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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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88. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 17. Juli 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

88. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode                           Freitag, 17. Juli 2015

Dauer der Sitzung

Freitag, 17. Juli 2015: 9.05 – 12.53 Uhr

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Tagesordnung

Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustimmung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hellenischen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.)

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Inhalt

Nationalrat

Einberufung des Nationalrates zu einer außerordentlichen Tagung der XXV. GP mit 15. Juli 2015         ............................................................................................................................... 11

Angelobung des Abgeordneten Jürgen Schabhüttl ................................................... 11

Beschluss auf Beendigung der außerordentlichen Tagung der XXV. GP mit 17. Juli 2015                          77

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Ordnungsrufe ....................................................................................................  51, 68, 76

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 778 d.B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung ................................................................................ 13

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 13


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 2

Wortmeldungen der Abgeordneten Ing. Robert Lugar und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter in Bezug auf eine Äußerung des Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann ....................................  67, 68

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Karlheinz Kopf ......................................................................................... 77

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .................................... 78

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 12

Verhandlungen

Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustimmung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hellenischen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.) ............................................................................................................................... 13

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 14

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 18

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 20

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 23

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................. ..... 29

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ..... 31

Mag. Dr. Matthias Strolz ........................................................................................ ..... 32

Bundeskanzler Werner Faymann ......................................................................... ..... 35

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ..... 38

Bernhard Themessl ................................................................................................ ..... 40

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 42

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ..... 44

Mag. Andreas Zakostelsky .................................................................................... ..... 49

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 52

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ..... 53

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 57

Dr. Rainer Hable ...................................................................................................... ..... 59

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 60

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 62

Dr. Jessi Lintl ................................................................................................................ 69

MMag. DDr. Hubert Fuchs ..................................................................................... ..... 69

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 71

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 72

Gerhard Schmid ..................................................................................................... ..... 75


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldenerleichterungen für Griechenland – Ablehnung ........................................  28, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den ESM-Verhandlungen in Bezug auf Griechenland – Ablehnung          48, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ja zur Hilfe der griechischen Bevölkerung – nein zur Fortsetzung der krisenverschärfenden Wirtschaftsdiktate – Ablehnung ................................................................................................................  66, 77

Erteilung der dem schriftlichen Ausschussbericht 778 d.B. angeschlossenen Er­mächtigung gemäß § 74d Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 GOG-NR .................................................................................... 76

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 12

Petition betreffend „Bundesbesoldungsreform 2015“ (Ordnungsnummer 53) (über­reicht vom Abgeordneten Christian Lausch)

Petition betreffend „Stopp! Schluss mit der Megadeponie Marchfeldkogel“ (Ordnungsnummer 54) (überreicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner)

Berichte ......................................................................................................................... 12

III-190: Bericht, Reihe Bund 2015/10; Rechnungshof

III-191: Bericht, Reihe Bund 2015/11; Rechnungshof

III-195: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2014); Bundesregierung

Antrag der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesver­gabegesetz 2006 – BvergG 2006) geändert wird (1294/A)

Anfragen der Abgeordneten

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend das Thema Ernährung an Österreichs Schulen (6154/J)

Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Einsatz von Visagisten, Stilberatern und Friseuren auf Steuerzahlerkosten“ (6155/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Fischteile und Fischpro­dukte“ (6156/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Unklarheiten bei der Anfrage­beantwortung 3575/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6157/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwortung 3570/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6158/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwor­tung 3528/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6159/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 4

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwortung 3581/AB in Bezug auf Dienst­leistungen an die Ministerien (6160/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwor­tung 3580/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6161/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwor­tung 3586/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6162/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwortung 3543/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6163/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeantwortung 3556/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6164/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zeltstädte (6165/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Weisung des BMI zur Priorisierung von Dublin-Verfahren (6166/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bürokratie des Vergessens beim BMF (6167/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sexuallockstoff Corn Protect gegen den Maiswurzelbohrer (6168/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Migrationsströme (6169/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Löschung von negativen Bonitätsein­trägen (6170/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Verkaufsstopp von Roundup (6171/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Verkaufsstopp von Roundup (6172/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Löschung von negativen Bonitätseinträgen (6173/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Justiz betreffend Änderung des Textes der Bundeshymne – Folgeanfrage (6174/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend gefälschte syrische Pässe bei Asylwerbern (6175/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend mögliche unbegleitete Überstellung von Asylwerbern in die Ge­meinde St. Aegyd am Neuwalde (6176/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 5

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Druckschriftenabonnements in den Bundes­ministerien (6177/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Nachforderung von Gerichtsgebühren (6178/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Begriff Völkermord (6179/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Völkermord (6180/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend die Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (6181/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ungereimtheiten bei den Ausschrei­bungen für den Semmering-Basistunnel (6182/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Hackerangriff auf die Iran-Gespräche (6183/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Hackerangriff auf die Iran-Gespräche (6184/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Stand der Ermittlungen in der Causa rund um den Klubwechsel eines Wiener Landtagsabgeordneten (6185/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend eingefrorene Vermögenswerte im Zuge der Russland-Sanktionen (6186/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend wirtschaftliche Folgen der Russland-Sanktionen (6187/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Staudenknöterich (6188/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Staudenknöterich (6189/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Unklarheiten bei der Anfragebeant­wortung 3582/AB in Bezug auf Dienstleistungen an die Ministerien (6190/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Handelbare Umwelt – Profit aus Naturschutzaktien“ (6191/J)

Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Import von Agrotreib­stoffen und agrarischer Güter für die Produktion von Agrotreibstoffen (6192/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Import von Stahlwerks­schlacke (6193/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 6

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Förderung der Besuchsbegleitung 2014 (6194/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Auswirkungen KindNamRÄG im Jahr 2014 (6195/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Entwicklung des Kinderbeistands 2014 (6196/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahrenshilfe 2010-2014 (6197/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend gesundheitsbezogene Maßnahmen nach dem Suchtmittel­ge­setz (6198/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld (6199/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anzeigen und Sicherstellungen im Zusammenhang mit Cannabis (6200/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahrenshilfe 2010-2014 (6201/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend versteckte Parteienfinanzierung (6202/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Fehlende Plätze an Tiroler Gymnasien“ (6203/J)

Brigitte Jank, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend schulische Sprachförderung (6204/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Gesamtfolgenabschätzung von Diabetes mellitus (6205/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhän­gigen Abgaben (6206/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundeskanzleramt (6207/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhän­gigen Abgaben im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (6208/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Bildung und Frauen (6209/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abga­ben im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6210/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 7

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Finanzen (6211/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bun­desministerium für Familien und Jugend (6212/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (6213/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesminis­terium für Gesundheit (6214/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Inneres (6215/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Justiz (6216/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien (6217/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Ab­gaben im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (6218/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (6219/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängi­gen Abgaben im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (6220/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kartellstrafe gegen die ÖBB (6221/J)

Nurten Yilmaz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend die „Hotline gegen Diskriminierung und Intoleranz“ (6222/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Vergabe der Hochschulraum-Strukturmittel für Kooperationen (6223/J)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref-fend „Muslimische Feier im Gefängnis“ (6224/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Cloud Computing (6225/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 8

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Cloud Computing (6226/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Kooperation mit dem IFGK (6227/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kooperation mit dem IFGK (6228/J)

Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend gesundheitsbezogene Maßnahmen nach dem Suchtmittelge­setz (6198/J) (Zu 6198/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anzeigen und Sicherstellungen im Zusammenhang mit Cannabis (6200/J) (Zu 6200/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahrenshilfe 2010-2014 (6201/J) (Zu 6201/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (4804/AB zu 5011/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (4805/AB zu 5331/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4806/AB zu 5003/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4807/AB zu 5007/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4808/AB zu 4994/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (4809/AB zu 4999/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (4810/AB zu 5000/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (4811/AB zu 4979/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (4812/AB zu 4976/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen (4813/AB zu 4980/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen (4814/AB zu 4987/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 9

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4815/AB zu 4998/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (4816/AB zu 4981/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (4817/AB zu 4982/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (4818/AB zu 4977/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen (4819/AB zu 4988/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (4820/AB zu 4983/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Anne­liese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen (4821/AB zu 4990/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (4822/AB zu 5008/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4823/AB zu 5004/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4824/AB zu 5005/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4825/AB zu 5006/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (4826/AB zu 5012/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4827/AB zu 5009/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4828/AB zu 4996/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (4829/AB zu 5001/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (4830/AB zu 5002/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen (4831/AB zu 5013/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (4832/AB zu 5010/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen (4833/AB zu 4991/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen (4834/AB zu 4993/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4835/AB zu 5035/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4836/AB zu 5054/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (4837/AB zu 5061/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 11

09.05.28 Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr geehrten Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 88. Sitzung des Nationalrates.

09.05.44Einberufung des Nationalrates zu einer außerordentlichen Tagung 2015

 


Präsidentin Doris Bures: Der Herr Bundespräsident hat den Nationalrat mit Ent­schließung vom 15. Juli 2015 gemäß Artikel 28 Abs. 2 B-VG aufgrund eines von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates unterstützten Verlangens zu einer außerordentlichen Tagung der XXV. Gesetzgebungsperiode einberufen.

*****

Die Amtlichen Protokolle der 85. Sitzung vom 8. Juli 2015 und der 86. Sitzung vom 9. Juli 2015 sowie die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 87. Sitzung vom 9. Juli 2015 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Antoni, Kuzdas, Spindelberger, Durch­schlag, El Habbassi, Groiß, Hanger, Lettenbichler, Schultes, Belakowitsch-Jenewein, Kassegger, Kickl (Abg. Pilz: Na doch nicht der Kickl! weitere Zwischenrufe bei den Grünen), Kitzmüller, Neubauer, Walter Rosenkranz, Schimanek, Zanger, Brosz, Mück­stein, Musiol, Julian Schmid, Walser, Nachbaur, Pock, Scherak, Vavrik. (Abg. Pilz: Kann der Aufenthaltsort von Herrn Kickl ...?)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin wird durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz Rudolf Hundstorfer wird bis zu seiner Rückkehr um zirka 10 Uhr durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger vertreten.

09.08.04Angelobung

 


Präsidentin Doris Bures: Wie bereits in der 86. Sitzung bekannt gegeben, ist von der Bundeswahlbehörde die Mitteilung eingelangt, dass Herr Abgeordneter Mag. Norbert Darabos auf sein Mandat verzichtet hat.

Herr Jürgen Schabhüttl wurde an seiner Stelle in den Nationalrat berufen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 12

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich ersuche nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Gahr, um die Verlesung der Gelöbnisformel. – Bitte.

 


9.08.53

Schriftführer Hermann Gahr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Repu­blik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller ande­ren Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


9.09.05

Abgeordneter Jürgen Schabhüttl (SPÖ): Ich gelobe.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich begrüße Sie sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.09.26Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 6154/J bis 6203/J

Zurückziehungen: 6198/J, 6200/J und 6201/J

2. Anfragebeantwortungen: 4804/AB bis 4837/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 53 betreffend „Bundesbesoldungsreform 2015“, überreicht vom Abgeord­neten Christian Lausch

Petition Nr. 54 betreffend „Stopp! Schluss mit der Megadeponie Marchfeldkogel“, über­reicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2015/10 (III-190 d.B.)

Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2015/11 (III-191 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):


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Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheits­bericht 2014) (III-195 d.B.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 jedenfalls bis 11.55 Uhr, sollte die Sitzung deutlich länger dauern bis längstens 13 Uhr, und von ORF III in voller Länge live übertragen wird.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Doris Bures: Um den einzigen Punkt der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Ange­legenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustimmung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hellenischen Re­publik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Kogler in Richtung der Abgeordneten Hofer und Podgorschek, die im Begriffe sind, sich zur Abstimmung von ihren Plätzen zu erheben, sich aber wieder nieder­setzen : Bei der FPÖ gibt es auch Realos!) Das ist mit der erforderlichen Zwei­drittelmehrheit angenommen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 3 „Wiener Stunden“ gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 41 Minuten, FPÖ 38 Minuten, Grüne 32 Minu­ten sowie STRONACH und NEOS je 17 Minuten. Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäfts­ordnung wird die Redezeit von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, in der heutigen einzigen Debatte auf 5 Minuten beschränkt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

09.12.28

Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustimmung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hellenischen Republik


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grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum einzigen Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


9.13.16

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist jetzt also das dritte Hilfspaket für Griechenland, und man könnte natürlich darüber diskutieren, wenn dieses Hilfspaket, das sich Griechenland-Hilfspaket nennt, wirklich der griechischen Bevölkerung zugutekäme. Leider Gottes ist das aber nicht der Fall; das zeigen ja auch die realen Zahlen.

Auch bei den bisherigen Hilfspaketen ist dieses Geld nicht bei der Bevölkerung ange­kommen, und Griechenland weist für die kommenden drei Jahre einen Finanzierungs­bedarf von 82 Milliarden bis 86 Milliarden € aus. Davon werden allerdings beinahe 54 Milliarden € für die Tilgung von Schulden und das Bezahlen von Zinsen verwendet. Das heißt, man muss doch ehrlich sein und zumindest einmal eingestehen, dass das kein Griechenland-Hilfspaket, sondern ein Paket für Banken und Spekulanten ist – anders kann man das nicht bezeichnen. Man sollte also endlich einmal mit den falschen Überschriften aufhören. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann gibt es aller Voraussicht nach noch einen gesonderten Kapitalbedarf von 25 Mil­liarden € für die griechischen Banken. Das heißt mit anderen Worten, für die berühmte Ankurbelung der griechischen Wirtschaft und des griechischen Arbeitsmarktes bleibt da gar nichts über. Das sind alles Überschriften, die man immer wieder in der Zeitung lesen muss, es wird vorgegeben, dass das Geld irgendwo hinkommen soll, aber es kommt dort gar nie an.

Die Frage, die sich letztlich stellt, ist, was von dem aktuellen Hilfspaket überhaupt zu halten ist und ob es überhaupt in irgendeiner Art und Weise hilfreich ist.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt Folgendes; das hat der ehemalige Eurogruppen-Chef und jetzige Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker am 25. März 2010 zum Besten gegeben:

„Ich bin fest davon überzeugt, dass Griechenland diese Hilfe nie wird in Anspruch nehmen müssen, weil das griechische Konsolidierungsprogramm in höchstem Maße glaubwürdig ist.“

Na gute Nacht! Das sind die sogenannten Experten! Das haben wir in den letzten Jah­ren auch immer wieder in den Analysen vonseiten der Regierung gehört.

Wie glaubwürdig dieses Konsolidierungsprogramm war, hat sich ja mittlerweile ge­zeigt. – Immerhin hat Juncker ein Jahr später, nämlich im April 2011, mit geradezu entwaffnender Ehrlichkeit gemeint – ich zitiere ihn wieder –:

„Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Na gute Nacht! Genau das erleben wir seit Jahren in dieser Frage.

Ich sage: Schluss mit diesen Lügen! Schluss mit diesen Unwahrheiten! Damit muss man einmal ehrlich und anders umgehen. Die Europäische Union weiß ja mittlerweile selbst nicht mehr, woher sie das Geld nehmen soll. Die Europäische Kommission hat ja den EU-Finanzministern vorgeschlagen, den Europäischen Finanzstabilisie­rungs­mechanismus zur Brückenfinanzierung für Griechenland zu nutzen. Großbritannien


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lehnt das aber strikt ab. Die wollen sich nicht an diesem Banken- und Spekulanten-Rettungspaket beteiligen. Der britische Finanzminister George Osborne hat gemeint, die Vorstellung, dass britische Steuerzahler bei der Griechenland-Einigung einspringen könnten, ist ein Rohrkrepierer.

Auch andere Nicht-Euro-Länder wie Tschechien, aber auch Schweden sind dagegen; andere haben sich sehr kritisch dazu geäußert.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn man so weitermacht, wird uns Griechenland auch nach diesem sogenannten dritten Rettungspaket weiter beschäf­tigen. Dann werden wir uns spätestens in drei Jahren – wahrscheinlich aber früher – mit einem weiteren Hilfspaket auseinandersetzen müssen. Dann kommt das fünfte, dann das sechste, und ich frage mich, wie lange man weiter Milliarden an Steuer­geldern in dieses Fass ohne Boden pumpen will.

Mit uns Freiheitlichen sicherlich nicht! Ich sage, es ist Zeit, endlich einen geordneten Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone vorzunehmen, denn das ist in Wirklichkeit notwendig. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man das nicht einsieht, dann wird weiter Geld verbrannt. In den antiken griechi­schen Tragödien ist es zumindest so, dass es am Ende meistens eine Läuterung der Beteiligten gibt. Diese Läuterung ist leider Gottes bei dieser aktuellen griechischen Tragödie auf Ebene der Europäischen Union nicht erfolgt. Sie ist weit und breit nicht in Sicht: weder in Griechenland, noch in der Europäischen Union. Alle Hilfspakete haben bis dato nichts gebracht. Das zweite Hilfspaket hat die Krise in Wirklichkeit ver­schlimmert, und das dritte geht genau nach dem gleichen Muster weiter. Es wird keinen Erfolg zeitigen, weil man ja, wenn man ehrlich damit umgeht, sieht, dass es einfach zur Deckung von Außenständen von Banken und Spekulanten dient, aber eben nicht der griechischen Wirtschaft, nicht der griechischen Bevölkerung zugutekommt.

Deshalb: Machen wir uns nichts vor! In der Europäischen Union geht es offenbar wirklich nur mehr darum, alles zu unternehmen, dieses politische Projekt des Euro zu retten beziehungsweise aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle; aber den Preis begleichen eben nicht die Banken, sondern die Steuerzahler, die jetzt einmal mehr Milliarden nach Griechenland pumpen sollen.

Herr Bundeskanzler Faymann, eine solche Einigung eine gute Nachricht zu nennen, wie Sie das getan haben, das kann man nur als blanken Zynismus bezeichnen. Das ist nichts anderes, denn in dieses System weiter frisches Geld in Milliardenhöhe hinein­zupumpen, wo man doch nichts zurückerhalten wird, das ist einfach nicht redlich. (Abg. Moser: Der Grexit kommt noch teurer!)

Der geordnete Ausstieg, der Grexit, der auch gerade in einem Zwischenruf genannt wurde, wäre gescheit, denn dann könnten die Griechen zur Drachme zurückkehren, hätten die Chance, abzuwerten, hätten die Chance, sich wirtschaftspolitisch zu erfan­gen (Abg. Rossmann: Das ist doch der größte Schwachsinn aller Zeiten!), und dann gäbe es irgendwann einmal den Funken einer Chance, dass man von den Krediten wieder irgendetwas zurückerhalten könnte. Auf die Art und Weise, wie es heute betrieben wird, ist eine solche Chance leider Gottes nicht in Sicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich wäre es die einzige logische Konsequenz, den geordneten Ausstieg Griechen­lands aus der Währungsunion vorzubereiten. Der Weiterbestand des Euro wäre durch den Grexit keinesfalls gefährdet. Wir hören immer wieder und wissen alle, dass das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands beispielsweise nur 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung Europas ausmacht. Griechenland könnte sich natürlich mit der Rückkehr zur Drachme auf Dauer wieder stabilisieren. Das wäre ein Schrecken mit


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Ende statt eines permanenten Fortsetzens des Schreckensweges, das wir heute erleben, und das wäre notwendig.

Ich sage, der Austritt Griechenlands aus dem Euro ist ökonomisch der vernünftigste Weg. Es wären die Europäische Union und die Eurozone in Wirklichkeit nicht gefähr­det. Es wäre endlich Schluss damit, dass die Steuerzahler zum Handkuss gebeten werden. Meinetwegen kann das auch ein Grexit auf Zeit sein, wie ihn der deutsche Finanzminister Schäuble angedacht hat, wobei es da natürlich keinen Automatismus geben dürfte, dass man dann Griechenland automatisch nach ein paar Jahren wieder in die Eurozone aufnimmt, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden.

Es war ja schon von Beginn an ein Fehler, die Griechen in die Eurozone aufzunehmen. Da waren wir Freiheitlichen auch von Beginn an als einzige Fraktion dieses Hauses konsequent. Die Griechen haben sich mit Falsch- und Fehlangaben in die Eurozone hineingeschummelt. Als die Europäische Union draufgekommen ist, war sie nicht konsequent. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Und als man dann gemerkt hat, dass diese Entwicklung der Verschuldungssituation Griechenlands so voranschreitet, hat man sogar die eigenen EU-Maastricht-Kriterien gebrochen, das heißt, die Europäische Union hat sich nicht ernst genommen; aber auch SPÖ, ÖVP und Grüne in diesem Hohen Haus haben sich nicht ernst genommen, indem sie dem Stabilitätsmecha­nis­mus, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, dieser Schuldenunion eine Zwei­drittel­mehrheit gegeben haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Maastricht-Vertrag hat das konsequent ausgeschlossen, was richtig war; dann bricht man die europäischen Verträge, um in Wirklichkeit eine Schuldenunion voran­zutreiben, die uns genau dorthin gebracht hat, wo wir heute sind, nämlich Milliarden und Abermilliarden an Steuergeld in Griechenland zu versenken (Zwischenruf des Abg. Rossmann– Geld, das nicht einmal der Bevölkerung, sondern letztlich einem maro­den Finanzsektor zugutekommt.

Da seid ihr Mittäter vonseiten der Grünen, wenn es darum geht, den Banken und Spekulanten Milliarden nachzuwerfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann man hundert Mal vorbeten, wir wollen den Griechen helfen. – Das Geld kommt nicht den Griechen zugute. Ich sage Ihnen: In den vergangenen Jahren sind über 300 Milliarden € an Rettungsgeldern in Griechenland versenkt worden – eben nicht in Griechenland, wieder eine Korrektur: Nein, bei den deutschen Banken, bei den französischen Banken, die auch noch so wahnwitzige Aufträge mit auf den Weg gege­ben haben, nämlich die deutsche Regierung, U-Boote für militärische Zwecke anzu­schaffen und andere Wahnsinnigkeiten. Dafür wurde auch das Geld der Hilfspakete ausgegeben.

Ich sage jetzt: Es werden wieder etliche Milliarden in die Ägäis geschmissen, nach dem Motto: weil es eh schon wurscht ist. – Aber es ist nicht wurscht. Wir haben selbst massive Probleme, und wir haben selbst eine Verschuldensentwicklung. Wir haben selbst eine Entwicklung, wo wir in Österreich Handlungsbedarf haben.

In Brüssel wird mit weiteren Milliarden zulasten der österreichischen Steuerzahler und zum Vorteil von Banken und Spekulanten jongliert, ohne dass die Bevölkerungen der Geberländer jemals darüber befragt werden. Das kann ja nicht sein!

Wenn die Nehmer befragt werden, wenn es eine Volksabstimmung in Griechenland gibt, ob man bereit ist, zurückzuzahlen, unter welchen Bedingungen, dann muss es doch bitte das gute Recht sein, dass die Bevölkerung der Geberländer auch endlich im Rahmen einer Volksabstimmung befragt wird, ob sie bereit ist, unter den Bedingungen noch irgendeinen österreichischen Cent zu zahlen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Doppler.)


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Herr Bundeskanzler – und auch an die Regierung gerichtet –, da hat diese Regierung jede Legitimation verloren, noch irgendeine Entscheidung über die Köpfe der öster­reichischen Bevölkerung hinweg zu treffen. Da hat man endlich auch die österreichi­sche Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung zu befragen. Ich sage Ihnen, da würden Sie eine klare Antwort erhalten.

Haben Sie keine Angst vor der österreichischen Bevölkerung, sondern nehmen Sie diese ernst! (Beifall bei der FPÖ.)

Es kann nicht sein, dass man die Schuldner fragen lässt und befragt, ob sie zahlen wollen, aber den Souverän der Geberländer außen vor lässt. Ich sage: Das wäre eigentlich die verantwortungsvolle Aufgabe eines Bundeskanzlers.

Das muss ich Tsipras respektvoll mit auf den Weg geben: Er hat viele Tricksereien zum Besten gegeben, aber er hat das Volk befragt. Dass er nach der Abstimmung gegen die Abstimmungsmehrheit der eigenen Bevölkerung agiert hat, na gut, das wird ohnehin die Bevölkerung bei kommenden Wahlen in Griechenland zu bewerten haben.

Da haben wir eigentlich eine Erwartungshaltung an die österreichische Regierung, dass man hier anders umgeht als bisher und nicht abgehoben den Euro-Eliten zur Seite steht samt der euphorischen österreichischen Bundesregierung, die sich letztlich weiter am Nasenring ziehen lässt.

Ich sage: Bevor nur ein einziger weiterer österreichischer Cent in Aussicht gestellt oder gar überwiesen wird, haben die Österreicherinnen und Österreicher in einer Volks­abstimmung die Entscheidung zu treffen, ob sie das wollen oder nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ergebnis einer solchen Abstimmung hat verbindlich von der jeweiligen Regierung umgesetzt zu werden. Da weiß die österreichische Bevölkerung, im Gegensatz zu Faymann und Co, dass ein geordneter Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone die einzige vernünftige Möglichkeit wäre, den heutigen EU-Kurs eines weiteren sinnlosen Verbrennens von Geld endlich hintanzuhalten.

Diese Volksabstimmung wäre notwendig, alles andere ist inakzeptabel. Die Frage­stellung wäre ja relativ einfach, salopp formuliert: Soll sich Österreich ein weiteres Mal an Zahlungen beteiligen, bei denen in Wirklichkeit klar ist, dass kein Cent zurückfließen wird? – Ich bin mir sicher, dass die Antwort der österreichischen Bevölkerung eine sehr, sehr deutliche wäre.

Herr Bundeskanzler Faymann, Sie bekommen von uns heute auf alle Fälle keine Ermächtigung, über weitere Steuermilliarden Entscheidungen zu treffen, die Banken und Spekulanten zugutekommen sollen, denn das ist einfach nicht korrekt. Das geben wir Ihnen mit auf den Weg.

Wir wissen natürlich, dass man Ihnen heute am Beginn der Sitzung mit dieser Zwei­drittelmehrheit letztlich auch indirekt die Mauer gemacht hat, damit Sie wieder Ihre Entscheidung in Brüssel treffen können, und wir müssen leider Gottes befürchten, dass Sie diese wieder über die Köpfe der österreichischen Bevölkerung hinweg treffen werden. Aber es ist nicht anständig, es ist nicht redlich, es ist nicht korrekt.

Wir werden weiter alles daran setzen, dass in unserem Land endlich auch die direkte Demokratie Einzug hält, endlich auch verbindliche Volksabstimmungen bei so wich­tigen Fragen durchgesetzt werden – und man eben nicht mit dieser Arroganz weiter Politik betreibt, wie Sie das tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist höchst an der Zeit, hier umzudenken – höchst an der Zeit, bei all den negativen Entwicklungen, die wir auch in Österreich erleben, bei dieser Staatsverschuldung, die wir in Österreich erleben müssen, bei der Entwicklung, dass wir Ausgabenweltmeister


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innerhalb der Europäischen Union sind. Man ist nicht bereit, bei den eigenen Ausgaben zu sparen. Immer dann, wenn es um fremdes Geld geht, nämlich um das Geld der Steuerzahler, geht man äußerst salopp mit diesem Geld der österreichischen Steuer­zahler um, die hart dafür arbeiten müssen, über ein halbes Jahr zu arbeiten haben, dafür den Staat auch ordentlich bedienen, aber der Staat geht mit diesen Steuer­geldern sehr unverantwortlich um.

Das ist kein korrekter Weg. Ich habe leider Gottes nicht die Hoffnung, dass Sie etwas dazulernen, Herr Bundeskanzler, aber ich sage es Ihnen zumindest in der Konse­quenz. Und wenn Sie nicht dazulernen, dann wird es irgendwann einmal auch eine demokratische Abwahl geben, früher oder später. Das ist auch gut so für Österreich, denn dann kann endlich eine andere Politik Einzug halten (Beifall bei der FPÖ), nämlich eine Politik, die die Meinung der österreichischen Bevölkerung hören will, diese auch ernst nimmt und die auch zulässt, dass die österreichische Bevölkerung bei so wichtigen Fragen auch eine Entscheidung treffen kann. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

9.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder zu Wort. – Bitte.

 


9.27.52

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer, die vielleicht die heutige Diskussion genauso verfolgen wie jene, die wir letzte Woche schon sehr intensiv zu diesem Thema geführt haben! Der Unterschied zwischen der letzten Plenardebatte und der heutigen ist aller­dings, dass wir heute eine Einigung oder ein Agreement der Eurogruppe und der euro­päischen Finanzminister vorliegen haben, einen Antrag der griechischen Regie­rung und einen Beschluss des griechischen Parlaments. Wir haben sinnvollerweise, rich­tiger­weise auch in der österreichischen Verfassung beziehungsweise in der Ge­schäftsordnung des Nationalrates weitgehende Zustimmungsrechte für den österreichi­schen Nationalrat im Zusammenhang mit dem ESM verankert. Daher kommen wir auch heute zusammen, um die Beschlüsse des gestrigen ESM-Unterausschusses zu billigen.

Das Thema Griechenland, und wie es weitergehen soll, ist eng verwoben mit dem Thema Euro und der Zukunft der Europäischen Union und daher auch nicht so einfach in Schwarz-und-Weiß-Kategorien zu beantworten. Das ist einmal wichtig, weil gerade mein Vorredner, Klubobmann Strache aus seiner Sicht ja einfach nur schwarzmalt. Das ist weder volkswirtschaftliches Grundverständnis noch politisch richtig.

Würden wir uns das genauer anschauen, würden wir auch draufkommen: Warum ist denn Griechenland im Euro? – Dann kommen wir drauf, Griechenland ist unter einer schwarz-blauen Regierung in den Euro aufgenommen worden; also es gibt hier auch blaue Mitverantwortung, die vorhanden ist. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Das ist jetzt kein Argument, aber es zeigt nur, wie unredlich auch vonseiten der FPÖ hier immer argu­mentiert wird. Immer dann, wenn es gegen die Regierung ist, zieht man die Volks­befragung aus dem Hut; wenn man selbst wo Verantwortung trägt oder getragen hat, vergisst man das. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um auch die Diskussion klar aus Sicht der Sozialdemokratie zu beantworten, werden wir für ein Hilfspaket stimmen, werden wir dafür stimmen, dass die österreichischen Vertreter ermächtigt werden, einem Hilfspaket zuzustimmen. Ich möchte hier, vor allem für die Fernsehzuschauer, begründen, warum.


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Es ist keine einfache Entscheidung, aber es ist meiner Meinung nach die richtige Entscheidung, denn die andere Entscheidung, Nein zu sagen und Griechenland in den Staatsbankrott zu treiben, auf einen Grexit hinzuarbeiten, wäre in vielerlei Hinsicht die falsche Antwort. Es wäre der Einbruch der Wirtschaftsleistungen in Griechenland, es wäre ein Staatsbankrott Griechenlands, auch die Fortsetzung des sozialen Zusam­menbruchs zu einem endgültigen Zusammenbruch.

Man darf nicht vergessen, dass die Mindestrentner in Griechenland, die Normal­verdie­ner in Griechenland, die durchschnittlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Griechenland seit zwei Wochen schon ein brutales Kürzungspaket in Form der Ausgabenlimitierung an den Bankomaten erleben und wir in diesem Zusammenhang jetzt schon große soziale Verwerfungen in Griechenland erleben. (Abg. Kogler: ... die letzten fünf Jahre an! – Abg. Rossmann: Sechs Sparpakete hat es schon gegeben!) – Inklusive der Sparpakete in Griechenland, auch das ist nicht unrichtig!

Wir sehen noch immer ein rapides Ansteigen der Arbeitslosigkeit. Griechenland ist ein Land, in dem jeder zweite Jugendliche keinen Job und auch sehr geringe Aussichten auf einen Job hat. Griechenland ist auch ein Land, in dem in den Spitälern die ... (Abg. Strache: So „erfolgreich“ waren die zwei Hilfspakete! – Abg. Höbart: Die Rede haben wir schon vor zwei Jahren gehört! Letztes Jahr auch! Immer dieselbe Rede!) – Sie versuchen, jetzt vorzutäuschen, dass Sie sich erinnern können. Es stimmt nur nicht, denn es war eine andere Rede vor zwei Jahren, aber es war ein netter Versuch von Ihnen, dass Sie das so versucht haben.

Jedenfalls: Ein Grexit – nämlich das, was hier behauptet worden ist: es gebe einen kontrollierten griechischen Bankrott – wäre ein Desaster für Griechenland, wäre ein Desaster für die Menschen in Griechenland und wäre nicht nur die Fortsetzung des­sen, was sie jetzt erleben mussten, sondern wäre die Potenzierung, die Erhöhung dessen, was sie bereits erleben.

An jene, die behaupten, Griechenland wäre besser beraten, wieder außerhalb des Euro seines Weges zu gehen: Abgesehen davon, dass niemand beantworten kann, wie dieser Weg in eine eigene Währung funktionieren würde, müssen wir uns auch vor Augen führen, dass Griechenland die Hälfte seiner Lebensmittel importiert, das heißt, da auch stark von der Eurozone abhängig ist, und vier Fünftel der Energie nach Griechenland importiert werden. Selbst in diesen Fragen ist Griechenland ganz eng mit Europa verbunden. Lebensmittel, Energie, all das sind keine Fragen, die die Reichen in Griechenland betreffen, sondern die Menschen, die durchschnittlichen Menschen in Griechenland.

Als Sozialdemokraten haben wir, glaube ich, Verantwortung nicht nur für die Menschen in Österreich, sondern auch für die Menschen in Griechenland und können nicht zulassen, dass dort soziale Devastierung Platz greift.

Man muss aber auch klar sagen, dass jene, die vorschlagen, dass ein Grexit der bessere Weg ist, auch den Österreicherinnen und Österreichern einen schlechten Dienst erweisen würden, denn ein Grexit würde auch für die österreichische Wirtschaft massive Probleme bedeuten, würde auch für das Wirtschaftswachstum und damit auch für den sozialen Fortschritt in unserem Land zusätzlichen Druck bedeuten. Daher ist es, glaube ich, sinnvoll, dass wir den Weg gehen, dass wir erstens humanitär alles tun, zweitens wirtschaftlich jetzt eine Überbrückung zur Verfügung stellen und drittens auch Hilfe zur Selbsthilfe Griechenlands zur Verfügung stellen: ein Hilfsprogramm, das jetzt einmal im Schritt eins Luft zum Atmen schafft, zweitens aber dann auch dort ansetzen muss, wo Wirtschaftswachstum in Griechenland entstehen kann, nämlich aus der Krise herauszuwachsen. Das ist eine Herausforderung, die für Griechenland keine leichte


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 20

sein wird, die aber notwendig ist, denn letztlich: Nur wenn man wächst und Beschäf­tigung schafft, dann ist es auch der Weg, der in die Zukunft weisen kann.

Das ist insofern wichtig, denn es ist in Europa auch viel diskutiert worden: Wie hart muss der Sparkurs implementiert werden? Wie viel Chance auf Wachstum und Inves­titionskurs wird gegeben? Ich möchte in diesem Zusammenhang auch klar sagen, aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion könnte man, müsste man mehr Inves­titionschancen und mehr Wachstumschancen in diesem Programm implementieren und weniger von dem, was als harter Kürzungskurs in manchen Bereichen auch passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ist die Kritik, die auch hier erwähnt worden ist, richtig. Es ist auch notwendig, auf der einen Seite zu sagen: Wenn, nachdem Griechenland schon ein Paket abgeliefert hat, trotzdem noch Leute wie zum Beispiel der deutsche Finanzminister die Verhand-lungen so lange hinauszögern, blockieren und in einem Bereich gestalten, dass sogar von einem vorübergehenden Grexit und all diesen Dingen gesprochen wird, dann tut das weder der Lösung des Problems noch der Zukunft Europas gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf der andere Seite möchte ich aber auch ganz besonders die Rolle Österreichs und unseres Bundeskanzlers Werner Faymann herausstreichen, der nämlich genau diese Rolle Österreichs, eines wirtschaftlich starken Landes, das als kleines Land gleichzeitig aber auch immer ein Vermittler zwischen verschiedenen Positionen ist, gestärkt hat und auch die notwendigen Kontakte, Vermittlungen und Verständnis geschaffen hat, nämlich zwischen Griechenland und Deutschland, zwischen anderen Ländern in der Eurozone, wie Italien und Frankreich. Diese Rolle war notwendig, dass wir auch am Schluss, hier und heute eine Lösung oder den Schritt zu einer Lösung vorliegen haben, denn mit dem Starrsinn, der von deutscher Seite in den letzten Verhandlungsstunden vorgelegt worden ist (Abg. Berlakovich: Na bitte! – Abg. Kogler: Richtig!), wäre man nicht zu dem Ziel gekommen. Daher war es richtig, dass Österreich in diesem Zusam­menhang so vorgegangen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lopatka: Gott sei Dank gibt es die Lokomotive Deutschland in Europa!)

Griechenland ist auf der anderen Seite ebenfalls gefordert. Ich sage nur, der Kampf gegen Oligarchie und Nepotismus muss endlich angegangen werden. Es müssen auch Tsipras und die Syriza-Regierung endlich von der Ankündigungspolitik in die Um­setzungspolitik, in die Praxis wechseln. Es braucht ein funktionierendes Grundbuch, eine funktionierende Steuereintreibung, es braucht auch eine vernünftige Verwaltung, dass die Hilfsgelder genau dort ankommen, wo sie ankommen sollen.

So sehen wir auch, dass es eben in diesem Bereich weder ein Schwarz noch ein Weiß gibt, sondern an vielen Schrauben zu drehen ist. Am Schluss aber ist es notwendig für Europa, die Zukunft des Euro, die Stabilität, auch die wirtschaftliche Stabilität in Öster­reich, aber letztlich auch für eine Zukunft für die Menschen in Griechenland, dass wir diesem Paket zustimmen und den Weg freimachen, dass die Verhandlungen letztlich auch zu einem vernünftigen Paket führen können. (Beifall bei der SPÖ.)

9.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Klubvorsitzende Dr. Glawischnig-Piesczek zu Wort. – Bitte.

 


9.37.21

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen Abge­ordnete! In einem stimme ich mit meinem Vorredner sehr eindeutig überein: Komplexe


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 21

Probleme brauchen eine sehr differenzierte Herangehensweise. Das ist jetzt insbeson­dere auch an die Reihen der FPÖ gerichtet.

Es war mit Sicherheit am Wochenende eine extrem dramatische Situation, hier unter so viel Druck und nachdem auch so viel europapolitisches Porzellan bereits im Vorfeld zerschlagen worden ist, zu einer Lösung zu kommen. Es ist tatsächlich so gewesen, dass der Austritt Griechenlands aus der Eurozone ein Ergebnis hätte sein können. Gut, dass es nicht dazu gekommen ist.

Ein Grexit, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone, Herr Kollege Strache, ist mit Abstand die teuerste Lösung – sowohl für die Geberländer, für jene, die das Geld hergegeben haben, als auch sozialpolitisch für die griechische Bevölkerung, als auch politisch für die politische Union. Es wäre der Beginn des Zerfalls der Eurozone. Und darüber kann man sich nur freuen, wenn man sich das wünscht! (Beifall bei den Grünen.)

Europa ist mehr als ein Gebiet mit einer gemeinsamen Währung, Europa ist sehr viel mehr als ein Gebiet mit einer gemeinsamen Wirtschaftsorientierung. Europa sollte eine politische Union sein auf der Basis von Solidarität, von Kooperation, von Kom­pro­missbereitschaft und Vernunft, nicht nur in der Griechenlandfrage, sondern auch in allen anderen Fragen, zum Beispiel, wie wir mit Flüchtlingen umgehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Vernunft fehlt. Es ist wirtschaftlich vollkommen unvernünftig, Griechenland keine Chance zu eröffnen, auf eigenen Beinen zu stehen. Griechenland hat nach sechs Sparpaketen seit 2010 nicht die Möglichkeit, durch dieses Programm wieder auf eigene Beine zu kommen. Eigentlich sollte es das Interesse sein, das maßgeblichste, wich­tigste Interesse, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir stimmen heute darüber ab, den Finanzminister in seiner Funktion als Gouverneur zu ermächtigen, in Verhandlungen zu treten. Es ist allerdings eine besondere Situation, weil die Verhandlungen im Wesentlichen schon mit einem bestimmten Ergebnis vorver­handelt sind. Und es gilt daher auch, dieses Ergebnis heute mitzubeurteilen.

Klar ist, dass der Eintritt in den Schutzschirm, in den ESM, strengen Voraussetzungen unterliegt, eine davon ist die sogenannte Schuldentragfähigkeit. Das ist ein Punkt, über den wir uns schon noch ein bisschen näher unterhalten sollten.

Selbst der IWF bewertet die Schulden Griechenlands als hochgradig nicht tragbar. Ein großer Teil des Hilfspaketes muss dafür verwendet werden, überhaupt erst Schulden zu tilgen beziehungsweise Banken zu rekapitalisieren. Das heißt, ein großer Teil dieses Hilfspaketes wird nicht bei der griechischen Bevölkerung und auch nicht bei der griechischen Wirtschaft, die es dringend braucht, ankommen. (Abg. Darmann: Wie in den letzten Jahren!)

Daher braucht es – und das ist ein Punkt, da haben jetzt offensichtlich alle weg­ge­se­hen, und auch Sie, Herr Finanzminister – eine Schuldenerleichterung. (Abg. Strache: Also noch einmal etwas nachschießen!) Ich weiß, wie politisch schwierig es ist, das zu diskutieren. Aber es ist auch ökonomisch sinnvoll, Herr Kollege Strache, Sie brauchen jetzt nicht den Kopf zu schütteln. (Abg. Strache: Schenken wir ihnen die Schulden auch noch!) Das ist auch ökonomisch sinnvoll. Es ist auch der zentrale Baustein, um tatsächlich die humanitäre Krise, in der sich Griechenland jetzt befindet, zumindest zu mildern.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein (Abg. Strache: Na super! …!):


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 22

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldenerleich­terungen für Griechenland

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck dafür einzu­setzen, dass eine Schuldenerleichterung Griechenlands als prioritäre Maßnahme in Angriff genommen wird, um Griechenland budgetären Spielraum für die Beseitigung der sozialen und humanitären Auswirkungen und für notwendige Investitionen und Zukunftsperspektiven zu verschaffen.“

*****

Das ist das Zentrale. (Beifall bei den Grünen.)

Natürlich, es stimmt, die politischen Eliten in Griechenland haben die letzten Jahre, die letzten Jahrzehnte – das waren sowohl Konservative als auch Sozialdemokraten – mit großer Korruptionsanfälligkeit gearbeitet, ein bisschen dem ähnlich, wie die FPÖ in Kärnten gearbeitet hat. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Feichtinger. – Ironische Heiterkeit des Abg. Peter Wurm.)

Es wurde keine Regierungs- und Verwaltungsfähigkeit gezeigt, keine Fairness, auch, was den Umgang mit Arm und Reich betrifft. Vollkommen ungestört und unbesteuert konnten griechische Milliarden ins Ausland geschafft werden. Selbstverständlich: Das muss alles angegangen werden!

Und ja, es stimmt auch: Mit den billigen griechischen Krediten haben deutsche, fran­zösische und auch britische Banken sehr gute Geschäfte gemacht und damit die deutsche, die britische und die französische Rüstungsindustrie maßgeblich mit Ge­schäften bedient. – Das stimmt alles.

Aber das, was jetzt als Maßnahmenpaket auf dem Tisch liegt, ist ungefähr so, wie wenn man jemandem, der einen Marathon laufen muss und der bereits einen Schuss im Knie hat, auch noch ins zweite Knie hineinschießt. Anders ist das nicht erklärbar. Und das passiert jetzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Diese Maßnahmen sind nichts anderes als ein Grexit auf Zeit. Das ist unsere Sorge, und daher werden wir das Paket, das jetzt auf dem Tisch liegt, auch heute ablehnen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tamandl: … Verhandlungen! – Zwischenruf des Abg. Strache.)

Dieselbe Methode wie vorher: Kürzungen, das heißt weniger Wirtschaftsleistung, das heißt weniger Steuereinnahmen, das heißt wiederum scheitern an den Budgetzielen, das heißt wiederum automatisch weitere Kürzungen. Das ist eine Abwärtsspirale, aus der Griechenland im Wesentlichen nicht mehr herauskommen kann.

Ich betone noch einmal: Es muss in unserem wirtschaftlichen und europapolitischen Interesse sein, dass Griechenland sich wirtschaftlich wieder fängt, dass die Abwan­derung der Betriebe gestoppt wird, dass die Menschen wieder einen Arbeitsplatz haben, dass es wieder normal wird, eine Krankenversicherung zu haben, dass es wieder normal wird, in den Krankenhäusern auch Antibiotika zu erhalten, dass es nicht mehr normal ist, dass die Säuglingssterblichkeit so hoch ist. Das muss unser primäres Interesse sein! (Beifall bei den Grünen.)

Auch was die Privatisierungen betrifft, haben wir sehr große Sorge. Es geht ja eigentlich darum, auch die Industrie neu aufzustellen. Wir haben eine Abwanderung, im Wesentlichen gibt es in Griechenland keine Industrie. Also da gilt es eigentlich,


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einen Infrastruktursektor erst aufzubauen und nicht in weitere Privatisierungen zu gehen. Selbstverständlich muss die Eintreibung der hinterzogenen Steuern erfolgen – das ist allerdings keine prioritäre Maßnahme im Paket, das vermissen wir bitter. Auch der Spielraum für Investitionen ist extrem gering, das findet sich gerade einmal in einer homöopathischen Dosis.

Was wäre eine Möglichkeit? Was wären Auswege? – Wichtig ist: Griechenland braucht wieder die Luft zum Atmen, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Es gibt da Ansatzpunkte, die man angehen kann. Die Privatisierungen sollte man jedenfalls überdenken. Wichtig ist aber auch, dass Griechenland eine eigene Verantwortung für seine staatlichen Strukturen übernimmt, eine Governance entwickelt, effektive Verwal­tung, einen Grundstückskataster einführt, Rechtssicherheit, Gewerbezugang, all das, was man öffentliches Vergabewesen nennt, neu ordnet, korruptionsfrei gestaltet. Korruptionsbekämpfung ist selbstverständlich. All das muss Griechenland natürlich selber leisten. Aber dafür braucht es die Luft, dass es das auch tun kann.

Selbstverständlich müssen die Rüstungsausgaben weiter reduziert werden. Wir haben das in diesem Maßnahmenpaket noch nicht ausführlich gefunden. Vielleicht kann man dazu noch etwas erklären. Aber die Rüstungsausgaben weit über dem EU-Schnitt sind nach wie vor ein Punkt, der vor dem Hintergrund, wie es der griechischen Bevölkerung geht, sehr schmerzt – Militärbudgets und Rüstungsausgaben. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Dann gibt es natürlich im Bereich der Wirtschaft Ansatzpunkte, die man sehr vernünftig und auch relativ rasch angehen kann. Griechenland ist eines der Länder mit den höchsten Importkosten für Energie – was man sich gar nicht vorstellen kann, dass ein Land mit so viel Reichtum an erneuerbaren Energien, mit so viel Sonnenenergie, mit so viel Windenergie, so viel Erdöl importieren muss. Also da wäre auch ein An­satzpunkt für österreichische Unternehmen, mit aufzubauen und einen Umstieg zu organisieren, damit nicht aufgrund dieser Abhängigkeit so viele Devisen ins Ausland abfließen.

Vor allem auch bei der Landwirtschaft kann Österreich, denke ich, einen Beitrag leisten. Griechenland importiert Lebensmittel, Griechenland exportiert zum Beispiel 80 Prozent seiner Olivenernte, das wird dann in Italien veredelt. Da könnte man sich auch wundern, warum man nicht diese Stärke des Landes besser entwickeln kann.

Natürlich geht es auch um die Industrialisierung: Da gibt es auch Ansatzpunkte mit dem Hafen, Bootsbau et cetera.

Aber was die Voraussetzung dafür ist, das positiv anzugehen, ist Vernunft – und nicht ein Diktat, wie es jetzt passiert ist bei diesem Gipfel, ein Kürzungsdiktat (Abg. Lopatka: Das ist kein Diktat!), sondern wirtschaftspolitische und auch sozialpolitische Vernunft, um dieses Land im Euro zu halten. Ansonsten befürchten wir, dass es ein Grexit auf Zeit ist – und das kann sich niemand wünschen. (Beifall bei den Grünen.)

9.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


9.45.41

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Finanzminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klubobfrau Glawischnig, einem Ertrinkenden den Rettungsreifen zu verweigern, das ist Ihre Solidarität? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Geh bitte! Das ist ein unglaublicher Blödsinn!) Das ist es! Genau das ist der Beschluss, den wir


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heute fassen. Genau darum geht es. (Abg. Rossmann: Was ist die Vorbedingung für diesen Beschluss? – Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Sie sind heute in einem Boot mit der Freiheitlichen Partei. Sie finden sich heute in dem Boot, in dem schon lange die Freiheitliche Partei sitzt. – Nur: Sie merken es nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Denn: Das Ergebnis ist unglaublich. Sie sagen es: Ihr Ergebnis würde zu einem unglaublichen Drama – ja, es ist ein Drama – in Griechenland führen. (Abg. Darmann: Das unglaubliche Drama gibt es seit Jahren in Griechenland!) Würden wir heute diesen Beschluss nicht fassen, würde genau das eintreten, was Sie jetzt in Aussicht gestellt haben. Was wäre die Folge, wenn wir diesen Beschluss nicht fassten? Grexit wäre natürlich die Folge. Was sonst? – Sie wissen es. Sie sind heute hier völlig desorientiert, Frau Klubobfrau Glawischnig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Steinhauser und Schatz.)

Was sehen wir in Griechenland? Es war „keine linke Politik … , sondern unpro­fessionell“, was Syriza im ersten Halbjahr gemacht hat. (Abg. Kogler: Entschuldigung, die Konservativen sind doch korrupt bis in die Haarspitzen! – Abg. Rossmann: … Familien teilen sich das Land und rauben es aus!) Die waren dort zuletzt zwei Jahre in der Regierung.

Kollege Kogler, das, was Sie jetzt so aufregt, habe nicht ich gesagt. Das sagt Ihr Koalitionspartner Michael Häupl diese Woche im „Falter“, einem Organ, das zumindest Ihrem Kollegen Pilz nicht ganz unbekannt ist. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Dort meint Häupl, ich zitiere ihn nochmals: Es war „keine linke Politik … , sondern unpro­fessionell“, was Syriza hier gemacht hat. (Abg. Kogler: Ja eh! Sage ich ja nichts dage­gen!)

Häupl sagt noch etwas, was ich hundertprozentig unterstreichen kann: „Gescheiter wäre es gewesen, Herr Varoufakis wäre weniger oft …“ (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kogler. Abg. Glawischnig-Piesczek: Sagen Sie etwas zur Sache!) – Hören Sie Häupl zu, Kollege Kogler, Ihrem Koalitionspartner in Wien! Häupl sagt … (Abg. Steinhauser – auf die Bankreihen der SPÖ deutend –: Der Häupl gehört zur SPÖ!) – Ich versuche hier, Häupl eine Stimme zu geben. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP.)

Was sagt der Wiener Bürgermeister: „Gescheiter wäre es gewesen, Herr Varoufakis wäre weniger oft nach Brüssel gefahren, um dort seine Show abzuziehen, sondern hätte vielleicht einmal in die Schweiz geschaut ...“ – Das, was Sie fordern … (Abg. Rossmann: Was wäre es gewesen, der Finanzminister hätte ihm zugehört!) – Kollege Rossmann, das, was wir mit Ihnen beschlossen haben … (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Kollege Rossmann, es ist schon eigenartig, wie auch Sie sich verhalten. Das, was wir beschlossen haben, wo wir viele Verhandlungsrunden mit dem Finanzminister hatten, in die Schweiz zu schauen – genau das fordert Häupl von Varoufakis. Und Sie regen sich auf! (Abg. Strache: Häupl ist doch der Schuldenexperte in Wien! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was sagt Häupl: „… sondern hätte vielleicht einmal in die Schweiz geschaut, um zu sehen, wie man Gelder wieder in die Heimat transferieren kann.“ (Abg. Strache: Das wäre für den Häupl sehr ratsam!) Er hat das nicht gemacht im ersten halben Jahr. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Was ist Ihr Problem? – Abg. Kogler: Erklären Sie Ihr Problem!)


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Und ich füge hinzu, als Klubobmann jetzt und nicht Häupl zitierend: Wer hat Syriza gehindert, in diesem ersten halben Jahr diese horrenden Rüstungsausgaben herunter­zuschrauben? Wer? Wer hat Syriza gehindert? – Niemand! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Ein halbes Jahr lang hat diese Regierung die notwendigen Reformen nicht gemacht. (Abg. Steinhauser: … für die Steuerreform! Seit zehn Jahren reden Sie über eine Föderalismusreform!) Und jetzt reden Sie von einem Diktat? – Das ist kein Diktat, das ist in letzter Sekunde eine Notwendigkeit, um die griechische Bevölkerung vor dem Untergang zu retten, sage ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

Alexis Tsipras und die Syriza haben es nicht verstanden, notwendige Reformen in Angriff zu nehmen. (Abg. Steinhauser: Eure Politik …!) Kostbarste Zeit, im wahrsten Sinn des Wortes, ist da verstrichen. Herr Bundeskanzler, mir fehlt hier wirklich jede Sympathie für Syriza und für Tsipras. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Das interessiert aber keinen! Sagen Sie etwas zur Sache!) Ich hoffe, Sie verstehen mich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Eine Regierung, die ihre Hausaufgaben nicht macht, wie es Bürgermeister Häupl auch in diesem Interview festgehalten hat, muss mit starken Auflagen bedacht werden. (Zwischenruf bei den Grünen.) Und ich sage Ihnen: Ein Regierungschef, der nicht reformbereit ist, der kann nie meine Sympathie haben! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Ehrenmitglied der ÖVP: Michael Häupl!)

Tsipras ist bisher einer gewesen, der jede ernst zu nehmende Reform in Griechenland boykottiert hat. (Abg. Steinhauser: Das ist ein Unsinn!) Das sage nicht ich, sondern der SPD-Vorsitzende in Deutschland Sigmar Gabriel in der jüngsten „Spiegel“-Aus­gabe.

Man werde seitens Deutschlands „nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“.

Ich verstehe Deutschland, ich verstehe die Holländer, der niederländische Finanz­minister Dijsselbloem von der sozialdemokratischen Partei van de Arbeid fragt dazu zu Recht: Kann dieser griechischen Regierung vertraut werden, dass sie tut, was sie ver­spricht? (Abg. Steinhauser: Ich verstehe, dass Sie Ihre Konservativen nicht zitieren! Verstehe ich!)

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Woche die entscheidende Frage angesprochen: Welche Währung ist verloren gegangen? (Abg. Schieder: … auch gestreichelt?!) – Nein, das ist sehr ernst, Kollege Schieder, was ich hier sage, denn das ist die Grundfrage in der Politik: Können die Menschen uns noch vertrauen? (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist eine Schlüsselfrage, die Angela Merkel anspricht. (Abg. Steinhauser: Seit fünf Jahren! … das hält!)

Merkel sagt: „Die wichtigste Währung ist verloren gegangen, und das ist das Vertrauen und die Verlässlichkeit“. (Ruf: Ja, genau!) Und genau das ist es, was dazu geführt hat, dass wir jetzt in dieser Situation sind, die bei Gott keine einfache ist. Der Internationale Währungsfonds beziehungsweise Christine Lagarde ist von allen als eine absolute Fachfrau anerkannt. Sie war schon damals als Finanzministerin Frankreichs von allen sehr geachtet. (Abg. Strache: Sie hat gesagt, dass das Geld nicht bei der griechischen Bevölkerung angekommen ist!)

Zu welchem Ergebnis kommt sie in ihrem jüngsten Papier? – Signifikante Änderungen der griechischen Politik seit dem Jahresanfang, die zu einem substanziellen Anstieg des Finanzbedarfs geführt haben, stellen Griechenland vor neue Probleme. Mit ande­ren Worten: Die Rücknahme von Reformgesetzen durch die linkspopulistische Syriza-


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Regierung und die Weigerung, die vor einigen Jahren eingeschlagenen Reformschritte umzusetzen, brachten dem Land neue Probleme.

Ich nenne Ihnen nur eine Zahl: Die jüngste Eskalation hat bei den Banken in Griechen­land jetzt laut IWF einen zusätzlichen Finanzbedarf von 25 Milliarden € verursacht, nur das, was jetzt zuletzt diese Regierung von Tsipras und Varoufakis verursacht hat. (Abg. Pirklhuber: Schuldenschnitt ist notwendig, hat der IWF …! – Zwischenruf des Abg. Rossmann.) 25 Milliarden – Ihre Freunde in der Syriza, Kollege Rossmann, die Sie zu Jahresbeginn so bejubelt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wir sehen die Situation auch sehr kritisch: Wir sehen hier eine letzte Chance für Griechenland! (Abg. Pirklhuber: Das habt ihr schon ein paarmal gesagt!) Ja, wir sehen eine letzte Chance. (Abg. Strache: Ist ein Geschäft für …! – Abg. Darmann: Wie viele letzte Chancen gibt es noch?!) Ich sage Ihnen auch eines: Wir haben, unser Finanz­minister hat das auch im ECOFIN vertreten, immer die Position unterstützt, die jetzt das Ergebnis ist. Tsipras wollte etwas anderes, und Tsipras hält ja auch im griechi­schen Fernsehen fest: Unterstützung für mein Land, für meine Position kam nur von Frankreich, Italien, Zypern und Österreich, im Rat! (Abg. Pirklhuber: Im Rat … Finanz­minister!)

Wenn ich mir das ansehe: Die Arbeitslosigkeit liegt in Frankreich bei 10 Prozent, in Italien bei über 12 Prozent, in Zypern bei 16 Prozent; die Staatsverschuldung geht in Frankreich in Richtung 100 Prozent, die Staatsverschuldung in Italien liegt bei 130 Pro­zent, in Zypern bei über 100 Prozent. (Abg. Strache: Bei uns in Richtung 100!)

Wir von der Österreichischen Volkspartei orientieren uns nicht an diesen Staaten. Ich ersuche daher auch den Herrn Bundeskanzler, dass sich Österreich an Deutschland (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Pirklhuber), an den Niederlanden, an den skandinavischen Ländern orientiert in seiner Politik und wir uns auch bei der Lösung der Griechenland-Frage an diesen Staaten orientieren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hübner.)

Deutschland hat eine Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent, eine Staatsverschuldung von unter 70 Prozent. (Abg. Steinhauser: Das ist so billig! Ein Wahnsinn! – Abg. Schatz: Antieuropäisch!) Oder wenn ich mir die Niederlande und Schweden ansehe: unter 8 Prozent bei der Arbeitslosigkeit, Verschuldung 70 Prozent in den Niederlanden, bei den Schweden unter 50 Prozent. (Abg. Matznetter: Schauen Sie sich das an in den Niederlanden!)

Und selbst der französische Staatspräsident Hollande, Kollege Matznetter (Abg. Matznetter: Reden Sie doch einmal mit den Menschen dort!), sagt diese Woche in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ … Wissen Sie, was Hollande sagt? – Nein, Sie wissen es nicht, daher sage ich es Ihnen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Gut, ich gebe Ihnen noch 1 Minute. (Abg. Steinhauser: Nur politische Polemik!)

Jetzt hören Sie zu: Hollande sagt diese Woche in der „Süddeutschen Zeitung“, Europa kann nur mit Deutschland vorankommen, und Deutschland ist die Lokomotive in Europa. (Abg. Pirklhuber: Profiteur!) Ich sage Ihnen: Das ist das, was mich optimis­tisch stimmt, und ich danke Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass er Wolfgang Schäuble in den entscheidenden Stunden unterstützt hat! Das sage ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Österreich muss schon eines wissen: Wir haben eine besondere Beziehung zu Deutschland. (Abg. Kogler: Was hat denn der Kanzler Faymann gemacht! – Abg. Strache: Tsipras unterstützt!) Kollege Kogler, Sie sind einer, der sich in Wirtschafts-


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bereichen doch auskennt, daher werden Sie es wissen: 40 Milliarden € war unser Exportvolumen 2014, 30 Prozent unserer Exporte gehen nach Deutschland. (Abg. Pirklhuber: Griechenland …!) Deutschland ist mit Abstand unser wichtigster Wirt­schaftspartner, ist für unseren Tourismus von Bedeutung. Wir sollten nichts tun, um unser Verhältnis zu Deutschland zu trüben! Das ist einfach meine Bitte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Umso wichtiger sind daher diese drei Kernforderungen, die im Rat beschlossen worden sind und die jetzt Griechenland auf Punkt und Beistrich umzusetzen hat.

Der erste Punkt ist schon gelungen, diese Woche vor zwei Tagen: Straffung des Mehrwertsteuersystems; erste Elemente, um das Pensionsalter auf – Sie hören richtig – 67 Jahre anzuheben. (Zwischenruf des Abg. Mayer. – Abg. Rossmann: Der Patient ist schon tot!)

Zweiter Punkt: Zusage der griechischen Regierung, mit einem Zeitplan, zur Gesetz­gebung, zur Umsetzung der Liberalisierung des Arbeitsmarktes, der Liberalisierung der Produktmärkte. (Ruf bei den Grünen: Anbiederungspolitik!)

Dritter Punkt: Privatisierungen (Abg. Rossmann: Das ist doch ein Hohn! … Massen­entlassungen!) – ja, Kollege Rossmann –, Privatisierungen in der Größenordnung von 50 Milliarden € und Verwaltungsreformen. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber. – Abg. Steinhauser: Dann werden sie in drei Jahren wieder um ein Hilfspaket betteln!)

Diese Kernforderungen sind ohne Wenn und Aber zu erfüllen, und damit kann Griechenland wieder dort anschließen, wo es am Ende des letzten Jahres schon war, nämlich Schritt für Schritt aus dieser Krise herauszukommen.

Schade, dass Griechenland jetzt in einem Zustand ist, wo wir nicht wissen, ob eine Tragö­die abgewendet werden kann. (Abg. Mayer: … ja oder nein?) Sie wissen es: Vor 2 500 Jahren waren es Sophokles und Euripides, die diese ersten griechischen Tra­gödien geschrieben haben. (Abg. Steinhauser: Sie nehmen Ihren Kollegen die Redezeit weg! – Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Was passiert bei diesen griechischen Tragödien? – Dort ist es immer so, dass sich die Protagonisten in Handlungen verstricken, unfähig sind, herannahende Katastrophen zu erkennen, geschweige denn diese abzuwenden, und sie erkennen auch die Tragweite ihrer Handlungen nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Abg. Pirklhuber.) Genau dort steht jetzt Griechenland, und daher war es wichtig, diese strengen Aufla­gen zu erstellen, um dem Spiel der Tragödie von Tsipras und Varoufakis, das sie das letzte halbe Jahr betrieben haben, ein Ende zu setzen. Und das war ein Spiel, das sie hier aufgeführt haben – das sage ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kogler.)

Daher hoffen wir – Schlusssatz von meiner Seite –, dass mit dieser nochmals in Aus­sicht gestellten Hilfe der Euroländer Griechenland einer Katastrophe, die für uns alle sehr, sehr negativ wäre, entgehen kann.

In diesem Sinn stimmen wir dem Verhandlungsmandat zu. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: … Problembär Wolfgang Schäuble …!)

9.59


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende Ing. Dietrich, bevor ich Ihnen das Wort erteile, teile ich noch mit, dass der Entschließungsantrag der Frau Klubvorsit­zen­den Glawischnig-Piesczek ordnungsgemäß eingebracht ist und daher mit in Verhand­lung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 28

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Eva Glawischnig Piesczek; Werner Kogler, Freun­dinnen und Freunde

betreffend Schuldenerleichterungen für Griechenland

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustim­mung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hel­lenischen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.)

Begründung

Im griechischen Parlament wurden  am 15.7.2015 die Vorbedingungen entsprechend der Erklärung des Euro-Gipfels (vom 12.7.2015) für die Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Dieses dritte Hilfspaket soll im Rahmen des ESM abgewickelt werden. Für die grundsätzliche Gewährung von Finanzhilfe kennt der ESM-Vertrag drei Voraussetzungen, die von der Europäischen Kommission (EK) und der Europäischen Zentralbank (EZB) geprüft werden:

Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten: Während in den letzten Wochen – allen voran der deutsche Finanzminister Schäuble – die Ansteckungsgefahr eines drohenden Staats­bankrotts Griechenlands auf politischer Ebene als nicht gegeben dargestellt wurde, kommen Europäische Kommission (EK) und Europäische Zentralbank (EZB) zu dem Schluss, dass die Ansteckungsgefahr kurzfristig eher gering ist, langfristig jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit signifikant, wenn auch nicht einschätzbar, ist.

Schuldentragfähigkeitsanalyse: Während Kommission, EZB und das österreichische Finanzministerium Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der griechischen Schulden äußern, die aber mit entsprechenden Strukturmaßnahmen sicher gestellt werden kann, hat der IWF am Dienstag, 14.7.2015, eine aktualisierte Analyse veröffentlicht, wonach Griechenlands Schuldenlast „absolut untragbar“ ist. „Griechenlands Schulden können nur mit Maßnahmen zur Schuldenerleichterung tragfähig sein, die viel weiter gehen, als Europa bislang vorgesehen hat.“

Finanzierungsbedarf des betreffenden ESM-Mitglieds: Derzeit wird ein Finanzierungs­bedarf von 82 bis 86 Mrd. Euro unter Beteiligung des IWF veranschlagt. Der Schuldendienst, also Tilgungs- und Zinszahlungen, macht dabei den größten Teil mit rund 51,6 Mrd. Euro aus. Ein weiterer wesentlicher Teil  sind die Finanzierungs­bedürf­nisse des Bankensektors mit rund 25 Mrd. Euro.

In der aktualisierten Schuldentragfähigkeitsanalyse kommen Experten des Internatio­nalen Währungsfonds (IWF) zu dem Schluss, dass die Schulden Griechenlands „hochgradig nicht tragbar“ sind. Das bedeutet, dass Griechenland seine Schulden nicht tragen und gleichzeitig wieder auf eigene Beine kommen kann. Der Schuldenberg Griechenlands - so die Experten des IWF - werde nur dann wieder Wirtschaftswachs­tum erlauben und damit erträglich werden, wenn es neben einer raschen Vereinbarung über das dritte Hilfsprogramm auch Schuldenerleichterungen gibt, die weit über das hinausgehen, was die Euro-Staaten bisher zuzugestehen bereit waren. Mit anderen Worten: die Schulden Griechenlands werden nicht tragfähig, wenn die Euro-Staaten in ähnlichem Ausmaß wie bisher nur Zinsen senken, strecken bzw aussetzen oder Fälligkeitstermine von Darlehen weiter in die Zukunft verlagern. Stattdessen müssten


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die Euro-Staaten ihre Schuldenerleichterungen für Griechenland deutlich ausweiten. Damit ist aber eine der Eingangsvoraussetzungen des ESM-Vertrags für die Aufnahme von Verhandlungen für ein Hilfsprogramm nicht erfüllt.

Der IWF geht davon aus, dass bis Ende 2018 mit einer Schuldenquote von 200 Pro­zent des griechischen Bruttoinlandsprodukts zu rechnen ist. 2022 sollen es 142% des BIP sein. Als tragfähig werden weithin Schuldenquoten von 120% des BIP angesehen. Die Euro-Staaten verlangen von Griechenland zwar zahlreiche so genannte „Reformen“ zum Teil mit Eingriffen in die staatliche Souveränität Griechenlands (unter anderem quasi-automatische Ausgabenkürzungen bei Nichterreichung der Budget­ziele), gleichzeitig wird einer notwendigen Schuldenerleichterung keine entsprechende Priorität zuerkannt. Die Euro-Staaten sind lediglich bereit, einen möglichen längeren Tilgungsaufschub sowie längere Rückzahlungsfristen „zu erwägen“, falls Griechenland allen geforderten Verpflichtungen im Rahmen des dritten Hilfsprogramms nachkommt.

Ein großer Teil des geplanten dritten Hilfspakets für Griechenland muss verwendet werden, um Schulden zu tilgen und die Banken zu rekapitalisieren. Bei gegebenem Kür­zungsdiktat ohne prioritäre Schuldenerleichterung werden somit die gewährten Darlehen der Staaten der Eurozone wieder nicht bei der griechischen Bevölkerung ankommen, um etwa die sozialen und humanitären Auswirkungen der bisherigen Spar­diktate zu beseitigen. Überdies erlauben die geforderten, unrealistisch hohen Primär­überschüsse zum Abbau von Schulden auf Jahrzehnte hinaus keinen Spielraum für die dringend notwendigen Investitionen zum Aufbau  und zur Erneuerung der griechischen Wirtschaft. Die in der Einigung am Euro-Gipfel vorgesehenen Investitionsmöglichkeiten aus Privatisierungserlösen und aus dem EU-Haushalt sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Eine Schuldenerleichterung Griechenlands ist daher ökonomisch sinnvoll und eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Griechenland seine Schulden tragen und gleichzeitig wieder auf eigene Beine kommen kann.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck dafür einzu­setzen, dass eine Schuldenerleichterung Griechenlands als prioritäre Maßnahme in Angriff genommen wird, um Griechenland budgetären Spielraum für die Beseitigung der sozialen und humanitären Auswirkungen und für notwendige Investitionen und Zukunftsperspektiven zu verschaffen.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende, jetzt gelangen Sie zu Wort. – Bitte.

 


10.00.01

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Angela Merkel hat einen tollen Satz von sich gegeben, nämlich: Die wichtigste Währung ist verloren gegangen, und das ist Vertrauen und Verlässlichkeit.

Dieses Zitat, diese Meinung können wir zu 100 Prozent unterstützen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), denn es stellt sich die Frage: Wem sollte man in dieser Situation noch Vertrauen schenken? Dem griechischen Volk, das mit 61 Prozent gegen alle


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weiteren Spar- und Reformmaßnahmen gestimmt hat? Dem griechischen Minister­präsidenten, der im eigenen Parlament gegen die Vereinbarung mit der EU ge­sprochen und gesagt hat: Ich bin erpresst worden, ich habe keine andere Wahl gehabt!? Oder sollen wir einer griechischen Regierung vertrauen, die schon längst nicht mehr die Mehrheit hat? – Ich sage Ihnen: Wir haben kein Vertrauen mehr zu den griechischen Verhandlern. (Beifall beim Team Stronach.)

Wir sollen heute im Parlament eine Entscheidung treffen, die den Finanzminister beauftragt, das nächste Sparpaket, das nächste Rettungspaket zu verhandeln.

Ich frage mich, wer soll da gerettet werden: das griechische Volk? Ich glaube, es ist in den letzten Jahren nicht gelungen, dem griechischen Volk tatsächlich zu helfen. Sollen wiederum Banken gerettet werden, oder sind es die Spekulanten, denen man schon wieder eine Hilfestellung geben will?

Ich sage Ihnen von dieser Stelle: Das griechische Volk hat eine Entscheidung getrof­fen, und diese Entscheidung müssen wir respektieren. Die Griechen sind nicht um­sonst auf der Straße, mit Schildern, auf denen steht: Kippt das Rettungspaket!, Nein zur Politik von EU, IWF und EZB!

Meine geschätzten Damen und Herren! 216 Milliarden € – unfassbare 216 Milliar­den € – sind bereits in die Rettung von Griechenland geflossen. Jeder Österreicher hat ungefähr 1 000 € dazu beigetragen. Und was haben wir tatsächlich bewirkt? Geht es dem griechischen Volk tatsächlich besser? – Im Gegenteil: Den Menschen geht es schlechter!

Heute sollen wir wiederum den Finanzminister ermächtigen, über weitere 86 Milliar­den € zu verhandeln. Mittlerweile geht es nicht nur um Griechenland, mittlerweile geht es um die gesamte Währungsunion. Wir sind an einem Scheideweg angelangt, und das heißt: Jeden Schritt, den wir jetzt setzen, müssen wir in voller Verantwortung setzen, denn wenn wir jetzt den Griechen sämtliche Schulden erlassen – nach dem Motto: na ja, sind eh nur 1,2 Prozent der Bevölkerung –, dann wird das nächste Land kommen und sagen: Was für die Griechen gilt, das muss für uns auch gelten! – Deshalb ist höchste Verantwortung in diesem Bereich gefordert.

Es gibt nur zwei Wege. Der erste Weg: Wir bewegen uns in Richtung Transferunion, in der der Norden auf Dauer den Süden finanziert – ein Weg, den wir auf keinen Fall mittragen werden. Der zweite Weg: Wir haben uns strenge Richtlinien auferlegt, und die muss jeder Mitgliedstaat einhalten. (Beifall beim Team Stronach.)

In diesem Bereich, meine geschätzten Damen und Herren, darf es auch kein Denk­verbot geben. Auch die Ansätze von Finanzminister Schäuble müssen diskutiert wer­den, in allen Bereichen, denn das, was wir bisher getan haben, Geld in Unmengen hinunterzuschicken und niemandem zu helfen, das kann auf Dauer nicht der richtige Weg sein.

Ein Grexit – keine Frage – wäre teuer, aber ein europäischer Länderfinanzausgleich unfinanzierbar. Meine geschätzten Damen und Herren, laut einem geheimen Bericht des IWF – so meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ein geheimes Dokument – steht Griechenland noch viel schlechter da. Laut diesen Berechnungen steigen die griechischen Staatsschulden in den kommenden zwei Jahren auf fast 200 Prozent des BIP! Ein Fass ohne Boden!

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler und Herr Finanzminister, wenn Sie jetzt wieder Geld nach Griechenland schicken, erklären Sie das bitte den Österreichern, erklären Sie das unseren Steuerzahlern, die belastet sind ohne Ende, die nicht mehr wissen, wie sie die hohen Abgaben leisten sollen, dass Sie wieder Geld hinunterschicken! Erklären Sie es unseren Unternehmern, die kriminalisiert werden, dass Sie Geld in ein


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total korruptes System geben! Erklären Sie es vor allem den 400 000 Arbeitslosen, die darauf hoffen, dass es endlich eine Ankurbelung seitens des Bundes gibt, dass Infra­strukturprojekte umgesetzt werden, dass das Geld nicht in Österreich bleibt, sondern nach Griechenland kommt!

In diesem Zusammenhang wird sehr gerne das Wort „Solidarität“ strapaziert. Soli­darität gilt aber nicht nur den Griechen gegenüber, Solidarität muss auch unserer Bevölkerung gegenüber gelten! (Beifall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren, die griechische Tragödie wird zu einer Krise für ganz Europa. Wir haben heute schon einen Milliardenschaden, das wissen wir, und jetzt schicken wir weiter Geld hinunter. Das Rettungspaket wird voraussichtlich nicht dem griechischen Volk zugutekommen, sondern wiederum nur Banken und privaten Kreditgebern. Ein Kollege von mir nannte den ESM einen Kirtag für Spekulanten. – Ich muss ihm leider recht geben. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir fühlen uns den Österreichern verpflichtet – und damit ein klares Oxi, also ein klares Nein, vom Team Stronach zu weiteren Zahlungen nach Griechenland! (Beifall beim Team Stronach.)

10.06


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


10.06.43

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Unab­hängig vom Ergebnis dieser Verhandlungen bin ich der Meinung, dass die Treffen der Finanzminister und auch der Regierungschefs am Wochenende wohl einer der traurigsten Tiefpunkte der vergangenen Monate waren. Demütigungen – und so sehe ich das –, Demütigungen, wie sie jetzt geschehen sind, haben eigentlich innerhalb der EU nichts verloren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: … permanente Demütigung!)

Ich möchte hier einmal ausdrücklich begrüßen, dass Sie, Herr Bundeskanzler, sich von solchen Vorgehensweisen distanziert und stattdessen gemeinsam mit Frankreich und Italien deeskalierend eingegriffen haben. Das ist wichtig, denn Deeskalation ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um letztendlich zu einem Kompromiss zu kommen. (Ruf bei der ÖVP: Weiß das Tsipras auch?)

Ich bin überzeugt, dass die Stärke und die Legitimität der EU nur in einer gemein­sa­men Suche nach Lösungen liegen kann, und das muss auf Augenhöhe geschehen. Ich hoffe sehr, dass wir wieder dorthin zurückfinden, denn letztendlich ist die EU auf Solidarität aufgebaut.

Ich will das beschlossene Reformpaket nicht schönreden, wir SozialdemokratInnen hätten uns definitiv mehr Spielraum für Investitionen gewünscht, denn dieses Paket setzt wieder zu einem großen Teil auf den meiner Meinung nach paradoxen Versuch, Griechenland durch immer neue Sparprogramme aufzupäppeln – an sich schon ein Paradoxon, ein Ansatz, der in den letzten fünf Jahren schon nicht erfolgreich war, ganz im Gegenteil.

Die Einigung hat aber auch etliche positive Aspekte, die meiner Meinung nach dann doch überwiegen. Wir haben den Grexit verhindert, das wurde heute schon öfters angesprochen, und damit auch den Staatsbankrott Griechenlands. Der Grexit hätte für alle Seiten – für Griechenland, für die EU, aber auch für Österreich – schlimme Folgen gehabt. (Abg. Hübner: Welche?) Für die Menschen in Griechenland hätte ein Grexit den absoluten Einbruch der Wirtschaft, der Beschäftigung und auch der sozialen Systeme bedeutet, die neue Währung hätte schlagartig an Wert verloren. Importe –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 32

das wurde heute schon gesagt – würden viel teurer werden, dazu zählen aber die Hälfte der Lebensmittel, vier Fünftel der Energie und fast alle Medikamente. Das heißt, die Leute könnten sich dann nichts mehr leisten, auch nicht die lebensnotwendigen Grundlagen.

Wir wissen, dass schon jetzt die Situation für die Bevölkerung in Griechenland sehr schwierig ist. 36 Prozent der Bevölkerung sind von Armut gefährdet, 2,5 Millionen Griechinnen und Griechen leben ohne Krankenversicherung, und 50 Prozent der Jugendlichen haben keinen Job, keine Ausbildung und keine Perspektive.

Steigt Griechenland aus dem Euro aus, dann kann es seine Schulden nie mehr bezahlen, und damit ist auch das Geld, das Österreich investiert hat, weg. Wir fordern also hier nicht, wie die FPÖ das tut, die Vernichtung des Geldes, das wir bereits in Griechenland investiert haben.

Abgesehen vom Finanziellen möchte ich aber noch einen weiteren wichtigen Punkt einbringen: Wir können doch beim besten Willen kein Interesse daran haben, gerade in dieser noch immer sehr instabilen und konfliktreichen Balkanregion, Griechenland ins absolute Chaos versinken zu lassen. Das würde Österreich auch weiterhin schaden.

Der Grexit ist also keine Option. Nach dem permanenten Ausnahmezustand Griechen­lands der letzten Monate gibt es jetzt endlich Luft, sich wirklich auf die Maßnahmen zu konzentrieren, und etwas Zeit für diese neue Regierung. Mit dem Hilfspaket sichern wir die Finanzierung für die nächsten drei Jahre, und wir werden die griechische Regierung daran messen, wie sie damit umgeht, die Oligarchie, den Nepotismus zu bekämpfen, ein Grundbuch und funktionierende Steuerbehörden einzuführen.

Einen wichtigen Punkt möchte ich noch erwähnen: Es ist uns gemeinsam mit Italien und Frankreich gelungen, im neuen Hilfspaket erstmals explizit auch das Bekenntnis zu Investition, Beschäftigung und Wachstum festzuschreiben. Ich glaube, das ist sehr wichtig, und das bestätigen zum Beispiel auch Karl Aiginger und Kurt Bayer, beide Exper­ten in Wirtschaftsfragen; sie sprechen von einem Wendepunkt, den es jetzt in der europäischen Politik gibt. Sie sagen, jetzt ist der Wendepunkt gekommen, dass den schwächeren Mitgliedern in der EU geholfen werden muss, und es muss zu einem gesamteuropäischen Wendepunkt kommen, indem eine Strategie für Innovationsför­derung, Investitionen in Bildung und eine ökologische Wirtschaft forciert werden.

Mit diesen Maßnahmen werden wir sowohl Griechenland als auch die EU wieder auf den rechten Weg bringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.12


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz zu Wort. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


10.12.48

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Regie­rungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie, vor den Bildschirmen, vor den Fernsehbildschirmen, Computern! Griechenland beschäftigt uns alle, glaube ich, dieser Tage. Im Rahmen der heutigen Sondersitzung im österreichischen Nationalrat haben wir die Aufgabe, dieses sogenannte dritte Rettungspaket zu bewerten und hier grünes Licht zu geben – oder eben nicht (Abg. Tamandl: Für Verhandlungen!) – für die Verhandlungen.

Was ist das Ziel dieser Bestrebungen? – Ich glaube, betreffend das Ziel gibt es große Einigkeit über sämtliche Parteien hinweg in diesem Hohen Haus. Das Ziel ist, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen steht. Das Ziel ist, dass die griechische Bevölkerung nicht in der Form, wie es sich in den letzten Monaten abgezeichnet hat, leidet, dass sich nicht das völlige Chaos in Griechenland ausbreitet.


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Wir ringen hier gemeinsam um die richtigen Antworten. Jetzt liegt hier dieses dritte Rettungspaket auf dem Tisch, und es ist für uns NEOS keine einfache Entscheidung gewesen. Wir sind in unserem Selbstverständnis wirklich brennende, feurige Europäer. Wir glauben daran, dass dieser Kontinent sich in den großen Fragen gemeinsam orga­nisieren muss: nicht Glühbirne, sondern Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Wirtschafts­politik; den Wohlstand werden wir gemeinsam organisieren müssen, die Sicherheit wer­den wir gemeinsam organisieren müssen, die Nachbarschaftspolitik. Deswegen war es für uns natürlich nicht so einfach, zu diesem Nein zu kommen, zu dem wir gekommen sind, weil viele das auch als mangelnde europäische Solidarität deuten.

Ich möchte hier ausführen, warum wir zu einem Nein kommen: aus Liebe zu Europa und in Solidarität mit der griechischen Bevölkerung. Wir kommen zu einem Nein, weil wir dieses dritte Rettungspaket für eine Fortsetzung der Insolvenzverschleppung halten. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Das können wir der griechischen Bevölkerung nicht zumuten, und das sollten wir Europa nicht zumuten.

Es ist eine unmutige Lösung, es ist eine Lösung, die natürlich auch in einem beklem­menden Showdown zustande gekommen ist. Und wenn der griechische Regierungs­chef sagt, er glaube an die meisten Maßnahmen nicht und er sei erpresst worden, deswegen habe er zugestimmt, dann bin ich zumindest einmal in den letzten Monaten aufseiten von Alexis Tsipras. Ich glaube an viele der Maßnahmen nicht, und ich bin nicht bereit, mich als Oppositionsfraktion erpressen zu lassen, im Sinne von: Da liegt es jetzt auf dem Tisch, das müssen wir machen, sonst bricht totales Chaos aus! (Abg. Darmann: … schon gar nicht erpressen lassen!)

Mir ist schon klar, dass wir darauf schauen müssen, was passieren würde, wenn wir dieses Paket nicht verabschieden, aber dafür gibt es Antworten. Wir müssten sofort entschlossene humanitäre Hilfe nach Griechenland schicken; wir könnten natürlich und müssten auch sofort für eine Stabilisierung der Banken in Griechenland sorgen. Das können wir durch eine Direktrekapitalisierung und Kontrolle der griechischen Banken durch den ESM samt Bail-in der Gläubiger erreichen. (Abg. Wöginger: Das gibt es alles gratis!) – Da gibt es nichts gratis. In Griechenland gibt es gar nichts mehr gratis, das ist das Problem. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Ich glaube nicht, dass die ÖVP jetzt hier vollmundig herausrufen sollte, da gibt es etwas gratis. Erstens: Die griechische Tragödie wurde in Griechenland über Jahr­zehnte durch korrupte Regierungen, die von Konservativen oder Sozialdemokraten angeführt wurden, verbrochen. (Beifall bei den NEOS.)

Diese Regierungen wurden gewählt, gewählt von der Bevölkerung – das muss man auch sagen; die Bevölkerung ist nicht aus der Verantwortung zu nehmen –, aber diese Tragödie wurde von korrupten Regierungen herbeigeführt. Das ist der erste Punkt.

Sie hätten Ihren Schwesterparteien – die sind ja Mitglied bei der Europäischen Volks­partei und bei den Sozialdemokraten in Europa – bei den europäischen Treffen auf die Finger klopfen müssen, so wie Sie unseren ungarischen Nachbarn, zumindest dem Regierungschef, schon längst auf die Finger klopfen sollten. (Beifall bei den NEOS.)

Das verstehe ich unter europäischer Solidarität. Man kann doch nicht immer wegschauen, wenn jemand in völlige Verirrungen geht, und dann am Ende sagen: Dann müssen wir halt die Rechnung zahlen! Das ist dem österreichischen Steuerzahler auch nicht zumutbar.

Also: Banken stabilisieren und ein humanitäres Rettungspaket, damit natürlich die Gesundheitsversorgung gewährleistet ist, Gesundheitssystem, Bildung et cetera. Mittel- und langfristig ist dieses Paket aber keine Lösung, sondern wir werden so sicher


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wie das Amen im Gebet weitere Schnitte, weitere Verhandlungsrunden mit Griechen-land haben.

Sie wissen, dass der Schuldenberg von 320 Milliarden € von den Griechen nicht zu tragen ist. Und Sie wissen auch, dass das ESM-Regime eigentlich rechtlich gar nicht zulässig ist, weil drinnen steht: ESM kommt nur infrage, wenn die Schuldentrag-fähigkeit gewährleistet ist. Selbst der Internationale Währungsfonds – nicht nur NEOS – sagt, die Schuldentragfähigkeit ist nicht gewährleistet. Das heißt, wir beugen einmal mehr europäisches Recht. Jetzt könnten wir sagen: Wenn wir damit Menschen helfen, dann machen wir es halt! – Auch nicht schön, aber dann könnten wir darüber reden, dass man hier zu anderen Interpretationen kommt.

Das Thema ist aber, das Geld kommt nicht bei den Menschen an. Wir haben es nach-gerechnet: 92 Prozent des Nettokapitalbedarfs von 81,7 Milliarden €, die von August 2015 bis Juli 2018 fließen, gehen in den Schuldendienst und in die Bankenret-tung. Das heißt, wir schicken Geld im Kreis, und es kommt bei den griechischen Bürgerinnen und Bürgern nicht vorbei! Das Thema Wachstum ist natürlich auch nicht genügend adressiert. Wie kommen denn Arbeitsplätze in Griechenland zustande, wenn wir das Geld im Kreis schicken?

Und ja, Herr Bundeskanzler, ich sehe das harte Ringen, ich unterstelle da niemandem irgendwie Böswilligkeit, sondern das war ein tougher Job und da haben sich alle „einig’haut“, nur das Ergebnis ist ungenügend.

Wenn Griechenland mit 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in dieser Europäischen Union die gesamte Union, den ganzen Kontinent und die halbe Welt über Jahre in seinen Bann ziehen kann, dann müssen wir doch erkennen, dass da die Prozesse, die Regelwerke nicht stimmen. – Und dazu habe ich gar nichts gehört. Wir gehen aus dieser nächsten Runde der Versäumnisse heraus, ohne dass wir die Regeln, die Pro­zesse entschlossen ändern. Das hätten wir mitbeschließen müssen. Das ist euro­päische Solidarität! (Beifall bei den NEOS.)

Da geht es um die Zukunft unserer Kinder – und nicht nur der griechischen, die uns aber auch wichtig sind. Natürlich ist es beklemmend, wenn die Selbstmordrate steigt und die Säuglingssterblichkeit steigt. Europa wird alles tun müssen, um da eine Trend­umkehr zu schaffen, so die Daten stimmen, die hier am Tisch sind. Das kann nicht Europa sein!

Was ist die Lösung, die wir anstreben und seit drei Jahren – seit es NEOS gibt – propa­gieren? – Eine geordnete Insolvenz mit einem Schuldenschnitt. Wir brauchen einen Schuldenschnitt, und Sie machen jetzt einen versteckten Schuldenschnitt; so irgendwie hintenherum. Sie werden in zwei, drei Jahren wieder am Verhandlungstisch sitzen, wo Sie den verdeckten Schuldenschnitt ein bisschen expliziter machen müssen: durch Strecken, durch Zinssenkungen et cetera. Zahlen wird es trotzdem der Steuerzahler. Ich mag das nicht mehr, dass beim europäischen Gemeinschaftsprojekt mit so unlauteren Methoden herumgemurkst wird. Das ist nicht ehrlich! (Beifall bei den NEOS.)

So kann das auch keinen Rückhalt bei der Bevölkerung bekommen, wenn wir uns immer vor der Wirklichkeit wegducken und sagen, dass wir es irgendwie so hintricksen müssen, dass wir die Zustimmungen bekommen. Das geht so nicht. Wir müssen reinen Wein einschenken, und dann werden sich die europäischen Völker auch dazu bekennen müssen, ob sie in diesem gemeinsamen Europa leben wollen.

Deswegen brauchen wir einen entschlossenen Neustart für Griechenland mit Schul­denschnitt und einer geordneten Insolvenz. Herr Bundeskanzler, nehmen Sie alle Entschlossenheit zusammen; wir brauchen – und das ist meine Bitte – einen neuen


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Verfassungsprozess in Europa, womit wir die Institutionenlandschaft und auch die Zusammenarbeit sowie die Prozesse neu ordnen, mit welchen wir zu gemeinsamen Lösungen kommen.

Wenn wir das nicht machen, dann ist das nur die Ouvertüre – und dann geht es mit diesem Kontinent wirklich munter bergab. Das ist meine Adresse an die Regierungs-chefs. Es ist nicht eine Schwäche der Europäischen Union, sondern eine Schwäche und ein Versäumnis der Regierungschefs der Euro-Gruppe und der Europäischen Union (Beifall bei den NEOS), der nationalen Regierungen, die da in den letzten Jahren versagt haben.

Insofern sehe ich Ihren Einsatz, aber inhaltlich bin ich hier nicht zu denselben Schlüs­sen gekommen wie Sie. Europa wird hier einen ganz anderen und viel entschlosse­neren Auftrag von den Völkern brauchen; deswegen brauchen wir einen Konvent, der auch die Bevölkerungen mit auf den Weg nimmt, und dann sollten wir auf Basis eines neuen Verfassungsvorschlages tatsächlich in Abstimmungsprozesse in allen National­staaten gehen, in deren Rahmen sich alle europäischen Völker der 28 EU-Staaten noch einmal mit einem Bekenntnis zur Europäischen Union stellen. Lieber marschiere ich mit 25, die ein erneuertes Commitment, ein umfassendes Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa haben, als mit 28, von denen die Hälfte knieweich unterwegs ist. Das wird für die Zukunft nicht reichen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Weninger: Wer sollen die drei sein?!)

10.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundeskanzler Faymann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


10.23.15

Bundeskanzler Werner Faymann: Werte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Regierung! Sehr verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Natürlich hat die Eurozone eine Währung geschaffen und nicht ausreichend Instrumente vorgesehen. Es lässt sich im Nachhinein immer etwas sagen; aber es muss gesagt werden, dass die Eurozone zwar stark genug war, dass es für die meisten Länder bei Staatsanleihen, bei der Staatsverschuldung und der Schulden­tragfähigkeit ein Vorteil war, in dieser Währung zu sein, dass aber durch die Wirt­schaftskrise eine Spekulation begonnen hat, die davor einiges nicht sichtbar gemacht hat – nämlich sowohl den Einfluss und die Macht der Finanzmärkte, aber auch die Wett­be­werbsfähigkeit, die hinter der Währung steht. Die konnte sich natürlich durch diese gemeinsame Eurozone etwas im Verborgenen halten.

Seit 2008 wissen wir, dass die Finanzmärkte teils sehr bewusst, absichtlich und spekulativ, andererseits aber auch basierend auf gewissen Unterschieden, die es zwischen den Ländern gibt, ihre Politik verändert haben. Es gibt Länder, die seit 2008 bei den Anleihen, die sie begeben, profitiert haben. Dazu gehört Österreich. Österreich gehört zu jenen Ländern, über die wir seit zwei Wochen sagen können, dass wir da mit einer zehnjährigen Staatsanleihe mit 1,14 Prozent und einer fünfjährigen Staatsanleihe mit 0,11 Prozent Verzinsung die Tiefstände der letzten Jahre halten. Es gibt ganz wenige Anleihen, die ein ähnliches Zinsverhältnis gebracht haben.

Es ist aber nicht nur so, weil wir gerade an sich niedrige Zinsen haben – das stimmt –, sondern weil auch die Kluft beim Vertrauen der Finanzmärkte aufgegangen ist (Abg. Stefan: Fehlkonstruktion!) zwischen Ländern, die sie – unter Anführungszeichen – „bestrafen“, weil sie gar kein Geld mehr auf dem Markt bekommen, und Ländern, die höhere Zinsen zahlen, und schließlich Ländern wie Österreich, Deutschland, Nieder­lande, die sogar davon profitieren, weil daher noch weniger Zinsen zu bezahlen sind.


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Es ist also diese Eurozone – erkennbar an diesem Beispiel – auseinandergerissen (Ruf bei der FPÖ: Das war nicht abzusehen?), und jene, die in der Wettbewerbsfähigkeit nicht stark genug waren, haben seither auch mit höheren Zinsen für Staatsanleihen zu kämpfen. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Warum sage ich das? – Ich sage das, weil wir natürlich in dieser Situation auch davon profitiert haben, besser bewertet zu werden, und weil der stabile Kurs, den Österreich fährt, natürlich für uns auch ein Vorteil ist – aber ein Nachteil für viele andere. Wenn Sie daher sagen, dass Sie Griechenland oder den Menschen dort helfen wollen, dann muss doch die Hilfe darin bestehen, dass sie am Markt wieder Geld bekommen, dass sie wieder aus eigener wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit in die Lage kommen, die Kaufkraft der Bevölkerung zu steigern, am Markt Geld aufzunehmen, mit ihrem Haushalt selbst zurechtzukommen und nicht auf die Hilfe von Gläubigern, wer immer das ist, angewiesen zu sein.

Nun gebe ich Ihnen recht: Es gibt wahrscheinlich gar kein Paket, auch keines, das wir vielleicht hier miteinander schnüren würden, das die Griechen von heute auf morgen in diese Situation bringen würde. Es gibt jetzt einen Versuch, einen ersten Schritt eines harten Weges mit einer Chance, den Grexit in der Folge abzuwenden. Es gibt aber keine Garantie. Dieser erste Schritt eines harten Weges soll durch einen Finanz-rahmen von 82 bis 86 Milliarden € über drei Jahre die Möglichkeit geben, diesen Weg Richtung eigenständiger Entscheidung Griechenlands – und nur um das kann es gehen – zu gehen.

Das ist etwas, bei dem man der Meinung sein kann, das ist zu wenig, das werden die schaffen, nicht schaffen oder schwer schaffen. Es wird jedenfalls ein harter Weg sein. Die Frage, die also für uns heute zu entscheiden ist, ist folgende: Geben wir einem Mitglied der Eurozone – bei all diesen Vorgeschichten, die wir kennen – die Chance, diesen ersten Schritt eines harten Weges, von dem niemand als Prophet wirklich weiß, wie er genau weitergeht, zu gehen? (Ruf bei der FPÖ: Das war ja schon zwei Mal der Fall!) Geben wir diese Chance oder geben wir sie nicht? (Abg. Strache: Na gebt ihnen noch eine Chance!)

Nun weiß ich, dass viele Mitglieder dieses Hauses, auch solche, die heute nicht mit­stimmen, eigentlich für die Chance sind. Daher kann ich nur appellieren: Würden wir jetzt gemeinsam sagen, weil uns in dem Programm das eine oder das andere nicht passt, dass wir ihnen diese Chance nicht geben, dann heißt das, tatsächlich einen Grexit herbeizuführen. (Abg. Darmann: Sie wissen aber schon, dass es schon meh­rere Chancen gegeben hat?!)

Sie (in Richtung des Abg. Darmann, welcher am Platz des Abg. Kickl sitzt) habe ich nicht im Verdacht gehabt, dass Sie Griechenland unterstützen oder den armen Menschen dort helfen wollen. Sie habe ich gar nicht gemeint. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Außerdem muss das mit dem Sessel zusammenhängen, denn dort sitzt immer der Herr Kickl, der solche Zwischenrufe macht; der fehlt aber heute. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Darmann, Stefan und Strache.)

Die Schuldentragfähigkeit eines Landes ist natürlich zu beurteilen, und die Schulden-tragfähigkeit eines Landes ist davon abhängig, wie die Fragen danach – wie denn die Finanzen eines Landes in den nächsten Jahren aussehen, ob das Land in der Lage ist, die Schulden auch zu bedienen – zu beurteilen sind. Hier sagt der IMF, dass etwas geschehen muss. Ob das jetzt ein nichtklassischer Schuldenschnitt ist, ob man so wie bei Irland gewisse teure Kredite durch andere ersetzt, ob gewisse Kreditlaufzeiten gestreckt werden, man sieht, dass hier die Finanzminister und die Finanzexperten sicher noch einiges zu tun haben werden.


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Der IMF sagt in seiner Definition aber auch, dass etwa 15 Prozent gemessen am BIP für die Bedienung der Schulden diese Schuldentragfähigkeit ergeben würden.

Es stimmt also nicht, dass wir zu einem Zeitpunkt ein Programm beschließen, zu dem wir dieses Thema der Schuldentragfähigkeit nicht auch zu bearbeiten haben oder wir von vornherein wissen, dass das sowieso nicht funktionieren kann. Nein! Mit gewissen Maßnahmen, die im rechtlichen Rahmen durchaus auch möglich sind, sind die Finanzminister, sind die Finanzexperten sehr wohl bemüht, diese Möglichkeiten, die existieren, für die Schuldentragfähigkeit herzustellen.

Nun gibt es in diesem Programm eine Reihe von positiven Punkten, und man muss doch wissen, dass, wenn jemand wie Griechenland ein Programm mit 18 anderen Gläubigern verhandelt, da nicht nur zählt, was wir sagen – vorausgesetzt, wir würden uns auf dieselben Bedingungen einigen. Es zählt doch, wenn man mit 18 Gläubigern verhandelt, auch nicht die Mehrheit. Es zählen auch nicht die Größeren oder die Kleineren. Man muss sich mit allen 18 einigen. Das heißt, dass es für Griechenland natürlich eine nicht einfache Aufgabe war, hier 18 Gläubigern – in Form von Institu­tionen, Finanzministern – gegenüberzustehen, die allesamt versucht haben, hier zu einem gemeinsamen Programm zu kommen, das auch von den jeweiligen Ländern getragen wird.

Deshalb war es eine besondere Leistung, diese Chance – und mehr ist es nicht –, aber diese ernsthafte Chance – und die ist es – herauszuarbeiten. Deshalb bedanke ich mich auch bei unserem Finanzminister. (Ironische Heiterkeit des Abg. Pirklhuber.) Ich bedanke mich für das Zusammenspiel bei all den Unterschieden, die es auf euro­päischer Ebene – nicht in unserer Regierung, aber auf europäischer Ebene – gegeben hat, um diese Chance herauszuarbeiten, sodass wir heute überhaupt in der Lage sind, einen Beschluss zu fassen, der den Finanzminister und damit uns ermächtigt, hier im Rahmen des ESM tätig zu werden. Das ist nämlich die Voraussetzung für die Chance, die wir für Griechenland wollen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch etwas zum Grexit und zu dieser Frage, ob wir eigentlich nur den Banken helfen, sagen. Wenn ein Pensionist vor einer Bank steht und weint, dann ist das für uns alle ein schreckliches Bild, das zeigt, dass Menschen, die hart gearbeitet, sich ein bisschen etwas erspart haben, plötzlich keinen Zugriff mehr zum Geld haben. (Abg. Kogler: Geh bitte! – Abg. Hagen: Na bitte!) Das Schließen von Banken kann kein Ziel sein, um Menschen zu unterstützen. Deshalb ist diese Aussage, dass wir nur den Banken helfen (Zwischenruf der Abg. Fekter), so leichtfertig, weil Banken natürlich eine Rolle bei den Finanzkreisläufen dahin gehend spielen, dass jemand, der sein Geld dort hat, vor einer geschlossenen Filiale steht und das Geld nicht mehr bekommt, dass ein Betrieb, der für seine Produktion, für seine Produkte, für seine Arbeit, für seine Arbeiter einkaufen möchte, das Geld nicht mehr bekommt.

Es geht also darum, dass nicht nur insbesondere ausländische Banken – die ja im Großen und Ganzen dort kein Exposure mehr haben (Abg. Kogler: Ja, weil wir sie alle rausgelassen haben!) – in Sicherheit kommen, sondern dass natürlich auch die griechi­schen Banken in eine Situation versetzt werden, in der die griechische Wirtschaft arbeiten kann und in der die Menschen, die dort Geld haben, auch mehr als 60 € am Tag abheben können. (Abg. Hagen: … vier Jahre lang geschlafen?!) Für diese Form der nachhaltigen Finanzpolitik muss man schon eintreten und das nicht leichtfertig damit abtun, dass dann halt die Banken zusperren und es eh nur die Banken trifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin davon überzeugt, dass Punkte, die sich in diesem Programm finden – wie etwa die 35 Milliarden € für Wachstum, die aus dem siebenjährigen Finanzrahmen zusam-


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men­gestellt werden sollen –, auch nicht so einfach umzusetzen sind, wie sie sich auf Papier schreiben lassen. Aber diesen Ansatz, durch Frontloading, durch existierende Programme, die man vorzieht, die man früher einsetzt, und durch das Setzen von Prioritäten auch bewusst Investitionen zu fördern, unterschreibe ich zu 100 Prozent, denn letztlich kann man sich aus der Krise nur herausinvestieren; und diese Inves­titionen werden ein ganz wichtiger Punkt sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie daher darauf hinweisen, dass gerade jetzt, da wir wie heute in eine Phase der Europäischen Union kommen, in der es darum geht, die Rolle Österreichs aktiv einzusetzen, der Zusammenhalt Europas und unsere Exporte etwas damit zu tun haben, wie stark und wie groß diese Eurozone ist, wie es den Menschen in anderen Ländern Europas geht, wie es dort um die Kaufkraft, um die Wirtschaft und um die gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit bestellt ist. Es darf nicht einfach gesagt werden, dass es dann halt einer weniger ist oder zwei – oder Sie waren schon bei drei – weniger sind; dann sagt einer, dass die Spekulanten erreichen werden, dass wir fünf weniger sind. Nein! Dieses gemeinsame Europa ist der Ast, auf dem wir sitzen.

Wir gehören in dieses gemeinsame Europa, wir profitieren auch von diesem gemein­samen Europa, und deshalb haben wir auch Verantwortung für dieses gemeinsame Europa.

Daher ersuche ich Sie, zuzustimmen. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Tamandl zu Wort. – Bitte.

 


10.36.01

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Herr Bundeskanzler! Auch unsere Regierung hat Unterschiede, auch gravierende Unterschiede, aber ich bin davon überzeugt, wenn ich die alle aufzählen müsste, wäre meine Redezeit zu Ende und die Frau Präsidentin würde mich wahrscheinlich zur Sache rufen. (Abg. Königsberger-Ludwig: Das war aber jetzt nicht notwendig!) Das war zur Sache dieser Diskussion, die wir heute führen.

Einige der Vorredner haben meines Erachtens versucht, hier etwas anders darzu­stellen, als es ist, denn wir beschließen heute und wir haben gestern im ESM-Aus­schuss beschlossen, dass wir unseren Finanzminister, der der Vertreter Österreichs im Gouverneursrat des ESM, des Euro-Rettungsschirms ist, ermächtigen, Verhandlungen auf Basis eines Pakets, das gemeinsam unter den 18 Mitgliedstaaten plus Griechenland – also den 19 Euro-Mitgliedstaaten – ausverhandelt wurde, zu führen.

Vieles, was gesagt wurde, ist ganz einfach auch nicht richtig. Ich kann auch die Haltung der Grünen nicht verstehen. Selbstverständlich muss man sich auch um die Schuldentragfähigkeit Gedanken machen. (Abg. Kogler: Ja, das ist Voraussetzung!) Es gab ja bereits auch einen Schuldenschnitt. (Abg. Kogler: Das ist gegen den …!) – Wir kommen schon noch dazu, Kollege Kogler. Ich verstehe Ihre Haltung beispiels­weise überhaupt nicht. Wenn ich den Griechen helfen möchte, dann muss ich Ver­hand­lungen zustimmen. Wir stimmen heute Verhandlungen zu, darum verstehe ich die Haltung der Grünen nicht (Zwischenruf bei der FPÖ), warum sie nicht zustimmen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zu dem, was die Schuldentragfähigkeit betrifft. Erstens: Im Programm sind Privatisierungen vorgesehen. (Abg. Kogler: Ja!) Diese 50 Milliarden € an möglichen Privatisierungen werden auch für die Rückzahlung von Schulden verwendet (Abg. Kogler: Das kriegen sie in 20 Jahren nicht, das Geld!), aber sie werden nicht nur für


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die Rückzahlung von Schulden verwendet, sondern auch für Investitionen. Beispiels­weise wird auch überlegt, ob diese Kofinanzierungen von Strukturfonds künftig nicht geschmälert werden (Abg. Rossmann: Das muss erst realisiert werden!), weil Griechenland teilweise keine Kofinanzierung machen und daher diese Gelder nicht abholen konnte.

Mir kommt vor, dass, nachdem, was wir gestern im Ausschuss besprochen haben, alle die da drinnen gesessen sind, heute noch nicht gesprochen haben. Aber da die Abstimmung gestern so ausgefallen ist, muss man sich wundern, dass auch die Grünen da nicht zugestimmt haben. Man steht da also Argumenten nicht offen gegenüber.

Es ist auch überhaupt nicht einzusehen – ich habe das das letzte Mal schon gesagt –, dass wir hier Gesetze beschließen, die den Steuerbetrug eindämmen sollen, dass wir Gesetze beschließen, die bei Verdachtsfällen eine Konteneinschau bei Prüfungen erlauben, dass wir Abkommen mit der Schweiz und mit Liechtenstein machen und dass beispielsweise Griechenland solche Dinge nicht macht. Das heißt, es muss eine funktionierende Finanzverwaltung, eine funktionierende Verwaltung insgesamt aufge­setzt werden. Es müssen Steuerbetrugsbekämpfungsgesetze gemacht werden und es müssen auch EU-Richtlinien umgesetzt werden. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Griechenland das Bankensanierungsgesetz noch immer nicht beschlossen hat. (Abg. Kogler: Ja eh!)

Sie sagen: „Ja eh“, Kollege Kogler, aber wenn man der Verhandlung nicht zustimmt, wenn man einem Verhandlungspouvoir nicht zustimmt, dann braucht man sich hier nicht herzustellen und „Ja eh“ sagen. Vielleicht könnten Sie Ihre Haltung noch über­den­ken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin auch der Meinung – das habe ich auch gestern im Ausschuss schon gesagt –, dass es zu wenig ist, darüber nachzudenken, wie man den Griechen Geld gibt, und was sie mit dem Geld machen, sondern es ist auch notwendig, den Griechen tech­nische Hilfe zu geben; eben in diesen ganzen Punkten, die ich heute ange­sprochen habe, eben eine Finanzverwaltung aufzustellen, eben beispielsweise EU-Richtlinien umzusetzen, damit sich die Griechen, wenn andere Länder diese Gesetze bereits beschlossen haben, leichter tun, diese Gesetze auch übernehmen zu können. (Abg. Rossmann: Warum hat das Ihre Schwesterpartei in Griechenland nicht längst um­gesetzt?) – Kollege Rossmann, Sie können sich hier von der Verantwortung nicht wegstehlen! Sie wollen Solidarität für die Griechen, also erklären Sie uns, warum Sie diese Solidarität heute hier nicht leben wollen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird immer gesagt, es wäre ein Sparpaket, das wir den Griechen hier aufdrücken, und Tsipras verhandelt zuerst mit den 18 Geldgeberländern und geht dann nach Griechenland und sagt, er wäre erpresst worden. Das kommt mir so ein bisschen bekannt vor, wie wenn man mit dem Kollegen Kogler im Untersuchungsausschuss ein Paket über Termine und über Auskunftspersonen schnürt, und dann sagt er: Ich wollte eh nicht zustimmen, ich bin über den Tisch gezogen worden! – Das ist super! Also wenn man verhandelt, wenn man vom Tisch aufsteht und sagt, ja, so machen wir es, dann glaube ich doch, dass man nicht nach Hause gehen und sagen kann, man sei erpresst worden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Wollen Sie mir erklären, wie ein Untersuchungsausschuss funktioniert?)

Wie gesagt, Investitionen wird es geben müssen, das ist keine Frage, aber, Herr Bun­deskanzler, sich aus der Krise herauszuinvestieren, das wird ein bisschen zu wenig sein. Es wird auch Reformen benötigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der NEOS. – Abg. Kogler: Da fehlt jeder Sachverstand!) Es benötigt in Österreich Reformen und es benötigt auch in Griechenland Reformen.


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Es benötigt eine Reform, um ein Pensionssystem zu machen, das nachhaltig ist, und es bedarf auch verschiedener anderer Struktur- und Verwaltungsreformen, die im Übrigen auch Österreich jetzt nach einer Steuerreform guttun würden. Das heißt, wir unterstützen den Herrn Finanzminister hier sehr, wir vertrauen ihm auch, dass er gute Verhandlungen führt. Und wir vertrauen auch den europäischen Finanzministern der Eurogruppe, dass sie nur dann, wenn auch die Griechen diese Bedingungen erfüllen, dem Paket letztendlich zustimmen.

Wir werden dem Paket nämlich hier auch noch einmal zustimmen müssen, da wir heute ja nur die Verhandlungen freigeben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Sie haben ja nichts verstanden!)

10.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Themessl zu Wort. – Bitte.

 


10.42.34

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war ges­tern am späten Abend zu diesem Thema eine interessante Diskussion im deutschen Fernsehen. Interessant war auch, dass da auch Leute dabei waren (in Richtung SPÖ), die vor allen Dingen Sie gut kennen müssten, ein gewisser Günter Verheugen, sozial­demokratischer Bundesminister in der Regierung Schröder. Es gab zwei Erkenntnisse:

Zum ersten waren alle quer durch die Reihe der Meinung, dass das Geld, das wir bisher nach Griechenland geschickt haben, unweigerlich weg ist. Es haben alle gesagt, es ist ein Irrglaube zu glauben, dass das überhaupt jemals zurückkommt. Das ist so. (Abg. Kogler: Nein, das ist nicht weg! Das ist zurückgezahlt worden an die euro­päischen Banken!)

Was Sie machen, ist eigentlich nichts anderes als eine Konkursverschleppung. Sie schicken neuerlich Geld da runter und strecken die Rückzahlungen. Das heißt, die erste Generation, die von diesen Rückzahlungen vielleicht profitiert, die ist noch gar nicht auf der Welt. Na gut, die werden sich dann ja freuen, wenn es Geld gibt, sofern es überhaupt so weit kommt.

Die zweite Einschätzung war, dass in den letzten Wochen und speziell in den letzten Tagen alles, was diese EU und die Regierungsvertreter gemacht haben, eigentlich ein Armutszeugnis für diese Europäische Union ist. Da waren sich alle einig. Und ich sage Ihnen, Sie müssen sich schön langsam die Frage stellen, was in dieser EU überhaupt noch funktioniert. (Beifall bei der FPÖ.)

In den letzten Jahren, seit Ausbruch der Krise, hat man über 600 Milliarden € in die Hand genommen, um gewisse Reformpakte und sogenannte Rettungspakete zu schnüren, mit dem Erfolg, dass sich in den wirtschaftlichen schwachen und krisen­gebeutelten südeuropäischen Staaten die Arbeitslosigkeit verdoppelt hat. Jeder zweite Jugendliche findet in der Zwischenzeit keinen Job mehr. Auf der anderen Seite haben sich die Geberländer in der Zwischenzeit dermaßen verschuldet, dass überhaupt nur noch ein Drittel der Euromitgliedstaaten die Maastricht-Kriterien von 60 Prozent Ver­schuldung einhalten, alle anderen nicht mehr. Wir reden von Verschuldungen von bis zu 80 Prozent und teilweise darüber, wenn wir unseren Staat hernehmen. Und jetzt frage ich Sie: Ist das ein Erfolg?

Dann kommt das Nächste – wir reden vom Asylgipfel. Die Asylquote in Europa, meine Damen und Herren, funktioniert nicht! Über die Hälfte aller Länder sagt, da machen wir nicht mehr mit. Und jetzt müssen Sie sich schon einmal berechtigt die Frage gefallen lassen, was in dieser EU überhaupt noch funktioniert. Wenn Sie das alles als Erfolg


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verkaufen, Herr Bundeskanzler, dann frage ich mich, wie Sie in Zukunft Misserfolg definieren wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber eines kann ich Ihnen auch sagen: Das Einzige, was in dieser EU funktioniert, ist diese Regulierungswut, die von den Brüsseler Beamten so im Quartalstakt immer wieder auf uns hereinbricht. (Abg. Amon: Wo ist Ihr Alternativkonzept?) Das hat mit den Glühbirnen angefangen, geht über Staubsauger, Haarfön, Mischthermen, Allergen­verordnung, Duschköpfe, Olivenölkännchen, und, und, und – das funktioniert! Das schädigt unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb, das macht sie schwächer, das kostet Tausende von Arbeitsplätze. (Abg. Wöginger: Exportiert Vorarlberg nichts?)

Was auch funktioniert, sind die Sanktionen, die uns die Amerikaner aufs Auge gedrückt haben, um den Russen wehzutun. Da sind wir auch dabei. Wir verlieren alleine in Öster­reich in den nächsten fünf Jahren aufgrund dieser wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland noch einmal 45 000 Arbeitsplätze. (Abg. Strache: Und die Amerikaner machen die Geschäfte!) Das funktioniert, und alles andere in dieser EU funktioniert nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das hat interessanterweise gestern auch Günter Verheugen zugegeben, sozialde­mokratischer Bundesminister unter der Regierung Schröder. Von Ihnen (in Richtung ÖVP) war der Herr Altmaier dabei, der hat nicht mehr viel dazu gesagt. Es waren noch etliche andere Kapazunder dabei, was Wirtschaftsexperten anlangt. (Abg. Kogler: Das soll ein Kapazunder sein? Der ist ein Cappuccino!) Und das alles wollen Sie als Erfolg verkaufen.

Herr Schelling, Sie haben gesagt, strenge Regeln sind einzuhalten, auch für die Griechen. – Ich sage Ihnen eines: Die strengen Regeln werden von den EU-Staaten, von den Mitgliedstaaten, auch von den Euromitgliedstaaten sowieso nicht eingehalten, denn nur noch ein Drittel aller EU-Mitgliedstaaten hält die Maastricht-Kriterien mit der Verschuldungsgrenze ein. Die Hälfte der Länder ist über den 3 Prozent an Neuver­schuldung pro Jahr, was auch ja nicht genehmigt und vorgesehen wäre.

Jetzt gehe ich nur noch auf ein Beispiel ein, was den Griechen abverlangt wird. Sie sagen, es wird ein Fonds mit 50 Milliarden € gegründet, aus dem heraus sich die Griechen dann in Zukunft die Wirtschaft selber finanzieren können und womit der Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommen sollte. Und gefüllt werden sollte dieser 50 Milliarden-Topf mit dem Verkauf von Staatsbetrieben. Das wundert mich übrigens, dass die Sozialdemokraten, die ja strikt gegen Verkauf von Staatsbetrieben oder eine Sonntagsöffnung sind, das jetzt von den Sozialdemokraten in Griechenland verlangen wollen. Das müssen Sie auch einmal erklären, woher da Ihr Sinnes- oder Geistes­wechsel herkommt. (Abg. Schieder: Das ist kein „Geisteswechsel“! Wir sind für die Hilfe für Griechenland, aber nicht für jedes Detail dieses Programms!)

Und dann frage ich Sie: Wie wollen Sie diese 50 Milliarden zusammenbringen? Gestern haben Sie im ESM-Ausschuss gesagt, die Banken stehen relativ gut da, und wenn die Griechen die Banken verkaufen, müssten 30 Milliarden zu erreichen sein.

Woher Sie diese Euphorie oder diesen Optimismus nehmen, dass das eintritt, das frage ich Sie. Ich sage Ihnen nur ein Beispiel: Der Hafen von Piräus ist einer der größten Häfen in Griechenland. Aufgrund der Tatsache, dass man in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren so gut wie nichts investiert hat, ist der Hafen von Piräus laut Auskunft mehrerer Wirtschaftsexperten in ganz Europa genau 350 Millionen € wert. Und jetzt frage ich Sie, wie Sie einen Topf mit 50 Milliarden € füllen wollen, wenn einer der größten Staatsbetriebe in Griechenland nur noch 350 Millionen € wert ist.

Also Ihre Fehleinschätzungen in allen Ehren, aber, wissen Sie, Herr Bundeskanzler, so werden wir nicht weiterkommen. Und der Herr Schäuble hat nicht unrecht, wenn er


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sagt, ein Austritt auf Zeit, bis sich die Griechen wieder erholt haben und die Vor­aus­setzungen erfüllen, um wieder zurückzukehren, ist der einzig gangbare Weg! (Beifall bei der FPÖ.)

10.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


10.49.05

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Themessl, Sie haben gefragt: Wie definieren Sie Misserfolg? – Misserfolg ist zum Beispiel das Ergebnis der freiheitlichen Politik in Kärnten, und damit meine ich nicht nur das Desaster um die Hypo Alpe-Adria, das Sie Österreich um­gehängt haben. Ich sitze seit mehreren Monaten im Untersuchungsausschuss und kann einen freiheitlichen Politiker nach dem anderen hören, und so viel Inkompetenz finden Sie wahrscheinlich nicht einmal in Ihrem eigenen Klub, obwohl da genug vorhanden ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Deshalb haben wir jetzt den Herrn Gusenbauer geladen! – Abg. Darmann: Und was ist rausgekommen? Protokolle lesen!)

Was ist in Griechenland in den letzten Jahren passiert? – Ja, auch in Griechenland ist über viele, viele Jahre Misserfolg passiert. Das Problem in Griechenland ist nicht in den letzten sechs Monaten entstanden, das ist in vielen, vielen Jahren davor entstanden, in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren unter konservativen und sozialdemokratischen Regie­rungen, und es hat teilweise historische Ursachen, die ganz weit zurückreichen. Das muss man auch sagen.

Aber was bei den Programmen in den letzten Jahren passiert ist – das habe ich hier auch schon öfter kritisiert –, ist, dass natürlich seitens des IWF, seitens der EZB und auch seitens der Europäischen Kommission viel zu sehr auf Budgetkonsolidierung geschaut wurde, viel zu sehr auf sparen, sparen, sparen und viel zu wenig auf Investitionen, auf Wachstum und auf Arbeitsplätze. (Abg. Hübner: Und wir haben Geld nach Griechenland geschickt!) Das ist in den letzten Jahren passiert.

Sind da Fehler, auch von der europäischen Seite, von den sogenannten Geldgebern, die ja genau das verlangt haben, passiert? – Ja, die Politik – hier vor allem und an vorderster Front die Deutschen – hat in den letzten Jahren auch Fehler gemacht. Das Ergebnis sehen wir. Es kann sich ja keiner ernsthaft hier herstellen und sagen, das war erfolgreich, und vor einem halben Jahr wäre noch alles gut gewesen. Wenn sich die Jugendarbeitslosigkeit in einem Land verdreifacht, wenn sich die allgemeine Arbeits­losigkeit mehr als verdoppelt, wenn die Kindersterblichkeit in einem Land steigt – wie da jemand von Erfolg reden kann, ist mir ein Rätsel. Das ist mir ernsthaft ein Rätsel! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist in den letzten Jahren in Griechenland nicht alles schlecht gewesen, so ist es auch nicht. Man kann das schon differenziert sehen. (Abg. Darmann: Dann schauen Sie!) Es haben sich natürlich gewisse ökonomische Kennzahlen – ich sage, in Wirklichkeit die unwichtigen – verbessert. Aber das muss man halt, wenn man sich das ehrlich anschaut, auch sehen.

Es sind nicht nur Fehler vonseiten der Geldgeber passiert, sondern vor allem auch von der konservativen Regierung in den letzten fünf Jahren. Die hat nicht nur das Desaster davor verursacht, sondern in Wirklichkeit nur gespart und nicht die notwendigen Reformen gemacht, vor allem was Finanzverwaltung, Grundbuch et cetera betrifft, sondern sie hat nur gespart, gespart, gespart.


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Über die Notwendigkeit dieser Volksabstimmung, glaube ich, hat der Bundeskanzler genug gesagt. Aber wenn man das griechische Volk nach fünf Jahren Sparprogram­men, mit Verdreifachung der Jugendarbeitslosigkeit, Verdoppelung der allgemeinen Arbeitslosigkeit, mit Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, fragt, kann es niemanden wundern, dass es dann zu über 60 Prozent sagt, mehr von dem brauche ich nicht. Wen wundert das? (Abg. Wöginger: Wieso hat er sie gefragt? Den hätte er sich sparen können, den Zirkus!) Das Ergebnis dieser Abstimmung hat mich nicht gewundert. Die Frage ist, was für eine Perspektive wir haben. Und ja, wir haben jetzt eine Perspektive, dass es ein drittes Programm gibt.

Was passiert bei diesem Programm? In etwa 80 Milliarden € werden hier jetzt – nicht an Steuergeld, sondern Sie wissen genau, dass das über Haftungen läuft – nach Griechenland gegeben. Was passiert mit dem Geld dort? – 50 Milliarden € in etwa werden verwendet, um Zinsen und alte Schulden zu bezahlen. Das geht nicht an Spekulanten und Banken. Sie wissen genau, dass die privaten Gläubiger über einen Schuldenschnitt 50 Prozent ihrer Forderungen bereits vor Jahren abschreiben mussten. (Abg. Kogler: Das war schöngerechnet! Da war ein Rechenschwindel dabei! Die meisten sind froh weggegangen!)

Über 80 Prozent dieser Zinszahlungen gehen an öffentliche Haushalte. 25 Milliarden € werden verwendet, um die Banken zu rekapitalisieren, damit sie nämlich wieder auf­sperren können, damit auch die Pensionistinnen und Pensionisten Geld abheben können. Und wir wissen alle, dass ein Wirtschaftssystem ohne funktionierendes Bankensystem nicht funktionieren kann. (Abg. Höbart: Vier Großbanken gibt es in Griechenland! Das sind viel zu viele!) – Ja, es gibt vier Großbanken, die verstaatlicht sind, die rekapitalisiert werden. Das ist das, was passiert.

Was würde passieren, wenn das nicht passieren würde? Die Banken würden nicht aufsperren, und es würde dort nicht Milch und Honig fließen, wie Kollege Strache glaubt. (Abg. Kogler: Das könnte man anders auch organisieren!) Es wäre der absolute Zusammenbruch. Fast die Hälfte der Lebensmittel wird dort importiert. Werden die mit der Drachme billiger? – Nein, die werden teurer. Über 90 Prozent der Medikamente werden importiert, die können sie sich heute kaum leisten. Wenn die doppelt so teuer sind, können sie sich diese dann besser leisten? – Nein. Und wäre das für uns billiger? – Nein. Es haben auch alle gesagt: Das, was wir jedenfalls machen müssten, wäre humanitäre Hilfe. Und wir kennen die Berechnungen, wie viel die humanitäre Hilfe kosten würde: Alleine diese 50 Milliarden €. Das heißt, zu glau­ben, der Grexit wäre besser für die Griechen, ist falsch. Aber auch der Glaube, er wäre besser für uns, ist falsch.

Entscheidend ist, dass wir eine Perspektive finden, damit wir Griechenland helfen, vernünftige Strukturen aufzubauen. Und da gibt es eine Reihe von konstruktiven Vor­schlägen. Die hört man vielleicht nicht vom Kollegen Lopatka, aber vom Kollegen Schelling, der zum Beispiel eine sehr einfache Idee hatte: Es gibt über 1 000 Beamte in der Europäischen Kommission, Griechen, die gut ausgebildet sind, die auch Erfahrung haben, wie eine halbwegs funktionierende Verwaltung funktionieren kann. Die sollen doch für sechs Monate oder ein Jahr nach Griechenland gehen, weiterhin von der europäischen Ebene bezahlt werden, aber helfen, eine funktionierende Verwaltung in ihrem Land aufzubauen. Das ist ein konstruktiver Vorschlag.

Es gibt auch andere Vorschläge. Es wurde schon der Beitrag – ganz aktuell von heute – von Karl Aiginger und Kurt Bayer, „A new start for Greece and Europe!“, erwähnt, in dem sie ganz klar sagen: Es geht nicht nur um Sparen, es geht vor allem um Verwaltungsaufbau und es geht um Investitionen. (Abg. Strache: Und wir sollen zahlen, und die anderen kassieren!) Das heißt, auch hier gibt es wirklich konstruktive Vorschläge.


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Ich glaube, was in den letzten Wochen wirklich Schaden genommen hat, ist die euro­päische Idee. Was ist die europäische Idee? Die europäische Idee ist nach zwei verheerenden Weltkriegen entstanden, dem Ersten Weltkrieg, der vor 100 Jahren in Europa getobt hat, und dem Zweiten Weltkrieg. Der Grundgedanke dieser euro­päischen Idee ist, dass dieser Nationalismus, den Menschen auch als so etwas wie kollektiven Egoismus bezeichnen, zurückgedrängt wird, und dass man nicht das Tren­nende in den Weg stellt, sondern dass man das Gemeinsame sucht und miteinander Lösungen sucht und miteinander Wege zu einer besseren Entwicklung für alle sucht und findet. Und genau das ist auch die Erfolgsgeschichte dieser europäischen Idee gewesen. Hat die in den letzten Tagen Schaden genommen? Ja! Erpressung, Demü­tigung, die teilweise auch von Deutschland ausgegangen ist. (Abg. Strache: Solange wir zahlen, passt eh alles!) Das ist kein positiver Beitrag für die europäische Idee. Deutsche Abgeordnete sagen: „Der Grieche hat jetzt lang genug genervt.“ – Das ist ein Originalzitat, das wir heute alle im Radio hören können. Das ist kein positiver Beitrag! (Abg. Kogler: Eh nicht! Das ist die Konsequenz der konservativen Politik!)

Es ist aber auch kein positiver Beitrag, wenn Bundeskanzlerin Merkel in SS-Uniform oder mit Hitlerbärtchen dargestellt wird. Ein positiver Beitrag ist, was der Bundes­kanzler von Österreich gemacht hat, nämlich Brücken zu bauen zwischen Griechen­land und auch den Deutschen. Das ist in Wirklichkeit die Verkörperung der euro­päischen Idee. Die Verkörperung der europäischen Idee ist eben, diese Brücken zu bauen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sie zu finden, und – wenn es notwendig ist – sowohl die eine als auch die andere Seite zu kritisieren. Ich freue mich darüber, dass es in der Bundesregierung – vielleicht nicht hier im Parlament, aber in der Bundesregierung – sowohl vonseiten des Finanzministers als auch vom Bundes­kanzler her Leute gibt, die diese europäische Idee leben und auch noch mit Leben erfüllen. Um die muss jeden Tag gerungen werden.

Es gibt vielleicht auch ein paar Kleingeister bei der ÖVP, wie den Kollegen Lopatka, der selbst in einer derart schwierigen Situation billige parteipolitische Polemik von sich gibt. Billige parteipolitische Polemik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Red einmal mit deinen Mitgliedern, was die sagen! – Rufe bei der FPÖ: Ehekrise! Die Ko­ali­tion ist am Ende! Neuwahlen!)

Kollege Lopatka, Sie sagen zum Beispiel heute, wenn die Konservativen in Deutsch­land die stärkste Partei sind: Deutschland ist unser wichtigster Handelspartner, man darf nichts machen, um sie zu verärgern. Als Rot-Grün in Deutschland regiert hat, habe ich das von Ihnen nicht gehört. Es zeigt: Sie haben nicht Sympathie zu Menschen in einem Land, Sie haben vielleicht Sympathie zu Ihren Parteifreunden, aber nicht zu den Menschen. (Abg. Lopatka: Es geht um politische Verantwortung!) Und meine Sympathien sind bei den Menschen in einem Land, sowohl bei den Menschen in Deutschland als auch bei den Menschen in Griechenland, unabhängig davon, wer dort gerade an der Regierung ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen. – Abg. Strache – in Richtung des Abg. Lopatka –: Na, da brauchen wir mehr solche Reden!)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Kogler gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


10.59.28

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ja, es geht – um an die Ausführungen des Vorredners anzuknüpfen – sicherlich um wirtschaftliche Vernunft, die nämlich in der Frage durch­aus auch zu sozialer Gerechtigkeit führen könnte.


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Wenn Sie sich schon so an Deutschland orientieren – um Solidarität und um finanzielle Solidität geht es mit Sicherheit, und das braucht Ehrlichkeit. (Abg. Lopatka: Deutschland ist solidarisch mit den anderen! Es hat niemand mehr bezahlt!) – Genau, Sie sind ohnehin der Richtige (Abg. Lopatka: Deutschland zahlt immer!), der als Erster zwischenruft. Es geht um Ehrlichkeit und um Sachverstand!

Wie man sich nämlich, Herr Klubobmann Lopatka – das zeigen überhaupt die Rede­bei­träge der ÖVP bis jetzt –, hier herstellen kann und sich ungetrübt von jedem Sach­ver­stand derart präsentiert, bleibt mir ein Rätsel. (Beifall bei den Grünen. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Es ist wieder einmal den Rednern und dem Klubobmann der ÖVP vorbehalten geblieben, den Platz hier an diesem Rednerpult zu einer Kanzel der Scheinheiligkeit zu degradieren. (Abg. Lopatka: Na geh!) – Ja, doch! (Rufe bei der ÖVP: Ordnungsruf!) Das soll sich jetzt die Frau Präsidentin überlegen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt schauen wir uns einmal an, was es alles für einen vernünftigen Befund braucht. Man muss die bisherigen Maßnahmen analysieren, man muss analysieren, was für die Zukunft geplant ist, auf Basis welcher Rechtslage im Übrigen. Ich sage Ihnen nur vorweg, unserer Einschätzung nach ist diese Mandatsbeauftragung für Verhandlungen rund um den ESM beziehungsweise für den Gouverneursrat rechtlich in dieser Form nicht einmal gedeckt – deshalb auch unser Nein! Aber ich habe ja nicht einmal das Gefühl, dass sich hier irgendjemand die Verträge anschaut, die wir erst vor gar nicht so langer Zeit beschlossen haben. Sei‘s drum – auch eine europäische Stärke, haben Sie immer gesagt.

Kommen wir zu dem, mit dem Sie hier eingeleitet haben: Rettungsring. (Abg. Lopatka: Mit dem Rettungsring, ja!) Ja, genau, der Rettungsring! Sie behaupten, alle, die jetzt Bedenken gegen die ganze Vorgangsweise anmelden, weil falsche Politik der Vergan­genheit fortgesetzt wird und im Übrigen die rechtliche Basis fehlt, würden hier den Rettungsring wegziehen. Na wusch – umgekehrt ist es! (Abg. Strache: Sie haben die Pleite der Griechen ...!) Was Sie hier vorhaben, führt nur dazu, dass – wenn Sie schon in dem Bild bleiben wollen – dem Ertrinkenden noch einmal ein paar Steine ans Bein gehängt werden. (Abg. Strache: Ein Bleiring!)

Das ist doch das Problem: Wenn Sie eine offenkundig falsche Medizin in einer völlig falschen Zwangstherapie immer noch mehr und noch schneller anwenden wollen, dann wird halt das Medikament – sicherlich macht die Dosis das Gift –, dann wird das vorgebliche Medikament noch giftiger wirken.

Wenn Sie da schon in diesen Sprachbildern herumschwadronieren wollen, dann können wir Ihnen gerne noch weiterhelfen. Es ist ja offenkundig so, dass ein durchaus selbstverschuldeter Kranker durch diese Therapie immer noch kränker wird. Wenn Sie dem Blutleeren und Bleichen immer noch mehr Blut abzapfen, wird er natürlich auch nicht gesünder werden, ganz einfach – und das ist der Kern dieser Vorschläge! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt ist das Problem eigentlich dort gelegen – und das ist in Wirklichkeit auch schon nicht im Geist dieses ESM-Vertrags, wie Sie das anlegen –, es ist ja das Problem dort gelegen, dass eine Reihe sogenannter voraussetzender Maßnahmen – übersetzt – überhaupt schon unmittelbar mit der Verhandlungsmandatierung junktimiert sind. Deshalb heißen sie ja „voraussetzende Maßnahmen“. Da finden wir eine Reihe von diesem Ensemble der falschen Instrumente – unserer Meinung nach jedenfalls –, indem an bestimmten Stellen immer mehr Kürzungen stattfinden werden und dadurch einfach nicht das erreichbar ist, was Sie erreichen wollen. Das hat doch die Geschichte jetzt fünf Jahre lang bewiesen. Wenn Sie es uns nicht glauben, dann lesen Sie die Nobelpreisträger für Wirtschaft!


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Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich da diesem Schäuble-Diktat anschließen kann. Das ist hier der Grund unserer inhaltlichen Bedenken, die auch zu unserer Ablehnung führen. Alternativen gibt es immer! Alternativen gibt es immer, die sind nämlich genau dort, sehr wohl den ESM zu nutzen, aber mit anderen Eingangs­bedin­gungen und mit einem anderen angedachten Programm, das dann halt auszuver­handeln ist. Ganz einfach: Es gibt immer eine Alternative! Wir sollten uns – seit der Finanzkrise im Speziellen – hüten vor diesen Therapeuten, die uns immer zurufen: There is no alternative. Da wissen wir, wo das hinführt. (Beifall bei den Grünen.)

Genau das wird hier fortgesetzt. Sie suggerieren eine Ausweglosigkeit, nur weil Sie selber in die Sackgasse rennen und das nicht einmal erkennen wollen. Darauf machen wir Sie aufmerksam: Mehr vom Falschen, schneller vom Falschen, in die Sackgasse hinein, das führt zum Crash! Wenn Sie Griechenland damit „helfen“ wollen – unter Anführungszeichen –, dass Sie es auf das Niveau eines Entwicklungslandes, zumindest für 30, 40 Prozent der Bevölkerung, hinunterkürzen wollen, dann ist dies das Problem und nicht die Lösung! Das ist es schlicht und ergreifend.

Jetzt können wir ja gerne darüber reden oder schauen, was denn passieren müsste. Na, selbstverständlich! Es kann und soll natürlich erstens eine finanzielle Über­brückung geboten werden, denn die kann man so auch organisieren. Zweitens kann das Programm ganz anders ausschauen. Es könnte zum Beispiel so ausschauen, dass wesentlich mehr auf Investitionen gegangen wird. Sonst wird sich dort nie etwas er­holen.

Es ist ja interessant: Unter den zwingenden voraussetzenden Maßnahmen sind genau diejenigen betroffen und erwähnt, die schnurstracks in die falsche Richtung führen. Finanzminister Schelling hat gestern dankenswerterweise lange Auskunft gegeben, aber es ist dann in der Bewertung eben auch zu differenzieren, was da gesagt wird. Die Maßnahmen, die mögliche Verbesserungen darstellen – auch die gibt es, wir haben es uns nicht leicht gemacht –, diese Maßnahmen stehen hinten in der Prosa! Das ist der Unterschied. Da ist sehr wohl von Investitionen die Rede, das wird aber in dieser Form nicht als Bedingung genannt.

Jetzt kommen wir zu den Sachen, die hier als Vorbedingung gar nicht erfüllt sind – dass das einmal gesagt ist, da sich noch niemand auf den ESM-Vertrag bezogen hat, obwohl dieser heute eigentlich zu beschließen ist. Wir haben hier den Art. 13, und ich beziehe mich auf den Abs. 1b, b wie Berta. Da steht ausdrücklich drin, dass das Ganze nur zu starten ist, wenn die Staatsverschuldung tragfähig ist! Da sollte eigentlich auch der IWF jetzt schon einen Kommentar abgeben. Der war zuerst gar nicht dabei, das ist ein Problem. Es streitet ja mittlerweile schon die ehemalige sogenannte Troika, die heute „Die drei Institutionen“ heißt.

Der IWF hat schon längst, schon monatelang gesagt: 30 Prozent Schuldenerleich­terung oder Schuldenschnitt. Wir wissen, der Schnitt ist nicht so leicht organisierbar, und da gibt es auch ein vertragliches Problem. Aber die Erleichterung ist unausweich­lich! Warum? – Weil gerade mit diesem Programm, das Sie hier jetzt als Rettungsring hochjubeln, die Schulden auf 200 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Das würde ja, wenn das alles unter normalen Bedingungen zurückgezahlt werden müsste – oder eben in nicht ausreichenden Erleichterungen –, selbst Volkswirtschaften wie Deutsch­land an den Abgrund bringen. Das kann ja nicht die Lösung sein! Sie sind schon wieder beim Problemvermehren und nicht beim Lösen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt hätten wir da einen gescheiten Vertrag – dazu stehen wir –, aber Sie fuhrwerken auf Basis eines Vertrags unter Umgehung seiner Regeln weiter in die falsche Richtung und regen sich darüber auf, wenn Ihnen jemand draufkommt, nur weil Sie es selber nicht verstehen. Deshalb erkläre ich Ihnen jetzt diesen Abs. 1b. Da ist eben das als


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Voraussetzung genannt; und wenn das nicht gegeben ist, dann dürfen die Ver­hand­lungen gar nicht aufgenommen werden!

An dem Punkt stehen wir jetzt. Sonst hätten wir uns das sehr wohl überlegt, und wir haben es am ersten Tag auch ventiliert: Ja, über die Aufnahme von Verhandlungen kann man nachdenken. Aber wenn man Ihre Bedingungen anschaut, dann kann man nicht mehr darüber nachdenken, dann muss man sagen: Jetzt schon, heute hier, wären das die Alternativen, und wir lassen uns nicht länger in Ihren Sachzwinger ein­sperren. Das können Sie selber machen – Sie müssen es aber auch erklären!

Jetzt zu unserer innenpolitischen Situation: Wenn hier Kanzler Faymann so gelobt wird, stehen wir nicht an, uns dem anzuschließen – wenn wir jenen Faymann vor uns haben, der am letzten Sonntag aufgetreten ist. Jenem Faymann, der am vorletzten Sonntag aufgetreten ist, könnten wir uns nicht anschließen. Wo er dazwischen war, ist nicht so klar. Drei Sonntage vorher war er in Athen, das war gut – aber zwischendurch ist alles durcheinandergegangen.

Wenn jetzt also die österreichische Position die ist, wie Bundeskanzler Faymann sie während der Verhandlungen am letzten Gipfel gefunden hat, ist es gut. Das ist aber das Gegenteil von dem, was Schäuble als ... – Ich glaube nicht einmal, dass er wirklich so denkt, aber man weiß es nicht genau. Vielleicht ist er ja wirklich eine schwäbische Hausfrau; das wäre volkswirtschaftlich nicht günstig. Der Punkt ist: Wenn hier der Finanzminister in eine Richtung verhandelt und argumentiert, die jedenfalls nicht die war, die der Kanzler am letzten Sonntag vertreten hat, ist es Zeit, hier einmal für eine klare österreichische Linie zu sorgen. Auch da kann die Opposition Hilfestellung leis­ten.

Damit habe ich einen Entschließungsantrag begründet, den ich hiemit auch einbrin­gen möchte und der folgenden Wortlaut hat:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, bei den Verhandlungen der Euro­zone mit Griechenland – auch zum Memorandum of Understanding innerhalb des ESM – nicht die bekannte Position des deutschen Finanzministers zu vertreten, sondern die Position des österreichischen Bundeskanzlers vom letzten Gipfel der Staats- und Regierungschefs.“

*****

Damit halte ich das – hoffentlich! – für ausreichend motiviert.

Ein Letztes: Natürlich braucht es in Griechenland eine Menge Reformen, das sagen wir ja selber immer, aber nur auf Syriza hinzuzeigen, die fünf Monate Zeit gehabt haben, wo andere 15 Jahre lang, seit diese Euroverhandlungen laufen, das Land in den Abgrund gewirtschaftet haben, nämlich allen voran die Konservativen, das reicht nicht.

Wenn es einen Beweis gibt, dass das Justizsystem in Griechenland nicht funktioniert, dann ist es schon mindestens einmal das, dass sich die Altvorderen der konservativen Nea Dimokratia nicht regelmäßig im Großgefängnis von Athen treffen müssen.

Es war einfach eine korrupte Elite, die sich dort durch das Land manövriert hat. Und das waren Ihre Freunde (in Richtung ÖVP), und die haben Sie noch dauernd ein­geladen! Aber jetzt zeigen Sie auf andere. (Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Es gibt dort also genug zu tun: Justizreform, Steuerreform, all diese Dinge. Auch diese Sache, dass man zum Beispiel die 200 oder 300 Milliarden €, die an Schwarzgeldern im Ausland liegen, zurückorganisiert – auch die findet sich nicht in der gleichen Härte


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in den Vorbedingungen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das Rüstungsbudget soll nicht in der gleichen Härte so schnell gekürzt werden, sondern irgendwann.

Aber Sie haben ja noch eine Chance, auch wenn Sie unser Mandat heute noch nicht haben. Schauen wir uns das Memorandum of Understanding an – was kommen wird –, da müssen wir uns wieder damit beschäftigen. Schauen wir es uns an, so offen sind wir von der Fraktion der Grünen. Dann können wir noch einmal darüber reden. Überraschen Sie uns mit etwas Positivem! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dazu müssen Sie aber zur wirtschaftlichen Vernunft zurückkehren, soziale Gerechtig­keit walten lassen und endlich einmal auch den Zusammenhang dieser finanziellen Kreisläufe verstehen, denn da geht es nicht darum, dass in Griechenland irgendwie weiter großartig Geld verwendet wird, sondern wir zahlen uns das Geld immer selber zurück. Wir zahlen zurück zum IWF, wir zahlen zurück zur EZB – soll sein, aber ich weiß nicht, warum man das dann auf diese Art und Weise „Griechenland-Hilfe“ nennt! (Beifall bei den Grünen.)

Was wir tun sollten, ist, über diese Schuldentragfähigkeit nachzudenken. Dann würde nämlich dieses undurchsichtige finanzielle Ringelspiel auch nicht mehr dazu taugen, dass man den Leuten bei uns Sand in die Augen streut und den Menschen in Griechenland den Boden unter den Füßen wegzieht. (Beifall bei den Grünen.)

11.11


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den ESM-Verhandlungen in Bezug auf Griechenland,

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer  Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustim­mung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Helleni­schen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu ge­wäh­ren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.).

Begründung

Österreich sollte auf EU-Ebene eine einheitliche Position einnehmen. Bundeskanzler Faymann hat seine Position gegenüber dem deutschen Finanzminister Schäuble mit folgendem Zitat auf den Punkt gebracht: „Deutschland hat hier eine führende Rolle übernommen in Europa – und in dem Fall keine positive.“

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, bei den Verhandlungen der Eurozone mit Griechenland – auch zum Memorandum of Understanding innerhalb des ESM – nicht die bekannte Position des deutschen Finanzministers zu vertreten, son-


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dern die Position des österreichischen Bundeskanzlers vom letzten Gipfel der Staats- und Regierungschefs.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Kogler, ich bin vorhin auf eine Bemerkung von Ihnen in Richtung Klubobmann Lopatka aufmerksam gemacht worden, die ich selber aber nicht gehört habe. Ich habe daher das Protokoll angefordert (Abg. Kogler: Ich habe es sogar selber erwähnt!) und werde dann darüber entscheiden, wie ich damit verfahren werde.

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Zakostelsky. – Bitte. (Abg. Matznetter: Ich glaube, er kann es unterscheiden! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

 


11.12.26

Abgeordneter Mag. Andreas Zakostelsky (ÖVP): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durchaus eine gute Stimmung im Saal; zumindest Emotionen sind da! Offensichtlich ist das die Vorfreude auf den Urlaub, die da allgemein einkehrt. Wir sollten uns aber doch mit den wichtigeren Themen etwas sachlicher auseinandersetzen. Es geht bekanntermaßen um Griechen­land, um das dritte Hilfspaket.

Nach den ersten beiden Hilfspaketen von 2010 und 2012 geht es um das dritte Paket. Im gleichen Zeitraum – das möchte ich in Erinnerung rufen – haben Staaten wie Portugal, Spanien, Irland ähnliche Hilfspakete bekommen. Sie haben es aber an­scheinend mit den Reformen etwas ernster gemeint (Abg. Kogler: Nein, das ist nicht vergleichbar!), haben diese umgesetzt und sind tatsächlich bereits seit dem Vorjahr wieder kapitalmarktfähig. Sie sind damit selbst in der Lage, das eigene Budget und den eigenen Staatshaushalt zu steuern.

Griechenland war durchaus ebenfalls auf dem Wege dorthin, bis die linkspopulistische Regierung Syriza an die Macht kam und durch Quasi-Versprechen die Wahlen ge­wann, nämlich die Versprechen, die Troika aus dem Land zu werfen (Abg. Rossmann: Vorher war bekanntlich alles in Ordnung in Griechenland!), und die Schulden müssten nicht mehr zurückgezahlt werden. Das hat den Wählern natürlich gefallen, denen hier vorgegaukelt wurde, es gäbe einen Weg, wo jemand anderer die Schulden zahlt. Meine Damen und Herren, es wurde den Wählern etwas vorgegaukelt, was natürlich nicht gutgehen konnte. Man hat den Wählern gesagt: Es geht ohne Reformen und ohne Anstrengungen. Und es ging auch einige Monate – allerdings bergab, meine Damen und Herren!

Nun steht Europa vor der zentralen Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten: Soll Griechenland aus der Eurozone ausscheiden? – Das ist die eine Antwortmöglichkeit. Die andere Möglichkeit, die sehr oft genannt wird, lautet: Hilfsgelder – Werner Kogler hat es gerade auch wieder genannt – ohne die böse Austeritätspolitik, ohne die stren­gen Maßnahmen, die hier festgeschrieben werden, weil der arme Ertrinkende sich sonst nicht mehr rühren kann. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen einen Mittelweg finden. Dieser lautet für mich ganz klar: die Zahlungsfähigkeit Griechenlands wiederherzustellen, die kurzfristige Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, aber mit klaren Reformvereinbarungen und strengen Kontrollen, strengen begleitenden Kontrollen.

Griechenland steht unbestreitbar vor großen Herausforderungen. Die größten Bau­stellen sind uns bekannt: ein überbordendes Beamtenheer auf der einen Seite, ein sehr teures Pensionssystem zum Zweiten. Oder wenn wir uns die Militärausgaben ansehen: Hier ist Griechenland, wenn man sich die NATO-Staaten anschaut, hinter


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den USA und hinter Großbritannien, jenes Land, das sich in Relation zu seinem BIP den größten Aufwand für Militärausgaben leistet.

Ja, zugegebenermaßen – ich glaube, das wurde vorhin auch geäußert – bestehen diese Probleme in Griechenland natürlich nicht erst seit 2015, nicht erst seit der Regie­rung Syriza. Sie bestanden schon länger. Aber es gab Reformvereinbarungen, die mit den vergangenen Regierungen getroffen wurden, und im Jahr 2014 hat man durchaus erste Erfolge gesehen, die hier zu greifen begonnen haben. Doch dann – wie gesagt, ich muss es an dieser Stelle noch einmal wiederholen – kam Syriza und hat völlig willkürlich diese Vereinbarungen gestoppt, das Rückzahlen von Schulden ebenso will-kürlich gestoppt. Das müssen wir uns schon vor Augen halten. Und da bin ich bei Werner Kogler: Syriza hatte nur fünf Monate Zeit – aber, meine Damen und Herren, die fünf Monate haben völlig ausgereicht, zu zeigen, was für ein Chaos eine linkspopu-listische Regierung anstellen kann! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin Sachlichkeit eingefordert. (Abg. Steinhauser: Dann kommen Sie bitte dazu!) Das soll jetzt natürlich kein populistischer Gag sein, sondern ich möchte die willkürlich ... (Abg. Rossmann: Dann wird es Zeit für sachliche Argumente! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Ganz richtig! Ich möchte die willkürlich vom Zaun gebrochene Volksabstimmung erwähnen, wo die Regierung, allen voran Regierungschef Tsipras, das Volk aufhetzt, hineinhusst und sagt: Wir müssen mit Nein stimmen, dann brauchen wir unsere Schulden wahr­scheinlich nicht mehr zurückzuzahlen. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Dann stimmen über 60 Prozent der Bevölkerung dagegen, und als man nach zwei oder drei Tagen merkt, dass der Poker nicht aufgeht, ist auf einmal alles ganz, ganz anders.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn wir das in Österreich aufführen würden, würde unsere Bevölkerung völlig zu Recht die Regierung aus dem Amt jagen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Was damit fehlt – Kollege Lopatka hat es heute bereits angesprochen –, ist die wesent­lichste Währungseinheit, nämlich das Vertrauen: das Vertrauen in die griechi­sche Regierungsführung. Daher muss Griechenland zuerst konkrete Schritte setzen, bevor dann über das Hilfsprogramm tatsächlich abgestimmt wird. Das sind wir auch unseren österreichischen Steuerzahlern schuldig.

Deswegen, genau deswegen rufe ich Sie auf, dass wir heute gemeinsam und natürlich einstimmig unserem Finanzminister das Verhandlungsmandat erteilen, denn nur wenn wir gemeinsam mit Griechenland verhandeln, können diese strengen Sanktionen mit den begleitenden Kontrollen vereinbart werden. Ohne Verhandlungen kommen wir nicht dorthin. Daher an dieser Stelle: Stimmen Sie diesem Verhandlungsmandat zu, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle einmal eine andere Tatsache, vielleicht für manche über­raschend, in Erinnerung rufen, weil man manchmal von den Vorschlägen glauben könnte, das ist niemandem bewusst: Schulden sind nicht demokratisierbar! Man kann nicht abstimmen, ob man Schulden hat. Man kann auch nicht abstimmen, ob man Schulden zurückzahlen will oder nicht. (Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen.)

Das ist genau der Punkt. Worum es geht, ist, dass die Verhandlungen dorthin führen sollen, ganz konkrete Vereinbarungen mit den Griechen zu treffen. Sie wissen, was unterm Strich bei den Reformen herauskommen soll: kurzfristig – ich habe es bereits erwähnt – die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, mittelfristig hoffentlich das Vertrauen in Griechenland, in die Regierung wiederherzustellen und langfristig einen nachhaltigen Zugang zu den Finanzmärkten wiederherzustellen, in der Folge die Wiedererlangung der Souveränität de facto.


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Irland, Spanien und Portugal haben gezeigt, dass man dann auch wieder in die Lage kommt, zu investieren. Da bin ich oder da bin ich beinahe bei unserem Herrn Bun­deskanzler: Natürlich ist es auch wichtig, zu investieren und sich aus Krisen heraus zu investieren. Allerdings kann man nicht investieren, wenn man kein Geld hat – und deswegen gehören die Reformen und das Sparen sehr wohl dazu, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Dann bin ich dabei, Herr Bundeskanzler, dann gehört natürlich auch an der richtigen Stelle investiert. Es kommt auf die richtige Verhältnismäßigkeit an.

Meine Damen und Herren, ich habe es bereits angedeutet: Die ÖVP wird natürlich dem Verhandlungsmandat für den Herrn Bundesminister zustimmen. In Anbetracht der enormen Summen möchte ich aber an dieser Stelle – ich habe es gestern im ESM-Ausschuss schon kurz angezogen – auch ganz klar dafür plädieren, mit den Griechen eine Art Nichterfüllungsklausel zu vereinbaren. Das heißt, mit diesen Klauseln soll festgelegt werden, was passiert, wenn die Griechen nicht 1 : 1 einhalten, was bei diesen Vereinbarungen herauskommt.

Da gehe ich weiter, als nur zu meinen, wenn diese Vereinbarungen nicht eingehalten werden, dann tritt halt wieder einmal ein Zahlungsstopp ein. Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt – und das erwartet sich auch die österreichische Bevölkerung –, mit den Griechen gemeinsam alle Modalitäten zu vereinbaren, die auch bis zu einem Grexit führen können, wenn die Griechen diese Vereinbarungen nicht einhalten.

Unterstützen wir in diesem Sinne eine Wiederbelebung Griechenlands durch einen strikten Reformkurs unter klaren Spielregeln!

Meine Damen und Herren von der blau-grünen vereinigten Opposition, Sie sollten das auch tun, nämlich heute dem Finanzminister die Verhandlungsermächtigung erteilen, sonst wäre das nämlich sehr peinlich – allerdings peinlich für Sie, meine Damen und Herren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.21

11.20.10 *****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile – ich habe inzwischen das Stenographische Protokoll über die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kogler bekommen –: Herr Abgeordneter Kogler, ich erteile Ihnen für Ihre Äußerung – Zitat –: „Es ist wieder einmal den Rednern und dem Klubobmann der ÖVP vorbehalten geblieben, den Platz hier an diesem Rednerpult zu einer Kanzel der Scheinheiligkeit zu degradieren“, einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP. – Heiter­keit und Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, das ist nicht zum Lachen (Abg. Pilz: O ja, das ist zum Lachen! Das ist absurd!), und es ist meine alleinige Entscheidung, solche Ordnungs­rufe zu erteilen, und das ist absolut eine ordnungsrufwürdige Äußerung. (Abg. Pilz: Aber nicht scheinheilig!)

Ich möchte generell ersuchen, meine Damen und Herren: Wir sind in einer schwierigen Situation, Österreich, die Eurozone, wir haben schwierige Entscheidungen zu treffen. Man kann zu diesen Entscheidungen selbstverständlich höchst unterschiedliche Po­sitionen haben, und die sollen hier an diesem Rednerpult auch ausgetragen werden, aber es ist nicht notwendig, bei solchen unterschiedlichen Meinungen, die man hat, ins Persönliche zu gehen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich möchte auch an alle folgenden Redner appellieren, das nicht zu tun, sondern bei der Sache zu bleiben. (Rufe bei den Grünen: Scheinheilig! – Abg. Lopatka: Schön sprechen!)

*****

Nun gelangt Herr Abgeordneter Lugar zu Wort. – Bitte.

 


11.22.14

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Vielen Dank, Herr Präsident! Ja, ich gebe Ihnen recht, wir sollten wieder zu mehr Sachlichkeit zurückkommen, und das werde ich jetzt versuchen.

Wenn man es sich genau ansieht und, wie gesagt, sachlich betrachtet, dann sieht man, dass die Griechen in Wahrheit gar kein Hilfspaket brauchen. Die Griechen haben auch vor fünf Jahren kein Hilfspaket gebraucht, und auch heute brauchen sie kein Hilfs­paket. Die Herren Varoufakis und Tsipras haben über fünf Monate versucht, Ihnen etwas zu sagen, was Sie jedoch ganz offensichtlich nicht verstanden haben (Abg. Wöginger: Gut, dass du es verstehst!), was Sie nicht wahrhaben wollten, nämlich: Wir brauchen euer Geld nicht! Tsipras hat versucht, Ihnen zu sagen: Bitte lasst uns in Ruhe, nur dann schaffe ich es, in meinem Land Reformen umzusetzen! Denn wenn Sie uns weiterhin Ihr Geld aufzwingen, dann passieren diese Reformen einfach nicht. Wie soll ich denn meiner eigenen Bevölkerung einen Motivationsschub geben, Reformen zuzulassen, wenn Sie permanent mit dem Geld kommen und es uns hinten rein­stecken? Wie soll denn das funktionieren? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was haben Sie darauf gesagt, nachdem die Griechen Sie monatelang gebeten haben, bitte lasst uns in Ruhe? – Sie haben gesagt: Das kommt gar nicht infrage. Ihr wollt unser Geld nicht? Das wäre ja noch schöner! Ihr habt gefälligst unser Geld zu nehmen, denn wenn ihr unser Geld nicht nehmt, werden all die Kredite, die wir euch gegeben haben, nicht einmal mehr, was die Zinsen betrifft, bedient. Dann müsste ich meinen eigenen Steuerzahlern die Wahrheit sagen, nämlich: Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich habe den Griechen über Jahre, Jahrzehnte Geld gegeben, wobei ich wusste, dass es nicht zurückkommt; und jetzt gebe ich ihnen weiter Geld, damit sie zumindest die Zinsen bezahlen, damit ich die Illusion aufrechterhalten kann, es kommt ja etwas rein, das Geld ist nicht verloren. Nur um diese Illusion geht es. (Beifall beim Team Stronach.)

Es geht um die Illusion, die Sie vor den Steuerzahlern aufrechterhalten wollen, dass dieses Geld nicht verloren ist. Dafür sind Sie bereit, die Griechen mit weiteren Hilfs­geldern zu demotivieren. Und genau das passiert. Genau das passiert! Wenn Sie einen Fischer haben, der kaputte Netze und desolate Boote hat und deshalb keine Fische mehr fängt, und Sie stellen ihm jeden Morgen eine Ladung frische Fische vor die Tür, na glauben Sie, dass der motiviert ist, seine Netze zu reparieren? Glauben Sie, dass der Arbeit investiert, um wieder auf hohe See zu fahren und die Fische selbst zu fangen, wenn Sie sie ihm jeden Tag vor die Tür stellen?

Genau das machen Sie aber. Was den Griechen fehlt, ist nicht Geld, es fehlt ihnen an Motivation. Den Griechen fehlt einfach die Motivation, das zu tun, was für uns selbstverständlich ist. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Die Griechen haben zum Beispiel 70 Milliarden € Schulden bei ihrem Finanzminister und zahlen diese einfach nicht. Die Griechen hätten kein Problem, wenn sie ihre Steuern zahlen würden. Für uns ist es ganz selbstverständlich, dass Steuern gezahlt werden müssen. Für die Griechen ist das nicht so selbstverständlich, und sie haben auch keine Motivation, das zu tun, weil wir immer wieder mit unserem Geld kommen


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und sagen: Na ihr müsst eure Steuern eh nicht zahlen; wir haben in Österreich brave Steuerzahler, pressen denen das Geld ab, und dann bringen wir es euch!

Glauben Sie, dass sie dann selber bereit sind, ihre Steuern zu zahlen? Würden Sie das machen, Ihre Steuern zahlen? Haben Sie schon einmal auf den Kontoauszug ge­schaut, was da abgeht jeden Monat? Glauben Sie, Sie wären bereit, das zu bezahlen, wenn Sie nicht müssten – und die Griechen wären bereit, für uns zu bezahlen? Genau das machen wir! (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Wer es nicht versteht, für den habe ich jetzt noch ein Beispiel aus Österreich. Die Voest war ein Paradebeispiel dafür, wie man einen Betrieb nicht führt. Jahrzehntelang Verluste, zum Schluss mehr Verlust als Umsatz, Reformen – Fehlanzeige, weil sie am Staatstropf gehangen sind. Erst als das Ganze pleitegegangen ist, haben sie Reformen gemacht und sind mittlerweile ein Vorzeigeunternehmen. (Abg. Fekter: Nein, privatisiert!) Das ist Motivation, und genau das fehlt.

Wer nicht glaubt, dass die Griechen in Wahrheit mit unseren Hilfszahlungen und mit dem Euro ein Problem haben, der muss sich nur eines vor Augen führen: Auf den griechischen Feldern vergammelt das Obst und Gemüse, weil das ausländische Obst und Gemüse billiger ist. Das hat den Griechen der Euro gebracht! Und das bringen den Griechen diese permanenten Hilfszahlungen, die nichts anderes als ein Verschleie­rungsprogramm sind, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen!

Die Wahrheit ist ganz einfach: Die Griechen hatten in der Eurozone nichts verloren. Als die Griechen den Euro eingeführt haben, sind schon die ersten Verluste für uns alle entstanden. Ab 2004 hat man davon gewusst, ab 2006 hat die EU-Kommission den Kopf in den Sand gesteckt. 2008, 2009, 2010 ist das geradezu explodiert. Dann hat man versucht, das Ganze zu vertuschen, so nach dem Motto: Es darf niemand erfah­ren, dass wir einen Fehler gemacht haben! – Ja, es war ein Fehler, die Griechen in die Eurozone zu lassen, und dieser Fehler kostet jeden Tag uns alle etwas.

Um das zu vertuschen, schicken wir ihnen jetzt wieder Geld. Auch gegen den Willen der Bevölkerung, gegen den Willen der Regierung wird Ihnen jetzt Geld aufs Auge gedrückt, nur damit es bei uns niemand merkt (Beifall beim Team Stronach), nur damit die heimische Bevölkerung mit der Illusion weiterleben kann, das griechische Geld ist nicht verloren, es kommt irgendwann zurück, und wenn es, wie Sie sagen, 2054 ist.

Das ist das Problem. Das Hauptproblem, das wir haben, ist, dass die Politik hier in Öster­reich und in ganz Europa nach einer Richtschnur funktioniert. Und diese Richt­schnur ist die: Besser ein doppeltes, dreifaches, fünffaches Problem in einigen Jahren, als den Problemen heute ins Auge zu sehen. Das ist die Politik, wie sie in Europa gemacht wird, und das ist traurig und zutiefst abzulehnen! (Beifall beim Team Stronach.)

11.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Finanzminister Dr. Schelling zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.28.27

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Meine Kollegen von der Regierungsbank! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Die Finanzminister der Euro-Gruppe haben in den letzten Monaten verhandelt. Ich habe bei der letzten Sitzung hier im Hohen Haus gesagt, meine Zielsetzung ist, bis zur letz­ten Minute nach einer Lösung zu ringen. Die Finanzminister und Finanzministerinnen der Euro-Gruppe haben in den letzten Monaten eine Leistung erbracht, die sowohl psychisch wie auch physisch an die Grenze gegangen ist, nämlich mit dem erklärten


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Ziel: Wir wollen nach einer Lösung streben, die gut ist für Europa, aber auch für Griechenland.

Daher möchte ich zuallererst meinen 18 Kolleginnen und Kollegen danke sagen. In diesen Dank beziehe ich die Leistungen des Herrn Schäuble genauso ein wie jene des Herrn Sapin. Und ich beziehe vor allem eine Leistung mit ein, nämlich die unseres neuen griechischen Kollegen, Euklid Tsakalotos. Wenn wir den von Anfang an gehabt hätten, dann wäre es – das ist meine persönliche Einschätzung – nie so weit gekom­men, wie die griechische Regierung es mit der Europäischen Union getrieben hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.)

Tsakalotos hat konstruktiv verhandelt – und nicht versucht, uns professorale Vorträge über die Weltverbesserung zu halten. Er ist bereit, Vorschläge aufzunehmen und zu diskutieren. Und er ist bereit, Hilfestellung anzunehmen, die die Griechen dringend brauchen. Wäre das von Anfang an so gelaufen, dann wären wir in diese kritische Situ­ation nicht gekommen.

Ich sage Ihnen ausdrücklich, dass fast alle Punkte, die beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs dann beschlossen wurden, ein einstimmiger Vorschlag der Euro-Finanzminister waren. Es gab wenige Punkte, wo man sehr differenzierte Auffas­sun­gen hatte, wo wir gesagt haben: Das ist eine politische Entscheidung, die die Staats- und Regierungschefs übernehmen sollen in ihrer Verantwortung, um dann zu einer Lösung zu kommen.

Daher ist völlig klar gewesen, dass das Papier, das die Finanzminister übermittelt ha­ben, natürlich abgestimmt war mit den Staats- und Regierungschefs. Deshalb ver­stehe ich auch nicht, wenn ein Entschließungsantrag eingebracht wird von jenen, die immer großartig von „Meinungsfreiheit“ und „Demokratie“ sprechen, die mir auferlegen, eine Meinung nicht haben zu dürfen, nämlich zum Beispiel die des Kollegen Schäuble. Denn das ist ja Inhalt des Entschließungsantrags, den Sie vorlegen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Daher sage ich ausdrücklich: Ich vertrete die Interessen der Österreicherinnen und Öster­reicher, und gestatten Sie mir auch, meine eigene Meinung dazu zu haben. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Es ist in keiner Weise erforderlich, dass Sie glauben, mir Ihre Meinung übertragen zu müssen. (Abg. Pirklhuber: Na sicher, das tun wir öfter im Parlament!) Ich verhandle dort für Österreich und nicht für eine Fraktion. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch klarstellen, dass die Äuße­rungen, die hier gefallen sind … (Abg. Schatz: Es geht nicht um Ihre Meinung, sondern um die des Volkes!) – Ach so! Es geht nicht um meine Meinung? Aha, gut, ist in Ordnung. Ein eigenartiges Verständnis von der Verantwortung einer Politik, aber das haben wir ja bei Ihnen schon länger mitbekommen.

Es ist auch nicht so, dass in diesem Papier die Voraussetzungen für das ESM-Programm definiert sind – es ist einfach falsch, das zu behaupten –, sondern definiert sind die Voraussetzungen zur Wiederherstellung des Vertrauens durch die griechische Regierung; denn dies ist die Voraussetzung dafür, dass dieses Memorandum of Understanding überhaupt verhandelt wird. Daher haben wir ein Programm entwickelt, wo wir gesagt haben: Wir glauben nicht daran, weil seit zehn Jahren das nicht geschieht, auch rückwirkend betrachtet. Wir wollen jetzt sehen, ob die griechische Regierung im Gegensatz zu den letzten Monaten bereit ist, in ernsthafte Gespräche mit dem Partner Europäische Union einzutreten oder nicht.


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Daher mussten diese Voraussetzungen erfüllt sein, und sie sind erfüllt worden mit dem Parlamentsbeschluss in Griechenland. Und wir haben gestern in einer Telefonkonfe­renz klargestellt, dass die Beschlüsse ausreichend dafür sind, dass wir ein Mandat erteilen können, um die Verhandlungen aufzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen die Verhandlungen – und sind nicht am Ende der Verhandlungen. Das Mandat, das Sie mir erteilen oder auch nicht, bedeutet nicht, dass es ein Ergebnis gibt. (Abg. Kogler: Das ist eh klar!) Das bedeutet zuerst einmal, dass das Memorandum of Understanding festgestellt wird. Anschließend wird überprüft, ob das ausreichend ist, um die Schuldentragfähigkeit herzustellen, und es wird überprüft, ob man mit den jetzt vereinbarten Finanzmitteln in der Höhe von 82 bis 86 Milliarden € das Auslangen findet.

Und ich sage Ihnen eines: Wenn das alles unterschiedliche Voraussetzungen werden, dann wird es Regierungen in diesem Europa geben, die dem nicht zustimmen werden.

Da immer wieder zitiert wird, was Deutschland gesagt hat oder nicht: Ich bin nicht bereit, aus einer vertraulichen Runde der Finanzminister zu sagen, wer da aller noch viel anderes gesagt hat. Das macht keinen Sinn. Warum nicht? – Weil wir gemeinsam jetzt zu einem Entschluss gekommen sind. Dieses Papier liegt jetzt vor, und es liegt in unserer Hand, das erfolgreich umzusetzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil auch die Behauptung gefallen ist, es würde keine Brückenfinanzierung geben: Die Brückenfinanzierung steht, und das auch mit Zustimmung der Länder, die vorhin zitiert wurden, nämlich auch von Groß­britan­nien.

Da in diesem Papier immer wieder dieses Phänomen Grexit beschrieben wurde, darf ich Ihnen Folgendes mitteilen: Die Euro-Finanzminister haben den Staats- und Regie­rungs­chefs auf den Weg für ihre Entscheidungen etwas mitgegeben, nämlich diesen berühmten Plan B, den Sie aus den Medien kennen: was passieren muss, wenn kein Programm zustande kommt. Wenn man verantwortungsvolle Politik betreibt, muss man auch diesen Plan B diskutieren, wenn man die Wahrscheinlichkeit nicht hat, dass ein Programm zustande kommt. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Daher ist die Aufregung hier völlig übertrieben, dass auch über das diskutiert wird.

Für diejenigen, die so großartige Unterstützer der Syriza-Regierung sind: Wenn es so wäre, dass Griechenland nicht Mitglied der Euro-Zone bleiben würde, dann hätte man ja nach dem Referendum aussteigen können. Das ist eine Entscheidung der griechi­schen Regierung. Wir aus der europäischen Verantwortung heraus haben gesagt: Wir wollen diesen Grexit nicht.

Zum Kreislauf der Banken und der Notwendigkeit, dass die griechische Bevölkerung unterstützt wird, hat der Herr Bundeskanzler schon ausreichend referiert. Ich möchte Ihnen aber auch – weil offensichtlich nicht alle das Papier des Gipfels genauer gelesen haben – aus dem Eingangsstatement zitieren, damit klar ist, was der nächste Prozess ist:

„Der Eurogipfel betont, dass als Voraussetzung für eine mögliche künftige Verein­barung über ein neues ESM-Programm das Vertrauen in die griechische Regierung unbedingt wiederhergestellt werden muss. In diesem Zusammenhang ist die Eigen­verantwortung der griechischen Regierung von ausschlaggebender Bedeutung, und auf politische Verpflichtungen sollte eine erfolgreiche Umsetzung folgen.“

Das ist ein ganz entscheidender Satz. Es ist nämlich nicht möglich, dass die Euro­päische Union durch Hilfsprogramme die griechische Regierung aus der Eigenverant­wortung entlässt. Das kann doch nicht sein. Es kann sich doch niemand nur aufs Hilfsprogramm verlassen, er muss selbst handeln, er muss selbst Maßnahmen setzen.


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Ich betone ausdrücklich, dass ich felsenfest davon überzeugt bin: Mit oder ohne Hilfsprogramm wird Griechenland ohne diese Reformschritte nicht mehr auf eine erfolgreiche Spur zurückkommen. Sie werden diese machen müssen, mit oder ohne Hilfsprogramm. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kogler.)

Diejenigen, die hier vorschlagen und sagen, es geht ohne Hilfsprogramm, möchte ich fragen, wie sie ohne Zugang zu den Finanzmärkten so ein Programm umsetzen können. – Es geht eben nicht!

Zu den Reformen noch ein Punkt, den ich gerne erwähnen möchte. Für diejenigen, die hier immer sagen, das ganze Programm, das jetzt vom Gipfel, vorgeschlagen von den Finanzministern, umgesetzt wird, sei ein reines Sparprogramm, lassen Sie mich ein paar Überschriften zitieren:

Straffung des Mehrwertsteuersystems; sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit des Rentensystems; die Sicherstellung der Unabhängigkeit des griechischen statistischen Amtes ELSTAT; die Annahme der Zivilprozessordnung; die Umsetzung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten – mit Bail-in –; Durchführung ehrgeiziger Reformen des Rentensystems; Verabschiedung ehrgeizigerer Produktmarktreformen; Privatisierung im Bereich der Energiemärkte; Arbeitsmarktreformen; Maßnahmen zur Stärkung des Finanzsektors; Ausarbeitung eines deutlich nachgebesserten Programms für die Privatisierung; Modernisierung und deutliche Stärkung der griechischen Verwaltung.

Haben Sie jetzt irgendetwas gefunden, wo wir nicht über Reformen sprechen, die in Griechenland dringend erforderlich sind und die Voraussetzung dafür sind, dass andere Maßnahmen überhaupt greifen können? Denn wenn es stimmt – wir haben die Unterlagen noch nicht, aber wenn es stimmt –, dass es in Griechenland aufgrund einer nicht vorhandenen Finanzverwaltung nicht eintreibbare Steuerschulden von 70 Milliar­den € gibt, dann bräuchten wir kein Hilfsprogramm, wenn die imstande wären, die Steuern einzutreiben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Kogler: Richtig!)

Daher ist es völlig unverständlich, dass man einem solchen Reformprogramm nicht zustimmt. Es ist mir auch völlig unverständlich, dass ein Mandat für Verhandlungen nicht erteilt wird, man aber dann, wenn es genehm ist, vielleicht zustimmen wird. Das verstehe ich, ganz ehrlich gesagt, nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kogler.)

Ich möchte mit drei, vier Schlussbemerkungen enden.

Erstens: die Tragfähigkeit der Schulden durch den IWF feststellen. Schauen Sie sich bitte die Papiere an, die uns zur Verfügung stehen. Der IWF ist selbstverständlich mit allen anderen Institutionen der Überzeugung, dass die Schuldentragfähigkeit herge­stellt werden kann, und das ist eine entscheidende Voraussetzung. Die Frage ist wie immer: Wie macht man das?

Aber der IWF hat vor wenigen Stunden mitgeteilt, dass er sich auch an einem dritten Hilfsprogramm beteiligen könnte, sofern das zweite Hilfsprogramm, das für den IWF noch bis März nächsten Jahres läuft, erfolgreich abgewickelt wird. Daher müssen wir jetzt über die Brückenfinanzierung für den IWF diese 2 Milliarden € sicherstellen, damit die restlichen 16 Milliarden € ausbezahlt werden können. Und wenn der IWF sagt, er ist bereit, wenn das Memorandum of Understanding daliegt, die Schuldentragfähigkeit zu prüfen und sich an einem Programm zu beteiligen, so wissen Sie: Die strengste Schuldentragfähigkeitsanalyse wird durch den IWF durchgeführt. (Abg. Kogler: Ist logisch!)


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Zweiter Punkt: Sie tun hier so, als ob es irgendeiner Österreicherin oder irgendeinem Österreicher gelingen könnte, einen Bankkredit ohne Bedingungen zu bekommen. Nie­mandem wird das gelingen! Deshalb ist es einfach falsch zu sagen, wir stellen keine Bedingungen dafür, dass wir bereit sind, weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Es ist einfach falsch! (Beifall bei der ÖVP.) Das ist notwendig! Es ist notwendig, diese Bedin­gungen herzustellen!

Dritte Anmerkung: Wir sind, wie ich bereits gesagt habe, am Beginn eines Prozesses, der durchaus noch sehr, sehr schwierig werden wird. Klargestellt ist auch – das garan­tiert auch die griechische Regierung, das garantiert auch die Art und Weise, wie mein griechischer Kollege in die Verhandlungen geht –, dass wir gemeinsam bereit sind, diesen schwierigen Weg zu einem guten Ende zu bringen; und das ist erstmals so der Fall.

Ich habe manchmal das Gefühl, bei uns entwickeln sich Einzelne, die hier an das Rednerpult treten, zu einem „Alpen-Varoufakis“. Sie erzählen uns hier, wie die Welt funktioniert, haben aber keine Lösung. Das wird nicht der Weg sein, den wir beschreiten. Wir werden mit klaren Strukturen verhandeln, um Griechenland auf einen erfolgreichen Weg zurückzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine letzte Anmerkung, meine sehr geehrten Damen und Herren, schmerzt ganz besonders. Wenn hier davon gesprochen wird, Herr Tsipras sei erpresst worden: Wissen Sie, wer uns sechs Monate lang in der Euro-Gruppe erpresst hat? Der Herr Varoufakis als Spieltheoretiker, der mit uns gepokert hat bis zum letzten Augenblick und für das Land sicher nichts Gutes getan hat, indem er sich so verhalten hat. Wir hätten nämlich schon vor sechs Monaten eine Lösung haben können, die nicht zu diesem Zustand geführt hätte. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb lasse ich das nicht zu, da es auch ein Vorwurf an die österreichische Bun­desregierung ist, dass hier behauptet wird, der Herr Bundeskanzler hätte beim Gipfel oder ich bei den Finanzministern erpresserische Vorgänge unterstützt. Wir haben Verhandlungen unterstützt, wir haben konstruktive Vorschläge unterstützt, wir waren diejenigen, die immer wieder mit Kompromissen in die Verhandlungen gegan­gen sind. Deshalb bitte ich Sie um dieses Mandat, damit wir das auf einen guten Weg bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Rädler: Wo ist die Frau Glawischnig? Am Golf­platz?)

11.42


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


11.42.12

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos so, dass es heute nichts zu feiern gibt. Zu feiern wird es erst dann etwas geben, wenn das griechische Volk, die griechische Wirtschaft und die griechische Politik wieder auf Augenhöhe Mitglied in der Währungsunion und auf Augenhöhe Mitglied in der Europäischen Union ist. In der Nacht von Sonntag auf Montag sind die Währungsunion und auch die Euro­päische Union durchaus auf der Kippe gestanden.

Ich möchte auf die Ausführungen des Kollegen Kogler etwas eingehen, denn er hat sehr schön argumentiert, warum die Grünen heute nicht mitgehen können. Hätte Herr Kogler von Sonntag auf Montag diese Position in der Härte bei den Beratungen der Regierungschefs vertreten, dann würden wir heute nicht hier zusammenkom­men (Abg. Kogler: Oja, mit einem besseren Programm!), denn wir hätten am Montag das


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Grexit-Szenario gehabt; und das ist eine kleine Ungenauigkeit in der Argumentation, Herr Kollege.

Man hat sich von Sonntag auf Montag auf eine Position der Mitte verständigt. Es ist ein Kompromiss, wie es in der Europäischen Union üblich ist. Es gibt Unterstützungen nur mit Auflagen, unterstützt wird nur dann, wenn Programme umgesetzt sind. Der Herr Finanzminister hat das bereits sehr treffend erklärt. Diese Diskussion, die viele von uns vielleicht im Liveticker mitverfolgt haben, ist kurz vor dem Abbruch gestanden. Es war anscheinend Donald Tusk, der zu Merkel und Tsipras gesagt hat: Nein, ihr bleibt jetzt da, und wir verhandeln weiter!

Letztendlich hat es in dieser Nacht einen Sieger gegeben. Dieser Sieger war der Wert der Gemeinschaft. Denn Gemeinschaft kann nur dann funktionieren, wenn es Regeln und vor allem in dieser Situation strenge Regeln gibt. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Meinungsportfolio, das wir auch bei uns in Österreich und in diesem Hohen Haus verspüren und das auch in der ganzen Europäischen Union gegeben ist, ganz intensiv ausdiskutiert worden ist. Es liegt jetzt dieser Kompromiss auf dem Tisch, der letztendlich einen Grexit, den wir alle verhindern wollen, verhindert hat.

Griechenland war auf einem guten Weg, der IWF hat das bestätigt, nur, als Tsipras gekommen ist – das wurde auch schon ausgeführt –, sind eben gewisse Maßnahmen nicht fortgeführt worden. Das war eigentlich der Beginn der Problematik, warum wir heute hier zusammentreffen.

Es gilt an dieser Stelle festzuhalten, dass es wichtig ist, die Reformkräfte in Griechen­land zu stärken, da wir auch wissen, dass ein großer Prozentsatz bei diesem Referen­dum zwar das Sparpaket abgelehnt hat, aber auf der anderen Seite das griechische Volk zu einem großen Prozentsatz in der Eurozone und in der Europäischen Union bleiben möchte.

Griechenland hat einen steinigen Weg vor sich. Die Demokratie ist zweifellos zu stär­ken. Ein Referendum, so wie es an diesem besagten Sonntag vom Zaun gebrochen worden ist, eigentlich mit dem Hintergrund, die Verhandlungen auf europäischer Ebene zu bestärken, ist eigentlich ein Missbrauch; ein Missbrauch der direkten Demokratie. Das sollte man abstellen.

Die Pensionen sind zu reformieren, wie auch bei uns in Österreich. Es braucht stabile Steuersysteme, es braucht mehr Rechtstaatlichkeit in diesem Land. Auf diesem Weg werden die Europäische Union und die österreichische Bundesregierung Griechenland mit Sicherheit begleiten. Und es gilt, die Wirtschaft aufzubauen. Ich bin überzeugt davon, dass die Ressourcen in Griechenland dafür vorhanden sind.

Wenn uns wieder von den eher nationalistisch angehauchten Kräften in Europa und vielleicht auch in unserem Land erklärt wird, dass man Finanzmärkte und gesunde Banken für Investitionen in eine Volkswirtschaft in einem Land nicht braucht, dann ist das schlichtweg naiv und fern der Realität.

Zwei Gedanken zu den Extrempositionen, die wir immer wieder im politischen Diskurs finden: Das eine sind die eher nationalistisch angehauchten Kräfte, die so vorgehen, dass sie sagen: Wir können ja auch die Grenzen dichtmachen! – Das wird Europa und den Wirtschaftsstandort Europa nicht weiterbringen.

Auf der anderen Seite die eher linken Kräfte, die Wirtschaftstheoretiker, die Keyne­sianer, die immer auf eine expansive Geldpolitik, auf eine expansive Finanzpolitik setzen. – Auch das wird uns in Europa nicht glücklich machen, denn letztendlich – und das zeigt der Kompromiss vom Sonntag auf Montag, den wir heute auch auf den Weg bringen wollen – wird man mit Zusammenarbeit und mit Verhandlungen und mit gemeinsamen Lösungen ans Ziel kommen.


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Solidarität ist keine Einbahnstraße. Daher ist es gut, dass es jetzt Hilfen nach Griechen­land nur mit Auflagen gibt. Das größte Ziel muss sein, den Schaden – auch das hat der Herr Finanzminister ausgeführt –, der im letzten halben Jahr angerichtet wurde, abzufedern. Es gilt, Vertrauen zu schaffen: in die Diplomatie, in die Märkte, in die Wirt­schaft und auch in die Völker und Menschen.

Es wurde immer wieder, auch in den Medien, der Vergleich mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, den Verhandlungen in Versailles, strapaziert. – Es ist zweifellos so, dass Griechenland in keine kriegerischen Handlungen involviert war, aber wir schon feststellen können, dass es vor allem in den sozialen Netzen und allgemein in den Medien zu einem Krieg der Worte und zu einem Krieg der Bilder gekommen ist. Es sollte unser gemeinsames Anliegen sein, diesen Krieg der Worte und Bilder zu verändern und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um – da bin ich beim Kollegen Krainer – Brücken zu bauen. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Herausforderungen sind groß! – Auf diesem Weg alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hable zu Wort. – Bitte.

 


11.49.44

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Bürgerinnen und Bürger! Wir NEOS haben es uns tatsächlich nicht leichtgemacht. Unser Klubobmann Matthias Strolz hat schon erwähnt: Es war eine schwierige Entscheidung für uns, zu diesem sogenannten Hilfs­paket nein zu sagen – weil wir überzeugte Europäer sind, weil wir überzeugte Unter­stützer dieses europäischen Einigungsprojektes sind und alles dafür tun würden, damit dieses europäische Einigungsprojekt weiter erfolgreich unterwegs ist!

Warum können wir da nicht mitgehen? – Das hat inhaltliche Gründe, denn wenn dieses sogenannte Hilfspaket inhaltlich und sachlich helfen soll, da es so genannt wird, da es als Hilfspaket bezeichnet wird, dann muss es doch insgesamt Europa helfen und dann muss es Griechenland helfen. Und genau da sind wir der Überzeugung, dass das nicht der Fall ist.

Erstens: Es hilft Europa nicht. Zweitens: Es hilft Griechenland nicht.

Warum hilft es Europa nicht? – Da braucht man zuerst einen Schuss Ehrlichkeit. Klubobmann Schieder von der SPÖ hat gesagt, dieses Paket wäre notwendig, um einen griechischen Staatsbankrott zu verhindern. Seien wir doch ehrlich: Dieser griechische Staatsbankrott ist doch schon eingetreten! Praktisch seit 2010, formell seit ein paar Wochen, seit Griechenland die Rate an den IWF nicht mehr zahlen konnte. Diese Ehrlichkeit brauchen wir für die Diskussion: Griechenland ist pleite, und diesen Schuldenberg kann es nicht zurückzahlen!

Wenn man jetzt so tut, als ob das eine Lösung wäre, als ob damit dieses Problem gelöst wäre, dann lügen wir uns in den Sack, und wir lügen den Bürgern in den Sack. Das ist ein Hinausschieben von Lösungen, und dieses Hinausschieben von Lösungen führt zu einem ständigen Streit ums Geld in Europa.

Dieser ständige Streit ums Geld zwischen den europäischen Mitgliedstaaten beschä­digt die EU, beschädigt das europäische Einigungsprojekt. Es wäre notwendig, damit das nicht mehr der Fall ist, dass wir Ehrlichkeit in dieser Diskussion haben, dass wir anerkennen, dass Griechenland diesen Schuldenberg nicht mehr bezahlen kann, und dass wir anerkennen, dass es dann, wenn jemand in diesem gemeinsamen euro­päischen Haus nicht ordentlich wirtschaftet, die Möglichkeit einer Insolvenz geben muss und dass eben nicht ständig die anderen Staaten, die europäischen Steuerzahler


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eingreifen müssen, sondern dass diejenigen zahlen müssen, die investiert haben, die das Risiko gehabt haben.

Zweiter Grund: Warum hilft dieses Paket Griechenland nicht? – Wir haben schon gehört, 92 Prozent dieser mindestens 82 Milliarden € gehen gar nicht nach Griechen­land, sondern werden zum Großteil zur Bedienung des Schuldendienstes verwendet; kommen also bei den Menschen in Griechenland gar nicht an. Da kann man sich gleichzeitig aber auch über die Qualität dieser Zahlen Sorgen machen, denn Grund­lage dieser Zahlen, dass es „nur“ – unter Anführungszeichen –, „nur“ mindestens 82 Mil­liarden € sind, ist nach wie vor die Annahme, dass Griechenland in den nächsten drei Jahren einen Haushaltsüberschuss, einen Primärüberschuss von 6 Milliarden € zusam­menbringt. Wir wissen, dass das unrealistisch ist. Auch da würden wir mehr Ehrlichkeit brauchen, dass es wahrscheinlich bei diesen 82 Milliarden € nicht bleiben wird.

Was ist denn nun das drängendste Problem in Griechenland? – Das drängendste Problem sind die Banken, und zwar deswegen, weil vier große griechische Banken, die an und für sich – das hat der Stresstest der EZB ergeben – in Ordnung sind, gesund sind, durch die Schwierigkeiten des griechischen Staates mit hinuntergerissen werden. Und wenn hier gesagt wird, man müsse einen Bank Run verhindern, dann sollten wir doch auch die Ehrlichkeit haben zu sagen, dass dieser Bank Run schon längst unter­wegs ist, nämlich schon seit Ende letzten Jahres. Genau dafür sind ja diese soge­nannten Ela-Notkredite von bisher schon mindestens 90 Milliarden € gebraucht worden, da Geld aus den griechischen Banken abgezogen worden ist, die aber an und für sich gesund wären. Allerdings kommt jede Bank ins Straucheln, wenn auf einmal zu viele Sparer zur Bank rennen und ihr Geld abheben. Und genau das ist der Fall!

Wie stabilisieren wir diese Banken? – Da gibt es Möglichkeiten. Es gibt direkte Möglichkeiten, durch den ESM zu helfen, direkte Möglichkeiten, die Banken zu reka­pita­lisieren, für die nötige Liquidität zu sorgen und auch dafür zu sorgen, dass diese unselige Verbindung zwischen Banken und öffentlichem Haushalt getrennt wird. Genau deswegen gibt es diese direkten Instrumente, damit wir verhindern können, dass der griechische Staat die griechischen Banken mit hinunterreißt.

Das Gute an diesem Direktinstrument des ESM ist, dass der ESM dann auch Kontroll­möglichkeiten über das griechische Bankensystem hat, dass es auch die Möglichkeit eines Bail-in gibt, einer Gläubigerbeteiligung. All das hätten wir bei den gegenwärtigen Vorschlägen nicht.

Daher sagen wir insgesamt Nein zu diesem Paket, da es Europa nicht hilft. Auch da unterscheiden wir uns von den Nationalisten der FPÖ. Wir sagen ein Nein zu diesem Paket, weil es Griechenland nicht hilft. Und da unterscheiden wir uns auch von Grünen und SPÖ, denn es ist keine Lösung, ständig neues Steuergeld auf Probleme zu wer­fen.

Wir brauchen eine wettbewerbsfähige griechische Wirtschaft, und das liegt nicht in der Verantwortung von uns in Wien, das liegt nicht in Brüssel, sondern das liegt in der Verantwortung von Athen. Daher sagen wir insgesamt ein Nein zu diesem Paket: aus Verantwortung zu Europa, aus Solidarität zu Griechenland – und Nein vor allem unter diesen Gesichtspunkten aus Verantwortung zu den österreichischen Steuerzahlern. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.56


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.56.48

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Kollege Hable, Sie haben zu zwei Drittel recht mit Ihren Schlussausführungen, dass das Paket nicht Europa hilft. Es hilft


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 61

nicht Griechenland, da gebe ich Ihnen recht, aber das Dritte und Wesentlichste haben Sie vergessen als österreichischer Abgeordneter im Nationalrat: Es hilft vor allem Österreich nicht! Im Gegenteil: Es schadet Österreich massiv – so wie wir uns bisher durch alle Beschlüsse, die hier in dieser Angelegenheit gefasst worden sind, schon massivst geschadet haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir hier von Regierungsseite gehört haben, das höre ich zumindest – ich bin seit 2008 im Parlament – seit Beginn der Griechenlandkrise, also seit Februar/März 2010, fast gleichlautend. Wenn Sie sich die Reden, die gehalten worden sind, anschauen, werden Sie feststellen, es ist fast das Gleiche. Es geht so weit, dass der Herr Bundeskanzler heute sogar gemeint hat, das neue Hilfspaket oder das Memorandum of Understanding, wie der Herr Finanzminister das so nett umschreibt, wäre ein erster Schritt, ein erster Versuch. Nach fünf Jahren der erste Schritt, ein erster Versuch? – Brauchen wir dann noch viel dazu zu sagen, wenn jetzt von einem „ersten Versuch“ geredet wird?!

Ich glaube, wir sollten alle – er ist jetzt nicht mehr hier – dem Kollegen Lopatka noch einmal geistig zuhören, was er heute gesagt hat. Ich habe das mitgeschrieben und auch die Kollegen von der FPÖ haben das nicht ganz wahrgenommen.

Lopatka hat nämlich gesagt, die heutige Regierung, die wir in Griechenland haben, blockiere jede ernstzunehmende Reform. Vertrauen und Verlässlichkeit in diesen Staat, in diese Regierung seien verloren gegangen. – Lopatka hat Merkel zitiert. Die jetzige Regierung, die Syriza-Regierung, hat allein bei den Banken in den letzten sechs Monaten einen Schaden von 25 Milliarden € angerichtet, oder, wie er es exakt gesagt hat, ein zusätzlichen Finanzbedarf von 25 Milliarden € heraufbeschworen.

Bei dieser Regierung, bei diesem System sind wir jetzt der Ansicht – wir nicht, aber offenbar die Regierung und eine Mehrheit in diesem Haus –, wir müssen einen ersten Schritt machen und alles, was wir fünf Jahre gemacht haben, was wir mit 280 Mil­liarden € finanziert haben, wird jetzt anders und besser und wird jetzt super klappen.

Ja bitte, wer glaubt denn das? – Offensichtlich nach wie vor eine Mehrheit, die meint, diese Regierung, die der Klubobmann der zweitgrößten Regierungspartei als absolut nicht vertrauenswürdig, nicht verlässlich, als schadenszufügend bezeichnet, soll jetzt die Dinge, die fünf Jahre nicht geklappt haben, machen. – Das kann es nicht sein!

Richtig ist natürlich, dass es sich um kein Hilfspaket für Griechenland handelt und schon gar nicht um ein Hilfspaket für Europa, aber es wird einem Hilfe geben, und das werde ich gleich sagen.

Da ist zuerst einmal der Hauptprofiteur dieses neuen Memorandum of Understanding, wie es jetzt heißt, und das ist einer, der sicher nicht in Europa sitzt, nämlich der IWF, denn der IWF beteiligt sich nicht an weiteren Zahlungen. Der wartet bereits auf 1,42 Mil­liarden oder 1,43 Milliarden € an ausständiger Rate, und der wird jetzt – das sieht man ja in den ganzen Zahlungsprogrammen – nicht nur diese Rate nachbezahlt bekommen, sondern er wird auch seine weiteren Raten aus diesen angeblich 82 Mil­liar­den €, die wir hier weiter zuschießen, bekommen. – Also den einen Profiteur haben wir.

Der zweite großen Profiteur ist die Liga der Realitätsverweigerer, derjenigen, die sich nicht trauen, ihren eigenen Leuten, ihren Steuerzahlern und Wählern die Wahrheit zu sagen. Das sind diejenigen, die sagen: Wir wollen ja den Leuten nicht sagen, dass das Geld verloren ist, das da hinuntergeschickt worden ist! – Es wäre ja noch schön, wenn man den Leuten nur sagen müsste, dass das Geld verloren ist – das wäre ja nicht so schlimm! –, aber es kommt viel schlimmer, man muss den Leuten nämlich sagen: Das Geld, das da hinuntergeschickt worden ist, muss jetzt gezahlt werden!


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Das Geld hat ja bisher niemand gezahlt, sondern wir haben Haftungen dafür abge­geben. Das ganze Geld, das da hinuntergeflossen ist, findet sich nicht in unseren Budgets, das ist ja von uns nicht ausgegeben worden. Aber wenn wir jetzt sagen: Schluss mit lustig, jetzt muss ein neuer Start gemacht werden, Griechenland muss neu aufgestellt werden, die untragbare Verschuldung muss in der einen oder anderen Form geregelt werden!, dann werden diese Haftungen schlagend und dann müssen alle – Bundeskanzler, Finanzminister, Klubobleute, die das alles befürwortet haben – den Leuten sagen: Liebe Freunde, die Kohle ist weg, wir brauchen jetzt ein 8,2- oder 9,2-Milliarden-Sparpaket – das weiß man bei Österreich nicht so genau –, um das aufzubringen, um das einzuzahlen!

Deshalb: Alles jubelt, es gibt eine neue – O-Ton Finanzminister – Lösung: eine Lösung, die nichts anderes ist, als keine Lösung herbeizuführen beziehungsweise die einzig mögliche Lösung auf den gehofften Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Es wird natürlich nicht der Sankt-Nimmerleins-Tag werden, sondern es wird ein Tag, den wir alle noch erleben werden – ob noch als Abgeordnete, als Minister und als Bundes­kanzler ist eine andere Frage, aber erleben werden wir ihn mit hoher Wahrschein­lichkeit, ausgehend von der durchschnittlichen Lebenserwartung in Österreich.

Sogar Herrn Steinbrück, dem langjährigen deutschen Finanzminister, hat es gereicht. Sie haben es vielleicht den Medien entnommen: Steinbrück hat in der Diskussion innerhalb seiner Fraktion, der SPD-Fraktion (Zwischenruf der Abg. Moser), zu diesem neuen Hilfspaket – vulgo Memorandum of Understanding – gesagt, er kann das nicht mitverantworten und er wird als Abgeordneter dagegen stimmen. Dieses dritte sogenannte Hilfspaket ist nämlich nichts anderes als die Einladung zum vierten Hilfspaket, das noch in dieser Legislaturperiode, hat er gesagt, erforderlich sein wird, weil es keinen anderen Weg gibt, das griechische Problem anzugehen, zu lösen – das Wort ist schon so oft missbraucht worden, dass ich es gar nicht verwenden will –, also anzugehen, als Griechenland aus der Eurozone herauszuführen und ihm in Form eines Schuldenschnitts – manche sagen: Staatsbankrotts – einen Neuanfang zu ermög­lichen. Das jetzige Kostenniveau, das Verschuldungsniveau, in Griechenland macht so einen Neuanfang unmöglich.

Das ist jetzt kein Nationalist, wie manche gesagt haben, oder Rechtspopulist, sondern das ist der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück. – Jetzt kann man natürlich sagen, der ist verirrt oder der ist vielleicht frustriert, weil er nicht mehr Finanzminister ist, er ist vielleicht frustriert, weil er nicht mitreden durfte, weil er das Ergebnis nicht verkünden durfte, weil er nicht Europa oder den Euro oder die Griechen retten durfte. – Das kann man natürlich alles sagen, man kann es aber auch realistisch sehen – als einer, der sagt: Das trage ich nicht mehr mit!

Und wenn ich mir anschaue, was hier in den letzten fünf Jahren mit Griechenland pas­siert ist, welche Beschlüsse es da gegeben hat – Parlamentsbeschlüsse, Erklä­rungen und so weiter – und was alles da herausgekommen ist, dann finde ich, dass auch wir als verantwortliche Parlamentarier der Republik Österreich so etwas nicht weiter mit­tragen sollten und daher dem Finanzminister diese gewünschte Ermächti­gung, hier weitere 82 Milliarden als ersten Schritt zu – sagen wir einmal so – vergeben, nicht erteilen sollten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.04


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Rossmann zu Wort. – Bitte.

 


12.04.19

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Herr Finanzminister, ehrlich gesagt, ich kann Ihre


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Aufregung um den Entschließungsantrag von Werner Kogler überhaupt nicht nach­vollziehen, aber in keiner Weise. (Abg. Rädler: Das ist aber Ihr Problem!) Sie handeln doch bitte hier nicht als Privatperson! Und selbstverständlich ist es so, dass Ihnen das Parlament, dieses österreichische Parlament hier, eine Weisung erteilen kann. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Wer Ihnen aber mit Sicherheit keine Weisung erteilen kann, das ist Herr Finanzminister Schäuble, der – gemeinsam mit vielen anderen Finanzministern – möglicherweise ver­sucht hat, Ihnen den Plan A einzureden, der gelautet hat: Wir werden es nicht zulas­sen, dass es in Griechenland zu einem Kurswechsel der europäischen Politik kommt.

Was wollte denn die neue Regierung in Griechenland, was wollte denn Finanzminister Varoufakis? (Abg. Hauser: Das wissen sie selber nicht!) – Natürlich wollten sie ein Ende der Austeritätspolitik, weil sie sechs Spardiktate hinter sich hatten, die dazu geführt haben, dass Griechenland von Jahr zu Jahr weiter in die Tiefe gerutscht ist. Und sie haben sich zur Wehr gesetzt (Zwischenruf der Abg. Fekter) – sie haben sich dagegen zur Wehr gesetzt, zu Recht zur Wehr gesetzt! Aber dann trat eben Schäuble auf den Plan und ist mit seinen Grexit-Fantasien zur Höchstform aufgelaufen – aber durchsetzen konnte er sich nicht!

Aber beginnen wir vielleicht ein bisschen früher, um zu begründen, warum wir heute diesen Beschluss nicht mittragen werden: Diese Einigung in der Nacht von Sonntag auf Montag hat ja schweren Schaden angerichtet. Man kann das vielleicht so um­schreiben: Operation geglückt, der europäische Gedanke tot, Griechenland tot! Schauen wir ... (Bundesminister Schelling: Sie werden ihn nicht wiederbeleben!) – Hören Sie mir einmal zu, Herr Finanzminister!

Was zumindest übrig bleibt ist, dass Europa nach dieser Einigung tief gespalten ist, weil nationale Interessen vor das Projekt Europa und vor Solidarität in Europa gestellt worden sind. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Die europäische Integration hat schwers-ten Schaden erlitten. (Beifall bei den Grünen.)

Ein zweiter Punkt, europapolitisch von Bedeutung: Griechenland – und das steht ja in dieser Einigung klipp und klar drinnen – wurde seiner Souveränität beraubt, weil sämt­liche Regierungsvorlagen von relevanter Bedeutung vorab der Troika vorgelegt werden müssen, mit ihr abgestimmt werden müssen, bevor sie ins Parlament kommen! – Bitte, damit wird Griechenland zu einem Protektorat, abhängig von der Troika, den Institu­tionen: der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission und dem Wäh-rungsfonds. (Zwischenruf des Abg. Podgorschek.) Diesen Rückfall in die alte Machtpolitik, den kann und darf man in Europa schlichtweg nicht tolerieren! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Amon.)

Und nun zum dritten Hilfspaket für Griechenland selbst: Sie, Herr Finanzminister, sagen, es muss Vertrauen aufgebaut werden. – Ja, auch ich bin dafür, dass Vertrauen aufgebaut werden muss. Aber ich frage mich schon, wie man in Europa Vertrauen aufbauen kann, wenn die Regierung, bevor überhaupt Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket stattfinden, gezwungen wird, im Parlament Vorabentscheidungen zu treffen, die – entschuldigen Sie bitte, Herr Finanzminister – mit Reformen ganz wenig zu tun haben. Würden Sie allen Ernstes behaupten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei eine Reform? Würden Sie allen Ernstes behaupten, Rentenkürzungen – bei denen Rentner mit niedrigen Pensionen betroffen werden – seien eine Reform?

Ja, die Unabhängigkeit des Statistischen Zentralamtes ist eine Reform – da gebe ich Ihnen recht –, aber der Hammer, der in diesen gestrigen Entscheidungen des griechi­schen Parlaments enthalten ist, ist jener: Wenn Griechenland die strikten Vorgaben für Primärüberschüsse – und die werden sehr strikt sein, und über Jahrzehnte sehr strikt sein – nicht erreichen kann, dann treten automatisch Ausgabenkürzungen in Kraft. –


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Und das nennen Sie Reform, Herr Finanzminister?! Das nenne ich Kürzungsdiktat, Herr Finanzminister! Genau von diesen Ideen ist der Plan A von Finanzminister Schäuble von Anfang an getragen gewesen, und viele Finanzminister in der Eurozone haben dabei mitgespielt.

Und sagen Sie mir nicht, Herr Finanzminister, dass Griechenland nicht erpresst wor­den wäre! Natürlich ist Griechenland erpresst worden, denn Griechenland stand mit dem Rücken zur Wand. (Abg. Podgorschek: Ja, aber aus eigenem Verschulden!) Es gab für sie die Möglichkeit, zu sagen: Ja, wir nehmen das oder wir nehmen das nicht – friss oder stirb!

Aber es gibt zu diesem Plan natürlich Alternativen. Es ist ja nicht so, dass dieser Plan um jeden Preis gefressen werden muss. (Abg. Rädler: Das glauben Sie ja nicht wirklich, oder?)

Ich meine, sehr kritisch war ja mein deutscher Kollege, der Vorsitzende der Euro­päischen Grünen Reinhard Bütikofer, der gemeint hat, der herrische, hässliche Deutsche hat in der Person Schäuble wieder ein Gesicht bekommen. – Ja, da hat er recht, mein Kollege! (Abg. Fekter: Alleine diese Hetze ist unerträglich! Das ist Hetze! – Zwischenruf des Abg. Lugar.) Da hat er recht!

Europa, meine Damen und Herren, und Griechenland verdienen sich Besseres als einen Plan A und als Erpressung durch Herrn Schäuble und andere Finanzminister (Beifall bei den Grünen – Abg. Fekter: Unglaubliche ... Hetze!), mit Spaltung, mit Destruktivität à la Schäuble, mit Destabilisierung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist nicht der europäische Weg, den ich mir wünsche. Ich wünsche mir – und ich stehe zusammen mit anderen dafür – einen Kurswechsel in der europäischen Wirt­schaftspolitik, der überfällig ist und der auch hin zu einer Europäischen Sozialunion führen muss. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Hitzekoller! – Ruf bei der ÖVP: Schlimm!)

Aber beginnen wir nun mit dem Plan A, dem Kürzungsdiktat à la Schäuble. – Es wird eine Politik fortgesetzt, die bisher erfolglos gewesen ist. (Abg. Fekter: ... Vergleich zum Nationalsozialismus ...! Herr Rossmann, das ist dieses Hauses unwürdig! Entschul­digen Sie sich dafür, einen Vergleich mit dem Nationalsozialismus herzustellen! – Ruf bei der ÖVP: Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sechs Sparpakete haben dazu geführt, dass in Griechenland die Wirtschaftsleistung um 23,6 Prozent gesunken ist, Frau Finanzminister außer Dienst.

Schauen wir uns an, was in Griechenland noch passiert ist: Not und Elend; viele Men-schen stehen ohne Krankenversicherung da. Die Krankenversorgung in den Kranken­häusern funktioniert nicht mehr. Die Armut steigt, die Kinder- und Säuglings­sterb­lichkeit steigt und, so habe ich heute von grünen Delegierten, die jetzt in Griechenland auf Besuch sind, erfahren, die Zahl der Obdachlosen ist in Athen etwa dreimal so hoch wie in Wien – 17 000 –, und die Tendenz ist stark steigend. – Das kann doch nicht das Europa sein, das wir wollen! (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das kann aber auch nicht der Plan sein, den wir wollen!

Wenn wir Griechenland aus dieser misslichen Situation, aus dieser Verelendung (Zwi­schenruf des Abg. Amon), in der man jetzt schon ist, herausführen wollen, dann braucht es nicht diesen Plan A, sondern dann braucht es tatsächlich einen Plan B, der nicht sagt, wir müssen jene Strukturreformen durchziehen, die in diesem Plan A ent­halten sind. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Hammer: Realitätsverweigerer!)

Ich sage nicht, dass alles darin falsch ist. Es ist sicher richtig, die Verwaltung zu moder­nisieren; es ist sicher richtig, Steuerbehörden aufzubauen, die funktionieren, es


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ist sicherlich richtig, die Reichen zu besteuern; es ist sicher richtig, Steuer­betrugsbekämpfung zu machen; es ist richtig, die Klientelpolitik zu beenden; es ist richtig, die Korruption zu beenden; es ist richtig, die militärischen Ausgaben zu kürzen, und dergleichen mehr, was aber Griechenland dringend braucht – und das wird mit diesem Plan A nicht zu erreichen sein, sondern nur mit einem Plan B –, ist eine Basis für eine Beseitigung der sozialen und humanitären Verwerfungen, die diese bisherigen Programme ausgelöst haben. (Beifall bei den Grünen.)

Griechenland braucht massive Investitionen – und nicht nur jene Investitionen, die in diesem Plan A enthalten sind. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ja zur Hilfe der griechischen Bevölkerung – nein zur Fortsetzung der krisenverschärfenden Wirtschaftsdiktate

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für eine Beendigung krisenverschärfender Wirtschaftsdiktate einzusetzen, um das humanitäre Desaster in Griechenland zu beseitigen und um eine Investitionsoffensive, die den Namen verdient, zur Erneuerung und ökologischen Umsteuerung der Wirtschaft zu ermöglichen. Zusätzlich soll sich die Bundesregierung gegen die Aushebelung demokratiepolitischer Grundsätze stellen.“

*****

Ja, wir sind ganz klar für eine Hilfe für die Griechinnen und Griechen. (Abg. Rädler: ... Rossmann-Plan!), wir sind aber ganz klar gegen diese Art der Hilfe (Abg. Hammer: Komisch, dass die deutschen Grünen anders ...! – Abg. Rädler: Die deutschen Grünen ...!), diese Finanzmittel, die nämlich mit einem Maßnahmenplan verknüpft werden, der Griechenland weiter in die Rezession hineinführen wird.

Herr Finanzminister, noch ein Wort zu Ihnen: Wenn Sie hier gesagt haben, die Schul­dentragfähigkeit kann hergestellt werden, so kann ich daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands jetzt nicht gegeben ist. (Abg. Rädler: Rufen Sie einmal in Deutschland an!) Das heißt aber mit anderen Worten – Herr Kollege Kogler ist ja schon darauf eingegangen –, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme der Verhandlungen in Wirklichkeit nicht gegeben sind. (Abg. Hammer: Sie hören sich auf jeden Fall gerne reden!)

Ich verstehe dann überhaupt nicht, warum zwar andere Maßnahmen prioritär durch-gesetzt werden müssen, warum aber nicht eine Schuldenerleichterung zu jenen prioritären Maßnahmen gehört, die Griechenland jetzt so dringend braucht. Ich verstehe auch nicht, warum man Liberalisierungen auf dem Arbeitsmarkt durchführen muss (Zwischenruf des Abg. Amon – Abg. Rädler: Irland!), Liberalisierungen auf dem Arbeitsmarkt, die man im Übrigen schon in den vergangenen Jahren durchgeführt hat und die von der ILO sehr, sehr heftig kritisiert worden sind, die nämlich dahin gehen, zu sagen: Hebeln wir die Arbeitnehmerrechte weiter aus!

Modernisieren wir, heißt es zynisch in diesem Papier (Abg. Rädler: Selbsttherapie!), die Tarifverhandlungen! (Ruf: Das ist eine eigenartige Gesprächstherapie!) – Na, was


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kann denn das bedeuten? Heißt das: Verlegen wir die Tarifverhandlungen auf die betriebliche Ebene oder schaffen wir sie besser gleich ganz ab!? Da ist aber auch die Rede von Massenentlassungen. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) – Das nennen Sie Reformen, Herr Finanzminister?! – Das nenne ich ein Diktat A, ange­trieben von Herrn Schäuble, das Griechenland nicht aus seiner Situation herausführen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.15


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Rossmann soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Eva Glawischnig Piesczek; Werner Kogler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ja zur Hilfe der griechischen Bevölkerung – nein zur Fortsetzung der krisenverschärfenden Wirtschaftsdiktate

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer  Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustim­mung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Helleni­schen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewäh­ren (58/BAESM und Zu 58/BAESM/778 d.B.)

Begründung

Die bisherigen Antworten zur Lösung der Griechenlandkrise sind gescheitert. Die insgesamt sechs Ausgabenkürzungs- und Steuererhöhungspakete seit 2010 haben in Griechenland zu schweren sozialen und humanitären Verwerfungen geführt, wie es sie seit der Weltwirtschaftskrise 1929 in Europa nicht mehr gegeben hat: Die Arbeitslosen­quoten sind dramatisch gestiegen, die Jugendarbeitslosigkeit ist sogar auf ca. 50 Pro­zent angestiegen. Die Auswirkungen im Gesundheitssystem sind fatal: Die Kinder­sterblichkeit ist um 40 Prozent gestiegen. In unzähligen Krankenhäusern herrscht Aus­nahmezustand, sogar Handschuhe, Schmerzmittel und Desinfektionssprays fehlen. 40 Prozent der griechischen Bevölkerung sind nicht krankenversichert, ihnen fehlt der Zugang zur ärztlichen Versorgung.

Durch diesen verfehlten Austeritätskurs, der schon bisher vom deutschen Finanz­minister Wolfgang Schäuble maßgeblich vorangetrieben wurde und deren oberstes Ziel die Haushaltskonsolidierung um jeden Preis ist, wurde die Krise immer weiter verfestigt. Seit 2010 ist die griechische Wirtschaftsleistung um ca. 25% eingebrochen. Das Spardiktat verfolgte das Ziel die Schulden abzubauen. Genau das Gegenteil ist eingetreten, die Staatsschuldenquote wird laut der Prognose der Europäischen Kom-mission einen neuen Höchststand von über 180% des BIP erreichen. Nach aktua­lisierten Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wird sie 2018 sogar bei rund 200% des BIP liegen. Damit ist ein Wert erreicht, bei dem Griechenland die Schulden nicht tragen und gleichzeitig wieder auf eigene Beine kommen kann.

Ungeachtet dessen wird in der Eurogipfel-Erklärung vom 12. Juli 2015 Griechenland die Fortsetzung genau jenes Spardiktats aufgezwungen, das in den letzten Jahren das Land in eine tiefe Rezession geführt hat. Treibende Kraft hinter diesem Spar- und Kürzungsdiktat war einmal mehr der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Bereits vor der Aufnahme von Verhandlungen zum dritten Hilfspaket mussten im


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griechischen Parlament im Eilverfahren erste Kürzungen und Steuererhöhungen beschlossen werden. Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem „quasi-auto­matische Ausgabenkürzungen“ bei Verfehlung unrealistisch hoher Zielvorgaben für Primärüberschüsse im Budget, Mehrwertsteuererhöhungen und Reformen im Pen­sionssystem.

Gleichzeitig erfolgen tiefe Einschnitte in die Souveränität Griechenlands: Sämtliche Gesetzesentwürfe in relevanten Bereichen sind vor Befassung des griechischen Parlaments mit den Institutionen (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) abzustimmen. Damit werden demokratische Grund­sätze ausgehebelt und Griechenland unter europäische Aufsicht gestellt.

Unbestritten ist: Statt „Grexit“-Drohungen und weiteren Spardiktaten à la Schäuble braucht Griechenland neben Schuldenerleichterungen dringend finanzielle Unterstüt­zung, die bei den Menschen des Landes ankommt und Zukunftsperspektiven eröffnet. Ein drittes Hilfspaket muss daher zumindest zwei Ziele verfolgen: Erstens geht es darum, das humanitäre und soziale Desaster in Griechenland zu beenden. Zweitens muss im Sinne einer ökologischen Umsteuerung und Erneuerung der Wirtschaft massiv in nachhaltiges Wachstum und in Grüne Jobs investiert werden („Green Greek New Deal“): in die biologische Landwirtschaft und in erneuerbare Energie (großes Potenzial in Griechenland), in den Ausbau des Athener Hafens als zentralen Um­schlag­platz für den Handel im mediterranen Raum, in Bildung und in den Gesund­heitsbereich. Das setzt ein Ende der krisenverschärfenden Wirtschaftsdiktate und europäische Investitionsoffensiven großen Stils voraus.

Und natürlich muss Griechenland ein funktionierendes Steuersystem aufbauen, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bekämpfen, die Reichen besteuern, den Klien­telfilz aufbrechen, Korruption bekämpfen, einen Grundstückskataster einrichten, bei den Militär- und Rüstungsausgaben sparen und effektive Verwaltungsstrukturen einführen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für eine Beendigung krisenverschärfender Wirtschaftsdiktate einzusetzen, um das humanitäre Desaster in Griechenland zu beseitigen und um eine Investitionsoffensive, die den Namen verdient, zur Erneuerung und ökologischen Umsteuerung der Wirtschaft zu ermöglichen. Zusätzlich soll sich die Bundesregierung gegen die Aushebelung demo­kratiepolitischer Grundsätze stellen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.15.51

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Rossmann hat gesagt, das hässliche deutsche Ges..., also das ...  – Sie können den genauen Wortlaut nachlesen (Heiterkeit – Abg. Fekter: Das Gesicht des hässlichen Deutschland!) –, das hässliche Gesicht Deutschlands in


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Form des Herrn Schäuble, also Rossmann hat Herrn Schäuble als hässlichen Men­schen bezeichnet. (Abg. Fekter: Nein, er hat einen Vergleich zum Nationalsozialismus hergestellt!) Bitte schauen Sie sich das im Stenographischen Protokoll an, was Rossmann tatsächlich gesagt hat.

Auf jeden Fall glaube ich, dass es der Würde des Hohen Hauses nicht entspricht, wenn man hier jemanden als hässlich bezeichnet. (Abg. Steinhauser: Diese Wortmeldung ... nicht der Würde des Hohen Hauses!) Ich glaube, dass sich das Herr Schäuble nicht verdient hat. Ich glaube, dass das einen Ordnungsruf wert wäre. (Beifall beim Team Stronach.)

12.16


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, ich habe diese Bemerkung von Herrn Abgeordnetem Rossmann gehört. (Abg. Kogler: Das war ein Zitat! – Abg. Rossmann: Das war ein Zitat meines Kollegen Reinhard Bütikofer!) Ich habe diese Bemerkung als Zitat in einem größeren Zusammenhang verstanden, ich lasse mir aber selbstver­ständlich auf Ihren Wunsch hin das Stenographische Protokoll kommen und werde mir das noch anschauen. Ich habe es beim Mithören, wie ich das vorhin gesagt habe, gewertet und nicht als ordnungsrufwürdig bewertet, aber ich schaue mir das gerne noch einmal an und komme Ihrem Wunsch selbstverständlich gerne nach.

Nun gelangt Frau Abgeordnete Fekter zur Geschäftsbehandlung zu Wort. – Bitte.

 


12.17.17

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Kollege Rossmann hat ein Zitat dahin gehend verwendet, dass Wolfgang Schäuble derzeit das Gesicht des hässlichen Deutschland darstellt, und genau das ist ein Vergleich zum Nationalsozialismus, der hier in diesem Hohen Haus nichts verloren hat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, NEOS und Team Stronach.)

12.17

12.17.20 *****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte. (Abg. Rädler: Rossmann, der Nazi-Sager!)

*****

Herr Abgeordneter Rädler, das ist jedenfalls ein Ordnungsruf für Sie. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Ich finde das absolut nicht lustig, meine Damen und Herren! Darf ich Sie jetzt bitte wirklich zur Ernsthaftigkeit ermahnen! Wir haben ein sehr, sehr ernstes Thema zu diskutieren mit – ich habe das vorhin schon gesagt – sehr kontroversiellen Meinungen und Positionen dazu. Das ist in Ordnung so, dazu ist dieses Haus da, aber bitte unterlassen Sie alle gemeinsam jetzt wirklich Äußerungen, die ins Persönliche gehen, die ins Beleidigende gehen, die Personen, ob in diesem Haus anwesend oder nicht, in irgendeiner Weise beleidigen oder beleidigen könnten. Das haben wir nicht notwendig, und das tut der Würde dieses Hauses nicht gut. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Und es ist, meine Damen und Herren, nicht nur meine Verantwortung, sondern es ist die Verantwortung von uns allen, auf die Würde des Hauses und damit auch auf den Respekt, den dieses Haus verdient, den es sich aber bei der Bevölkerung immer


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 69

wieder auch verdienen muss, zu achten. Ich bitte, dass wir das wirklich alle gemeinsam und miteinander tun.

*****

Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl zu Wort. – Bitte.

 


12.19.15

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich auf den Vorwurf der Grünen eingehen, dass mit den strikten Auflagen Griechen­land angeblich unter Kuratel der EU gestellt werden soll, und habe dazu positive Beispiele aus Österreich:

1922, vier Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, war Österreich pleite. Österreich wurde damals vom Völkerbund geholfen, und natürlich wurde für diese Anleihen Öster­reich an hohe Auflagen gebunden.

Damals gab es eine Verwaltungsreform. 100 000 Beamte mussten entlassen werden, Spitäler, Postämter, Schulen mussten zusammengelegt werden, Arbeitslosenversiche­rungen und Pensionsversicherungen mussten abgesenkt werden. Damals wurde auch ein Kommissär nach Österreich entsandt, dem die Regierung alles vorlegen musste, was sie zu finanzieren gedachte. Österreich bekam die Krise in den Griff, zahlte alles bis auf den letzten Groschen zurück. Die letzte Rate wurde 1977 bezahlt, die letzten Zinsen im Jahr 1980.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Österreich Hilfe durch den Marshall-Plan erhalten. Für den Aufbau der Infrastruktur und der Wirtschaft wurde Geld zur Verfügung ge­stellt – natürlich mit der Auflage, dass offizielle Kontrolleure die Verwendung des Geldes überwachen. Das hat so gut funktioniert, dass das Geld in den ERP-Fonds zurückgezahlt wurde, wodurch bis heute Finanzierungen gewährt werden können.

Darf man nicht dasselbe von Griechenland erwarten? – Nein, denn Griechenland hat bewiesen, dass es die Auflagen und Sparprogramme im Rahmen der Griechenland-Hilfe aus 2010 nicht erfüllt. Auch die jetzt durchgeführte Volksabstimmung hat gezeigt, dass die Mehrheit der Griechen Reformen ablehnt und keinerlei Willen zum Sparen besitzt. Premierminister Tsipras selbst hat gesagt, dass er nicht an das Pro­gramm glaubt. Die Griechen werden zwar die gewünschten Gesetze beschließen, aber fast nichts davon umsetzen und sie politisch abmildern, wie es offiziell heißt. (Beifall beim Team Stronach.)

Trotzdem sollen die Europäer zahlen – und das, ohne dass die Bevölkerung gefragt wird, ob sie das will! Die griechischen Wähler wurden gefragt, und sie wollen nicht sparen. Die österreichische Bevölkerung wird nicht gefragt, sie hat einfach Steuern abzuliefern. Deshalb: ein klares Nein zu weiteren Hilfsprogrammen auf Kosten der österreichischen Steuerzahler! – Danke schön. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ. – Abg. Matznetter: Sie sollten Geschichte lernen, Frau Kollegin!)

12.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fuchs zu Wort. – Bitte.

 


12.22.08

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der griechische Regierungschef Tsipras hat am Dienstag Frankreich, Italien, Zypern und Österreich als Unterstützer seines Landes in der Nacht des Euro-Gipfels genannt. Welche Gründe hatten diese Länder?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 70

Frankreich: Die Franzosen haben schon Angst vor einem minimalen Anstieg ihrer Anleihezinsen infolge eines möglichen Euro-Austritts Griechenlands. Die Konsequenz für das französische Budget wäre katastrophal.

Warum Italien? – Die Italiener leben in der Angst, dass es ihnen eines Tages genauso gehen würde wie den Griechen, wenn es mit ihrer Wirtschaft weiter so bergab geht.

Warum Zypern? – Zypern ist wirtschaftlich eng mit Griechenland verbunden und müsste einen großen Teil seiner Exporte abschreiben. Aus diesem Grund war Zypern auf der Seite Griechenlands.

Stellen wir uns jetzt die Frage: Warum war Österreich auf der Seite Griechenlands?! – Wir haben keinen sachlichen Grund dafür. Unser Bundeskanzler vertritt auch keine eigene Position. Die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ wertet das in einer Graphik als meinungsloses Mitläufertum.

Ich erwarte mir vom Bundeskanzler dieser Republik, dass er in Brüssel die Interessen der österreichischen Steuerzahler vertritt und nicht unter dem Deckmantel der Soli­darität die Interessen Griechenlands! (Beifall bei der FPÖ.)

Für die Ausgleichszulagenbezieher unter den österreichischen Pensionisten ist eine monatliche Entlastung – eine monatliche Entlastung – von 9,17 € nicht möglich, bei Griechenland aber scheint das Geld für den Herrn Bundeskanzler keine Rolle zu spielen. Ich würde mir erwarten, dass der Herr Bundeskanzler bei unseren Mindest­pensionisten mindestens die gleiche Solidarität an den Tag legt wie bei den Griechen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Lintl.)

Für die kommenden drei Jahre hat Griechenland einen Finanzierungsbedarf von 82 bis 86 Milliarden €. Gleichzeitig haben die Griechen Steuerschulden von rund 76 Milliar­den €, weil die griechische Steuerverwaltung nicht funktioniert. Dass die griechische Steuerverwaltung nicht funktioniert, wissen wir und die Griechen aber nicht erst seit letzter Woche, sondern schon seit 2010 – und in der Zwischenzeit ist nie etwas pas­siert. Jetzt versprechen uns die Griechen Reformen bei ihrer Steuerverwaltung – und Europa fällt schon wieder auf die leeren Versprechungen Griechenlands rein. Würden die Griechen ihre Steuern ordentlich zahlen, dann müssten Europa und auch der österreichische Steuerzahler nicht erneut Milliarden nach Griechenland pumpen. (Abg. Kogler: Das kommt ja wieder zurück!) – Nichts kommt zurück, Herr Kogler!

Griechenland hat, gemessen an der Wirtschaftsleistung, nach Großbritannien die zweithöchsten Militärausgaben in der Europäischen Union. Fast 4 Prozent des BIP geben die Griechen für das Militär aus. Unser Budget für das Militär beträgt mickrige 0,59 Prozent des BIP – und das österreichische Bundesheer wird von dieser Bundesregierung weiter kaputtgespart!

Nach den aktuellen Reformvorschlägen will Griechenland in diesem Jahr lediglich 100 Millionen € weniger für das Militär ausgeben. (Abg. Kogler: Ja eben!) Warum fordert die Bundesregierung beim österreichischen Bundesheer permanent Einsparun­gen? Warum fordert diese Bundesregierung nicht auch massive Einsparungen beim griechischen Verteidigungsbudget? Für diese Bundesregierung ist eben die Sicherheit Österreichs weniger wert.

Der griechische Ministerpräsident Tsipras hat gesagt, dass er an die meisten der Spar­maßnahmen nicht glaubt. Wir Freiheitliche glauben auch nicht daran, und der öster­reichische Steuerzahler glaubt erst recht nicht daran – lediglich der Bundeskanzler dieser Republik glaubt daran – und ist der Einzige mit seiner Fraktion.

Bedauerlicherweise werden die Interessen der österreichischen Steuerzahler in Brüs­sel nicht von unserem Bundeskanzler, sondern vom deutschen Finanzminister Schäuble


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 71

vertreten. Die FPÖ und der österreichische Steuerzahler sind gegen weitere Milliar­denzahlungen an Griechenland. Lassen wir das Volk entscheiden, aber nicht diese Bundesregierung! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Schmid.)

12.26


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte.

 


12.27.02

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Ich zitiere: „Griechenland mit dem Euro auszu-statten sei mit der Vorgangsweise zu vergleichen, einem obdachlosen eine Villa zu finanzieren und sich dann zu wundern, dass der Hypothekar-Kredit nicht zurückgezahlt wird.“

Dieses Zitat, meine sehr geehrten Damen und Herren, stammt von den Sozialde-mo-kraten – von Ihrem früheren Finanzminister Hannes Androsch. Dieser hat offensichtlich erkannt, wie Wirtschaftspolitik läuft, hat den Kern dieses Problems erkannt. Der Kern des Problems ist, dass Griechenland nicht Bestandteil der Eurozone sein kann, weil die Wirtschaft dazu einfach nicht fähig ist.

Anstatt jedoch diesen Fehler zu korrigieren und Griechenland sanft oder zumindest begleitend aus der Eurozone herauszuführen, wird nichts anderes getan, als Griechenland weiterhin in der Eurozone zu halten. Im Grunde genommen machen Sie nichts anderes, als sich mit diesen Milliarden, die jetzt wieder ausgeben werden, Zeit zu erkaufen. Sie erkaufen sich nur Zeit, das Problem ist damit aber nicht gelöst. Die europäischen Regierungen haben samt und sonders alle keinen Mut, endlich einmal diesen Schritt zu setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie können nicht verlangen, dass wir den Finanzminister mit einem Mandat ausstatten, damit diese Institutionen in Europa immer wieder denselben Fehler, den wir bereits vor fünf Jahren gemacht haben, wiederholen. Ich habe ein Déjà-vu. Ich habe schon vor fünf Jahren hier an dieser Stelle eine ähnliche Rede halten dürfen, und auch die Argu­mente, die ich heute gehört habe, sowohl von Ihnen, Herr Finanzminister, als auch vom Bundeskanzler, sind immer die gleichen. Das Archiv ist da wirklich erbarmungslos.

Ich darf ein paar Zitate bringen, damit man einmal sieht, dass sich in Ihrer Denkweise nichts verändert hat.

„Wir gehen nicht in Vorlage in Europa, sondern wir zahlen dann, wenn Griechenland die Forderungen erfüllt hat und wenn Griechenland auf der zweiten Seite auch die notwendigen Mittel braucht, meine sehr geehrten Damen und Herren.“ – So der damalige Finanzminister Josef Pröll am 5. Mai 2010.

Weiteres Zitat: „Wir brauchen Einsicht und Kontrolle, Sanktionen und Durchgriff. Das muss das Motto sein, als Lehre aus dieser Misere um Griechenland.“ – Ebenfalls fünf Jahre her, und genau diese Worte hören wir jetzt wieder. Das ist wirklich interessant.

Oder: „ Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist für mich als Finanzminister oberstes Gebot.“ – Jawohl, aber es ist nie eingehalten worden.

Prölls Nachfolgerin hat ähnlich interessante Zitate getätigt: „Wir zahlen nach Griechen-land nur dann Geld, wenn wir sicher sein können, dass wir dieses Geld, auch wenn es etwas länger dauert, wieder zurückbekommen.“ – Ja, richtig, aber wir bekommen es nicht zurück. Das ist ganz offensichtlich.

Das lustigste Zitat ist das folgende: „Weiters serviciert Österreich, insbesondere unser Ministerium, Griechenland beim Aufbau einer Finanzamtsstruktur, um Steuern eintrei-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 72

ben zu können. Unsere Experten sind in engem Kontakt mit den griechischen Finanz-experten, um sie zu lehren, wie bei uns Finanzamtsarbeit funktioniert, wie wir Steuern einheben, wie wir Betriebsprüfungen durchführen, damit auch dort der eigene Steuer­topf wieder gefüllt wird.“ – Vor fünf Jahren haben wir dieses Zitat gehört. Wo sind die Beamten in Griechenland, die das jetzt machen? – Nichts ist geschehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Oder: „Die Griechen bekommen von den europäischen Staaten nur so lange Geld, solange sie sich an diese Reformauflagen streng halten und solange sie diese Refor­men auch durchziehen.“ – Nichts, absolut nichts!

So zieht sich das durch ein Zitat nach dem anderen.

Ich habe, wie gesagt, dieses Déjà-vu gehabt, und ich muss ganz offen und ehrlich sagen: Nein, es ist genug! Unsere Steuerzahler haben genug! Die Bevölkerung ist – wenn Sie sich die Umfragen anschauen – den Regierungen schon längst voraus. Sie hat erkannt, dass dies ein falscher Weg ist. Die Griechen – und das ist die Folge dieser Politik – verarmen immer mehr. Es geht ja nicht um Griechenland, sondern es geht letztendlich nur darum, dass die Banken gerettet werden.

Was Sie jetzt betreiben, ist nichts anderes als Konkursverschleppung. Sie stecken Geld in ein Fass ohne Boden. Die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Bevölkerung zumutbar! Ich sage: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! (Beifall bei der FPÖ.)

12.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


12.32.19

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ein bisschen verblüfft bin ich jetzt schon nach so manchen Debattenbeiträgen. Wir sind hier weder im griechischen Parlament noch im Deutschen Bundestag. Manche erwecken den Eindruck, als ob sie bei den Verhand­lungen direkt dabei gewesen wären. Ich finde es aber gut, dass wir diese Grund­satzdiskussion führen, weil diese Debatte weit über unsere Grenzen hinaus eine kontro-versielle über den weiteren Weg der Wirtschaftspolitik, der Sozialpolitik, auch der Demokratieentwicklung in Europa ist. Das hat sich am Beispiel Griechenlands verdeutlicht und wird sicherlich in einer bestimmten Weise seine Fortsetzung finden.

Varoufakis ist kein guter Spieltheoretiker gewesen, denn in der Situation, in der sich Griechenland befunden hat, zu glauben, man kann eine Umorientierung der gesamten Wirtschafts- und Sozialpolitik herbeiführen, ist natürlich ein Irrtum. Dazu braucht es ganz andere Länder, vielleicht Italien, vielleicht Spanien, vielleicht irgendwann einmal sogar Deutschland. Das ist jedenfalls einer der ganz wesentlichen Punkte, weswegen auch die Kritik an Varoufakis durchaus berechtigt immer wieder eingebracht wurde.

Wir sind hier im österreichischen Parlament, es geht um die österreichische Regierung, Kollege Schelling ist der österreichische Finanzminister und Werner Faymann ist der österreichische Bundeskanzler. (Abg. Strache: Und es sind österreichische Steuer­gelder!) Es mag interessant sein, was Finanzminister Schäuble manchmal so von sich gibt, aber das ist der deutsche Finanzminister, und ich gehe selbstverständlich davon aus, dass der österreichische Finanzminister zuerst mit dem österreichischen Bundes­kanzler spricht, bevor er mit dem deutschen Finanzminister spricht. Etwas anderes wäre ja gar nicht möglich, und so wird es auch sicher gewesen sein. (Abg. Strache: Aber hört er auf die österreichischen Steuerzahler?) Also jedenfalls haben wir öster-reichische Interessen und wir haben die österreichischen Steuerzahler zu vertreten. (Abg. Strache: Die österreichischen Steuerzahler werden nicht gehört!) – Herr Klubob-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 73

mann Strache, wunderbar, dass Sie sich zu Wort melden, dann komme ich gleich zu Ihnen.

Wie können wir einen Weg beschreiten, dass von allen schlechten Varianten die am wenigsten schlechte und am besten die Beste für den österreichischen Steuerzahler, für Österreich rauskommt, und das muss die sein, dass es zu einem Wachstums­prozess in Griechenland kommt, dass es zu Beschäftigung kommt und dass wir durch Handel-Treiben unser Geld wieder zurückbekommen!? Das ist das einzig Ent­scheidende.

Hätten Sie den „Kurier“ gelesen, Herr Klubobmann Strache! Einer der Wirtschafts­wei­sen, Peter Bofinger, meint unter dem Titel „(...) über falsche Abmagerungskur und fehlende Wachstumsstrategie“ – da bin ich nicht ganz seiner Meinung, ich glaube, dass die durchaus eine Chance haben in diese Richtung –, ein Grexit und Griechenland zurück zur Drachme bedeuten letztendlich Abwertung. Das bedeutet, dass die Löhne weniger wert sind, die Renten weniger wert sind, und das bedeutet, dass es dann höhere Löhne gibt, dass es dann höhere Renten gibt. Das ist doch logisch, Sie werden ja nicht für eine Strategie sein, die zu Verarmung, zu Hunger und zu wer weiß was noch allem führt. Oder sind Sie dafür, dass wir ununterbrochen humanitäre Maß­nahmen in Milliardenhöhe ergreifen? Wenn man also diesen Weg beschreitet, den man noch nie beschritten hat – Neuland –, wenn man diesen Weg beschreitet, ist der „Gewinn“ für den österreichischen Steuerzahler, den Sie hier unterstellen, nicht nur null, sondern es wird noch teurer, denn die vielen Kredite, Haftungen, die ausstehen, sind endgültig auf Nimmerwiedersehen weg. Daher ist das kein Konzept.

Daher ist vergangenes Wochenende vollkommen zu Recht dieser Weg beschritten worden, dass nach dem Referendum, bei dem die griechische Bevölkerung mit 61 Pro­zent für Óchi – für die Fernsehkameras: Óchi/Nein – gestimmt hat, trotzdem zu diesem Beschluss Ja gesagt worden ist. Tsipras sagt: Wenn wir diesen Weg nicht gehen – und er hat ihn charakterisiert, dass das Ganze ein Text ist, an den er nicht glaubt, aber er geht den Weg trotzdem mit seinem neuen Finanzminister –, geht in Griechenland alles in die Luft.

Ich weiß nicht, was dann noch alles in die Luft geht bei der wirtschaftlichen Ver­flechtung der Banken, der Ökonomien weit über die Grenzen Griechenlands hinaus?! Und dann, Herr Klubobmann Strache, werden Sie sich auf den Viktor-Adler-Markt stellen – oder vielleicht haben Sie irgendwo einen besseren Platz zur Verfügung – und erklären müssen, warum das, was Sie vorgeschlagen haben, im Endeffekt – hätte es sich durchgesetzt – für die Menschen, die hier wohnen, weit mehr Nachteile bringt.

Das, glaube ich, berechtigt uns, dass wir versuchen, diesen Weg einzuschlagen. Es gibt natürlich viele Punkte in dem Zusammenhang, in denen man durchaus unter­schiedlicher Meinung sein kann.

Ich habe zum Beispiel über den Arbeitsmarkt gelesen, über sehr vage Tarifver­handlungen. Es hat Massenentlassungen gegeben, Rentenkürzungen. Wie geht das? Zugegeben, über 70 Prozent der Sozialausgaben dort gehen in die Renten; selbst die Regierung in Griechenland sagt, das sollte man ändern, aber man muss wissen: Reduktion des Staatsanteils – weniger Beschäftigte, mehr Arbeitslose; bei den Renten kürzen, schärfere Regelungen – weniger Kaufkraft; mehr Arbeitslose – weniger Kauf­kraft; Senkung der Löhne – weniger Kaufkraft. Wo soll da Wachstum sein? Welcher Konsum kann sich da entwickeln? Das wird noch auszuverhandeln sein, das wird man noch zu konkretisieren haben.

Ich verstehe aber, dass viele Finanzminister sich dann erklären müssen in ihren eigenen Ländern, in ihren Parlamenten, in ihren Regierungen. No na, Schäuble muss das auch vor dem Deutschen Bundestag erklären und wird jetzt schon kritisiert. Merkel


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wird jetzt schon im „Handelsblatt“ kritisiert – Kommentar: „Merkels Pyrrhussieg“ –, das wird nichts, es wird wieder ein viertes Hilfsprogramm kommen. Dort steht auch, warum das letztendlich so ist: weil das, was der IWF sagt, richtiger gewesen wäre: Tilgung der Zinsen auf 30 Jahre, Stopp mit den Zinsen und Tilgungszahlungen, weil das alles nicht halten wird, weil das einfach zu wenig ist. Das kann sein – ich bin jetzt nicht der Wirt­schaftsweise –, das schreiben die Deutschen, es ist das deutsche „Handelsblatt“, das sich in diese Richtung äußert.

Einer der klügsten Beschlüsse ist: Griechenland braucht endlich eine Statistik!

Es hat einen Privatisierungsversuch – ich habe das in der „Zeit“ gelesen – für einen großen staatlichen Landstrich beim Ionischen Meer gegeben. Man hat gesagt: Das privatisieren wir jetzt. – Das ist nicht möglich gewesen, dort sind 7 000 illegale Häuser gestanden! Das ist ein Beweis für ein ineffizientes Verwaltungssystem, es gibt kein Steuersystem, keinen Kataster. Es funktioniert fast nichts – und trotzdem leben die Menschen dort. Es sind übrigens fleißige Menschen, die anerkannt werden wollen, die wollen, dass man ihre Würde respektiert, die in der Eurozone bleiben und in der EU bleiben wollen.

Das werden wir doch wohl verdammt noch einmal schaffen! Griechenland ist meiner Meinung nach ein Teil der Seele Europas, über 15 000 Wörter, die wir in unserer Umgangssprache verwenden, kommen aus dem Griechischen, nebenbei erwähnt. Das ist ja nicht irgendein Land, um das es hier geht! Ich bin dafür, dass wir darum kämpfen, dass wir da auch global wieder an Stärke gewinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir fehlt die Zeit, um die einzelnen Punkte zu charakterisieren, zum Beispiel die 35 Mil­liar­den Investitionen, wofür man eine Kofinanzierung braucht. Hat das Griechenland? Wo sind die Projekte? Da wird man Unterstützung geben müssen. Wären das wirklich 50 Milliarden € bei den Privatisierungen, Herr Finanzminister? Das ist eine ziemlich unsichere Angelegenheit. Aber man muss darum kämpfen, dass das in die Richtung geht, weil es alternativlos ist, wie es Tsipras zu Recht in seiner Rede im griechischen Parlament gesagt hat, und weil es für uns alternativlos ist, nicht den Weg zu be­schreiten, der nicht hoffen lässt, dass der österreichische Steuerzahler und die Steuer­zahlerin im Endeffekt dabei möglichst wenig zur Kasse gebeten werden. Das, finde ich, sind die Punkte, die in diesem Zusammenhang von ganz besonderer Bedeutung sind.

Zum Abschluss: Man misst mit zweierlei Maß.

Die USA – schreibt die „Presse“, ich habe das sogar einmal bei der Diskussion „60 Minuten Politik“ zitieren dürfen – sind seit 44 Jahren insolvent. Aber was machen die USA? – Die USA drucken Banknoten und Dollarnoten und zack und aus – übrigens die USA, die immer als das Land der Marktwirtschaft bezeichnet werden, mit den pro­tektionistischen Regelungen, dass man die Baumwolle aus Afrika dort nicht verkaufen kann, und so weiter und so fort. Das sind die USA.

Was war in Großbritannien, als Maggie Thatcher damals die Handtasche auf den Tisch geknallt und gesagt hat: Ich will mein Geld zurück!? – Nachgegeben haben sie damals, schon länger her. Und die Milliarden – Britenrabatt – sprudeln, sprudeln, sprudeln.

Und dann kommt David Cameron – eh schon dick vom Britenrabatt, diese Frechheit muss man haben – und sagt dann noch: Na ja, jetzt müssen wir mit der EU aber ver­handeln, denn wir machen jetzt ein Referendum. Es ist nicht sicher, dass wir bei euch bleiben. Tut ein bisschen etwas für uns! – Diese übliche geologische Beleidigtheit, weil er vor Millionen Jahren am europäischen Kontinent angewurzelt wurde und nicht am amerikanischen; aber von dem haben wir nichts! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 75

Das ist jedenfalls etwas, was ich finde, was man auch immer berücksichtigen muss, wenn man immer nur auf Griechenland hinhackt. Finanztransaktionssteuer wird verhindert, Steuerhinterziehung wird weiter ermöglicht, Steuerflucht. Er tut ja so, als ob er allein auf der Welt wäre.

Oder was war, als die Deutschen – die Deutschen, bitte, ÖVP-Fraktion, deutsche Fraktion, einmal genau zuhören! (Heiterkeit bei SPÖ und Grünen) – plötzlich Probleme mit dem Schuldendefizit hatten und die Franzosen? Wissen Sie, was passiert ist? – Nichts ist passiert, nichts!

Wenn man als großes Land ein Problem hat, dann ist es ein kleines Problem; und wenn man ein kleines Land ist, dann hat man ein großes Problem. Und das, finde ich, ist nicht in Ordnung. Wir haben gar keine Probleme, wir tun uns leichter. Aber jedenfalls finde ich das grundsätzlich nicht in Ordnung, und das sollte man in diesem Zusammenhang hier feststellen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Hier werden immer nur sozialdemokratische Politiker zitiert, was uns sehr freut, denn wir haben in Wirklichkeit hier wirklich viel Expertise einzubringen; die Häupl-Fans bei der FPÖ zum Beispiel oder auch die Androsch-Fans bei der ÖVP. Wir sind die Faymann-Fans, also ergänzen das Ganze jetzt dann. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Never change!)

Herr Klubobmann Strache, Sie können heute ja leicht lachen. Wirklich, heute können Sie leicht lachen, denn heute ist es Ihnen gelungen, dass sich NEOS und Grüne mit Ihnen in dieser Frage vereinigt haben und gemeinsam dagegen stimmen. Das geschieht nicht im griechischen Parlament, das geschieht nicht im deutschen Bundes­tag, sondern es bleibt heute den österreichischen Grünen, den NEOS überlassen, als dezidierte Pro-Europäer gemeinsam Seite an Seite mit HC Strache hier gegen die Regierung zu stimmen. Wunderbar! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Letzter Satz: etwas Versöhnliches, fast etwas Poetisches. Jetzt im Sommer haben wir ja Zeit, noch mehr zu lesen, als wir ohnehin lesen. Albert Camus sagt: „Der eigentliche Konflikt dieses Jahrhunderts besteht (…) zwischen den deutschen Träumen und der mittelmeerischen Tradition“.

Und ein bisschen ist das richtig und stellt sich so dar. Vielleicht schaffen wir eine Synthese im Interesse Europas, im Interesse unser aller Zukunft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


12.44.09

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Solidarität mit der Bevölkerung Griechenlands ist durchaus vertretbar, Solidarität mit dieser sozialis­tischen griechischen Regierung zulasten der österreichischen Bevölkerung allerdings nicht. Keinesfalls ist einem weiteren milliardenschweren Sponsoring eines EU-Mitglied­staates zuzustimmen, welches sich bereits damals mit falschen Zahlen in den Euro gemogelt hat und auch heute noch mit dahin gehend gebrochenen Zusagen und Versprechen glänzt. Der Leidtragende ist die griechische Bevölkerung, Nutznießer hingegen sind Banken und die untragbare Regierung.

Griechenland ist ein Fass ohne Boden, leider jedoch von erheblichem Interesse für die USA und die NATO, deren finanzielle Unterstützung für Griechenland allerdings nicht existent zu sein scheint.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 76

Einer weiteren Griechenlandhilfe ist nicht zuzustimmen, denn der derzeit mögliche und immer realistischer werdende finanzielle Schaden für den österreichischen Steuer-zahler ist bereits groß genug. – Danke.

12.45

12.45.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Meine Damen und Herren, wir haben noch einen Abstimmungsvorgang vor uns.

*****

Zuvor gehe ich aber noch einmal auf die gewünschte Prüfung anhand des Steno-graphischen Protokolls betreffend die Äußerungen des Herrn Abgeordneten Rossmann ein. Es ist in diesem Haus auch in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass man Worte der Kritik unter Verwendung eines Zitats eines anderen angebracht hat, was in Wirklichkeit natürlich immer – man kann es interpretieren, wie man will – die Übereinstimmung mit diesen Worten dokumentiert. Und dann kann man schon darüber diskutieren, ob es nicht dasselbe oder zumindest das Gleiche ist, das Zitat zu verwen-den, zustimmend zu verwenden oder es mit eigenen Worten zu formulieren.

Der Wortlaut des Herrn Abgeordneten Rossmann war: „Ich meine, sehr kritisch war ja mein deutscher Kollege, der Vorsitzende der Europäischen Grünen Reinhard Bütikofer, der gemeint hat, der herrische, hässliche Deutsche hat in der Person Schäuble wieder ein Gesicht bekommen.“

Auch wenn man in der Vergangenheit – meine Damen und Herren, ich habe das Zitat vor mir liegen – bei Zitaten eher zurückhaltend war mit Ordnungsrufen, erteile ich Herrn Abgeordnetem Rossmann hier einen Ordnungsruf. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, ich kündige auch gleich an, in der nächsten Präsidiale eine Debatte darüber führen zu wollen, wie wir künftig mit dieser Form der Kritik, nämlich der Verwendung von Zitaten, umgehen werden.

Ich korrigiere also meine vorige Entscheidung und habe diesen Ordnungsruf erteilt.

*****

12.47.10

Wir kommen damit zur Abstimmung.

Abstimmung über den Antrag des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegen-heiten, die dem Ausschussbericht 778 der Beilagen angeschlossene Ermächtigung gemäß § 74d Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Geschäftsordnung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldenerleichterungen für Griechenland.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den ESM-Verhandlungen in Bezug auf Griechenland.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 77

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ja zur Hilfe der griechischen Bevölkerung – nein zur Fortsetzung der krisenverschärfenden Wirtschaftsdiktate.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

12.48.53Beschluss auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2015

 


Präsident Karlheinz Kopf: Mir liegt folgender Antrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Strache, Dr. Glawischnig-Piesczek, Ing. Dietrich und Dr. Strolz vor:

„Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die außerordentliche Tagung 2015 der XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ablauf des 17. Juli 2015 für be­endet zu erklären.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

12.49.28Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeord­neten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung des Nationalrates hinsichtlich des Berichtes des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten – 778 der Beilagen – und des Beschlusses auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2015 der XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich verlese also hiermit die entsprechenden Teile des Amtlichen Protokolls.

„Hinsichtlich des einzigen Tagesordnungspunktes wird gemäß § 44 Abs. 2 GOG mehr­stimmig – und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – beschlossen, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes Abstand zu nehmen.

TO-Punkt 1: Bericht des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten über den Antrag des Bundesministers für Finanzen aufgrund besonderer Dringlichkeit gemäß § 74d Abs. 2 GOG-NR auf Ermächtigung zur Zustimmung zu einem Vorschlag des ESM nach Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag, der Hellenischen Republik grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (58 BAESM und Zu 58 BAESM/778 der Beilagen).

Die Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Die Abgeordneten Kogler, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA ein.

Die Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 1/3 EA ein.

Abstimmung:

Die dem Ausschussbericht 778 der Beilagen angeschlossene Ermächtigung gemäß § 74d Absatz 1 Ziffer 1 iVm Absatz 2 GOG-NR wird mehrstimmig erteilt.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 78

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/3 EA wird abgelehnt.

Auf Antrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Strache, Dr. Glawischnig-Piesczek, Ing. Dietrich, Mag. Dr. Strolz (Beilage C) fasst der Nationalrat einstimmig nachstehenden Beschluss:

‚Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die außerordentliche Tagung 2015 der XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ablauf des 17. Juli 2015 für beendet zu erklären.‘

Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich

des Berichtes des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten (778 der Beilagen) und

des Beschlusses auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2015 der XXV. Ge­setz­gebungsperiode des Nationalrates vor (Beilage D).“

*****

Erheben sich gegen die Fassung oder den Inhalt dieser Teile des Amtlichen Protokolls Einwände? – Das ist nicht der Fall.

Dann sind die entsprechenden Teile des Amtlichen Protokolls gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung genehmigt.

12.52.58Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 1294/A eingebracht wurde.

Ferner sind die Anfragen 6204/J bis 6228/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 23. September 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen.

Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg!

Diese Sitzung ist geschlossen.

12.53.29Schluss der Sitzung: 12.53 Uhr

 

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Parlamentsdirektion

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