innsbruck hat es erneut in einer Studie dargelegt.

Bitte warten Sie nicht länger zu, machen wir eine moderne, starke Jugendpolitik! Fangen wir endlich an und räumen wir ihr den Stellenwert ein, den sie wirklich verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 52

11.28.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Vizekanz­ler! Liebe Regierungsmitglieder! Sehr geschätzter Martin Kocher! Also eines muss man dieser Regierung, dem Bundeskanzler, lassen: Man muss ihnen gratulieren, denn auch ich bin wirklich froh über diesen Experten, den diese Regierung jetzt besitzt. Er ist der Einzige, der auch etwas vom Fach versteht.

Man kann jetzt sagen, es gibt viele talentierte Regierungsmitglieder. Bei manchen muss man halt fragen: Wo ist da das Talent? Das ist auch die Frage, die uns sehr beschäftigt. Nichtsdestotrotz hat es Gerald Loacker völlig richtig gesagt: Herr Minister Kocher, Sie sind ein König ohne Land. Es ist zu hoffen, dass Sie nicht ein erneuter PR-Schmäh die­ser Regierung sind, sondern dass Sie mit Ihrer Expertise und mit Ihrer evidenzbasierten Politik auch durchgreifen können. Das ist der große Wunsch.

Darum kann es für Sie wahrscheinlich auch härter werden – wie das der Bundeskanzler gesagt hat: Wenn Sie Minister werden, werden Sie härter angefasst. Härter werden Sie nur dann angefasst, wenn Sie sich nicht durchsetzen können und wenn Sie aufgrund von parteipolitischen Taktierereien gewisse Dinge nicht angreifen.

Der springende Punkt ist – und damit stehe ich völlig im Widerspruch zu Klubobmann Kickl –, dass wir Mitarbeiter in Beschäftigung, Arbeitslose in Beschäftigung bringen müs­sen. Das ist besonders wichtig und die wirtschaftspolitisch wichtigste Angelegenheit. Sie sind für eine Querschnittsmaterie zuständig, und ich hoffe sehr, dass Sie sich da als Regierungsmitglied durchsetzen können.

Der wichtigste Punkt ist, den Kostenfaktor Arbeit dramatisch zu entlasten. Es bringt uns nur etwas, wenn wir mehr Mitarbeiter in Beschäftigung kriegen. In der angespannten wirtschaftlichen Lage ist es vielen Unternehmen nicht möglich, mehr Beschäftigung zu bieten. Es muss unser erstes Ziel sein, dass die Mitarbeiter mehr verdienen und weniger kosten, viel weniger kosten. Das wäre ganz etwas anderes, als, und sei es auch nur temporär, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, denn das bringt uns keine Mehrbeschäfti­gung. Es geht vor allem darum, dass wir Mitarbeiter in Beschäftigung bringen.

Sie haben auch völlig richtig gesagt, oder nein, der Vizekanzler hat es gesagt, dass es gilt, neue Jobs durch Ökologisierung zu schaffen. Ja, Herr Arbeitsminister Kocher, viel­leicht können Sie durchsetzen, dass endlich einmal die Gewerbeordnung reformiert wird. Dadurch könnten wir auch neue Arbeitsplätze schaffen, neuen Unternehmen Möglichkei­ten bieten, sich zu entfalten. Es wäre gerade in einer Krise ganz, ganz wichtig, nicht an diesem starren System hängen zu bleiben. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Minister Kocher, wir dürfen nicht nur daran denken, für Homeoffice klare Regeln aufzustellen, sondern es geht auch darum, durch Flexibilisierung neue Arbeitswelten zu schaffen. Wir können durch Arbeitszeitflexibilisierung neue Jobs schaffen, wie Sie auch immer richtig gesagt haben. Ich bin so froh, dass Sie gerade Minister geworden sind, weil die NEOS-Politik immer ungefähr deckungsgleich mit Ihren Expertisen, mit Ihren evidenzbasierten Meinungen war. Es geht auch um eine Staatsreform, einen dramati­schen Bürokratieabbau und eine Verschlankung des Staatsapparats, ohne dass der Bürger einen Nachteil davon hat.

Da könnten wir uns jetzt über Föderalismus und Förderalismus unterhalten. Föderalis­mus ist zwar nicht Ihr Fachgebiet, aber ich zähle trotzdem noch einmal auf Ihre Expertise in dieser Regierung, weil in der Regierung ja das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Das wäre da der Zugang.

Bildung und Pensionsreform greife ich gar nicht auf. Es ist Ihnen sicherlich bewusst, was wir gestützt auf ein Wirtschaftsverständnis im Bildungsbereich angehen müssen, dass da grundlegende Reformen anstehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 53

Lassen Sie mich noch zwei Punkte anführen. Sie sagen, Sie sind Experte für Arbeits­marktpolitik, aber es geht auch um Integration. Ich hätte mich über eine Stellungnahme, ein Statement zu Moria und zur Flüchtlingsaufnahme in dieser dramatischen Situation sehr gefreut, das muss ich ganz ehrlich sagen. Das wäre auch ein wichtiges Statement zur Integration. (Beifall bei den NEOS.)

Der Herr Vizekanzler hat sich ja vor Weihnachten, am 22. Dezember abends, noch kurz dazu erklärt – Gott sei Dank positiv –, aber er scheint sich nicht durchsetzen zu können.

Ich stehe hier als Unternehmer. Was wir jetzt brauchen, sind Mut und Planungssicher­heit. Ich brauche von Ihnen, Herr Gesundheitsminister, den Mut zu sagen, ob Unterneh­men, vor allem im touristischen Bereich, aber auch in den unmittelbar oder mittelbar davon betroffenen Bereichen aufsperren können oder nicht. Es geht nicht nur um die Unternehmen, es geht vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht aber auch um all jene Menschen, die vielleicht doch einen Urlaub in den Bergen buchen möchten – und das natürlich bei ihrem Arbeitgeber ankündigen müssen –, um nicht auch in der Semesterferienzeit in der Nebelsuppe in Wien herumzuschwimmen. Das kann es nicht sein, da brauche ich, da brauchen alle Bürgerinnen und Bürger Mut, Planungssi­cherheit und eine klare Ansage. Es wird wohl nicht so schwer sein, dass Sie uns das jetzt endlich sagen. (Beifall bei den NEOS.)

Es braucht also den Mut, zu sagen: Ja, ihr sperrt auf!, oder: Nein, ihr könnt nicht aufsper­ren! – Das ist überhaupt nicht schwierig. Darum haben wir Sie schon im Dezember gebeten. Bis heute haben Sie nicht das Rückgrat aufgebracht, zu sagen: So geht es!, oder: So geht es nicht!

Und dann wünsche ich mir noch, Ihnen allen, nicht nur den Abgeordneten hier herinnen, sondern auch Ihnen vor den Fernsehbildschirmen, eine möglichst baldige Impfung. Wie wir wissen, wird sich das noch ein bissel ziehen, weil Sie noch immer nicht ganz die Strategie heraußen haben, aber ich wünsche Ihnen allen eine möglichst baldige Imp­fung, denn nur sie kann einen Aufschwung, ein Wiedererstarken der österreichischen Wirtschaft bringen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


11.35.15

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich als Familiensprecher meiner Fraktion der ausgeschiedenen Familienministerin Aschbacher auch Danke sagen möchte, Danke für ihr Eintreten, für ihre Arbeit für die österreichischen Familien, für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich möch­te auch Danke sagen für ihr emsiges und immer bemühtes Arbeiten, dafür, dass sie dort, wo etwas vielleicht nicht gleich gelaufen ist, dort, wo von der Opposition Kritik gekommen ist, immer bemüht war, diese Kritik aufzunehmen und die Fehler schnellstmöglich zu beseitigen. Danke von dieser Stelle! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir reden sehr oft von der Würde dieses Hohen Hauses, und ich frage mich, wie wir es untereinander mit der Würde halten. Ich glaube, dass es wirklich nicht in Ordnung ist, dass es unfair ist, heute hier noch so nachzutreten. Das ist nicht notwendig. Ich möchte hier auf keinen Fall die akademische Arbeit von Frau Asch­bacher bewerten, das steht mir nicht zu und das kann ich auch nicht. Es ist aber unzu­mutbar, Kollege Wimmer von der Sozialdemokratie, dass gerade du als Arbeitnehmer­vertreter, Sozialpartner in einer abwertenden Art und Weise, die ihresgleichen sucht, über Ministerin Aschbacher herziehst. Das weise ich zurück, das ist wirklich nicht in Ord­nung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Sehr geschätzter Bundesminister Kocher! Sie sind natürlich als Arbeitsminister angetre­ten, aber da der Beschluss zur Änderung des Bundesministeriengesetzes jetzt erst be­vorsteht, sind Sie jetzt für kurze Zeit auch Familienminister und mit den Jugendagenden betraut. Ich möchte Ihnen auf jeden Fall eines mitgeben, auch wenn Sie in Bälde nur noch für Arbeit zuständig sein werden, nämlich dass Familienpolitik natürlich auch sehr viel mit Arbeitsmarktpolitik zu tun hat. Es ist uns – alle Fraktionen übergreifend – sehr wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben. Da hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt, dass wir auch in diesem Bereich entsprechen­de Schritte nach vorne machen können.

Als zukünftige Ministerin für Familie und Jugend ist aber unsere Ministerin Susanne Raab vorgesehen, und ganz ehrlich, Susanne, ich freue mich jetzt schon auf die vertrau­ensvolle und gute Zusammenarbeit. Auch da gilt es wieder, die Frage zu stellen: Wie gehen wir denn miteinander um? Wenn man sich die Presseaussendungen der letzten Tage von den einzelnen Fraktionen ansieht, was da auch über Susanne Raab alles zum Besten gegeben wurde, dann muss man sich ganz einfach wundern. Vor allem wundere ich mich über die Absender dieser Presseaussendungen. Wo bleibt denn da eigentlich die Frauensolidarität, die wir brauchen, wenn wir im Frauenbereich weiterkommen wol­len? Wo bleibt denn die Frauensolidarität, wenn Susanne Raab in Presseaussendungen die Kompetenz abgesprochen wird oder wenn bejammert wird, dass die Familienagen­den im selben Ministerium wie die Frauenagenden sind? Ich verstehe es noch bei Kol­legin Heinisch-Hosek, die ganz hart mit Frau Kollegin Raab ins Gericht geht. Faktum ist und bleibt: Ministerin Raab hat das Budget im Frauenressort um über 40 Prozent ge­steigert. Das ist Frau Heinisch-Hosek leider nicht gelungen, und deswegen ist offensicht­lich der Schmerz so groß, dass man solche Presseaussendungen schreiben muss. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Aber auch Kollegin Brandstötter von den NEOS hat eine geharnischte Presseaussen­dung gemacht, in der sie sinnigerweise schreibt: „Familienpolitik kann auch Frauenpolitik sein, aber Frauenpolitik ist nicht Familienpolitik“. – Ja no na net. Es sollte uns aber auch klar sein, dass hier zwar eine differenzierte Herangehensweise notwendig ist, dass diese Themen aber natürlich auch miteinander zu tun haben, dass hier eben eine Quer­schnittsmaterie gegeben ist.

Wenn Sie dazu sagen, das ist so fürchterlich, dann weiß ich nicht, Frau Kollegin Brand­stötter, ob das Herr Kollege Schellhorn mit nach Salzburg nehmen soll, denn auch Frau Klambauer in Salzburg hat genau diese Ressorts und kommt von den NEOS. Macht sie es denn so schlecht? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren, der heutige Tag soll eigentlich auch ein Freudentag sein, da es um einen neuen Minister, die Neubesetzung eines Ministeriums geht, und ich möchte abschließend einfach noch einmal sagen: Ja, ich hoffe und ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedern der Bundesregierung. Ich weiß, dass wir gemeinsam noch viel vorhaben und vieles für die österreichischen Familien gemeinsam bewegen werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.40


11.40.52

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich frage die Klubs, ob wir sogleich zu den Abstimmungen kommen können. – Dann gehe ich so vor.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „NEO-Liberaler Theore­tiker als Arbeitsminister: Nein Danke!“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 55

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „350.000 neue Arbeitsplätze – Koste es, was es wolle?!“

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

11.41.552. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1196/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (626 d.B.) (Wiederaufnahme der am 13. Jänner 2021 vertagten Verhand­lungen)

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnah­mengesetz geändert werden (629 d.B.) (Wiederaufnahme der am 13. Jänner 2021 vertagten Verhandlungen)

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1124/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) geändert wird (627 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1162/A(E) der Abgeordne­ten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gemeinden nicht im Stich lassen: Ersatz der Kosten für die Durchführung der Massentests (628 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 2 bis 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster ist Herr Abgeordneter Philip Kucher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


11.43.37

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ge­schätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass Touris­musministerin Köstinger gerade den Saal verlässt, denn das ist jetzt ein Thema, das für sie sehr, sehr spannend gewesen wäre. (Abg. Belakowitsch: Es wird immer schnel­ler!) – Sie wird immer schneller, und wahrscheinlich leider sogar aus gutem Grund. Wir reden jetzt nämlich über die österreichweite Teststrategie.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 56

Wir alle wissen seit Beginn der Coronakrise: Testen, testen, testen! Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation kennen wir alle. Die WHO hat allerdings mit: Testen, tes­ten, testen!, nicht irgendwelche Kraut-und-Rüben-Tests, sondern zielgerichtete Tests ge­meint.

Das Positive ist, dass wir nach elf Monaten Krisenbekämpfung – das ist in Wahrheit schlimm genug – jetzt im Jänner das erste Mal österreichweit eine Teststrategie gegen Corona bekommen sollen. Auf der einen Seite ist es sehr, sehr schade, dass das erst jetzt passiert; aber es geht hier um Menschenleben, deswegen ist es wichtig, dass wir diese Teststrategie bekommen.

Was mir aber persönlich so nahegegangen ist – und das haben wir miteinander disku­tiert; vorgestern haben wir die Zahlen gelesen –: 3 000 Menschen sind in Österreich in Pflegeheimen an Corona gestorben, weil der Schutz dieser schwer kranken Menschen in den Pflegeheimen nicht funktioniert hat.

Ich habe mich deswegen so darüber geärgert, weil im Sommer die gesamte Bundesre­gierung zugeschaut hat, als wir Testressourcen österreichweit verplempert haben. Da hat es einen Herrn Mahrer und eine Frau Köstinger gegeben, die sich mit einem gewis­sen Herrn Kurz im Rahmen einer Pressekonferenz hingestellt und gesagt haben: Wir präsentieren jetzt eine Teststrategie für den Tourismus.

Ich sage euch etwas dazu: Es hat im Herbst eine Publikation gegeben. Medizinische Fachzeitschriften haben im Nachhinein gesagt: Das, was Köstinger mit Mahrer fabriziert hat, ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen soll. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich sage das deswegen so emotional, weil auf der einen Seite die Testressourcen für schwer kranke Menschen in den Pflegeheimen gefehlt haben und auf der anderen Seite Frau Köstinger und Herr Mahrer sich im Sommer in diesem Bereich wichtig gemacht haben und Sebastian Kurz gesagt hat: Das ist eine herausragende Teststrategie. – Das heißt, für schwer kranke Menschen haben wir die Ressourcen nicht gehabt, aber für Marketing für Mahrer und Köstinger waren die Ressourcen vorhanden – sinnloserweise.

Wir alle müssen daraus lernen und schauen, dass wir diesen Fehler nicht noch einmal machen. Jetzt brauchen wir eben die Testungen für Berufsgruppen.

Es ist doch ein Wahnsinn – bitte stellt euch das vor! –, dass jetzt im Jänner Menschen, die beim Roten Kreuz, beim Samariterbund oder bei den Johannitern im Rettungsdienst schwer kranke Menschen ins Krankenhaus bringen, die in den Pflegeheimen sind, bis heute keine flächendeckenden Testungen bekommen! Könnt ihr euch das vorstellen? (Beifall bei der SPÖ.) Jänner 2021 – und es gibt keine regelmäßigen Testungen für diese Menschen im Rettungsdienst, die für uns alle da sind! Das ist so, weil der Bund herum­diskutiert hat und gesagt hat, das wäre Aufgabe der Länder, sodass nicht klar war, wer das Ganze zahlen soll. – Unvorstellbar!

Das ist der zentrale Punkt: Wenn wir testen wollen, muss es zielgerichtet sein. Dieser Pfusch – alle Experten halten das für einen Pfusch –, den Sebastian Kurz sich von der Slowakei abgeschaut hat, die inzwischen leider gleich schlechte Zahlen hat wie Öster­reich, bringt uns nicht weiter. Da müssen wir doch in Österreich offensiv und zielgerichtet testen und den Weg gehen, der Sinn macht: Berufsgruppen schützen, deren Schutz dringend notwendig ist, in sensiblen Bereichen testen. Es ist auch wichtig, dass das kos­tenlos stattfindet (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger), dass in Zukunft nicht etwa eine Verkäuferin einen Test bezahlen muss, damit sie überhaupt arbeiten gehen kann. Das muss gratis sein! Das haben wir bis zum Schluss auch eingefordert, und das wird in Zukunft kommen.


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Ein zweiter Punkt ist eine ganz zentrale Forderung – wobei ich an dieser Stelle Pamela Rendi-Wagner Danke sagen muss –, nämlich diese Wohnzimmertests, die wir jetzt im Schulbereich anzuwenden beginnen. So könnte sich in Zukunft jeder von uns ganz un­kompliziert auch zu Hause im eigenen Wohnzimmer testen, und zwar kostengünstig be­ziehungsweise wäre es in diesem Fall für die Menschen sogar gratis. Damit wäre Ös­terreich wirklich Vorreiter. Das ist ein sehr, sehr sinnvoller Vorschlag. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bitte also wirklich: Schauen wir gemeinsam, dass wir dieses Testchaos in Österreich jetzt im Jänner beenden! Ich sage auch ganz offen, weil die FPÖ in dieser Frage immer wieder Druck gemacht hat und gesagt hat, das ist alles ein Wahnsinn: Ja, es hat in Österreich in der Frage der Testerei ein Chaos gegeben, und es ist eine Schande für ein entwickeltes Land wie Österreich, dass wir im Jänner 2021 überhaupt darüber reden müssen.

Die Frage ist nur: Was bringt es uns, wenn wir jetzt alle sagen: Die Regierung ist da unfähig gewesen und es gibt ein Testchaos!? Wenn es um Menschenleben geht und bis heute die Testung nicht funktioniert und sensible Berufsgruppen nicht ausreichend ge­testet werden, dann können wir Sozialdemokraten nicht sagen: Ätsch, bätsch, wurscht, die Regierung hat hier versagt und bringt nichts weiter!, sondern da müssen wir mitarbei­ten und schauen, dass wir Menschenleben schützen.

Und das ist ja unser Zugang gewesen: endlich eine vernünftige Teststrategie für Öster­reich, mit der wir in Zukunft die Menschen mitnehmen, wobei das Ganze in den Betrieben stattfinden und kostenlos sein soll. Das ist unser Zugang gewesen: statt Kraut-und-Rü­ben-Tests zentral organisierte Testungen für Zielgruppen. Das im Jänner 2021 endlich umzusetzen, das ist unser Vorschlag. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


11.49.15

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Last, but not least: Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Wir haben es bei diesen Tagesordnungspunkten nicht nur mit der Frage des Testens zu tun, sondern es geht um drei große Themen in der Frage der Pandemiebe­kämpfung, die wir hier jetzt behandeln wollen.

Punkt eins: Es geht um die Implementierungskosten für den E-Impfpass in den Ordina­tionen. Da geht es darum, dass der Bund mit 1 300 Euro pro Ordination Anreize schaffen möchte, um da weiterzukommen, damit wir eben bei der Anbindung der Ordinationen an die E-Impfpass-Software schneller werden.

Das ist nämlich offensichtlich nicht so einfach in einem kleinen Land wie Österreich, in dem doch immer noch über 60 verschiedene Softwarevarianten in den Ordinationen im Einsatz sind; das kostet entsprechend. Es ist richtig, dass wir da etwas Geld in die Hand nehmen, in Summe doch in etwa 7 Millionen Euro. Das soll auch dafür sorgen, dass beim Impfen in Zukunft alles ein bisschen besser dokumentiert ist und einfach auch bes­ser über die Bühne geht.

Zweiter Punkt ist der Zweckzuschuss. Uns wurde ja immer wieder vorgeworfen, wir wür­den die Länder und Kommunen im Stich lassen, gerade wenn es um die Flächenscree­nings geht, aber ganz genauso auch, wenn es in Zukunft um die Frage des Impfens geht. Dazu haben wir heute einen entsprechenden Entwurf eingebracht beziehungsweise dis­kutieren wir ihn, wo wir, wo der Bund eben Verantwortung übernimmt, so wie es sich


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auch gehört, und die Kosten übernimmt. In Summe reden wir in der Kostenabschätzung von in etwa 100 Millionen Euro, wahrscheinlich sogar noch mehr, wobei wir die Kommu­nen mit den Kosten für die Flächenscreenings nicht alleinlassen wollen, die übrigens von den Kommunen hervorragend organisiert wurden, die auch jetzt gerade wieder hervorra­gend organisiert werden, und wo es auch darum geht, dass wir in Zukunft eventuelle Impfkosten übernehmen. Also auch der Vorwurf aus der Vergangenheit geht mit dem heutigen Entwurf endgültig ins Leere.

Drittes Thema – Kollege Kucher hat es schon angesprochen – ist die Frage der neuen Teststrategie. In den letzten Tagen wurde in der Öffentlichkeit viel darüber berichtet. Es geht darum, dass wir einerseits Sicherheit schaffen wollen, dass wir in den Berufsgrup­pen eben mehr an Testungen verankern wollen, dass wir aber andererseits sicherstellen, dass diese Tests die Bevölkerung nichts kosten und dass die Betriebe unterstützt wer­den (Zwischenruf des Abg. Wurm), die auf betrieblicher Ebene solche Tests anbieten werden.

Es geht auch darum, dort, wo sich Menschen treffen, dort, wo Menschen zusammenko­mmen, in Zukunft für mehr Sicherheit zu sorgen, indem wir auch den Zutritt zu solchen Veranstaltungen, in die Gastro, in Kunst und Kultur mit einem entsprechenden Tester­gebnis verbinden, um dort für mehr Sicherheit zu sorgen.

Der ganzen Sache liegen die Screenings zugrunde, die Kosten dafür werden, wie schon gesagt, vom Bund übernommen. Es ist auch klar, dass das Testergebnis 48 Stunden gültig sein wird, das ist eine Risikoabschätzung. Es ist auch genauso wichtig – Kollege Kucher hat es schon angesprochen –, dass wir jetzt auch diese Wohnzimmertests oder Do-it-yourself-Tests miteingebunden haben. (Abg. Wurm: ... der Test sein?) Das alles sind jetzt auch durchaus Entgegenkommen gegenüber den Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, bei denen ich mich auch für die sehr konstruktiven Verhand­lungen der letzten Tage ausdrücklich bedanken möchte. Es ist auch ein Entgegenkom­men gegenüber den Menschen, um einfach zu sagen: Okay, wir schauen, dass wir Lo­ckerungsmaßnahmen ermöglichen.

Ob diese möglich sein werden, das ist eine andere Frage – angesichts der aktuellen Zahlen, angesichts dessen, wie uns auch momentan die sogenannte britische Mutation bedroht (Abg. Wurm: B.1.1.7!), wie wir auch an Irland gesehen haben. Irland war bis vor Kurzem absoluter Musterschüler in Sachen Coronabekämpfung, jetzt gehen dort die Zahlen durch die Decke. Wir wissen in der Zwischenzeit, was sich in Großbritannien abspielt. Die Situation können wir nur dann in den Griff bekommen und das können wir nur dann entsprechend bekämpfen, wenn es eben eine gemeinsame Herangehenswei­se gibt, wenn wir uns gemeinsam an die Maßnahmen halten, wenn wir Kontakte be­schränken, wenn wir diesen Spirit, wie wir ihn im letzten Frühjahr hatten, wieder aufleben lassen und gemeinsam, solidarisch miteinander dieses Virus bekämpfen. Der Gegner ist das Virus und nicht wir hier herinnen in diesem Hohen Haus. – Das sollte uns allen auch klar sein.

In diesem Sinne wünsche ich mir breite Zustimmung.

Einen Punkt noch, fast hätte ich es vergessen: Ich bringe noch einen Antrag ein, und zwar den Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Philip Kucher, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschus­ses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiege­setz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 der Beilagen).

Der Antrag sollte in der Zwischenzeit verteilt sein. Es geht um die letzten Anpassungen, die wir in langen Verhandlungen zum Thema Massentest vorgenommen haben, dass wir diese eben heute beschließen können.


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In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Philip Kucher, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen,

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 dB)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs genannte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

a) In Artikel 1 erhält die Z 1 die Ziffernbezeichnung „1b.“ und es wird folgende Z 1a vorangestellt:

„1a. Nach § 3a wird folgender § 3b samt Überschrift eingefügt:

‚SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung

§ 3b. Liegt nach Durchführung eines SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung ein positives Testergebnis vor, hat die betroffene Person unverzüglich die Gesundheits­behörde beispielsweise über die Hotline 1450 zu informieren oder selbständig eine Nachtestung bei einer dafür befugten Stelle zu veranlassen. Eine Nachtestung soll in­nerhalb von 48 Stunden erfolgen. Bis zum Vorliegen des Testergebnisses der Nachtes­tung ist unverzüglich eine selbstüberwachte Heimquarantäne anzutreten; dabei gilt für die Entgeltfortzahlung und den Ersatz § 32 sinngemäß.‘“

b) Artikel 1 Z 8 lautet:

„8. In § 15 Abs. 2 erhält die Z 5 die Ziffernbezeichnung ‚6.‘; nach der Z 4 wird folgende Z 5 eingefügt:

,5. Zur Verhinderung der Weiterverbreitung von COVID-19: Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr des Teilnehmers. Ein Nachweis ist bei einem negati­ven Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest auszustellen. Ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 kann auch im Rahmen einer vom Veran­stalter veranlassten Testung erlangt werden; § 5a Abs. 8 Satz 5 bis 7 gilt sinngemäß.‘“

c) In Artikel 1 Z 9 entfällt in § 15 Abs. 9 die Wortfolge „Zeitpunkt der Probenabnahme, Zeitpunkt des Testergebnisses, Testergebnis, Art des Tests,“ und es wird nach dem ers­ten Satz folgender Satz eingefügt:

„Dabei ist vorzusehen, dass der Nachweis gemäß § 15 Abs. 2 Z 5 einheitlich gestaltet wird, insbesondere dass ausschließlich Name, Geburtsdatum, Gültigkeitsdauer des Nachweises und Barcode bzw. QR-Code am Nachweis ersichtlich sind.“

d) In Artikel 1 Z 13 wird in § 50 Abs. 18 der Wortfolge „§ 4 Abs. 4“ die Wortfolge „§ 3b samt Überschrift,“ vorangestellt.

e) Artikel 2 Z 1 lautet:

„1. In § 1 Abs. 5 wird das Wort ‚und‘ am Ende der Z 3 durch einen Beistrich ersetzt und der Punkt am Ende der Z 4 durch das Wort ‚und‘ ersetzt; folgende Z 5 wird angefügt:


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,5. In Bezug auf Regelungen gemäß Abs. 5b und 5c: Nachweis über eine lediglich gerin­ge epidemiologische Gefahr. Ein Nachweis ist bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufe­ne Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest auszustellen. Ein negatives Tester­gebnis auf SARS-CoV-2 kann auch im Rahmen einer vom Inhaber bzw. Betreiber ver­anlassten Testung erlangt werden; § 5a Abs. 8 Satz 5 bis 7 des Epidemiegesetzes 1950 gilt sinngemäß.‘“

f) In Artikel 2 Z 2 entfällt in § 1 Abs. 5a die Wortfolge „Zeitpunkt der Probenabnahme, Zeitpunkt des Testergebnisses, Testergebnis, Art des Tests,“ und es wird folgender Satz angefügt:

„Dabei ist vorzusehen, dass der Nachweis gemäß § 1 Abs. 5 Z 5 einheitlich gestaltet wird, insbesondere dass ausschließlich Name, Geburtsdatum, Gültigkeitsdauer des Nachweises und Barcode bzw. QR-Code am Nachweis ersichtlich sind.“

g) In Artikel 2 Z 2 wird dem § 1 Abs. 5c folgender Satz angefügt:

„Tests im Rahmen von betrieblichen Testungen sind unentgeltlich.“

h) In Artikel 2 Z 4 wird in § 12 Abs. 3a die Wortfolge „ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. 450/1994,“ durch die Wortfolge „ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2018,“ ersetzt und es wird folgender Satz angefügt:

„Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann in Bezug auf betrieb­liche Testungen eine Verordnung über einen pauschalierten Kostenersatz des Bundes erlassen.“

i) In Artikel 2 Z 6 wird in § 12 Abs. 8 nach der Zeichenfolge „und 4a“ die Zeichenfolge „sowie § 13“ eingefügt.

j) In Artikel 2 wird folgende Z 7 angefügt:

„7. § 13 lautet:

⤠13. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist

1. hinsichtlich § 12 Abs. 3a erster und zweiter Satz der Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister,

2. im Übrigen der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister

betraut.‘“ 

Begründung

Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950 – EpiG):

Zu a):

Artikel 1 Z 1a (§ 3b):

Um ein positives Testergebnis eines SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung bestätigen bzw. abklären zu können, ist eine unverzügliche Nachtestung unabdingbar. Diese Nachtestung hat bei einer zur Eintragung ins EMS befugten Stelle zu erfolgen. Befugte Stellen sind somit beispielsweise Labors iSd Labormeldeverordnung, Ärzte, na­turwissenschaftliche Einrichtungen nach § 28c EpiG. Die Nachtestung kann etwa im Wege der Hotline 1450, durch den Hausarzt oder durch das Aufsuchen einer öffentlichen Teststraße eingeleitet werden. Die Information der Gesundheitsbehörde kann beispiels­weise im Wege der Hotline 1450 erfolgen. Arbeitnehmer haben nach den arbeitsrechtli­chen Vorschriften auch den Arbeitgeber unverzüglich zu informieren.


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Die Heimquarantäne kann zum Zweck der Nachtestung verlassen werden.

Zu b):

Artikel 1 Z 8 (§ 15 Abs. 2 Z 5):

In Bezug auf die Aktualität des Tests wird § 15 Abs. 2 Z 5 nunmehr dahingehend ge­ändert, dass die Zeitspanne von drei Monaten entfällt. Dies ist mit Blick auf den sich laufend ändernden Stand der Wissenschaft notwendig, um dem Verordnungsgeber die notwendige Flexibilität einzuräumen.

Ergänzend wird klargestellt, dass auch ein positiver Antikörpertest einem Nachweis zu Grunde liegen kann.

Zu c):

Artikel 1 Z 9 (§ 15 Abs. 9):

Die Verordnungsermächtigung wird konkretisiert. In einer Verordnung, mit der nähere Regelungen in Bezug auf den Nachweis über eine geringe epidemiologische Gefahr ge­troffen werden, ist vorzusehen, dass der Nachweis einheitlich zu gestalten ist und aus datenschutzrechtlichen Gründen nur die unbedingt notwendigen Daten zu enthalten hat. Keinesfalls dürfen persönliche gesundheitsbezogene Daten aufscheinen.

Zudem wird festgehalten, dass auf Grund der Dynamik der Testentwicklungen hinsicht­lich der Aktualität des Tests und der Möglichkeit des niederschwelligen Zugangs je nach Testmethode differenziert werden kann. Insofern ist eine Verkürzung der vorgesehenen Maximalfrist von 48 Stunden möglich. Weiters ist dabei auch auf die unentgeltlichen Testkapazitäten und die Möglichkeit des Zugangs der Inanspruchnahme Bedacht zu nehmen.

Zu d):

Artikel 1 Z 13 (§ 50 Abs. 18):

Regelt das Inkrafttreten.

Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG):

Zu e):

Artikel 2 Z 1 (§ 1 Abs. 5 Z 5):

Es ist auf die Begründungen zu § 15 Abs. 2 Z 5 EpiG zu verweisen.

Zu f):

Artikel 2 Z 2 (§ 1 Abs. 5a):

Es ist auf die Begründungen zu § 15 Abs. 9 EpiG zu verweisen.

Zu g):

Artikel 2 Z 2 (§ 1 Abs. 5c):

Es wird angemerkt, dass im Rahmen der Teststrategie den betroffenen Betrieben und Einrichtungen bundesweit Testmaterial zur Verfügung gestellt werden soll. Insofern ent­stehen durch eine Verordnung, die alternativ das Vorlegen eines negativen Testergeb­nisses auf SARS-CoV-2 für Arbeitsorte vorschreibt, keine Kosten für die betroffenen Mitarbeiter bzw. Arbeitnehmer. Zudem wird festgelegt, dass auch Testungen von ande­ren Personen (z.B. Angehörige) im Rahmen der betrieblichen Testungen unentgeltlich sind.

Werden die negativen Testergebnisse im Rahmen von Screeningprogrammen nach § 5a EpiG erlangt, fallen ohnehin keine Kosten für die Betroffenen an.


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Zu h):

Artikel 2 Z 4 (§ 12 Abs. 3a):

Zitatanpassung.

Die Verordnung hat die Höhe des Kostenersatzes sowie einen darüber hinausgehender Kostenbeitrag für sonstige in diesem Zusammenhang stehende Kosten zu enthalten.

Zu i):

Artikel 2 Z 6 (§ 12 Abs. 8):

Regelt das Inkrafttreten.

Zu j):

Artikel 2 Z 7 (§ 13):

Anpassung der Vollzugsklausel im Hinblick auf den aufgenommenen § 12 Abs. 3a (ASchG).

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in Ihrer Rede in den Grundzü­gen erläutert, er ist ausreichend unterstützt. Verteilt ist er noch nicht, weil wir ihn gerade bekommen haben, aber er wird natürlich an alle Abgeordneten zur Verteilung gebracht.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.54.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! So wie der Frau Präsidentin ist es auch mir als Obmann des Gesundheits­ausschusses gerade gegangen: Ich habe vor wenigen Minuten die letzte Version des Abänderungsantrages betreffend die Gesetzesmaterie zum heutigen Tagesordnungs­punkt 3 erhalten, die Kollege Schallmeiner jetzt gerade mündlich eingebracht hat.

Wenn man sich überlegt, wie die Entstehungsgeschichte dieses ursprünglich als Freites­ten gedachten Abänderungsantrages war, mit der skandalösen Kurzbegutachtung über Silvester, als es trotzdem Zehntausende negative Stellungnahmen gegeben hat, und dem mittlerweile vierten oder fünften Abänderungsantrag, der in den letzten Tagen im­mer kurzfristigst vor den oder während der Sitzungen eingebracht wurde, dann sieht man schon, dass hier, übers Knie gebrochen, eine ganz grundsätzliche Gesetzesänderung verabschiedet werden soll, die die Grund- und Freiheitsrechte unserer Bürger ganz massiv betrifft.

Ich möchte das ein bisschen ausführen: Der Gedanke der Bundesregierung bezüglich des Freitestens war ja, dass über Massentests eine Lockdownverkürzung für einzelne Menschen erzielt werden sollte, nämlich für jene, die an diesen Massentests teilnehmen und ein negatives Testresultat haben. Da das rechtlich und realpolitisch nicht durchsetz­bar war, kam man nun zu der Idee des Reintestens. Aus meiner Sicht – und ich habe das gestern ja auch schon erwähnt – ist das eine ganz perverse Beweislastumkehr, denn nun wird die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt, krank zu sein, und jeder einzelne Bürger muss auf einmal aktiv beweisen, dass er nicht krank ist, um am sozialen und gesellschaftlichen Leben wieder teilhaben zu können.

Darüber hinaus ist es nicht nur so, dass es zu dieser Beweislastumkehr kommt, sondern dass man das Ganze auch in Form eines Ermächtigungsgesetzes für den Gesundheits­minister, für Herrn Bundesminister Anschober, festschreibt, wodurch das Recht zur Fest­legung weitgehender Parameter dieser neuen, zu gestaltenden Verordnung direkt auf


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den Minister übergeht und er frei schalten und walten kann, ohne das Parlament noch einmal zu befragen. Selbstverständlich wird auch dieser Abänderungsantrag wieder oh­ne jegliche Begutachtung, ohne jegliche rechtliche Überprüfung einfach so heute von den Regierungsfraktionen beschieden. Eine Sauerei! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf noch kurz auf den heute ganz aktuell eingebrachten Abänderungsantrag betref­fend die Selbsttests eingehen: Da wird nun festgeschrieben, dass sich jemand, wenn er sich den noch gar nicht auf dem Markt verfügbaren Test zur Selbstanwendung zur Über­prüfung auf eine Sars-Cov-2-Infektion kauft und diesen Test zu Hause durchführt, bei einem positiven Testergebnis sofort und unmittelbar in Heimquarantäne begeben muss, die Behörden kontaktieren muss und dann innerhalb von 48 Stunden getestet werden sollte.

Glauben Sie tatsächlich, dass das die Bereitschaft der Menschen, sich selbst und selbst­verantwortlich zu testen, erhöhen wird? Wie wollen Sie es überhaupt kontrollieren, ob jemand zu Hause ein positives Testergebnis hatte oder nicht? Ist es nicht ein ganz we­sentlicher Grundsatz der Gesetzgebung, dass ein Gesetz auch vollziehbar sein muss? – Offenbar für diese Bundesregierung nicht.

Aber es passt zu dem Ganzen dazu, zu dem Vorgehen dieser Bundesregierung. Im End­effekt spielt es auch gar keine Rolle. Ich bin gestern auch im Hauptausschuss gewesen und habe mir angehört, mit welcher Argumentation die Bundesregierung und die Regie­rungsfraktionen die Ausgangssperren erneut um zehn Tage verlängert haben.

Wenn nicht einmal die eigenen Experten im nächsten Prognosezeitraum eine kritische Situation im österreichischen Gesundheitswesen sehen und die Bundesregierung trotz­dem den Lockdown verlängert, die Schulen weiter zusperren möchte – und das, obwohl das epidemiologisch nach den eigenen Expertenpapieren gar nicht gerechtfertigt ist –, dann ist das gesetzlich durch das Epidemiegesetz nicht gedeckt, dann ist diese Verord­nung rechtswidrig. Ich gehe davon aus, dass das auch von den Gerichten in Zukunft erkannt werden wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe es gestern schon getan, und ich möchte Ihnen noch einmal versöhnlich die Hand reichen und einen konstruktiven Beitrag brin­gen.

Ich bringe auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiheitli­ches Maßnahmenpaket zu Covid-19“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

- Das sofortige Ende des Covid-19-Lockdowns

- Die Vorlage von ehrlichen und transparenten Daten als Entscheidungsbasis

- Die verpflichtende Überprüfung und Begutachtung aller bisherigen und künftigen Maß­nahmen

- Den konsequenten und rascheren Schutz der Bevölkerung über 75 Jahre und der Risi­kogruppen

- Die Aufstockung der Behandlungskapazitäten und der Kapazitäten der Gesundheitsbe­hörden“

*****


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Denn, um das noch einmal kurz auszuführen, der Lockdown, der harte Lockdown mit der Schließung des Handels und der Schulen, zeigt keinen positiven Effekt mehr, der Soft-Lockdown im November war annähernd genauso effektiv, die Leute tragen das nicht mehr mit.

Wir wollen die Vorlage von ehrlichen und transparenten Daten, um auch eine ehrliche und transparente Entscheidungsgrundlage zu haben, die auch für die Bevölkerung nach­vollziehbar ist. Wir müssen den ganzen Murks, den wir da gesetzlich und verordnungs­mäßig haben, überprüfen, und alle neuen Verordnungen und Gesetze müssen einer or­dentlichen Begutachtung und verfassungsdienstlichen Überprüfung unterzogen werden.

Sie haben den konsequenten und raschen Schutz der Bevölkerung – vor allem der Risi­kogruppe – verabsäumt. Mehr als 3 000 Tote in den Alten- und Pflegeheimen sind ge­nug. Die versprochenen FFP2-Masken sind noch nicht da, der niederschwellige Testzu­gang für diese Bevölkerungsgruppe ist noch nicht da. Das alles haben wir heute schon gehört. Da versagen Sie nach wie vor, da besteht aber rascher Handlungsbedarf.

Auch in Bezug auf die Aufstockung der Kapazitäten, vor allem im Bereich der Gesund­heitsbehörden, zum Beispiel betreffend das Contacttracing, haben die Zahlen, die ges­tern im Hauptausschuss vorgelegt worden sind, gezeigt, dass Sie die notwendigen Schritte und Maßnahmen da noch nicht gesetzt haben, obwohl sie dringlich notwendig wären, damit die Gesundheitsbehörden ihrer Arbeit ordentlich nachkommen können und die Bevölkerung wieder mehr Rechte und Freiheiten hat und nicht willkürlich in ihren Rechten eingeschränkt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm und weiterer Abgeordneter

betreffend Freiheitliches Maßnahmenpaket zu Covid-19

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 3.) Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epi­demiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 d.B.) in der 77. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Jänner 2021.

Mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Österreich herrscht nur mehr pures Chaos bei den Covid-19-Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregie­rung. Mittlerweile befinden wir uns bereits im 3. Lockdown, der von Bundeskanzler Se­bastian Kurz und Gesundheitsminister Anschober den Österreichern verordnet worden sind. Obwohl vor Weihnachten 2020 den Österreichern in Aussicht gestellt worden ist, diesen 3. Lockdown ab dem 18. Jänner 2021 zu beenden, stehen wir vor dem Faktum, dass Schwarz und Grün diesen Ausnahmezustand in Österreich auf unbestimmte Zeit verlängern wollen. Dabei haben Kurz und Anschober die im Covid-19-Maßnahmenge­setz festgelegten Grundlagen, um einen solchen Lockdown festzusetzen und zu verlän­gern, bereits längst verlassen. Ohne auf die tatsächliche gesundheitspolitische Situation im Lande einzugehen, wird das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben einfach bis auf ein Minimum zurückgefahren. Die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen dieser unverhältnismäßigen Covid-19-Maßnahmen sind noch gar nicht absehbar und werden in einem großen gesamtgesellschaftlichen, aber auch ökonomischen Mega-Schaden enden.


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Dem stellt die FPÖ ein Alternativ-Programm entgegen, das sachpolitisch und verhältnis­mäßig auf die aktuelle Herausforderung durch Covid-19 reagiert:

1. Sofortiges Ende des Lockdowns

Die Situation in den Spitälern hat sich drastisch verbessert, die Infektionszahlen sind deutlich gesunken. Daher ist ein Lockdown-Ende nur logisch. Auch die Schulen müssen dringend zum Präsenzunterricht zurückkehren, da die Schüler keine Risikogruppe dar­stellen. Und inzwischen schadet der Lockdown mehr, als er hilft.

2. Vorlage von ehrlichen und transparenten Daten als Entscheidungsbasis

Die Bevölkerung hat ein Recht auf klare und nachvollziehbare Zahlen. Derzeit setzt sich aber das Zahlenchaos fort, das im Frühjahr begonnen hat. Vor allem die tatsächlich Er­krankten und nicht nur die positiv Getesteten müssen ausgewiesen werden, denn ein positiver Test bedeutet noch keine Erkrankung. Außerdem muss endlich differenziert werden, ob jemand mit oder an Covid19 gestorben ist. Das macht nämlich einen gewalti­gen Unterschied. Aus diesen Zahlen kann man dann vernünftige Prognosen entwickeln.

3. Verpflichtende Überprüfung und Begutachtung aller bisherigen und künftigen Maß­nahmen

Die gegenwärtigen und zukünftigen Maßnahmen müssen einer parlamentarischen und verfassungsdienstlichen Überprüfung und Kontrolle unterzogen und auch mit Experten diskutiert werden. Bisher hat Gesundheitsminister Anschober immer behauptet, seine Gesetzesvorlagen und Verordnungen halten allen rechtlichen Anforderungen stand. Aber das hat sich als falsch erwiesen, viele der Maßnahmen wurden vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben.

4. Konsequenter und rascherer Schutz der Bevölkerung über 75 Jahre und der Risiko­gruppen

Beim Schutz der Risikogruppen hat die Regierung bisher vollkommen gesagt, was man im Herbst vor allem in den Alten- und Pflegeheimen gesehen hat. Die dortigen Todesfälle sind auch auf fehlerhafte Masken zurückzuführen, die Heimbetreiber und -bewohner sind von der Regierung alleingelassen worden. Diese Menschen müssen endlich effektiv geschützt werden.

5. Aufstockung der Behandlungskapazitäten und der Kapazitäten der Gesundheitsbe­hörden

Die Aufstockung der Behandlungskapazitäten und der Kapazitäten der Gesundheitsbe­hörden ist notwendig, weil die Gesundheitsbehörden gerade beim Contact Tracing über­fordert gewesen sind. Die Regierung hat es aber nicht geschafft, rechtzeitig darauf zu reagieren. Auch bei der amtsärztlichen Versorgung herrschen noch massive Defizite.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

•             Das sofortige Ende des Covid-19-Lockdowns

•             Die Vorlage von ehrlichen und transparenten Daten als Entscheidungsbasis

•             Die verpflichtende Überprüfung und Begutachtung aller bisherigen und künftigen Maßnahmen


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•             Den konsequenten und rascheren Schutz der Bevölkerung über 75 Jahre und der Risikogruppen

•             Die Aufstockung der Behandlungskapazitäten und der Kapazitäten der Gesund­heitsbehörden

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz, Sie sind als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.01.13

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit den Ausführungen von Philip Kucher anfangen, aber zuvor möchte ich mich bei allen bedanken, die sich an dem sehr konstruktiven Diskussionsprozess, der letztendlich zu dieser Lösung geführt hat, beteiligt haben.

Philip, du hast gesagt, was alles passiert ist und wer wem irgendetwas nicht gut genug getan hat: Ich gebe nur zu bedenken, dass heute wieder aus deiner eigenen Partei ein Zuruf kommt, nämlich aus meinem Heimatbundesland, dahin gehend, dass vonseiten der SPÖ Burgenland nicht verstanden wird, warum ihr heute dem Eintrittstesten zu­stimmt. Man sollte also einmal in den eigenen Reihen schauen, bevor man auf die ande­ren schaut. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die zweite Geschichte, in Richtung Kollegen Kaniak: Ich glaube, es besteht grundsätz­lich einmal ein Missverständnis. Worum geht es denn eigentlich? – Wir haben gestern lange über das Thema Impfen diskutiert. Wir alle wissen, wie das mit dem Impfen funk­tioniert. Die Europäische Arzneimittelagentur genehmigt Impfstoffe, die sicher, getestet und gut sind und in Bezug auf welche sich die Wissenschaft einig ist, dass das eine Möglichkeit, ein guter Weg aus der Pandemie ist. Natürlich freuen wir uns alle, wenn möglichst bald möglichst viel Impfstoff in Österreich vorhanden ist, der dann je nach Risikogruppen und Prioritäten verimpft werden kann.

Bis es so weit ist, bis wirklich alle, die sich in Österreich freiwillig impfen lassen wollen – immer noch mit der Betonung auf Freiwilligkeit –, drankommen, möchten wir Möglichkei­ten und Lösungen bieten, um sich möglichst sicher zu bewegen.

Ich habe vorhin mit Kollegen Loacker darüber diskutiert, und ich begrüße es auch sehr, dass sich die NEOS immer einbringen, sich sehr konstruktiv einbringen, wenn es darum geht, Freiheiten zu ermöglichen, denn darum geht es letztendlich.

Was mich schon verwundert: Vonseiten der Freiheitlichen wird immer unterstellt, wir hät­ten einen Generalverdacht. Das ist kompletter Unsinn. Wir wollen Sicherheit bieten. Ich verstehe das daher überhaupt nicht.

Mir hat sehr gut gefallen, was Klubobfrau Meinl-Reisinger am Sonntag gesagt hat: Was ist denn da dabei, wenn ich weiß, dass ich jemanden vis-à-vis nicht gefährde, wenn ich weiß, dass ich meine Oma und meinen Opa nicht gefährde, wenn ich weiß, dass ich negativ getestet bin? Wo liegt da bitte das Problem? – Das ist Eigenschutz, aber das ist auch der Schutz gegenüber jenen, die uns am nächsten stehen – also was soll das ei­gentlich? (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Das hat nichts mit Generalverdacht zu tun, sondern das hat etwas mit Gesundheit und Sicherheit zu tun. (Abg. Amesbauer: Das hat etwas mit Zwang zu tun! – Zwischenruf des Abg. Kaniak.) Wir wollen Möglichkeiten bieten, dass Handel, Tourismus, Sport und


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Kultur wieder stattfinden können, bis alle geimpft sind – ich verstehe da das Problem wirklich nicht. Es geht um Freiwilligkeit. (Abg. Amesbauer: Das ist nicht freiwillig, wenn nicht jeder hinein darf!)

Ich begrüße das sehr – Kollege Keck hat das gestern angesprochen –, wenn Betrieben, die jetzt Teststraßen einführen, die später auch als Impfstraßen genutzt werden können, der Mehraufwand pauschal abgegolten wird. Es bleibt selbstverständlich freiwillig, es bleibt selbstverständlich unentgeltlich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist unser oberstes Ziel: Sicherheit zu bieten, die Möglichkeit zu bieten, sich testen zu lassen, um zu wissen, wie der Gesundheitsstatus aussieht, und damit Öffnung zu ermöglichen. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Meine Bitte an Sie, nämlich vornehmlich an die Fraktion der Freiheitlichen, denn sonst orte ich große Zustimmung: Überlegen Sie einmal, ob es wirklich gescheit ist, wenn Sie die Bevölkerung spalten. (Abg. Amesbauer: Ja, Sie spalten die Bevölkerung! Sie schaf­fen zwei Klassen! Eine Frechheit! – Zwischenruf des Abg. Ries.) Ich glaube nicht.

Wir spalten die Bevölkerung nicht, denn wir versuchen nach wie vor, die Gesundheit aller Menschen, die in Österreich leben, zum obersten Ziel zu machen, eine Möglichkeit zu finden, möglichst gut durch die Pandemie zu kommen – und die lautet ganz einfach: testen, testen, testen, impfen, impfen, impfen. Ich danke allen, die das verstehen und mit dabei sind. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


12.04.54

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die volle Begeisterung kann unsererseits bei diesem Ge­setzentwurf nicht ausbrechen – allein auch deshalb, weil man die letzte Änderung um 11.20 Uhr zugestellt bekommt und es jetzt 12.05 Uhr ist. Das ist alles ein bisschen Hmpf, und das ist auch die Qualität, mit der da üblicherweise gearbeitet wird.

Kommen wir aber zu etwas Positivem. Das, was Sie uns zu Silvester – mit Begutachtung über Neujahr – hingeknallt haben, wäre gewesen: alle einsperren, und dann kann man sich, wie Sie es genannt haben, freitesten. Jetzt gibt es einen Paradigmenwechsel: Die Leute sollen einmal grundsätzlich aus dem Haus dürfen (Abg. Wurm: Die kriegen eine Fußfessel, Gerald!), und wenn man ganz bestimmte Dinge tun will, dann braucht man eine Zugangstestung. Das ist jetzt auch nicht berauschend, aber das ist besser und es ist gezielter als das, was Sie ursprünglich vorgehabt haben.

Auf der anderen Seite muss ich sagen – gestern war eine Sitzung des Hauptausschus­ses, der seit November alle zehn Tage die Ausgangsbeschränkungen verlängert –, dass ich befürchte, dass wir hier eine Scheindiskussion führen, weil Sie gar nicht vorhaben, es zum Zugangstesten kommen zu lassen, sondern die Republik zugesperrt lassen wollen. Dann würden wir gar nicht in den Genuss kommen, zugangsgetestet und zumin­dest ein bisschen sicherer in ein Theater oder in ein Kino zu gehen.

Eine besonders lustige Rolle hat in dieser Diskussion die SPÖ eingenommen, die will nämlich – normalerweise will Pamela Rendi-Wagner ja alles zusperren und noch länger zudrehen, bis die Zahlen fast auf null sind, denn so lange dürfen wir sowieso nichts – für die Gastro keine Zutrittstests, ausgerechnet dort nicht. Wie das die SPÖ uns und sich selbst erklärt, ist mir ein Rätsel.

Für den Herrn Minister ist das jetzt natürlich die Chance. Das ist die Chance, zum ersten Mal in seiner Ministerlaufbahn ein Projekt auf den Boden zu bekommen. Wenn Sie jetzt eine Verordnung für das Zugangstesten machen, die dann funktioniert, dann überra­schen Sie mich positiv – man soll ja positiv in die Geschichten hineingehen.


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Kollege Schallmeiner hat noch auf den elektronischen Impfpass aufmerksam gemacht, zu dem ja auch noch Beschlüsse gefasst werden. Der elektronische Impfpass ist eine wichtige Weiterentwicklung. Länder wie Portugal haben ihn zum Beispiel seit 2012. Wir laborieren daran. Man muss aber auch immer dazusagen: Es ist ein Rumpfstadium, in dem sich der elektronische Impfpass in Österreich befindet. Es sind keine Amtsärzte, keine Betriebsärzte, keine Schulärzte angeschlossen, und auch all die Wahlärzte sind nicht angeschlossen. Wenn im Zuge der Covid-Sondermaßnahmen auch Sanitäter imp­fen dürfen, sind diese natürlich auch nicht angeschlossen.

Und was auf jeden Fall ein Problem ist: Keiner weiß, wie viel verimpft worden ist, und schon gar nicht, an wen. Es gibt jetzt auf der Seite des Gesundheitsministeriums eine schöne Zählmaschine, aber die Zählmaschine zählt nur, was ausgeliefert wurde, und geht davon aus – und so wird das in die Zählmaschine eingespielt –, dass alles, was heute ausgeliefert wurde, morgen verimpft wird. Davon, dass irgendjemand eine Vorstel­lung hat, wie viele Menschen in Österreich tatsächlich geimpft worden sind, wie viele davon ihre erste und wie viele davon ihre zweite Impfung erhalten haben, kann über­haupt keine Rede sein. Das, was da passiert, ist leider gesundheitspolitischer Blindflug. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kaniak.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.09.08

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss mich grundsätzlich einmal am Beginn sehr bedanken dafür, dass es einen sehr spannenden Verhandlungsprozess, Diskussionsprozess zu diesen heutigen Beschlüs­sen gegeben hat. Ich denke, dass wir mit den heutigen Beschlüssen in zwei wesentli­chen Bereichen unserer Strategie zur Begrenzung der Pandemie deutliche Fortschritte machen, nämlich einerseits beim Ausbau der Testungen und andererseits bei der Um­setzung der österreichischen Impfstrategie in zentralen Bereichen.

Aber lassen Sie mich davor schon noch einen Punkt thematisieren, der mir wichtig ist, denn ich merke, dass das mittlerweile zwar international das dominante Thema der Pan­demie ist, es hier im Haus aber offensichtlich noch nicht ganz angekommen ist (Abg. Wurm: B.1.1.7!), nämlich die Frage der Entwicklung und der Ausbreitung der in Großbri­tannien entstandenen Mutation des Covid-Virus. Diese ist ja mittlerweile dafür bekannt, und wir wissen nach vielen Studien inzwischen einiges darüber, dass sie deutlich anste­ckender ist als der bisherige Virusstamm. Fachexperten insbesondere aus Großbritan­nien gehen nach viermonatiger Erfahrung davon aus, dass es da ein um mehr als 50 Prozent erhöhtes Ansteckungsrisiko gibt, deswegen haben wir in einzelnen Ländern, die eine sehr enge Verbindung mit Großbritannien haben, Irland zum Beispiel, in den letzten Wochen schon eine sehr dramatische Entwicklung erfahren müssen. In Irland etwa gab es, was die Zahlen bei den Neuinfektionen betrifft, die Entwicklung vom Vor­reiter in Europa noch knapp vor Weihnachten, was niedrige Zahlen, eine sehr gute Posi­tion und Situation betrifft, in den letzten Tagen hin zu den Höchstwerten in Europa zum derzeitigen Zeitpunkt, was die Siebentageinzidenzen betrifft. Das war innerhalb von drei Wochen eine rund Verzehnfachung der Zahlen, das heißt, diese Mutation hat tatsächlich ein enormes Potenzial in sich.

Die Tatsache, dass immer mehr europäische Staaten ganz massive Funde dieser Virus­mutation melden, ist ein sehr, sehr alarmierendes Zeichen. In der Slowakei gab es zu­letzt Schätzungen, die von einem Anteil dieser Mutation an den Gesamtinfektionszahlen, der Positivrate, von bis zu 15 Prozent ausgehen. Es gab Meldungen hoher Zahlen zum


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Beispiel aus der Schweiz und aus vielen anderen europäischen Staaten – mir fallen gerade die Niederlande ein –, also der Trend geht ganz in die Richtung, dass dieses Virus drauf und dran ist, schrittweise den alten Virusstamm zu verdrängen und damit diese Pandemie nochmals dramatisch zu forcieren.

Das ist das Risiko, das wir derzeit sehen, das alle Fachexpertinnen und Fachexperten in Europa sehen, und deswegen wiederhole ich, was ich bereits gestern formuliert habe: Ich befürchte, wir sind am Beginn der schwierigsten Phase der Pandemie. Bis Ostern sind wir in dieser Situation. Zu Ostern, so hoffe ich, und diesbezüglich bin ich sehr zuversichtlich, werden dann schon Teile der Gesellschaft geimpft sein und das wird zu wirken beginnen, und zweitens, das ist bekannt, wird es zu dieser Zeit eine klimatische Veränderung geben. Steigende Temperaturen bedeuten auch, dass wir uns wieder ver­stärkt im Freien aufhalten, und damit sinkt auch aus diesem Aspekt heraus das Risiko.

Wir wollen deswegen bei dieser Kontrolle, bei dieser Eingrenzung der Ausbreitung dieser Mutation auf einige wenige wichtige Punkte setzen, nämlich zunächst auf eine Kontrolle der Ausbreitung. Wir sind dabei, und wir haben da schon große Schritte vorwärts ge­macht, dass wir das entsprechende Kontrollnetzwerk massivst ausbauen. Mittlerweile werden Tausende Proben in Richtung von Vorsequenzierungen genommen, damit wir feststellen können, wo es generell Mutationen gibt, und dann werden genau diese Risi­kofälle, diese Verdachtsfälle in Form von umfassenden Sequenzierungen, die dann acht bis zehn Tage dauern, untersucht, ob tatsächlich diese Virusform jene ist, die wir suchen. Das ist der zentrale Bereich, mit dem wir diesbezüglich schnell arbeiten, schnell arbeiten müssen.

Dennoch zu den beiden heutigen Beschlüssen, die uns da ja einen Schritt weiterbringen. Testungen ausbauen: Ja! Das ist schon in den vergangenen Monaten sehr, sehr gut gelungen. Erinnern Sie sich mit mir an den Frühling! Wir waren da bei 4 000 bis 5 000 Testungen am Tag; derzeit sind wir bei deutlich über 100 000 Testungen am Tag.

Und wenn hier jemand davon spricht – und ich höre da immer wieder zwei Redner aus unterschiedlichen Fraktionen, die das wiederholen –, dass es in Österreich keine Test­strategie gibt, dann würde ich einfach ersuchen, mir von Zeit zu Zeit zuzuhören – das ist die eine Option. Die andere Option ist, auf die Homepage des Gesundheitsministeriums zu gehen, wo diese Teststrategie ganz einfach ablesbar ist, ableitbar ist. Die gibt es, die ist real existierend – selbstverständlich! –, alles andere wäre ja völlig unvorstellbar. Selbstverständlich wird sie weiterentwickelt, weil wir betreffend Testungen technische Fortschritte machen. Unter anderem durch die Einführung der Antigentests ist es gelun­gen, diese Zahl von Testungen massivst zu erhöhen. In den letzten Tagen wurden in Österreich jeden Tag über 100 000 Antigentests eingemeldet – an jedem Tag, in 24 Stunden, über 100 000 entsprechende Tests. Das heißt, wir gehen da wirklich ins Detail, wir gehen in die Tiefe. – Das ist der eine Punkt.

Diesbezüglich ist es mir noch wichtig, dass wir die Aussagekraft dieser Testungen jetzt durch zwei Punkte weiter verstärken, die heute in dieser Beschlussfassung sehr, sehr wichtig sind, nämlich einerseits durch den Punkt, dass wir die Verwendung von Antigen­testungen durch Berufsgruppentestungen und durch Zugangstestungen ausdehnen.

Zu den Zugangstestungen möchte ich ausdrücklich etwas betonen, denn da hat es of­fensichtlich Fehler in der Kommunikation von Einzelnen – nicht von unserer Seite – ge­geben: Es ist nicht so, dass die Gastronomie von diesen Testungen ausgeschlossen wäre! Es gibt im Bereich dieses heutigen Beschlusses ausdrücklich keine Ausnahme für die Gastronomie – ich finde es wichtig, dass man das noch einmal klarstellt –, und es wird vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängen, in welchen Bereichen wir derartige Zugangstestungen tatsächlich umsetzen müssen. Die Zugangstestung ist ja ein Schlüs­sel für das Öffnen und von daher aus meiner Sicht etwas sehr Positives, denn jeder von


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uns will Öffnungsschritte, sofern sie aus virologischer Sicht machbar sind, und die Zu­gangstestung kann ein Instrument dafür sein. Das heißt, das ist aus meiner Sicht eine kluge, gute Überlegung, und von daher ein Danke für eine sehr gute Diskussion zu die­sem Thema auch im Gesundheitsausschuss und für einen seriösen Umgang mit dieser Frage.

Die zweite Innovation, die hier enthalten ist, ist der Umgang mit Selbsttests, die wir mit diesem Beschluss heute erstmals in einen konkreten offiziellen österreichischen Geset­zestext einbringen – das gibt es im Übrigen in Europa nach meinem Wissensstand bis­her noch nirgendwo. Das ist aber eine sehr große Innovation. Warum? – Da bin ich bei dem, was ihr (in Richtung FPÖ) auch oft sagt, nämlich die Selbstbestimmung des Ein­zelnen gehört unterstützt und gefördert. Ich bin ganz auf dieser Seite! Wir können nicht nur mit Verboten und Geboten arbeiten, wir müssen Technologien zur Verfügung stellen, durch die es möglich ist, dass sich der Einzelne in einem gewissen Sinn auch selbst kontrolliert und schaut: Bin ich ansteckend, ist das ein Thema?, und das auch laufend wiederholen kann. Deswegen wollen wir diese Selbsttests auch in großer Menge in Ver­kehr bringen; dazu braucht es die rechtlichen Voraussetzungen.

Und ganz, ganz wichtig ist die heute vorliegende Formulierung, nämlich dass verpflich­tend vorgesehen ist, dass jeder und jede, der und die einen derartigen Selbsttest zu Hause verwendet, dies im Fall eines positiven Ergebnisses dann auch einmelden und dafür sorgen muss, dass es eine Überprüfung dieses Testergebnisses gibt, denn theore­tisch könnte es ja auch falsch-positive Ergebnisse geben, und wir wollen nicht, dass daraus falsche Schlüsse auch mit entsprechenden Konsequenzen – Stichwort: Quaran­täne et cetera – folgen. Das heißt, das ist gut, das ist richtig. Damit haben wir den Selbst­test auch im System drinnen, ein wirklich großer Fortschritt. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, diese Diskussion auch dafür zu nützen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist eben der große Bereich der Impfungen: Ja, das ist ein ganz wichtiger Beschluss, was die Finanzierung des elektronischen Impfpasses betrifft. Wissen Sie, wenn hier von manchen Kollegen Beispiele genannt werden, die besagen, in diesem und jenem Land gibt es schon – ich glaube, Portugal war das Beispiel – seit 2012 den elektronischen Impfpass, so kann ich das nur bestätigen. Ich kann nur sagen: Ich bin jetzt seit einem Jahr in dieser Funktion. Vor meiner Zeit hat es geheißen, das ist ein Projekt – wirklich, ich erzähle da keinen Scherz! – für das Jahr 2030; ein Pilotprojekt für 2030 hat es geheißen. Eine meiner Vorgängerinnen – (erheitert) ich nenne keine Na­men – hat das in diese Stoßrichtung entwickelt. Wir haben im vergangenen Jahr auch dank eurer Hilfe (in Richtung FPÖ) enorme Fortschritte gemacht. Kollege Wurm, nicht kritisch schauen! Ich habe keinen Namen genannt (erheitert), wer das gewesen sein könnte. (Abg. Wurm: Ich habe gerade nachgedacht! Ich habe nachgedacht!) Nachden­ken ist immer gut, ist nicht verboten, ganz im Gegenteil: Das ist gut!

Wir haben dieses Projekt im vergangenen Jahr in der guten Kooperation zwischen Minis­terium und Nationalrat also extrem weiterentwickelt, indem wir gemeinsam die rechtli­chen Voraussetzungen für das Ausrollen des elektronischen Impfpasses geschaffen ha­ben. Und ich kann schon sagen, dass wir durch die Covid-Schutzimpfung in den letzten Wochen natürlich auch einen entsprechenden Druck aufbauen konnten, damit es zu einem schnellen Ausrollen kommt und die entsprechenden Finanzierungsnotwendigkei­ten gerade betreffend den Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft angegangen wer­den – ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch bei den Ärztinnen und Ärzten für die gute Kooperation. Wir sind mittlerweile bei rund 40 Prozent angelangt; die Ge­samtausrollung wird uns, davon gehe ich, und das ist verbindlich, aus, bis allerspätes­tens Ende März gelingen. Ich danke diesem Haus, dass dafür auch die Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Zum Schluss kommend aber noch einmal: Das sind wichtige Bausteine für die zukünftige Arbeit zur Begrenzung der Pandemie, aber seien wir ehrlich, wir werden in den nächsten


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Wochen wegen der Ausbreitung dieser Virusmutation vor ganz neuen Herausforderun­gen bei der Begrenzung der Pandemie stehen, mit allen Konsequenzen, mit allen Fol­gen, die es gibt und die wir aus manchen Nachbarländern derzeit schon kennen. Dan­ke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Pram­mer. – Bitte.


12.20.36

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Es gibt etwas, wovon wir gerade alle sehr viel haben, und das sind Fragen. Wir fragen uns nicht nur, wann wir wieder normal leben können, sondern wir fragen uns vielmehr auch, wie unser Leben nach dieser Pandemie aussieht. Werde ich meinen Job wieder bekommen? Wird es meine Firma dann noch geben? Werde ich eine Lehrstelle bekommen? Kann ich die Schule abschließen? Werde ich den Kredit für mein Haus zu­rückzahlen können? – All das sind existenzielle Fragen, die wir uns jetzt stellen, die uns beschäftigen und auf die wir Antworten suchen. Und diese Antworten, die wir so dringend brauchen, hängen davon ab, wann wir dieses Virus endlich so weit in den Griff bekom­men, dass es sich nicht mehr ungehindert verbreiten kann.

Wir alle wissen, dass es bei den Anstrengungen, die wir seit fast einem Jahr unterneh­men, nicht darum geht, das Virus unschädlich für den einzelnen Menschen zu machen, sondern dass es darum geht, zu verhindern, dass so viele von uns gleichzeitig krank sind, dass wir Menschen, die ins Krankenhaus müssen, die Intensivbehandlung brau­chen, nicht mehr ausreichend versorgen können. Wir können das nur schaffen, wenn wir es diesem Virus unmöglich machen, von einem Menschen zum nächsten und zum nächsten und zum nächsten überzuspringen. Je weniger Übertragungen in kurzer Zeit stattfinden, desto weniger Menschen sind gleichzeitig infiziert, je weniger Infizierte, desto weniger Kranke, je weniger Kranke, desto weniger Schwerkranke und Schwerstkranke und desto weniger Menschen in den Krankenhäusern. Das ist die Logik des Handelns.

Bisher hatten wir ein Mittel gegen diese Ausbreitung, nämlich Kontakte zu vermeiden. Im letzten Jahr konnte glücklicherweise vieles erforscht und vieles entwickelt werden. Wir wissen heute, geimpfte Menschen werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht schwer krank. Und wir wissen auch, Menschen, bei denen eine Infektion mit einem Anti­genschnelltest nicht nachweisbar ist, sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht an­steckend.

Für uns als Gesetzgeber ergeben sich daraus ganz neue Möglichkeiten, aber damit auch ganz neue Verpflichtungen. Jetzt, da wir wissen, dass wir gezielt herausfinden können, welche Kontakte gefährlicher sind als andere, müssen wir auch gezielt differenzieren. Wir brauchen nicht mehr generell fast alle Kontakte zu verhindern, sondern wir können gezielt jene zulassen, bei denen wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass sie nicht zu einer Übertragung des Virus führen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben mit den Antigenschnelltests jetzt auch die Möglichkeit, mit verhältnismäßig geringem Aufwand festzustellen, wo es sich wahrscheinlich um solch einen ungefährli­chen Kontakt handelt. Die Regelung, die wir heute beschließen, ist notwendig, weil wir damit dem Gesundheitsminister die gesetzlichen Möglichkeiten geben, mit den derzeit besten zur Verfügung stehenden Mitteln seine Pflicht zu erfüllen, nämlich das Gesund­heitssystem und damit die ausreichende gesundheitliche Versorgung der Menschen auf­rechtzuerhalten. Er muss das mit dem geringstmöglichen Eingriff in die Grund- und Frei­heitsrechte tun können, das ist für uns Grüne besonders wichtig. Jetzt stehen weitere


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Mittel dafür zur Verfügung. Mit diesem Gesetz lassen wir ihn diese einsetzen. Es schafft die Grundlage für weniger Eingriffe in die Erwerbsfreiheit, weniger Eingriffe ins Privatle­ben, weniger Eingriffe in das Recht auf Bildung bei gleich gutem Schutz des Rechtes auf Gesundheit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Gesetz ist der nächste logische Schritt in Richtung Normalität, die wir alle so herbeisehnen. Deshalb bitte ich Sie, dieses Gesetz zu unterstützen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


12.25.01

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Ja, ich werde wieder auf die Teststrategie zu sprechen kommen, da Sie (in Richtung Bundesminister Anschober) ja vorhin angesprochen haben, dass ich das immer wieder erwähne. Ich fühle mich angesprochen, das habe ich auch immer gesagt, denn wir als SPÖ fordern seit April eine Teststrategie. (Bundesminister Anschober: Ja, die ist ja da!) Da geht es nicht darum, wie viele Tests man macht, sondern darum: Was ist das Ziel? Wen möchte man testen? (Bundesminister Anschober: Genau!) Da hat es monatelang Versäumnisse gegeben. (Bundesminister Anschober: Stimmt nicht!) – Wohl! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es wird – und ich glaube, darin sind wir uns alle einig – keinen anderen Ausweg aus dieser Pandemie geben als mit einer gut durchdachten Test-, aber auch Impfstrategie. Dass jetzt auch die Berufsgruppen regelmäßig getestet werden, das finde ich sehr posi­tiv. Wichtig war uns dabei natürlich auch, dass das kostenlos geschieht. (Beifall bei der SPÖ.)

Öffentliche Testmöglichkeiten soll es nicht nur dann geben, wenn gerade Massentests angekündigt werden, sondern es wird notwendig sein, dass diese öffentlichen Testmög­lichkeiten flächendeckend errichtet werden und kostenlos und dauerhaft angeboten wer­den.

Besonders freut mich, dass jetzt die sogenannten Wohnzimmertests aufgenommen wor­den sind und auch die Vorgehensweise, wie damit bei positiver Testung umgegangen wird, geregelt wird.

Mit der Impfstrategie ist es ja anders als mit der Teststrategie, da haben wir eine Prio­risierung der besonders vulnerablen Gruppen, dass diese zuerst geimpft werden; wie aber die Impfung zu den Menschen kommt, ist nicht ganz klar, das ist wieder von Bun­desland zu Bundesland verschieden. Da ist es natürlich notwendig, dass die Impfung besonders niederschwellig angeboten werden kann.

Was auch wesentlich ist – denn wir bekommen nun die ersten Rückmeldungen von Ärz­ten, die impfen –, ist die Information darüber, wann wie viele Impfdosen geliefert werden, damit die Ärzte auch planen können, denn nur so kann auch rasch eine hohe Impfrate gewährleistet werden. Das fehlt bisher.

Positiv erwähnen möchte ich, das freut mich besonders, dass es in Zukunft Möglich­keiten gibt, kostenlose Test- und Impfstraßen in den Betrieben zu errichten, denn das ist, glaube ich, notwendig, damit möglichst viele Menschen erreicht werden. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wurm: ... da müsst ihr selber drüber lachen!)

Zum elektronischen Impfpass möchte ich noch anmerken, dass es gut ist, dass das jetzt in Bewegung kommt. Ich glaube, es wird notwendig sein, dass die Bevölkerung ihre Impfdaten einfach und digital zugänglich selbst sehen kann. Griechenland zum Beispiel


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hat schon angekündigt, dass es nur Menschen mit einer Impfung ins Land lassen möch­te, das heißt, man muss schauen, dass der bürokratische Aufwand so gering wie möglich gehalten wird.

Apropos bürokratischer Aufwand: Bei Coronaimpfungen ist es derzeit notwendig, einen zweiseitigen Aufklärungs- und Dokumentationsbogen inklusive der Gebrauchsinforma­tionen mit einer Unterschrift zu bestätigen. Das ist nicht durchführbar! Bei keiner anderen Impfung gibt es das. Ich weiß nicht, warum das jetzt bei der Coronaimpfung plötzlich notwendig ist.

Herr Minister, ich fordere Sie auf, diesen Aufklärungsbogen auf eine Seite zu reduzieren und diese auch in einer barrierefreien Version anzubieten!

Wichtig ist, dass die Tests und Impfungen schnell und unkompliziert durchgeführt wer­den und selbstverständlich auch kostenlos, damit wir diesen Lockdown endlich beenden können.

Ich bringe dazu einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rascher Ausbau der öffentlichen unentgeltlichen Corona-Test­möglichkeiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Ausbau der öffentlichen Testmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und Gemeinden voranzutreiben mit dem Ziel, dass flächendeckend ausreichend Testmöglichkeiten wohnortnah und unentgeltlich so rasch wie möglich zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend rascher Ausbau der öffentlichen unentgeltlichen Corona-Testmöglichkeiten

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses 629 dB betreffend den Antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1197/A)

Die Impfung ist unsere einzige Chance das Coronavirus in den Griff zu bekommen. Sie ist die einzige Chance, dass sich unser Leben wieder in Richtung Freiheit und Normalität bewegt. Bis wir eine schützende Durchimpfungsrate haben, braucht es auch eine Weiter­entwicklung der Teststrategie und einen Ausbau der Testmöglichkeiten.

Breites und regelmäßiges Testen der Bevölkerung ist eine wichtige Grundlage, um In­fektionsketten zu unterbrechen. Es ist daher unerlässlich, dass der Bevölkerung auch die Möglichkeit gegeben wird, wohnortnah und zeitnah diese Tests unentgeltlich in An­spruch zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 74

Zur Umsetzung der neuen Teststrategie von Eintrittstests und Berufsgruppentests be­darf es eines Ausbaues der öffentlichen Testmöglichkeiten.

Um Bürgerinnen und Bürger kostenlos und möglichst einfach Testmöglichkeiten zu bie­ten, muss in den Bundesländern zusätzlich zu der bereits bestehenden Infrastruktur für Testungen von Covid-Verdachtsfälle, möglichst wohnortnah die Möglichkeit geschaffen werden, regelmäßig einen Antigen-Test durchführen zu lassen und eine Bestätigung für die Durchführung eines Tests zu bekommen. Damit können Bürgerinnen und Bürger auch unentgeltlich Testzertifikate für das „Eintrittstesten“ erlangen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Ausbau der öffentlichen Testmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und Gemeinden voranzutreiben mit dem Ziel, dass flächendeckend ausreichend Testmöglichkeiten wohnortnah und unentgeltlich so rasch wie möglich zur Verfügung gestellt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.


12.29.42

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Ich möchte zuallererst einen Abänderungsantrag einbringen, und zwar einen Abände­rungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dietmar Keck, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den An­trag 1124/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, über einen Zweck­zuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussge­setz) geändert wird, 627 der Beilagen, betreffend die Sonderbestimmungen für bevölke­rungsweite Testungen und Sonderbestimmungen für Impfstellen für bevölkerungsweite Impfaktionen gegen COVID-19.

Kern dabei ist, dass es damit ermöglicht wird, dass auch betriebsärztliche Einrichtungen offizielle Impfstellen werden können.

Ich möchte im Weiteren kurz darüber berichten, welchen Wert eigentlich diese Testme­thoden, die wir derzeit anwenden, haben. Dazu gibt es ja vielfältige Diskussionen.

Zuerst ein Wort zum PCR-Test, der Polymerase-Kettenreaktion. Diese Testmethode gilt nicht umsonst seit vielen Jahren bei vielen Krankheitserregern als der Goldstandard, da man mit dieser mit hoher Treffsicherheit Erreger nachweisen kann.

Dann hat es Sorgen gegeben, da könnte es ja falsch-positive Resultate geben. Dazu gibt es einen Feldversuch, der sehr dagegen spricht. Neuseeland, Sie erinnern sich, war einige Monate komplett coronafrei. In dieser Zeit hat man dort rund 300 000 PCR-Tests durchgeführt: Kein einziger war positiv. Das heißt, damit hat man wirklich eine sehr hohe Treffsicherheit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 75

Unter anderem geht es jetzt auch um die Antigentests. Bei den Antigentests kann man eines mit ziemlicher Sicherheit sagen: Wenn die Viruslast hoch ist, dann springen diese Antigentests auch an. Und genau um diese Personen geht es, denn asymptomatische Personen mit hoher Viruslast können für andere Menschen tatsächlich ansteckend sein.

Auch zur Frage, wie ansteckend asymptomatische Personen sein können, hat es Dis­kussionen gegeben, dazu Folgendes: Sie können es sein, sie sind es auch. Es gibt Schätzungen, wonach etwa 50 Prozent der Infektionen über asymptomatische Personen erfolgen, und das ist ja auch das Teuflische an dieser Erkrankung. (Abg. Wurm: Wo haben Sie die Zahlen her? Welche Studie, bitte? Woher haben Sie die 50 Prozent, Herr Kollege?) Wenn nur Erkrankte die Krankheit weitergeben könnten, nur jemand, der Fieber hat, dann würde sich die Krankheit viel weniger ausbreiten, denn jemand, der krank ist, der Fieber hat, bleibt zu Hause und geht nicht in die Nachtgastronomie. Gerade durch die Leute, die nicht wissen, dass sie infiziert sind, die noch nicht krank sind, wird die Krankheit weiterverbreitet.

Es ist diese Möglichkeit des Reintestens eine wirklich gute Chance, dass man sagen kann, ich gehe jetzt in einen Raum, wo ich mit vielen anderen Menschen beisammen bin, und ich kann mir ziemlich sicher sein, ich bin keine Gefahr, ich werde niemanden anstecken. Das ist ein Akt der Rücksichtnahme, ein Vorgang der Achtsamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich wird dann gleich gefragt: Freiheit oder Zwang, was steckt da dahinter? – Da gibt es für mich zwei Freiheitsbegriffe. Der erste Freiheitsbegriff ist der solidarische Frei­heitsbegriff mit dem Ziel, dass möglichst alle Menschen in Freiheit und Sicherheit ihrem Leben nachgehen können. Und der zweite ist der egoistische Freiheitsbegriff: Ich will meine Freiheit, mir passiert schon nichts, die anderen sind mir wurscht!

Verzeihen Sie mir, wenn ich es jetzt etwas sehr direkt ausdrücke: Die Antwort auf die Frage, welchem Freiheitsbegriff man in der Pandemie anhängt, lässt sich auch daran ablesen, ob man bereit ist, Schutzmasken zu tragen oder nicht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Der Redner ist im Begriff, das Red­nerpult zu verlassen.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Smolle! Sie haben zwar erwähnt, dass Sie einen Abänderungsantrag einbringen, dieser muss aber in seinen Grundzügen erläu­tert werden, und zum Inhaltlichen haben weder ich noch die Parlamentsdirektion etwas vernommen. Das heißt, ich würde Sie ersuchen, noch einmal ganz kurz auf den Inhalt Ihres Abänderungsantrages Bezug zu nehmen. Es reicht, wenn das in drei Sätzen ge­schieht, aber das ist erforderlich, sonst gilt er als nicht eingebracht.


Abgeordneter Dr. Josef Smolle (fortsetzend): Das Wesentliche ist, dass in diesem Ge­setzestext, in diesem Passus aufgelistet wird, welche Einrichtungen offizielle Impfstellen sein können, deren Kosten von der öffentlichen Hand getragen und refundiert werden. In der ursprünglichen Variante waren die betriebsärztlichen Einrichtungen nicht vorgese­hen, da man die Ansicht vertrat, dass das ohnehin unter die Präventivarbeit der Betriebs­ärzte falle. Nun ist der Entwurf explizit so abgeändert worden, dass betriebsärztliche Einrichtungen solche offiziellen Impfstellen sein können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.35

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dietmar Keck, Ralph Schallmeiner,

und Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 76

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1124/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz, über einen Zweckzuschuss an die Länder auf­grund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) geändert wird (627 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben erwähnte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 2 lautet:

»2. Nach dem § 1 werden folgende §§ 1a und 1b samt Überschriften eingefügt:

„Sonderbestimmungen für bevölkerungsweite Testungen

§ 1a. Für die Abwicklung von bevölkerungsweiten Testungen im Rahmen von Scree­ningprogrammen nach § 5a des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950 in der je­weils geltenden Fassung, und deren Kostentragung gilt Folgendes:

1.          Die Kostenersätze an Länder und Gemeinden für die Abwicklung der bevölke­rungsweiten Testungen werden unter Anwendung der Bestimmungen des § 1a Z 2 bis 4 vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz nach den tatsächlich angefallenen Kosten erstattet.

2            Der Bund ersetzt den Gemeinden zusätzlich zum Kostenersatz gemäß Z 1 den Aufwand für zusätzliche Überstunden von Gemeindebediensteten und von Be­diensteten in von ihnen ausgegliederten Rechtsträgern, die durch die Abwicklung von bevölkerungsweiten Testungen anfallen.

3.          Die Kostentragung des Bundes umfasst nicht den Aufwand für räumliche Infra­struktur, die von den Ländern oder Gemeinden zur Durchführung von bevölke­rungsweiten Testungen von Rechtsträgern in deren jeweiligem Eigentum ange­mietet werden; bei einer teilweisen Beteiligung des Landes bzw. der Gemeinde wird der Kostenersatz aliquot gekürzt.

4.          Kostenersätze an Gemeinden werden im Wege der Länder beim Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz angemeldet und im Wege der Länder ausbezahlt.

5.          Aufwandsentschädigungen, die von den Ländern und Gemeinden an nicht haupt­beruflich tätige unterstützende Personen gewährt werden, sind im Ausmaß von bis zu 20,- Euro je Stunde für medizinisch geschultes Personal und von bis zu 10,- Euro je Stunde für sonstige unterstützende Personen von allen bundesge­setzlichen Abgaben befreit und gelten bis zur Höhe von 537,78 € im Kalender­monat nicht als Entgelt im Sinne des § 49 ASVG.

Sonderbestimmungen für Impfstellen für bevölkerungsweite Impfaktionen gegen COVID 19

§ 1b. (1) Der Bund ersetzt den Ländern die zusätzlich entstandenen Aufwendungen für Impfstellen im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Verabreichung von Impfungen gegen COVID 19. Diese Impfstellen müssen vom Land selbst, in dessen Auftrag oder mit dessen vorherigen Zustimmung eingerichtet werden. Auch wenn eine derartige Impf­stelle von einer Gemeinde im Auftrag des Landes oder mit vorheriger Zustimmung des Landes eingerichtet wird, muss der Kostenersatz im Wege des Landes beim Bundesmi­nister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz angemeldet und im We­ge des Landes ausbezahlt werden.

(2) Keinesfalls als Impfstellen im Sinn des Abs. 1 gelten im niedergelassenen Bereich tätige Ärztinnen und Ärzte, Gruppenpraxen bzw. Primärversorgungseinheiten sowie selbständige Ambulatorien, soweit für die dort vorgenommenen Impfungen gegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 77

COVID-19 nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf ein Ho­norar gegenüber den Krankenversicherungsträgern geltend gemacht werden kann.

(3) Der Kostenersatz gemäß Abs. 1 umfasst den Aufwand gemäß § 1a Z 1 bis 4 und ist bis 31. Dezember 2021 befristet. In den Richtlinien gemäß § 2 können auch Obergren­zen für die Stundensätze für das herangezogene ärztliche, medizinische und nichtmedi­zinische Personal vorgesehen werden.“«

Begründung

Durch die im vorliegenden Abänderungsantrag enthaltene Änderung der gesamten Z 2 der Novelle zum COVID-19-Zweckzuschussgesetz erfolgt lediglich eine Änderung beim neuen § 1b Abs. 2 COVID-19-Zweckzuschussgesetz.

§ 1b Abs. 2 COVID-19-Zweckzuschussgesetz soll festlegen, wann keinesfalls eine Impfstelle vorliegt, deren Kosten vom Bund den Ländern ersetzt werden. Hier sind in der Fassung des Berichts des Gesundheitsauschusses zwei Ziffern angeführt:

Die Ziffer 1 führt im niedergelassenen Bereich tätige Ärztinnen und Ärzte, Gruppenpra­xen bzw. Primärversorgungseinheiten sowie selbständige Ambulatorien an. Da hier nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf ein Honorar besteht, soll diese Ausnahme bestehen bleiben und nun den alleinigen Regelungsinhalt des Abs. 2 bilden.

Die bisherige Ziffer 2 bezieht sich auf Betriebsärztinnen, Betriebsärzte oder betriebsärzt­liche Einrichtungen und nimmt diese damit von der Möglichkeit aus, vom Land als Impf­stelle beauftragt oder benannt zu werden. Diese Einschränkung soll nun entfallen. Die von den Ländern eingesetzten Impfkoordinatoren können nun - abhängig von den regio­nalen Anforderungen – auch betriebsärztliche Einrichtungen als COVID 19-Impfstellen bezeichnen. Der Kostenersatz des Bundes erfolgt auch in diesem Fall im Wege des je­weiligen Landes.

*****


Präsidentin Doris Bures: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Smolle. Somit wurde der Antrag in den Grundzügen erläutert, er ist auch ausreichend unterstützt, wird zur Vertei­lung gebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


12.35.53

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Die Position der Freiheitlichen Partei ist eine klare, wir sagen: Betriebe aufsperren, Arbeitsplätze sichern – natürlich aufsperren unter Einhaltung der Hygienebestimmungen – und maximaler Schutz der Risikogruppen, Herr Minister!

Ich habe im Ausschuss das Beispiel Pflegeheim Matrei gebracht. Das ist wirklich ein Vorbild: 100 Bewohner und bis jetzt kein einziger positiver Fall! Das ist das Vorbild! Es ist tragisch, wenn wir in Summe 3 000 Sterbefälle in Alten- und Pflegeheimen haben, die zu verhindern gewesen wären. Das sind immerhin 50 Prozent aller Verstorbenen.

Also das ist unsere Position, und ich sage Ihnen auch, wieso. Es gibt einen wissen­schaftlichen Ansatz, es gibt eine brandaktuelle Publikation, der Letztautor ist John Ioan­nidis. Das Fazit dieser Publikation ist: Die massiven Lockdowns bringen epidemiologisch überhaupt nichts! Diese Meinung vertritt mittlerweile auch die Kassenärztliche Vereini­gung in Deutschland.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 78

Der zweite Ansatz, wieso wir unter Einhaltung der Hygienebestimmungen aufsperren müssen, ist: Es gibt zwei Klassen von Betrieben, nämlich eine Klasse, die am Hunger­tuch nagt, und eine andere Klasse, die seitens der Regierung unterstützt wird. Und für die Klasse von Betrieben, die am Hungertuch nagen, hat es die Frau Alexandra, die Linzer Wirtin, stellvertretend für viele auf den Punkt gebracht, sie sagt: Ich muss aufsper­ren! Ich habe einen Sohn, der ist 13 Jahre, wir verhungern! – Das ist die Tragödie!

Und glauben Sie mir, ich bräuchte hier eine halbe Stunde, um alle Fälle aufzuzählen, die zeigen, wie undifferenziert die Regierung vorgeht und wie sie vor allem die Kleinstbetrie­be, die kleinen Vermieter, die Privatvermieter und die kleinen Gewerbetreibenden sträf­lich schlecht behandelt, sie nicht unterstützt, sodass diese Betriebe tatsächlich am Hun­gertuch nagen.

Ich sage Ihnen nur ein Beispiel: Es gibt das Erfolgsmodell der privaten Vermietung im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbes bis maximal zehn Betten. So, wie schaut das jetzt aus? Es werden Investitionen getätigt, damit der Kredit für das Haus zurückgezahlt werden kann. Diese Personengruppe stellt einen Antrag beim Härtefall­fonds, und was bekommt sie zur Antwort? – Zum Beispiel wird die Förderung abgelehnt, weil es, obwohl man nur acht Betten hat, ein Sofa im Zimmer gibt, auf dem ja theoretisch zwei weitere Personen schlafen könnten. Und da gibt es viele ähnliche Beispiele.

Es ist für mich wirklich ein Skandal, wie man mit den kleinen und kleinsten Betrieben umgeht. Eine Gesellschaft wird auch daran gemessen, wie sie gerade mit den kleinen Leuten, mit Personen mit kleinen Einkommen umgeht, und das macht die Regierung schlecht. (Beifall bei der FPÖ.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Dagmar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.39.30

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Smolle hat in seiner Rede behauptet, dass 50 Prozent der Asymptomatischen anste­ckend sind. – Das ist unrichtig!

Bereits im Juni hat die WHO ausgeschlossen, dass asymptomatische Patienten andere anstecken. Im Herbst kam die sogenannte Wuhanstudie heraus, die an einer Fallzahl von mehreren Tausend Personen durchgeführt wurde. Auch sie hat festgestellt, dass von asymptomatischen Patienten überhaupt keine Gefahr ausgeht.

Zu guter Letzt gibt es noch die Innsbrucker Studie, durchgeführt von Mikrobiologin Lass-Flörl und Günter Weiss. Das sind die Leiter der Inneren Medizin der Medizinischen Uni­versität Innsbruck. Auch sie haben gesagt, Asymptomatische infizieren so gut wie nie­manden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm – in Richtung Abg. Haubner –: Bitte klat­schen! ...! – Abg. Belakowitsch: Die WHO ...! – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ.)

12.40


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


12.40.33

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen (in Richtung ÖVP und FPÖ), vielleicht krie­ge ich kurz Ihre Aufmerksamkeit, ich habe Ihnen nämlich etwas mitgebracht. Vielleicht interessiert es auch Sie, Kollegin Belakowitsch! (Die Rednerin hält ein Testkit in die Höhe.) Das ist der neue Schnelltest für die Schulen. (Abg. Belakowitsch: Der ist nicht zugelassen ...!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 79

Fünf Millionen Stück davon sind unterwegs nach Österreich. (Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch.) Sie werden morgen hoffentlich in Österreich ankommen, werden über das Wochenende in alle Schulen in diesem Land ausgeliefert (Abg. Belakowitsch: Und die Schulen sind zu!) und werden hoffentlich ab nächstem Montag zur Anwendung kommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Belakowitsch.)

Dieser Test ist unkompliziert durchzuführen, das ist so einfach wie Nasebohren. (Abg. Wurm: Sind die von Siemens, oder wer hat die produziert?) – Die kommen aus China. (Abg. Wurm: Aus China kommen die?! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Der Test ist schnell, dauert nur wenige Minuten, er ist sehr niederschwellig, man muss nirgendwo hinfahren, und man wird ihn in den Schulen auch gemeinsam durchführen können, als eine Art wöchentliches Ritual, ein- bis zweimal pro Woche. (Abg. Belakowitsch: Der ist nicht zugelassen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass es sich bei dieser neuen Art des Testens um einen Gamechanger handelt und dass die Schulen auch für andere Bereiche eine Trendsetterfunktion wahrnehmen können. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich sage auch aus voller Absicht, dass ab nächstem Montag bereits getestet werden kann, denn anders, als viele Leute hier im Raum immer wieder behaupten, sind ja die Bildungseinrichtungen zu einem großen Teil offen. Ich denke da zuerst an die Kinder­gärten. (Abg. Belakowitsch: Ich denke da an die Schulen, die seit Monaten zu sind!) Sie sind seit Monaten, eigentlich fast seit Beginn der Pandemie, de facto im Vollbetrieb, und die Pädagogen und Pädagoginnen dort leisten extrem wichtige Arbeit. Jetzt bekom­men auch sie diese Tests, um mehr Sicherheit für sich haben zu können.

Ich denke an die Sonderschulen – sie sind die ganze Zeit über schon im Präsenzunter­richt –, wo oft viel Beziehungsarbeit notwendig ist (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), verbunden mit viel Nähe, auch körperlicher Nähe. Auch dort werden die Kinder sowie die Pädagogen und Pädagoginnen diese Tests ab nächster Woche machen können.

In allen Schulen sind Kinder in Betreuung, 20, 30, 40 Prozent jeden Tag. Es sind Kinder in den Schulen, die die Schule als Lernort brauchen, die dort Sprachpraxis bekommen, zum Beispiel die Kinder der Deutschförderklassen (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch), Kinder, die dort Förderstunden kriegen, Kinder auch der Oberstufen, die sich auf Prüfungen vorbereiten, die Schularbeiten abhalten (Abg. Belakowitsch: Ohne Un­terricht seit den Herbstferien!), in den mittleren und höheren Schulen findet Unterricht in Praxisfächern vor Ort statt – all das jeden Tag auch in Präsenz, und für alle diese Kinder wird es ab nächster Woche die Möglichkeit geben, sich zu testen.

Und ja, ab 25. Jänner werden es wahrscheinlich noch mehr sein, wenn wir hoffentlich in eine Form von flexiblem Schichtbetrieb gehen, und diese Tests machen dann hoffentlich einen Unterschied.

Warum? – Aus drei Gründen: Der erste ist das subjektive Sicherheitsgefühl. Ich verstehe ja wirklich Lehrkräfte, die sich fürchten, ich verstehe auch Eltern, die sich fürchten, weil man einfach nicht wissen kann, wo überall das Virus ist. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Auch dieser Test gibt natürlich keine Garantie  eine solche kann auch niemand abgeben , aber er gibt doch mehr Sicherheit als vorher.

Ein zweiter Punkt, der mir ganz wichtig ist: Wir werden mit diesem Test Bevölkerungs­gruppen erreichen, die derzeit mit den Teststraßen nicht erreichbar sind. Wir haben die Zahlen gelesen. 7 Prozent der Rekruten sind im Moment positiv, ohne es zu wissen. Es gibt ganz viele Leute, die offenbar die derzeitigen Testangebote aus verschiedensten Gründen nicht wahrnehmen. Das kann Gleichgültigkeit sein, das kann Scham sein, das kann Misstrauen sein, das kann Angst sein. Es kann einfach sein, dass man andere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 80

Sorgen hat und sich da nicht betroffen fühlt. Über die Schulen, glaube ich, bekommen wir jetzt die Chance, in alle Bevölkerungsgruppen reinzutesten, und alle Bevölkerungs­gruppen bekommen die Chance, zu erfahren, dass das Virus bei ihnen vielleicht schon angekommen ist.

Letzter Punkt: Ich hoffe auch, dass wir da eine Art Einblick in die Gesamtentwicklung der virologischen Situation bekommen; ich sage da jetzt nur das Wort B.1.1.7 und ich sage das Wort Irland und ich schaue dabei speziell die NEOS an. Ich kann mich erinnern, als ich letztes Mal hier stand, hat man mir entgegengerufen: In Irland ist ja alles so super! Schulen sind die ganze Zeit offen, niedrige Infektionsraten, alles bestens!

Schauen wir jetzt nach Irland: Die Zahlen gehen durch die Decke, das ganze Land muss zusperren. (Abg. Schrangl: ... alles zusperren! Vielleicht liegt’s nicht daran!) Da sieht man einfach, wie schnell es gehen kann, und ich glaube tatsächlich (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), dass wir mithilfe dieser regelmäßigen Tests in den Schulen einen Einblick in das regionale und überregionale Infektionsgeschehen bekommen.

In diesem Sinn sende ich einen Gruß an alle Kinder, an alle Lehrkräfte und an alle Eltern, die da nächste Woche mithelfen werden. Sie leisten einen wirklich, wirklich wichtigen Beitrag. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.45.45

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Ja, Herr Bundesminister, parlamentarisch ist das heute kein Glanztag, was dieses Gesetz anbelangt. Wir haben vor ungefähr einer knappen Stunde den Abänderungsan­trag dazu bekommen, der einigermaßen komplex ist, und es ist fraglich, ob man sich das in der kurzen Zeit so durchlesen kann, dass man auch sicher weiß, was da drinnen steht. Damit machen Sie es uns in der ganzen Sache halt nicht einfacher, und ich verstehe es gerade in diesem Zusammenhang nicht, weil die Frage nach einer sinnvollen Teststra­tegie ja etwas ist, was zumindest vier Fraktionen hier in diesem Haus eint. Ich verstehe nicht, wieso man da nicht gemeinsam sinnvolle Lösungen zustande bringt, und das auch mit einem sinnvollen Zeitplan, denn man muss sich ja zurückerinnern, was Sie ursprüng­lich vorgeschlagen haben.

Das Erste, was Sie vorgeschlagen haben, so um den Silvestertag herum, war, dass alle Menschen, die keinen Test machen, de facto nicht mehr außer Haus gehen dürfen. Das ist natürlich eine unfassbare Freiheitseinschränkung. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Anschober.) Zu Recht – zu Recht! –, Herr Bundesminister, hat sich die Bevöl­kerung über diese massive Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte dermaßen aufgeregt, dass auch Sie dann draufgekommen sind, dass es vielleicht nicht sonderlich intelligent ist, das zu machen.

Man muss sich ja überlegen, wo das herkam. Das Ganze ist passiert, weil Sie mit dem Bundeskanzler eine Pressekonferenz gegeben haben, etwas angekündigt haben, wozu es keine Rechtsgrundlage gab. Auch das ist parlamentarisch einigermaßen irritierend: zuerst einmal etwas erzählen, was es nicht gibt. Sie hatten offensichtlich auch selbst den Entwurf noch nicht, der kam ja erst später. Und wenn ich darüber nachdenke, was denn die Grünen früher gesagt hätten, wenn man eine dreitägige Begutachtungsfrist über ei­nen Feiertag ansetzt, dann meine ich, dass das nicht einmal mehr lächerlich ist, den passenden Ausdruck dafür gibt es gar nicht. Das ist eine Verhöhnung all jener Men­schen, die sich an diesem Prozess beteiligen wollen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Abgesehen von den zahlreichen und offenkundigen Verfassungswidrigkeiten dieses Freitestens, das Sie ursprünglich vorgeschlagen haben, hätten Sie mit dieser Verord­nungsermächtigung ja wiederum eine unfassbare Machtfülle bekommen. Sie hätten de facto, ohne dass die Ausnahmen von Ausgangssperren und Betretungsverboten irgend­wie näher definiert waren, per Verordnung festlegen können, was denn Menschen mit einem negativen Covid-Test machen dürfen. Ich sage Ihnen: Das kann grundsätzlich nicht rechtskonform sein, denn die Idee der Verordnungsermächtigung ist, dass man etwas so klar in einem Gesetz definiert, dass Sie dann natürlich Verordnungen erlassen können, man kann Ihnen aber nicht so einen unfassbar weiten Spielraum geben, dass Sie de facto tun und lassen können, was Sie wollen.

Vor allem aber, Herr Bundesminister – so leid es mir tut –: Das Problem hatten wir mit Ihnen ja schon in den letzten paar Monaten. Sie haben gesetzliche Verordnungsermäch­tigungen bekommen und haben diese über Gebühr ausgenutzt, teilweise – wir erinnern uns an die Betretungsverbote im Frühjahr – schlichtweg auch noch rechtswidrig ausge­nutzt. Deswegen muss man umso mehr aufpassen und diesen Spielraum so eingrenzen, dass es Sinn macht, und dann kann man ja ohne Weiteres darüber diskutieren. Der Spielraum, den Sie in der Verordnungsermächtigung haben, ist auch jetzt – das sage ich sehr kritisch, Herr Bundesminister – noch sehr weit, aber bei Gott nicht so weit wie im ursprünglichen Vorschlag. Dementsprechend, Herr Bundesminister, sage ich Ihnen: Ge­hen Sie auch mit der Machtfülle, die Sie jetzt mit dieser Verordnungsermächtigung wie­der bekommen, sorgsam um! Gehen Sie sorgsam damit um! Das ist ein Vertrauensvor­schuss, den wir Ihnen geben, weil wir Testungen und sinnvolle Teststrategien vernünftig finden. Passen Sie nur auf, dass Sie das nicht wieder über Gebühr strapazieren!

Übrigens – und das ist eigentlich das Spannende –: Wenn Sie sich anschauen, was am Schluss jetzt rausgekommen ist, zeigt das ja, dass da sowohl intelligente Ideen der Sozialdemokratie als auch gescheite Ideen von den NEOS eingeflossen sind. Ich würde mir insgesamt wünschen, dass wir uns im Vorhinein zusammensetzen, wenn wir uns überlegen, wie wir solche Dinge machen können, und nicht zuerst ein so absurder Ge­setzentwurf von Ihnen drei Tage lang in Begutachtung geschickt wird, dass er dann wirk­lich verunfallen muss.

Was ist jetzt drinnen, und wieso erachten wir das für gut? – Es sind Testungen für be­stimmte Berufsgruppen drinnen; etwas, was wir auch schon länger vorgeschlagen ha­ben. Die eigentliche Frage, die sich da stellt, ist: Wieso erst jetzt? – Das hätte man wahr­scheinlich früher machen können. Es ist die Möglichkeit der Selbsttests, die Sie ange­sprochen haben, enthalten, dass man diese implementiert. Und ja, es wird jetzt – im Gegensatz zu dem, was ursprünglich vorgeschlagen war, nämlich: ich muss mich testen, damit ich de facto außer Haus gehen kann – Eingangstests für bestimmte Dienstleistun­gen geben. Das ist zwar nicht der Idealzustand, den ich mir wünsche, aber es ist ein bisschen mehr Freiheit bei gewissen Dienstleistungen, die ich in Anspruch nehme, und dementsprechend halte ich das für gut.

Was es dazu braucht, damit das funktionieren kann, sind so niederschwellige Testmög­lichkeiten, dass man die Chance hat, die entsprechende Dienstleistung überhaupt in An­spruch zu nehmen. Da sind alle gefordert, mitzumachen. Die große Frage dabei ist, wie man das mit den Selbsttests in Zukunft handhaben kann, damit es so zugänglich ist, dass jeder Mensch die Chance hat, davon Gebrauch zu machen, um ins Kino, ins Thea­ter, wo auch immer hinzugehen, und dass das funktionieren kann.

Insgesamt, Herr Bundesminister, glaube ich trotzdem, dass das Gesetz, das wir heute hier beschließen werden, maximal ein Anfang sein kann. Wir wissen eh beide oder alle, dass das jetzt nicht übermorgen zur Anwendung kommen wird, weil der Lockdown wahr­scheinlich länger dauern wird. Insofern würde ich vorschlagen, wir setzen uns am besten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 82

morgen oder übermorgen oder von mir aus nächste Woche wieder zusammen und über­legen uns, was dort alles noch fehlt, denn ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema mit dem, was jetzt als Vorschlag vorliegt, nicht abschließend geregelt sein kann. Das ist ein erster Schritt, und bis es zur Anwendung kommt, werden wir in diesem Zusammen­hang, glaube ich, noch viel verändern müssen, zum Beispiel was die Frage betrifft: Was passiert mit Menschen, die dann geimpft sein werden, was gilt für die? Das ist in dieser Gesetzesvorlage jetzt noch nicht ausformuliert – verständlicherweise, muss ich dazusa­gen, weil wir noch nicht wissen, ob es die sterile Immunität gibt.

Also: Setzen wir uns jetzt zusammen! Dann kriegen wir vielleicht gemeinsam insgesamt ein besseres Ergebnis für den Zeitpunkt, zu dem wir es dann wirklich brauchen werden, hin. (Beifall bei den NEOS.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.


12.51.31

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschir­men und via Livestream unsere Debatten Verfolgende! Es gibt nach wie vor viele Ver­antwortungsträger im Gesundheitswesen, die regelmäßig gespannt auf die täglich ver­öffentlichten Infektionszahlen schauen, weil sie nach wie vor befürchten und befürchten müssen, dass sie, wenn uns das aus dem Ruder laufen würde, nicht mehr imstande wären, für alle Akutfälle im Krankenhaus – vor allem im Krankenhaus – eine entspre­chende Versorgung gewährleisten zu können. Das wäre ein Super-GAU, dessen Gefahr nach wie vor nicht gebannt ist. Um das zu verhindern, meine Damen und Herren, ist es einfach notwendig, dass wir etwas ganz Wesentliches tun, nämlich die Infektionszahlen im Griff zu behalten.

Dazu können wir alle zunächst einmal beitragen: durch – es mag trivial klingen – die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, die wir eh immer wieder predigen und propagieren, durch Abstandhalten, Händewaschen, Maskentragen. Ja, das klingt trivial, die Wirkung ist auch gegeben, aber es haben sich bei Weitem nicht alle in unserem Lande daran gehalten. Fakt ist jedenfalls, dass diese Maßnahmen allein in der Vergangenheit nicht ausgereicht haben, um die Zahlen in den Griff zu bekommen oder im Griff zu behalten. Denken wir nur daran, dass es Zeiten gegeben hat, in denen wir über 9 000 Neuinfizierte an einem Tag zu verzeichnen hatten! Also waren Lockdowns angesagt. In den Betrie­ben, im sonstigen öffentlichen Leben, auch bis hinein in den privaten Bereich sind Ein­schränkungen unserer Freiheit notwendig geworden. Und das sind schon einschneiden­de Dinge gewesen. Freiheit einzuschränken erzeugt soziale Probleme und Spannungen, es erzeugt aber natürlich vor allem auch eine Reihe von wirtschaftlichen Problemen.

Jetzt sind mit den vielen Milliarden, die wir hier miteinander beschlossen haben bezie­hungsweise die auch das Finanzministerium dann in entsprechende Hilfsprogramme ge­gossen hat, viele dieser wirtschaftlichen Probleme, vieles an wirtschaftlicher Not zumin­dest gelindert worden. Es wird in der nächsten Zeit aber noch einige Lückenschlüsse in diesem System brauchen, um all diese Dinge halbwegs abfedern zu können.

Man kann aber, meine Damen und Herren und geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht alle Probleme im Zusammenhang mit Corona und Covid-19 mit Geld beseitigen. Die Menschen wollen ihre Freiheit zurück – überhaupt keine Frage –, wir alle wollen unsere Freiheit zurück: Die Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Mitarbeiter wollen ihre Betriebe wieder aufsperren, sie wollen für ihre Kunden da sein können und sie wollen natürlich auch wissen, wann das sein wird. Dafür ist es aber nun einmal not­wendig, dass wir uns alle zusammenreißen und dass wir alle ein zusätzliches Stück an Eigenverantwortung und Disziplin miteinander leben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 83

An dieser Stelle ein Wort an die Kritiker oder sogar Leugner dieser Problematik: Freiheit, meine Damen und Herren, ohne Regeln oder ohne Rücksichtnahme hat es auch vor der Pandemie nicht gegeben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Jakob Schwarz.) Wer das für sich bisher in Anspruch genommen hat, der hat nicht Freiheit gelebt, sondern Rücksichtslosigkeit. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Jakob Schwarz.)

Bekanntlich endet die Freiheit des Einzelnen ja schließlich dann dort, wo sie die Freiheit oder auch, in diesem Fall, die Gesundheit anderer beeinträchtigt und tangiert.

Das heißt, was es jetzt zusätzlich zu all den Maßnahmen, die wir gesetzt haben, braucht, ist eben, dass sich möglichst viele Menschen in diesem Lande freiwillig regelmäßig testen lassen. Testen, testen, testen ist das Gebot der Stunde – nicht nur deswegen, weil man mit einem negativen Test dann Veranstaltungen oder andere Einrichtungen besuchen darf oder ins Wirtshaus gehen darf oder auf Urlaub fahren darf; das schon auch, aber regelmäßige flächendeckende Tests helfen auch, möglichst viele Infizierte zu identifizieren und sie dann natürlich daran zu hindern, andere anzustecken, das heißt also, das Infektionsgeschehen zu reduzieren und dadurch auch uns allen wieder ein Stück mehr Freiheit zurückzubringen. Das dürfen wir nicht vergessen. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Für diese Teststrategie schaffen wir heute die gesetzlichen Grundlagen, das ist gut so. Ergänzend dazu haben wir im Kreis der Sozialpartner schon vorgestern ergänzende arbeitsrechtliche Spielregeln vereinbart und einen Generalkollektivvertrag ausgehandelt und diese Spielregeln darin festgeschrieben. Viele Unternehmen sind nämlich bereit, sich auch an diesen Testungen insofern zu beteiligen, dass sie in ihren eigenen Betrie­ben auch, ergänzend zu den öffentlichen Einrichtungen, Teststraßen, Teststationen ein­richten und so diese Teststrategie unterstützen wollen. Viele Betriebe haben auch schon angekündigt, dass sie dann auch beim flächendeckenden Impfen mithelfen wollen und auch in den Betrieben – diese Teststraßen würden ja geradezu ideal dafür fortgesetzt verwendet werden können – diese Strategie unterstützen werden. Es ist aber, meine Damen und Herren, natürlich nur recht und billig, dass sich in diesem Gesetzentwurf jetzt auch ein Passus findet, dass man den Betrieben die Kosten für diese Tests, und später dann natürlich für die Impfungen, auch ersetzt. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir schaffen jetzt in diesen Tagen in sehr verantwortungsvollem Zusammenwirken hier im Haus – herzlichen Dank an alle, die konstruktiv daran mitwirken! – wieder einen Schritt zur Bekämpfung dieser unsäglichen Pandemie und damit auch wieder einen Bei­trag zu mehr Freiheit und Normalität. Wenn diese Strategie aufgeht, meine Damen und Herren, dann können wir auch den Mut aufbringen – und wir sollen ihn aufbringen ‑, wieder zu öffnen, unserem Leben wieder mehr Freiheit zu geben – im wirtschaftlichen genauso wie im persönlichen und im privaten Bereich.

Bis es aber so weit ist, ist es natürlich – das sage ich jetzt auch aus Sicht der Wirtschaft noch einmal – auch notwendig, diesen Betrieben auch jetzt im Jänner noch Finanzhilfen zu gewähren. Wir können mit diesen Akuthilfen viele, viele Schäden zumindest mindern oder Totalschäden verhindern. Es wird eine Selbstverständlichkeit sein, dass man diese Dinge weiter fortführen muss, aber an oberster Stelle steht selbstverständlich die Ge­sundheit der Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler, Jakob Schwarz und Schellhorn.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 84

12.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


12.59.43

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Herr Klubobmann Wöginger – der jetzt nicht da ist – hat gestern behauptet, die SPÖ sei schuld daran, dass die Tourismusbetriebe am 18. Jänner nicht aufsperren können. Ich möchte dazu sagen: Wir waren und sind nach wie vor gegen das Freitesten, denn wir sind der Meinung, die Menschen in diesem Land sind frei und brauchen sich nicht freitesten zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.) Es hätte auch eine Spaltung der Gesellschaft bewirkt, die in diesen Zeiten sicher nicht sinnvoll ist – und übrigens niemals sinnvoll ist. In Wahrheit ist es doch so, dass der Bundeskanz­ler mit seiner Massenteststrategie eine Bruchlandung erfahren hat. Er wollte die Men­schen auf diesem Wege testen lassen, und eben dagegen haben wir uns ausgespro­chen.

Der Bundesminister ist jetzt nicht da. Man muss ganz ehrlich sagen: Da ist wieder Kritik angebracht, denn die Bundesregierung hat den Sommer verschlafen. Es gab im Sommer von 15. Juni bis 15. September 55 Pressekonferenzen, es gab von 20. März bis 23. De­zember insgesamt 213 Pressekonferenzen – 213 Pressekonferenzen! Es ist mir vorge­kommen, als wollte man mit Rhetorik und NLP-Ausbildung die Krise bewältigen. Die ver­schiedensten Botschaften des Bundeskanzlers waren an die Bevölkerung gerichtet – ich will sie gar nicht alle wiederholen –: das „Licht am Ende des Tunnels“, „das Virus kommt mit dem Auto“. Die Coronaampel des Gesundheitsministers wurde zerschossen, indem der Bundeskanzler gesagt hat, die Ampel sei das eine, die Maßnahmen seien das an­dere. Dann war von „neuer Normalität“ die Rede, und dann hat er sich auch noch über die Wissenschaft lustig gemacht: fünf Wissenschaftler, sieben Meinungen. Das alles hat nicht dazu geführt, dass wir in Österreich eine wirklich effiziente Impf- und Teststrategie haben – aus unserer Sicht bis heute nicht.

Wir haben heute den 14. Jänner 2021 und wir beschließen heute die Implementierung der Software für die niedergelassenen Ärzte für den elektronischen Impfpass – heute! Dr. Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark und Telemediziner, hat am 8.1. im Ö1-Journal die Befürchtung ausgesprochen, dass ein mittleres Chaos droht, wenn nicht bald der elektronische Impfpass kommt.

Seit Dienstag, also seit 12.1., weiß jede Dänin und weiß jeder Däne, wann und wo sie oder er geimpft werden kann, wenn sie oder er das möchte. Die Dänen haben auch einen Plan bis 27. Juni.

Es ist eine Katastrophe und in Wirklichkeit auch einfach peinlich, dass wir in Österreich mittlerweile 7 000 Tote, davon 3 000 in den Pflegeheimen, haben.

Wir haben in den letzten Tagen einiges an sozialdemokratischen Ideen hineinverhandelt: Die Wohnzimmertests sind ein Herzstück, die Tests und die Impfungen sollen zu den Menschen kommen, kostenlose Berufsgruppentests, voller Kostenersatz für die Berufs­gruppentests in den Betrieben, et cetera, et cetera.

Ich möchte auch nicht verhehlen: Wir müssen vor allem den kleinen und mittleren Unter­nehmen nach wie vor unter die Arme greifen, und deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wirksame Wirt­schaftshilfen für das erste Quartal 2021“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Wirtschaftshilfen derart anzupassen, dass alle KMUs, die vom derzeitigen sowie den kommenden Lockdowns direkt und indirekt


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betroffen sind für das erste Quartal 2021 eine rasche Hilfe in Form einer vollen Ver­dienstentgangsentschädigung erhalten. Dazu soll zunächst eine unbürokratische Liqui­ditätsspritze in Form einer Akontozahlung in der Höhe von 50% des Vorjahresumsatzes für das erste Quartal 2021 erfolgen. Die tatsächliche Subvention ist dabei begrenzt mit dem entsprechenden Verdienstentgang (im Vergleich zum Vorjahresquartal) und wird mit im Rahmen der Einkommensteuer 2021 zum Jahresende abgerechnet. Darüber hi­naus sollen alle offenen Unterstützungsanträge bei der COFAG möglichst rasch zur Aus­zahlung gelangen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Dr. Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

Betreffend: Wirksame Wirtschaftshilfen für das erste Quartal 2021

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 3 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629d.B.)

Begründung

Die Corona Krise zieht die größte Beschäftigungs- und Wirtschaftskrise in der Geschich­te der Zweiten Republik nach sich. Durch die ständigen Lockdowns geraten viele öster­reichische Betriebe – insbesondere die Klein- und Kleinstbetriebe – unverschuldet in eine enorm angespannte Situation. Mittlerweile hat man aus den Fehlern bei den Wirt­schaftshilfen – insbesondere während des ersten Lockdowns – die richtigen Lehren ge­zogen. Die Hilfen sollen grundsätzlich möglichst unbürokratisch über das BMF fließen. Die neue Virusmutation B.1.1.7. führt zu einer enorm unklaren Situation. In Deutschland spekuliert man über eine Verlängerung des Lockdowns bis Ostern. Es ist daher notwen­dig für den Worst-Case Vorsorgen zu treffen und zwar in der Hinsicht, dass trotz einer länger (als geplant) anhaltenden Lockdown Phase möglichst viele österreichische Be­triebe gerettet werden können. Dazu soll rasch ein Konzept für wirksame Wirtschaftshil­fen für den Worst-Case vorbereitet werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Wirtschaftshilfen derart anzupassen, dass alle KMUs, die vom derzeitigen sowie den kommenden Lockdowns direkt und indirekt betroffen sind für das erste Quartal 2021 eine rasche Hilfe in Form einer vollen Verdienst­entgangsentschädigung erhalten. Dazu soll zunächst eine unbürokratische Liquiditäts­spritze in Form einer Akontozahlung in der Höhe von 50% des Vorjahresumsatzes für


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das erste Quartal 2021 erfolgen. Die tatsächliche Subvention ist dabei begrenzt mit dem entsprechenden Verdienstentgang (im Vergleich zum Vorjahresquartal) und wird mit im Rahmen der Einkommensteuer 2021 zum Jahresende abgerechnet. Darüber hinaus sol­len alle offenen Unterstützungsanträge bei der COFAG möglichst rasch zur Auszahlung gelangen. “

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.04.31

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es gibt ein Sprichwort: Mir geht das Geimpfte auf! – Das passt sehr gut, und es ist mir in den letzten Tagen auch oft aufgegangen. (Abg. Belakowitsch: Bei der Regierung!) Wir leiden seit Monaten unter dieser Pandemie mit unendlichen Folgen wie Toten, Erkrankten, Leid, gesundheitspolitischen, ökonomischen und auch gesellschaftspolitischen Katastrophen. Jetzt gibt es die Impfung – welch Segen! –, und was machen manche, vor allem auch eine Partei? – Sie lehnen auch die Impfung ab. Sie lehnen einfach alles ab: Sie wollen keine Tests, sie wollen keine Impfung. (Abg. Belakowitsch: Das stimmt ja nicht, was reden Sie da?) Sie wollen nur dagegen sein, polarisieren, radikalisieren. (Abg. Belako­witsch: Können Sie nicht zuhören?)

Liebe Frau Kollegin, es gibt nur einen Weg aus dem Ganzen – Impfen und/oder Testen ‑, etwas anderes gibt es nicht. Jedem muss klar sein, dass ein normales Leben ohne Impfung und ohne eine Teststrategie nicht möglich ist. Die Antigentests bieten schnelle Ergebnisse und sind auch dazu da, hohe Viruslasten und dadurch das Potenzial, je­manden anderen anzustecken, zu erkennen. Frau Kollegin Belakowitsch, Sie als Medizi­nerin kennen sicher Dr. Anthony Fauci. Er ist der Experte in den USA und er hat gesagt: Wir haben das alle unterschätzt, bis zu 50 Prozent der Infektionen kommen von Asymp­tomatischen – nachzulesen im British Medical Journal. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Be­lakowitsch: Das ist ...! Das ist ja alt!)

Mir geht aber nicht nur bei den Meinungen zum Impfen das Geimpfte auf, sondern auch bei mancher Wortwahl. Da wird zum Beispiel vom Klubobmann zum Kampf gegen den Bundeskanzler aufgerufen: „Kurz muss weg!“ – und seine Vasallen folgen gehorsamst. Das Wort Kampf ist nur in einer Sache passend: Das ist für mich der gemeinsame Kampf gegen das Virus und nicht gegen eine Person. (Beifall bei der ÖVP.)

Gegen das Virus sollten wir alle kämpfen und auch unsere ganze Energie hineinlegen, aber da hören wir wenig bis gar nichts. Viele wenden sich auch ob dieser extremen Ag­gression in der Debatte angewidert ab, und ich sage Ihnen: Radikalisierung ist heute Gift.

Wir erleben auch die Kehrseite liberaler Gesellschaften: Freiheit auch als Einsicht in das Notwendige zu verstehen. Ich zitiere Konrad Paul Liessmann, der von mir sehr geschätzt wird und sagt: „Medizinisch gebotene Regeln, die im Einzelfall“ klaglos akzeptiert wür­den, ohne gleich von Freiheitsberaubung zu reden, werden plötzlich „zu einem Angriff auf die Grundrechte stilisiert, weil sie“ alle betreffen. „Angehöriger einer Minderheit zu sein, stellt noch keine moralische oder intellektuelle Qualifikation dar.“ – Zitatende. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Die große Mehrheit der Bevölkerung ist nicht laut und geht nicht auf die Straße, aber sie leidet auch unter den Coronabedingungen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


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Es gibt jetzt auch einen Kampf um Impfdosen. Viele Bürger wollen sich zum Glück rasch und gerne impfen lassen. Es ist auch legitim, zu sagen: Ich warte einmal die ersten 100 000 ab!, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind schon über 30 Millionen Per­sonen geimpft worden. Es gibt nur eine kleine Gruppe von prinzipiellen Impfverweige­rern, die derzeit in Verbindung mit Verschwörungstheorien Stimmung machen, es gibt aber auch Personen, die unsicher sind, und diese gilt es zu überzeugen und zu motivie­ren und ihnen mit einfachen Worten zu erklären, was der Impfstoff bewirkt und wie er wirkt. Impfen muss als etwas Positives für uns gesehen werden. Der Impfstoff ist sicher und wirkt.

Wir schaffen am heutigen Tag auch positive Rahmenbedingungen für diese Impfphase, zum Beispiel mit dem langersehnten elektronischen Impfpass. Vor zwei Tagen wurde über eine Kostenübernahme für diese Softwareimplementierung diskutiert. Die Umset­zung des elektronischen Impfpasses hat durch die Pandemie jetzt Gott sei Dank wieder Fahrt aufgenommen. Eine verlässliche Datenerhebung – das muss uns allen klar sein – kann nur auf elektronischem Weg erfolgen.

Bei diesem Impfpass müssen wir auf die breite Mitwirkung der Ärzteschaft setzen. Sie macht mit: Bereits 1 100 haben ihr Interesse bekundet. Bis Ende März sollen 80 Prozent und bis April alle Covid-Impfungen im elektronischen Impfregister eingemeldet sein. Die Installierung des Impfpasses innerhalb weniger Monate ist ein ambitioniertes Ziel – aber wenn nicht jetzt, wann dann? Wir tun etwas.

Ich möchte gern mit einem Zitat von einem bekannten Auslandsösterreicher enden: von Arnold Schwarzenegger, der nach dem Sturm auf das Kapitol an die Bevölkerung ap­pelliert hat, die Spaltung des Landes zu überwinden – ein weiser Steirer. Er würde sei­nen neuen Film wahrscheinlich „Der Vakzinator“ nennen und er würde sagen: Let’s get vaccinated! – Lass uns impfen! Oder wie es auch Professor Kollaritsch treffend formu­liert: Wenn Sie schon die Impfung nicht mögen, dann versuchen Sie es einfach mit der Erkrankung! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Dr. Dag­mar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.09.48

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Der Herr Vorredner hat hier zum wie­derholten Male das Falsche behauptet: Er hat gesagt, die Hälfte aller Symptomlosen ist ansteckend. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat bereits im Juni vorigen Jahres festgestellt, dass von den Symptomlosen keine Infektion ausgeht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Es gab im Herbst die sogenannte Wuhanstudie, und auch diese hat festgestellt, dass von den Symptomlosen keine Weiterinfektion aus­geht. (Zwischenruf bei den Grünen.) Die letzte Studie, die das festgestellt hat (Ruf bei der ÖVP: Dissertation überprüfen!), wurde in Österreich durchgeführt, nämlich in Inns­bruck. Ich kann noch einmal die Namen sagen: Mikrobiologin Lass-Flörl und Günter Weiss, Leiter der Inneren Medizin der Universitätsklinik Innsbruck. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Sie behaupten in dieser Studie: Asymptomatische infizieren so gut wie nie­manden.

Bitte, liebe ÖVP, vielleicht könnt ihr euch das beim dritten Mal merken! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Bravo! Beim dritten Mal versteht ihr es vielleicht!)

13.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Leichtfried.)



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13.11.02

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Man sieht, man muss Dinge oft wiederholen, damit sie verstanden werden – aber ich bin ja Optimist. (Ruf bei der ÖVP: Aber wenn sie falsch sind, ist es ein Blödsinn!) Deshalb werde ich heute einen Satz sagen und ihn jeden Tag wiederholen, und ich hoffe, er wird irgendwann einmal auf fruchtbaren Boden fallen: Beenden Sie den Lockdown sofort, öffnen Sie die Geschäfte, die Gastronomie und die Schulen! – Bitte diesen Satz merken! (Beifall bei der FPÖ.)

Worüber diskutieren wir heute? – Über zwei Dinge, und ich sage es noch einmal ganz klar: Beim ersten Teil geht es darum, dass von uns eine Kostenübernahme und eine Vorbereitung von Tests und Impfungen beschlossen wird. Weil es immer falsch darge­stellt wird, vor allem von einer sehr aggressiven ÖVP, möchte ich es noch einmal er­wähnen: Die Freiheitlichen unterstützen diesen Punkt. Es geht um die Kostenübernahme und die Vorbereitung der Impfungen, damit das funktioniert, damit all jene, die das ma­chen wollen, einen vernünftigen Prozess vorfinden und die Gemeinden nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben; nur, um diese Fakenews von der ÖVP einmal zu entkräften. Das unterstützen wir und das ist auch im Ausschuss einstimmig so beschlossen worden. Da stimmen wir auch heute mit, um das einmal klarzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Beim zweiten Teil – das ist eigentlich der höchst interessante Teil heute – geht es um jene Geschichte, die für sehr viel Aufruhr gesorgt hat, nämlich um das sogenannte Frei­testen oder – wie es nun heißt – das Zutrittstesten. Ich möchte noch einmal darauf hin­weisen: Gott sei Dank hat sich eine breite Gruppe der Bevölkerung – das sind ganz nor­male Bürger dieses Landes – gegen den ersten Versuch der ÖVP und der Grünen ge­wehrt, die Verfassung in Österreich komplett zu zertrümmern – was ihr nämlich vorge­habt habt.

So, jetzt sitzen wir heute hier und haben den zweiten Versuch. Eine extrem knieweiche Sozialdemokratie ist wieder einmal – zum x-ten Mal – umgefallen und unterstützt die Regierungslinie. Wie das die Sozialdemokratie ihren Arbeitnehmern, den Bürgern, Wäh­lern und Funktionären erklärt, ist ihr Problem, ich kann nur jedem Sozialdemokraten Asyl bei uns anbieten. Wir werden auch weiterhin auf die Bürgerrechte schauen und wir wer­den auch weiterhin die Bürger dementsprechend vertreten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Der kleine Unterschied ist der: Vorher wären alle Österreicher ins Gefängnis gesteckt worden, jetzt bekommen alle Österreicher eine Fußfessel. – Das ist der kleine feine Un­terschied. Wenn Sie das so haben wollen, müssen Sie heute positiv abstimmen. Wir werden natürlich nicht mitstimmen.

Interessant ist auch: Sie beschließen heute ein Gesetz, das eigentlich noch keine Wir­kung hat, denn Sie können den Zutritt nur bei Geschäften erlauben, die offen sind, und wie wir alle wissen, ist leider Gottes alles geschlossen. Sie erteilen dem Minister aber­mals einen kompletten Freibrief für seine Verordnungen, obwohl wir alle doch schon wissen sollten, dass sie nicht funktionieren werden, verfassungswidrig sein werden, und, und, und – aber bitte, auch das müssen die Abgeordneten, die das unterstützen, auf ihre persönliche Kappe nehmen.

Es bleiben sehr, sehr viele Fragen offen. Es steht auch nirgends im Gesetz oder in den Erläuterungen drinnen, was zum Beispiel ganz genau im Schulbereich passiert, was man macht, wenn ein Kind positiv ist – wer holt es ab, wie geht es danach weiter? Es ist auch überhaupt keine Altersgrenze für diese Testerei drinnen, muss man also auch Kleinst­kinder testen? Und, und, und – es sind viele, viele Fragen offen. Wenn ich länger als vier Tage irgendwo in einem Hotel bin, muss ich mich zweimal testen lassen? – Es gibt also eine Fülle von offenen Fragen. Es sprengt meinen Zeitrahmen, darauf einzugehen, ich kann nur noch einmal sagen: Die ganze Intention des Gesetzes ist eigentlich ein Wahn­sinn, und Sie werden die Problematik damit auch nicht lösen.


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Was Sie schon hineinschreiben, das ist auch interessant: Negativ getestet heißt für Sie ungefährlich, aber im gleichen Atemzug müssen jene, die dann quasi in Ihren Augen ungefährlich sind, auch weiterhin alle Maßnahmen einhalten. Das heißt, man kauft sich ein Ticket für ein Konzert, muss sich vorher testen lassen und ist dann bei negativem Ergebnis in Ihren Augen sicher, trotzdem muss man dann aber 1,5 Meter Abstand lassen und eine Maske tragen. Die Logik in sich erklären Sie mir einmal, das werden Sie viel­leicht irgendwann schaffen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ver­bot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- ein gesetzliches Verbot von Zwangstestungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- eine Novellierung der §§ 17 Abs 3 und 4 Epidemiegesetz, die Impfpflichten für be­stimmte Berufsgruppen,“ – liebe SPÖ, zuhören! – „Bevölkerungsgruppen oder Einzel­personen gesetzlich verbietet;

- Eine Novellierung des Impfschadengesetz, die alle Schäden durch freiwillige und ange­ordnete Impfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infek­tionen umfasst.“

*****

Abschließend noch ein Satz – das sage ich noch einmal ganz deutlich –: Es besteht eine große Gefahr, dass Arbeitnehmer in Österreich mit dem, was Sie heute beschließen, auch ihre Arbeit verlieren werden, wenn Arbeitgeber ihnen die Testung oder die Impfung vorschreiben, und davor möchte ich alle warnen. Die Gewerkschaft schweigt, die Arbei­terkammer schweigt, die SPÖ schweigt sowieso seit Jahren. Wir werden nicht schwei­gen, wir werden auf der Seite der Arbeitnehmer stehen und diese auch schützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 3) Bericht des Ge­sundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem


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das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 d.B.) in der 77. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Jänner 2021.

Im Budgetbegleitgesetz 2021 wurde auch das Impfschadengesetz novelliert:

Artikel 21 (Budgetbegleitgesetz 2021)

Änderung des Impfschadengesetzes

Das Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2019, wird wie folgt geändert:

Nach § 8l wird folgender § 8m eingefügt:

„§ 8m. Abweichend von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ist die Anpassung von Versorgungsleistungen und Beträgen für das Jahr 2021 mit dem Faktor 1,035 vorzu­nehmen.“

Gleichzeitig wird auch ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Co­vid 19 Impfungen und Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermö­gen erteilt werden, im Budgetbegleitgesetz 2021 neu geregelt.

Artikel 31 (Budgetbegleitgesetz 2021)

Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid 19 Impfungen und Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden

§ 1. (1) Um eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Covid 19 Impfstoffen sicherzustellen, wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Rah­men des „Joint EU Approach to COVID 19 vaccines procurement“ der Europäischen Union Covid 19 Impfstoffe für den Bund zu erwerben. Die Bereitstellung von Covid 19 Impfstoffen gilt dabei als Erfüllung einer Aufgabe des Bundes im Sinn des § 69 Abs. 2 des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 (BHG 2013), BGBl. I Nr. 139/2009, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 60/2018. Diese Ermächtigung bezieht sich auch auf die Nebenkosten der Beschaffung, wie etwa die Aufwendungen für Transport und Lage­rung, sowie den Erwerb von Medizinprodukten, die für die Durchführung der Impfungen unmittelbar erforderlich sind.

(2) Die Ermächtigung nach Abs. 1 ist mit dem Betrag von 200 Millionen Euro begrenzt.

§ 2. (1) Um eine ausreichende Anzahl von Antigen Schnelltests für Testungen zur Ein­dämmung der Covid 19 Pandemie zur Verfügung stellen zu können, wird der Bundesmi­nister für Finanzen ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Antigen-COVID 19-Schnelltests für den Bund zu erwerben. Die Bereitstellung von Antigen COVID 19 Schnelltests gilt dabei als Erfüllung einer Aufgabe des Bundes im Sinn des § 69 Abs. 2 BHG 2013.

(2) Die Ermächtigung nach Abs. 1 ist mit dem Betrag von 30 Millionen Euro begrenzt.

§ 3. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die nach § 1 Abs. 1 beschafften Impfstoffe und Medizinprodukte und über die nach § 2 Abs. 1 be­schafften Antigen COVID 19 Schnelltests im Wege einer Verteilung an Gebietskörper­schaften oder an andere Rechtsträger, die COVID-19-Impfungen oder COVID 19 Schnelltests durchführen oder organisieren, zu verfügen. Die Verfügung kann ganz oder teilweise auch durch unentgeltliche Übereignung erfolgen und von Bedingungen und Zu­sagen abhängig gemacht werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Ver­hütung oder Bekämpfung der COVID 19 Pandemie stehen. Soweit der Bedarf an Impf­stoffen im Inland gedeckt ist, können der nicht benötigte Impfstoff und die damit in Zu­sammenhang stehenden Medizinprodukte an andere Staaten oder internationale Orga­nisationen verkauft oder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unentgeltlich übereignet werden.


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§ 4. Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft.

„Covid-19- Schnelltest- und Impfoffensive“ wird vorbereitet

Mit Riesenschritten, doch von der Bevölkerung weitgehend unbemerkt, bereitet Schwarz-Grün im Budget 2021 damit eine „Covid-19- Schnelltest- und Impfoffensive“ vor.

Dort heißt es nämlich unter anderem: „Um eine ausreichende Versorgung der Bevöl­kerung mit Covid 19 Impfstoffen sicherzustellen, wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Rahmen des „Joint EU Approach to COVID 19 vaccines procurement“ der Europäischen Union Covid 19 Impfstoffe für den Bund zu erwerben. Diese Ermächtigung bezieht sich auch auf die Nebenkosten der Beschaffung, wie etwa die Aufwendungen für Transport und Lagerung, sowie den Erwerb von Medizinproduk­ten, die für die Durchführung der Impfungen unmittelbar erforderlich sind.“ Als finanzieller Rahmen ist jetzt einmal eine Ermächtigung für einen Gesamtbetrag von nicht weniger als 200 Millionen Euro vorgesehen.

Für diese gesetzliche Maßnahme haben sich die Koalitionsparteien eine umfangreiche Begründung einfallen lassen. So werde der Beschaffung von ausreichend COVID-19-Impfstoffen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie zukommen. Im Rah­men des „Joint EU Approach to COVID-19 vaccines procurement“ konnte die Europäi­sche Kommission bereits erste Verträge unterzeichnen. Mit weiteren Herstellern sollen in den nächsten Wochen Verträge unterzeichnet werden. Entsprechend der Angaben der einzelnen Firmen würden bereits zu Jahresende oder spätestens Anfang 2021 erste Lieferungen an Impfstoffen möglich werden, vorausgesetzt, es ergeht davor eine Markt­zulassung seitens der Europäischen Arzneimittel-Agentur, heißt es in den Gesetzeser­läuterungen.

Diese Ermächtigung umfasst auch Medizinprodukte wie z.B. die erforderlichen Einweg­spritzen und Aufwendungen für Transport und Lagerung. Nach derzeitigem Stand soll das Impfstoffportfolio für Österreich laut Gesundheitsministerium aus verschiedenen Impfstoffen bestehen. Der vorläufig festgesetzte Betrag von 200 Millionen Euro enthält sowohl den Ankaufspreis, als auch die Vorauszahlungen für die Impfstoffe im Rahmen einer Aufstockung der dafür zur Verfügung stehenden Mittel aus dem europäischen Emergency Support Instrument (ESI) Die geschätzten Kosten setzen sich aktuell wie folgt zusammen: 190 Millionen Euro für Impfstoffe, fünf Millionen Euro für Material wie Spritzen, Nadeln usw. sowie weitere fünf Millionen Euro für Transport, Versicherung und Lagerung der Impfstoffe.

Damit nicht genug werden auch im Bereich der Schnelltests zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt. So werden der Gesundheits- und Finanzminister ermächtigt, Antigen Schnelltests für Testungen zur Eindämmung der Covid 19 Pandemie zu erwerben. Hier ist ein Gesamtbetrag von 30 Millionen Euro als vorläufiger Finanzierungrahmen durch diese gesetzliche Grundlage angesetzt.

Besonderheit dabei ist, dass diese Impfstoffe und Medizinprodukte und Antigen COVID 19 Schnelltests im Wege einer Verteilung an Gebietskörperschaften oder an andere Rechtsträger, die COVID-19-Impfungen oder COVID 19 Schnelltests durchfüh­ren oder organisieren, verteilt werden können. Und diese Verteilung kann „ganz oder teilweise auch durch unentgeltliche Übereignung erfolgen und von Bedingungen und Zu­sagen abhängig gemacht werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Ver­hütung oder Bekämpfung der COVID 19 Pandemie stehen“.

In diesem Zusammenhang ist vor allem auf den § 17 Abs 4 Epidemiegesetz zu ver­weisen, der folgendermaßen lautet: „Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des


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Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für be­stimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen.“ Und das bedeutet defacto eine Impfpflicht!

Soweit der Bedarf an Impfstoffen im Inland gedeckt ist, können der nicht benötigte Impf­stoff und die damit in Zusammenhang stehenden Medizinprodukte an andere Staaten oder internationale Organisationen verkauft oder im Rahmen der Entwicklungszusam­menarbeit unentgeltlich übereignet werden.

Im Impfschadengesetz 1973 ist die Grundlage für Schadenersatz durch den Bund ge­genüber Geschädigten durch eine sogenannte „Schutzimpfung“ festgehalten:

§ 1. Der Bund hat für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund

1. des bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Bundesgesetzes über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern), BGBl. Nr. 156/1948, oder

2. einer behördlichen Anordnung gemäß § 17 Abs. 3 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186, oder

3. des § 3 des Bundesgesetzes über Ausnahmen von der Impfpflicht gegen Pocken in den Kalenderjahren 1977 und 1978, BGBl. Nr. 167/1977 bzw. des § 3 des Bundesge­setzes über Ausnahmen von der Impfpflicht gegen Pocken in den Kalenderjahren 1979 und 1980, BGBl. Nr. 563/1978, oder

4. des § 5 des Bundesgesetzes über die sanitätspolizeiliche Grenzkontrolle, BGBl. Nr. 15/1975,

verursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leis­ten.

§ 1a. Der Bund hat ferner für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund der Bestimmungen des Impfgesetzes vom 8. April 1874, deutsches RGBl., S. 31, in der Fas­sung der Kundmachung GBlÖ. 1939, Nr. 936, ab 27. April 1945 im Bundesgebiet ver­ursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten.

§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Ent­schädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Ge­sundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Ver­ordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizini­schen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.

(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Paß genannte Impfungen verur­sacht worden sind.

Bundeskanzler Kurz kündigt für die Zeit nach dem 7. Dezember 2020 als Bedingung für eine neuerlichen Öffnung Testungen nach dem Vorbild der Slowakei an, d.h. Massentes­tungen für alle Bevölkerungsschichten vom zehnten bis zum fünfundsechzigsten Le­bensjahr.

In der Slowakei werden die Testungen mit Sanktionen verknüpft, d.h. wer sich nicht tes­ten lassen möchte, wird in Zwangsquarantäne geschickt. Dies trauen sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und seine schwarz-grüne Regierung zwar derzeit noch nicht offiziell verkünden, aber wenn man sich die Aktionen rund um die Corona-App im Frühjahr 2020 in Erinnerung ruft, dann könnte hier durchaus der Versuch einer Verpflichtung heraus­kommen.


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Wenn aber verpflichtende Testungen kommen, dann sind auch verpflichtende Impfun­gen mittelfristig nicht mehr auszuschließen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

•             ein gesetzliches Verbot von Zwangstestungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

•             ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

•             eine Novellierung der §§ 17 Abs 3 und 4 Epidemiegesetz, die Impfpflichten für bestimmte Berufsgruppen, Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen gesetz­lich verbietet;

•             Eine Novellierung des Impfschadengesetz, die alle Schäden durch freiwillige und angeordnete Impfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähn­lichen Infektionen umfasst.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


13.17.30

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wurm, ich habe Sie schon konstruktiver erlebt. (Abg. Wurm: Bitte?) Testungen mit dem Tragen einer Fußfessel zu vergleichen, dazu kann man wirklich nichts mehr sagen. Sie wissen auch, dass Impfungen freiwillig sind. (Abg. Belakowitsch: Das glaube ich eh, dass Sie sprachlos sind, weil Sie haben ja nichts zu sagen!) Ich bin sehr froh darüber, Frau Belakowitsch, dass die Impfbereitschaft bei den Menschen im Land steigt (Abg. Belakowitsch: Ja, die Zwangsimpfungen ...!), aber Gott sei Dank auch bei den Ärzten, beim Pflegepersonal und bei allen, die in diesem Bereich arbeiten (Abg. Belakowitsch: Weil sie Angst haben, dass sie alle gekündigt werden!) Ich glaube, das ist unabdingbar notwendig. Danke auch allen dafür! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wenn Sie auch noch so laut schreien, ich muss ehrlich sagen: Das einzige Konzept, das Teile der FPÖ derzeit haben – ich finde das in einer so schwierigen Situation, in solch einer Krise, in der wir uns alle befinden, bedauerlich –, ist, dass Sie gegen alle sind, gegen Sebastian Kurz, gegen die Regierung. (Abg. Belakowitsch: Viele sind gegen Sebastian Kurz! – Gegenruf des Abg. Hörl.) Was immer wir vorschlagen und tun: Alles ist falsch! – Das ist der falsche Weg, Frau Belakowitsch! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir sollten zusammenstehen, zusammenarbeiten. Wir sollten versuchen, diese größte Gesundheits- und Weltwirtschaftskrise gemeinsam zu beenden. (Abg. Belakowitsch:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 94

Leben Sie es vor!) Gesundheit – man kann es nicht oft genug sagen – ist die wichtigste Voraussetzung für alle Bereiche unserer Gesellschaft. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ge­sundheit ist die Voraussetzung für unsere Familien, für die Schulen, für die Wirtschaft, für die Arbeitswelt. Gesundheit ist auch die Voraussetzung für Wohlstand, und deswegen gilt es auch alles zu tun, um diese Pandemie einzudämmen. Das wird schwierig genug sein, und daher sollten wir auch alle zusammenarbeiten. (Abg. Belakowitsch: Wie viel Prozent sind krank? Können Sie es nicht beantworten oder wollen Sie es nicht beant­worten?!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir jetzt die über 80-Jährigen impfen, dann freue ich mich darüber. Jeder Todesfall ist schmerzlich, speziell auch in den Pflege­heimen. Vor Weihnachten haben Sie uns vorgeworfen, dass wir die alten Menschen wegsperren; dazu muss ich sagen: Das ist eine ganz schwierige Situation gewesen. (Abg. Belakowitsch: Hätten Sie sie geschützt!) Ich weiß, dass die Pflegeheime und auch das Pflegepersonal ihr Bestes getan haben. (Abg. Belakowitsch: Jetzt sind eh schon so viele gestorben!) Ich bin froh darüber, dass wir jetzt auch sehr rasch – ich spreche speziell auch von dem Bereich, in dem ich arbeite – die über 80-Jährigen impfen werden, das medizinische Personal, die Ärzte, das Pflegepersonal. Bitte vergessen wir nicht auf die mobilen Dienste, auch das Personal in diesem Bereich muss möglichst rasch geimpft werden!

Ich möchte noch etwas anmerken, weil ich dazu auch immer wieder E-Mails bekomme: Bitte die Anmeldungen nicht nur online vorsehen, sondern auch telefonisch. Die Se­niorinnen und Senioren sind zwar schon in der digitalisierten Welt angekommen, aber bitte machen wir es ihnen nicht noch schwerer. Versuchen wir auch, einen möglichst niederschwelligen Zugang sicherzustellen.

Meine Ärztekollegen sind ja schon darauf eingegangen: Diese Impfung, der Impfstoff, den wir jetzt haben, ist sicher. Wir werden demnächst weitere Impfstoffe bekommen, die auch leichter zu handeln sind. Dann wird es auch mehr Impfmöglichkeiten geben, und vor allem Impfmöglichkeiten für alle, die das wollen. Das ist der Weg zurück in ein nor­males Leben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich denke, wir müssen vor allem auch an jene Menschen denken, die Vorerkrankungen haben. Wir müssen an jene Menschen, die zu Hause gepflegt werden, und auch an die pflegenden Angehörigen denken.

Es ist der richtige Weg, dass wir jetzt, Herr Bundesminister, die Länder und auch die Gemeinden miteinbeziehen. Ich halte das für sehr wichtig, denn dort sind die Menschen. Wir haben beispielsweise letztes Wochenende in Kärnten, dazu sind auch die Senioren­organisationen eingeladen worden, die über 80-jährigen Menschen angerufen, haben sie informiert und aufgeklärt, haben ihnen auch Hilfestellung angeboten, sie zu den Impf­stellen zu bringen. Ich glaube, es gilt hier wirklich den Bundesländern, aber auch den Gemeinden, den Bürgermeistern Danke zu sagen. Viele von ihnen und auch andere Gemeindevertreter haben selbst zum Telefon gegriffen und haben angerufen. Je mehr wir informieren und aufklären, umso höher wird auch die Impfbereitschaft sein. Ich glau­be, das ist der richtige Weg, um in einer gemeinsamen Kraftanstrengung – wenn auch der Start holprig war – jetzt wirklich aufzuholen. Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird.

Sprechen Sie auch mit Ihrem Arzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage das speziell zu den Seniorinnen und Senioren: Der Hausarzt ist die Vertrauensperson. Informieren Sie sich! Sprechen Sie mit ihm! – Ich habe es schon getan. Ich werde mich impfen lassen, sobald ich dran bin.

Es gibt natürlich immer wieder Fragen – es wurde ja heute schon erwähnt –: Wieso ist das alles so schnell gegangen? Ist der Impfstoff sicher?, und so weiter. Es wurde schon


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ausgeführt: Es ist noch nie international so intensiv und so konstruktiv zusammengear­beitet worden. (Abg. Belakowitsch: Was Sie da behaupten ...!) Es hat parallele Studien gegeben. Finanzierungen sind international aufgestellt worden. Alle Covid-19-Impfstoffe sind mit Tausenden ProbandInnen auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet. Die Imp­fung, die derzeit hier eingesetzt wird, ist die am drittbesten getestete.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde ja schon mehrmals gesagt, aber man kann es nicht oft genug sagen: Testen und impfen, das ist der Weg zurück! Ja, testen ist wichtig, denn es können auch Leute, die keine Symptome haben, Überträ­ger sein. Daher: Testen und impfen, das ist der Türöffner zu einem wieder normalen gesellschaftlichen Leben.

Das Eintrittstesten und auch das Berufsgruppentesten – es sind ja schon einige Kollegen darauf eingegangen –, das ist ganz wichtig für die Veranstaltungen, für die Betriebe. Wir brauchen die Wirtschaft, wir müssen wieder Hoffnung geben. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, wir alle wissen, dass wir die Gefahren von Mutationen noch zu bewälti­gen haben, dass wir sehr wachsam sein müssen. Ja, das Eintrittstesten ist ein großer Aufwand, aber ich glaube, er zahlt sich aus. Das Berufsgruppentesten wird ja bereits angenommen, es gibt bereits tolle Beispiele. Die Wirtschaftskammer ist da engagiert. Es gibt Betriebe, die sich da engagieren. Ich glaube, das ist der richtige Weg, und auch das Testen in den Schulen – Frau Kollegin Hamann hat ja schon darauf Bezug genommen. Die Tests sind weiterentwickelt worden, die Tests sind einfacher geworden. Ich glaube, das ist eine ganz, ganz große Chance.

Zum Abschluss noch: Freiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir dann haben, wenn die Pandemie vorbei ist. Dann werden wir wieder wirkliche Freiheit haben. Ich habe daher kein Verständnis dafür, wenn bei Demonstrationen keinerlei Re­geln eingehalten werden, wenn kein Abstand gehalten wird, wenn keine Masken getra­gen werden, wenn mit populistischen Aktionen Menschen Angst gemacht wird, wenn es zu irritierenden und widersprüchlichen Informationen kommt, wenn Unwahrheiten ver­breitet werden, wenn die Wissenschaft und Ärzte verunglimpft werden. (Abg. Kasseg­ger: Da sind wir gleich beim Thema: Unwahrheiten!) Diese Gruppe, meine sehr geehrten Damen und Herren – dazu gehören leider auch einige aus einer Partei, die demokratisch gewählt hier im Haus sitzt –, diese Gruppe verlässt den gesellschaftlichen Konsens. Ich halte das für sehr bedenklich. Sie verlässt den gesellschaftlichen Konsens, das gesell­schaftliche Zusammenleben, um politisch Kapital zu schlagen.

Ich appelliere an Sie: Überdenken Sie diesen Weg! – Testen und impfen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Weg, und ich glaube, wir alle wünschen uns, dass wir in unser normales Leben zurückkehren können.

Bleiben Sie gesund! Informieren Sie sich und lassen Sie sich bitte testen und impfen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.25.02

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Ich versuche es ein weiteres Mal. Wieder hat sich eine Abgeordnete der ÖVP hierhergestellt und behauptet, dass von den Symptomlosen Infektionen ausgehen. (Ruf bei der ÖVP: Recht hat sie!) – Das ist unrichtig.

Ich erkläre es jetzt zum dritten Mal (Ruf bei der ÖVP: Wird aber nicht besser!): Die WHO hat festgestellt und dies bereits im Juni veröffentlicht: Von Symptomlosen gehen keine Infektionen aus, Frau Kollegin. Des Weiteren gibt es die sogenannte Wuhanstudie, ver­öffentlicht im Herbst 2020, und auch die hat festgestellt: Von Symptomlosen gehen keine


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Infektionen aus. Die neueste Studie, eine Studie aus Österreich, aus Innsbruck, hat festgestellt: Von Symptomlosen gehen keine Infektionen aus. – All das sind nicht irgend­welche Behauptungen, sondern das sind Experten und wissenschaftliche Studien, die das festgestellt haben.

Frau Kollegin! Wenn Sie sich schon hierherstellen und die Österreicher auffordern, sich testen zu lassen: Es wäre gut, wenn Sie als Chefin des Hilfswerks dafür Sorge tragen würden, dass die Mitarbeiter des Kärntner Hilfswerks getestet werden! Da hätten Sie genug zu tun. Da gibt es viele, die bis heute nicht ein einziges Mal getestet worden sind. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Eßl.)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.26.00

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Liebe EPUs! Hinter uns liegt ja ein Jahr voller markiger Sprüche, bunter Wortbilder und blumiger Vergleiche. Da gab es die Auferstehung, die Sebastian Kurz zu Ostern 2020 prophezeit hat und die dann doch abgesagt worden ist. Dann kam das Licht am Ende des Tunnels, das aber schlussendlich als verhungerndes Glühwürm­chen geendet hat. Das Virus ist währenddessen mit dem Auto gekommen, niemals aber mit der Seilbahn, und dazwischen ging es immer um alles. Die nächsten zwei, drei, vier Wochen, die sind entscheidend für unsere Zukunft! – Die Zukunft ist dann doch nicht eingetreten, weil es akuten Handlungsbedarf gegeben hat.

Deshalb wurde ja auch die Wiedergeburt zu Weihnachten abgesagt, stattdessen däm­mert die Regierung mit wenigen Ausnahmen vor sich hin. Positiv zu erwähnen ist das Eintrittstesten. Das ist vor allem gut für die wirklich sehr gebeutelte Veranstaltungsbran­che, die seit einem Jahr kaum eine Möglichkeit hat, irgendwelche Schritte zu setzen. Und es ist natürlich auch begrüßenswert, wenn in schwierigen Zeiten echte Expertise in die Regierung geholt wird.

Was mir aber Sorgen macht: Wir haben nicht nur eine halbe Million Arbeitslose, sondern wir haben auch eine halbe Million Einpersonenunternehmerinnen und -unternehmer in Österreich, viele davon auch aus der Event- und Veranstaltungsbranche. Die fühlen sich schon ein bisschen vor den Kopf gestoßen, wenn der neue Arbeitsminister meint, dass Insolvenzen den Arbeitsmarkt „nicht in riesigem Ausmaß“ treffen werden, weil es da vor allem um die Klein- und Kleinstunternehmen geht.

Eine halbe Million EPUs haben also seit bald einem Jahr mit wirklich großen Herausfor­derungen und einer schwierigen Wirtschaftslage zu kämpfen. Sie haben mit verworrenen Regelungen rund um den Härtefallfonds zu tun und mit einer ausgelagerten Finanzie­rungsagentur, die Fixkostenzuschüsse auszahlen sollte, aber bei der genau gar nichts funktioniert.

Die Kleinunternehmer und EPUs schaffen ein Drittel der Arbeitsplätze in Österreich, vor allem schaffen sie sich ihren eigenen Arbeitsplatz. Sie können auch unter schwierigen Bedingungen noch sehr lange weiterarbeiten, sind auch die Ersten, die wieder losstarten können, weil sie am allerwenigsten Ballast mit sich tragen – wenn man sie lässt, wenn man ihnen nicht ständig Prügel zwischen die Beine wirft, wenn man nicht meint, dass Insolvenzen die EPUs nicht weiter treffen würden oder nicht schlimm wären.

Zu allem Überfluss beginnt jetzt auch die SVS, frühzeitig die Beiträge einzutreiben. Die Stundungen für Beiträge wurden den Unternehmen ja als Hilfe verkauft, und jetzt steht diese Hilfe gemeinsam mit dem Exekutor vor der Tür der Unternehmer. (Beifall des Abg. Wurm. – Abg. Wurm: Wenn die Kollegen nicht da sind!)


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Was brauchen wir statt dem Exekutor, statt Auferstehungsmythen, statt Dornröschen-Märchen? – Erstens: Sorgen Sie dafür, dass die Cofag endlich funktioniert! Es kann nicht sein, dass Anträge dort spurlos verschwinden, dass EPUs monatelang auf eine Antwort warten. Erst heute hat mir ein Unternehmer geschrieben, dass die Cofag nicht einmal mehr weiß, wo der Antrag ist, wohin der verschwunden ist. Da scheint völliges Chaos zu herrschen.

Zweitens: Wenn Sie die Spielregeln ändern und neue oder verlängerte Schließungen verordnen, dann sorgen Sie bitte auch dafür, dass die Unterstützungen dazu passen!

Und drittens: Schaffen Sie endlich Klarheit für Unternehmerinnen und Unternehmer, die seit bald einem Jahr keinen Plan mehr fassen können!

Weil ich am Anfang auch Dornröschen erwähnt habe: Da gibt es ja den Prinzen, der zur Rettung eilt, er lässt sich dafür aber 100 Jahre Zeit. Bitte nehmen Sie sich kein Beispiel daran! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Wurm. – Abg. Wurm: Gute Rede!)

13.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Ing. Mag.a Alexandra Tanda. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.30.16

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, zu Hause via Live­stream und wo auch immer noch die Geduld herrscht, uns zuzuhören! Seit fast einem Jahr kämpft die gesamte Welt gegen das Coronavirus, und wir sind alle müde: müde vom Einhalten der Regeln und der Beschränkungen, müde von den Umständen, die un­ser aller Leben belasten. Das ist menschlich, das ist verständlich.

Nicht verständlich hingegen ist mir, dass man sich mit martialischer und spaltender Spra­che gegen Schritte stemmt, die wieder ein normales, gesellschaftliches und sicheres Miteinander ermöglichen. Daher ist es für mich auch unverständlich, warum diese Ge­setzesänderung von der FPÖ nicht mitgetragen wird. Bei manchen Redebeiträgen kommt mir da ein Liedtext ins Ohr – ich kann nichts dafür, das passiert ‑: „Es tuat so weh, wenn ma verliert“.

Mit dieser Impfung bekommen wir alle unser normales, altes, gewohntes Leben zurück, nach dem wir uns alle sehnen. Bis aber eine ausreichende Durchimpfungsrate erreicht wird, wird nur das konsequente Testen und Nachverfolgen die Überlastung der Kranken­häuser und die Infektionszahlen eindämmen.

Es gibt sehr wohl eine Impfstrategie und es gibt auch eine Teststrategie. In meinem Heimatbundesland Tirol werden bis Ende dieser Woche die ersten Zehntausend Tirole­rinnen und Tiroler die erste Impfdosis erhalten haben, und parallel zum Impfen wurde die Testkapazität in Tirol auf bis zu 50 000 Tests pro Tag erhöht.

In Bezug auf das Wort Reintesten oder wie auch immer man das dann nennen will: Was ist bitte so freiheitsraubend am Testen, bevor man zu einem Konzert geht? Man bucht ein Ticket auf seinen Namen, wie man das schon immer gemacht hat, und hat zusätzlich zum QR-Code für das Ticket noch einen Nachweis über einen negativen Test. Alle Daten werden nach dem Eventbesuch wieder gelöscht. Im Gesetzestext steht klar und deutlich: „Eine Aufbewahrung des Nachweises und des Identitätsnachweises ist unzulässig“, und ich vertraue auf unsere Gesetzgebung.

Oder: Was ist so einschränkend, wenn sich die Angehörigen einer Berufsgruppe, bei der es täglich zu nahem Kontakt kommt, wie das zum Beispiel bei körpernahen Dienstleis­tern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Patiententransport oder in Kuranstalten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 98

und Krankenhäusern der Fall ist, zu ihrem eigenen Schutz und dem Schutz ihrer Klientin­nen und Klienten wöchentlich testen lassen? Ich denke, diese paar Minuten, die solch ein Test dauert, sind es wert, zum Schutz von uns allen und insbesondere zum Schutz unserer vulnerabelsten Mitmenschen.

Ich lasse mich oft testen, und es schadet wirklich nicht. Im Gegenteil: Ich fühle mich sicherer, wenn ich weiß, dass ich die Krankheit an niemanden weitergeben kann und dass ich selbst nicht krank bin. Ich werde mich auch impfen lassen, und noch einmal betone ich: Freiwillig lasse ich mich impfen, und zwar dann, wenn ich dran bin, mit einem Impfserum, das wesentlich mehr getestet wurde als Seren gegen Cholera oder Hepatitis.

Diese Präventionsmaßnahme des freiwilligen und kostenlosen Testens ist definitiv das gelindere Mittel als Betriebsschließungen und Ausgangssperren. Daher muss ich ab­schließend – bei allem Verständnis für Oppositionspolitik – wirklich noch einmal bekräf­tigen: Ich kann einfach nicht verstehen, warum man da als Freiheitliche nicht mitgehen kann! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ribo.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Thomas Drozda. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.34.20

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister, wo immer er sein mag! Ich glaube, jedem ist klar, dass es ohne Impfstrategie – und über diese Impfsituation haben wir ja gestern geredet – und ohne Teststrategie nicht geht. Wenn ich sage, jedem ist klar, dann meine ich auch, dass das jedem in der Kultur, auf die ich mich jetzt konzentrieren möchte, klar ist.

Es akzeptiert auch jeder, dass die Arbeitsmöglichkeiten beschränkt sind beziehungs­weise teilweise auch gar nicht vorhanden sind. Wenn ich sage, das akzeptiert jeder, dann meine ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kulturbetriebe, ich meine aber auch das Publikum. Auch das Publikum versteht, dass es eine singuläre desaströse Si­tuation gibt, auf die reagiert werden muss.

Es erwartet auch niemand, also zumindest niemand von den Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren gearbeitet habe und die ich gut kenne, dass es jetzt unmittelbar wieder losgehen wird. Was aber alle erwarten, ist, dass es, wenn es wieder losgeht, dann auch fair und gerecht ist und dass die Rahmenbedingungen stimmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen, und die­ser Entschließungsantrag folgt der Idee, dass die Präzisierung des Gesetzes, das wir heute beschließen, das ja dann einer präzisierenden Verordnung bedarf, dass diese Präzisierung durch die Verordnung in die richtige Richtung geht.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Gesundheitsminister wird aufgefordert, – wenn aufgrund sinkender Infektionszahlen Lockerungen der Maßnahmen gegen Covid-19 in Aussicht gestellt werden – in den entsprechenden Covid-Verordnungen eigene, bran­chenspezifische Regelungen für den Kulturbereich vorzusehen, die die spezifischen Vo­raussetzungen von Kulturbetrieben berücksichtigen. Jedenfalls sollen die Verordnungen – auch nach offenen Gesprächen mit den Betroffenen – folgendes enthalten:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 99

- Klare und rechtzeitige Vorgaben für Kulturbetriebe

- Gleichbehandlung der Kultur

- Vorgaben für zu erstellende Präventionskonzepte

- Niederschwellige Testmöglichkeiten

- Lebensnahe Öffnungszeiten von Kulturbetrieben

Zentraler Ausgangpunkt der Regelungen sollen jedenfalls die von den Kulturbetrieben zu erstellenden Präventionskonzepte sein, die die jeweiligen Bedingungen vor Ort opti­mal berücksichtigen.“

*****

Ich glaube, man muss eine Sache im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pande­mie noch sagen: Die wird dann gelingen, wenn es uns gelingt, Compliance zu schaffen und Vertrauen zu schaffen. Wenn ich mir anschaue, wie es derzeit auf den heimischen Straßen zugeht und was die Bewegungsdaten zeigen, dann gibt es diese Compliance gerade nicht. Ich glaube, durch eine gute Verordnung, die klarstellt und Fairness walten lässt, können wir diese Compliance jedenfalls in einzelnen Bereichen wiederherstellen. Irgendetwas zu machen, ohne zu erklären, warum, und ohne eine Evidenz zu haben, wird niemand akzeptieren, auch nicht in der Kultur. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Thomas Drozda, Genossinnen und Genossen

Betreffend: Nach dem Lockdown: Kultur möglich machen und realistische Rahmenbe­dingungen setzen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1197/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden (629 d.B.), (TOP 3)

Die Kulturbranche ist eine jener Bereiche, die von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie am stärksten betroffen sind. Theater, Konzertsäle und Opernhäuser müssen geschlossen halten, Kulturinitiativen ihren Betrieb einstellen. In Kinos bleiben die Leinwände ungenutzt nicht nur wegen der behördlichen Vorgaben, sondern auch wegen des mangelnden Filmangebots aufgrund verschobener Dreharbeiten. Selbst Mu­seen können ihr vielfältiges Angebot nicht mehr ihren BesucherInnen präsentieren. KünstlerInnen müssen ihrer künstlerischen Tätigkeit alleine nachgehen – ohne Publikum oder ZuseherInnen und ohne öffentliche Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Aus­stellungen oder Messen. All das hat auch weitgehende Folgen für alle angeschlossenen Branchen wie z.B. Licht- und Tontechnik, Eventorganisation, Verlage oder Vermittler.

Kulturbetriebe haben seit Ausbruch der Pandemie einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen Corona geleistet. Sie haben Veranstaltungen abgesagt, Häuser geschlossen und Sicherheitskonzepte erstellt. Was sie jetzt brauchen, ist eine Perspektive, wie der Betrieb nach dem Lockdown wieder aufgenommen werden kann. Langfristig muss die Bundes­regierung dazu einen umfassenden Maßnahmenkatalog, passgenaue Unterstützungen und ein detaillierteres Konzept entwickeln, damit Österreich auch nach der Pandemie noch als Kulturland bezeichnet werden kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 100

Kurzfristig braucht es realistische Rahmenbedingungen, um den Betrieb wieder starten zu können. Wesentliche Punkte dabei sind:

1. Klare und rechtzeitige Vorgaben und Gleichbehandlung der Kultur

Um den Kulturbetrieb wieder aufnehmen zu können, braucht es rechtzeitig klare Vorga­ben, um den Kulturinstitutionen die nötigen Vorbereitungen zu ermöglichen. Es darf da­bei zu keiner Benachteiligung der Kultur im Vergleich zu anderen Branchen kommen. Auch für BesucherInnen und ZuseherInnen sind klare Lösungen und nachvollziehbare Kriterien von großer Bedeutung.

2. Eigene branchenspezifische Regelungen für die Kultur

Bisher wurde die Kulturbranche gemeinsam mit Paintballanlagen, Bädern, Schausteller­betrieben, Indoorspielplätzen und Wettbüros geregelt. Da im Kulturbereich oftmals je­doch andere Voraussetzungen als in anderen Branchen bestehen, braucht es maßge­schneiderte eigene Regelungen analog beispielsweise zu den Sportstätten oder Beher­bergungsbetrieben. Durch diese notwendige Differenzierung können einerseits Infektio­nen verhindert, gleichzeitig jedoch Kultur ermöglicht werden. Kulturelle Veranstaltungen finden in der Regel im Sitzen statt, wobei während einer Vorstellung beispielsweise kaum Kommunikation der BesucherInnen untereinander stattfindet. Darauf muss Bedacht ge­nommen werden und ein eigener Abschnitt in den betroffenen Verordnungen geschaffen werden.

3. Präventionskonzepte als zentraler Ausgangspunkt für sichere Kulturveranstaltungen

Kulturbetriebe haben in den letzten Monaten bewiesen, dass sie hervorragende Präven­tionskonzepte (Zugangsregelungen, Masken, Abstände etc.) zum Schutz ihrer Besu­cherInnen und ZuschauerInnen entwickeln und umsetzen können. Kulturelle Veranstal­tungen sind vielfältig mit jeweils eigenen örtlichen Begebenheiten und Raumkubaturen, unterschiedlicher Personenanzahl und Ausmaß an Interaktion. Daher sind Präventions­konzepte der zentrale Ausgangspunkt für sichere Kulturveranstaltungen. Ziel muss sein, eine Ansteckung von BesucherInnen und ZuseherInnen zu verhindern. Auf welche Art und Weise dieser Schutz am effektivsten vorgenommen werden kann, ist in den Prä­ventionskonzepten festzulegen. Die Präventionskonzepte und sonstige Vorkehrungen, wie beispielsweise das Tragen von ffp2-Masken oder räumliche Vorkehrungen, die im Kulturbereich mit viel Aufwand entwickelt wurden, sind bei der Frage von Eintrittstests zu berücksichtigen. Auch die maximal zugelassene Personenanzahl soll im jeweiligen Präventionskonzept festgelegt werden.

4. Niederschwellige Testmöglichkeiten

Die Bundesregierung muss österreichweit niederschwellige und gut erreichbare Test­möglichkeiten auf Covid-19 schaffen. Für den Kulturbereich im Speziellen müssen ei­gene, gezielte Maßnahmen vorgesehen sein, um eine Testung für den Besuch von Kul­turveranstaltungen zu erleichtern bzw. finanziell beispielsweise durch den Ersatz von Testkosten zu unterstützen.

5. Lebensnahe Öffnungszeiten von Kulturbetrieben

Um Kulturveranstaltungen auch ökonomisch sinnvoll ausrichten zu können, braucht es realistische Rahmenbedingungen. Daher sollen bei abendlichen Ausgangssperren Aus­nahmen für Kulturbetriebe geschaffen werden, um Vorstellungen bis 22 Uhr zu ermög­lichen. Ein solches Modell besteht bereits erfolgreich in anderen Städten wie Barcelona und würde auch zur Entzerrung von Besucherströmen am Abend in den öffentlichen Verkehrsmitteln führen.

Kulturschaffende wollen arbeiten. BesucherInnen und ZuseherInnen sehnen sich nach den Anregungen der Kultur. Kulturbetriebe sollen daher nach dem strengen Lockdown


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 101

wieder die Möglichkeit bekommen, ihre wichtigen künstlerischen Angebote zu machen. Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Gesundheitsminister wird aufgefordert, – wenn aufgrund sinkender Infektionszahlen Lockerungen der Maßnahmen gegen Covid-19 in Aussicht gestellt werden – in den entsprechenden Covid-Verordnungen eigene, bran­chenspezifische Regelungen für den Kulturbereich vorzusehen, die die spezifischen Vo­raussetzungen von Kulturbetrieben berücksichtigen. Jedenfalls sollen die Verordnungen – auch nach offenen Gesprächen mit den Betroffenen – folgendes enthalten:

• Klare und rechtzeitige Vorgaben für Kulturbetriebe

• Gleichbehandlung der Kultur

• Vorgaben für zu erstellende Präventionskonzepte

• Niederschwellige Testmöglichkeiten

• Lebensnahe Öffnungszeiten von Kulturbetrieben

Zentraler Ausgangpunkt der Regelungen sollen jedenfalls die von den Kulturbetrieben zu erstellenden Präventionskonzepte sein, die die jeweiligen Bedingungen vor Ort opti­mal berücksichtigen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.37.57

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Frau Kollegin Belakowitsch, ich kann vielleicht das Missverständnis aufklären: Es geht nicht, wie Sie gemeint haben, darum, dass 50 Prozent der Asympto­matischen ansteckend sind, sondern Anthony Fauci hat gesagt, dass bis zu 50 Prozent der Infektionen von asymptomatischen Personen kommen.

Es gibt einen wesentlichen Punkt, und zwar gibt es natürlich Untersuchungen dazu, dass asymptomatische Personen ansteckend sind, und insbesondere gibt es ganz konkrete Hinweise, dass Personen, die asymptomatisch sind und dann in den nächsten Tagen erkranken, sogar ganz besonders ansteckend sein können. (Abg. Belakowitsch: Das sind ja keine Asymptomatischen! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Deshalb möchte ich festhalten, dass das Verkünden der Botschaft: Solange Sie nicht krank sind, können Sie niemanden anstecken und sind keine Gefahr!, eine gefährliche und gefährdende leichtsinnige Aussage ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Dr. Dagmar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.39.19

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Kollege Smolle hat wiederum er­klärt, dass 50 Prozent der Infektionen von Asymptomatischen kommen. – Das ist unrich­tig. (Rufe bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 102

Das hat er schon gesagt. Ihr habt ihm nicht zugehört. – Das ist also unrichtig. Es gibt viele Studien, die das belegen. Es gibt die WHO, die das seit Juni gesagt hat.

Die Erklärung, die Herr Prof. Smolle dann gegeben hat, ist leider eine falsche, denn Per­sonen, die zwei Tage später Symptome entwickeln, sind nicht Asymptomatische, son­dern Präsymptomatische – das ist etwas ganz anderes –, und Präsymptomatische sind dann Personen, für die Contacttracing gilt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


13.40.13

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich denke, jeder Abgeordnete fasst in diesem Haus Beschlüsse, die zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher sind. Und ich denke, das Wohl, das wir im Auge haben müssen, ist, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin diese Pandemie möglichst gesund übersteht. Ich denke, dafür sind wir hier, um hier Be­schlüsse durchzusetzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist dazu notwendig, um dafür zu sorgen, dass die Österreicherinnen und Österrei­cher diese Pandemie möglichst gesund überstehen? – Es ist notwendig zu testen, zu testen, zu testen und noch einmal zu testen. Das sagt ja unsere Parteivorsitzende Pame­la Rendi-Wagner schon seit April, Mai. Wir sollten es also tun. Und das Zweite, was jetzt kommt, ist impfen, impfen, impfen und noch einmal impfen, damit wir es schaffen, dieser Pandemie entgegentreten zu können. (Abg. Wurm: Aber die Arbeitnehmer auch!)

Den Gegnern dieser Teststrategien und den Gegnern dieser Impfstrategie ist eines zu sagen: Wenn mir diese Gegner sagen, die Coronapandemie ist mit einer Grippe gleich­zusetzen, dann kann ich nur antworten: Ich kenne keine einzige Grippewelle, die über ein Jahr dauert, bei der es wöchentlich Tote gibt und wir nicht wissen, wie wir sie in den Griff bekommen. Daher ist es notwendig, es zu tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren! Weil es notwendig ist, zu testen, hat es mich interessiert, wie die Teststrategien in den Ländern funktionieren, und ich habe mir alle Homepages der Landesregierungen in Österreich angeschaut. Ich habe geschaut, wie viele Teststraßen es gibt, wo die Österreicherinnen und Österreicher kostenlose Tests machen können. Eine Preisfrage, eine Schätzfrage: Wie viele, glauben Sie, gibt es in Österreich? – 48! Es gibt nur 48 Teststraßen, wo die Österreicherinnen und Österreicher kostenlose Tests machen können, um zu sehen, ob sie positiv oder negativ sind, meine Damen und Her­ren. Diese Teststraßen haben teilweise nur von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Das heißt, ein normal Berufstätiger hat gar nicht die Möglichkeit, diese Teststraßen zu besuchen, um dort kostenlose Tests zu machen. Er ist gezwungen, einen Test, den er bezahlen muss, beim Arzt zu machen, damit er weiß, ob er negativ oder nicht negativ ist.

Ich habe mir dann diese Situation im Besonderen auch in einigen Bundesländern ange­schaut und möchte von der Homepage des Landes Steiermark vorlesen. Das Land Stei­ermark schreibt: „Aktuell werden keine kostenlosen flächendeckenden Antigen-Schnell­tests in der Steiermark angeboten.“

Das heißt, wir haben sogar Bundesländer, die keine einzige Teststraße anbieten, damit die Menschen dort kostenlos testen gehen können.

Ich habe mir das dann auch für mein Heimatbundesland, für Oberösterreich, angeschaut und festgestellt, das Bundesland Oberösterreich hat fünf Teststraßen für 15 Bezirke und drei Statutarstädte. Es gibt fünf Teststraßen in ganz Oberösterreich, wobei einzelne Per­sonen teilweise 60 Kilometer und weiter fahren müssten, um zu einer Teststraße zu kommen. Ich denke, da müssten wir ansetzen, dafür müssten wir sorgen, dass diese


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Teststraßen in jedem Bezirk vorhanden sind, dass diese Teststraßen von jeder Öster­reicherin, von jedem Österreicher kostenlos in Anspruch genommen werden können.

Das Nächste, was ich mir dann angeschaut habe, meine Damen und Herren, war das Impfen. Auf der Homepage des Landes Oberösterreich habe ich erfahren, wie viele Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher im Jänner geimpft werden können. Da steht: Oberösterreich bekommt ein Sechstel der in Österreich zur Verfügung stehenden Impfstoffdosen. „Aufgrund der beschränkten Anzahl an Impfstoffdosen kann mit dem ak­tuell zur Verfügung stehenden Kontingent“ nur etwa 30 Prozent der über 80-jährigen Personen mit dem Impfstoff versorgt werden.

Ja, meine Damen und Herren, was heißt denn das? – Wenn nur etwa 30 Prozent der über 80-jährigen Personen in einem Bundesland mit dem Impfstoff versorgt werden kön­nen, bedeutet das, die restlichen 70 Prozent werden der Gefahr ausgesetzt, dass sie vielleicht an diesem Coronavirus sterben werden, weil wir die Impfstoffdosen nicht recht­zeitig zur Hand und in der entsprechenden Anzahl in den Bundesländern haben. Meine Damen und Herren, ich denke, da ist es notwendig, etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss möglich sein, dass jeder, der sich impfen lassen will, auch geimpft werden kann. Und die Dosen sind da! Wir haben ja 60 000 Dosen beim Start bekommen. Das heißt, hochgerechnet mit den Impfungen, die ich daraus ziehen kann, wären das – mal sechs – 360 000 Impfungen gewesen. Die zweiten 60 000 sind gleich ein paar Tage später ge­kommen; mittlerweile sollen ja täglich Impfdosen kommen. Das heißt, es ist genug vor­handen, aber wir haben dafür zu sorgen, dass es passiert. Und diese Fehler, die hier von der Regierung, von den Landesregierungen begangen werden, meine Damen und Herren, gehören schnellstens, aber wirklich schnellstens positiv erledigt. Das heißt, es ist das Notwendigste, dass Sie dafür sorgen.

Jede Österreicherin und jeder Österreicher muss die Möglichkeit haben, wenn es für ihn notwendig ist, diese Tests jederzeit kostenlos und in seiner näheren Umgebung machen zu können. Und jede Österreicherin und jeder Österreicher muss die Möglichkeit haben, sich kostenlos impfen zu lassen, wann es für ihn möglich ist und wann er es wirklich braucht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Laurenz Pöttin­ger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.45.48

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zu meinem Vorredner, weil gera­de zufällig von Oberösterreich die Rede war: Herr Kollege Keck, Sie wissen ganz genau, dass ein weltweiter Run auf die Impfdosen vorhanden ist. Wir tun, was wir können, und es ist nicht so, dass die Impfdosen nicht verimpft werden und wir sie im Land nicht hätten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Matznetter: Das ist un­erhört! Sie haben alles richtig gemacht, oder?!)

Zwei Tagesordnungspunkte werden wir heute wohl mit breiter Mehrheit beschließen. Das ist zum einen die Kostenübernahme für die Softwareimplementierung des elektroni­schen Impfpasses für die Ärztinnen und Ärzte und zum anderen der Kostenersatz für Länder und Gemeinden für die tatsächlich angefallenen Kosten der Testungen und Imp­fungen. (Abg. Wurm: Einstimmig!) – Ja, erstaunlicherweise offensichtlich sogar mit den Stimmen der FPÖ.

Tagesordnungspunkt 3 jedoch (Abg. Wurm: Na!) sorgt seit vielen Tagen für sehr hohe Wellen. Freitesten, Eintrittstesten, Reintesten und so weiter genannt gilt diese gesetzli­che Änderung wohl als eine Chance für die Bevölkerung, ein klein wenig Normalität


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zurückzubekommen, und als Chance, die Wirtschaft in Teilbereichen wieder anzukur­beln. Danke an alle Abgeordneten, die diesem Antrag heute zustimmen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt noch ein Wort zur Verharmlosung der Coronakrise, insbesondere an die FPÖ-Fraktion und all jene Menschen in unserem Land gerichtet, die mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten eine Polarisierung in unserem Land vorantreiben. (Abg. Belakowitsch: Da können Sie den ÖVP-Flügel gleich nehmen!) In meiner gestrigen Rede berichtete ich über die Sterblichkeit, über die Tabellen, die herumgeschickt werden, die offensichtlich von Coronaleugnern erstellt worden sind, die jeder Grundlage entbehren.

Und wie es der Zufall so haben will, habe ich heute um 9.35 Uhr eine APA-Meldung bekommen, und die bestätigt meine Annahme, die Sie gestern in Zweifel gezogen ha­ben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich habe mir das Protokoll meiner Rede he­rausgesucht. Ich habe gestern gesagt, dass die Übersterblichkeit im Jahr 2020 bei circa 10 Prozent liegt. Da steht dann im Protokoll: „Beifall“ und dann „Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Woher wissen Sie das? Woher wissen Sie das? Woher wissen Sie das? – Sie wissen es einfach, weil Sie es behaupten!“ – Das steht schwarz auf weiß hier im Protokoll. Das haben Sie auch gestern gesagt. (Abg. Belakowitsch: Sie haben es mir auch nicht beantwortet, woher Sie es wissen!)

Heute gibt es die APA-Meldung, es sind ungefähr 11 Prozent. So leid es mir tut. Es ist viel zu viel, und Sie wissen genau, dass die Coronakrise damit - - (Abg. Belakowitsch: Sie müssen die APA-Meldung ganz lesen, bis hinunter, damit Sie wissen, was da los ist!) – Ja, die habe ich ganz gelesen, Frau Kollegin!

Eines möchte ich auch noch zu Ihren tatsächlichen Berichtigungen sagen. Die Menschen zu Hause wissen wahrscheinlich nicht, dass man eine tatsächliche Berichtigung – und sei sie auch noch so falsch und noch so halb wahr – nicht mehr berichtigen kann. (Abg. Belakowitsch: O ja!) – Nein, das kann man nicht! Zumindest ist das die Aussage unse­res Klubs, dass man das nicht kann; in einer Wortmeldung ja, aber nicht mehr als Be­richtigung. (Abg. Belakowitsch: Nein, das können Sie jederzeit!) Sie stellen sich hier belehrend her und vermischen Themen und nennen Aussagen der WHO, die aus dem Mai stammen. (Abg. Belakowitsch: Juni!) Die aktuellen Zahlen unserer Experten, die ignorieren Sie. Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

13.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. Frau Dr. Fürst, Sie gelangen zu Wort.


13.50.22

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Einleitend muss ich mich jetzt endlich einmal bei Klubobmann Wöginger und auch bei allen anderen ÖVP-Abgeordneten bedanken, dass Sie uns von diesem Platz hier laufend ausrichten, dass es in der FPÖ vernünftige Leute gibt, mit denen man gut zusammenarbeiten könne. – Danke. (Abg. Stögmüller: Ich hab sie noch nicht gefun­den! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich muss mich hier wirklich entschuldigen, dass wir noch nicht darauf reagiert haben (Abg. Wöginger: Die wenigsten sitzen hier!), denn ich muss Ihnen jetzt das Kompliment endlich einmal zurückgeben. Es gibt auch in der ÖVP vernünftige Leute, mit denen man zusammenarbeiten könnte. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wirklich, es gibt auch genug bei Ihnen, die diese Crashlockdownpolitik überhaupt nicht teilen. Das erfährt man natürlich nicht hier herinnen, sondern draußen am Gang oder unter vier Au­gen. Also bitte, das Kompliment gebe ich gerne zurück.

Herr Klubobmann, wenn Sie auch den freiheitlichen Klubobmann um seine Kickl-Truppe, wie Sie sagen, beneiden: Ja, es ist nicht jedem gegeben, ein politisches Talent (Heiterkeit


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bei der FPÖ), ein rhetorisches Talent zu haben, die Fähigkeit zu haben, Begeisterung bei den Menschen auszulösen, aber Sie werden es auch noch lernen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Probieren Sie es noch, halten Sie weiter hier Reden, vielleicht gibt es dann auch einmal in Ihrem Sektor eine Wöginger-Truppe, ich würde mich freuen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Machen Sie aber Schluss mit diesen lächerlichen Wordings, dass jeder Abgeordnete der ÖVP, der hier rauskommt, immer sagen muss, Good Cops, Bad Cops bei der FPÖ, das ist einfach lächerlich. (Abg. Wöginger: Das beschäftigt euch, ja!)

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat in seinem Neujahrsschreiben an die Ab­geordneten festgestellt, dass es einen Anstieg antidemokratischer Tendenzen gibt. – Schon wieder eine vernünftige Stimme aus den Reihen der ÖVP, denn ja, dem kann ich nur voll zustimmen. Der Rest des Briefes ist zwar nicht schlüssig, aber darüber schwei­gen wir einmal. Aber die gesamte Coronagesetzgebung, die Gesetze, die hier von den Regierungsparteien und leider zum Großteil auch mit den Stimmen der SPÖ  be­schlossen werden, und die Verordnungen des Gesundheitsministers sind eine antidemo­kratische Zumutung und gehen in die völlig falsche Richtung. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ein verfassungswidriges Coronasonderrechtsregime, wie das auch von einem Ver­fassungsexperten bezeichnet wurde. Wer den Versprechungen glaubt, dass dies alles wieder außer Kraft gesetzt wird, diese völlig überschießenden und unterdrückenden Maßnahmen, der ist naiv. Wer den Versprechen glaubt, dass so wie es auch der Herr Bundeskanzler angekündigt hat – das ja alles nicht mehr gilt, wenn es dann vom Verfas­sungsgerichtshof überprüft wird, dem sei gesagt: Mitnichten!

Warum werden diese Maßnahmen, auch die heutigen, die hier beschlossen werden, die Eintrittstestregelungen, nicht nur im Covid-19-Maßnahmengesetz aufgenommen? Da ist tatsächlich eine Befristung drinnen. Nein, es wird alles parallel auch ins Epidemie­gesetz aufgenommen, welches dann unbefristet gilt. Das heißt, diese ganzen Maßnah­men gehen in das geltende Recht über und können dann jederzeit auch in ganz anderen Fällen als Corona wieder ausgepackt werden.

Die SPÖ ist da überall mit dabei, da bin ich ohne Worte; auch bei den Ausführungen heute. Da beklagt man sich über die steigende Arbeitslosenzahl. Dass das vielleicht mit der Lockdownpolitik in irgendeinem Zusammenhang steht, sollte man irgendwie auch verstehen.

Auf jeden Fall wird heute mit dieser sogenannten Eintrittstestregelung ein weiterer Bau­stein der antidemokratischen Mauer, die um uns errichtet wird, hinzugefügt. Das ist ver­fassungswidrig, gesellt sich zu den vielen Vorgängerverordnungen. Da geht es laut den Erläuterungen angeblich darum, dass Personen, die eine geringe epidemiologische Gefahr realisieren, sozusagen auf die Straße gehen dürfen oder überhaupt den öffentli­chen Raum betreten dürfen. Das sind aber solche, die laut diesem Gesetz einen negativen Test haben. Bitte, Personen, die eine geringe epidemiologische Gefahr aus­strahlen, sind alle Gesunden, daher ist der Lockdown sofort zu stoppen und sind alle Maßnahmen gegen gesunde, symptomlose Leute aufzuheben!

Diese Regelungen widersprechen den Grundrechten unserer Verfassung, dem Legali­tätsprinzip. Wir haben eine viel zu große Anhäufung von Kompetenzen für die Exekutive, sie widersprechen der persönlichen Bewegungsfreiheit, Erwerbs- und Eigentumsfreiheit. Da sollen sich Leute sozusagen solidarisch zugrunde richten lassen. Wir haben eigent­lich ein Recht auf medizinische Selbstbestimmung und auf Meinungsfreiheit, aber wenn man nur Kritik an diesen Maßnahmen äußert, ist man ja sofort spaltend und polarisie­rend.


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Wir machen bei diesem nationalen Schulterschluss gegen die Grundrechte, gegen die Verfassung nicht mit. Grundrechte wurden als Schutz vor den Übergriffen des Staates geschaffen, die Verfassung als Schutz vor den Fantasien von Machtpolitikern. Wir müs­sen auf die Einhaltung der Verfassung pochen. Lockdown und überschießende Maßnah­men sind schon gesetzlich nur bei der wirklichen Überlastung des Gesundheitssystems, wenn der Zusammenbruch droht, erlaubt. Das ist nicht der Fall. Wenn hier Zahlen auf­gestellt werden, die gar nicht erreicht werden können, Inzidenzwerte, die schon aufgrund der Fehlerquote der Tests erfüllt sind, oder wenn es heißt, dass schon Maßnahmen ge­setzt sein müssen, wenn 200 Coronaintensivpatienten in den Krankenhäusern sind, also da sind wir wirklich schon im irrationalen Bereich. Daher: Schluss mit diesen exzessiven Maßnahmen! (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Dr. Dag­mar Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


13.56.34

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Pöttinger hat in seiner Rede gesagt, dass er keine Möglichkeit hat, auf eine tatsächliche Berichtigung wenn es ihm halt nicht gefällt, obwohl das, was ich sage, richtig ist  zu antworten. Ich möchte Ihnen sagen, Kollege Pöttinger, das ist falsch. Sie haben natürlich nach § 58 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Möglichkeit einer Einwendung, nämlich wenn ich Sie anspreche, haben Sie als Angesprochener jederzeit die Möglichkeit, einer tatsächlichen Berichtigung zu entgegnen. (Ruf: Das ist aber was anderes!)  Das ist nichts anderes, denn da kann Kollege Pöttinger richtigstellen, was ich falsch gesagt hät­te. Punkt eins.

Punkt zwei. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Na selbstverständlich ist das noch eine tat­sächliche Berichtigung! Abgeordneter Pöttinger hat weiters behauptet, dass das von der WHO schon so lange her wäre, nämlich im Mai. – Das ist richtig, das ist schon aus dem Frühjahr, also eigentlich aus dem Juni, aber die Studie aus Innsbruck ist ganz neu, vom Dezember 2020. Im Dezember 2020 wurde bei der Innsbrucker Studie festgehalten, dass von Symptomlosen keine Infektionen ausgehen. Viel aktuellere wissenschaftliche Studien dazu gibt es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ebenfalls zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Christoph Stark zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.58.07

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Gegensatz zu Frau Kollegin Belakowitsch, die ja ein Dauerabo auf tatsächliche Berichtigungen hat, ist das jetzt meine erste. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Kollege Keck hat behauptet, es gäbe in der Steiermark keine Möglichkeit, sich gratis testen zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Ich berichtige tatsächlich: An sechs Standorten, unter anderem in meiner Heimatstadt, der Stadtgemeinde Gleisdorf, gibt es die Möglichkeit, sich von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr, freitags sogar bis 20 Uhr und samstags (Abg. Matznetter: Herr Präsident!) bis 12 Uhr gratis testen zu lassen, und zwar vermutlich bis Ende Mai. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Matznetter: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist eine Aussage!)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 107

13.59.00

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mi­nister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Meine Damen und Herren vor den Fern­sehgeräten! Hand aufs Herz, sehnen wir uns nicht alle danach, wieder ein normales Leben führen zu können, dass die Menschen aktiv in den Betrieben arbeiten können, dass unsere Kinder wieder dem Schulalltag nachgehen können, dass wir die Freizeitge­staltung mit Kultur, Sport in den Vereinen erleben können und dass wir einfach wieder soziale Kontakte pflegen können?

Wie kommen wir dorthin? Indem wir das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen, indem wir die Übertragung stoppen. Wir alle wissen – es ist auch weltweit bestätigt –: Flächendeckende Testungen und Impfungen, das ist die Strategie, mit der wir dem am nächsten kommen, daher diskutieren wir das heute auch.

Ich möchte mich im Zuge dessen vorweg bei den Menschen und Organisationen recht herzlich bedanken und sie in den Vordergrund stellen, die bereits Testungen durchge­führt haben und sie zum Wohle der Allgemeinheit gut über die Bühne gebracht haben. Ich darf da die Blaulichtorganisationen, das Bundesheer und die Freiwilligen, Frauen und Männer, in den Gemeinden hervorheben.

Mit dem Gesetz und der vorliegenden Novelle schaffen wir heute eine Anpassung für die Aufwendungen, die für die Länder und Gemeinden anfallen. Gerade die Länder und Ge­meinden, die Infrastruktur und Personal für die Testungen und für die Impfungen zur Verfügung stellen, leisten in dieser Zeit wirklich wertvolle Arbeit, und das über ihre alltäg­lichen Aufgaben hinaus. Daher brauchen sie diese Mittel ganz besonders.

Ich freue mich auch, dass in diesem Gesetz festgehalten ist, dass es jetzt auch Betriebs­testungen für alle geben wird, denn die leisten ebenfalls einen großen Beitrag.

Klar ist unser Ziel, diese Phase, bis wir ausreichend Impfstoff für alle Österreicherinnen und Österreicher haben, zu überbrücken. Dafür sind Tests das beste Mittel, um die In­fektionszahlen so niedrig wie möglich zu halten. Daher bin ich auch froh, dass die SPÖ hier heute mitstimmt, denn damit schaffen wir es, dass wir schrittweise dem normalen Leben wieder näherkommen, dass wir Veranstaltungen von Kunst und Kultur bis hin zum Sport wieder besuchen können und dass Berufsgruppen, die körpernahe Dienstleistun­gen verrichten, wieder die Möglichkeit haben, ihre Tätigkeit aufzunehmen.

Es kursieren leider nicht nur in den sozialen Medien viele Falschmeldungen, sondern auch hier. Wenn man tatsächliche Berichtigungen macht und nicht wirklich ganz dezidiert nur das Richtige sagt, wird es deswegen, selbst wenn man es öfter sagt, auch nicht richtiger. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich finde es nicht fair, dass man vonseiten der FPÖ die Bevölkerung in dieser Zeit, in der es eigentlich wichtig wäre, dass man zusammenhält, damit wir so schnell wie möglich durch diese Krise kommen, damit wir unser normales und das wirtschaftliche Leben wie­der aufnehmen können, so verunsichert.

Am Beginn der Pandemie haben wir uns so sehr danach gesehnt, dass es Tests und Impfungen gibt, denn die hat es damals leider noch nicht gegeben. Dank der Wissen­schaft und Forschung haben wir sie relativ schnell bekommen. Jetzt möchte ich appel­lieren: Nutzen wir sie auch! Impfen und Testen sind in dieser Zeit einfach der beste Bei­trag, den jeder leisten kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: Bravo!)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.03.02

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine beiden Herren Bundesmi­nister! Ich könnte jetzt eine persönliche Erwiderung auf die tatsächliche Berichtigung des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 108

Kollegen Stark machen, der gesagt hat, ich hätte behauptet, dass das Land Steiermark keine kostenlosen Teststrecken hat. Ich habe nichts behauptet, Kollege Stark, sondern man müsste besser aufpassen, was die Redner hier am Rednerpult sagen. Ich habe aus der Homepage des Landes Steiermark zitiert. Ich lese noch einmal aus der Homepage des Landes Steiermark vor. Jeder kann nachschauen. Da steht: „Aktuell werden keine kostenlosen flächendeckenden Antigen-Schnelltests in der Steiermark angeboten.“

Wenn das nicht stimmt, dann müsst ihr euch mit dem Land Steiermark auseinander­setzen, dass man die Falschinformation, dass man das nicht anbietet, an seine Bürgerin­nen und Bürger in der Steiermark verbreitet, aber bitte nicht da rausgehen und sagen, dass ein Abgeordneter eine falsche Behauptung aufgestellt hat. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

14.03


14.04.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungs­unterbrechung gewünscht ist? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 626 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig, der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmenge­setz geändert werden, in 629 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Kucher, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Kucher, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 109

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit, der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiheitliches Maßnahmen­paket zu Covid-19“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Phi­lip Kucher, Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rascher Ausbau der öffentlichen unentgeltlichen Corona-Testmöglichkeiten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entschließungsantrag ist damit mehrheitlich angenommen. (132/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Rudolf Silvan, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wirksame Wirtschaftshilfen für das erste Quartal 2021“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nach dem Lockdown: Kul­tur möglich machen und realistische Rahmenbedingungen setzen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird, in 627 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Keck, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Keck, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen ha­ben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 2 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 110

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit, damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Gesund­heitsausschusses, seinen Bericht 628 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

14.09.27Kurze Debatte über die schriftliche Anfragebeantwortung 4066/AB


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 4066/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregie­rung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dau­ern.

Ich ersuche nun Abgeordneten Michael Schnedlitz als Antragsteller, die Debatte zu eröf­fnen. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.10.10

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Nehammer! (Abg. Pfurtscheller: ... Herr Minister! ... Respekt!) Sehr geehrte Damen und Herren! Versa­gen, vertuschen, Anfragen nicht beantworten, und in diesem Fall das alles zum Selbst­zweck, um sich im Ministeramt zu halten – ja, es geht wieder um das Team Kurz, sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Fall konkret um Herrn Nehammer. (Abg. Otten­schläger: Herr Bundesminister! – Abg. Pfurtscheller: Herr Bundesminister!)

Das ist derjenige türkise Minister, bei dem auch Terroristen  auch derjenige vom 2. No­vember, um den es in der Besprechung der Anfragebeantwortung geht  Narrenfreiheit haben, wie ja auch echte Verbrecher Narrenfreiheit haben, während er die rechtschaffe­ne Bevölkerung mit voller Härte verfolgt.

Herr Nehammer, in aller Deutlichkeit: Sie verfolgen die Falschen in diesem Land. Sie müssen jene verfolgen, die die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ge­fährden, und nicht jene, die die fehlgeleitete Politik des Kanzlers kritisieren! (Zwischenruf des Abg. Melchior.) Dafür ist nämlich die Polizei nicht da.

Ich sage Ihnen auch Folgendes in aller Deutlichkeit: Hören Sie damit auf, unsere Poli­zistinnen und Polizisten für den Kampf zu missbrauchen, nämlich gegen diejenigen, die Ihren Sonnenkanzler nicht mehr anbeten! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ist ja unglaublich!)

Wenn Sie nämlich gegen echte Verbrecher und Terroristen vorgehen würden und vor­gegangen wären, dann hätten wir in diesem Land viele Probleme weniger und dann hätte der feige Anschlag am 2. November verhindert werden können, und  das sage ich Ih­nen auch in aller Deutlichkeit  er hätte auch verhindert werden müssen. Bereits wenige Stunden nach dem Anschlag war klar, dass Sie als Innenminister völlig versagt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Melchior.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 111

Bis heute, und das ist das wirklich Verwerfliche, warten die Hinterbliebenen der Opfer auf eine Entschuldigung Ihrerseits. Sie haben es bis heute nicht einmal zu einem Lippen­bekenntnis geschafft, wobei ich Ihnen auch offen sagen muss: Die einzig ehrliche Ent­schuldigung wäre Ihr Rücktritt bereits direkt nach dem Anschlag gewesen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Melchior.)

Stattdessen haben Sie die größte Vertuschungsaktion in der Geschichte der Zweiten Republik eingeleitet. Sie haben mit falschen Schuldzuweisungen gearbeitet. Ich erinne­re: Die Justizministerin ist schuld, der Kickl ist schuld, die Slowaken sind schuld. Jeder war schuld, nur der Herr Innenminister hatte mit dem Innenministerium nichts damit zu tun. (Abg. Melchior: Der Attentäter in erster Linie! Der Attentäter ist schuld, sonst nie­mand! – Abg. Pfurtscheller: Der Attentäter ...!) Sie haben bewusst falsche Informatio­nen gestreut, hier im Parlament bei Ihrer Wortmeldung und auch bei Pressekonferenzen und in den Medien. Sie haben zugedeckt, und dieses Zudecken geht bis heute weiter, indem Sie Anfragen der Abgeordneten einfach nicht beantworten.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist unfassbar, weil die Hinterbliebenen der Opfer, aber auch die Österreicherinnen und Österreicher ein Recht auf die Wahrheit und auf Antworten haben. Dieser türkise Faden des Zudeckens zieht sich bis heute durch, es ist unfassbar! Unzählige Abgeordnete, und zwar nicht nur von der freiheitlichen Fraktion, sondern auch von anderen Fraktionen, haben in diesem Haus Anfragen zum Terroran­schlag gestellt, Fragen, um herauszufinden, warum der Anschlag nicht verhindert wurde, wie es dazu kommen konnte, dass es Tote gegeben hat, weil ein System im Innenmi­nisterium versagt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch ich habe hier in der Anfrage, die wir heute besprechen, mehrere Fragen an Sie, Herr Innenminister, gerichtet, wie etwa: „Wie war der genaue Informationsfluss zwischen slowakischen und österreichischen Behörden in Bezug auf den Versuch von [...],“ – dem späteren Attentäter – „in der Slowakei [...]-Munition zu erwerben?“

Eine weitere Frage: „Ist es korrekt, dass [...]“ – der Terrorist – „auf Basis dieser Informa­tion vor dem Anschlag aus dem Verkehr gezogen werden hätte können?“ Wir wissen heute, sehr geehrte Damen und Herren, die Antwort wäre Ja. Diese Antwort haben Sie aber nicht gegeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben keine einzige Frage dieser Anfrage beantwortet. Ich habe auch noch eine zweite Anfrage zu diesem Thema eingebracht (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), mit 118 Fragen, und auch von diesen 118 Fragen haben Sie keine einzige beantwortet. Auch andere Abgeordnete haben Fragen eingebracht, und auch bei den Anfragen der anderen Abgeordneten haben Sie keine Frage auch nur teilweise beantwortet. (Zwi­schenruf des Abg. Melchior.)

Fest steht, sehr geehrte Damen und Herren, dass ich die Frage beantworten kann, weil bereits die Recherchen vonseiten diverser Medien, aber auch vonseiten der Opposition dazu geführt haben, dass bisher zumindest ein Teil der Wahrheit ans Licht gekommen ist.

Es steht fest, dass Sie bereits im Juli über den versuchten Kauf der Munition und der Waffe informiert wurden. Da hätten Sie eingreifen, handeln müssen, dann wäre es zu diesem feigen Anschlag nicht gekommen!

Andere Fragen sind bis heute unbeantwortet, sind noch offen. Ich kann Ihnen nur sagen: So eine Anfragebeantwortung, wie Sie sie hier zurückgegeben haben, kann man einfach nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie kommen nämlich nicht nur Ihrem Job nicht nach (Zwischenruf des Abg. Ottenschlä­ger), der da lautet, die österreichische Bevölkerung vor echten Verbrechern zu schützen, Sie kommen auch Ihrem Job in diesem Haus nicht nach, weigern sich, Anfragen zu be­antworten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 112

Ich sage Ihnen bereits jetzt, vor Ihrer Stellungnahme: Sparen Sie sich zwei Ausreden, die ich bereits jetzt im Vorfeld widerlegen werde. (Abg. Hörl: Ein Hellseher!) Sparen Sie sich, zu behaupten, Sie hätten die Fragen nicht beantwortet, weil sie im Zusammenhang mit den Ermittlungen stehen! Es sind – nachweislich und für jeden nachvollziehbar – mehrere Fragen enthalten, die Sie nicht beantwortet haben, obwohl sie mit den Ermitt­lungen nicht das Geringste zu tun haben.

Sparen Sie sich die zweite Ausrede, Sie hätten ohnehin eine Untersuchungskommission eingerichtet, denn auch diese Untersuchungskommission entbindet Sie nicht von Ihrem Job, Anfragen dieses Hauses zu beantworten. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kom­men kann, Ausreden zu suchen, warum man Anfragen nicht beantworten muss, anstatt den Job in diesem Haus zu erledigen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Hellseher!)

Sehr geehrte Damen und Herren, aus diesem Grund darf ich auch gleich folgenden An­trag einbringen:

Antrag auf Nichtkenntnisnahme der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage

des Abgeordneten Schnedlitz

Der unterzeichnete Abgeordnete stellt folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Beantwortung 4066/AB der Anfrage 4040/J des Abgeordneten Schnedlitz, und wei­terer Abgeordneter, betreffend ,Terroranschlag in Wien 54 Fragen von profil‘ durch den Bundesminister für Inneres wird nicht zur Kenntnis genommen.“

*****

Kann sie auch gar nicht, weil Sie keine einzige Frage beantwortet haben! Und ich sage Ihnen jetzt noch einmal: Sparen Sie sich die Ausreden, die ich bereits im Vorfeld wi­derlegt habe!

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, ich sage auch Ihnen etwas: Schluss mit dieser Vertuschung! Die Bevölkerung hat ein Recht auf Antworten, die Abgeordneten haben ein Recht auf Antworten, unser Land hat ein Recht auf die Wahrheit. Aber durch Ihre Ministerlaufbahn zieht sich dieses Versagen und diese Haltung und diese Nichtar­beit wie ein türkiser Faden. Sie kommen einfach Ihrer Aufgabe in diesem Amt nicht mehr nach. (Beifall bei der FPÖ.)

Da Sie jetzt sogar so weit gehen, dass Sie die Grundrechte der österreichischen Bevöl­kerung angreifen, zum Beispiel indem Sie Demonstrationen untersagen und damit der österreichischen Bevölkerung das Demonstrationsrecht nehmen, sage ich Ihnen auch: Bei den Zusammenstößen zwischen Türken und Kurden in Wien Favoriten, bei den Kra­walldemos, da wurde die Demonstration von der ÖVP ohne Probleme erlaubt. Wissen Sie, warum? – Weil es da nicht um den Sonnenkanzler Kurz gegangen ist! (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Lassen Sie es einfach zu, dass die rechtschaffene Bevölkerung ihre Rechte vertritt und ihre Meinung äußert, ohne dass Sie da die Polizei missbrauchen und eingreifen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Melchior.)

Ich sage Ihnen, Herr Innenminister: Sie haben bereits genug Schaden angerichtet. Die­ses System Kurz und das, was Sie hier im Amt angerichtet haben, ist nicht mehr tragbar! Beschädigen Sie nicht weiter dieses Amt! Missbrauchen Sie nicht weiter dieses Amt!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 113

Gefährden Sie nicht weiter die österreichische Sicherheit! Sie sind nämlich damit be­schäftigt, rechtschaffene Bürger zu verfolgen, anstatt sich um die echten Verbrecher zu kümmern. Zeigen Sie Charakter, folgen Sie Ihrer Ministerin Aschbacher und treten Sie endlich zurück! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Karl Nehammer gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.19.09

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte ZuschauerInnen zu Hause vor den unterschiedlichsten Geräten! Vielleicht gleich kurz eine Replik auf Abgeordneten Schnedlitz aufgrund seiner Emotionalität und seiner Aufgeregtheit hier am Rednerpult: Vielleicht muss ich ein Missverständnis aufklären, Herr Abgeordneter. In meiner Wirklich­keit sind Sie nicht mein Gegner. Meine Gegner sind Terroristen, Extremisten, Kriminelle, Schlepper. Gegen diese gilt es gemeinsam mit den Polizistinnen und Polizisten, mit den MitarbeiterInnen des Innenministeriums anzukämpfen, und zwar mit voller Kraft – und das tun wir auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Zur Frage der Beantwortung der parlamentarischen Anfragen: Das ist tatsächlich immer eine große Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien. Ich möchte nur darauf hinweisen: Das Innenministerium hat im Jahr 2020 672 parlamentari­sche Anfragen beantwortet. Ich möchte hier an dieser Stelle ein großes Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums richten, die das den rechtlichen Möglichkeiten entsprechend gewissenhaft tun, um damit natürlich der Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament nachzukommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der Grünen.)

In seiner Aufgeregtheit hat Abgeordneter Schnedlitz auch immer wieder ausgeführt, dass zu wenig Transparenz waltet. (Abg. Belakowitsch: Na gar keine!) – Das Gegenteil ist der Fall. Innerhalb von nicht einmal 48 Stunden hat das Innenministerium gemeinsam mit dem Justizministerium, sprich ich als Innenminister gemeinsam mit der Justizminis­terin, die Untersuchungskommission ins Leben gerufen (Abg. Belakowitsch: Vertu­schungskommission!), mit dem klaren Ziel, sofort für Aufklärung zu sorgen, wo tatsäch­lich Fehler passiert sind, um nämlich das zu erreichen, was gerade auch für das Innen­ministerium besonders wichtig ist, wenn es darum geht, den Verfassungsschutz neu aufzubauen. Wir sind mittendrin in diesem Prozess, auch tatsächlich noch weitere Grundlagen zu bekommen, um in Zukunft Fehler bestmöglich zu vermeiden.

Diese Untersuchungskommission hat auch schon einen Zwischenbericht vorgelegt. Viel­leicht, Herr Abgeordneter, hat Ihre Fraktion Sie darüber nicht informiert. Er ist auf zwei­erlei Arten einsehbar: einerseits öffentlich, indem er präsentiert worden ist, und darüber hinaus – das haben Sie vielleicht auch nicht gewusst, Herr Abgeordneter, aber vielleicht können Sie noch Plätze tauschen – würde ich mich freuen, Sie im Ständigen Unteraus­schuss begrüßen zu dürfen. Dort haben nämlich die Abgeordneten dann tatsächlich die Möglichkeit, sich mit der Kommissionsvorsitzenden auszutauschen und die Fragen zu stellen, die ihnen wichtig sind, denn eines ist klar: Dieser Bundesregierung ist die parla­mentarische Kontrolle sehr, sehr viel wert. Ich war selbst Abgeordneter dieses Hauses, und deshalb nehme ich es so wahr, dass das Fragerecht wichtig ist, denn gerade auch, wenn man Fehler aufzeigt, kann man daraus lernen. Die Kommissionsvorsitzende wird morgen alle Fragen beantworten.

Warum braucht es dafür den Ständigen Unterausschuss? – Weil es bei dem Bericht und bei der Feststellung betreffend Verfehlungen oder Fehler natürlich auch zur Auswertung sensibler Daten gekommen ist, zum Teil auch von Unterlagen von Partnerdiensten


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et cetera. Das heißt, das muss der Geheimhaltung unterliegen. Sie behaupten, ich hätte irgendein Interesse daran, alle wesentlichen Themen, die Sie gerade angesprochen haben, zu verschleiern – ganz im Gegenteil. Ich lade auch alle ZuschauerInnen ein: Le­sen Sie den Zwischenbericht, der aus Sicht einer sehr profunden Kommission trans­parent und klar wiedergibt, wie die Abläufe waren, von der Entlassung vonseiten der Justiz bis hin – leider – zum furchtbaren Terroranschlag. Er geht auch der Frage nach – der Endbericht kommt ja Ende Jänner –, wie man sich bestmöglich rüsten kann, wenn man den gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus und Extremismus führt, um auch da noch einmal Klarheit zu schaffen.

Eine Frage, die Sie auch aufgeworfen haben, Herr Abgeordneter Schnedlitz, ist ganz interessant: Sie haben davon gesprochen, dass wir die Meinungsfreiheit unterdrücken würden – das halte ich wirklich für einen unredlichen Vorwurf unter den vielen, die Sie heute hier vorgebracht haben. Ganz offen gesagt – ich war auch einmal Generalsekre­tär –: Die Form und der Stil, wie Sie ihn verwenden, bleibt eh Ihnen überlassen, aber ich bin dankbar, dass Parlamentssitzungen öffentlich geführt werden, damit nämlich die, die darüber entscheiden, wer hier herinnen sitzt – die Wählerinnen und Wähler –, sich ein tatsächliches Bild von der politischen Kultur so mancher Fraktion hier machen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt aber zu der tatsächlich verheerenden Bemerkung, wir würden die Grund- und Frei­heitsrechte nicht schützen. (Abg. Lausch: Nehammer, der Gütige!) – Herr Abgeordne­ter, probieren Sie, noch lauter zu rufen, im Fernsehen hört man Sie nämlich nicht, aber wenn Sie lauter schreien, gelingt Ihnen das vielleicht. (Abg. Lausch: Wie peinlich sind Sie?! – Abg. Belakowitsch: ... sicher kein Generalsekretär!) Wenn es also dazu kommt, dass der Vorwurf gemacht wird, dass die Polizei die Grund- und Freiheitsrechte unter­drückt, Herr Abgeordneter Schnedlitz, weise ich das entschiedenst zurück! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Die Polizistinnen und Polizisten leisten tagtäglich ihren schweren Dienst, sei es, wenn es darum geht, die Coronamaßnahmen durchzusetzen, sei es, wenn es darum geht, die Grenzsicherung durchzuführen, sei es, wenn es darum geht, gegen Terroristen zu kämp­fen.

Ja, da sind in den letzten Wochen Erfolge erzielt worden. Denken Sie daran, dass wir einen entschiedenen Schlag gegen die Muslimbruderschaft und gegen die Hamas aus­geführt haben! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Und ja, ich bedaure es zutiefst und sage es auch hier in diesem Plenum, dass die Freiheitliche Partei mit ihrem Klub­obmann an der Spitze diese Operation beinahe gefährdet hätte; dennoch ist es gelun­gen, die Muslimbruderschaft und auch die Hamas nachhaltig zu treffen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Schmiedlechner. – Abg. Belakowitsch: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Auf der anderen Seite ist auch ein wichtiger Schlag gegen die rechtsextreme Szene ge­lungen. Ja, wir leben in gefährlichen Zeiten, das stimmt. Wir haben es mit Radikalen zu tun, seien es Dschihadisten, die den Terror auf unsere Straßen bringen, sei es die be­waffnete rechtsextreme Szene, wo wir wachsam sein und alle Energie daran setzen müssen, tatsächliche Gewalttäter aus dem Verkehr zu ziehen.

Das alles leisten die Polizistinnen und Polizisten, von denen Sie sprechen und die Sie gerade in ein so schiefes Licht rücken wollen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belako­witsch und Schnedlitz.) Das wirklich Schlimme dabei ist: Das Grundverständnis der Polizei ist der Schutz der Grund- und Freiheitsrechte. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) – Ich glaube, Herr Abgeordneter, wenn Sie es noch lauter probieren, schaffen die Men­schen zu Hause es dann tatsächlich, Sie auch zu hören. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lausch: Sie sind der peinlichste Innenminister aller Zeiten! – Abg. Belakowitsch: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)


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Die Polizei steht an der Seite der Bürgerinnen und Bürger, und sie steht für die Grund- und Freiheitsrechte, wenn aber die Sicherheitsbehörde – das ist jetzt ein ganz wichtiger Punkt – beurteilt, dass Anmelder einer Versammlung oder einer Demonstration bewusst die Sicherheitsmaßnahmen nicht einhalten, das heißt, bewusst die Gesundheit von Men­schen gefährden, dann ist das keine Ermessensfrage, sondern eine Frage der Beur­teilung und eine Entscheidung, dass die Sicherheitsbehörde so eine Demonstration, so eine Versammlung tatsächlich verbieten muss.

Ja, die Polizistinnen und Polizisten sind jetzt tagaus, tagein, wenn es um diese Einsätze geht, noch mehr gefordert, aber schauen Sie sich die Bilanz an, schauen Sie sich das letzte Wochenende an, wie viele Demonstrationen mit dem Schutz der Polizei durchge­führt worden sind, weil sie Grund- und Freiheitsrechte schützt! Die Unterstellung, dass sie das nicht tue, ist haltlos. Es gab auch den Vorwurf, die Polizei würde missbraucht werden – das sind rechtschaffene Beamtinnen und Beamte, die würden einen rechts­widrigen Auftrag gar nicht ausführen. (Abg. Belakowitsch: Doch! – Abg. Lausch: ... wei­sungsgebunden! – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.– Sie wissen, dass sie das nicht tun würden! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus, mein Vertrauen in die Polizei ist offensichtlich deutlich größer als das der Fraktion der FPÖ. Ich bin dankbar für den Dienst der Polizistinnen und Polizisten, und ja, wir werden weiter entschlossen gegen Extreme kämpfen, gegen Extreme, die die Sicherheit und Ordnung dieser Re­publik gefährden. Wir werden weiterhin entschlossen gegen Terroristen kämpfen, und wir werden weiter gegen organisierte Kriminalität und Schlepperei kämpfen. Wir werden gegen die Kriminalität kämpfen, das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Verpflichtung. Dem kommt die Polizei – vor allem die Polizistinnen und Polizisten und auch die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsverwaltung – bestmöglich nach. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.28.05

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Werter Kol­lege Schnedlitz, das heute von Ihnen und einigen Abgeordneten eingebrachte Verlangen auf Durchführung einer Debatte über die schriftliche Beantwortung der Anfrage der FPÖ vom 10. November durch den Innenminister ist aus meiner Sicht natürlich ein legitimes Anliegen, gar keine Frage. Im Lichte Ihres Redebeitrags ist das für mich aber eine – verzeihen Sie – ziemlich unnötige und unverständliche Verzögerung und Verlängerung unseres heutigen Parlamentstages. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Lausch: Soll heimgehen, der Kollege Mahrer! Arbeitsverweigerer! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Herr Abgeordneter Schnedlitz, Ihr Redebeitrag war eigentlich eine fachlich in vielen Be­reichen falsche und inhaltsleere Unterstellungstirade. Sie haben uns zum Beispiel ge­sagt, Sie können alle Fragen beantworten, denn Sie haben ja Medienberichte und Oppo­sitionsrecherchen zur Hand. – Herr Abgeordneter Schnedlitz, das ist Ihre Art von Politik­verständnis, das ist nicht meine. (Abg. Belakowitsch: Nein, Sie wollen vertuschen!) Das ist für viele Abgeordnete der FPÖ der Beweis des traurigen Zustandes der Freiheitlichen Partei Österreichs. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Der Innenminister hat bereits in der schriftlichen Anfragebeantwortung nicht nur auf die rechtlichen Grenzen verwiesen, wo Anfragebeantwortungen aufgrund des laufenden Er­mittlungsverfahrens nicht möglich sind, er hat auch auf die Arbeit der Untersuchungs­kommission verwiesen. Er hat das heute ausgeführt: Binnen 48 Stunden wurde die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 116

unabhängige Untersuchungskommission gegründet, binnen einem Monat erfolgte die Vorlage eines Zwischenberichtes, es erfolgte also – wie der Herr Bundesminister ausgeführt hat – eine unmittelbare Vorlage des Zwischenberichtes, der sehr kritisch, sehr detailliert und sehr umfangreich ist (Abg. Belakowitsch: Ja, er hat es nicht mehr vertuschen können!), auf der Homepage des Innenministeriums, für jede Frau, für jeden Mann einsehbar. Das ist die Transparenz des Innenministers. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Der Innenminister, meine Damen und Herren, verweist aber auch auf die Zuständigkeit des Ständigen Unterausschusses des Ausschusses für innere Angelegenheiten, und das, Herr Schnedlitz, ist ja das richtige Forum. (Abg. Belakowitsch: ...! Die Bürger ha­ben alle ein Recht auf Information!) Aufgrund der Geheimhaltungspflicht ist es auch mög­lich, in diesem Unterausschuss über die besonders sensible Materie der Terrorismusbe­kämpfung eingehend zu diskutieren.

Herr Schnedlitz, wissen Sie, wieso das so rasch zustande gekommen ist? – Unter an­derem deshalb, weil der Herr Innenminister nach der Vorlage des Zwischenberichtes auch das Verlangen auf Einberufung dieses Unterausschusses gestellt hat. Das, Herr Innenminister, ist Respekt vor dem Parlament. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

Sie sehen also, meine Damen und Herren, der Innenminister hat alles getan, um eine unabhängige Klärung der Vorgänge rund um die Terrorattacke zu ermöglichen. Er hat erste notwendige personelle Konsequenzen gezogen, er ist intensiv mit der laufenden BVT-Reform beschäftigt und er informiert die Bevölkerung und das Parlament laufend und jederzeit über die Vorgänge, über die aktuellen Ereignisse und Ermittlungen.

Sie aber, Herr Abgeordneter Schnedlitz – einmal muss ich noch zu Ihnen kommen –, haben den Bericht möglicherweise nicht oder nicht ganz gelesen, denn wenn Sie ihn gelesen hätten, würden Sie zahlreiche Ihrer Fragen – auch die, die Sie heute gestellt haben – beantwortet sehen. Ich empfehle Ihnen daher das Studium dieses Zwischenbe­richtes. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Insbesondere empfehle ich Ihnen auch, die Zusammenfassung einmal genau anzu­schauen (Zwischenruf des Abg. Lausch), denn die unabhängige Untersuchungskom­mission kommt zu einer Conclusio, zu einer Zusammenfassung und zu einer Grundaus­sage (Zwischenruf des Abg. Stefan), und diese möchte ich für Sie alle – Sie haben sie sicher schon vielfach gelesen – noch einmal zitieren. Ein Zitat, meine Damen und Her­ren, der unabhängigen Untersuchungskommission: „Es wird nie festgestellt werden kön­nen, welche Reaktionen der Behörden auf die Entwicklungen von K.F.,“ – das ist der Attentäter – „die nun rückblickend zusammengeführt werden, auf welche Weise bei K.F. gewirkt hätten. Keine der festgestellten Schwächen im Informationsfluss, keine Verzöge­rung kann auch nur annähernd als kausal für den Anschlag vom 2. November gewertet werden.“ – Zitatende.

Ich mache es daher ganz kurz, Herr Kollege Schnedlitz: Lassen Sie sich von Herrn Kickl – der übrigens jetzt nicht im Saal ist –, der in seiner Zeit als Innenminister (Abg. Lausch: Gute Arbeit geleistet hat!) das BVT und so manches Landesamt für Verfas­sungsschutz schwer beschädigt hat, nicht weiter in die Unsachlichkeit treiben! (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Ich empfehle Ihnen, sich mit den Abgeordneten der FPÖ im Unterausschuss vielleicht ein wenig besser abzustimmen. Ich bringe Ihnen jetzt gleich auch noch einmal den Be­richt. (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Vielleicht darf ich ihn noch als einen kleinen Beitrag zu mehr Sachlichkeit im Parlament übergeben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mahrer überreicht Abg. Schnedlitz besagten Bericht.)

14.33



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 117

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Ing. Reinhold Einwall­ner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: Maske rauf!)


14.33.46

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Helmut Schmidt hat einmal gesagt: In der Krise zeigt sich der wahre Charakter. Wie man mit einer Krisen­situation umgeht, zeigt einiges über das Charakterbild, meine Damen und Herren.

Wir sehen leider seit elf Monaten ein denkbar schlechtes Krisenmanagement dieser Bun­desregierung in der Gesundheitskrise. Herr Innenminister, auch Ihr Krisenmanagement bei diesem schwerwiegenden und furchtbaren Attentat war nicht das, was ich mir von einem Innenminister erwarte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ganz im Gegenteil: Sie haben nicht nur gezeigt, dass Sie Charakterschwächen haben, sondern auch offenbart, dass Sie nicht Verantwortung übernehmen können und die Ver­antwortung abschieben. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Lieber August Wöginger, ich komme dann schon noch zu den Schwächen des Herrn Innenminister, haben Sie ein bisschen Geduld, da komme ich schon noch hin. (Abg. Wöginger: Die Vorarlberger sind normalerweise seriöse Politiker, ja!) – Herr Wöginger, wir können das dann gerne in einem Zwiegespräch weiter erörtern. Üben Sie sich aber ruhig in Zwischenrufen! Dann unterscheiden Sie sich gar nicht mehr so sehr von der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ – Abg. Wöginger: Euer Niveau auch nicht mehr!)

Wenn wir uns jetzt diese Anfragebeantwortung anschauen: Das ist genau so ein Punkt, wo es um Verantwortung geht und wo es um Transparenz geht, denn wenn man Ver­antwortung übernimmt, dann muss man auch transparent kommunizieren. Was Sie hier tun, ist eine Missachtung des Interpellationsrechts dieses Hauses, meine Damen und Herren. So eine Anfragebeantwortung darf einfach nicht sein. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Das ist eine Flucht aus der Verantwortung, wie sie ihresgleichen sucht.

Kollege Mahrer und Sie, Herr Minister, stellen sich her und sagen: Ja, dieser Bericht der Untersuchungskommission, den haben wir ja dann eh gleich veröffentlicht! Was ist denn wahr an dieser Aussage? Erst nachdem die Justizministerin ihren Teil veröffentlicht hatte, Stunden später, sind Sie auf die Idee gekommen, auch den Bericht des Innenmi­nisteriums zu veröffentlichen! Das ist die Wahrheit und das sind die Tatsachen zu diesem Bericht, auch wenn Sie es anders darstellen. Stunden später gab es erst die Veröffent­lichung des Berichtes des Innenministeriumsteils. Dann wurde noch ganz schnell eine OTS-Meldung nachgeschoben, dass Sie gerne einen Unterausschuss hätten. Zuerst wollten Sie den Bericht geheim halten und dann in den Geheimdienstausschuss hinein­bringen.

Am Tag nach diesem furchtbaren Anschlag, Herr Minister, haben Sie sich noch aufge­spielt, als ob Sie diesen Einsatz geleitet hätten. Da waren Sie medial präsent, als ob Sie der Leiter dieses Einsatzes wären, danach aber haben Sie nur mehr scheibchenweise die Öffentlichkeit informiert. Nur mehr das, was die Opposition schon aufgedeckt hatte, was Medien aufgedeckt hatten, haben Sie dann langsam, Scheibchen für Scheibchen, zugegeben.

Diese Liste – Herr Wöginger, ich kann es Ihnen aufzählen – beginnt damit, dass man bis heute nicht erklären kann, warum dieser Attentäter nicht auf dem Schirm der Polizei war, nachdem er aus der Haft entlassen worden war. Diese Liste lässt sich fortführen: Warum hat es diese Kommunikationsprobleme gegeben, als er Munition in der Slowakei kaufen wollte? Weil Sie nach den Fehlern fragen, die im Innenministerium passieren: Auch das war ein Fehler des Innenministeriums, der aufgetaucht ist. Ich kann es noch fortführen: Letzte Woche erst ist aufgekommen, dass der Attentäter kein Waffenverbot hatte. Das


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war ein weiterer Fehler dieses Ressorts. Es ist ein Ressort, das seit 20 Jahren in der Hand der ÖVP ist, also schieben Sie nicht die Verantwortung ab! (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Damit bin ich bei der Frage des Charakters und wie man mit einer Krise umgeht. Wäh­rend Sie betreffend die Fehler des Innenministeriums nur scheibchenweise Informa­tionen hinausgeben, waren Sie in einem Punkt ganz, ganz schnell: Wenige Tage nach dem Attentat haben Sie gewusst, dass die Fehler im Justizbereich und bei der Justiz­ministerin liegen: Sofort Schuld abschieben, Schuldzuweisungen machen, da waren Sie dann plötzlich schnell, und da sind wir wieder beim Charakter und wie man mit einer Krise umgeht. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ein verantwortungsvoller Umgang mit einer Krisensituation schaut ganz, ganz anders aus. Die verantwortungsvolle Führung eines Ressorts schaut ganz anders aus. Sie schaffen es nicht, Herr Minister. Inszenierung alleine wird uns nicht helfen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Inszenierung hilft auch den vielen Polizis­tinnen und Polizisten, die tagtäglich draußen auf der Straße einen guten Job machen, nichts. Sie brauchen einen Innenminister, der das Geschäft versteht und der sich dann auch dementsprechend verhält. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Das, was Sie hier heute geboten haben oder mit dieser Anfragebeantwortung bieten, ist alles andere als das, was dem entspräche, was Sie als ehemaliger Abgeordneter an Ansprüchen haben sollten, weil Sie da wahrscheinlich Wert darauf gelegt hätten, dass in einer Anfragebeantwortung zumindest eine Frage beantwortet wird. (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Sie bekommen aber jetzt noch eine weitere Chance, weil es ja noch eine Anfrage gibt, deren Beantwortung noch offen ist.


Präsident Ing. Norbert Hofer: Denn Schlusssatz, bitte.


Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (fortsetzend): Ich bin so weit, Herr Präsident.

Es gibt ja noch eine Anfrage, deren Beantwortung offen ist, eine Anfrage unserer Frak­tion zu den Vorfällen rund um den 2. November. Vielleicht können Sie dann den Fehler, den Sie bei der Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Schnedlitz gemacht ha­ben, wiedergutmachen. Ich hoffe, dass wir dann bei der Anfragebeantwortung ein paar Antworten finden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Eypeltauer.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)


14.39.36

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es gibt mangelhafte Anfrage­beantwortungen, wie dieses Beispiel anlässlich der Anfrage des Abgeordneten Schned­litz zum Terroranschlag in Wien vom 2. November des Vorjahres zeigt. Das ist ja nur ein Beispiel von vielen. Sie sind ja ein Seriennichtbeantworter von parlamentarischen An­fragen. Ich habe mir das anhand von Anfragen, die ich gestellt habe, ein bisschen ange­schaut.

Da ist mir zum Beispiel eine Anfrage aufgefallen, als Ende Oktober rund 50 türkischstäm­mige Jugendliche in der Antonskirche in Wien randaliert haben. Da habe ich zum Bei­spiel Fragen gestellt wie: Wie viele Personen waren da dabei? Welche Staatsbürger­schaften hatten diese Personen? Welchen Aufenthaltsstatus haben diese Personen? Sind diese Personen oder einzelne Personen bereits im Vorfeld polizeilich bekannt ge­wesen? Haben sie möglicherweise Kontakte zu anderen radikalislamistischen Gruppie­rungen?


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Das wurde von Ihnen alles nicht beantwortet. Das waren in Summe 22 konkrete Fragen, von denen Sie keine einzige beantwortet haben, mit Ausreden wie laufendes Ermitt­lungsverfahren, Amtsverschwiegenheit und Datenschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja abenteuerlich, wenn ich Fragen stelle, bei denen ein Rückschluss auf eine einzelne, konkrete Person gar nicht möglich ist, weil ich diese Person gar nicht kenne und somit auch keinen Namen abgefragt habe, und Sie sich dann hinter dem Datenschutz verstecken. Das ist ja abenteuerlich, das ist ein Missbrauch des Daten­schutzes! (Beifall bei der FPÖ.)

Gleichzeitig haben Sie aber kein Problem, mit den heute beschlossenen verpflichtenden Zutrittstests für diverse Bereiche des öffentlichen Lebens persönliche Gesundheitsdaten abzufragen und dann von Rezeptionisten, Kellnern oder Veranstaltern kontrollieren zu lassen. Da geht es um persönliche Gesundheitsdaten, und da ist der Datenschutz völlig egal. Bei ausländischen Jugendlichen, die randalieren, oder auch bei Straftätern verste­cken Sie sich aber bei Fragen nach dem Aufenthaltsstatus und nach der Staatsbürger­schaft hinter dem Datenschutz. Das ist ein Muster des Verschleierns, des Vertuschens und des Zudeckens, und das haben wir natürlich auch beim Terroranschlag gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Dieser Zwischenbericht der Untersuchungskommission ist von Ihnen schon angespro­chen worden. Ich muss sagen, wir haben die Einsetzung der Kommission sehr, sehr kritisch gesehen, tun das immer noch, weil sie ja von Ihnen gemeinsam mit der Justiz zusammengestellt wurde und Sie ja quasi eine Nehammer-Reinwaschungskommission installiert haben. Man muss aber sagen – und das hat mich sehr positiv überrascht –, dass es der Zwischenbericht dieser Nehammer-Kommission gar nicht geschafft hat, Ne­hammer reinzuwaschen, weil die Faktenlage so erdrückend und so klar ist. Im Zwischen­bericht ist klipp und klar zu erkennen, dass das BVT der Kristallisationspunkt des Ver­sagens im Vorfeld des Attentates war. (Zwischenruf des Abg. Melchior.) Das steht schwarz auf weiß in diesem Zwischenbericht der Kommission unter Zerbes.

Es ist wiederum auch klar erkennbar – das sagen wir seit Monaten, das ist bekannt, das weiß jeder, das kann keiner in diesem Land leugnen – und kommt in diesem Zwischen­bericht klipp und klar zum Vorschein, dass der Terroranschlag verhindert werden hätte müssen, wenn die Behörden ordentlich gearbeitet hätten. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) Und es kommt auch zum Ausdruck, und das kritisieren wir auch schon lange, dass im BVT ein Klima des gegenseitigen Misstrauens vorhanden ist. (Abg. Wöginger: Das hat der Kickl gemacht!) – Das hat nicht der Kickl gemacht, das ist ein Fehler, und das steht auch nicht so im Zwischenbericht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da sind nicht ausrei­chend qualifizierte Personen in Führungsfunktionen, und das ist der ÖVP-Parteipolitik, den schwarzen Netzwerken im BVT über viele, viele Jahre, nahezu 20 Jahre, geschul­det. Das sind die Fakten, und alles andere – da kann Herr Wöginger noch so viel dazwi­schenreden – sind Fakenews und Schauermärchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines muss ich in diesem Zusammenhang auch noch sagen: Herr Minister Nehammer, ich verstehe nicht, wie Sie auf die Idee gekommen sind, Herrn Schnedlitz zu unterstellen, dass er behauptet hätte, die Polizei gehe gegen die Grundrechte der Bürger vor. Das hat er in seiner Rede überhaupt nicht gesagt. Vielmehr beschneiden Sie ständig die Grundrechte der Bürger und missbrauchen jetzt das BVT, von dem wir gerade gespro­chen haben, dafür, dass regierungskritische Demonstrationen als rechtsextrem, als de­mokratiegefährdend, möglicherweise mit Gewaltpotenzial, disqualifiziert und abqualifi­ziert werden – und das auf Einschätzung des BVT. Es ist besonders spannend, dass jene Behörde, die es nicht geschafft hat, einen Terroranschlag zu verhindern, friedliche Bürger, die ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Versammlungsfreiheit wahr­nehmen, so diskreditiert. Das ist der Angriff auf die Grundrechte, meine sehr geehrten


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Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.) Und das geschieht aufgrund einer Einschät­zung des BVT, das es nicht geschafft hat, einen Terroristen rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.

Sie haben auch gesagt, Sie tun so viel, Ihre Gegner sind ja nicht irgendwelche Leute, auch nicht wir Freiheitlichen und auch nicht die Bürger. – Ja, das glaube ich Ihnen schon. Sie haben aber auch gesagt, Ihre Gegner sind die Terroristen. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Wöginger: Aus ist es!) Das glaube ich Ihnen nicht, denn Sie haben seit dem Terroranschlag nichts getan und Sie haben auch zum Grenzschutz nichts getan. Alleine in den 14 Tagen des heurigen Jahres waren 590 illegale Einwan­derer zu verzeichnen und im Jahr 2020 wurden rund 14 000 Asylanträge gestellt. So viel zum Thema: Die Grenzen sind dicht. Dicht sind die Geschäfte und das öffentliche Leben, nicht aber unsere Staatsgrenzen für illegale Einwanderer. (Beifall bei der FPÖ.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Georg Bürst­mayr. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wöginger: Jetzt wird es wieder sachlicher!)


14.45.14

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin nach der Rede meines Vorredners ein bisschen verwirrt, weil ich nicht mehr weiß, worum es geht; um Grenzen, um Asyl, um Covid, um Demos? Ich fühle mich ein bisschen wie in einer Budgetgeneraldebatte. (Abg. Deimek: Dann müssen Sie ein bisschen aufpassen!) Ich glaube, mich erinnern zu kön­nen, dass es um eine Anfrage der Freiheitlichen Partei vom 10. November geht. Ich kann verstehen, dass Sie am 10. November eine Menge Fragen hatten, auch wenn Sie schon damals wissen mussten, dass ein Innenminister diese Fragen zum Teil gar nicht beant­worten durfte, weil diese Informationen aus gutem Grund der Geheimhaltung unterlie­gen. Da geht es nicht um irgendwelche Subventionen für ein Posaunenorchester im Waldviertel, sondern um die wohl sensibelste Behörde der Republik. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich kann es nachvollziehen, auch wenn Sie und Ihr heutiger Klubchef als damaliger In­nenminister es waren, die diese Behörde, unseren Nachrichtendienst in seiner damali­gen Amtszeit schwer und nachhaltig beschädigt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Was ich nicht mehr nachvollziehen kann, ist, dass Sie heute, drei Wochen nach Veröf­fentlichung des Zwischenberichtes der unabhängigen Untersuchungskommission, hier eine Show abziehen, als hätten Sie von diesem Bericht keine Zeile gelesen. Auf diese unabhängige Untersuchungskommission haben wir Grüne bestanden und sie rasch gemeinsam mit der ÖVP durchgesetzt, weil Österreich ein Recht hat, zu erfahren, ob es Fehler gegeben hat, ob es Mängel in den Abläufen gegeben hat, ob es Mängel in der Struktur des BVT gegeben hat oder gibt.

Die Kommission hat Antworten geliefert. Dieser Bericht ist veröffentlicht worden, er ist abrufbar, und die Kommission ist so weit gegangen, wie es nur irgendwie geht, ohne die weitere Arbeit des BVT zu gefährden. Ich bitte Sie, diesen Bericht zu studieren und zu lesen. Wir werden ihn voraussichtlich morgen im Ständigen Unterausschuss des Aus­schusses für innere Angelegenheiten weiter erörtern. Und ja, bestimmte Dinge – dazu bekennen sich die Grünen auch, und zwar schlicht aus staatspolitischer Verantwortung – werden weiterhin der Vertraulichkeit unterliegen müssen. Sie können nicht erwarten, dass Details – ich meine, gerade dass Sie nicht nach Name und Adresse von Mitar­beitern slowakischer Geheimdienste gefragt haben – hier öffentlich erörtert werden. Herrschaften, das geht nicht! – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Lausch: Die gesetzestreuen Grünen! Das geht nicht!)

14.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 121

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.48.18

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren zu Hause! Sie können sich sowohl die Anfragebeantwortung des Herrn Minister an Kollegen Schnedlitz als auch den Zwischenbericht der Untersu­chungskommission online auf der Parlamentsseite anschauen und sich selbst ein Bild machen.

Ich komme zuerst einmal zu dieser Anfragebeantwortung. Es finden sich dort viele be­rechtigte Fragen an Sie, Herr Innenminister, und Sie haben auf die meisten nur lapidar geantwortet: Da gibt es eine Untersuchungskommission.

Wir Abgeordneten haben gemäß der Verfassung ein Recht – Herr Kollege Mahrer, ich bin ein bisschen fassungslos, was Ihre Rechtsansicht betrifft –, gemäß Artikel 52 B-VG „die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen“. Und Sie haben eine verfassungsmäßige Pflicht, das Interpellationsrecht ernst zu nehmen und uns hier vollumfänglich zu antwor­ten. Da ist es egal, ob es eine Untersuchungskommission gibt oder nicht, und das kann keine Untersuchungskommission ersetzen.

Es gibt diese Kommission jetzt, wobei wir uns auch weiter der Frage widmen werden, wie unabhängig diese arbeiten kann. Es gibt einen Zwischenbericht, der auch schon kritische Fragen und Punkte aufwirft. Fünf sind ganz offenkundig.

Erstens: Gegen den Attentäter vom 2. November, einen wegen Beteiligung an einer ter­roristischen Vereinigung Verurteilten, hat die Landespolizeidirektion Wien kein Waffen­verbot erlassen. Meine Damen und Herren zu Hause! Gemäß Strafregistergesetz wird jedes Strafurteil der LPD standardgemäß übermittelt. Die LPD hätte daher in der Folge eindeutig reagieren und von sich aus ein Waffenverbot verhängen müssen. Dazu wäre sie nach dem Waffengesetz, das vorschreibt, dass sie es bei Vorliegen bestimmter An­haltspunkte für Gefährlichkeit und diese Anhaltspunkte gab es verhängen muss, ver­pflichtet gewesen.

Zweites unfassbares Versagen: Das Heeres-Nachrichtenamt informiert im Februar 2020 das BVT, dass aus dem sensorischen Aufkommen des HNaA bekannt ist, dass der At­tentäter in Kontakt mit Personen aus einem spezifischen Gefährderkreis steht. Was passiert im BVT mit dieser Information? – Dem Vernehmen nach nichts.

Dritter Punkt: Der Attentäter nimmt im Sommer 2020 an einem Dschihadistentreffen in Wien mit Teilnehmern aus Deutschland und der Schweiz teil, zu denen wir von den Part­nerdiensten sogar informiert werden  denn in Terrorangelegenheiten funktioniert die Kooperation , dass diese – ich zitiere – Teil einer „hoch gefährlichen Terrorzelle“ sind. Das BVT schafft es nicht, diese Information an das LVT Wien weiterzugeben, geschwei­ge denn selbst irgendetwas damit zu machen. Man hätte ja auch die Justiz verständigen können, auch das wurde nicht gemacht.

Vierter Punkt: Einen Tag nach dem Dschihadistentreffen fährt der Terrorist nach Bratis­lava und will Munition für ein Sturmgewehr kaufen. Zur Erinnerung: Das sind vollauto­matische Waffen, bestimmt für den Einsatz im Dauerfeuer mit großem Personenscha­den. Das ist kein Scherzartikel, es ist Kriegsmaterial und gehört mit gutem Grund nicht in die Hand von Zivilisten  das ist vom Gesetz her verboten , und sicher nicht in die eines verurteilten Terroristen.

Der slowakische Händler verweigert den Verkauf, weil ihm das Ganze verdächtig vor­kommt, und meldet das an die slowakischen Behörden, die es wiederum binnen Tagen samt Fotos an unsere Sicherheitsbehörden melden. Was passiert mit der Info? – Sie liegt vier Wochen am Schreibtisch des Sachbearbeiters im BVT.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 122

Fünftens: Derweil setzt der Akt Staub an. Nach der Haftentlassung im Dezember 2019 wollte man den zukünftigen Attentäter einer Gefährdungsanalyse unterziehen. Die hat man auch gemacht, aber erst zehn Monate später, im Oktober 2020. Man geht also hier­zulande in so einem Fall offenbar so vor, als würden sich Dschihadisten der Geschwin­digkeit einer MA 2412 anpassen.

Die Behördenabläufe zwischen den Sicherheitsbehörden waren in diesem Fall eine Ka­tastrophe. Im Ergebnis – davon bin ich überzeugt! – hätte unsere Rechtslage ein Vielfa­ches an Möglichkeiten geboten, angemessen zu reagieren. Wenn man seriös wäre, wür­de man sich die Behördenabläufe gründlich ansehen und danach die richtigen Schlüsse ziehen und Schritte setzen. Sie aber sind nicht seriös vorgegangen!

Sie haben zuerst gegen die Justiz geschossen, weil sie allen Ernstes den Täter rechtmä­ßig entlassen hat, danach haben Sie mit einem Medientamtam ein Antiterrorpaket ge­schnürt, das zumeist aus Selbstverständlichkeiten besteht, und dann verletzen Sie uns gegenüber, in diesem Fall fast durchgehend, Ihre verfassungsmäßige Pflicht, uns hier in Anfragebeantwortungen Rede und Antwort zu stehen.

Dabei geht es, Herr Kollege Bürstmayr, nicht um gerechtfertigte Entschuldigungen wie Amtsgeheimnis oder Datenschutz, sondern es geht in meinem Fall besonders um Fragen Ihres Kenntnisstandes zu diesen Sachverhalten, zu denen Sie uns eine Antwort schuldig geblieben sind, und das völlig zu Unrecht. (Präsident Hofer gibt das Glocken­zeichen.) Ich mahne sie das nächste Mal ein! (Beifall bei den NEOS.)

14.53


14.53.31

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeantwortung 4066/AB nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für deren Nichtkenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

14.53.58Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Ing. Norbert Hofer: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeord­neten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Tagesord­nungspunkte 2 bis 4 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als geneh­migt gelten.

Ich verlese:

„Hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 4 und 5 wird gemäß § 44 Abs. 2 GOG [...] mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit [...] beschlossen, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Tagesordnungspunkt 2:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 626 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.

Tagesordnungspunkt 3:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 629 der Beilagen unter Berück­sichtigung des Abänderungsantrages Beilage 3/1 in zweiter und dritter Lesung [...] an­genommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/3 EA wird [...] angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung, 14. Jänner 2021 / Seite 123

Tagesordnungspunkt 4:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 627 der Beilagen unter Berück­sichtigung des Abänderungsantrages Beilage 4/1 in zweiter und dritter Lesung [...] an­genommen.“

*****

Erheben sich Einwände gegen die Fassung oder den Inhalt dieser Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsord­nung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 1208/A bis 1220/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 14.55 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

14.55.35Schluss der Sitzung: 14.55 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien