Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

906. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Montag, 4., und Dienstag, 5. Mai 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

906. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Montag, 4., und Dienstag, 5. Mai 2020

Dauer der Sitzung

                                                           Montag, 4. Mai 2020: 14.07 – 24.00 Uhr

                                                       Dienstag, 5. Mai 2020:   0.00 –   3.02 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (9. COVID-19-Gesetz)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (14. COVID-19-Gesetz)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012, geändert wird (10. COVID-19-Gesetz)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härte­fallfonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird (17. COVID-19-Gesetz)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird (13. COVID-19-Gesetz)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geändert werden (16. COVID-19-Gesetz)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (6. COVID-19-Gesetz)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Zustellgesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz (AMA-Gesetz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Um­satz­steuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungs­ge­setz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveran­staltungs­ausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundes­ver-


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mögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungs­prüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert werden (11. COVID-19-Gesetz)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert wird und das Pfandbriefstelle-Gesetz aufgehoben wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BFA-Verfahrensgesetz 2012 und das Asylgesetz 2005 geändert werden (7. COVID-19-Gesetz)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das 1. Bundesgesetz betreffend Begleit­maß­nah­men zu COVID-19 in der Justiz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und das Zivilrechts-Mediationsgesetz geändert werden (8. COVID-19-Gesetz)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwas­ser­kos­ten (Heizkostenabrechnungsgesetz – HeizKG 1992) geändert wird (15. COVID-19-Gesetz)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) beschlossen wird

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte von Belarus, der Dominikanischen Republik, Ecuadors, von Honduras, der Ukraine und Usbekistans zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (38. KFG-Novelle)

19. Punkt: Luftverkehrsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei

20. Punkt: Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Nor­wegen als vierter Partei

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend endlich mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (272/A(E)-BR/2020)

22. Punkt: Bericht und Antrag betreffend rasche Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Lebendtiertransporte für mehr Tierschutz und Tierwohl


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23. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Abfederung der negativen Aus­wirkungen auf die heimische Wirtschaft aufgrund des Coronavirus (273/A(E)-BR/2020)

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Inhalt

Bundesrat

Ansprache des Präsidenten Robert Seeber betreffend Maßnahmen im Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus .................................................................................................................... 14

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend No­minierung eines Mitglieds und eines stellvertretenden Mitglieds in den Ausschuss der Regionen ................................ 19

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines österreichischen Mitglieds in den Europäischen Rechnungshof für die Funktionsperiode 1.3.2020 bis 28.2.2026 ........... 25

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ...................................................................................................................... 29

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Karl Bader ................................................................................................................ ... 109

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 110

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ....................................................... 218

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 222

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 15

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 28

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 15

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­des­ministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Höchste Arbeitslosigkeit seit 1945“ (3763/J-BR/2020)                   55

Begründung: Korinna Schumann ................................................................................ 55

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ................................................ 59

Debatte:

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ..... 65

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 69


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 4

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 71

Andreas Lackner .......................................................................................................... 75

Michael Wanner ............................................................................................................ 76

MMag. Dr. Michael Schilchegger .......................................................................... ..... 79

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 86

Entschließungsantrag der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „legistische Klarstellungen zur COVID-19-Lockerungsverordnung“ – Annahme (291/E-BR/2020)      85, 88

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (9. COVID-19-Gesetz) (483/A und 120 d.B. sowie 10293/BR d.B. und 10300/BR d.B.) ............................................................................... 29

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................... 30

RednerInnen:

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 30

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................. ..... 31

Ingo Appé ................................................................................................................. ..... 33

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 35

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ..... 39

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 41

Bundesminister Rudolf Anschober ..................................................................... ..... 44

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ......................................................................  43, 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 47

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (14. COVID-19-Gesetz) (482/A und 122 d.B. sowie 10301/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 47

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................... 47

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Enga­ge­ment (Freiwilligengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012, geändert wird (10. COVID-19-Gesetz) (481/A und 123 d.B. sowie 10302/BR d.B.) ..... 47

Berichterstatter: Ing. Bernhard Rösch ......................................................................... 47

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 48

Eva Prischl ............................................................................................................... ..... 49

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 51

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 52

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 88

Horst Schachner ..................................................................................................... ..... 90


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 5

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Frei­willigengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012, geändert wird (10. COVID-19-Gesetz) (481/A und 123 d.B. sowie 10302/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .............................................................................................................  52, 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................... 91

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird (17. COVID-19-Gesetz) (490/A und 129 d.B. sowie 10295/BR d.B. und 10303/BR d.B.) ...................... 91

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................... 91

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ..... 91

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 92

Sonja Zwazl ............................................................................................................  93, 98

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 95

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 98

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird (13. COVID-19-Gesetz) (485/A und 131 d.B. sowie 10315/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 99

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 99

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geän­dert werden (16. COVID-19-Gesetz) (484/A und 132 d.B. sowie 10296/BR d.B. und 10316/BR d.B.) ...................................................... 99

Berichterstatter: Ingo Appé ........................................................................................... 99

RednerInnen:

Dr. Karlheinz Kornhäusl ........................................................................................ ..... 99

Günter Kovacs ........................................................................................................ ... 102

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ... 104

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 106

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 111

Bundesminister Rudolf Anschober ..................................................................... ... 113

MMag. Dr. Michael Schilchegger .......................................................................... ... 116

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geändert werden (16. COVID-


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 6

19-Gesetz) (484/A und 132 d.B. sowie 10296/BR d.B. und 10316/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich  106, 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................. 117

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (6. COVID-19-Gesetz) (489/A und 126 d.B. sowie 10294/BR d.B. und 10304/BR d.B.) ............................................................................. 118

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................... 118

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ....................................................................................... ... 118

Korinna Schumann ................................................................................................ ... 119

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 122

Marco Schreuder ........................................................................................................ 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 126

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Zustellgesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz (AMA-Gesetz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz) (437/A und 136 d.B. sowie 10297/BR d.B. und 10313/BR d.B.) ................................................................... 126

Berichterstatter: Andreas Arthur Spanring ............................................................... 126

RednerInnen:

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 126

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 128

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ... 129

MMag. Dr. Michael Schilchegger .......................................................................... ... 130

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ....................................................... ... 131

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleit­gesetz, das Zustellgesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz (AMA-Ge­setz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz) (437/A und 136 d.B. sowie 10297/BR d.B. und 10313/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ........  127, 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 133

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge­setz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungs­gesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstal­tungs­ausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 7

über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (440/A und 143 d.B. sowie 10298/BR d.B. und 10309/BR d.B.) ............................................................................. 133

Berichterstatterin: Doris Hahn, MEd MA ................................................................... 133

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanz­buchhaltungsgesetz 2014 und das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert werden (11. COVID-19-Gesetz) (441/A und 144 d.B. sowie 10310/BR d.B.) ............................................................................................................. 133

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 134

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger ........................................................................................ ... 134

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ... 136

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 138

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 140

Otto Auer ................................................................................................................. ... 143

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ....................................................... ... 144

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ... 147

Mag. Sandra Gerdenitsch ...................................................................................... ... 149

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundes­gesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härte­fonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Ein­richtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundes­vermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (440/A und 143 d.B. sowie 10298/BR d.B. und 10309/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ........  135, 150

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für Österreich“ – Ablehnung ...........................................  143, 150

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................. 150

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 150

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert wird und das Pfandbriefstelle-Gesetz aufgehoben wird (37 d.B. und 145 d.B. sowie 10311/BR d.B.) .................................................................................... 151

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................... 151


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 8

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (108 d.B. und 146 d.B. sowie 10312/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 151

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................... 151

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 151

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 152

Mag. Bernd Saurer ................................................................................................. ... 153

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das BFA-Verfahrensgesetz 2012 und das Asylgesetz 2005 geändert werden (7. COVID-19-Gesetz) (443/A und 149 d.B. sowie 10299/BR d.B. und 10314/BR d.B.) .................................................... 154

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 155

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ... 155

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 156

Josef Ofner .............................................................................................................. ... 157

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ... 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 161

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das 1. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und das Zivilrechts-Mediationsgesetz geändert werden (8. COVID-19-Gesetz) (436/A und 139 d.B. sowie 10305/BR d.B.) .................................................................................... 161

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................ 162

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Ener­gie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwas­ser­kosten (Heizkostenabrechnungsgesetz – HeizKG 1992) geändert wird (15. COVID-19-Gesetz) (438/A und 140 d.B. sowie 10306/BR d.B.) ................................................... 161

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................ 162

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 162

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ... 163

Andreas Arthur Spanring ...................................................................................... ... 164

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................ ... 167

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................ ... 169

Günther Novak ........................................................................................................ ... 171

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ... 172


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 9

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 173

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 174

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 174

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 174

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) beschlossen wird (142 d.B. sowie 10307/BR d.B.) ............................................................................................................. 175

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................ 175

RednerInnen:

Thomas Schererbauer ........................................................................................... ... 175

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................. ... 177

Michael Wanner ...................................................................................................... ... 179

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 181

Staatssekretärin Mag. Ulrike Lunacek ................................................................. ... 182

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „dringliche Herstellung von Planbarkeit, Sicherheit und realitätsnahe Vorgaben für den heimischen Kunst- und Kulturbereich“ – An­nahme (292/E-BR/2020) ......................................................  176, 183

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“ – Annahme (293/E-BR/2020) .........................................................  176, 183

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Rettungsschirm für den Sport!“ – Annahme (294/E-BR/2020) .........................  180, 183

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 183

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte von Belarus, der Domi­nikanischen Republik, Ecuadors, von Honduras, der Ukraine und Usbekistans zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindes­ent­führung (39 d.B. und 94 d.B. sowie 10308/BR d.B.) ................................................................. 183

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................ 184

RednerInnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 184

Andreas Arthur Spanring ...................................................................................... ... 185

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 186

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (38. KFG-Novelle) (161/A und 59 d.B. sowie 10317/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 186


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 10

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 186

RednerInnen:

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 186

Stefan Zaggl ............................................................................................................ ... 187

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 188

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ... 190

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 190

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Luft­ver­kehrsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Par­tei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (15 d.B. und 57 d.B. sowie 10318/BR d.B.) .................................................................................................. 191

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 191

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Zusatz­abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem König­reich Norwegen als vierter Partei (16 d.B. und 58 d.B. sowie 10319/BR d.B.) .................................................................................................. 191

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 191

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................. 191

Bernhard Hirczy ......................................................................................................... 193

Horst Schachner ..................................................................................................... ... 195

Markus Leinfellner .................................................................................................. ... 196

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ... 197

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 198

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 199

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend endlich mehr Tierschutz im Bereich Lebend­tiertransporte (272/A(E)-BR/2020 sowie 10321/BR d.B.) ............................................................................................................. 199

Berichterstatter: Ing. Bernhard Rösch ....................................................................... 199

22. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses betreffend rasche Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Lebendtiertransporte für mehr Tier­schutz und Tierwohl (10322/BR d.B.)               199

Berichterstatter: Ing. Bernhard Rösch ....................................................................... 199

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck ...............................................................................................  200, 207

Ingo Appé ................................................................................................................. ... 201


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 11

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ... 203

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 204

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 206

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 207

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesserungen im Bereich der Lebend­tiertransporte“ – Ablehnung  204, 208

Ablehnung des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, die dem schriftlichen Ausschussbericht 10321 d.B. beigedruckte Entschließung betreffend „endlich mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte“ anzunehmen ................................................................................................................. 208

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, die dem schriftlichen Ausschussbericht 10322 d.B. beigedruckte Entschließung betreffend „rasche Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Lebendtiertransporte für mehr Tier­schutz und Tierwohl“ anzunehmen (296/E-BR/2020)               208

23. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Abfederung der negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft aufgrund des Coronavirus (273/A(E)-BR/2020 sowie 10320/BR d.B.) ....................... 208

Berichterstatter: Mag. Reinhard Pisec, BA MA ........................................................ 208

RednerInnen:

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ... 209

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 210

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 213

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 214

Annahme des Antrages des Berichterstatters, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht 10320/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket zur Abfederung der negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft auf­grund des Coronavirus“ anzunehmen (295/E-BR/2020) .... 218

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (274/A-BR/2020)

Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (275/A-BR/2020)

Anfragen der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise (3760/J-BR/2020)

Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­ver­teidigung betreffend Einberufung der Miliz (3761/J-BR/2020)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Vergewaltigungsversuch mit Körperverletzung am 28.04.2020 in der Stadt­gemeinde Poysdorf sowie anschließendes erfolgtes (3762/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 12

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Höchste Arbeitslosigkeit seit 1945 (3763/J-BR/2020)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Behördenaufträge für den sicherheitspolizeilichen Assistenz­einsatz (3764/J-BR/2020)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Massenkeulung im Tötungsgatter Holzrinner (3449/AB-BR/2020 zu 3729/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Massen­keulung im Tötungsgatter Holzrinner (3450/AB-BR/2020 zu 3728/J-BR/2020)

der Bundesministerin für EU und Verfassung auf die Anfrage der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis zur deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (3451/AB-BR/2020 zu 3731/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis zur deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (3452/AB-BR/2020 zu 3732/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA (3453/AB-BR/2020 zu 3734/J-BR/2020)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Be­kennt­nis zur deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (3454/AB-BR/2020 zu 3733/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in der Steiermark (3455/AB-BR/2020 zu 3730/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Oberösterreich (3456/AB-BR/2020 zu 3724/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Niederösterreich und Burgenland (3457/AB-BR/2020 zu 3723/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Tirol und Vorarlberg (3458/AB-BR/2020 zu 3722/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Salzburg (3459/AB-BR/2020 zu 3721/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Kärnten (3460/AB-BR/2020 zu 3720/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 13

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Wien (3461/AB-BR/2020 zu 3719/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend 15a-Vereinbarung des Bundes (3462/AB-BR/2020 zu 3735/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­rätIn­nen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsinspek­tionen in den Jahren 2017 bis 2019 (3463/AB-BR/2020 zu 3736/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stand und Ausbau von „Sicherheitsinseln“ im Bundesgebiet (3464/AB-BR/2020 zu 3737/J-BR/2020)

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 14

14.07.24Beginn der Sitzung: 14.07 Uhr

Vorsitzende: Präsident Robert Seeber, Vizepräsident Michael Wanner, Vize­prä­si­dentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

14.07.25*****


Präsident Robert Seeber: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich darf die heutige Sondersitzung des Bundesrates eröffnen und möchte am Beginn kurz einige grundsätzliche Bemer­kun­gen machen, bevor wir in die tatsächliche Tagesordnung eingehen.

14.07.59Ansprache des Präsidenten betreffend Maßnahmen im Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus


Präsident Robert Seeber: Meine sehr verehrten Damen und Herren – auch vor den Bildschirmen! Ich möchte betonen, dass Österreich sich nun in einer Phase der ge­lockerten Beschränkungen befindet. Dank der Disziplin der hier lebenden Menschen ist es gelungen, das Coronavirus zunächst einmal in den Griff zu bekommen. Es gelten jedoch weiterhin Beschränkungen, damit die derzeitige Situation Bestand hat und wir eines Tages unser Leben tatsächlich wieder so führen können, wie wir es bisher ge­wohnt waren.

Es liegt also weiterhin an jedem Einzelnen, die nun geltenden Maßnahmen zu be­folgen, vorsichtig zu bleiben und Kontakte mit anderen nach wie vor einzuschränken. Wenn wir das – das sage ich auch als Gastronom – beherzigen, dann wird man ab Mitte Mai wieder die Gaststätten und ab Ende Mai dann die österreichischen Beher­bergungsbetriebe besuchen können.

Ich darf alle hier im Plenum und auch die Damen und Herren an den Bildschirmen auffordern, gerade in den Sommermonaten den Urlaub ein bissl in Österreich zu ver­bringen und der angeschlagenen Tourismuswirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Das gilt aber nicht nur für den Tourismus, sondern auch für den Einkauf in unseren Geschäften und für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Es ist unser aller An­liegen, unsere heimische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und unsere Arbeit­nehmer ausreichend zu beschäftigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch die Gelegenheit ergreifen, mich, stellvertretend für Sie alle hier im Hohen Haus, ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken: bei den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern des Bundesratsdienstes, bei Frau Dr. Bachmann stellver­tretend für alle, die an den Vorbereitungen für die Sitzungen beteiligt sind – es ist auch für die Mitarbeiter eine sehr herausfordernde Zeit; es geschieht immer etwas Unvor­hergesehenes und es ist nicht so einfach, das vorzubereiten –, auch beim Personal, welches für die Einhaltung der Hygienevorschriften sorgt. – Das möchte ich einmal ganz ausdrücklich betonen und mich herzlichst bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klubs ist es natürlich auch besonders schwierig, immer wieder auf neue Anforderungen zu reagieren, und das verlangt eben­falls unser aller Achtung.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 15

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesrat wird heute eine Summe von Beschlüssen des Nationalrates diskutieren. Viele dieser Beschlüsse, das wissen wir, sind unter einem gewissen Zeitdruck zustande gekommen – ein Zeitdruck, der natür­lich auch der aktuellen Situation, sprich der Coronakrise, geschuldet ist. Dieser Zeit­druck stößt naturgemäß nicht bei allen Mandataren auf uneingeschränkte Begeis­te­rung.

Als Präsident des Bundesrates will ich etwaige Widerstände gegen bestimmte zur Diskussion stehende Gesetzesbeschlüsse nicht bewerten. Ich möchte Sie aber alle ersuchen, den guten Umgangston, den wir hier in der Länderkammer gewohnt sind, in die Debatten einzubringen, denn die Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt sind einfach wichtige Pfeiler unserer parlamentarischen Demokratie – und beide dürfen nicht infrage gestellt werden, da die freie Meinungsbildung, wie wir alle wissen, das Salz der Demokratie ist. Ob man jetzt für oder gegen ein Gesetz ist – wir machen das mit Anstand und Respekt, auch vor jenen, die nicht unserer Meinung sind. Das sind wir nicht nur einander schuldig, sondern auch den Zuseherinnen und Zusehern vor den Bildschirmen.

Wir wollen auch heute wieder unter Beweis stellen, dass der Bundesrat eine der tragenden Säulen unserer Republik ist und hier nicht Einzelinteressen im Vordergrund stehen, sondern das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. In diesem Sinne darf ich mich bei Ihnen und bei euch allen sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

14.12.14*****


Präsident Robert Seeber: Die heutige 906. Sitzung des Bundesrates wurde aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens von mindestens einem Viertel der Mitglie­der des Bundesrates gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates ein­berufen.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 905. Sitzung des Bundesrates vom 4. April 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Gerhard Leitner.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Robert Seeber: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

der Unterrichtungen des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Nominierung von Herrn Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer zum Mitglied und Herrn Landesrat Markus Achleitner zum stellvertretenden Mitglied im Ausschuss der Regionen beziehungsweise

der Nominierung von Frau Sektionschefin Mag.a Helga Berger als österreichisches Mitglied im Europäischen Rechnungshof für die Funktionsperiode 1.3.2020 bis 28.2.2026 verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 16

Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 12)

2. Unterrichtungen des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Nominierung von Herrn Landeshauptmann Mag. Thomas STELZER zum Mitglied und Herrn Landesrat Markus ACHLEITNER zum stellvertretenden Mitglied im Ausschuss der Regionen (Anlage 2)

Nominierung von Frau Sektionschefin Mag.a Helga BERGER als österreichisches Mitglied im Europäischen Rechnungshof für die Funktionsperiode 1.3.2020 bis 28.2.2026 (Anlage 3)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2020 auf der Grundlage des Acht­zehnmonatsprogramms des Rates für 2019/2020 und des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2020 (III-714-BR/2020)

zugewiesen dem Umweltausschuss


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 17

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BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 18

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BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 19


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 20


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 21


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 22


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 23


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 24

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BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 25


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 26


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 27


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 28

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Präsident Robert Seeber: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zuge­wiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Ta­gesordnung sind.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 29

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Robert Seeber: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stün­digen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vorliegenden Be­schlüssen des Nationalrates Abstand zu nehmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erfor­derlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Robert Seeber: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 5 und 6, 9 und 10, 11 und 12, 14 und 15, 19 und 20 sowie 21 und 22 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Robert Seeber: Bevor wir nun in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Höchste Arbeitslosigkeit seit 1945“ an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, darf ich sehr herzlich Herrn Bundesminister Anschober bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Grüß Gott! Guten Tag! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

14.16.401. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertrags­be­dienstetengesetz 1948 geändert werden (9. COVID-19-Gesetz) (483/A und 120 d.B. sowie 10293/BR d.B. und 10300/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 30

Präsident Robert Seeber: Wir gelangen zum 1. Tagesordnungspunkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um den Bericht.


14.17.13

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher via Live­stream! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungs­ge­setz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungs­ge­setz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (9. COVID-19-Gesetz).

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


14.18.34

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Meine Damen und Herren! Worum geht es? – Im 9. COVID-19-Gesetz werden Regelungen getroffen, um sogenannte Risikogruppen beziehungsweise Menschen, die der sogenannten Risikogruppe ange­hören, besonders auch am Arbeitsplatz besser zu schützen.

Es ist ein dreistufiges System. Zuerst erfolgt die Information: der berühmte Brief des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, dass jemand zur Risikogruppe gehört. Im zweiten Schritt kann der oder die Betroffene selbst entscheiden, ob er oder sie damit zum Arzt geht und sich gegebenenfalls ein Risikoattest ausstellen lässt. Im dritten Schritt entscheidet dann wieder die betroffene Person, ob sie das dem Arbeit­geber mitteilt oder nicht. Dank diesem Gesetz können dann Maßnahmen ergriffen werden, die einen besseren Schutz bieten. Die Palette reicht hier von Homeoffice über geschützte Arbeitsbereiche bis hin zur bezahlten Freistellung.

All diese Schritte – und das ist uns wichtig – basieren auf Freiwilligkeit, denn nicht jeder möchte, dass sein Arbeitgeber erfährt, dass er einer Risikogruppe angehört. Es geht um Rechte, es geht um Schutz und es geht um Solidarität mit jenen, die besonders durch das Virus gefährdet sind.

Jetzt noch ein paar Worte zu den Verharmlosern und Besserwissern: Wir hatten den Coronakonsens. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, da haben wir’s ja wieder!) Es war allen Parteien klar, es muss rasch und entschieden gehandelt werden. Das ist dann in großer Einigkeit und unter beispielloser Mitwirkung der Bevölkerung geschehen. Und was ist passiert? – Die Katastrophe ist nicht eingetreten. Die Prävention war bis heute erfolgreich. Und jetzt, da die Erfolge immer klarer werden, wird das Ausbleiben der Katastrophe von einigen – auch hier im Haus – als Begründung dafür genommen, zu sagen, es sei alles übertrieben und nicht notwendig gewesen. (Ruf bei der FPÖ: Rich­tig!)

Das oft zitierte sogenannte Präventionsparadoxon greift um sich. Es ist natürlich viel populärer, so zu tun, als wäre alles nicht so schlimm, und die positive Nachricht der Entwarnung zu verkünden. Allerdings ist die konsequente Umsetzung des Lockdowns die Voraussetzung seiner Aufhebung, und das sollte uns allen klar sein. Auch wenn gegenwärtig die Zahlen sehr gut aussehen, bleibt behutsames Agieren und Fahren auf Sicht das Gebot der Stunde. Wer da populistisch vorprescht und die zugegebener­maßen massiven, auch persönlichen Einschränkungen einfach beseitigen will, riskiert


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 31

eine zweite Welle, die ich mir lieber nicht vorstellen möchte! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.21


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile ihr dieses.


14.22.16

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschau­erin­nen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Die Coronakrise hat wie kein anderes Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg unser Leben beeinflusst und nachhaltig verändert. Sie hat uns sowohl gesundheitlich als auch gesellschaftlich und wirtschaftlich vor enor­me Herausforderungen gestellt und tut es noch immer. Covid-19 hat uns vor Augen geführt, wie anfällig unsere Lebensweise gegenüber bestimmten Ereignissen sein kann.

Die Coronakrise hat uns aber auch gezeigt, dass derart drastische Situationen entschiedenes Handeln erfordern – sei es das Aussetzen ganzer Wirtschaftsbereiche, die Ausgangsbeschränkungen, die Grenzschließungen oder der inzwischen allgegen­wärtige Mund-Nasen-Schutz. In solchen Situationen ist ein schnelles Handeln der Entscheidungsträger und das Setzen der richtigen Maßnahmen wichtig. Inzwischen gibt es zum Glück immer mehr Genesene, und die Zahlen der Neuinfektionen nehmen wieder ab, was zu einer spürbaren Entlastung des Gesundheitssystems beiträgt und wohl der beste Beweis dafür ist, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus Wirkung gezeigt haben.

Das Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens aber, den unser Land durch diese Krise erleiden wird, ist noch gar nicht abschätzbar. Die bereits beschlossenen Lockerungen der Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sind ein wichtiger und richtiger Schritt, um den Menschen wieder ein Stück Normalität zurückzugeben und der Wirt­schaft einen dringend benötigten Schub zur Revitalisierung zu geben.

Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Wirtschaft sind enorm. Mit dem heutigen Tag sind in Österreich rund 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit, dazu kommt die höchste Arbeitslosigkeit seit 1946. Die Auftragslage vieler Firmen ist schlecht, viele Unternehmer sind ratlos, wie es weitergehen soll. Als Geschäftsführerin eines mittel­ständischen Unternehmens kann ich aus eigener Erfahrung ein Lied davon singen, welche bedeutenden Einschnitte diese Krise für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ge­bracht hat.

Ich habe in den letzten Wochen viele Anrufe und E-Mails von verzweifelten Unter­nehmern erhalten. Sie haben große Sorgen, viele berichten über schlaflose Nächte. (Bundesrat Steiner: Wegen eurer Maßnahmen!) Die Unternehmen haben nicht nur Sorgen, was die Zukunft angeht, sondern sie sind aktuell auch sehr gefordert, um diese Krisenzeit zu meistern, sei es durch das Organisieren von Kurzarbeit, das Überbrücken von Liquiditätsengpässen, das Organisieren von Homeofficearbeits­plät­zen für ihre Mitarbeiter – dort, wo es möglich ist –, oder sei es durch den büro­kra­tischen Aufwand im Zusammenhang mit den Anträgen für die Covid-19-Hilfspakete für Unternehmen. Hinzu kommen eventuell noch Mitarbeiter, die unter Quarantäne gestellt wurden, sowie Mitarbeiter, die aufgrund bestimmter Vorerkrankungen zu einer der sogenannten Risikogruppen gehören und die unter Umständen zu ihrem eigenen Schutz zu Hause bleiben sollten, das heißt, die nicht zur Arbeit erscheinen können.

Die gegenständliche Vorlage zur Abänderung des ASVG und weiterer Gesetze betref­fend die Risikogruppen stellt aus diesem Grunde eine weitere notwendige und unter-


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stützenswerte Maßnahme dar. Mit dieser Vorlage wird der Schutz betroffener Arbeit­nehmer aus Risikogruppen gestärkt, und zudem schafft die Vorlage Rechtssicherheit für die Arbeitgeber.

Zunächst muss festgestellt werden, welche Arbeitnehmer zu einer Risikogruppe ge­hören. Dies kann über ein Informationsschreiben durch den Dachverband der Sozial­versicherungsträger geschehen, es können aber Betroffene von sich aus aktiv werden und gleich eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, die oder der ihnen bei Erfüllen der entsprechenden Parameter ein Covid-19-Risikoattest ausstellen kann.

Wurde eine Gefährdung festgestellt, so können in Abstimmung mit dem Arbeitgeber jeweils individuelle Lösungen für die betroffene Person gesucht werden. Dies kann je nach Möglichkeit eine Anpassung des Arbeitsplatzes oder ein Umstieg auf Homeoffice sein. Sofern diese Lösungen nicht möglich sind, erfolgt eine Dienstfreistellung. Diese Möglichkeiten entlasten beide Seiten ganz wesentlich, denn die Gesundheit der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer kann in einem zufriedenstellenden Maße geschützt werden und die Betroffenen erhalten im Falle einer Dienstfreistellung weiterhin die volle Entlohnung. Andererseits bekommen die Arbeitgeber die gesamten Kosten inklusive anteiliger Sonderzahlungen und sämtliche Lohnnebenkosten durch den zuständigen Krankenversicherungsträger ersetzt. So werden im Endeffekt Menschen und Arbeits­plätze geschützt, wovon alle profitieren.

Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die gesamthafte Erfassung der Risikogruppen, das heißt, auch die Erfassung geringfügig Beschäftigter und solcher im Bereich der kriti­schen Infrastruktur. Diese werden – jetzt neu – auch vom gesetzlichen Schutz erfasst. Diese bisher in den gesetzlichen Grundlagen bestehende Lücke wird durch die gegen­ständliche Vorlage geschlossen.

Weiters ist begrüßenswert, dass es keine Verpflichtung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, sich vom behandelnden Arzt ein Covid-19-Risikoattest ausstellen zu lassen, auch wenn diese Atteste ohne Angabe von Diagnosen möglich sind, denn im Vordergrund steht natürlich der mündige Bürger, der – außer zum Beispiel durch die in den Gesetzen betreffend Seuchenschutz geregelte Meldepflicht für ansteckende Krankheiten bei einer konkreten Gefährdung – nicht verpflichtet werden kann und auch nicht verpflichtet werden soll, seinem Arbeitgeber Auskunft über seinen Gesund­heits­zustand zu geben. So besteht für jeden die Möglichkeit, Gebrauch von dieser Rege­lung zu machen, es wird aber niemand dazu gezwungen.

Das Coronavirus und die damit verbundenen Auswirkungen werden uns wohl noch länger beschäftigen. So warnen zum Beispiel renommierte Virologen davor, zu schnell zu viele Lockerungen der Maßnahmen vorzunehmen, da sonst wieder ein Neuanstieg der Infektionen zu befürchten sei.

Entsprechend wird auch vor einer möglichen zweiten Erkrankungswelle im Herbst und im Winter gewarnt. Die Regelung zum Umgang mit Risikogruppen am Arbeitsplatz ist somit eine sehr wichtige Regelung, und gerade darum ist es von großer Wichtigkeit, über solch eine vernünftige und ausgeglichene Regelung zu verfügen, wie sie gerade beschlossen werden soll.

Aufgrund der gegenständlichen Vorlage soll außerdem die Möglichkeit der Mitver­siche­rung in der Krankenversicherung als anspruchsberechtigter Angehöriger im ASVG und in den Sondergesetzen sowie die Waisenpension befristet für die Zeit der Covid-19-Pandemie über das 27. Lebensjahr hinaus gewahrt bleiben.

Ebenso soll die Nichtentrichtung von Beiträgen zur studentischen Selbstversicherung für die Zeiten der Covid-19-Pandemie in Bezug auf die Krankenversicherung zu keinen


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Konsequenzen führen und der Versicherungsschutz über die Dauer der Covid-Krise verlängert werden.

Aus all diesen Gründen unterstütze ich diesen Antrag.

In diesem Bundesgesetz wird sowohl auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber Rücksicht genommen. Die Arbeitnehmer, die der Risikogruppe ange­hören, bekommen den Schutz, den sie benötigen, ohne sich um ihre finanzielle Ab­sicherung oder ihren Arbeitsplatz sorgen zu müssen. Die Arbeitgeber können hingegen von der Rechtssicherheit profitieren, die dieses Gesetz betreffend die Kostenüber­nahme bietet. Sie müssen keine zusätzlichen finanziellen Belastungen auf sich neh­men und werden so in diesen herausfordernden Zeiten etwas entlastet. Daher ist diese Regelung im Sinne aller Beteiligten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.30


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


14.31.17

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren hier im Plenum und zu Hause vor den Bildschirmen! Wie von meinen beiden Vorrednern angeführt geht es um die Regelung betreffend Risikogruppen, die neu gefasst und damit klarer und sichtbarer gemacht wird.

Nur zur Erinnerung: Seit März fordert die SPÖ eine klare Regelung für jene Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen zusätzlich oder ganz besonders von Covid-19, von diesem Virus, betroffen sind. Seit März fordern wir das, und letztendlich hat die Bun­desregierung in einer Pressekonferenz erklärt: Ja, für diese Risikogruppe gilt es eine Regelung zu finden! – Schön, dass diese Botschaft diesmal angekommen ist; schön auch für die Betroffenen! (Beifall bei der SPÖ.)

Bevor ich nun noch tiefer in die Materie dieser Regelung einsteige, erlaube ich mir, Bundeskanzler Kurz zu zitieren: Er will Österreich „zur neuen Normalität“ führen. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es kann vielleicht einen Zeitraum mit besonderen Voraussetzungen geben, aber sicher nicht auf Dauer eine neue Normalität – für uns sicher nicht! Es ist auch an der Zeit, dass in den parlamentarischen Ablauf wieder die alte Normalität einkehrt. Es ist nunmehr Zeit genug, die in der Verfassung vorge­sehenen Abläufe und Fristen wieder aufleben zu lassen. Sondersitzungen, keine Be­gutachtungen und kurzfristig einberufene Ausschüsse dürfen nicht zur neuen Nor­malität werden. Auch die zig Nachkorrekturen von Verordnungen und Gesetzen haben dies in den letzten zwei Monaten bewiesen. Die derzeitige Situation darf nie zur neuen Normalität werden, stehen wir doch vor der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte, die wir gemeinsam meistern müssen.

Was wir von heute an erleben, ist eine Rückkehr zu unseren Werten, zu Werten wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität. Die Österreiche­rin­nen und Österreicher haben in den letzten sechs Wochen eindrucksvoll bewiesen, dass sie diese auch leben und zukünftig auch leben wollen. Österreich hat es dank eines funktionierenden Sozialstaates im Vergleich zu anderen Staaten wirklich gut geschafft, mit den anstehenden Herausforderungen umzugehen. Das ist ein schlagen­der Beweis dafür, dass ein Sozialstaat wichtig ist – gerade heute, in dieser Krise, ist er wichtiger denn je (Beifall bei der SPÖ), denn Ziel des Sozialstaates ist es, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen zu gewährleisten. Das be­inhaltet unter anderem die Finanzierung von Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pen­sionsversicherungen sowie des öffentlichen Bildungssystems. Ebenfalls dazu gehören


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Leistungen wie die Mindestsicherung, die Notstandshilfe, das Kindergeld, der soziale Wohnbau und – besonders wichtig – reibungslos funktionierende Kommunen.

Die Sozialpartner sind ein weiterer wichtiger und zentraler Faktor eines funk­tionie­ren­den Sozialstaates, ebenso eine nicht privatisierte Infrastruktur in öffentlicher Hand wie Straßennetze, öffentliche Verkehrsmittel, Wasser, Strom, Energie und zukünftig auch die Breitbandversorgung.

Das neoliberale Märchen, dass man statt auf den Sozialstaat auf Eigenvorsorge setzen soll, weil jeder seines Glückes Schmied ist, entblößt sich als Horrorgeschichte. Unter­finanzierung und Privatisierung haben zum Beispiel in Großbritannien, in Italien und in den USA ein System geschaffen, das hinsichtlich seiner Kapazitäten schon bei einer üblichen Grippe überfordert ist.

Ein wichtiger Baustein eines Sozialstaates ist es auch, Risikogruppen zu schützen. In § 735 des ASVG geht es um die Risikogruppenregelung Neu. Die bisherige Regelung, die aus dem 3. COVID-19-Gesetz stammt, ist keine drei Wochen alt. Die Risiko­grup­penregelung Neu ist aber ein Verwirrspiel, das viel Aufwand bedeutet und Arbeit­nehmerInnen, aber auch ArbeitgeberInnen zusätzlich verunsichern und verärgern wird.

Erfreulicherweise sind auch positive Änderungen enthalten. Was ist an der neuen Regelung besser als bisher? – Dass sie offensichtlich nicht mehr verfassungswidrig ist; dass der Arbeitsweg berücksichtigt wird; dass nicht nur die Medikation ausschlag­ge­bend ist; dass der Arzt ohne Infoschreiben der Krankenversicherung Atteste ausstellen kann. Ebenfalls positiv ist der Passus mit der Reiseaufwandsentschädigung; sehr gut ist die Verlängerung für das Krankengeld, Rehageld und so weiter. Dies gilt auch für die Beiträge der Abfertigung Neu: Das bedeutet, dass die Krankenversicherung die Beiträge für die Abfertigung Neu zwischenfinanziert, wenn der Arbeitgeber sie nicht zahlen kann.

Aus unserer Sicht sind aber folgende Punkte noch immer sehr kritisch zu betrachten: dass der Kündigungsschutz lückenhaft ist, ausläuft und ein bloßer Motivkündi­gungs­schutz ist; dass der Angehörigenschutz fehlt – ein Dienstnehmer hat zum Beispiel einen Höchstrisikoangehörigen wie zum Beispiel einen Chemotherapiepatienten zu Hause –; dass die werdenden Mütter nicht erfasst werden; dass die Benutzung der Medikationsdaten für andere Zwecke als ursprünglich vorgesehen wird und dass die Bediensteten der Länder und Gemeinden ausgenommen sind.

Die Regelung des Kündigungsschutzes für Covid-19-RisikoarbeitnehmerInnen ist un­zu­reichend. Es braucht für diese ArbeitnehmerInnen einen Kündigungsschutz, der auch nach der Krise wirkt. Der gemeinsame Haushalt mit schwer kranken Ange­höri­gen, zum Beispiel Krebserkrankten, stellt eine Herausforderung besonders in diesem Pandemiefall dar. Berufstätige Angehörige von Schwerkranken müssen tagtäglich eine Abwägung zwischen dem eigenen Arbeitsplatz und der Gesundheit ihrer Angehörigen treffen. Diesen ArbeitnehmerInnen muss die Möglichkeit gegeben werden, sowohl die Pflege oder Betreuung ihrer Angehörigen zu übernehmen, als auch einen gesicherten Arbeitsplatz zu haben. Daher soll der Schutz des § 735 des ASVG auch auf diese Gruppe ausgedehnt werden.

Nun zu den werdenden Müttern: Aufgrund der physiologischen Veränderung in der Schwangerschaft können Schwangere bei Infektionen mit Atemwegsviren generell schwerer erkranken. In einer rezent publizierten Studie aus dem März 2020 wird über eine Fallzahl von 32 Frauen berichtet: Insgesamt betrug die Frühgeburtlichkeit in diesem Kollektiv 47 Prozent; ein Kind ist intrauterin verstorben, eines nach der Geburt. Allein diese Zahlen zeigen die Bedrohlichkeit von Covid-19 für Mütter, aber insbe­sondere auch für ungeborene Kinder. Unter normalen Umständen werden in Österreich pro Jahr circa 6 200 Kinder zu früh geboren und auf neonatologischen Stationen be-


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treut, wobei es auch immer wieder zu Engpässen in der Versorgung kommt. Wenn es aber nun durch Covid-19-Erkrankungen bei Schwangeren zu einer deutlichen Zu­nah­me von Frühgeburten kommt, kann es auch im Bereich der Neonatologie zu Über­lastungen der Kapazität in der Betreuung von Frühgeborenen kommen.

Zusammenfassend sind das besorgniserregende Zahlen, die unbedingt einen erwei­terten Infektionsschutz von Schwangeren am Arbeitsplatz durch einen vorzeitigen Mut­terschutz erfordern. Dabei ist nicht nur die Situation am Arbeitsplatz zu bedenken, sondern auch die Tatsache, dass viele Frauen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gelangen.

Ich habe mir die Situation von Verkehrsexperten genau erklären lassen, wie das ab Mitte Mai bei den Öffis ist, da ich Anfragen von besorgten Müttern, aber auch Eltern, was den Schultransport betrifft, bekommen habe. Generell sind die Abstandsregeln einzuhalten – no na ned. Aber jetzt kommt es: Können diese nicht eingehalten werden, weil zu viele Fahrgäste mit dem Verkehrsmittel fahren möchten, gelten die Abstands­regelungen nicht mehr, da in ganz Österreich die Kapazitäten an Beförderungsmitteln nicht ausreichen, um diese Verordnung auch umsetzen zu können. Es stehen dann also viele dicht gedrängt in den Bussen, Straßenbahnen und Zugabteilen.

Es ist daher unbedingt erforderlich, dass während der Covid-19-Krisensituation wer­dende Mütter auf Verlangen von der Arbeit freigestellt werden können. Dass es dies­bezüglich keine Bewegung in den Regierungsparteien gegeben hat, ist eigentlich schade. Da setzt auch unsere Kritik an, nämlich dass der Kündigungsschutz nicht verbessert wurde, dass die pflegenden Angehörigen und auch die werdenden Mütter nicht miterfasst wurden.

Am Ende meiner Ausführungen noch ganz kurz zur Regelung, dass die Bediensteten der Länder und der Gemeinden ausgenommen sind: Anscheinend haben die Ge­meinden, die eigentlich direkt beim Bürger alle Maßnahmen umsetzen müssen, keinen sehr hohen Stellenwert in dieser Regierung. Ich rede jetzt nicht von den dringend notwendigen finanziellen Hilfspaketen für die immer ärger in finanzielle Bedrängnis geratenden Kommunen, aber Faktoren wie keine Möglichkeit der Kurzarbeit für die Bediensteten der Gemeinden, Entfall der Kommunalsteuer bei Kurzarbeit in den Be­trieben für Gemeinden sowie die zusätzlichen finanziellen Aufwendungen als Schul­erhalter, Kindergartenbetreiber und, und, und, sowie radikale Einbußen bei den Ertragsanteilen aufgrund von Covid-19-Maßnahmen und -Verordnungen stellen die Kommunen vor unlösbare Aufgaben. Vielleicht kann uns aber diese stiefmütterliche Behandlung aller österreichischen Kommunen einer unserer türkisen Bürgermeister hier im Haus genauer erklären.

Zum Schluss kommend: Wir werden trotz der erläuterten Kritikpunkte zu TOP 1 die Zustimmung erteilen, in der Hoffnung, dass die Regierung die Kritikpunkte überdenkt und sie später als ihre Idee einbringt. Das soll uns auch recht sein. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie alle gesund! (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

14.42


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.


14.42.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor dem TV-Gerät oder via Livestream! Ich möchte voran­schicken, dass wir diesem Gesetz zustimmen werden, so wie wir auch zu Beginn die


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Maßnahmen mitgetragen haben. Wir haben uns also diesem Schulterschluss, der von der Regierung eingefordert wurde, nicht verweigert. Nur – jetzt kommt das Nur – muss ich jetzt schon sagen: Wenn ich sehe, was da alles an Gesetzen eingebracht wurde, die fehlerhaft waren, zu denen die Verordnungen erst nachgereicht wurden, bei denen keiner genau gewusst hat, was denn da jetzt eigentlich beschlossen wird, möchte ich nicht wissen, was passiert wäre, wenn für all das ein freiheitlicher Minister verant­wortlich gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.) – Die Medien hätten uns in der Luft zer­rissen! Es wäre kein Stein auf dem anderen geblieben, wenn wir das so gemacht hätten, wie Sie das machen.

Aber wir wissen es, man schaut zwar gerne ins Ausland und spricht über eine gleich­geschaltete Presse – die haben wir natürlich auch, bei uns ist die Presse weitest­gehend links angesiedelt, bis auf ganz wenige Ausnahmen –, dann werden Sie natür­lich von der Regierung - - (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Das betrifft übri­gens auch die SPÖ, die sich jetzt gerade so belustigt. Wir hatten einmal einen Untersuchungsausschuss, der sich mit der Inseratenaffäre beschäftigte, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, und es war Ihr Bundeskanzler, Ihr damaliger Bun­deskanzler Faymann, der im Mittelpunkt dieser Untersuchungen stand. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sagen Sie also nicht, dass Regierungen nicht versuchen, sich die Medien mit Regierungsinseraten hinsichtlich der Berichterstattung gefügig zu machen! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Zack, zack, zack!) Das funktioniert nach wie vor nach dem alten Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!, und so findet es statt.

Ich sage es jetzt ganz offen von dieser Stelle aus, weil es jetzt wirklich schon reicht: Ich habe es noch nicht erlebt, dass man so pfuschen kann, wie diese Regierung das jetzt macht! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Gesundheitsminister ist wie die Jungfrau zum Kind zu diesem Ressort ge­kommen. Man merkt nicht, dass er irgendwann einmal als Landesrat Konfliktmana­ge­ment gelernt hätte, aber es verkündet ja ohnehin immer zuallererst der Herr Bun­deskanzler alle guten Sachen, die jetzt zu machen sind – und der Herr Vizekanzler und der Herr Gesundheitsminister sind dabei und dürfen dann auch etwas sagen, damit es nicht ganz so blöd ausschaut. Tatsache ist aber: Der Heilsbringer dieser Nation heißt im Moment Bundeskanzler Kurz.

Auch sachlich gibt es natürlich jede Menge zu kritisieren, was ja auch schon die Zahl der begründeten Einsprüche gegen die diversen Coronagesetze zeigt – jetzt sind wir schon bei Covid-Gesetz Nummer 19 angelangt –, auch weil viele Gesetzesänderungen in einem Sammelgesetz zusammengefasst werden. Das zeigt ja schon, dass hier auch sachlich, handwerklich nicht gut gearbeitet worden ist. Jetzt verstehe ich schon, in einer Krise kann das schon vorkommen, wenn es schnell gehen muss, dass da irgendwas passiert, aber das wäre etwas anderes gewesen, hätten Sie es nicht so gemacht, wie Sie es nämlich machen: Sie machen zuerst eine Pressekonferenz, da verkündet der Bundeskanzler, was da jetzt alles Gutes gemacht wird. Da wird in aller Eile ein Sammelpaket geschnürt, darüber darf dann das Parlament befinden.

An dieser Stelle möchte ich den Referenten aller Oppositionsparteien danken, weil ich von unseren Leuten weiß, was es für eine Arbeit ist, was es für ein Aufwand ist, wirklich jedes Gesetz anzuschauen und alle in Zusammenhang zueinander zu bringen. Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Die werden ja dafür bezahlt!, aber es ist trotzdem eine große Kraftanstrengung, und die war, das sage ich Ihnen, bei allen Oppositions­parteien gleich groß. Daher diesen Referenten vielen Dank! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Sie gehen also nicht mit einem Gesetzentwurf ins Parlament und lassen dann das Parlament darüber diskutieren, Sie lassen ihn auch nicht begutachten – ich weiß, in der Eile können Fehler passieren, deshalb gibt es ja die Begutachtung, dass sich das auch


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andere Experten anschauen und darauf aufmerksam machen: Halt, da ist ein Fehler passiert! –, nein, das alles macht man nicht. Man macht zuerst eine Pressekonferenz, dann darf das Parlament das beschließen, damit halt der Formalität Genüge getan ist – so kommt es mir vor. Das ist fast wie eine Ausschaltung des Parlaments. Es ist keine tatsächliche, aber ich sage Ihnen, es fühlt sich so an, weil wir hier nicht nur einmal das Gefühl gehabt haben, dass wir reine Staffage sind und wir auch noch dazu reden und unsere Bedenken einwenden dürfen, damit halt der Formalismus erfüllt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Kollege von den Grünen hat es ja heute schon anklingen lassen: Kaum sagt einer etwas anderes, etwas, was nicht mit dem Mainstream der Regierung und der Medien im Einklang ist, dann heißt es gleich so herabwürdigend: Na ja, die Besserwisser!

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt nicht nur eine Wahrheit, und Sie haben die Wahrheit ganz sicher weder erfunden, noch haben Sie sie gepachtet. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Es ist daher nicht richtig, herzugehen und alle, die eine andere Meinung haben – und da sind ja auch viele wirkliche Experten dabei –, als Gefährder runterzumachen, als Verschwörungs­theoretiker, als Leute, die eigentlich nicht wirklich eine Ahnung haben oder die vielleicht gekauft sind, von wem auch immer; ich weiß nicht, was da in Ihren Hirnen manchmal vorgeht. Ich finde es wirklich unredlich, Menschen, die die Dinge anders sehen, so runterzumachen, wie Sie das tun. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Es kommt ein weiterer Aspekt dazu, der vor zwei Wochen öffentlich geworden ist: Wie sind Sie es denn angegangen? – Mit Angst! Sie arbeiten mit den Urängsten des Menschen um Leib und Leben, um Gesundheit, mit der Angst um eigenes Leib und Leben, das der Familie, das der Nächsten. Das ist unredlich, sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Angst der Menschen zu spielen ist unredlich – so schlimm kann keine Krise sein! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich rufe Ihnen jetzt in Erinnerung: 11. März, Kanzler Kurz: „Die Alternative ist: Es sterben viele Menschen.“ – Nein, das hat der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes gesagt.

Kurz im März: In Eishallen werden Leichen aufgebahrt werden. 14. März: „Das Virus wird Krankheit, Leid und Tod für viele Menschen in unserem Land bedeuten.“ Und: „Jeder soziale Kontakt ist ein Risiko“. Nur mit dem Land im Notbetrieb gebe es eine Chance, eine Ausbreitung zumindest zu verzögern. 18. März: „Koste es, was es wolle“, um Arbeitsplätze zu sichern. Der Vizekanzler spricht von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – okay, da gebe ich ihm ausnahmsweise recht. Am 30. März fällt in der „ZIB“ das Zitat, das uns, glaube ich, am meisten im Kopf geblieben ist: Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona verstorben ist. Die Wahrheit ist, dass schwere Zeiten noch vor uns stehen.

Da ist Ende April dann aufgeschlagen, dass diese Behauptung eine Taktik von Ihnen war, dass das eine Strategie war! Sehr geehrte Damen und Herren, so geht das nicht! Nichts davon ist eingetreten!

Immer haben Sie alle gerügt, die darauf hingewiesen haben, dass die Schweden einen anderen Weg eingeschlagen haben. Doch auch dort sinken die Fallzahlen, die Basisreproduktionszahl ist unter eins, also einer steckt weniger als einen anderen an. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Das ist natürlich noch nicht toll (weiterer Ruf bei der ÖVP: ... Spanien!), aber die haben nicht das ganze Land runtergefahren und die Wirtschaft an die Wand geknallt. Ich sage Ihnen, bei uns spüren die Leute die Folgen noch nicht so, aber warten Sie ein paar Monate ab, wenn dann Leute keine Arbeit mehr haben! Auch wenn Sie hundertmal schreiben, aus der Kurzarbeit kann


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man nicht gekündigt werden: Das heißt ja nicht, dass man nicht zwei Monate später doch gekündigt werden kann, weil keine Aufträge da sind oder die Kunden ausgeblieben sind.

Das sind ja alles Einzelschicksale! Das sind ja keine Schachfiguren, die wir auf dem Brett herumschieben und sagen: Jetzt ist der Bauer leider gefallen!, sondern das sind Einzelschicksale, da hängen Familien, Kinder, Ehefrauen, Ehemänner dran. Das müssen Sie immer bedenken.

Sie liefern ja auch als Grundlage für eine Diskussion nicht wirklich Daten und Fakten. Heute hat die SPÖ eine Dringliche eingebracht, und Frau Ministerin Aschbacher rückt plötzlich mit Zahlen heraus. Die ganze Zeit wollten wir von ihr aktuelle Arbeits­losen­zahlen haben – haben wir nie bekommen. Jetzt auf einmal gibt es aktuelle Arbeits­losenzahlen. Na schau, das ist jetzt aber wirklich sehr verwunderlich, dass jetzt wun­dersamerweise diese Zahlen dahergekommen sind! (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Noch etwas muss ich hier anmerken, weil ja vom Herrn Präsidenten gesagt wurde, dass es ein Verlangen auf diese Sondersitzung gab: Da möchte ich schon auch den Umgang mit dem Parlament und im Speziellen mit dem Bundesrat ansprechen. Gerade die ÖVP hält den Föderalismus so hoch und sagt immer, wie wichtig der Bundesrat ist. – Na ja, ich glaube, dass meine Kollegen aus dem Bundesrat das so sehen, aber ob das der Rest Ihrer Partei so sieht, wage ich zu bezweifeln, denn wenn das so wäre, wenn man das so hätte haben wollen, hätte man ja anders vorgehen können. Schon zweimal war ja der Bundesrat bei der Präsidialsitzung des National­rates eingeladen. Warum hat man das diesmal nicht auch gemacht, wenn man schon gewusst hat, dass man Gesetze machen wird, die mit 1. Mai in Kraft treten sollen? Das wäre ein Handeln auf Augenhöhe gewesen, man hätte sich sicher auf einen Termin geeinigt, und alles hätte seinen normalen Lauf genommen. Stattdessen hat man das wieder einmal nicht gemacht, vielleicht hat man es auch nur vergessen, oder vielleicht war es auch Absicht, und dann kommt der Anruf: Nächste Woche ist Sitzung! – So, und jetzt sind alle verwundert, dass wir nicht zugestimmt haben, auch weil wir der Meinung waren, dass man so mit Parlamentariern nicht umgeht, dass man das so einfach nicht macht. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Natürlich haben wir auch gewusst, dass Sie das Recht beziehungsweise die Mög­lichkeit haben, eine Sondersitzung einzuberufen, aber ich sage Ihnen: Denken Sie vielleicht beim nächsten Mal daran oder erinnern Sie Ihre Kollegen aus dem Natio­nalrat daran, dass es einen Bundesrat gibt! Es kommt mir so ein bisschen vor, als ob sie sich sagen würden: Das muss ja noch durch den Bundesrat – was, den gibt es noch? – Also sagen Sie ihnen, es gibt uns noch, und es wäre vielleicht ganz gut, das mit uns abzusprechen, damit ein normaler Ablauf stattfinden kann, an dem ja auch wir höchstes Interesse haben!

Die Geschichte geht ja immer weiter, und sie hören ja nicht auf, sie lernen ja nicht einmal aus ihren Fehlern! Ein Fehler ist schon einmal, nie auf die Opposition zu hören. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist es so: Was immer die Opposition sagt, zunächst einmal ist die Antwort reflexartig: Nein, das brauchen wir nicht, und das muss auch nicht sein!

Ich sage ganz bewusst, es gab erfreulicherweise ein paar Ausnahmen. Es gab aber sehr viele Kritikpunkte quer durch die Parteien. Die NEOS und die Freiheitlichen kann man von der Ideologie her überhaupt nicht vergleichen, und trotzdem gibt es immer wieder Schnittmengen, auch mit der SPÖ, wo man sich trifft und sagt, so kann man es nicht machen. Da könnte sich die Regierung schon herablassen, einmal auf die Opposition zu hören. Es fällt Ihnen kein Zacken aus der Krone, denn letzten Endes


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arbeiten wir alle zum Wohle Österreichs. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Sie kennen ja unsere Einstellung zu einer verpflichtenden App, die Sie ja wollten, die Coronaapp hat ja Nationalratspräsident Sobotka verkündet, dann ist er wieder zurück­gerudert, nachdem es einen ordentlichen Entrüstungssturm gegeben hat. Wenn aber heute die Kanzlerberaterin, Frau Mei-Pochtler, eine der engsten Vertrauten von Bun­des­kanzler Kurz, im ORF mit folgenden Worten zitiert wird: „Die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die ,am Rand des demokratischen Modells‘ seien“, dann sage ich Ihnen eines: Bis jetzt habe ich mich ja vor der ÖVP noch nie gefürchtet, aber jetzt fange ich langsam an, mich zu fürchten. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Daher ist es uns ja auch so wichtig, dass wir zu einer normalen Normalität zurück­kommen. Das heißt nicht, dass wir nicht Abstände zueinander beachten. Das heißt nicht, dass man nicht vorsichtig mit dem anderen umgehen soll. Das heißt nicht, dass man den anderen bewusst gefährden möchte. Ich will aber wieder zurück, und zwar ehebaldigst, lieber gestern als heute, zurück zur Freiheit, zurück zur Wahrheit, zurück zur Selbstbestimmung, zur Verfassungskonformität und zur Rechtsstaatlichkeit (Beifall bei der FPÖ) und zu einer wirklichen Meinungsfreiheit, sodass der, der etwas anderes sagt, nicht verächtlich gemacht oder ausgegrenzt wird. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.57


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile dieses.


14.57.58

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren, die via ORF III dabei sind! Erlauben Sie mir eine ganz persönliche Bemerkung zu den Ausführungen der Kollegin Mühlwerth: Ich möchte sagen, ich habe für große Teile Ihrer Rede Sympathie – bis auf die Geschichte mit der Kommunikation, das sage ich ganz offen, denn die Presseförderung während der Regierungszeit mit FPÖ-Beteiligung war auch nicht zu schmal, das nur so nebenbei bemerkt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, weniger als jetzt!)

Jetzt aber zum Inhaltlichen, meine Damen und Herren: Die Coronakrise hat ja große Auswirkungen auf unser Land und vor allen Dingen auf die Menschen in Österreich. Unser Leben wird derzeit von Beschränkungen, von Unsicherheit, Kurzarbeit, Arbeits­losigkeit und Sorgen um die Zukunft begleitet. Ich will mich in meinem Redebeitrag heute den Risikogruppen zuwenden, vorweg jedoch eine zweite persönliche Bemer­kung: Die neue Regelung ist besser als die alte, wobei der Begriff „alte“ Regelung ein bisschen übertrieben ist, denn sie ist kaum vier Wochen alt, und das heißt, das alte Gesetz war und ist nicht einmal einen Monat gültig.

Herr Bundesminister, gestatten Sie mir, das zu sagen: Das zeugt nicht gerade von handwerklicher Qualität bei der Gesetzwerdung. Aber sei’s drum – nun zum Inhalt­lichen.

Meine Damen und Herren, beim schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft muss auf Risikogruppen besonders Rücksicht genommen werden. Die von der Regierung bisher getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Risikopersonen sind natürlich wichtig und sinnvoll, sie reichen aber – das hat Kollege Appé schon gesagt – bei Weitem nicht aus.

Erster Kritikpunkt: Die Betroffenen haben viel zu lange auf diese Regelung gewartet.


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Zweiter Kritikpunkt: Die Entscheidung darüber, wer zur Risikogruppe gehört, kommt aus meiner Sicht viel zu spät.

Drittens: Die unprofessionelle Vorgangsweise hat zu großer Verunsicherung einer Viel­zahl von Menschen geführt. Millionen Menschen wurden im Glauben gehalten, zur Risikogruppe zu gehören. Ich finde, es ist gut, dass es jetzt Klarheit gibt, ich sage es aber noch einmal: Die Klarheit kommt aus meiner Sicht viel zu spät.

Viele Betroffene haben bereits vor Wochen ärztliche Atteste erhalten. Unklar ist, was mit diesen bestehenden Attesten passiert. Schade ist, dass man sich nicht für eine rückwirkende Regelung entschieden hat, eine klare Regelung zur Kostentragung fehlt noch immer.

Jede Bürgerin und jeder Bürger, alle PatientInnen, die an einer solch schweren Er­krankung leiden, sollten das Recht haben, ein Attest vom Arzt oder der Ärztin zu erhalten, unabhängig davon, ob sie DienstnehmerInnen, Arbeitslose, Pensionisten oder Angehörige sind. Für welche Zwecke auch immer man es braucht – um es beim Arbeitgeber, beim AMS oder in der Schule vorzuweisen –, alle Menschen, die sehr schwere Vorerkrankungen haben und wissenschaftlich belegt besonders gefährdet sind, müssen kostenfreien Zugang zu einem Risikoattest haben. Wichtig ist natürlich, dass DienstnehmerInnen und Lehrlinge ein solches Attest vorweisen können, darüber hinaus aber auch alle Bürgerinnen und Bürger, die es brauchen.

Arbeiterkammer und Gewerkschaften haben sich daher für eine Verbesserung der ge­setzlichen Regelung zum Schutz der Risikogruppen eingesetzt. Gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Ärztekammer konnte eine rasche und unbürokratische Lösung gefunden werden. Klargestellt wurde, dass es sich bei den betroffenen Risikogruppen um Menschen handelt, die sehr schwere Vorerkrankungen haben und wissenschaftlich belegt besonders gefährdet sind.

Die Lösung gilt nun – das ist eine Frage der Gerechtigkeit – für alle ArbeitnehmerInnen und Lehrlinge, auch für jene – Kollege Appé hat es schon erwähnt – in den ver­sorgungskritischen Bereichen. Dass in systemrelevanten Bereichen Beschäftigte völlig vom Schutz ausgenommen waren, ist aus meiner Sicht inakzeptabel und unver­ständ­lich. (Beifall bei der SPÖ.) Das Virus macht nämlich keinen Unterschied zwischen den Berufsgruppen, aus meiner Sicht darf die Politik das natürlich auch nicht tun. Diese Bereiche wurden ergänzt, und der Schutz gilt jetzt für alle Berufsgruppen, und dazu sage ich: Das ist auch gut so.

Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass selbstverständlich gerade Beschäftigte und Lehrlinge in systemerhaltenden Branchen erfasst sind. Risiko ist Risiko, meine Damen und Herren! Das Virus macht nicht halt, egal, wo man beschäftigt ist. Es ist daher gut und wichtig, dass nunmehr alle Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie in einem systemerhaltenden Beruf tätig sind oder nicht, vom Schutz der neuen Regelung erfasst sind. Gerade etwa im Lebensmittelhandel oder im Gesundheitsbereich, zum Beispiel in den Spitälern, setzen sich Beschäftigte seit Beginn der Krise mit ihrer Ge­sundheit ein, setzen sie natürlich auch aufs Spiel, und haben wohl das größte Risiko.

Dass man gerade diese Branchen vorweg ausgenommen hat, ist aus meiner Sicht unerklärlich, geradezu widersinnig. Es muss doch uns allen ein Anliegen sein, alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um das Ansteckungsrisiko zu mini­mieren. Davon kann man, wie gesagt, niemanden ausnehmen. Klar ist: Das Virus macht keinen Unterschied, ob jemand durch Covid seinen Arbeitsplatz verloren hat, ein Kind oder ein Pensionist ist. Das Virus unterscheidet auch nicht, ob jemand selbst beschäftigt oder Angehöriger ist.


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Meine Damen und Herren, die Bundesregierung muss aus meiner Sicht klären, wie damit umgegangen wird, wenn Beschäftigte mit Risikopatientinnen und -patienten zu­sam­menleben. Auch sie brauchen Klarheit über nötige Vorsichtsmaßnahmen. Derzeit ist es so, dass die Angehörigen nicht einmal ein Attest darüber erhalten, dass sie zum Kreis der Risikopersonen zählen, wenn ihre Angehörigen der Risikogruppe angehören, wenn sie also schwer erkrankt sind. Wir fordern nicht nur das Selbstverständliche – das Attest –, sondern auch die Einbeziehung von Personen, die mit gefährdeten An­gehörigen zusammenleben, in den Freistellungsanspruch. Das heißt, bei den Ange­hörigen fehlt derzeit alles: Attest, Freistellungsanspruch und Kündigungsschutz für Per­sonen, die mit einer Risikoperson im gemeinsamen Haushalt leben.

Meine Damen und Herren, es braucht Klarheit und es braucht vor allen Dingen Sicher­heit. Wer mit einem schwer erkrankten Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, muss genauso die Sicherheit haben, sich keinem unnötigen Infektionsrisiko auszusetzen, wie in anderen Fällen, in denen sichergestellt werden muss, dass ArbeitnehmerInnen einen Anspruch auf Freistellung und wirksamen Kündigungsschutz haben. – Zum Kündi­gungsschutz hat ebenfalls Kollege Appé schon gesprochen.

Ganz kurz noch zu den ÄrztInnen: Wichtig ist auch, dass ÄrztInnen die Letztent­scheidung über die Zuordnung zu Risikogruppen treffen. Ich finde, das ist gut so. Es liegt allein in ihrer Kompetenz, medizinische Risiken einzuschätzen. Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger Punkt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Einerseits bin ich froh, dass es diese Neuregelungen gibt und dass sie besser sind als die vor­hergegangenen, und daher werden wir als sozialdemokratische Fraktion natürlich zustimmen. Lassen Sie mich andererseits aber in Anbetracht der lückenhaften Rege­lungen mit einem Zitat des römischen Satirikers und Dichters Quintus Horatius Flaccus enden – ich kann es mir nicht verkneifen, das sage ich ganz offen –: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. – Vielen herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

15.08


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm dieses.


15.08.23

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Hohes Haus! Werte Zuseher! Ich wünsche allen einen guten Tag! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hunderteuroscheine abgebildet sind. – Bundesrätin Zwazl: Ich kann es nicht lesen!) – Funktioniert es nicht, kann man es nicht lesen? (Ruf bei der FPÖ: Doch! – Bundesrätin Zwazl: Ich nicht von dieser Seite!) Dieser erste Antrag, der sich dem Schutz der Risikogruppen in der Arbeitnehmerschaft widmet, ist ein guter, dem wir auch zustimmen werden, aber es ist auch ein Antrag, der viel zu spät kommt, denn in dieser Krise haben wir gesehen – viele Experten haben das auch schon gesagt –, dass es genau die Risikogruppen sind, die als Erste hätten geschützt werden müssen.

Wenn wir schon den Shutdown an der Grenze verschlafen haben, wenn wir schon Ischgl und das alles zugelassen haben, wenn wir da überall zugesehen haben, hätten wir zumindest dann anfangen müssen, genau rund um die Risikogruppen einen Schutzzaun zu bauen.

So wie Rudi Kaske oder Monika Mühlwerth schon gesagt haben: All die Testungen dauern viel zu lange.

Am Anfang hat der Herr Minister gesagt, dass die Testungen nichts bringen. Dann hat der Herr Kanzler gesagt – ich bringe Ihnen das das nächste Mal mit –, dass die Tes-


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tungen ganz einfach – das ist jetzt nicht der Wortlaut – in diesem Ausmaß nicht gemacht werden – dies, obwohl man sie eigentlich benötigt hätte. Danach hat der Kanzler gesagt, die Testungen seien wichtig, und plötzlich waren die Testungen wich­tig – aber auch nur in gewissen Bereichen. Wenn man bei denjenigen, die getestet worden sind, nachgefragt hat, so erfuhr man, dass sie oft über zwei Wochen auf das Testergebnis gewartet haben – also sehr, sehr sinnvoll. Dies war nämlich genau in den Gruppen, in denen es gefährlich sein könnte, und die Leute waren sehr, sehr be­unruhigt.

Danach ist es mit Behauptungen losgegangen. Wir alle haben darauf vertraut, dass es einen Krisenstab gibt, der sich genau auskennt, in welchem Immunologen, Virologen, Epidemiologien, Ethiker, Rechtsmediziner drinnen sind. Wir sind dann nach und nach draufgekommen, dass Sie jedes Mal eine riesige Show abgezogen und wissend getan haben, dass in Wirklichkeit aber sehr wenig dahinter war.

Hätte nicht Österreich, hätten nicht die Österreicherinnen und Österreicher schon aus den Nachrichten aus dem Ausland so viel Gespür bekommen, dass sie automatisch weiter auseinander gegangen sind, automatisch mehr Hygiene walten haben lassen, wäre es nicht dazu gekommen, dass die Zahlen schon vor dem wirtschaftlichen Shut­down, über den vorher überhaupt niemand in dem Ausmaß geredet hat, zurückge­gangen sind. Die Österreicherinnen und Österreicher haben schon gezeigt, dass sie schlauer als die Bundesregierung sind, weil die Zahlen zurückgegangen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Da man ja von der Katastrophe so völlig überrascht war und das Wort Katastro­phen­schutz scheinbar nur auf dem Papier stand, hat man natürlich auch nicht gewusst, wo man die Schutzanzüge, Masken und, und, und herbekommt. – Ja, in der Masse ist das vielleicht ein Problem, aber für das Gesundheitspersonal? Dr. Szekeres, der Ärztekam­merpräsident, hat händeringend der Regierung gesagt: Besorgt endlich einmal das Material für das Gesundheitspersonal! – Das ist auch bezeichnend und man wird es nicht wegleugnen können.

Man muss natürlich auch sagen: Umso mehr Sie geredet haben und umso mehr Sie versucht haben, Firsthandwissen zu vermitteln, ist man draufgekommen, dass es nicht einmal Secondhandwissen ist. Sie sind keine Ärzte, da mache ich Ihnen auch keinen Vorwurf, warum aber – und das sage ich hier jedes Mal – lassen Sie nicht Experten sprechen? Warum können die Experten nicht Zukunftsprognosen machen oder zumin­dest versuchen, uns zu erklären, wenn man es nicht kann, warum man es nicht kann? Warum gibt es so viele andere Wege, wenn doch Ihr Weg der einzig seligmachende ist? Warum müssen Sie mit Angst und – ja, auch schon – Panikterror drohen, indem Sie ganz einfach - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober) – Panik, ja! (Bundesminister Anschober: Terror?!) – Panikterror, ja. Terrorisierung im Gewaltsinn (Bundesrat Schreuder: Geh bitte!) ist das eine, aber wenn ich jemanden zum Beispiel immer wieder anrufe, dann ist das Telefonterror. Es ist Terrorisierung in dem Sinn: Wenn man immer wieder ganz böse Sachen behauptet, die man nicht belegen kann, weil es dafür ganz einfach keine evidenzbasierten Daten gibt. Von Anfang an haben Sie das nicht veranlasst; zumindest haben Sie der Bevölkerung nicht vermittelt, dass Sie so etwas planen.

Sie haben das immer aus Gutdünken mit Ihrem Krisenstab gemacht. Sehr viele haben den Krisenstab anscheinend auch deswegen verlassen, weil Kritik da genauso er­wünscht war wie die Kritik von außen, wenn sie Ärzte geäußert haben. – Nicht, dass man sich damit auseinandergesetzt hätte, nein, man hat sie einfach aus den Gazetten gestrichen. Egal, wo das jetzt war, auf Youtube oder sonstwo: Jeder hat mitbekommen, als der „Kurier“ Prof. Graninger plötzlich gestrichen hat, weil er in einem Interview be-


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hauptet hat, dass alles viel zu spät war, als man die Maßnahmen begonnen hat. Plötz­lich hat der „Kurier“ geschrieben, er distanziere sich.

Vor allen Dingen: Prof. Graninger, einer der angesehensten Professoren und Virologen im AKH, hat gesagt, dass man Italien, Spanien und Frankreich nicht mit Österreich vergleichen kann, genauso wie man Österreich nicht mit Schweden vergleichen kann. Man muss es immer wissenschaftlich und mit den Fakten angehen und nicht mit den Bildern, die man sieht.

In Italien war es ganz einfach so, dass die überrascht worden sind. Ich weiß nicht, wie viele Tausend chinesischer Modegeschäfte und Firmen dort um Mailand sind, und man weiß, dass es eine große Dunkelziffer von Arbeitnehmern gibt, die dort vielleicht sogar illegal arbeiten. Man vermutet, dass über sie das Virus ins Land gekommen ist und schon wesentlich länger dort war. Als dann die erkrankten Menschen ins Krankenhaus gekommen sind und dort die Patienten angesteckt haben, ist ganz einfach das System kollabiert.

Man weiß ja auch, dass in diesen Ländern das Krankensystem bei einer ganz nor­malen Grippewelle oft an seine Herausforderungsgrenzen kommt. Das ist nicht zu vergleichen mit unseren Krankenhäusern.

Es gibt einen Professor, einen Rechtsmediziner, Dr. Püschel, der sich die Mühe ge­macht hat – obwohl es gar keinen Auftrag gab –, Obduktionen an Coronapatienten vorzunehmen. Er hat sich zu Wort gemeldet und gesagt, nicht einen habe er gehabt, der rein an Corona gestorben sei. Er hat auch behauptet, dass die über 80-jährigen Verstorbenen so schwer erkrankt waren, dass sie möglicherweise nicht einmal ein Jahr überlebt hätten.

Die Regierung, die das ja auch wissen muss, geht aber raus und sagt: Wir werden 100 000 Tote haben, jeder wird einen Toten kennen. – Sie arbeiten mit den Gefühlen der Menschen, mit der untersten Schicht, dort, wo die Menschen Geborgenheit, Sicher­heit brauchen, sich um Essen und Trinken, um Wohnen Gedanken machen, auf dieser sensiblen Schicht arbeiten Sie, um sich Österreich gefügig zu machen. – Warum, weiß ich bis jetzt nicht.

Die Auswirkungen sind aber, dass Sie mit einer Mobilfessel – noch immer daran fest­haltend – Österreich beglücken wollen, oder ihre Ankündigung, dass es nicht mehr als sechs Leute sein dürfen, dass man sich das anschauen wird, dass man dort hinein­kommt; und dann ist man zurückgerudert und hat gesagt: nur bei Lärmbelästigung.

Also ich kenne das nur aus dem Geschichtsunterricht! Fassungslos habe ich da immer wieder zugehört, was Sie gesagt haben, denn das sind so ungefähr die dunkelsten Zeiten, so wie ich sie mir vorgestellt habe, wenn mein Lehrer mit mir darüber geredet hat.

Ich muss ganz ehrlich sagen, das ist wirklich, wirklich schlimm.

Da ich gerade gesagt habe, dass es in der untersten Stufe der Maslowschen Bedürf­nishierarchie darum geht, dass man den Menschen Sicherheit gibt: Um den Menschen Sicherheit zu geben, wollen wir natürlich nach dieser Horrorshow mit unserem Tau­sender, den wir ermöglichen wollen, auch etwas Gutes tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich-Gutschein“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000,- Euro auszustellen, die nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben, eingelöst werden können.“

*****

Jeder Ökonom weiß, dass der Finanzminister von diesen 1 000 Euro sowieso nur 80 Prozent zu finanzieren hat, denn durch den Konsum hat er 20 Prozent sofort als Umsatzsteuer herinnen.

Damit gibt es ganz einfach Impulse, dass man die Frühjahrskollektionen oder andere Sachen, die jahreszeitenbedingt schon eingekauft wurden und jetzt schwer wegzu­brin­gen sind, relativ schnell und einfach noch abverkaufen kann und es dabei vielleicht noch Gewinne und auch Sozialversicherungsabgaben, die wir jetzt für unser Gesund­heitssystem ganz, ganz dringend brauchen, und natürlich auch die Steuern, die wir dringend brauchen, gibt.

Ganz wichtig ist, dass es natürlich auch um den Erhalt der Arbeitsplätze geht. Jetzt müssen wir wirklich schauen, dass wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen, denn wenn Menschen arbeitslos sind, zahlen sie auch keine Steuern und keine Sozialver­siche­rungsbeiträge. Die werden uns ganz einfach fehlen, denn wir werden trotzdem ein gutes Gesundheitssystem finanzieren müssen.

Herr Minister, ich kann nur sagen: Ich habe mich umgehört, wir Österreicher wissen, was 1 Meter ist. Zum Babyelefanten nach Schönbrunn konnten wir leider nicht gehen, weil es ja – wie auch die Gärten, obwohl sie sehr weitläufig sind – zugesperrt war. Und wir wissen: Händewaschen und Abstandhalten statt Händefalten und Mundhalten – das ist unsere Devise! (Beifall bei der FPÖ.)

15.20


Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Ing. Bernhard Rösch, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich-Gut­schein“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober. Ich erteile ihm dieses.


15.21.23

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Ich freue mich sehr, dass wir heute diese wichtige Maßnahme, nämlich den Schutz einer Risikogruppe von Betroffenen in Sachen Corona, miteinander diskutieren kön­nen.

Ich habe mir ein Zitat aus der Debatte aufgeschrieben, viele andere gemerkt, viele auch als sehr positiv empfunden, weil es, glaube ich, im Großen und Ganzen bislang eine sehr konstruktive Diskussion gewesen ist. Was ich mir aufgeschrieben habe, war der Satz: „Nichts davon ist eingetreten.“ – Ich habe irgendwie den Eindruck gehabt, dass es bedauerlich oder negativ ist, dass nichts davon eingetreten ist. Ich sage: Es ist Gott sei Dank nichts von alldem eingetreten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wissen Sie: Wir haben auf diesem Planeten die schwerste Pandemie seit über 100 Jahren mit 3,5 Millionen Erkrankten – 3,5 Millionen belegten Erkrankten. Wir ha­ben mittlerweile 250 000 Todesfälle. (Bundesrat Steiner: Ja, auf der ganzen Welt! – Bundesrat Rösch: Obduziert!) – Ich rede von der ganzen Welt, so ist es, Herr Kollege.


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(Bundesrat Rösch: Die nur an Corona gestorben sind! Das wissen Sie nicht, Sie haben die Daten nicht!) – Ich weiß nicht: Habe ich Sie ausreden lassen? (Bundesrat Rösch: Ja, aber wenn das nicht richtig ist!) – Ich glaube, bei Ihnen war auch so manches nicht ganz verifizierbar (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), um es vor­sichtig zu formulieren, Herr Kollege. (Bundesrat Rösch: Haben Sie basisevidente Daten? – Ruf bei der ÖVP: Es gibt nicht nur eine Wahrheit!) – Wissen Sie, das mit dem Basisevidenten kann ich Ihnen dann nachher noch sehr gerne erzählen, aber lassen Sie mich jetzt einmal kurz Folgendes ausführen – das wäre sehr freundlich von Ihnen –:

Erster Punkt: 250 000 Todesfälle weltweit. Wieso man das verharmlost, verstehe ich ganz einfach nicht (Bundesrat Steiner: Wer macht denn das?), und dass man nicht stolz darauf ist, dass es bei uns nicht solche Dimensionen angenommen hat, verstehe ich persönlich auch nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht um die Angstmache!) Alle Parteien waren eigentlich an der gemeinsamen Beschlussfassung beteiligt, und da müssten wir doch alle miteinander stolz auf dieses Land und die hier wohnenden Menschen sein, weil wir es geschafft haben, dass wir diese negative Entwicklung in Österreich nicht haben! Das wäre eigentlich aus meiner Sicht der Kern einer Diskussion. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Rösch: Auf die sind wir stolz!)

Ich kann es Ihnen kurz aufzählen, Todesfälle je 100 000 Einwohner bisher: Österreich sieben, Schweden 27, Schweiz 21, Vereinigtes Königreich 43, Spanien 55 – das ist jeweils das Vielfache! Das hat mit unterschiedlichen Dingen zu tun. Ich gebe Ihnen recht, ich glaube, Sie haben formuliert: das starke Gesundheitssystem in Österreich. – Ja, auf das können wir stolz sein, und das hat uns in dieser Situation extrem geholfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Deswegen sollten wir stolz auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein, die das ge­leistet haben und tagtäglich leisten, und wir sollten auch darauf achten, dass wir dieses Gesundheitssystem auch in Zukunft nicht schwächen, dass wir es nicht privatisieren, sondern dass wir es als starkes Gesundheitssystem erhalten. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher großartig mitge­macht haben. Auch das ist fantastisch, das ist einmalig in Europa, wie sehr die hier lebenden Menschen sich bisher solidarisch bewegt haben. Das ist Zusammenhalt, das ist die beste Form von Solidarität, die man leben kann. Wir haben es in unserer Infor­mationskampagne formuliert: Schütze den anderen und schütze dich damit.

Wir sitzen in einem Boot, und diese Krise hat uns gezeigt, dass es eben nicht stimmt, was uns von manchen Regierenden in den vergangenen Jahren gesagt wurde, näm­lich dass es mir dann besser geht, wenn es dem anderen schlechter geht. Die Krise hat uns gezeigt: Es geht uns allen dann besser, wenn es auch dem anderen besser geht, Zusammenhalt ist das Wichtigste in unserer Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Dritter Punkt: Wissen Sie, jetzt kann man darüber reden, was die Hintergründe sind, was Experten-Know-how ist. Wir haben in Österreich einen Expertenstab, der wirklich hervorragend besetzt ist. (Bundesrat Steiner: Mit wem ist er besetzt? Sagen Sie es einmal! Bis heute wissen wir nicht ...!) – Na ja, ich rate Ihnen, schauen Sie ganz einfach einmal auf die Homepage des Gesundheitsministeriums, da steht alles drauf. Sie können das einfach studieren und nachlesen und dann werden Sie wissen, dass das 17 hervorragende Topexperten sind. (Bundesrat Steiner: Er kennt seine eigenen Experten nicht!)

Das Zweite ist, wir haben einen hervorragenden Rechtsbeirat. Wir werden heute bei einem Tagesordnungspunkt noch darauf kommen: der ehemalige Justizminister, Pro­fes­sor Heinz Mayer, viele andere, die Kapazunder in dem Bereich der Rechtsstaat­lichkeit und des Verfassungsschutzes. (Bundesrat Steiner: Ist eh gescheiter!)


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Wir haben drittens einen Krisenstab im Haus mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums, die ebenfalls hervorragende Arbeit leisten.

Alles zusammen hat dazu geführt, dass wir die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt haben und dass die Bürger und Bürgerinnen großartig mitgemacht haben. Darauf sollten wir stolz sein, das ist aber erst die erste Hälfte dessen, was zu tun ist, denn jetzt wird es mit der schrittweisen Öffnung noch viel schwieriger. Da müssen wir vorsichtig sein, da dürfen wir keine Relativierungen vornehmen, sondern jetzt, in den nächsten Wochen kommt die entscheidende Phase. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so schaut die Kurvenentwicklung der letzten Wochen aus. (Der Redner hält ein Blatt Papier in die Höhe, auf dem ein Kurven­dia­gramm zu sehen ist.) Schauen Sie sich das mit mir an! So ist es im März gelaufen: Wir haben von Tag zu Tag Steigerungen in der Größenordnung von 30 bis 54 Prozent gehabt. Überlegen Sie sich, was das bedeuten würde, wenn diese Kurve so weiter­gegangen wäre! – Wir hätten bis zum heutigen Tag weit über zwei Millionen Erkrankte. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es ist uns allen miteinander gelungen, dass wir diese Kurve brechen, dass wir sie drücken. Wir haben es geschafft, dass die Steigerungsrate am heutigen Tag bei 0,15 Prozent liegt. Das ist ein Erfolg für uns alle und von uns allen, nicht von einer Regierung oder einer Opposition, sondern von uns allen, die das so beschlossen haben und die dazu beigetragen haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Der letzte Punkt ist die Frage der Risikogruppen. Es ist tatsächlich so, wie die Kollegen von der SPÖ es auch kommuniziert haben: Natürlich ist das Neuland, und natürlich haben wir die Abgrenzungen erst finden müssen. Ja, das hat gedauert, das hat drei, vier Wochen gedauert – aus meiner Sicht drei, vier Wochen zu lang, ich hätte es mir schneller gewünscht, aber es ist dennoch gelungen. Ich bin froh darüber, dass die Sozialpartner mit dabei waren und mitgemacht haben. Ich glaube überhaupt, dass wir wieder viel stärker zu diesem Grundprinzip der gemeinsamen Arbeit zurückkommen sollten. Es zeigt sich auch gerade in der Krise (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dass es in eine richtige Richtung geht, dass man die Dinge auf breitester Ebene aufstellt und die Sozialpartner miteinbezieht.

Ja, es ist ein Punkt dabei, bei dem es tatsächlich eine Lücke gibt, das gestehe ich auch, und das ist die Frage der Angehörigen. Da hätte ich mir eine bessere Lösung gewünscht, das haben wir nicht geschafft. Ich möchte mich da nicht drüberturnen und das Gegenteil behaupten. Ja, das ist eine Lücke.

Wir werden versuchen, sie zum Teil dadurch zu schließen, dass wir Empfehlungen, Informationen an die Betroffenen geben. Es wird allerdings eine Gruppe geben, die die baulichen Möglichkeiten im Rahmen ihrer Wohnung nicht hat. Man braucht zum Bei­spiel eine zweite Sanitäranlage. Du brauchst eine Möglichkeit, dass du einen eigenen Wohnraum für den akut betroffenen Angehörigen realisierst. Das gibt es zum Teil nicht, und das ist eine Schwäche in dieser Regelung, das sehe ich auch so.

Aber, Herr Kollege, weil Sie gesagt haben, der Berg hat gekreißt und rausgekommen ist eine Maus: Auf eine Maus, die 90 000 Menschen schützt, bin ich stolz! Das sind gute Mäuse! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.29

15.29.51


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 47

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich-Gutschein“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.30.582. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (14. COVID-19-Gesetz) (482/A und 122 d.B. sowie 10301/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Frei­willigengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012, geändert wird (10. COVID-19-Ge­setz) (481/A und 123 d.B. sowie 10302/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu Punkt 2 ist Herr Bundesrat Andreas Lackner und Berichterstatter zu Punkt 3 ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Ich bitte um die Berichte.


15.31.38

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespfle­gegeldgesetz geändert wird. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Ich bitte um den zweiten Bericht.


15.32.36

Berichterstatter Ing. Bernhard Rösch: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Zu Tagesordnungspunkt 3: Ich bringe den Bericht des Aus­schus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur För­derung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsu­men­tenschutz somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 48

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Frei­willigengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr.17/2012, geändert wird (10. COVID-19-Gesetz), mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es ihm.


15.33.46

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, die Sie via Livestream dabei sind! Jede, jeder kommt einmal in das Alter, in dem zu den vor­handenen Werten noch innere Werte dazukommen, die zählen, wie zum Beispiel Blutwerte, Zuckerwerte, Leberwerte. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Möglicherweise kommen auch viele in das Alter, in dem sie Hilfe benötigen, 24 Stun­den lang, von jemandem, der den Haushalt führt, bei der Körperpflege hilft und auch Gesellschaft leistet; 86 400 Sekunden oder 1 440 Minuten, das entspricht unserer Zeiteinheit von 24 Stunden, in denen die Betreuerinnen – und es sind ja zu 99 Prozent Betreuerinnen – im Einsatz sind, um unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger in den eigenen vier Wänden, also zu Hause, zu betreuen. Daheim statt Heim!

Großartig, was in diesem Segment geleistet wurde und wird, doch die Erschwernisse haben durch die Coronakrise massiv zugenommen.

Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und mit Gesundheits­minis­ter Anschober an der Spitze hat mit klaren Richtlinien, Weitblick und dem nötigen Hausverstand Maßnahmen gesetzt – das beweisen die Zahlen –, die vollkommen richtig sind und auch von der Bevölkerung so wahrgenommen wurden. Der ganz große Bonus unserer Bevölkerung war und ist, dass sie – ob jung, junggeblieben, alt – in dieser Krise gut zusammengehalten hat. Dieser Zustand sollte möglichst auch nach der Krise weiterhin anhalten.

In allen Bundesländern wurden Pflegehotlines eingerichtet, in allen Bundesländern gibt es Anlaufstellen, bei denen sich Bürgerinnen, Bürger ganz unbürokratisch über das Telefon melden können, wenn sie einen zusätzlichen oder einen dringenden Bedarf an Pflege haben. Die 24-Stunden-Betreuung ist ein Segment in der Pflege; das wird ja oft verwechselt mit Hilfe und Betreuung, da gibt es alle möglichen Wortspiele.

Etwa 6 Prozent der fast immerhin 500 000 Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher, also rund 30 000 Personen in Österreich, werden von Betreuungspersonen, die fast ausschließlich aus dem Ausland kommen, betreut. Fast die Hälfte dieser Betreue­rinnen, die ihre eigenen älteren Angehörigen und ihre Kinder wochenlang zurücklas­sen, um mit dem bei uns verdienten Geld den geringen Lebensstandard in ihrer Heimat etwas aufzubessern, kommt aus Rumänien.

In diese Kerbe schlägt die Gesetzesänderung, dass die Daten der pflegebedürftigen Personen sowie der Förderungswerber, die eine 24-Stunden-Betreuung beanspruchen, vom Sozialministerium an die jeweiligen regionalen Landesstellen, also in die Bun­desländer, entsprechend übermittelt werden, wenn zum Beispiel eine 24-Stunden-Be­treuung aufgrund der Reisebeschränkungen nicht gewährleistet werden kann.

Die Ministerinnen Gewessler und Edtstadler sowie unser Staatssekretär Brunner sind in ständigem Kontakt mit den diversen Stellen, dass in dieser Phase der Restriktion bei Grenzübertritten ein Korridorzug verkehren kann, damit der entsprechende Austausch vonstattengehen kann.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 49

Mit der prognostizierten demografischen Entwicklung und der Zunahme der Zahl der Personen, die das 80. Lebensjahr überschritten haben, steht für die Zukunft die grund­sätzliche Frage im Fokus, welche pflegerischen Qualifikationen in Zukunft wohl ver­mehrt nachgefragt werden. In Österreich fehlen – aus derzeitiger Sicht – 76 000 Pfle­gekräfte bis zum Jahr 2030. Es ist also höchst an der Zeit – da ist die Politik auch gefordert – viele junge Menschen für diesen Pflegeberuf, das ist ja auch eine Berufung, zu motivieren, sie zu begeistern und auch auszubilden. Da gibt es nachahmenswerte Modelle, nicht weit weg von uns, zum Beispiel in der Schweiz.

Nun zur Förderung von freiwilligem Engagement: Vieles auch in der Pflege und in der Betreuung wäre ohne ehrenamtlich tätige Personen gar nicht möglich. Das wissen wir. 75 Prozent der Pflegegeldbezieher werden – das war auch schon vor der Pandemie der Fall – zu Hause von pflegenden Angehörigen und mobilen Diensten, zum Großteil eben von ehrenamtlich tätigen Personen, über die Caritas das Rote Kreuz und den Samariterbund, betreut. Daher ist ein großes Danke an diese Personen auszu­sprechen, die das in ihrer Freizeit ehrenamtlich, mit Begeisterung und auch mit entsprechender Sachkenntnis vollziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher engagieren sich tagtäglich im Ehren­amt, so auch in der Nachbarschaftshilfe. Das ist im europäischen und auch im welt­weiten Vergleich – das wissen wir ja aufgrund der Statistiken – einzigartig, und das haben wir in Österreich gerade auch während dieser Krise sehen können.

Die Mittelaufstockung erfolgt zugunsten von Trägern von Freiwilligenorganisationen, die für deren finanzielle Unterstützung sorgen. Da geht es um den Auslandszivildienst, die Rückholaktion für junge Erwachsene, um Gedenkdienstleistende und um eine Über­brückungsfinanzierung für das Freiwillige Sozialjahr.

Das Rote Kreuz ist eine einzigartige Rettungsorganisation in Österreich, die bun­desweit den Rettungsdienst sowie den Katastrophendienst versieht und neben der freiwilligen Feuerwehr genau diese Serviceleistungen mit einem sehr engmaschigen Netzwerk an Ehrenamtlichen sicherstellt.

Wie bereits gesagt: Es ist großartig, dass es solche Personen – Frauen und Männer, vor allem viele Jugendliche – gibt, die sich dafür einsetzen. Daher unterstützt und stärkt die öffentliche Hand dieses unverzichtbare Freiwilligenengagement durch eine einmalige Mitteldotierung in Höhe von 600 000 Euro aus dem COVID-19-Krisenbe­wäl­tigungsfonds. Helfen wir unseren wichtigsten gesellschaftlichen Stützen: den ehren­amtlich tätigen Österreicherinnen und Österreichern! – Bleiben Sie gesund! Ein steiri­sches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.42


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Eva Prischl zu Wort. – Bitte schön.


15.42.35

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Tagen wurde sehr viel von Menschen in systemrelevanten Berufen gesprochen. Sie wurden als Heldinnen und Helden be­klatscht. Diese Wertschätzung ist sicher bei den Leuten gut angekommen, aber ein deutlicheres Zeichen dieser Wertschätzung wäre eine Erhöhung des Einkommens.

Der Pflegeberuf zählt zu diesen wertvollen Berufen. Eine meiner besten Freundinnen war jahrelang als Pflegehelferin in einem Landespensionistenheim tätig, und ich habe mit ihr oft über den erfüllenden, aber auch sehr anstrengenden Job gesprochen – einen Job, der körperlich und mental sehr anstrengend und noch dazu schlecht bezahlt


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ist. Die Pflegekräfte werden mit ihren Problemen und Anliegen vielfach alleingelassen, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie betreuen oft im Nachtdienst ein gesamtes Stockwerk als Einzelperson. Das ist eigentlich untragbar und verant­wor­tungslos. Wir werden daher nicht müde werden, diese Ungerechtigkeit aufzuzeigen und zu bekämpfen.

Auch mein Vorredner hat schon gesagt, dass es im Pflegebereich einen massiven Per­sonalmangel gibt. Ich möchte mich jetzt auf mein Bundesland Niederösterreich be­ziehen und habe mir dazu die Daten herausgesucht: Allein in Niederösterreich werden 700 Personen in der Pflege, in der Betreuung und in der Therapie gesucht. Nach aktuellen Prognosen wird der Bedarf allerdings noch weiter steigen. Laut dem Sozio­ökonomen Lukas Richter werden im Jahr 2030 – also schon in zehn Jahren – 12 500 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher in einem Pflegeheim wohnen, das ist ein Viertel mehr als heute. KrankenpflegerInnen, Pflegeassistenten und Heim­hilfen werden noch stärker gefragt sein.

Grundsätzlich ist es da aber so – und das ist auch nachzuvollziehen –, dass viele ältere Leute heute möglichst lange zu Hause bleiben möchten. Das wird dazu führen, dass sich diese Nachfrage in allen Pflegeformen erhöhen wird, das heißt, auch die Versorgung durch die mobilen Dienste oder bei der 24-Stunden-Betreuung.

Die 24-Stunden-Betreuung wird zu einem großen Teil – wir haben es schon gehört – von ausländischen Pflegekräften durchgeführt. Wir sollten daher diese für unser System so wichtigen Pflegekräfte mehr wertschätzen, denn wir brauchen sie dringend. Ein schönes Zeichen der Wertschätzung wäre zum Beispiel der Abbau der Indexierung der Familienbeihilfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele ausländische Personenbetreuungskräfte haben bedingt durch die Covid-19-Pandemie unser Land verlassen oder es ist ihnen nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht mehr möglich, nach Österreich einzureisen. Der Pflegebedarf ist nun deutlich sichtbar geworden und auch die Bundesregierung hat die Dringlichkeit dieses Problems erkannt. 250 Pflegekräfte aus Rumänien und Bulgarien wurden sogar per Flugzeug nach Niederösterreich gebracht. Die Betreuerinnen sind nach einer 14-tägigen Quarantäne bis zu sechs Wochen im Bundesland. Dieses Beispiel zeigt, wie dringend wir diese Pflegekräfte benötigen. Der von der Europaministerin Karoline Edtstadler angekündigte Sonderzug aus Rumänien lässt aber immer noch auf sich warten.

Es ist höchst an der Zeit, einen bundesweiten Pflegefonds mit einheitlichen Rege­lungen ins Leben zu rufen, um die Pflege und Versorgung der pflegebedürftigen Men­schen sicherzustellen.

Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang auf Menschen mit Behinderun­gen, die in den meisten Fällen von Angehörigen oder persönlicher Assistenz betreut werden. Für Personen mit Behinderungen gibt es derzeit fast keine Regelungen. Ebenso wenig vergessen darf man auf die pflegenden Angehörigen – das hat uns auch der Herr Minister schon bestätigt –, sie haben durch die Betreuung von Menschen mit Behinderungen, die vielfach zur Risikogruppe gehören, ein nicht zu unterschätzendes Ansteckungsrisiko. Eine adäquate Bezahlung auch der pflegenden Angehörigen für diese gesellschaftlich wichtige Tätigkeit wäre eigentlich selbstverständlich.

Aus den genannten Gründen ist es in der Zeit der Coronakrise sicherlich zielführend, dass die Ämter der Landesregierungen und der Fonds Soziales Wien im Sinne eines zentralen Managements bei den pflegebedürftigen Personen beziehungsweise den FörderwerberInnen erheben, ob eine Betreuung gewährleistet und erforderlich ist. Dieser Antrag wird von unserer Fraktion daher unterstützt. Beginnen wir endlich zu handeln, damit die Betroffenen, aber auch die Betreuer und Betreuerinnen Rechts-


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sicherheit und Absicherung erhalten, wir niemanden zurücklassen und vor allem niemanden alleinlassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile es ihm.


15.47.41

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrtes Präsidium! Ge­schätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es geht um die Absicherung der 24-Stunden-Pflege. Durch die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes soll ein zentrales Management ermöglicht werden, in dem sich Bund und Länder gegenseitig unterstützen und Daten austauschen. Damit sollen regionale Unterschiede ausgeglichen werden und es soll Menschen, die bei der Organisation einer 24-Stunden-Betreuung Unterstützung benötigen, besser geholfen werden. Es ist sichergestellt, dass mit den Daten sorgsam umgegangen wird. So ist vorgeschrieben, dass die Daten unverzüglich zu löschen sind, wenn sie für den konkreten Zweck nicht mehr nötig sind, und es gilt natürlich auch hier die Sunset­klausel, sprich maximale Gültigkeit bis Jahresende.

Der Bereich Pflege wurde durch die Coronakrise wie kaum ein anderer in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die politischen Versäumnisse der Vergangenheit werden jetzt noch deutlicher sichtbar. Unser Gesundheitsminister Rudi Anschober hat daher gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine grundlegende und umfassende Pflegereform zum ersten großen Vorhaben erklärt. Diese umfassende Reform wird kommen. Die Coronakrise kann für den Pflegebereich eine große Chance darstellen, denn alle verstehen jetzt, was mit Fachkräftemangel gemeint ist. Menschen, die in der Pflege tätig sind, werden jetzt wertgeschätzt, und es entsteht gerade ein breites Verständnis für bessere Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung.

Sehr vielen ist klar geworden, dass sich im Pflegebereich einiges ändern muss. Der Hauptteil der Pflege passiert zu Hause. Fast eine Million Menschen pflegen in Österreich ihre Angehörigen. Pflegende Angehörige sind fast ausschließlich Frauen, und diese sind auch fast immer Mehrfachbelastungen ausgesetzt und sollen neben der Pflege auch noch Beruf, Hausarbeit und Kindererziehung bewerkstelligen.

Die Unterstützung und die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen sind aber nicht nur Aufgabe der Familien selbst, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Eine Pflegereform sollte daher vor allem auch die pflegenden Angehörigen unterstützen. Bereits im Regierungsprogramm, also noch vor Corona, wurde ein Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Entlastung und Begleitung pflegender Angehöriger gesetzt.

Weitere Eckpunkte für die Reform des Pflegebereiches sind aus meiner Sicht eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die neben einer besseren Ausbildung eine bessere Entlohnung, bessere Arbeitszeiten sowie Unterstützung und Begleitung im Beruf durch Supervision und Burn-out-Prophylaxe beinhalten sollten; mehr mobil, weni­ger stationär, unterstützt durch Tagesbetreuungen, unterstützt durch Community­nurses als zentrale Ansprechpersonen für die zu Pflegenden und für die Angehörigen sowie zur Koordination von mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten und Therapie­einrich­tungen. Diese keineswegs vollständige Aufzählung macht klar, dass eine Pflegereform kein Schnellschuss sein kann, sondern umfassend und nur mit allen Betroffenen ge­meinsam verwirklicht werden kann.

Ich bin mir sicher, dass es im Bereich Pflege zu einer umfassenden Reform kommen wird, weil ich auf unseren Gesundheitsminister Rudi Anschober vertraue, weil ich weiß, dass er da viel vorhat, dass er, so wie es seine Art ist, mit Bedacht vorgehen, alle


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Beteiligten und Akteure miteinbinden und dabei zielstrebig eine Reform umsetzen wird, die ganz klare Verbesserungen bringt.

Zum Freiwilligenfonds möchte ich noch kurz sagen: Es geht hier um eine Aufstockung eines Fonds für ehrenamtliches Engagement. Es geht um sage und schreibe 600 000 Euro, eine Summe, die in keiner Weise budgetrelevant ist. Peter Klien würde in „Gute Nacht Österreich“ wahrscheinlich meinen: 600 000 Euro, oder, wie René Benko sagt, Tageslohn.

Was macht die Opposition? – Sie ist dagegen und behauptet zum Beispiel, dass mit diesem Geld eine Trackingapp durch die Hintertür finanziert werde, und so weiter. Das ist unrichtig! Es geht um ehrenamtliches Engagement. – Punkt. (Bundesrat Steiner: Dann zeigt das ...!)

Als ich meine politische Funktion im Gemeinderat vor fünf Jahren begann (Bundesrat Rösch: Wo liegt dann das Problem?), warnte mich mein Vater: Du wirst sehen, sagte er, am meisten wird diskutiert und polemisiert, wenn es um wenig geht. – Daran er­in­nert mich diese Diskussion heute. Ich verstehe diese Aufregung hier wirklich nicht. Die vielen Menschen, die ehrenamtlich engagiert sind, haben sich dieses unwürdige Schauspiel jedenfalls nicht verdient. (Bundesrat Rösch: Eh nicht!)

Daher stelle ich auch folgenden Antrag:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen zu TOP 3, Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von frei­willigem Engagement geändert wird

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.“

*****

Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.53


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. Der eingebrachte Antrag ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Steiner-Wieser zu Wort. Ich erteile es ihr.


15.54.16

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Kollege Lackner! Du hast vorhin gesagt, 600 000 Euro seien nicht budgetrelevant. Erzähl das bitte einmal den Menschen in unserem gemeinsamen Zivilberuf, beim AMS! Die haben momentan Angst. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Verunsicherung bei den Men­schen draußen, die momentan keine Arbeit haben, herrscht! Wenn du dich da her­stellst und sagst: 600 000 Euro, mein Gott na, sind ja nicht einmal budgetrelevant!, dann sage ich dir: Bitte nicht abheben, nur weil wir im Hohen Haus sitzen! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie haben vorhin gemeint, wir Freiheitlichen verharmlosen das. Nein, mitnichten! Wir verharmlosen die Situation definitiv nicht, nur lassen wir uns nicht am


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Nasenring durch die Manege ziehen. Wir haben bereits im Jänner als Oppositions­partei davor gewarnt, dass eine Epidemie kommen kann, dass eine Pandemie kommen kann, aber da hat man vor lauter Sturheit auf die Opposition nicht gehört. Das wäre aber gescheiter gewesen, denn wir hätten sofort für 14 Tage die Grenzen dicht­gemacht, sofort für 14 Tage alle Flughäfen dichtgemacht. Ich glaube, mit einer frei­heitlichen Sozialministerin Hartinger-Klein hätten wir diese Geschichte schon erledigt! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zur Tagesordnung: Ich möchte mich zu den Punkten 2 und 3 äußern. Dass das Thema Pflege beziehungsweise Pflegenotstand ein Dauerthema, ein Dauerbrennpunkt ist, ist nichts Neues, das wissen wir nicht seit gestern. Durch die Coronakrise könnte es sogar zu einem Engpass in der Pflege kommen, speziell in der 24-Stunden-Pflege.

Ich habe heute Früh im Sozialausschuss einige Fragen an Ihre Ressortmitarbeiter gestellt, diese konnten mir im Ausschuss leider nicht beantwortet werden. Ich habe aber vor Sitzungsbeginn aus Ihrem Ressort die entsprechende Anfragebeantwortung erhalten, und ich muss sagen: Erfreulicherweise habe ich es schriftlich bekommen, dass Hotlines eingerichtet wurden, dass die Anfragen etwas zugenommen haben, dass wir aber Gott sei Dank – das ist ein schönes Zeichen – nicht im kritischen Bereich sind, dass also die 24-Stunden-Pflege im Land derzeit halbwegs gesichert ist.

Und da muss ich mich jetzt wieder an die ÖVP wenden – ein bisschen auch an die Grünen –: Was bedeutet dann wieder dieses Angstschüren, dass der Pflegenotstand dreifach und fünffach ausbricht und die Leute nicht mehr wissen, was los ist? Das ist eine gute PR-Aktion, das gebe ich neidlos zu, es ist aber Populismus und Aktionismus. Es befinden sich laut Ressort, habe ich schriftlich, derzeit noch 33 000 ausländische Pflegekräfte – Gott sei Dank! – im Land. Ich kann diesen Menschen nur Danke sagen. Sie haben sich diese 500 Euro, die sie als Bonus bekommen, mehr als verdient.

Glauben Sie mir, ich bin keine Theoretikerin, was Pflege anbelangt. Ich habe selbst gemeinsam mit einer 24-Stunden-Pflegerin meine Mutter, die nur noch eine Hand bewegen konnte, bis zu ihrem Tod gepflegt. Ich habe selbst Windeln gewechselt, die Magensonde gereinigt und vieles mehr, das volle Programm, das dazugehört, und verstehe sehr wohl, was es bedeutet, Pflege zu leisten. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt da etwas, das ich im Zusammenhang mit diesen 500 Euro nicht verstehe. – Herr Minister, schauen Sie mich einmal an, ich rede gerade mit Ihnen! (Bundesrat Steiner: Ist ihm egal!) Warum wird das mit diesen 500 Euro, die da ausbezahlt werden, so kompliziert gemacht? Das wird jetzt auf die Länder abgewälzt. Wir sind Länder­vertreter, und ich glaube, da sollten wir aufstehen. Ich habe zu diesem Zweck extra einen Antrag mitgebracht; ich habe jetzt nur einen mit, nämlich vom Land Steiermark. Das Land zahlt die 500 Euro aus, aber unter eigenartigen Bedingungen: Es müssen zuerst die Pflegenden in Vorleistung gehen – das ist Voraussetzung dafür, dass man über das Sozialministeriumservice diese Förderung der 24-Stunden-Pflege erhält –, und dann können sich die Pflegenden, die das Geld hergegeben haben, dieses im Regressweg mit einer Bestätigung wieder zurückholen.

Nein, Herr Minister! Sie haben den Menschen, den Pflegerinnen etwas versprochen. Kümmern Sie sich daher bitte darum, dass die Menschen, die Pflegerinnen, die es sich wirklich verdient haben, das Geld direkt bekommen! (Beifall bei der FPÖ.)

Somit sind wir auch wieder mitten drinnen im Tagesordnungspunkt, denn es gibt in jedem Bundesland ein Sozialministeriumservice, und dort beantragt man die 24-Stunden-Pflege. Somit hat Ihr Ministerium alle Daten, alle Zahlen, alle Fakten auf dem Tisch in Ihren Büros. Nach dieser Gesetzesvorlage dient das auch der Kontaktpflege, und so könnten Ihre Mitarbeiter schauen, wie es denen da draußen geht. Das können Ihre Mitarbeiter vom Burgenland bis nach Vorarlberg in den Sozialministerium­service-


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stellen erledigen. Da muss ich das nicht wieder auf das Land abwälzen, denn das ist kompliziert, das ist Bürokratismus hoch 27. Ich glaube, dass man das im 21. Jahr­hundert für die Menschen draußen ein bisschen zackiger erledigen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch zu hinterfragen, warum wir uns in der Pflege immer mehr von auslän­di­schen Kräften abhängig machen. Ich habe mir darüber auch viele Gedanken gemacht und mit vielen österreichischen Pflegerinnen Gespräche geführt. Sie bemängeln die mangelnde Wertschätzung; Geld ist für die Pfleger gar nicht so sehr der Anreiz. Die mangelnde Wertschätzung für diesen Beruf, für die Menschen, die diese Arbeit erle­digen, und eben auch viel zu wenig Freizeit und Erholungsurlaub werden beklagt. Die Menschen brauchen einfach längere Erholungsphasen. Der Pflegeberuf ist kein Lercherl! (Bundesrätin Schumann: ... Arbeitszeit!)

Es ist also einmal zu überlegen, ob man nicht vielleicht viele junge Menschen gewin­nen, dem Beruf Prestige einflößen und die Menschen zur Pflege animieren könnte. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Jetzt fehlt nur noch, dass Sie ...!)

Dass die Pflegekräfte wertvolle, wichtige Arbeit leisten, habe ich schon erwähnt. Mir ist wie gesagt nicht ganz klar, warum wir jetzt mit dem Gesetz sensible Daten aus der Hand geben. Wir Freiheitliche werden bei dem Tagesordnungspunkt zustimmen, aber wir schauen uns genau an, ob die Sunsetklausel eingehalten wird, wir schauen uns genau an, ob die Daten auch wirklich gelöscht werden, denn – „Nachtigall, ich hörʼ dir trapsen“ – ich bin mir da nicht ganz sicher.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Da werden wir ein Bundesgesetz mit 600 000 Euro für das freiwillige Engagement beschließen, wir haben es schon gehört. Auch da kann ich mich nur bei jedem Einzelnen bedanken, der freiwillig, ehrenamtlich arbeitet. Die Ehren­amtlichen arbeiten sogar unentgeltlich. Ich ziehe meinen Hut, zolle jedem Einzelnen Respekt und kann nur Danke sagen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Was mich aber irritiert, mich stutzig macht und was ich auch kritisiere, ist die Tatsache, dass uns die Regierung nicht sagt, wer das Geld bekommt und wie viel Geld ausge­geben wird. Es handelt sich dabei um ein Extrabudget ohne parlamentarische Kon­trolle. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Ich muss da schon einmal fragen, ob diese 600 000 Euro nicht doch vielleicht für diese komische Coronaapp benutzt werden. Wir Freiheitliche – Sie haben das schon mehrfach gehört – lehnen diese Überwachungs­app kategorisch ab. Jetzt müssen Sie mir aber bitte erklären: Wie kommt man eigentlich auf eine solch absurde Idee, das österreichische Volk überwachen zu las­sen? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Bundesrat Buchmann: Das müssen Sie Ihren Klubobmann fragen! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Und die noch größere Schnapsidee ist, sich hinzustellen und zu sagen: Wer kein adä­quates Mobiltelefon hat, kriegt einen Schlüsselanhänger umgehängt. In 100 Jahren täte ich mir so etwas nicht umhängen! Ich muss Ihnen wirklich sagen, Herr Minister, mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich mir vorstellen muss, dass ich in einem Spitzelland lebe.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man meinen, ich habe jetzt aus einer Fa­schingszeitung zitiert. Mitnichten! Klubobfrau Mühlwerth hat es heute schon erwähnt: Antonella Mei-Pochtler, Kanzlerberaterin, hat ja vollmundig gesagt, dass die App für alle kommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Wie auch immer, mit uns Freiheitlichen sicherlich nicht!


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Jetzt zu einem Punkt, der mich wirklich ärgert: Das Rote Kreuz hat 500 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Es hat sich stattdessen der verlängerten Zivildiener bedient oder Freiwillige geholt. Das Absurde ist, es gibt unterschiedliche Bezahlungen. Die Zivil­diener bekommen eine kleine Aufwandsentschädigung, die Freiwilligen, die sich ge­meldet haben, bekommen zum Teil sogar mehr bezahlt als die hauptamtlichen Mitar­beiter beim Roten Kreuz. Bei uns Freiheitlichen sind etliche Interventionen von betrof­fenen Mitarbeitern eingelangt. Sie alle wären bereit gewesen, sich auch in anderen Bereichen innerhalb des Betriebes einzubringen. Ich denke, das Spektrum ist groß. Es hätte so viel gegeben, um diese 500 Leute vor der Kurzarbeit zu bewahren. Ich denke da an computerunterstützte Lernangebote, Unterrichtsmaterial, das jetzt die Eltern den Kindern beibringen sollen und damit völlig überfordert sind, ich denke an Essen auf Rädern, ich denke an Einkaufsdienste, Telefonhotlines und, und, und. Es gäbe unend­lich viele Möglichkeiten, sodass man die Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit hätte schicken müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und genau deswegen gibt es auch den begründeten Einspruch, welcher heute Vor­mittag im Ausschuss mehrheitlich beschlossen wurde. Das heißt - -


Vizepräsident Michael Wanner: Geschätzte Frau Kollegin! Es ist jetzt nach 16 Uhr. Ich bitte, zum Schluss zu kommen, sonst muss ich dich unterbrechen, weil wir gesagt haben, dass wir um 16 Uhr die Dringliche behandeln. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Letzter Satz! Ein letzter Satz!) – Gerne. Bitte.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): 600 000 Euro Extrabudget ohne parlamentarische Kontrolle, Beauftragung Dritter ohne parlamentarische Kontrolle, keine klare Widmung des Geldes. Glauben Sie es mir: Die 600 000 Euro wären besser aufgehoben beim Österreichtausender, den Kollege Rösch in einem Antrag gefordert hat: Jeder Österreicher kriegt einen Tausender; dann wissen wir wenigstens, wohin das Geld kommt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.06


Vizepräsident Michael Wanner: Ich unterbreche jetzt die Debatte zu den Tages­ordnungspunkten 2 und 3 und begrüße Frau Bundesministerin Aschbacher recht herzlich bei uns. Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)

16.06.50Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Höchste Arbeitslosig­keit seit 1945“ (3763/J-BR/2020)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Schumann als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


16.07.32

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Die Dringlichkeit dieser Anfrage erklärt sich mehr als deutlich aus der derzeit unglaublich dramatischen Situation am Arbeitsmarkt, die höchste Arbeitslosigkeit seit 1946, fast 600 000 Menschen ohne Arbeit bedingt durch die


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Coronakrise. Eine Zeitung titelt heute: „Hiobsbotschaft vom AMS“, das heißt, eine Unglücksbotschaft und eine Botschaft, die gehört werden muss und die die Regierung auffordert, zu handeln.

Diese Krise führte im März zu einem massiven Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen. Allein am 15. März und am darauffolgenden Montag, dem Tag, an dem der Shutdown in Kraft trat, wurden bereits mehr als 35 000 Arbeitsverhältnisse beendet. Als den wesentlichen Rettungsschritt für viele Arbeitsplätze stellten die Sozialpartner das Modell der Coronakurzarbeit in wenigen Stunden auf die Beine, ein sehr erfolgreiches Modell, das bisher 1,25 Millionen Menschen den Arbeitsplatz erhalten hat. Es gibt aber keine Garantie, nein, dass es nicht trotzdem zu einer weiteren Kündigungswelle kommt. Da braucht es einen Plan, wie Existenzen gesichert werden können. Die Men­schen brauchen einen Job, von dem sie leben können, und die fast 600 000 Ar­beits­losen brauchen weitere Unterstützung.

Frau Bundesministerin, erhöhen Sie bitte das Arbeitslosengeld! Das ist ein Gebot der Stunde. Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent der Nettoersatzrate muss endlich umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um die Absicherung für die vielen unverschuldet in Arbeitslosigkeit gekom­menen Menschen – es sind immer Einzelschicksale. Sie müssen ihre Miete zahlen, die laufenden Haushaltskosten stehen an und das Essen muss gekauft werden. Viele Kinder sind da ebenso mitbetroffen. Besonders Kinderarmut muss verhindert und bekämpft werden.

Wir wollen mittels dieser Dringlichen Anfrage genau erfahren, wie die tagesaktuellen Zahlen zur Arbeitsmarksituation aussehen, zum Beispiel: Wie viele Frauen und Männer sind betroffen?, denn gerade Frauen leisten jetzt, in der Krise, Enormes zur Sicherung der Gesellschaft. Frauen arbeiten in der ersten Reihe, um den Handel, die Bankfilialen, die Produktion, das Gesundheitssystem, alles am Laufen zu halten. Frauen arbeiten im Homeoffice, noch dazu leisten sie die Kinderbetreuung und lernen mit den Schul­kin­dern.

Die Wirtschaft fährt wieder hoch, und viele Eltern – und besonders Frauen – wissen nicht, wie sie Kinderbetreuung und Job jetzt unter einen Hut bekommen. Wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten haben uns vehement für eine Verbesserung bei der Sonderbetreuungszeit eingesetzt, aber das hat die Regierung leider nicht um­gesetzt: kein Rechtsanspruch, keine Übernahme des Einkommens der betroffenen Eltern durch den Bund. – So macht man Eltern mit betreuungspflichtigen Kindern das Leben in der Krise noch schwerer.

Wir wollen nicht, dass Frauen durch die Krise vom Arbeitsmarkt gedrängt werden. Das veraltete Rollenbild der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts ist nicht das Frauen­bild der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

Frauen haben ein Recht auf ein eigenständiges Leben und ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, wie sie es gestalten wollen. Finanzielle Unabhängigkeit ist eines der we­sentlichen Präventionsmittel gegen häusliche Gewalt, daher auch die Forderung, wie­der 50 Prozent der AMS-Mittel für Frauen zur Verfügung zu stellen.

Wie sieht die Arbeitsmarktsituation für junge Menschen jetzt und dann nach der Krise aus? Können sie ihre Lehrausbildung beenden, oder haben sie ihre Lehrstelle vielleicht schon verloren? Wie wird es im Herbst mit den Ausbildungsplätzen ausschauen? Es geht um die Zukunftschancen für junge Menschen. Es geht um ihre dringend notwen­digen Arbeitsplätze, damit sie sich eine Existenz aufbauen können.

Die Zukunft der Facharbeit steht da genauso im Fokus. Wollen die Unternehmen näm­lich auch in Zukunft erfolgreich sein, brauchen sie gut ausgebildete Facharbeiterinnen


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und Facharbeiter. Dass diese Facharbeiterinnen und Facharbeiter zur Verfügung ste­hen, muss garantiert werden. Das heißt, es wird ab September ein verstärktes Angebot im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung geben müssen.

Eine weitere Gruppe liegt uns am Herzen: die älteren ArbeitnehmerInnen. Sie waren schon vor der Krise jene, deren Anteil an den Langzeitarbeitslosen am höchsten war. Wie wirkt sich jetzt die Krise auf sie aus? – Bei einer derart angespannten Arbeits­marktlage wird es für ältere Arbeitslose noch schwieriger werden, wieder Arbeit zu finden. Daher braucht es dringend eine Wiederaufnahme der Aktion 20 000, und das in einem wesentlich größeren Umfang. Perspektiven auch für ältere ArbeitnehmerInnen und ein Ankämpfen gegen die Gefahr der Altersarmut – dafür stehen wir. Wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten lassen niemanden zurück.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine weitere Bemerkung: Es ist schon be­stürzend, wenn eine der renommiertesten Traditionskonditoreien zwar MitarbeiterInnen in Kurzarbeit schickt, sich aber gleichzeitig von langjährigen MitarbeiterInnen verab­schiedet und sie zur Kündigung anmeldet. So geht man mit bewährten Kräften sicher nicht um. (Beifall bei der SPÖ.)

Niemanden vergessen – das ist uns wichtig! Auch die Arbeitsmarktsituation für Men­schen mit Behinderung ist noch schwieriger geworden. Für sie braucht es Arbeits­markt­förderungsprogramme, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt verstärkt zu ermöglichen.

Ich darf von ganzem Herzen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des AMS Danke sagen. Sie leisten jetzt wirklich mit unglaublichem Einsatz großartige Arbeit. Da stellen wir die Frage: Wann wird endlich die Zusage der Regierung betreffend 500 zusätzliche Planstellen für das AMS umgesetzt? – Dazu gibt es Beschlüsse des Nationalrates und des Bundesrates. Wie werden die AMS-MitarbeiterInnen für ihre große Leistung belohnt?

Apropos Belohnung: Es wurde für die Heldinnen und Helden der Arbeit geklatscht und ihnen mit blumigen Worten gedankt. Jetzt ist es an der Zeit, dass sie ihre finanzielle Anerkennung erhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Der Österreichische Gewerkschaftsbund fordert den Coronatausender für genau diese ArbeitnehmerInnen, die uns geholfen haben, unsere Versorgung sicherzustellen. Inner­halb von wenigen Tagen haben 126 000 Menschen die Petition des ÖGB dafür unter­stützt. Die Regierung wird aufgerufen, nun die finanzielle Anerkennung unserer Heldin­nen und Helden wirklich umzusetzen. Sie haben es sich verdient.

Es gibt 600 000 Arbeitslose und 1,25 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Wir wissen noch nicht genau, wie sich die Arbeitsmarktlage weiter entwickeln wird, aber wir blicken mit großer Besorgnis in den Herbst. Wie viele Klein- und Mittelbetriebe werden die Krise überstehen? – Es gilt, alles zu tun, um ihnen und damit auch den Arbeitsplätzen, die sie bereitstellen, ein Überleben zu ermöglichen.

Frau Bundesministerin, die Zahlen sind nicht tatenlos zur Kenntnis zu nehmen, werden Sie bitte aktiv! Die Betroffenen warten schon dringend auf Antworten und Perspektiven. Familien stehen vor den Scherben dessen, was sie sich mühsam aufgebaut haben. Es braucht Konjunkturpakete mit der Zielrichtung, Arbeitsplätze zu schaffen. Was es nicht braucht, sind Sparpakete, denn es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Kosten dieser Krise tragen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die öffentliche Hand und ihre Investitionen sind gefragt. Es braucht einen Ausbau der Infrastruktur, besonders auch im ländlichen Raum. Die Gemeindefinanzen müssen ge­sichert werden, damit besonders auf regionaler Ebene auch die Möglichkeit besteht,


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den jetzt so wichtigen Unterstützungsleistungen in den Regionen wie zum Beispiel dem Ausbau der Kinderbetreuung Anschub zu geben.

Die Gemeinden stehen finanziell durch die Einnahmenausfälle unter unglaublichem Druck. Sie brauchen dringend das Geld vom Bund. Es darf nicht sein, dass man in Gemeinden MitarbeiterInnen kündigen muss, weil das Geld fehlt. Die Menschen in den Gemeinden brauchen die bestmögliche öffentliche Versorgung. Mir ist es ganz ehrlich unerklärlich, wie ÖVP und Grüne bei der letzten Sitzung gegen unseren Antrag zur Absicherung der Gemeindefinanzen stimmen konnten. Das ist unerklärlich für eine Föderalismuspartei und eine Partei, die sich die Stärkung der regionalen Strukturen auf die Fahnen geschrieben hat. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Jetzt gilt es, umgehend Konjunkturpakete auf die Beine zu stellen, die Arbeitsplätze schaffen, immer auch mit der Vorgabe und dem Blick darauf, die Klimaziele noch rascher zu erreichen. Große Arbeitsmarktpakete müssen umgesetzt werden, um Hoff­nung auf den Aufbruch zu schaffen und für die Wirtschaft und die ArbeitnehmerInnen eine Gegenantwort auf das erwartete Stimmungstief zu geben.

Wann gehen die AMS-Schulungsmaßnahmen wieder in vollem Umfang los? Wie schaut es mit Bildungskarenz und Fachkräftestipendium aus? Warum verabschiedet sich das AMS nicht endgültig vom System des Algorithmus, sondern setzt ihn nur aus? Pamas ist kein Instrument, das für die Bewältigung einer Krise geeignet ist.

Wird es eine Joboffensive des AMS für den Bereich Pflege geben, einen Bereich, dessen Bedeutung – wir haben es ja heute schon gehört – gerade jetzt noch deutlicher hervortritt?

Welche Qualifizierungsmaßnahmen werden geboten, um die Menschen gut zu unter­stützen, damit sie bereit sind, mit den Herausforderungen der Digitalisierung umzu­gehen? Die Krise hat – das steht außer Zweifel – einen Turbo in der Frage des digitalen Wandels gezündet. Davon, dass Homeoffice künftig noch breiter als Arbeits­form genützt werden wird, ist auszugehen, aber wie wird es, auch im Interesse der ArbeitnehmerInnen, geregelt?

Aus der Krise lernen wir. Die digitale Infrastruktur muss in ganz Österreich verbessert werden. Arbeitsplätze sind zu schaffen, koste es, was es wolle! Arbeitsmarkt­program­me sind jetzt aufzusetzen, um einer neuen Welle der Arbeitslosigkeit begegnen zu können!

Es wird sich auch die Verteilungsfrage noch stärker als bisher stellen. Die Frage, wie Millionäre und Millionärinnen ihren Beitrag leisten können, gilt es nicht beiseite­zu­schieben, sondern offen anzugehen, denn starke Schultern müssen mehr tragen und können auch mehr tragen, besonders in der Krise. Ich war schon sehr erstaunt über das Interview mit Vizekanzler Kogler, der in dieser Frage einen großen Rückzieher gemacht hat, sicher zur Freude der ÖVP.

Auch die Frage der Verteilung von Arbeit stellt sich. Arbeitszeitverkürzung ist da eine der notwendigsten Antworten. Wir wollen nicht, dass die Kluft zwischen jenen, die Arbeit haben und rund um die Uhr arbeiten, und jenen, die keine Chance auf Arbeit haben, durch die Coronakrise noch weiter aufgeht. Arbeit und Existenzsicherung für alle! Wir lassen niemanden zurück.

Frau Bundesministerin, bitte helfen Sie den schwangeren Frauen! Ermöglichen Sie ihnen den Weg in den vorzeitigen Mutterschutz – auch das haben wir heute schon angesprochen –, nämlich genau dann, wenn sie keine Chance haben, von zu Hause aus zu arbeiten. Wir wissen über das Virus zu wenig, und wir wissen nicht, wie sich das Virus auf die Schwangere und auf ihre Kinder auswirkt. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Anfragen und Bitten der Frauen wir erhalten haben, uns hierfür


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einzusetzen. Es ist schon viel Zeit verstrichen, und es wäre extrem notwendig, das im Interesse der betroffenen Frauen zu regeln.

Um Menschen wieder in Arbeit zu bringen oder ihren Arbeitsplatz zu sichern und damit einen Absturz in die Armut zu verhindern, braucht es sofort starke, klare und trans­parente Konzepte. Nicht mehr abwarten, nicht die Zahlen beobachten, sondern han­deln! Es braucht eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die den Menschen Perspek­tiven gibt.

Frau Bundesministerin, bitte handeln Sie! Jeder Tag, der ohne zukunftsgerichtete Ant­worten für die ArbeitnehmerInnen und die arbeitslosen Menschen verstreicht, ist ein verlorener Tag. Die Tür zur Unterstützung muss jetzt weit offen stehen und allen den Zugang zu einem guten Leben ermöglichen. Dafür stehen wir. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Vizepräsident Michael Wanner: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


16.20.12

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Jahr 2020 und unser neues Jahrzehnt werden mit der Coronaviruspandemie und der weltweiten Krise in die Geschichte ein­gehen. In allen Ländern verzeichnen wir eine hohe Arbeitslosigkeit; durch die Krise müssen auch wir in Österreich eine hohe Arbeitslosenzahl registrieren.

Im Februar gab es noch ein Beschäftigungshoch, einen Beschäftigungsrekord von knapp 3,8 Millionen Menschen in Arbeit und Beschäftigung, bis Mitte März hatten wir noch eine sinkende Arbeitslosigkeit – aber ab Mitte März hat uns die internationale Krise mit voller Wucht erwischt, und solch eine Situation war für niemanden vorher­sehbar. Ziel war und ist es, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, sie einerseits zu sichern, aber andererseits auch neue zu schaffen.

Mit der Coronakurzarbeit ist es uns gelungen, dass wir 1,25 Millionen Menschen in Österreich Arbeitsplatz und Einkommen sichern konnten. Damit haben wir sechsmal so viele Arbeitsplätze gesichert, als wir durch die Krise verloren haben.

Ich danke allen – wirklich ein herzliches Dankeschön an alle! –, die arbeiten, beson­ders auch jenen in den versorgungskritischen Bereichen, die uns jetzt durch die Krise getragen haben und durch die Krise tragen. Ich sage vor allem auch Danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice, betreffend die wir von Be­ginn an gesagt haben, dass ihre Arbeit versorgungskritisch ist, denn es ist so wichtig, dass wir den vielen Menschen, die nun arbeitssuchend sind, auch garantieren können, dass sie versichert sind und ihr Arbeitslosengeld rechtzeitig bekommen – aber darüber hinaus war es auch wichtig, diese Menge an Anträgen bezüglich der Kurzarbeit abzuarbeiten und auch die Abrechnungen durchführen zu können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf Ihnen einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt geben: Ende März haben wir – inklusive der Menschen, die sich in Schulung befan­den – insgesamt 562 522 arbeitssuchende Menschen gezählt. In den ersten April­wochen mussten wir einen Anstieg verzeichnen, und den bisherigen Höhepunkt haben wir mit insgesamt 588 205 arbeitssuchenden Menschen und Menschen, die in Schu­lun­gen sind, am 13. April erreicht. Seither sehen wir eine leichte Abflachung der Kurve.


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Mit Stand Freitag, 1. Mai, kommen wir auf 571 477 Arbeitssuchende, das sind um rund 210 000 Personen mehr als im Vorjahr, also eine Steigerung von 58,2 Prozent. Glau­ben Sie mir, als Arbeitsministerin ist es kein Vergnügen, solche Zahlen zu erwähnen – erwähnen zu müssen! –, denn hinter jeder einzelnen Zahl steht ein persönliches Schicksal. Uns ist das sehr wohl bewusst, weswegen wir auch mit weiteren Instru­men­ten versuchen, jeden zu unterstützen und niemanden zurückzulassen!

Die größten Zuwächse gibt es in den Branchen Tourismus und Bau; bundesländer­bezogen ist die steigende Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr in allen Ländern zu verzeichnen. Lassen Sie mich hier kurz vorlesen, wie die Reihung nach Höhe der Zu­wächse lautet: Tirol mit 119,2 Prozent, Salzburg mit 101,8 Prozent, danach folgen die weiteren Bundesländer: Steiermark mit 100,6 Prozent Zuwachs, Oberösterreich mit 91 Prozent, Burgenland mit 84,3 Prozent, Kärnten mit 78,7, Vorarlberg mit 78,6, Nie­derösterreich mit 69,8 und Wien mit 56,2 Prozent.

Selbstverständlich sind uns Klarheit und Transparenz wichtig. Deshalb werden wir jetzt, da es schon ein klareres Bild und weniger willkürliche oder sprunghafte Schwan­kungen gibt, die Arbeitsmarktzahlen gemeinsam mit den Zahlen zur Kurzarbeit wöchent­lich kommunizieren und veröffentlichen.

Was tun wir nun, um diese Entwicklung abzuschwächen, um ihr entgegenzutreten? – Wie gesagt, es war wichtig und richtig, das Modell der Coronakurzarbeit rasch zur Verfügung zu stellen. Wir als Bundesregierung haben da rasch agiert und gemeinsam mit den Sozialpartnern das Modell auf die Beine gestellt. Damit konnten wir über 1,2 Millionen Menschen durch eine Arbeitsplatzgarantie und den Kündigungsschutz für ein Monat nach der Kurzarbeit den Arbeitsplatz und auch das Einkommen absichern. Niemand bekommt weniger als 80 Prozent seines oder ihres Gehalts. – Zusätzlich wird das AMS ab 15. Mai wieder mit den Schulungen beginnen.

Zum aktuellen Stand bei der Coronakurzarbeit: Es sind 104 007 Anträge auf Corona­kurzarbeit beim AMS eingegangen, davon sind 100 281 Anträge mit ausreichenden Informationen vorhanden. Bei den anderen muss einzeln nachgefasst werden, denn es fehlen entweder auf Unternehmensseite oder auf der Sozialpartnervereinbarungsseite Informationen. Diese 100 281 Coronakurzarbeitsanträge sichern eben 1,25 Millionen Arbeitsplätze und Einkommen. (Bundesrat Steiner: Schauen wir ...!) Insgesamt sehen wir auch, dass die Kurve der eingegangenen Anträge bezüglich der Coronakurzarbeit leicht abflacht, also auch da ist die ehemals enorme Nachfrage nicht mehr so stark gegeben wie zu Beginn oder in der Mitte der Krise.

Welche Unterstützung bieten wir nun für arbeitssuchende Menschen in Kombination mit Familien? – Wir haben zusätzlich zwei Instrumente auf die Beine gestellt. So wurde vergangene Woche im Nationalrat beschlossen, dass mit 80 Millionen Euro zusätzlich die Verluste jener Arbeitslosen auszugleichen sind, die sonst in die Notstandshilfe fallen würden. Das soll gewährleisten, dass weiterhin das Arbeitslosengeld sicherge­stellt wird.

Unterstützung für Familien gibt es mit zwei Fonds, nämlich einerseits mit dem Fami­lienhärtefonds – dotiert mit 30 Millionen Euro –, womit Menschen und Familien, die Fa­milienbeihilfe beziehen und während der Krise einen Einkommensverlust erlitten ha­ben, nämlich durch Arbeitslosigkeit, aber auch durch Coronakurzarbeit, oder wenn sie einen Antrag auf Mittel aus dem Härtefallfonds bei der Wirtschaftskammer gestellt haben, dieser Einkommensverlust ausgeglichen wird, und andererseits gibt es den Familienkrisenfonds, der gleichfalls letzte Woche im Nationalrat beschlossen wurde, durch den es weitere 30 Millionen Euro für Familien, die schon vorab in der Arbeits­losigkeit waren, als Unterstützung gibt.


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Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass aus derzeitiger Sicht der vorläufige Höhepunkt der Arbeitslosenzahlen erreicht ist. Ziel war und ist es, um Arbeitsplätze zu kämpfen – und wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz. Wir sehen, es war wichtig, mit der Coronakurzarbeit schnell und rasch zu helfen und zu unterstützen, und auch heute haben wir als Bundesregierung uns gemeinsam mit den Sozialpartnern hingesetzt, um zu schauen, welche Instrumente wir jetzt schnell und rasch zur Verfügung stellen können, um die Menschen wieder rasch in Arbeit zu bringen, die Beschäftigung bei der Kurzarbeit zu erhöhen, so viel wie möglich unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu arbeiten. In den nächsten Tagen und Wochen werden aber auch weitere Maßnahmen und Schritte gemeinsam mit den Bundesländern und den Expertinnen und Experten der Wirtschaftsforschungsinstitute intensiv erarbeitet und gestaltet, mit denen wir die Menschen schnell und rasch wieder zurück auf den Arbeits­markt, an den Arbeitsplatz bringen können. Wir lassen niemanden zurück und ent­wickeln gemeinsam Modelle, dass wir so viele Menschen wie möglich wieder auf den Arbeitsmarkt bekommen können.

Ich darf nun zur Beantwortung der Fragen, die Sie übermittelt haben, kommen.

Zur Frage 1:

Am 3.5. – das sind die tagesaktuellen Arbeitslosenzahlen; die von heute bekommen wir erst morgen, das ist also der letzte verfügbare Wert – waren 245 184 Frauen und 276 220 Männer beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registriert.

Zur Frage 2:

Aktuell sind die Branchen Tourismus, Handel und die Baubranche am stärksten be­troffen, aber auch die Arbeitskräfteüberlassung.

Ich darf kurz die Zahlen aus den verschiedenen Branchen und die Verteilung in Pro­zent mit Stand 3.5.2020 vortragen:

In der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei sind es 2 504 Menschen, das entspricht 0,5 Prozent; Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden: 435 Men­schen, das sind 0,1 Prozent; Herstellung von Waren: 37 221 Menschen, das sind 7,1 Prozent; Energieversorgung: 420 Menschen, das sind 0,1 Prozent; Wasserversor­gung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen: 1 404 Menschen, das sind 0,3 Prozent. In der Baubranche sind es 35 942 Arbeitsuchende, das sind 6,9 Prozent. Im Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraft­fahrzeugen sind es 69 395 Menschen, das sind 13,3 Prozent. Im Bereich Verkehr und Lagerei sind es 29 979 Menschen, das sind 5,7 Prozent. Beherbergung und Gastro­nomie: 111 264 Arbeitsuchende, das sind 21,3 Prozent; Informations- und Kommuni­kationsbranche: 7 145 Menschen, das sind 1,4 Prozent. Im Bereich Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sind es 4 480 Menschen, das sind 0,9 Pro­zent. Grundstücks- und Wohnungswesen: 5 098 Menschen, das ist 1 Prozent; Erbrin­gung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen: 15 436 Men­schen, das sind 3 Prozent; Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen: 85 582 Menschen, das sind 16,4 Prozent; öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung: 13 072 Arbeitsuchende, das sind 2,5 Prozent; Erziehung und Unterricht: 11 892 Menschen, das sind 2,3 Prozent; Gesundheits- und Sozialwesen: 31 964 Menschen, das sind 6,1 Prozent; Kunst, Unterhaltung und Erholung: 8 347 Men­schen, das sind 1,6 Prozent; Erbringung von sonstigen Dienstleistungen: 15 146 Men­schen, das sind 2,9 Prozent; private Haushalte mit Hauspersonal, Herstellung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen durch private Haushalte für den Eigen­bedarf ohne ausgeprägten Schwerpunkt: 544 Menschen, das sind 0,1 Prozent; exterri­toriale Organisationen und Körperschaften: 74 Menschen, das sind 0,01 Prozent; und Sonstige: 34 060 Menschen, das sind 6,5 Prozent.


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Zur Frage 3:

Als Basis wird der Statistikstichtag 29.2.2020 herangezogen; dann ergeben sich die Steigerungen der Arbeitslosigkeit zu den weiteren Stichtagen 31.3. sowie 30.4. nach Bundesländern wie folgt:

Im Burgenland waren es Ende Februar 10 614, Ende März 13 814 und Ende April 13 569 Arbeitsuchende; das ergibt im März eine Steigerung von 30,1 Prozent gegen­über Februar und im April eine Steigerung von 27,8 Prozent gegenüber Februar.

In Kärnten waren es Ende Februar 24 681, Ende März waren es 37 266 und Ende April waren es 36 067 Arbeitsuchende; das entspricht im März einer Steigerung von 51 Prozent gegenüber Februar und im April einer Steigerung von 46,1 Prozent gegenüber Februar.

In Niederösterreich waren es mit Stand Februar 59 141, mit Stand März 78 440, mit Stand April 80 199 Arbeitsuchende; das ist im März eine Steigerung von 32,6 Prozent und im April von 35,6 Prozent.

In Oberösterreich waren es Ende Februar 40 638, Ende März 57 808, Ende April 58 115 Arbeitsuchende; das entspricht im März einer Steigerung von 42,3 Prozent und Ende April einer Steigerung von 43 Prozent gegenüber Februar.

In Salzburg waren es mit Ende Februar 13 132, mit Ende März 29 107, mit Ende April 29 833 Menschen; das ist mit Ende März eine Steigerung von 126,6 Prozent gegenüber Februar und mit Ende April eine Steigerung von 127,2 Prozent gegenüber Februar.

In der Steiermark waren es Ende Februar 40 942, Ende März 63 998, Ende April 62 889 Arbeitsuchende; das entspricht also Ende März einer Steigerung von 56,3 Pro­zent gegenüber Februar und Ende April einer Steigerung von 53,6 Prozent gegenüber Februar.

In Tirol waren es Ende Februar 15 307, Ende März 43 077 und Ende April 44 928 Menschen; gegenüber Februar war es Ende März eine Steigerung von 181,4 Prozent und Ende April von 193,5 Prozent.

In Vorarlberg waren es Ende Februar 9 706, Ende März 15 788 und Ende April 17 928 Arbeitsuchende; das ist eine Steigerung von 62,7 Prozent im März und von 84,7 Prozent im April.

In Wien waren es Ende Februar 119 826, Ende März 165 047 und Ende April 178 725 Menschen; das ist ein Zuwachs gegenüber Februar von 37,7 Prozent im März und ein Zuwachs von 49,2 Prozent im April.

Zur Frage 4:

Mit Stand 3.5. beträgt die Planzahl an Personen in Kurzarbeit 1 254 411 Arbeit­neh­merinnen und Arbeitnehmer. Werden die bereits genehmigten Kurzarbeitsprojekte herangezogen, beträgt die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Menschen 1 154 114.

Zur Frage 5:

Das Geschlecht und das Alter von Personen in Kurzarbeit ist erst über die monatliche Abrechnung der Ausfallstunden erfassbar. Voraussichtlich können wir Ende Mai erste statistische Aussagen dazu treffen.

Zur Frage 6:

Am 3.5. betrug die Zahl der Arbeit suchenden Personen ab 45 Jahren 207 181.


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Zur Frage 7:

Am 3.5. betrug die Zahl der Arbeit suchenden Personen im Alter von bis zu 25 Jahren 60 969.

Zur Frage 8:

Generell sind durch die Covid-Krise alle Ausbildungskategorien verstärkt von Arbeits­losigkeit betroffen. Nur bei Personen mit akademischer Ausbildung ist eine deutliche Tendenz für eine unterdurchschnittliche Zunahme der Arbeitslosigkeit festzustellen.

Zur Frage 9:

Dieser Wert ist nicht bekannt, da die Auflösung von Lehrverhältnissen über die Sozial­versicherungsträger erfolgt und auch in eine Wirtschaftskammerdatenbank aufgenom­men wird. Dazu gibt es noch keine vollständigen Daten für den Monat April und auch keine tagesaktuellen Zahlen.

Zur Frage 10:

Der Bestandsvergleich am Statistikstichtag 29.2. betrug 13 563. Die Zahl an Arbeit suchenden Menschen mit Behinderungen im Sinne einer Begünstigung nach Behinder­teneinstellungsgesetz, nach Landesbehindertengesetzen oder Opferfürsorgegesetz und Arbeit suchenden Menschen, die im Besitz eines Behindertenpasses sind, betrug am 3.5. 15 720.

Zur Frage 11:

In den Monaten März und April 2020 wurden insgesamt 99 635 Zugänge in Arbeits­losigkeit registriert, die mit einer Wiedereinstellungszusage für eine Arbeitsaufnahme verbunden waren. (Über die Tonanlage ist ein pfeifendes Geräusch zu hören.) Wie viele Fälle davon auf einer Kündigung beruhten, ist nicht bekannt.

Zur Frage 12:

Zu Punkt a): Mit Stand Ende April waren es 5 643 Planstellen, bereits inklusive der im Verwaltungsrat beschlossenen Überschreitung um 150 Planstellen für 2020; das ent­spricht derzeit einer Personenanzahl von 6 248. (Über die Tonanlage ist erneut ein pfeifendes Geräusch zu hören.) – Vielleicht spreche ich schon zu lange, aber ich möchte die Fragen gerne noch beantworten.

Zu b) und c): Eine zentrale Auswertung ist nicht möglich, da solche Verträge im Einzelfall von den Landesgeschäftsstellen abgeschlossen werden beziehungsweise auch von dort sozusagen ausgeführt werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Zur Frage 13:

Zur Bewältigung der Kurzarbeitsanträge wurden dem AMS umgehend alle notwen­di­gen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Über 500 externe Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter unterstützen in der Abwicklung der Kurzarbeitsanträge und weitere 250 externe Kräfte der Buchhaltungsagentur sowie der Österreichischen Gesundheitskasse unter­stützen zurzeit in der Abwicklung der Abrechnungen.

Durch den Beschluss des Verwaltungsrates vom 21.4. wurde dem AMS erlaubt, den ursprünglich geplanten Stellenabbau zu stoppen sowie den Stellenplan im Jahr 2020 um bis zu 150 Planstellen zu überziehen.

Der AMS-Vorstand wird dazu frühestens im Juni ein entsprechendes Personalkonzept für die kommenden Monate und Jahre vorlegen.

Zur Frage 14:

Die Grundausbildung der AMS-Mitarbeiter dauert im Regelfall ein Jahr.


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Zur Frage 15:

Im gesamten März wurden von den AMS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern 19 200 be­zahlte Überstunden – im März 2019 im Verhältnis circa 3 000 Stunden – geleistet; nicht enthalten sind die Gleitzeitstunden. Die Überstunden für April können noch nicht ausgewertet werden, da diese erst im Laufe der Woche in das Berechnungstool eingespielt werden.

Zur Frage 16:

Eine Belohnung für außergewöhnliche Leistungen von AMS-Mitarbeiterinnen und -Mit­arbei­tern ist denkbar. Fragen der Belohnung beziehungsweise der Prämien für AMS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter unterliegen der Kollektivvertragshoheit des AMS.

Zur Frage 17:

Das Amas hat zum Ziel, die Betreuung und Vermittlung der Kundinnen und Kunden zu verbessern, als Basis die Arbeitsmarktchancen systematisch und qualitätsgesichert in die Beratung einfließen zu lassen und das Budget besser einzusetzen. Das Vorhaben soll daher weitergeführt werden. Aufgrund der internationalen Coronakrise kann das AMS nicht die für die ordnungsgemäße Umsetzung erforderlichen Mitarbeiterschu­lun­gen durchführen, weshalb eine Verschiebung dazu notwendig war.

Zu den Fragen 18, 20 bis 22 sowie 27 und 28 möchte ich gern eine gesammelte Antwort geben:

Gemeinsam mit dem AMS erarbeitet mein Ressort unter Einbindung namhafter For­schungsinstitute eine Strategie, die auf Grundlage fundierter Prognosen die Basis für die Planung der zukünftigen Arbeitsmarktpolitik bildet. Im Komitee vertreten sind lau­fend das AMS, unser Haus, das IHS, die Synthesis Forschung GmbH und das Wifo. Weitere Vertreterinnen und Vertreter von Forschungsinstituten werden themenbezogen eingeladen.

Dieses Team berät auch mein Ressort laufend bei der Einschätzung von Folgen der Covid-Krise. Die konkrete Programmplanung für eine bedarfsgerechte und dem Krisen­verlauf entsprechende Schwerpunktsetzung wird natürlich gemeinsam mit den Sozial­partnern im Verwaltungsrat erfolgen. Das angekündigte Paket der Bundesregierung soll drei Schwerpunkte haben: erstens eine rasche Steuerentlastung für die arbeiten­den Menschen, eine Entlastung der Wirtschaft als Punkt zwei und Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie auch Schaffung von neuen Arbeitsplätzen durch Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Regionalisierung als Punkt drei.

Der genaue Umfang der genannten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den kom­menden Monaten kann derzeit noch nicht beziffert werden. Die Bedarfsplanungen sind aufgrund der derzeitigen Situation noch mit großer Unsicherheit behaftet, eine nach Regionen differenzierte Erhebung der für das Ausbildungsjahr 2021 zu erwartenden Bedarfssituation bei überbetrieblichen Lehrausbildungen findet derzeit statt.

Zur Frage 19:

Es laufen die Vorbereitungen, um unter Einhaltung der gesundheitsbehördlichen Be­stimmungen österreichweit den regulären Schulungs- und Ausbildungsbetrieb ab dem 15. Mai wieder aufnehmen zu können. Die Abschlusslehrgänge der überbetrieblichen Lehrausbildung haben bereits mit heute wieder begonnen.

Zur Frage 23:

Der Verwaltungsrat hat im Dezember 2019 den Beschluss über die arbeitsmarkt­politi­schen Ziele 2020 gefasst. Der Zielwert bei Fördermitteln für Frauen beträgt ohne Be­rücksichtigung der Kurzarbeitsbeihilfen 49,8 Prozent.


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Zur Frage 24:

Personen über 50 Jahre werden weiterhin ein wesentlicher Fokus der österreichischen Arbeitsmarktpolitik bleiben. So stehen allein im Rahmen der Beschäftigungsinitiative 50 plus derzeit jährlich 165 Millionen Euro vor allem für diese Zielgruppe zur Verfü­gung; heuer stehen zusätzlich 50 Millionen Euro zur Verfügung. Mit einer Wiederauf­nahme der Aktion 20 000 ist derzeit nicht zu rechnen.

Zur Frage 25:

Die Stärkung der beruflichen Teilhabe und die Weiterentwicklung der bestehenden Angebote für Menschen mit Behinderungen wird auch in Zukunft ein Schwerpunkt der österreichischen Arbeitsmarktpolitik bleiben. Diese haben Zugang zu allen Maßnah­men des AMS. Die Zielgruppe wird unter anderem insbesondere auch vom geplanten Ausbau stärker individuell abgestimmter Beratungs- und Betreuungsangebote Nutzen nehmen können.

2020 sollten im Rahmen einer Beschäftigungsoffensive rund 8 000 Menschen mit Behinderung nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Zur Frage 26:

Gemäß Regierungsprogramm sollen eine bedarfsgerechte Fachkräftequalifizierung so­wie die duale Berufsausbildung forciert werden. Besonders hervorzuheben sind dabei folgende Maßnahmenbereiche:

arbeitsplatznahe Qualifizierung: In enger Kooperation mit Betrieben werden hierbei geeignete Arbeit suchende Personen auf einen konkreten Personalbedarf hin qualifi­ziert;

den AMS-Schwerpunkt der Lehrlingsausbildung: Zahlreiche AMS-Programme zielen auf die Absolvierung einer Lehrausbildung ab.

Im Laufe des Jahres 2020 haben bisher schon rund 4 800 Personen von einer auf diese Weise geförderten Fachkräfteausbildung profitiert.

Zur Frage 29:

Wir beobachten die Lage seit Beginn der Krise sehr genau und haben bereits Anfang März die ersten Empfehlungen ausgegeben, nämlich vor allem in unserem Bereich Schwangere vom engen Kundenkontakt abzuziehen. Wir sind dazu in engem Kontakt mit dem Sozial- und Gesundheitsminister, und aus fachlicher und medizinischer Sicht der Expertengruppe im Gesundheitsministerium (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) fallen Schwangere nicht in die Risikogruppe.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören und für Ihre Geduld. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

16.46


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm.


16.46.58

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Mitglieder des Bundesrates! Frau Bundesministerin! Vielen herzlichen Dank auch für die 20 Minu-


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ten, die ich wohl brauchen werde (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), weil es nach Ihrer Rede, Frau Bundesministerin, von meiner Seite einerseits natürlich Lob für die ausführliche Beantwortung gibt – das ist bei anderen Regierungsmitgliedern nicht selbstverständlich, würde ich aufgrund dessen, was wir in letzter Zeit erlebt haben, sagen –, auf der anderen Seite ist, glaube ich, natürlich auch manche Kritik ange­bracht.

Zur Kritik kommend: Ich habe heute die Aussendung Ihres Ministeriums bezüglich Arbeitslosigkeit gelesen und ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich es ein bisschen eigenartig finde, wenn man bei 570 000 Arbeitslosen von einer Abflachung der Kurve redet. Das finde ich schon höchst eigenartig, denn ich glaube, es geht um Menschen, und jeder Arbeitslose und jede Arbeitslose ist einer und eine zu viel. Bei einem Anstieg von 58 Prozent kann man nicht von einer Abflachung reden, meine geschätzten Damen und Herren – das zum Ersten. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Na ja, 58 Prozent reichen ja wohl, oder?

Zum Zweiten: Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung hier sehr brav das eine oder andere an Zahlen dargestellt, aber was mir ein bisschen gefehlt hat, ist sozusagen die Zukunft. Geschätzte Frau Bundesministerin, die Zukunft hat ja in Wahrheit schon be­gonnen, und wir müssen heute überlegen, was morgen und übermorgen für den Arbeitsmarkt und für die Menschen in Österreich gut ist; und das fehlt mir ein bisschen. (Beifall bei der SPÖ.) Wo sind da die Visionen der Bundesregierung? Das frage ich mich wirklich.

Ich war zufällig 18 Jahre im Verwaltungsrat des ÖGB, des AMS – Verzeihung (Bun­desrat Steiner: Zufällig!), im Verwaltungsrat des AMS, ich sage es noch einmal; kleine Werbeeinschaltung (Bundesrat Steiner: Ganz zufällig!) –, und ich möchte Ihnen da ein bisschen zur Seite stehen und meine Analyse und meine Schlussforderungen mit auf den Weg geben.

Erlauben Sie mir kurz einen Rückblick, bevor ich zur Zukunft komme: Natürlich, ich glaube, wir sind uns alle einig, der gesundheitspolitisch motivierte Shutdown hat weite Teile der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes von einem Tag auf den anderen total verändert, statt Rekordbeschäftigung haben wir Rekordarbeitslosigkeit mit mehr als einer halben Million Arbeitsuchenden. Statt voll ausgelasteter Unternehmen arbeiten – Sie haben es erwähnt – 1,2 Millionen ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit. Das alles ist nicht mehr und nicht weniger als eine riesige wirtschafts-, arbeitsmarkt- und gesell­schaftspolitische Herausforderung für die Zukunft.

Das von den Sozialpartnern – das wurde schon erwähnt – verhandelte Kurzarbeits­modell hat Hunderttausende Arbeitsplätze und Existenzen gesichert, aber ich sage Ihnen, Frau Bundesministerin: Das ist nicht genug! Ziel muss es sein, die Arbeits­losigkeit – und ich möchte da ein Datum mit auf den Weg geben – innerhalb eines Jahres auf das Niveau von vor der Coronakrise zu senken.

Was braucht es dazu? – Es braucht eine Joboffensive und es braucht Beschäftigung, mehr Beschäftigung statt eines Sparpakets. Das geht mit einem guten Plan. Ich würde sagen, es braucht einen Österreichpakt für Arbeit, mit einem gut ausgestatteten AMS und mit dem natürlich notwendigen Budget.

Worum geht es erst einmal beim Wiederaufsperren in den kommenden Tagen? – Es geht darum, den Unternehmern die soziale Verantwortung bewusst zu machen. Kollegin Schumann hat das ausgeführt: Wenn Betriebe einerseits Kurzarbeit einführen und auf der anderen Seite über 50-Jährige kündigen, dann ist das nicht das Modell, das wir uns vorstellen. Ich möchte den Namen des Unternehmens hier nicht nennen, aber es ist ein großes Cateringunternehmen, das auch für die Regierung Aufträge


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abarbeitet, und ich hoffe, dass es vielleicht das nächste Mal nicht berücksichtigt wird, weil dort eben ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekündigt wurden.

Es geht natürlich um die Löhne, es geht um die Gehälter, es geht um die Arbeits­bedingungen, also darum, dass die wie vor dem Shutdown aussehen; denn eines muss so weit als möglich verhindert werden: der Aufbau von Sockelarbeitslosigkeit bei diesen ArbeitnehmerInnengruppen, wie ich gesagt habe, den über 50-Jährigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, leider lehrt ein Blick zurück, dass der Sockel an Langzeitarbeitslosen nach jeder Wirtschaftskrise ange­wachsen ist. Gut wäre es, wenn es Anreize für ein sozial verträgliches Verhalten von Unternehmern gäbe, etwa ein Bonus-Malus-System für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Folgendes ist heuer aus meiner Sicht noch not­wendig: Das AMS ist aktuell mit der Bewältigung der Kurzarbeitsanträge mehr als ausgelastet. Sie haben es ja berichtet, gerade die letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes AMS für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen ist. Es gibt also jeden Grund, diese für die Wirtschaft und die ArbeitnehmerInnen tatsächlich kritische Infrastruktur – ich darf das so nen­nen – personell und budgetär natürlich gut auszustatten. Daher geht es um eine Aufstockung des AMS-Personals um mindestens 500 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz einfach, um Arbeitsuchende gut unterstützen zu können. Gerade ältere Arbeitslose und Arbeitslose mit Gesundheitsproblemen brauchen Vermittlungs­unterstützung, gezielte Förderungen. Das will alles organisiert und durchgeführt wer­den.

Als weitere Maßnahme – Kollegin Schumann hat das schon erwähnt – gilt es, auch den Konsum durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu sichern. (Bundesrat Steiner: Österreichtausender!) Die Erhöhung auf 70 Prozent des letzten Nettolohnes würde in etwa 1 Milliarde Euro kosten, und Sie wissen es: Das geht eins zu eins in den Konsum, das geht eins zu eins in die Unternehmen und wäre daher aus meiner Sicht eine gute Investition.

Ein Gebot der Stunde ist aus meiner Sicht auch die Verkürzung der Arbeitszeit. Es würde sich da als eine gute Möglichkeit anbieten, die im Rahmen der Covid-Krise entwickelte Kurzarbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit mit Lohnausgleich weiterzuentwickeln. Sie haben es ohnehin gesagt, es braucht auch eine Coronaweiterbildungsoffensive für Arbeitslose. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ziel für 2021 müsste es sein, 40 000 Personen in berufliche Umschulung und in Richtung Höherqualifizierung zu bringen, damit es auch im digitalen und ökologischen Strukturwandel genug FacharbeitnehmerInnen in Österreich gibt. Ein besonderer Schwerpunkt muss dabei auch der Gesundheits- und Pflegebereich sein, der wurde heute ja schon während der Debatte zu einem anderen Tagesordnungspunkt ange­sprochen. Das heißt, es geht um Fachkräftestipendien. Da stellen wir uns vor, dass 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, die Ausbildung ermöglicht wird und die Leute auch unbefristet eingesetzt werden – also Ausbildungsschwerpunkt Pflege- und Gesundheitsberufe.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich komme ja selbst aus dem Tourismus: Es braucht auch neue Jobperspektiven für besonders betroffene Branchen wie zum Beispiel den Tourismus, denn ich denke, da werden in Zukunft möglicherweise nicht alle ihren Platz haben beziehungsweise finden.


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Frau Bundesministerin, was möglichst rasch und mit Wirkung bereits im nächsten Jahr angegangen werden muss, inklusive der notwendigen Budgets dafür, ist die Aktion Chance 45. Das ist eine verbesserte Version der Aktion 20 000 für ältere Arbeit­suchende ab dem Jahr 2021, um Langzeitarbeitslosen ohne Chance auf einen Arbeits­platz in Unternehmen wieder eine Beschäftigung zu ermöglichen und damit soziale und ökologisch vernünftige Dienstleistungen in den Gemeinden wieder möglich zu machen. Das hat es ja schon einmal gegeben, aber es geht um das Wiedermöglich­machen.

Ich möchte auch Chancen für Geflüchtete ansprechen. Maßnahmen im Rahmen des Integrationsjahres sollten wieder mit mehr Geld ausgestattet werden, um nach Österreich Geflüchteten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Ich möchte auch sagen, dass ich ein bisschen verwundert bin, dass man auf der einen Seite Erntehelfer einfliegen will, auf der anderen Seite haben wir hier aber Menschen, Geflüchtete nämlich, die Arbeit brauchen, die Arbeit suchen. Ich würde doch bitten, ein bisschen darüber nachzudenken, was die gescheitere Lösung für die Zukunft ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, der Neustart nach der Covid-Krise kann ohne ein Konjunkturprogramm nicht gelingen. Wirtschaftsbelebung muss allerdings so erfol­gen, dass nicht nur die tatsächlich existenzielle Krise für die österreichische Bevöl­kerung, sondern auch die Klimakrise bekämpft wird.

Es braucht daher – aus meiner Sicht zumindest – einen Zehnjahresplan gegen die Klimakrise mit folgenden Kernelementen: massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, thermische Sanierung von Bundesgebäuden, Ausstieg aus fossilen Heizsystemen, betriebliche Umweltförderung, Verbesserung der Energieeffizienz in den Betrieben, Ausbau der Radinfrastruktur, mehr Geld für klimagerechte Energieversorgung, Einfüh­rung einer Lkw-Maut, Erhöhung der Flugabgabe, ökologischere und sozial gerechtere Gestaltung der Pendlerpauschale. Es braucht die goldene Investitionsregel, die eine Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen ermöglicht, was besonders den Finanzie­rungs­spielraum bei Klimaschutzinvestitionen erhöhen würde. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, ich darf auch darauf hinweisen, dass führende Wissen­schafter der Akademie der Wissenschaften darauf hingewiesen haben: Der Klima­wandel ist gefährlicher als Corona. – Ich sage dazu: Für die Umwelt wird es keinen Impfstoff geben, aber hoffentlich Politiker, die verantwortungsvoll handeln. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.– Natürlich auch Politikerinnen, selbstverständlich, Frau Kollegin.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich glaube, wir müssen vom Reden ins Tun kom­men, und ich erwarte mir auch von der Bundesregierung, dass es nicht nur Ankün­digungen und Ankündigungspolitik gibt. Sie wissen ja: Heiße Luft zu produzieren schafft ein Problem beim Klimaschutz. – Es wäre daher, glaube ich, gut, dass man politische Taten folgen lässt, denn an den Taten wird die Bevölkerung die Regierung beziehungsweise die Verantwortlichen in der Politik messen. Daher, denke ich, ist es an der Zeit, da natürlich auch die Ärmel aufzukrempeln.

Ich darf Sie auch einladen, in der Beantwortung noch konkret zu sagen – weil mir das ein bissl gefehlt hat –: Was haben Sie vor, und wie viel Geldmittel wollen Sie dafür in der Zukunft bereitstellen?

Ich wünsche Ihnen natürlich eine lange Gesundheit, aber gehen Sie bezüglich dieser Vorhaben an die Arbeit, Frau Ministerin! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.01



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 69

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.01.26

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Bundesministerin Aschbacher, ich möchte dir – nicht nur, weil du eine Steirerin bist und ich als Steirer jetzt das Wort ergreifen darf – einmal ganz herzlich Danke dafür sagen, dass du diese Dringliche Anfrage mit Klarheit und mit Transparenz beantwortet hast, wie es in der Dringlichen Anfrage eingefordert worden ist, und auch dafür, dass du nicht nur diese Klarheit und diese Transparenz mit den Zahlen hast walten lassen, die ja keine sehr Positiven für unsere Republik sind, aber Zahlen, die auf dem Tisch liegen, sondern du aus diesen Zahlen heraus meiner Meinung nach auch die richtigen Schlüsse für die Zukunft angetönt hast, wenngleich es die nächsten Wochen und Monate zeigen werden, mit welcher Tonalität und mit welchem Treibstoff wir diese Maßnahmen ent­sprechend in Wirkung bringen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dir auch persönlich ganz herzlich dafür Danke sagen, dass es dir gelungen ist, mit den Mitgliedern der Bundesregierung und mit den Sozialpartnern das Corona­kurzarbeitsprogramm entsprechend zu forcieren. Es ist ein Instrument, um Menschen im Arbeitsmarkt, im Arbeitsprozess zu halten. Und auch wenn der Vorredner kritisiert hat, dass du von einer Abflachung gesprochen hast: Na ja, es ist der erste Schritt in eine richtige Richtung, wenn sich die Zahlen schön langsam am Arbeitsmarkt zu dre­hen beginnen. Wir haben die Hoffnung, Frau Kollegin Schumann, dass sich dies - - (Bundesrat Steiner: Ihr dürft nicht hoffen, ihr müsst arbeiten! Ihr seid in der Re­gierung! – Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl – in Richtung Bundesrat Steiner –: He, he, he, junger Mann! – Bundesrat Steiner: Nicht hoffen, sondern arbeiten!) – Kollege Steiner, ich hoffe, du hast auch so viele Kontakte mit Menschen, die in der Wirtschaft stehen, wie ich (Bundesrat Steiner: Da kannst du sicher sein!) – telefonisch, per E-Mail, per SMS. Ich hoffe, sie sagen dir auch, wo sie der Schuh drückt und was ihre Sorgen und Nöte sind. Ich habe diese Kontakte jedenfalls und ich kann dir sagen: Es wird hoch respektiert, dass die Bundesregierung mit dem Bundeskanzler, mit dem Vizekanzler, mit der Arbeitsministerin und mit Minister Anschober da eine großartige Leistung erbringt. (Bundesrat Steiner: Im eigenen Wirtschaftsbund ist es klar, nicht? Im eigenen Wirtschaftsbund!) Und sie haben genug von dieser Politikerpolitik, Kollege Steiner, wie du sie verkörperst! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Ich muss dir das wirklich sagen. (Bundesrat Steiner: Im Wirtschaftsbund! Im Wirtschaftsbund!) – Ich muss dir das wirklich sagen, dass die Menschen zunehmend kein Verständnis dafür haben, dass auf ihre Kosten ein Spiel gespielt wird. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Sie wollen, dass diese Bundes­regierung arbeitet, sie wollen, dass das österreichische Parlament die Maßnahmen der Bundesregierung – wenn auch kritisch – würdigt (Bundesrat Steiner: Durchwinkt!), in Summe aber gemeinsam für das Land das Beste wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin der Frau Bundesministerin sehr, sehr dankbar, dass diese Coronakurzarbeit entsprechend in Wirkung ist; die ersten positiven Pflänzchen zeigen sich bereits am Arbeitsmarkt. Ich bin auch dankbar dafür, dass du die Zahlen so transparent genannt hast; es hat ja im Vorfeld manche Kritik gegeben, dass diese Zahlen nicht transparent wären.

Im Übrigen, Kollege Kaske, war das ein leichtes Foul an der Frau Bundesministerin, denn wenn man sich eure 29 Fragen anschaut, sieht man, 28 davon sind vergan­genheitsgerichtet (Bundesrätin Schumann schüttelt den Kopf) – sie muss die Fragen beantworten und sie hat das auch entsprechend getan –, eine halbe ist dann in die


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Zukunft gerichtet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. (Bundesrat Steiner: Das wird wohl noch jeder Fraktion selbst überlassen sein, was man für Fragen stellt!) – Ja, selbstverständlich. (Bundesrat Steiner: Oder wird das bewertet jetzt?) – Schau, ich gönne dir ja in meiner Redezeit immer wieder die Möglichkeit eines Zwischenrufes! (Bundesrat Steiner: Davon lebt ja die Debatte!) Wenn du so erregt bist, dann treffe ich offenkundig deinen Nerv ganz besonders. Ich sage es dir noch einmal: Die Menschen haben kein Verständnis für diese Art von Politik, wie du sie verkörperst. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Dringlichen Anfrage ist des Öfteren das Wort Sicherheit zu lesen, es ist auch des Öfteren von „Unsicherheit“ zu lesen. In der Tat ist es so, dass Sicherheit ein hohes Gut ist, und vornehmliche Aufgabe der Politik ist es, den Menschen im Lande Sicherheit zu geben. Insbesondere der Schutz von Leib und Leben ist etwas, das existenziell für die Menschen ist, und daher haben sie auch die Maßnahmen der Bundesregierung in den Wochen der Coronakrise entsprechend mitgetragen.

Und der internationale Vergleich macht uns sicher; Herr Bundesminister Anschober hat ja zum vorigen Tagesordnungspunkt auch bereits Zahlen genannt. Ich sage Ihnen nur: Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass diese Bundesregierung so entschlossen gehandelt hat. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass die Österreicherinnen und Öster­reicher, die Menschen, die in Österreich leben, diese Maßnahmen so mitgetragen haben und dass wir ein Gesundheitssystem haben, das den Elchtest bestanden hat – so weit diese Krise fortgeschritten ist –, möge das auch in Zukunft so bleiben.

Meine Frau arbeitet selbst im Gesundheitssystem, und ich weiß, was es an Sorgen und Nöten auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem gibt. Wenn es uns gelingt, durch eigenverantwortliches Handeln die Leistungsgrenzen unseres Gesundheitssystems nicht auszureizen, dann ist uns gemeinsam sehr, sehr viel ge­lungen, und dafür gilt allen, die dazu beigetragen haben, ein besonderes Kompli­ment. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Anschober hat gesagt, dass wir, auf 100 000 Einwohner gerechnet, immer noch sieben Todesfälle haben und dass wir damit aber im internationalen Vergleich relativ gut ausgestiegen sind. Und ich sage Ihnen das als Humanist, auch als Christ und als Christdemokrat: Mir ist der Schutz von Leib und Leben das höchste Gut! Ich bekenne mich daher ausdrücklich zu allen Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, die wir als Parlament auch im großen Maße mitgetragen haben, weil es diesem Schutz von Leib und Leben dient und wir damit nicht in Situationen gekommen sind, wie es beispielsweise in Spanien der Fall war, wie es beispielsweise in Italien der Fall war. (Zwischenruf des Bun­desrates Rösch.) – Bitte? (Bundesrat Rösch: Das ist doch nicht vergleichbar! Die waren zwei Wochen vorher dran und sind alle ins Spital gelaufen!) – Ja, du kannst das eh beim nächsten Tagesordnungspunkt alles leugnen, auch dass das Zahlen sind, die auf dem Tisch liegen, die transparent und klar vor uns liegen! Ich sage dazu: Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir Leib und Leben geschützt haben (Bundesrat Rösch: Aber nicht immer mit falschen Daten ...!) und dass wir das in einem Tempo getan haben, das die Menschen in Österreich gesichert hat! (Beifall bei der ÖVP.) – So, das war der erste Schritt aus dieser Krise.

Der zweite Schritt muss jetzt sein: Wie können wir mit unserer Wirtschaft weitertun? Wie können wir die Unternehmerinnen und Unternehmer gemeinsam mit ihren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern stärken? Ich denke, dass Frau Bundesministerin Aschbacher die ersten Pflöcke, was die notwendigen Maßnahmen betrifft, eingeschla­gen hat.


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Da geht es einmal um die Entlastung der arbeitenden Menschen in diesem Lande; das ist im Regierungsprogramm so vorgesehen und wird auch entsprechend umgesetzt werden.

Es wird zum Zweiten auch notwendig sein, die österreichische Wirtschaft entsprechend zu ökologisieren. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, Wirtschaft und Ökologie sind keine Gegensätze. Es gibt dazu ganz besonders spannende Ansätze und die Bundesregierung wird daraus auch die richtigen Maßnahmen ableiten. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass in der Regionalisierung in Verbindung mit der Landwirtschaft riesige Chancen für uns entstehen, aber auch in der Digitalisierung, wie diese Krise gezeigt hat. So gesehen gibt es da positive Handlungsanleitungen für die Zukunft, und ich wünsche eine gute Hand bei der Erarbeitung der Maßnahmen.

Ich weiß, dass der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung – ich glaube, du (in Richtung Bundesministerin Aschbacher) warst auch dabei – heute schon erste Gespräche mit den Sozialpartnern geführt haben, dass das auch mit den Länder­vertretern, mit den Landeshauptleuten erfolgen wird und dass wir so Schritt für Schritt einen Pfad beschreiten, um Wege aus der Krise, auch aus der ökonomischen Krise zu finden – wir brauchen uns ja nichts vorzumachen, eine Rezession steht vor der Tür –, und aus dieser Rezession und aus dieser Krise hoffentlich auch besser aussteigen können als manche anderen Länder in Europa und in der restlichen Welt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sind aus meiner Sicht die Konsequenzen? – Ich habe in der Schule immer gelernt: Wir haben die Kulturtechniken des Lesens – sinn­erfassend lesen, Kollege Steiner! –, des Rechnens, des Schreibens. Ich würde sagen, wir werden neue Kulturtechniken dazunehmen müssen, ob gewollt oder ungewollt. Ob das die neue Normalität ist oder die normale Normalität sein wird, möge jeder für sich definieren (Bundesrat Rösch: Ein Ausnahmezustand kann nie Normalität sein!), aber es wird jedenfalls so sein, dass wir Abstandhalten, Händewaschen, Desinfektion, aber auch den Mund-Nasen-Schutz entsprechend zu einer Kulturtechnik zumindest für die nächsten Quartale werden weiterentwickeln müssen. Das fällt niemandem von uns leicht, das macht niemand mit besonderer Freude, aber wenn es dazu dient, Leib und Leben zu schützen, nicht nur der Liebsten, sondern der gesamten Bevölkerung in unserem Lande, dann werden wir diese Kulturtechniken, glaube ich, gemeinsam anwenden können.

Lieber Kollege Kaske, Sie haben einige Rezepte angesprochen, wie wir der Wirtschaft Impulse geben können. Ich kann mich in dem einen oder anderen Vorschlag, insbe­son­dere was die Ökologisierung der Wirtschaft betrifft, durchaus wiederfinden. Ich glaube nur, dass mit Utopien des 20. Jahrhunderts die Post-Covid-Wirtschaft des 21. Jahr­hunderts nicht zu machen sein wird. Ich glaube nicht, dass in einer Arbeits­zeitverkürzung das entsprechende Rezept liegt. Ich glaube, es wird in neuen Ideen, in neuen Initiativen und damit in neuen Produkten und in neuen Dienstleis­tun­gen liegen, und damit werden wir Österreich, ich hoffe auch Europa, einen Schritt weiterbringen, um diese Krise gemeinsam gut zu meistern. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

17.12


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Bernhard Rösch. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.13.00

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien) (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hunderteuroscheine abgebildet sind – Heiterkeit bei der ÖVP): Ja, man kann das nicht oft genug sagen! (Rufe bei der ÖVP: Zeigen! – Bundesrätin Zwazl: Du sagst es ja nicht, du zeigst es!)


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Sag Gutes und sag es laut, ja! (Bundesrat Seeber: Das erinnert mich an den Jörgi!) Ja, die Sachen, die gut sind, soll man auch verbreiten! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Interessant war das schon, weil du (in Richtung Bundesrat Buchmann) in deinem Dank über die Schlüsse für die Zukunft und so weiter gesprochen hast. Also – ich habe auf­gepasst – ich habe da keine Schlüsse für die Zukunft gesehen. Die wirtschaftlichen Fragen jetzt zu beantworten ist natürlich auch schwierig (Bundesrätin Zwazl: Das glaub’ ich auch!) und vieles ist Kaffeesudleserei (Bundesrätin Zwazl: Ja!), wenn man es heute machen möchte. Man muss einmal schauen, dass man stabilisiert, man muss einmal wissen: Wo ist denn der Boden? Wo sind denn die wissenschaftlichen Daten?

Ich habe vorhin bei den Ausführungen des Herrn Minister aufgepasst, er hat gesagt: Später werden wir über die evidenzbasierten Daten reden! – Also wenn das pro 100 000 sieben in Österreich waren und 20 in Schweden, wenn das die evidenz­basierten Daten waren (Ruf bei der ÖVP: 27!) – oder 27 –, dann muss ich das jetzt glauben. Ich kann aber natürlich auch sagen, dass pro 10 000 über 80-Jährigen im­merhin 1 200 an anderen Krankheiten versterben – 1 200, man muss das immer in Relation sehen – und 120 an Atemwegserkrankungen.

Wenn man diese Relation sieht, dann sieht man, dass Covid ernst zu nehmen ist, weil es eine Krankheit ist – niemand will, sage ich jetzt, an irgendeiner Krankheit sterben, auch nicht an Covid oder Grippe oder egal, wie die Krankheit heißt –; natürlich muss man schauen, dass man das Mögliche tun kann, aber trotzdem: Es ist und bleibt ganz einfach kein solches Horrorszenario, das es rechtfertigt, eine ganze Wirtschaft so lahmzulegen, nämlich auch psychisch so lahmzulegen, dass man von 100 000 Toten spricht, die Särge und so weiter bemüht (Bundesrätin Zwazl: „Die Särge ... bemüht“!), zu sagen: Jeder wird jemanden kennen und wird schuld sein an sonst irgendetwas, an Toten, an dem Coronavirus und so weiter!, die Leute absichtlich hinunterzuziehen, die Leute an die Kandare zu nehmen, Angst so zu schüren, dass man sagt: Wir können es aber richten, wir wissen, wie es geht!

In Wirklichkeit habt ihr es genauso wenig gewusst wie viele andere, und natürlich hat man sich bemüht, das Beste zu tun – diese Redlichkeit spreche ich vielleicht nicht ab –, aber natürlich ist es so, dass wir erst wieder Fahrt aufnehmen können, wenn wir auch zur Ehrlichkeit dieser Krise kommen und sagen: Was bedeutet denn diese Krise für uns und wie können wir mit diesem Virus leben, bis wir einen Impfstoff haben? – Wir können ja nicht einfach warten und nichts tun (Bundesrätin Zwazl: Medikamente!), sondern das jetzige Hochfahren und so weiter ist ja dem geschuldet, dass man irgend­wann einmal gesehen hat: Hoppla, die Kurve hat sich ja, bevor wir die Maßnahmen gesetzt haben, auch schon etwas beruhigt (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober) – aber ja sicher –, und in Deutschland war es genauso, da ist das Gleiche zu sehen.

Dann gibt es jene Experten, die sich trauen, aufzutreten und zu reden – Universitäts­professoren in verschiedenen Teilen der Welt und auch, erkennbar, wenn man nach Amerika schaut, Ioannidis mit seinen Metastudien, der Nobelpreise gekriegt hat –, die das alle irgendwie auch so weit relativieren, dass man sagt: Okay, Krankheit ist auch ein Teil des Lebens. Wir müssen wirklich das Beste tun, dass niemand daran stirbt, und da müssen wir natürlich an die Risikogruppen denken. Wenn wir die Risiko­grup­pen abgeschirmt und geschützt haben, müssen wir ihnen aber auch Lebensqualität geben, denn was nutzt mir ein Leben, wenn es frei und würdelos ist?

Das ist das, was da angesprochen worden ist, als man gesagt hat, dass man den Menschen die mobile Fußfessel mitgeben möchte – praktisch: wenn sie nicht brav sind, schaut man in die Wohnungen und in die Häuser hinein! –, und man hat da Angst


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geschürt. Dann hat man das wieder zurückgenommen, dann hat man zu Ostern ge­sagt: Na ja, wenn jemand jemanden besucht hätte, wäre das eh nicht so schlimm gewesen, vielleicht wäre das die Möglichkeit gewesen; der andere hat dann gesagt: Na, na, so ist es dann wieder nicht!

Es kennt sich niemand mehr aus. Gott sei Dank sind die Österreicherinnen und Österreicher so klug, dass sie wissen: Was ist ein Meter? Wir brauchen jetzt den Abstand, der schützt mich! Hygiene schützt mich! Ich brauche nicht die Bundes­regie­rung mit der tausendsten Auflage von irgendeiner Veränderung! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist einfach unzumutbar: die vielen, vielen Presseauftritte, bei denen man jedes Mal stückerl- und zizerlweise irgendetwas kriegt, was man sich schon gar nicht mehr merken kann, nur damit ihr da in der vollen Gala aufmarschieren könnt. Es ist ja wirk­lich schon für viele lächerlich, und es ist ja eh auch schon so, wenn man die ganzen Angstbotschaften hört, dass da eher die Sargträger kommen als diejenigen, die irgendwelche Lösungen vorbringen.

Wenn wir über die Arbeitsplätze reden, dann müssen wir ganz einfach auch einmal sagen: Wir müssen diese Krise ganz normal bewältigen, und das heißt: miteinander reden, Experten einladen, alle teilnehmen lassen, auch die Opposition, und vor allen Dingen auch der Bevölkerung praktisch die Möglichkeit der Einsicht geben. Dann, wenn wir uns befreit haben von der Angst vor der Krankheit, vor dem Tod der Lieben, vor dem Arbeitsplatzverlust, vor dem sich Verschulden, Angst vor dem, dass wir nicht mehr leben können, dann wird es auch wieder eine Normalisierung geben. Nur mit der Hoffnung und nur mit der Zuversicht wird auch eine Wirtschaft wieder aufleben können. Das, was Sie da momentan runtergespult haben, ist ganz einfach letztklassig. Um das, was Sie sich herausgenommen haben, zu interpretieren, sage ich: Das steht einem Nichtmediziner einfach nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt wieder zur Dringlichen Anfrage zurückkommen. (Bundesrätin Zwazl: Danke!) Die Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent zu erhöhen, das, finde ich, ist zum Beispiel etwas, was gut wäre, weil es ja sehr viele Menschen gibt, die plötzlich in der Arbeitslosigkeit stehen und weiter ihre Kredite abzuzahlen haben, ihre Miete zahlen müssen, so wie wir alle, Energiekosten, Mobilitätskosten, Handykosten et cetera zu zahlen haben, und die oft ihren finanziellen Rahmen so ausgereizt haben, dass nicht viel Spielraum vorhanden ist. Beim Essen werden sie sehr schwer einsparen können, und wenn sie dann mit den Mietzahlungen und so weiter in Verzug kommen, dann haben diese Menschen noch zusätzliche Sorgen.

70 Prozent sind noch immer nicht 100 Prozent. Da hätte man sich einen Ruck geben können. Ich kann mich noch an einen Presseauftritt erinnern, bei dem alle hinter­einan­der hereingedackelt sind und der Bundeskanzler gesagt hat: „Koste es, was es wolle“. – Da habe ich mir gedacht, diese Show hätte ich mir ersparen können, denn es wird nämlich wieder genau so kommen, dass das Geld bei denen, die es brauchen würden, nicht ankommen wird. Es ist in vielen Teilen viel zu kompliziert gewesen, die Steuerberater haben sich mit der Materie herumgerauft, viele Sachen haben in der EDV erst umgeschrieben werden müssen, das hat alles viel Geld verschlungen. Dem alten Spruch: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!, sind Sie damit nicht gerecht geworden.

Hätten Sie das Epidemiegesetz gelten lassen, hätten Sie es vielleicht ein bisschen im Zaum gehalten, sodass das Budget nicht ganz so explodiert, dann wäre das auch etwas geworden, denn dann hätten die Leute, die das Geld sofort gebraucht hätten, das Geld sofort gehabt. Auch die Unternehmer, die Arbeitsplätze sichern müssen, hätten das Geld sofort gebraucht. Ich kann Ihnen sehr viele Unternehmer zeigen, die richtig verzweifelt sind, genauso wie die EPUs (Bundesrätin Zwazl: Das ist auch ein


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Unternehmen!), die Menschen in den prekären Arbeitsverhältnissen und, und, und. Dazu habe ich in den Antworten beziehungsweise zwischen den Zeilen überhaupt nichts betreffend die Zukunft gehört. Also wo der Kollege das gehört hat, weiß ich nicht.

Ich frage mich, was das heißen soll, wenn die Frau Minister sagt: Das ist ein vorläufiger Höhepunkt! Heißt das, das sind jetzt Arbeitslosenzahlen, das ist vorläufig, dann kriegen wir halt irgendwann mehr - - (Die Tafel mit der Aufschrift „Österreich 1000er“ fällt zu Boden. – Oje-Rufe bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Da fliegt der Tausender runter!) – Ja, das kann passieren, aber man kann sie ja wieder aufklauben. (Der Redner hebt die Tafel auf und platziert sie wieder auf dem Rednerpult.)

Damit es eben nicht so lange dauert, haben wir diese Aktion mit dem Öster­reich­tau­sender gestartet. Sie ist jener von der Gewerkschaft, von der SPÖ ähnlich, sie ist halt ein bisschen anders gelagert. Wir haben gesagt, wir wollen diesen Tausender in Form eines Gutscheines für alle Österreicher, um den Markt wieder zu beleben, um den Leuten praktisch Geld in die Hand zu geben, damit die Inlandsnachfrage gesteigert werden kann; deshalb dieser Österreichtausender.

Nichts von dem wollen Sie! Sie wollen nur eines: Über die WKO und über irgendwelche komplizierten Vereinigungen wollen Sie diese Sachen ganz einfach abwürgen. (Bun­desrätin Zwazl: Kompliziert?! Wovon redest du schon wieder?) Nein, ich will ganz einfach, glauben Sie mir - - (Bundesrätin Zwazl: Du hast im Wirtschaftsausschuss wieder nicht aufgepasst, gell?) – Ja, es ist halt so, dass es viele ÖVP-nahe Organi­sationen gibt, die das einfach nicht wollen. (Bundesrätin Zwazl: Ich kann ja nichts dafür, dass ihr in der Kammer nicht stark vertreten seid! Strengt euch an!) – Es ist ganz einfach so, dass es Gesetze in diesem Staat gibt, und dieser Staat muss doch in der Lage sein, sich selber zu verwalten, ohne dass er von irgendwo außen Hilfe braucht. Um das geht es! (Beifall bei der FPÖ.)

Solange wir hier nicht eine Basis gefunden haben, auf der wir richtig aufbauen können, mit der wir die Österreicherinnen und Österreicher auch wieder ins freie Leben entlas­sen können, solange wird das mit der Wirtschaft leider Gottes immer prekärer werden. Deswegen bitte ich Sie: Schauen Sie darauf, dass das mit der Auszahlung von Zu­schüssen, mit dem Erledigen von Anträgen im Bereich der Wirtschaft schneller funk­tioniert und dass auch beim AMS das, was zugesagt wurde, eingehalten wird! Hier hat es einen Antrag auf Aufstockung um 500 Mitarbeiter gegeben, da wurde versprochen, es wird im Juli umgesetzt. Schauen Sie, dass das entsprechend vonstattengeht! Die Mitarbeiter im AMS haben einen riesigen zusätzlichen Aufwand zu bewältigen. Und was hat man bis jetzt gemacht? – Ein paar Umschichtungen hat man gemacht, und dann hat man ihnen gesagt – da hat man euch ein bisschen über den Tisch gezogen, glaube ich –: Dafür werden wir niemanden abbauen!

Und das alles in einer Zeit, in der die Zahl an Klienten beim AMS explodiert. Das kann doch überhaupt nicht sein, das ist doch unverständlich, da kommen die Kolleginnen und Kollegen beim AMS ordentlich unter Druck. Auch die leben und arbeiten in der Krise, müssen das über Homeoffice machen, haben oft auch Kinder zu Hause, leben also unter den gleichen schwierigen Bedingungen in dieser Krise. Da müssen Sie dafür sorgen, dass dort Abhilfe geschaffen wird.

Und noch einmal: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Beifall bei der FPÖ.)

17.25


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Bundesrat Rösch: Soll ich das Taferl draußen lassen? – Bundesrat Rösch holt sich kurze Zeit später seine Tafel wieder.)



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17.25.48

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Unter dem heute später folgenden Tagesord­nungspunkt 7 beschließen wir mit der Änderung des Arbeitslosenversicherungs­geset­zes die zeitlich befristete Anhebung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosen­geldes, bis Ende September zunächst einmal, mit der Option auf Verlängerung bis zum Jahresende per Verordnung. Dasselbe gilt auch für den Berufs- und Einkommens­schutz – auch mit der Möglichkeit der Verlängerung. Für NotstandshilfebezieherInnen bedeutet dies, dass deren Einkommen um circa 8 bis 9 Prozent erhöht werden.

Die Maßnahme ist wichtig, weil damit das Abrutschen in Armut verhindert wird. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem traurigen historischen Höchststand, und jetzt ist es auch alles andere als einfach, einen Job zu finden. Daher wäre es auch ungerecht, Men­schen, die derzeit aufgrund der Krise kaum eine Chance haben, einen Job zu bekom­men, in die Notstandshilfe rutschen zu lassen.

Es wird jedoch nicht nur die Notstandshilfe angehoben, es wird auch der Familien­härtefonds auf 60 Millionen Euro erhöht und auch für jene Familien geöffnet, deren erwerbsfähige Mitglieder schon vor der Coronakrise arbeitslos waren. Dabei werden 30 Millionen Euro zusätzlich zur Bekämpfung von Kinderarmut bereitgestellt. Damit wurden Kritikpunkte der Armutskonferenz an der bisherigen Ausgestaltung des Fa­milien­härtefonds nicht nur ernst genommen, sondern auch eingearbeitet. Der Bezie­herInnenkreis ist deutlich erweitert worden.

Mit der Erhöhung der Notstandshilfe und der Ausweitung des Familienhärtefonds haben wir ein 110-Millionen-Euro-Paket geschnürt, das den einkommensschwächsten Gruppen in diesem Land unmittelbar zugutekommt.

Es gibt laufend Gespräche zwischen Regierung und Sozialpartnern. Schritte im Be­reich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik werden gemeinsam abgestimmt. Als bestes Beispiel dafür möchte ich die Kurzarbeitsregelung erwähnen. Da wurde innerhalb kürzester Zeit eine gute und tragfähige Lösung erarbeitet. Was will ich damit sagen? – Es gibt einen Dialog mit den Sozialpartnern. Dialog hat etwas mit Augenhöhe zu tun, und diese ist jetzt wieder gegeben. Das unterscheidet diese Regierung auch von der schwarz-blauen Vorgängerregierung.

Ich möchte zur Untermauerung aus einem aktuellen Bericht, der heute auf orf.at zu lesen ist, zitieren:

„Die Regierungsspitze hat sich gestern mit den Sozialpartnerspitzen getroffen, um über Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu sprechen. Nun sind Arbeitsgruppen der Sozialpartner und einiger Ministerien an der Reihe, die in zwei bis drei Wochen kon­krete Maßnahmen erarbeiten sollen. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und WKÖ-Chef Harald Mahrer gaben sich danach zufrieden mit dem Gesprächsauftakt. Lob gab es nach dem eineinhalbstündigen Gespräch von Katzian für das Gesprächsklima, er habe das Gefühl gehabt, dass die Regierung zuhöre, und auch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen sei in Ordnung.“ – So weit der Bericht auf orf.at.

Wir beschließen gerade heute mit der Erhöhung der Notstandshilfe und mit der Auf­stockung und Erweiterung des Familienhärtefonds sozialpolitisch wichtige Maßnah­men. Und was die Erhöhung des Arbeitslosengeldes betrifft, so gilt auch da: Es gibt einen Dialog, und der ist noch nicht zu Ende. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.29


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Michael Wanner. – Bitte, Herr Vizepräsident, ich erteile es Ihnen.



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17.29.55

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Fernsehschirmen und via Livestream! Und vor allem: alle Menschen, die von dieser Coronakrise betroffen sind, und ich glaube, das sind alle in Österreich! Zuerst einmal an Sie, Frau Minister, wirklich ein herzliches Dankeschön! Ich habe noch selten eine solch ausführliche und offene Anfragebeantwortung betref­fend die Zahlen, Daten und Fakten, wie sie jetzt da sind, gehört und gesehen. Das haben andere Minister bei Weitem nicht so toll und ordentlich erledigt. Ich sage aber auch gleich dazu, die Zukunftspläne beziehungsweise die Lösungsansätze haben mir ein bisschen gefehlt, aber zu diesen Kritikpunkten komme ich noch.

Wir haben die schlechtesten Beschäftigungszahlen in der Zweiten Republik, da können wir schauen, wohin wir wollen: Wir haben 570 000 Arbeitslose, und wir haben 1,2 Mil­lionen Menschen in Kurzarbeit. Das heißt: Jeder zweite Arbeitnehmer, jede zweite Ar­beitnehmerin ist davon betroffen, in welcher Art und Weise auch immer. Es ist, glaube ich, unsere verdammte Pflicht, da etwas zu tun, vor allem für die Zukunft.

Es freut mich unheimlich, wenn manche hier herinnen mit den Wirtschaftsbossen und den Wirtschaftschefs reden, wir – wir! – reden mit den betroffenen Köchen, mit den betroffenen Mechanikerinnen und so weiter. Sie sind die Leidtragenden in dieser Situation, und denen muss heute geholfen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Manche Branchen liegen auf dem Boden, da können wir uns vormachen, was wir wollen. Die Tourismusbranche und die Baubranche sind auf dem Boden, die sind zerstört. Ich werde dann einige Beispiele aus Salzburg und Tirol hernehmen, denn uns in Salzburg und Tirol hat es aufgrund der Struktur ja am meisten getroffen.

Die Arbeitslosenzahlen werden allerdings im Herbst noch steigen, das ist hier herinnen auch schon angesprochen worden, denn wenn die Kurzarbeit ausläuft, der Wirtschafts­motor nicht startet, der Tourismus nicht startet, weil Grenzen dicht sind und so weiter, dann werden Leute aus der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit gehen, und auch das müssen wir, das müssen Sie, Frau Minister, heute schon mitbedenken, und dies­bezüg­lich müssen Sie Maßnahmen treffen.

Das Arbeitsmarktservice, meine Damen und Herren, ist am Limit. In der Wirtschafts­krise hat das Arbeitsmarktservice ganze 500 Anträge ausarbeiten, ausfüllen und bear­beiten müssen. Wissen Sie, wie viele es jetzt sind? – 130 000 Unternehmen haben Anträge gestellt, 87 000 wurden jetzt schon erledigt. Die erledigen am Tag mehr als die ganze Wirtschaftskrise hindurch, und deswegen gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmal von hier aus ein kräftiges Lob. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

Ich komme jetzt zum Fremdenverkehr, weil er mein Heimatland betrifft, weil er aber auch das Nachbarland, mein Geburtsland Tirol, betrifft. Auch dort ist die Arbeitslosig­keit im Bereich Tourismus, Fremdenverkehr katastrophal. Die höchsten Anstiege, die es jemals gegeben hat, sind aufgrund des Shutdowns zustande gekommen. Jetzt sage ich nicht, dass der nicht notwendig war, denn irgendwie muss man reagieren, und die ersten Maßnahmen waren durchaus okay. Trotzdem sind es um 30 000 Arbeitslose mehr, das ist eine Arbeitslosenquote von 11 Prozent. Da kann jetzt Salzburg noch sagen: Klass, wir haben einen guten Polster gehabt!, aber es hilft nichts, in Salzburg sind 11 Prozent arbeitslos. Was man sich immer vor Augen halten muss: Wir reden hier nicht von Zahlen, von Prozenten, sondern jeder einzelne Arbeitslose ist eine Exis­tenz, ist ein Mensch, ein Mensch mit Ängsten, ein Mensch mit Zukunftsängsten, aber


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vor allem mit Existenzängsten für sich und seine Familie. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Und diese Angst, Frau Minister, haben wir Politiker zu nehmen. Wenn ich höre, dass man Zukunftsperspektiven finden muss, sage ich: Ja, selbstverständlich. Bei dem, was ich jetzt zu den Zukunftsfragen gehört habe, ist es aber halt schon so: Wenn man fünf Punkte zu einem zusammenfasst, dann kommt halt nur eine Frage für die Zukunft heraus; das müsste man sich genauer anschauen.

Sehr viel. von dem Sie, Frau Minister, gesagt haben: Das haben wir schon gemacht!, war – seien Sie mir nicht böse – aus dem Regierungsprogramm 2020, und das ist auch nichts Neues, sondern das sind Dinge, die ihr schon geplant hattet, und keine Reaktion auf das Jetzt, auf das Heute oder auf das, was wir nächste Woche, übernächste Woche oder im Herbst benötigen. Das hat mir gefehlt, aber vielleicht kommt es ja noch, denn es werden sich, wie ich höre, Expertengruppen mit Sozialpartnern zusam­men­setzen und im Juni dann etwas bringen. – Ja, schön, aber wie lang haben wir jetzt? – 40, 45 Tage nach dem Shutdown, und wenn man jetzt anfängt, um im Juni etwas zu bringen, dann hilft das halt unseren Leuten draußen auf der Straße, am Arbeitsplatz nicht wirklich und nicht viel.

Noch einmal: Tirol und Salzburg sind zwei besonders von Arbeitslosigkeit betroffene Gebiete, vor allem weil Gastronomie, Hotellerie und auch der Bau betroffen sind. In der Gastronomie gibt es einen Rückgang von 50 Prozent, 14 000 Arbeitslose mehr, das sind zwei Drittel aller Beschäftigten, und das ist schon ein Wahnsinn, ein Arbeits­losenanstieg von 130 Prozent in Salzburg und von 190 Prozent in Tirol. (Bundesrat Raggl: Wer kann was dafür? Wer hat’s erfunden?) – Langsam! Dafürkönnen ist das eine, aber jetzt aus dem nicht mehr herauszufinden und keine Zukunftsperspektiven zu geben ist das andere, und ich hätte mir erwartet, dass man dazu jetzt etwas hört. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es kommen ja genau in dem Bereich laufend welche dazu, die Arbeitslosigkeit explodiert, weil die Grenzen noch nicht aufgemacht werden. Der Tourismus wird sich nicht erholen. Der Flugverkehr wird nicht starten, die Gastronomie grundelt auf einem Tiefpunkt herum. Wobei, da fange ich auch zu lachen an: Wenn man auf die Straße geht, muss man einen Babyelefanten Abstand halten und darf sich zu dritt draußen treffen, und ins Wirtshaus darf man hineingehen und sich ganz eng zu viert zusam­mensetzen. Also wo ist da eine Logik? Das verstehe ich nicht, aber vielleicht kann mir das nachher noch jemand erklären.

Aber gut, das ist der Motor, der nicht starten wird, und wir haben da unbedingt etwas zu tun. Dafür sind Sie, Frau Arbeitsministerin, zuständig. Wir haben Festspiele nicht nur in Salzburg, sondern auch in Vorarlberg, die Bregenzer Festspiele, das ist ein Wirtschaftsmotor, der eine ganze Region am Leben erhält.

183 Millionen Euro Wertschöpfung für Salzburg, für Österreich sind es 215 Millionen Euro, 2 800 Arbeitsplätze, umgerechnet auf Vollzeitarbeitsplätze, 3 400 österreichweit. Was passiert mit denen? – Die Salzburger Festspiele lässt man verhungern. Wenn man denen sagt: Sperrt zu, ihr dürft nicht!, dann ist das wahrscheinlich noch die bes­sere Variante, denn wenn ich weiß, dass ich Krebs habe, dann weiß ich, was ich dagegen tue. Die müssen jetzt aber arbeiten, wissen nicht, wie sie proben können, ob sie überhaupt Leute bekommen, ob sie die Karten zurückgeben müssen und so weiter, weil wahrscheinlich aus Deutschland, aus Amerika, aus China und von sonst wo keiner hereinkommt. Damit fließen aber auch die 77 Millionen Euro Steuergeld nicht zurück in den Topf.

In Bregenz ist es nicht anders, die haben eine Wertschöpfung von 98 Millionen Euro und einen Steuerrückfluss von 21 Millionen Euro.


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Der Tourismus ist für die nächste Zeit tot, außer wir finden schnell einen Impfstoff, denn so lange das nicht der Fall ist, habe ich gehört, wird nichts gemacht, werden keine Grenzen geöffnet. Wir müssen uns zuerst alle impfen lassen und so weiter und so fort, von mir aus auch noch tracken lassen, und dann erst dürfen wir wieder touris­tisch tätig werden. – Schön, viel Spaß! Im Zillertal lassen wir im Herbst die Lifte zu, aber vielleicht ist in Ischgl ein Platz frei. (Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

29 Millionen Nächtigungen haben wir allein in Salzburg, davon 6,6 Millionen von Inländern. Jetzt kommt man natürlich auf die glorreiche Idee: Inlandsurlaub müssen wir machen. Ja wer glaubt, dass man von 25 Prozent Inlandsanteil auf 50 Prozent kommt? (Zwischenrufe der BundesrätInnen Raggl und Zwazl.) – Aber nicht einmal die größten Optimisten, zumal man ja in vielen Fällen nur 55 Prozent des Geldes bekommt, und zahlen kann man es auch nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ja, Monika Mühlwerth. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

50 Prozent Einbruch ist das Mindeste, es geht nichts. Und ich sage es noch einmal: Dahinter stehen Menschen. (Bundesrat Preineder: Das wissen wir eh!) Dahinter stehen Einzelpersonen, die sich vielleicht eine Wohnung angeschafft haben, die sie abzahlen müssen, die eine Einrichtung abzahlen müssen, die Kinder ausbilden lassen wollen, die einen Kredit zahlen müssen, die sich das nackte Leben, nämlich Essen, Bekleidung, Wohnung und Heizung, leisten können müssen. Es gibt dann den Vorschlag, für kurze Zeit das Arbeitslosengeld anzuheben, und man sitzt da und sagt: Nein, das kommt aber nicht in Frage! – Das ist irgendwie zum Schämen, irgendwie zum Schämen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Da glauben wohl einige, dass sich diese Leute mit dem Geld Luxusartikel kaufen.

Ich glaube, es ist notwendig, rechtzeitig – am besten schon gestern und vorgestern – Modelle zu entwickeln. Eine Allianz, eine österreichische Allianz für Arbeitsplätze – und ich sage dazu: zur Armutsvorbeugung – gehört geschmiedet. Das sage ich noch dazu, Rudi Kaske, denn: Armut muss von uns hier wahrscheinlich niemand miterleben. Ich habe aber Leute auf meinem städtischen Bauhof, die knapp daran vorbeischrammen. Die haben aber Gott sei Dank noch eine Hacken, weil sie bei der Stadt angestellt sind. (Ruf bei der ÖVP: ... besser!) – Ja, ich weiß es eh, wenn man besser gebettet ist, kann man auch gscheit reden. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Das Anheben der Arbeitslosengelder ist ein Vorschlag und muss eigentlich das Gebot der Stunde sein.

Zum Baugewerbe sage ich jetzt eines, Frau Präsidentin (in Richtung Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler): Der Herr Landeshauptmann hat in Salzburg das Richtige gemacht! Er hat gesagt: Wir investieren, wir geben Geld in die Bauwirtschaft, wir ziehen Projekte vor. – Was macht der Bürgermeister der Stadt Salzburg? – Er sagt (seine Stimme verstellend): Wir müssen das Nulldefizit halten, wir dürfen uns nicht mehr verschulden und das darf überhaupt nicht sein, dass da etwas vorgezogen wird. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Die haben heute eine Budgetkonferenz, in der sie Dinge streichen wollen!

Noch einmal (in Richtung Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler): Gratulation für den Herrn Landeshauptmann! Bitte richten Sie ihm das aus – ich werde es ihm das nächste Mal auch sagen –, und vielleicht bringt er den Bürgermeister der Stadt Salzburg dazu, das anders zu machen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Die könnten ja miteinander reden, außerdem sind sie eh auch befreundet.

Arbeitszeitmodelle gehören neu angedacht. Man kann schon sagen: Ich glaube, das hat keinen Sinn!, es hilft aber nichts. Es gibt Arbeitszeitmodelle mit weniger Arbeit, die mindestens genauso effizient sind. Die 6-8-10-Forderung muss hier in diesem Raum ganz klar und laut ausgesprochen werden. Man kann nämlich auch mit 6 Stunden volle


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Hacken bringen, denn wenn ich am Bau 8 Stunden draußen stehe, kann ich 2 Stunden nur Schweiß abwischen. Auch das sollten sich so manche Wirtschaftstreibende einmal überlegen.

Stärkung beziehungsweise Ausbau des Arbeitsmarktservice ist ein Muss! Die Aktion 45 plus ist ein Vorschlag, der gut ist. Aktion 20 000 ist gut, 45 plus ist der nächste Schritt, der gemacht werden muss. Vielleicht fällt uns allen ja etwas ein – wir sind ja nicht schuld, wie ich da drüben (in Richtung ÖVP weisend) gehört habe –, wie man Gastronomie, Kunst, Kultur, aber auch dem Sport hilft!

Ich meine, was ist denn das für ein Herumgeeiere? Der Bundesliga sagt man: Jetzt wartet einmal! Nein, duschen dürft ihr nicht gemeinsam, Fußball spielen dürft ihr, berühren dürft ihr euch nicht! – Dann sage ich halt Nein, dann können die sich darauf einstellen, oder ich mache es so, wie es auch im Wirtshaus möglich ist, dass ich zu viert einen Ballkampf machen und zu viert anstoßen darf – das wäre doch auch eine nette Sache. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Vielleicht sollte man da aber einmal klare Regeln finden. Nur klare Regeln geben Sicherheit.

Zu den Grenzen: Die werden nicht wir öffnen, aber in Verhandlungen mit Nachbar­staaten muss uns da etwas gelingen.

Frau Minister, es stehen die Budgetverhandlungen an, und Sie sind die Ministerin, die meines Erachtens momentan die wichtigste in diesem Staat ist: Sie sind für Arbei­terinnen und Arbeiter zuständig. Ich hoffe, dass Sie bei diesen Budgetverhandlungen den großen Kuchen für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abstauben werden. (Bundesrat Preineder: Es wird keinen Kuchen geben!) Das wünsche ich Ihnen. Dazu brauchen Sie aber gute, innovative Konzepte, und die müssen rechtzeitig auf dem Tisch liegen. Bitte kämpfen Sie um das Geld der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Schaffen Sie in diesen finsteren Zeiten Leuchttürme, an denen man sich orientieren kann. Diese schaffen Sicherheit und geleiten ziemlich gut. Das müssen aber schon Sie mit Ihrem Team machen. (Bundesrat Preineder: Ihr könnt es eh nicht!)

Die Pflege wurde besprochen, ich strapaziere sie nicht mehr, denn das Pflegepersonal, das sind ja unsere Heldinnen und Helden überhaupt. Die vergessen wir aber gleich wieder einmal, und ich bin mir sicher: Gar so viel werden wir für die nicht machen, oder (in Richtung Bundesminister Anschober, der auf sein Tablet blickt) ist da schon etwas in Planung, Herr Sozialminister? (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Ruf: Der passt nicht auf!) – Nein, es geht ja um die Pflege, ist ja nicht so wichtig.

Noch einmal (Bundesrat Schennach: Die Salzburgerin Edtstadler telefoniert ...!) – der Sonderzug nach Wien –: „Koste es, was es wolle“, es wird niemand zurückgelassen – doch die Hilfe kommt oft weder rasch noch unbürokratisch genug, und manchmal kommt sie nie. Frau Minister, ich hoffe und ersuche Sie im Namen aller ÖsterreicherIn­nen: Bleiben Sie Arbeitsministerin und werden Sie nicht zur Arbeitslosenverwalterin! – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

17.46


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.46.45

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Red­nerpult, auf der vor rot-weiß-rotem Hintergrund in weißer Schrift „Allianz gegen Corona­wahnsinn.at – Jetzt reicht’s!“ zu lesen ist und drei Coronaviren symbolisch abgebildet sind. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie sehen schon, die Freiheitlichen haben heute den


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Tag der Taferl ausgerufen. Ich darf das kurz erklären, weil das sonst ja wieder zu Miss­verständnissen führt. Ich spreche da insbesondere Sie an, Herr Kollege Buchmann, denn Sie haben gesagt, dass die Menschen kein Verständnis für die Art von Politik haben, wie sie die Freiheitlichen betreiben. Und jetzt schreiben wir auf das Taferl schon wieder das, was unserer Meinung nach die derzeitige Situation ist, nämlich Coronawahnsinn. Das Wort haben wir bewusst plakativ gewählt. Man kann eine Kritik oft, wenn man den Kern zusammenfassen will, mit nur einem Wort ausdrücken, und ich komme in meiner Rede noch dazu, warum es aus unserer Sicht ein Wahnsinn ist.

Wenn Sie schon sagen, die Menschen haben kein Verständnis dafür, dass wir Frei­heitliche Kritik an der Regierungspolitik üben, dann muss ich Ihnen dazu aber schon sagen: Sie können vielleicht die Medien dazu erziehen, dass sie Hofberichterstattung betreiben, uns Freiheitlichen aber und auch den anderen Oppositionsparteien muss es schon möglich sein, im Hohen Haus Kritik am Vorgehen der Regierung zu üben (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ), und vor allem, meine Damen und Herren – das für alle, die sich dafür interessieren und das vor dem Fernseher verfol­gen –, für eine andere Linie zu werben, darzustellen und klarzustellen, wie es die Frei­heitlichen gemacht hätten, wenn sie die Regierungsverantwortung gehabt hätten.

Sie können mit Ihrer Regierungsmehrheit ohnehin das tun, was Sie für richtig halten. Unsere Aufgabe als Opposition ist es, zu sagen, was wir anders gemacht hätten. Wir sind keine Lebensgefährder – wir sind ja nicht naiv. Wir waren für den Lockdown, das kann man ja auch alles nachlesen, das ist keine Behauptung im Nachhinein. Vom Jänner weg haben wir Freiheitlichen als eine der ersten Fraktionen, wenn nicht über­haupt als einzige Fraktion gesagt: Man muss diesen Virus, der aus dem Ausland gekommen ist, ernst nehmen, man muss sich Grenzschließungen überlegen, man muss schauen, dass die Grenzen dichtgemacht werden, womöglich den Virus damit aus dem Land draußen halten; und wenn man das nicht schafft, dann wären wir natürlich auch für den Lockdown gewesen. Ab einem gewissen Grad ist es ja sonst nicht mehr möglich, den Virus einzudämmen.

Das stellt ja auch überhaupt niemand infrage, das meinen wir nicht mit Corona­wah­nsinn. – Wenn Sie das an uns kritisieren, wenn Sie kritisieren, dass das unsere Linie wäre, dann hauen Sie damit einen Strohmann. Sie bauen einen Strohmann auf und hauen dann diesen. Das ist ja nicht das, was wir vertreten. – Das einmal zur Klar­stellung. Der Lockdown war ursprünglich schon richtig.

Sie sind aber einfach Spätzünder – man muss es auch wieder so plakativ sagen. Schon vor zwei Wochen hätte man den Menschen und der Wirtschaft die Sicherheit geben müssen, die sie brauchen. Wir haben von Planung, Sicherheit und Zukunfts­perspektiven, die es noch immer nicht gibt, schon sehr viel gehört.

Wir haben auch andere Dinge kritisiert. Das kann man alles nachlesen. Wir haben Abänderungsanträge gestellt, mit denen klargestellt wäre, dass das Epidemiegesetz weiterhin die Grundlage sein soll. Man kann ja darüber reden, dass man dann den Entschädigungsanspruch der Höhe nach begrenzt. Wenn Sie sich erinnern können, ich habe bereits an genau jenem Tag, an dem wir gemeinsam das erste Gesetz, das COVID-19-Maßnahmengesetz beschlossen haben, angesprochen, dass das der rich­tige Weg gewesen wäre. Sie haben gesagt: Nein, das machen wir alles über Förde­rungen! – Ich habe gesagt, das ist viel zu bürokratisch. Genau das ist passiert, genau das, was wir kritisiert haben, wovor wir gewarnt haben, ist eingetreten, nämlich dass durch die Überbürokratie, die die Politik der ÖVP ist, jetzt eine Situation eintritt, in der die Unternehmer im Stich gelassen wurden – und dann braucht man sich auch über die hohe Zahl an Arbeitslosen nicht mehr zu wundern. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir haben jetzt den 1. Mai. Es ist also schon einige Zeit her, seit diese Maßnahmen das erste Mal beschlossen wurden, seit der Lockdown veranlasst wurde. Das müssten jetzt schon mehr als acht Wochen gewesen sein – seit 15. März war es im Wesent­lichen. Jetzt sagen wir Freiheitlichen: Wir wollen die Maßnahmen nicht generell auf­he­ben, sondern sie einfach einmal auf das wirklich Notwendige beschränken, um Öster­reich wieder zu entfesseln, um den Menschen – und das klingt wie eine Plattitüde, aber das ist einfach die Wahrheit – wieder die Zukunftsperspektiven zu geben. Man soll sie nicht gängeln, sondern jetzt klarlegen, wann es wieder weitergehen kann, und das mit so behutsamen Eingriffen wie möglich.

Abstandsregelungen sind ja okay, das haben wir schon gehört. Hygienemaßnahmen kann man empfehlen, das ist überhaupt keine Frage. Das Allerallerwichtigste ist aber, dass die Unternehmen wieder investieren können, Arbeitnehmerinnen und Arbeiter­nehmer aus der Kurzarbeit zurückholen und sie wieder einstellen können und dass sie wieder die Zuversicht haben, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Was hindert sie daran? – Ich kann das, was mein Vorredner von der SPÖ, Kollege Wanner, gesagt hat, fast zu 100 Prozent unterstreichen, denn das sind auch unsere Kritikpunkte. Das Einzige, bei dem ich nicht ganz bei der SPÖ bin – und das betrifft ja das Thema der heutigen Dringlichen Anfrage –, ist, dass ich die Hauptverantwortung oder Zuständigkeit nicht bei der Frau Bundesministerin für Arbeit sehe, die ja nichts anderes tun kann, als den Sachverhalt festzustellen und die Zahlen zu liefern, die sie angefragt haben.

Was also soll man denn tun? – Man muss als Politik doch zur Kenntnis nehmen, dass nicht der Staat die Arbeitsplätze schafft – wir sind ja nicht im Kommunismus –, sondern dass die Wirtschaft die Arbeitsplätze schafft, das ist vor allem das private Unterneh­mertum. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie anfragen, welche Qualifikationsmaßnahmen und Schulungsmaßnahmen ge­plant sind, dann ist das natürlich für die Statistik und für das Wissen interessant. Ich sage ja auch gar nicht, dass jede Schulung vollkommen überflüssig ist, das sage ich nicht, aber sie geht einfach am Ziel vorbei, da es ja völlig unmöglich ist, ohne Arbeits­plätze, die in so einer hohen und gravierenden Zahl verloren gehen, einen Arbeit­neh­mer so weiter zu qualifizieren, dass er auf jeden Fall wieder einen Job bekommt. Wo soll denn der Job herkommen? Der Arbeitsplatz ist ja weg. Genau das ist die Situation. Dagegen kann auch eine Arbeitsministerin nichts tun und daran nichts ändern. Wenn man sich die Frage stellt, was denn die Ursache ist, können Sie sagen: Na ja, die Coronakrise. – Ja, das ist der Spin der Bundesregierung. Die Coronakrise ist schuld, dass wir jetzt so viele Arbeitslose haben. Das ist aber nur die mittelbare Ursache, meine Damen und Herren.

Die unmittelbare Ursache, warum das Land jetzt nicht wieder aufsperrt und die Dinge wieder normal in Gang kommen – und da schaue ich jetzt eher in Ihre Richtung, Herr Bundesminister –, ist die COVID-19-Lockerungsverordnung, die seit 1. Mai gilt.

Sie ersetzen damit die bisherigen Verordnungen – nur dass man das juristisch auch noch einmal klärt. Sie nennen das COVID-19-Lockerungsverordnung und regeln darin alle möglichen Verbote. Sie schränken damit das wirtschaftliche Leben so ein, dass ein normales Leben weder für die Österreicher, weder für die Arbeitnehmer noch für die Unternehmer möglich ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich gebe Ihnen kurz ein Beispiel. Das ist, glaube ich, der Kern. Die Anfrage der SPÖ betrifft Symptome, betrifft die Fragen: Wie können wir mit dem Symptom der Arbeits­losigkeit umgehen? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wie können wir die Arbeitslosigkeit verwalten? (Bundesrätin Schumann: Na, net verwalten!)

Die Ursache ist etwas anderes. Die Ursache ist das, was Sie Lockerungsverordnung nennen, Herr Bundesminister. Sie haben den Gastronomen nach wie vor durch diese


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Lockerungsverordnung verboten, ihre Gastronomiestätten wieder aufzusperren. Sie schreiben: Das gilt bis 30. Juni. – Jetzt haben Sie in der Pressekonferenz gesagt: Na gut, das kommt noch. – Ja, das kommt noch. – Bitte, es ist jetzt anderthalb Monate her, dass Sie die Regelungen hätten vorbereiten können, die jetzt in der Verordnung schon nachzulesen sind. Man kann ja schreiben, das tritt erst später in Kraft. Das kann man ja schreiben, das tritt erst zwei Wochen später in Kraft. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) Man hätte aber jetzt den Gastronomen die Rechts- und Planungssicherheit geben können, wie genau sie denn ihre Gaststätte vorbereiten müssen, damit sie all diese Maßnahmen auch tatsächlich sicherstellen können. Es geht um Kleinigkeiten wie beispielsweise Desinfektionsmittel in den Waschräumen oder Ant­worten dahin gehend, ob man einen Salzstreuer auf den Tisch stellen darf – diese Dinge.

Das sind alles kleine Dinge, die können Sie nicht auf einer Pressekonferenz verkün­den, und Sie können nicht davon ausgehen, dass sich die Menschen daran orientieren. Die Menschen wollen sich gerne wieder – und das haben wir eigentlich in einem Rechtsstaat gelernt – an der Rechtsordnung orientieren, an Gesetzen, an Verord­nungen. Diese müssen rechtzeitig erlassen werden und nicht 1 Minute vor Mitternacht, vor Inkrafttreten, Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte bei der Lockungsverordnung bleiben, weil sie aus meiner Sicht die Ursache für die grassierende Arbeitslosigkeit ist. (Ruf: ... seit 1. Mai!) Ich werfe Ihnen wirklich vor, Herr Bundesminister, dass Sie die Österreicherinnen und Österreicher behandeln, als wären sie Volksschüler. Sie waren eindeutig zu lange in Ihrem früheren Beruf; man merkt in Ihrer ganzen Politik, dass Sie die Menschen wie Volksschüler behandeln. (Heiter­keit und Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Die Menschen fragen sich ganz einfache Dinge. Die Menschen fragen sich: Was darf ich tun und was nicht? – Sie schaffen es nicht, den Menschen das Richtige zu erzäh­len, und Sie schaffen es dabei auch nicht, die Regeln klar zu definieren und sie ihnen klar zu erläutern. Die Menschen stellen ganz einfache Fragen. Ich mache jetzt ein Beispiel, bitte nehmen Sie den Kern wörtlich und nicht die Form. Ich nehme jetzt eine typische Österreicherin, 17 Jahre alt, sie fragt ihre Tante, beispielsweise die Frau Arbeitsministerin: Ich möchte endlich gerne wieder arbeiten gehen und Geld verdienen. Die Antwort ist – und ich verstehe auch warum –: Ich kann dir das leider nicht ver­sprechen. Woher sollen denn die Arbeitsplätze kommen? Ich kann dir das nicht ver­sprechen, aber ich kann dir etwas mehr Arbeitslosengeld anbieten, ich kann dir eine verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes anbieten. Ich kann dir einige Schu­lungen anbieten, aber ich kann dir keinen Arbeitsplatz versprechen. Das ist die Wahr­heit.

Frau Österreicherin resigniert, weiß, dass alles wegen Corona schwierig ist, hat auch Verständnis und fragt jetzt ihre Eltern. Papa Rudi, Papa Sebastian, darf ich wenigstens mit meinen Freunden in ein Kaffeehaus gehen? Antwort – das ist geltende Rechtslage, bitte! –: Nein, § 6 Lockerungsverordnung, vielleicht in zwei Wochen unter bestimmten Bedingungen, aber die wissen wir noch nicht, die kommen vielleicht in zwei Wochen. –Frau Österreicherin fragt: Darf ich mich wenigstens mit meinen Freunden im Skatepark treffen? Wir halten auch einen Babyelefanten Abstand. – Die Antwort: Nein, das ist eine öffentliche Sportstätte, das geht gar nicht, § 8 Lockerungsverordnung. – Die Frage: Was ist mit der freien Parkfläche und dem Spielplatz gleich daneben? Dürfen wir uns dort treffen? – Antwort: Nein, generell darfst du Einrichtungen, die der Unter­haltung, der Belustigung oder der Erholung dienen, gar nicht betreten. Darunter fallen beispielsweise Freizeitparks. – Frau Österreicherin sagt und wendet ein: Aber das ist doch gar kein Freizeitpark, das ist ein ganz gewöhnlicher Park. – Die Antwort ist – und


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das ist genau der Punkt –: Das werden sich dann die Behörden von Fall zu Fall über­legen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Onkel Werner ergänzt noch: Wir sind ja keine Detailminister für alles und jedes, also: Betreten auf eigene Gefahr! Den Rechtsanwalt für den Einspruch zahlen wir dir sicher nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Österreicherin sagt dann: Dann darf ich doch wenigstens meine Freunde zu uns in den Garten einladen? – Sie wollen aber gar nicht, dass sich jemand privat trifft. Das scheint Ihnen zu gefährlich zu sein. Sie wissen bereits seit dem Ostererlass, dass das ein heikles Thema ist, und sagen daher in der Verordnung: Zusammenkünfte mit mehr als zehn Personen sind untersagt. Das gilt nicht für den privaten Wohnbereich. Ob auch unser Garten darunter fällt, sage ich dir nicht. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Ich sage dir auch nicht, ob die Abstandsregeln einzuhalten sind und ob ihr im Haus eine Maske tragen müsst. Das musst du bitte selbst beurteilen, lies einmal § 10 Abs. 4 meiner Lockerungsverordnung. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich empfehle dir jeden­falls, diese Regelungen auch im privaten Wohnbereich einzuhalten. Papa Sebastian ergänzt noch: Keine Sorge, wir werden den privaten Bereich vorerst nicht kontrollieren! (Bundesrätin Mühlwerth: ... vorerst!)

Meine Damen und Herren, das ist der Grund – plakativ gesprochen –, warum wir diese derzeitige Situation jetzt im Mai 2020 als Coronawahnsinn bezeichnen – als Wahnsinn. Das ist auch etwas, was die Menschen nicht mehr verstehen und was man ihnen auch nicht mehr erklären kann.

Jetzt fragen wir uns noch einmal, wie hoch denn derzeit das Risiko ist, dass man in Österreich jemanden trifft, der aktuell an Corona erkrankt ist. Wenn man sich heute die Studienergebnisse ansieht, die auch im „Kurier“ veröffentlicht sind, kann man sagen, es dürften – unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer, weil die Studie ja schon wieder einige Tage alt ist – etwa 3 000 Infizierte sein. Darauf wird es ungefähr hinauslaufen. Das ergibt bei knapp 9 Millionen Einwohnern nach Adam Riese dann, dass die Chance, dass man jemanden auf der Straße trifft, relativ gering ist. Aktuell sind 0,03 Prozent infiziert, das ist jeder Dreitausendste. – Und da wundern Sie sich, dass wir anfangen, uns die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu stellen? (Beifall bei der FPÖ.)

Die Österreicher sind sehr kluge Menschen. Sie haben auch Verständnis dafür und sie schätzen es auch, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen hat und sich Sorgen um die Gesundheit macht. Das ist überhaupt nicht der Punkt, aber jetzt kom­men die 17-jährige Österreicherin und jeder andere Österreicher, der ein bisschen selber denkt, zum Schluss und sagen: Ich weiß jetzt, dass ich Abstand halten muss, ich weiß, dass ich Hygienemaßnahmen treffen muss. Ich passe auf, ich schau auf dich, ich schau auf mich, ich brauche aber keine Helikoptereltern mehr, die mir das tag­täglich sagen und mir darüber hinaus noch überzogene Betretungsverbote verordnen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Was meine ich mit überzogenen Betretungsverboten? – Das ist auch etwas Wirtschaftsrelevantes, das ist auch etwas, womit die Wirtschaft ins Mark getroffen wird, denn nur dann, wenn sich die Menschen wieder normal bewegen können, und zwar in der alten Normalität und nicht in der neuen, die wir gar nicht haben wollen, kommt auch die Wirtschaft wieder in die Gänge. Nur dann haben die Menschen auch wieder Lust, zu konsumieren und ihre Freizeit so zu nutzen, wie man die Freizeit eben normal nutzen möchte.

Ein einfaches Beispiel: Was ist ein überzogenes Betretungsverbot? – Die Stadt Linz hat sich überlegt: Na gut, wenn schon Kinos zu gefährlich sind, als dass man diese besucht, dann organisieren wir doch am Urfahraner Marktgelände ein Autokino. Die


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Stadt Linz organisiert alles mit privaten Betreibern. Das war alles auf Schiene, das hätte so beschlossen werden können, wurde von der Stadtverwaltung vorbereitet. Seit 1. Mai wissen wir: Das ist verboten; siehe § 9 Abs. 2 der Lockerungsverordnung. – Projekt gestorben.

Der Tiergarten in Wels hatte schon seit Mitte April wieder geöffnet; der musste jetzt wegen § 9 Abs. 2 Ihrer Lockerungsverordnung wieder schließen.

Die nächste Frage: Darf man alleine an einen Badesee fahren und dort die Früh­lings­sonne genießen, wenn man verspricht, man hält einen Babyelefanten weit Abstand und geht auch nicht ins Wasser? – Ihre Antwort: seit 1. Mai nur, wenn dort kein Bade­betrieb stattfindet. – § 9 Abs. 2 Ihrer Lockerungsverordnung.

Was bedeutet denn das eigentlich? (Bundesrat Seeber: Was ist denn die Anfrage an die Frau Ministerin?) – Der Kärntner Landeshauptmann hat durch einen medien­wirk­samen Sprung in den Wörthersee die Kärntner Badesaison eröffnet und gerade damit unwillentlich ein Betretungsverbot für den gesamten Badebereich ausgelöst. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Ich habe jetzt noch eine Frage, Herr Bundesminister (Bundesrat Seeber: An die Frau Minister, hat es geheißen! ... Kabarettsendung!): Wie kommt man denn in so einer Situation überhaupt auf den Namen Lockerung? – Wenn das eine Lockerung ist, dann will ich nicht wissen, wie Sie sich eine Anspannung oder eine Verschärfung dieser Maßnahmen vorstellen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist die Ursache. Sie fragen sich, was die Ursache der Arbeitslosigkeit ist, und ich sage Ihnen: Diese Lockerungsverordnung ist die Ursache für die Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist sogar der Kern unseres Themas. Diese Lockerungs­ver­ordnung, die keine Lockerungsverordnung ist, ist genau das Thema. Und jetzt stelle ich Ihnen noch einmal die Frage: Wie kommt man angesichts des Inhalts dieser Verord­nung auf den Namen Lockerungsverordnung?

Sie sollten wohl die Überschrift treffenderweise nicht Lockerungsverordnung, sondern Lockdownverordnung oder auf gut Deutsch Einsperrverordnung nennen, wenn Sie schon an dieser Zusperrverordnung festhalten wollen und nicht bereit sind, wie wir Freiheitlichen das fordern, Österreich wieder zu entfesseln und den Menschen wieder ihre Freiheit und ihre Selbstverantwortung zurückzugeben, also mehr mit Empfeh­lungen und nicht mit Verboten zu arbeiten.

Wenn Sie schon dazu nicht in der Lage oder nicht bereit sind, weil Sie sich zu viele Sorgen machen, dass dann doch wieder die Österreicherinnen und Österreicher das tun, was Sie nicht wollen, dann treffen Sie doch bitte zumindest Ihre Regelungen so klar, dass die Menschen ihr Verhalten auch danach ausrichten können, damit die Unternehmer Planungssicherheit gewinnen und wieder bereit sind, Menschen einzu­stellen und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Das ist ja keine akademische Frage, Herr Bundesminister. Das ist ja keine akade­mi­sche Frage! Ein einsamer Läufer wird bestraft, weil er einen Klimmzug an einer Stange in einem Park macht – ein einsamer Läufer, der jeden Abstand eingehalten hat; da war niemand anderer.

Ein Wiener Gastwirt wird bestraft, weil er in seinem eigenen Gastlokal war – weil er die Zeit nutzen möchte –, um Renovierungsarbeiten durchzuführen. Da ist es nicht darum gegangen, dass irgendwelche Abstandsregelungen nicht eingehalten wurden oder dass irgendeine Lärmerregung verursacht wurde, sondern da ist es nur darum gegan­gen, dass das Betretungsverbot verletzt wurde.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 85

Die Menschen wurden also zunächst einmal zu Recht in erster Instanz bestraft, und sie werden alleingelassen, weil sie den Weg bis zum Verfassungsgerichtshof gehen müs­sen, um einmal herauszufinden, ob das wirklich auch verfassungskonform ist oder nicht. Wir reden da also über einen ganz grundrechtssensiblen Bereich, den Sie mit überzogenen Maßnahmen einfach missachten. Das ist der Vorwurf. Wenn Sie das schon machen, dann tun Sie es zumindest so, dass Missverständnisse ausgeschlos­sen sind.

Da rede ich ja noch gar nicht einmal über die fehlende Grundlage. Sie haben wieder Versammlungen geregelt – das muss man nämlich auch einmal berücksichtigen –, obwohl Ihnen das Epidemiegesetz das gar nicht gestattet. Das Epidemiegesetz ge­stattet es den Bezirksverwaltungsbehörden, dies zu tun. Wenn Sie also ein Versamm­lungsverbot erlassen wollen (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler gibt das Glocken­zeichen), dann müssen Sie das über den Weg der Bezirksverwaltungsbehörden tun.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sie haben noch 30 Sekunden, um einen Antrag einzubringen.


Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (fortsetzend): ... weggenommen, die noch nicht existiert, weil es hier noch gar nicht beschlossen wurde. Sie holen sich die gesetzliche Ermächtigung erst im Nachhinein, und mein Punkt ist - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich komme schon zum Schluss: Bitte regeln Sie wenigstens Ihre Verbote, die Sie haben wollen, so, dass man sich auskennt und dass es keine Missver­ständ­nisse gibt!

Ich habe daher einen Entschließungsantrag vorbereitet. Dieser liegt Ihnen in schrift­licher Form vor, und ich stelle diesen auch nun im Namen der freiheitlichen Bun­desratsfraktion:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „legistische Klarstellungen zur COVID-19-Lockerungsverordnung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert die geltende COVID-19-Lockerungsverord­nung, kundgemacht im BGBI 11 Nr. 197/2020 vom 30. April 2020, unverzüglich wie folgt abzuändern:

1. Klarstellung in § 11 Abs. 1, dass der private Wohnbereich einschließlich aller zugehörigen Flächen und Einrichtungen (Balkone, Terrassen, Gärten, Garagen usw.) nicht nur vom Betretungsverbot gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 und einer Höchstgrenze für Zusammenkünfte gemäß § 10 Abs. 1, sondern vom gesamten Inhalt der Verordnung ausgenommen ist,

2. Klarstellung in § 9 Abs. 2 Z 1, dass der Begriff des ,Freizeitparks‘ nur kommerziell genutzte Einrichtungen umfasst und gewöhnliche Parkanlagen und Spielplätze von dem in § 9 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 2 Z 1 angeordneten Betretungsverbot für Freizeitein­richtungen ausgenommen sind.“

*****

(Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.07



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 86

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend „legistische Klarstellungen zur COVID-19-Lockerungsverordnung“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsobmann Karl Bader. – Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.


18.07.49

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Zunächst möchte ich mich dem Dank meines Fraktionskollegen Christian Buchmann an die Frau Arbeits­ministerin für die umfangreiche Beantwortung der Anfrage anschließen.

Wir haben eine Situation, die wir in dieser Form noch nie in dieser Zweiten Republik gekannt haben. Das ist aufgrund der Antworten und aufgrund der Arbeitslosenzahlen, die wir heute aktuell auch vorliegen und präsentiert bekommen haben, festgestellt wor­den. Aufgrund dieser Zahlen ist es natürlich auch entsprechend notwendig und erfor­derlich, Maßnahmen zu setzen, und das ist die Grundlage der Arbeit der Bundes­regierung seit Beginn der Bewältigung dieser Coronakrise.

Mir ist schon klar, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass man hier heraußen manche Dinge ein bisschen plakativer, ein bisschen aufgeregter vorträgt, aber mir war eigentlich bis jetzt nicht bewusst, dass die Salzburger Festspiele fast schon ein Kabarettprogramm dabeihaben. Die Sorge um die Menschen, die arbeitslos geworden sind, die in Kurzarbeit sind, das ist eine Sorge, die uns hoffentlich alle eint, das möchte ich hier klar und deutlich auch betonen. Und wenn wir jetzt in die Zukunft gerichtet denken, dann muss auch klar sein, dass man das, was die Bundesregierung in den Pressekonferenzen angekündigt hat und worüber sie informiert hat, auch mit­nimmt. (Bundesrat Steiner: ... andere Sprache!) Es ist von Beginn dieser Krise an keine Aufgabe der Bundesregierung gewesen, diese Krise im Geheimen abzuwickeln. Es ist alles sehr offen und transparent geregelt worden.

Gäbe es diese Informationsfülle und diese Informationsvielfalt seitens der Bundes­regierung nicht, würde ich ja klar und deutlich akzeptieren können, dass ihr als Opposition entsprechend einfordert, dass es Maßnahmen zur Information gibt. Das wurde gemacht und das ist, glaube ich, schon eine große und positive Qualität in der Bewältigung dieser Krise, dass diese Informationen sehr breit und sehr transparent weitergegeben wurden. Ich möchte allen Mitgliedern dieser Bundesregierung dafür auch sehr, sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Es ist aber natürlich auch in dieser Situation wie oft im Leben von uns allen: Gerade in der Politik gibt es halt Situationen, in denen man andere Meinungen hat, sich aus­tauscht. Auch heute haben wir Gesetzesvorlagen auf der Tagesordnung, in die wir natürlich auch die Meinung der Opposition eingearbeitet haben. Die Regierung hat sich ja auch mit Sozialpartnern intensiv auseinandergesetzt; heute wurde hier darüber schon entsprechend berichtet.

Es ist aber auch ein Fakt: Wir haben eine Verantwortung den Menschen gegenüber. Bei den Entscheidungen, die zu treffen sind, auch jetzt bei den Lockerungs­maßnah­men, wird ganz klar nach der Entwicklung der Infektionszahlen vorgegangen. Die Ge­sundheit ist dabei das oberste Prinzip und daher auch die Grundlage für die Entschei­dungen, die zu treffen sind. Die Entscheidungen basieren auf der Beratung der Experten, die dieser Bundesregierung zur Verfügung stehen. Es wurde schon ange­merkt: Auf der Homepage ist nachzulesen, wer die sind, beziehungsweise war – ich


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glaube, es war am 12., 13. März – im „Kurier“ ein Artikel, in dem alle Experten auf­gelistet wurden. Daher verstehe ich auch die Bilder, die da und dort gezeichnet werden, nicht ganz. Also ich tue mir dabei, wenn Kollege Rösch hier steht und sagt: Na ja, eigentlich sind die Maßnahmen eh gar nicht so notwendig gewesen!, schon ein bisschen schwer.

Es ist auf der einen Seite schwierig, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Die einen nehmen Situationen und entsprechend intensive Maßnahmen (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), die gesetzt werden, ernst – wir haben einen Verlauf, der sehr positiv für Österreich ist, darin sind wir uns ja einig (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, andere nehmen das nicht so ernst und müssen sich auch der Kritik stellen, wie es denn deren Meinung nach sein sollte. Diese Besserwissergeschichte muss ich gerade dir, lieber Kollege Rösch, schon ein bisschen mitgeben, das möchte ich hier schon angemerkt haben und angemerkt wissen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ihr seids auch Besserwisser!)

Zum Zweiten: Es ist natürlich klar, dass Kollege Schilchegger hier sehr plakativ aufgetreten ist, dafür habe ich ja bei einem Oppositionspolitiker auch Verständnis (Bundesrat Steiner: Das ist die Wahrheit! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), aber es ist etwas, von dem ich denke, dass die Freiheitlichen mit wenig Sicherheitsreserve auf Vollgas fahren; so möchte ich das bezeichnen. (Bundesrat Steiner: War das falsch?) Zunächst hat Klubobmann Kickl es nicht erwarten können (Zwischenrufe bei der FPÖ), den Shutdown zu machen – Sie haben den Shutdown nicht verteufelt, keine Frage, Sie stehen dazu –, aber jetzt geht es in die umgekehrte Richtung auch wieder mit Vollgas und vielleicht, das ist meine Kritik (Zwischenruf bei der FPÖ), mit zu wenig Sicherheit.

Die Bundesregierung hat schon mehrmals klargemacht: Wir wollen natürlich zurück zu einer – auch wenn sie neue Normalität heißt Normalität. (Zwischenruf des Bun­desrates Rösch.) Ich weiß schon, wir sind in einer Ausnahmesituation (Bundesrat Rösch: Genau!) und wollen wieder in ein normales, geregeltes Leben zurück, aber die Devise der Bundesregierung heißt: so schnell wie möglich, aber auch so einschränkend wie notwendig. Das ist das Ziel, und in diese Richtung wollen wir uns bewegen. – Nochmals herzlichen Dank für Ihre Ausführungen, Frau Bundesministerin!

Ich wünsche auch, dass die Ziele (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die jetzt vorgegeben wurden, die Aufträge für die Erarbeitungen in Bezug auf die Zeit nach dieser Krise, die bereits an die einzelnen Minister hinausgegangen sind – mit den Sozialpartnern wurde es auch schon besprochen –, und diese Maßnahmen möglichst rasch auf den Tisch kommen, sodass wir als Teil des parlamentarischen Gefüges in unserer Republik hier in Bälde wieder gefordert sind, diese auch mitzutragen. Dafür wünsche ich uns alles, alles Gute. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

18.14

18.14.48


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „legistische Klarstellungen zur Covid-19-Lockerungsverordnung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 88

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (291/E-BR/2020)

18.15.30Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.16.10

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Und auch einen schönen Gruß an alle Zuschauer vor den Bildschirmen! Wir werden nach dieser Debatte über zwei Gesetzesbeschlüsse abstimmen; ich möchte mich einem davon ein bisschen näher widmen.

Ich möchte Ihnen, den Grünen, für die ja 600 000 Euro im Vergleich zum Budget eigent­lich nichts sind, nur gratulieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) 600 000 Euro – ich meine, das muss man sich einmal wirklich vergegenwärtigen: 600 000 Euro, die nicht der Regierung gehören, 600 000 Euro, die eigentlich der Bevöl­kerung gehören und für die diese Regierung als Verwalter eingesetzt worden ist. Wir haben hier im Hohen Haus nicht einmal die Möglichkeit, zu kontrollieren, was mit den 600 000 Euro passiert. Wir haben nicht einmal die Möglichkeit – oder es wird uns keine gegeben –, zu erfahren, wofür dieses Geld verwendet wird. Wer bekommt dieses Geld? – Ich höre immer nur, sobald es von der ÖVP irgendetwas gibt: Das Rote Kreuz ist ja so eine wunderbare Organisation. Es ist also anzunehmen, dass diese Organisation dieses Geld auch bekommen wird. Ich weiß es leider nicht. (Bundesrat Schreuder: Der Samariterbund auch!) Ich weiß es leider nicht, denn es wird von der Regierung nicht preisgegeben. Es ist anscheinend ein furchtbares Geheimnis im Staate Österreich.

Das ist aber nicht das Einzige. Wir haben heute schon im Ausschuss gehört: Was in der Vergangenheit liegt, soll man nicht so besserwisserisch betrachten, denn im Nach­hinein wissen wir immer alles besser. – Es ist aber schon so, dass das, was in der Vergangenheit geschehen ist, eine Beurteilungsgrundlage ist. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin wird von dem, was er oder sie in der Vergangenheit geleistet hat, ein Zeugnis bekommen.

Man sollte sich vielleicht auch einmal bei dieser Regierung anschauen, wie schnell sie wirklich war: Am 19. November, nicht 2020, sondern 2019 – also nicht in die Zukunft blickend, sondern vor Monaten –, geschah dieser Ausbruch in Wuhan. Es war alles nicht so tragisch. Unser Kanzler hat in einem Gespräch im Fernsehen – die Sendung heißt „Beim Feicht“ – noch gesagt: Ah, das ist ganz einfach nur so eine leichte Grippe! Zu dieser Zeit, am 30. Jänner, gab es in Wuhan aber bereits Tote. Wie kann ein Kanzler das so herunterspielen? Wie kann es sein, dass der Kanzler sagt: Masken bringen nichts, wir brauchen keine Masken!?

Wenn ich jetzt so schaue: Einige haben sie schon heruntergenommen, aber die meisten sitzen mit Masken da. Die Bevölkerung läuft mit Masken auf der Straße herum, fährt mit Masken in den öffentlichen Verkehrsmitteln, muss mit Masken in Lokale gehen. Es gibt keine eindeutigen Regelungen, wie man das im Kaffeehaus macht. Um nur kurz zu fragen: Wenn ich in ein Kaffeehaus gehe, muss ich mich da vorher telefonisch anmelden? Bei uns in Wien war es eigentlich üblich, dass man spontan einen Kaffee trinkt, dass man sagt: Gehen wir dorthin, trinken wir einen klei-


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nen Schwarzen, einen großen Braunen – ganz wurscht, was auch immer! (Bundesrat Rösch: Das sagt dir die App!)

Wir haben hier eigentlich keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Es ist zwar fast alles, was von den Oppositionsparteien gekommen ist, mit zweiwöchiger Verzögerung von der Regierung aufgenommen worden, nur das, was wirklich notwendig und dringend war, wurde eigentlich nicht zur Kenntnis genommen. Und dann höre ich: Das haben wir ja alle beschlossen! – Ich weiß nicht, ob mich der Minister hört, anscheinend ist es wichtiger, irgendetwas anderes zu machen. (Bundesrat Steiner: Ja, ja, die ganze Zeit!) Das hat man auch bei den Nationalratssitzungen gesehen: Die gesamte Regierungs­bank schaut aufs Handy, arbeitet mit dem Laptop (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), oder mit einem Tablet. (Bundesminister Anschober: Heute nicht!) Ich verstehe es nicht, man wird eigentlich schon in der Jugend daran erinnert, von den Eltern dazu erzogen, dass man seinem Gegenüber zuhört und sich nicht nur hinsetzt und eigentlich nichts macht.

Es kommt jetzt dann die Zeit von noch immer nicht nach Corona, denn es mehren sich die Stimmen, dass es zu einer zweiten Welle kommen wird. Wir haben das in Wuhan gesehen, wo es keine Ansteckungen mehr gegeben hat, dann sind die Auslands­chinesen nach Hause gekommen, und plötzlich war wieder ein Ausbruch da.

Meine Frage lautet jetzt: Was macht die Regierung eigentlich, wenn es zu einem zweiten Ausbruch kommt? Wir haben sehr viel lernen müssen. Haben wir genug Schutzausrüstung? Haben wir Spitäler, die wir frei von Coronapatienten halten kön­nen? Was ist mit den Menschen, die chronisch krank sind, was ist mit den Menschen, die plötzlich erkranken oder eine Behandlung brauchen? Sie haben sich nicht getraut, ins Spital zu gehen, weil sie Angst gehabt haben, sich mit Corona anzustecken. Treffen wir Vorsorge dafür? Wie gehen wir mit unseren Pflegekräften weiter um? Welche Ausbildungsoffensiven haben wir? Muten wir den Menschen, unseren Eltern wieder einen Shutdown zu, schicken wir sie nach Hause, müssen sie von zu Hause aus arbeiten, lassen wir die Kinder wieder nicht in die Schule? Oder gibt es da irgend­welche anderen Möglichkeiten? Wir wissen, dass höchstens elf Kinder in einer Klasse sein sollten – gibt es da Gelder, die zur Verfügung gestellt werden, damit wir eine kleinere Schüleranzahl erreichen? Machen wir so etwas?

Wir würden das tun und einige andere Oppositionsparteien auch, glaube ich. Die Regierung tut aber nichts: Am Anfang geschlafen, am Ende geschlafen! Vielleicht schaffen wir es doch irgendwie, dass wir da etwas zusammenbringen. Es wird immer wieder gesagt, dass es einen nationalen Schulterschluss gibt, und es wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wird das ja alle gemeinsam beschlossen haben: Wir haben ganz einfach – wie man so schön sagt – die Krot gfressen und haben den Gesetzen zugestimmt, obwohl viele von uns damit nicht einverstanden waren, sich gewünscht hätten, dass noch andere Maßnahmen gesetzt werden, dass das Gesetz verändert wird. Ein nationaler Schulterschluss schaut für die Regierungsparteien so aus: Die ÖVP sagt, wo es langgeht – und ihr alle haltet den Mund und stimmt zu!

Ich stelle mir eine Demokratie anders vor, ein nationaler Schulterschluss schaut für mich so aus: Der ist so zu gestalten, dass in einer solch großen Krise alle Parteien eingebunden werden, dass es mithilfe von Spezialisten unter allen Parteien zu einem Konsens kommt. Was ist dahin gehend passiert? – Nichts! Ich muss sagen, ich war immer ein Freund der Grünen, aber die Grünen sind eine der größten Enttäuschungen in meinem Leben; so wie sich die Grünen verhalten, weiß ich nicht, was ich machen soll. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 90

Ich möchte das Thema nicht so sehr strapazieren, denn es wird eh bald wieder eine Sondersitzung einberufen werden, weil die Regierung wieder darauf vergessen wird, dass es den Bundesrat gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Es gäbe noch Hunderte Dinge, die man tun müsste und könnte, die aber nicht gemacht werden; wir werden noch viel Gelegenheit haben, darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße auf der Galerie den ehe­maligen Bundesrat und jetzigen Nationalrat David Stögmüller. Schön, dass du auch wie­der einmal vorbeischaust, lieber David! (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.)

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Horst Schachner. – Ich erteile es Ihnen.


18.26.40

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuschauer zu Hause! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem vorliegenden Geset­zesvorschlag zur Änderung des Freiwilligengesetzes nicht zustimmen, da nicht klar ist, was mit dem Geld – es sind immerhin 600 000 Euro – geschieht. Es bleibt vollkommen unklar, wer was bekommt und aufgrund welcher Kriterien jemand etwas bekommt. Sie nehmen Geld aus dem einen Fonds, nämlich dem Corona-Krisenfonds, und verschie­ben es in einen anderen Fonds, den Anerkennungsfonds für freiwilliges Engagement, der aus Schenkungen, aus Erbschaften und so weiter gespeist wird. Die große Unklar­heit besteht darin, dass Sie in Ihrem Gesetzesantrag nicht sagen, wie und wofür die Gelder vergeben werden.

Sie sprechen in dem Antragstext sehr unbestimmt von Elementarereignissen, Un­glücksfällen und Notständen – und nicht von Corona. Daher drängt sich die Befürch­tung auf, dass es sich um die Querfinanzierung einer App handelt; zumindest ist mit diesem Gesetz ohne strenge Zweckbindung dieser Verdacht nicht ausgeräumt. Han­delt es sich dabei also um die Querfinanzierung für die Einführung einer App? Haben wir wieder eine einseitige Bevorzugung einer Hilfsorganisation zulasten aller anderen zu befürchten? Das Rote Kreuz leistet verdienstvolle Arbeit, aber das machen die anderen auch, und daher erwarte ich mir, dass auch die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Malteser oder das Grüne Kreuz gleich behandelt werden.

Wir sind den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verantwortlich, selbstverständlich muss jeder Euro transparent und nachvollziehbar ausgegeben werden. Gerade bei der Gestaltung von Gesetzen ist auch darauf zu achten, dass Klarheit gegeben ist und dass auch bei finanziellen Zuwendungen alles offen und nachprüfbar zugeht. Das ist da aber nicht der Fall, weshalb wir unsere Zustimmung verweigern.

Vielleicht darf ich jetzt aber noch ganz kurz etwas zu den vorhergehenden Punkten sagen, und zwar zum Arbeitslosengeld – damit will ich die Freunde von ÖVP und Grünen aufmerksam machen –: Bitte schön, macht beim Arbeitslosengeld etwas, denn 55 Prozent ist zu wenig, mit dem kommen die Menschen einfach nicht aus! 55 Prozent Nettoersatzrate ist einfach zu wenig. Ich habe das hier schon einmal gesagt: Wenn man 1 800 Euro netto im Monat verdient – was viele gar nicht haben – und davon 55 Prozent ausrechnet, ergibt das keine 1 000 Euro im Monat, und mit 1 000 Euro geht es sich einfach nicht aus, in unserem Staat zu leben. Deshalb gib es jetzt viele, viele, viele Menschen, die an und unter der Armutsgrenze leben, und deshalb ist es ganz, ganz, ganz wichtig, diesen Satz zu erhöhen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Bundeskanzler hat einmal gesagt: „Koste es, was es wolle“. – Vergessen wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht! Glück­auf! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

18.30.20



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 91

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 14. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 10. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

18.32.114. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefall­fondsgesetz) geändert wird (17. COVID-19-Gesetz) (490/A und 129 d.B. sowie 10295/BR d.B. und 10303/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um Ihren Bericht.


18.32.53

Berichterstatter Andreas Lackner: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds –Härtefallfondsgesetz – geändert wird. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Korrektur siehe S. 92)

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen allen vor.


Präsident Robert Seeber: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Mag. Bettina Anna Lancaster. – Bitte.


18.34.11

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Anschober! Werte Bundesratskollegen und -kolleginnen! Sehr geehrte Zuseher via Livestream! Bei der vorliegenden Änderung des


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Härtefallfondsgesetzes sollen nun die mehrfach geringfügig Beschäftigten und fall­weise Beschäftigten Hilfe erhalten. Die Genehmigung von Zuschüssen wird an die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze gebunden.

Der Ausschluss der einfach geringfügig Beschäftigten beziehungsweise von Men­schen, die ein geringeres Einkommen als rund 460 Euro pro Monat erhalten, ist nicht nach­voll­ziehbar. Deshalb wurde von der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuss ein be­gründeter Einspruch zu diesem Tagesordnungspunkt eingebracht, dies im Inter­esse der Gleichbehandlung und damit in diesen schwierigen Zeiten niemand ausge­lassen wird.

Grundsätzlich sind natürlich auch die jetzt beschlossenen Zuwendungen für die zu Beginn genannten Gruppen längst überfällig. Haushaltshilfen, Künstler und Künstlerin­nen und so weiter, die bei mehreren Arbeitgebern geringfügig beschäftigt sind und mehr als 460 Euro verdienen, erhalten nun endlich auch eine Unterstützung.

Allerdings ist fraglich, ob die Wirtschaftskammer die richtige Andockstelle ist. Diese Gruppen sind verdeckte ArbeitnehmerInnen ohne Arbeitslosenversicherung. Sie sollten über das AMS serviciert werden. Die Instrumente des AMS sind im Sinne der ArbeitnehmerInnen praxiserprobt und treffsicher. Das ist wichtig für jene, die dringend Hilfe brauchen.

Jetzt nochmals zur Gruppe der einfach geringfügig Beschäftigten: Laut Sozial­ver­sicherung gab es im Februar 2020 rund 380 000 geringfügig Beschäftigte. Das sind Menschen mit Einkommen unter 460 Euro.

Jetzt die Frage: Warum schließt die Regierung diese Menschen noch immer von Zuschüssen aus? Die meisten Geringverdiener dieses Typs gab es vor der Krise im Handel, in der Beherbergungsbranche und in der Gastronomie. Besonders betroffen davon ist die Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren. Viele haben durch die von der türkis-grünen Regierung gesetzten Maßnahmen ihre Beschäftigung verloren. Der Jobverlust ist für viele aus dieser Gruppe existenzbedrohend. Da zählt jeder Euro. Warum werden diese jungen Menschen noch immer im Stich gelassen? Es gibt keine Begründung für diese Ungleichbehandlung. Für diese besonders verletzliche Gruppe hat die Regierung bis jetzt nichts getan. Es ist an der Zeit, die Augen dafür zu öffnen.

Niemand verlangt, dass in dieser Krise alles perfekt funktioniert. Durch die politik­ge­machte Marktordnung wurde ein sehr zerbrechliches System geschaffen, das dem Coronaschock nicht standhält. Der freie Markt, wie in den letzten Jahrzehnten propa­giert, versagt in der gegenwärtigen globalen Gesundheitskrise. Es steht an, die Zukunft neu zu denken, und es gilt, solidarische und ökologische Prinzipien als Eck­pfeiler einzuschlagen (Beifall bei der SPÖ), damit niemand ohne Hilfe dasteht und das Wir auch tatsächlich gelebt wird. – Ich danke für eure Aufmerksamkeit. Bleiben Sie alle gesund! (Beifall bei der SPÖ.)

18.38


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.


18.38.38

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Meine Damen und Herren! Zu­nächst möchte ich einen Fehler korrigieren, den ich vorher als Berichterstatter gemacht habe:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmenmehrheit – und nicht mit Stimmeneinhelligkeit – den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ja, es passieren Fehler. Und ja, manchmal stellt sich heraus, dass auf etwas verges­sen wurde beziehungsweise Regelungen getroffen wurden, die nicht alle Gruppen ab-


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 93

decken. Bei dieser Vielzahl an Gesetzesänderungen, Gesetzesbeschlüssen der letzten Wochen wundert das auch niemanden.

Im Härtefallfonds waren bisher mehrfach geringfügig Beschäftigte und andere Grup­pen, die über die Mindestversicherungsgrenze kommen, wie zum Beispiel fallweise Be­schäftigte, nicht berücksichtigt. Dies wird nun korrigiert, und diese genannten Gruppen werden nun auch miteinbezogen.

Das hilft vielen Menschen aus der Kulturszene, aber auch anderen Personen, zum Bei­spiel, wie schon erwähnt, Haushaltshilfen, die in mehreren Haushalten beschäftigt sind, sprich Personengruppen in atypischen und meist auch prekären Beschäftigungs­ver­hältnissen, die auch vor Corona oft mehr schlecht als recht mit ihrem Einkommen aus­kamen. Diese Gesetzesänderung verbessert also die Lage von Menschen, die es schon bisher nicht leicht hatten, und daher bitte ich auch um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.40


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile dieses.


18.40.25

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass wir heute über den Härtefallfonds befinden und abstimmen. Es geht jetzt um eine Unterstützung für Men­schen, die aufgrund des Coronavirus ein Betretungsverbot für ihre Betriebe erhalten haben oder die ihre Tätigkeiten ganz einfach nicht ausüben können, weil Veranstal­tungen abgesagt werden. Es ist ganz wichtig, dass man denen ganz einfach hilft, dass man sie unterstützt. Wir haben beim Härtefallfonds in der ersten Phase gesehen, dass einige Personengruppen durch den Rost gefallen sind und deshalb gibt es jetzt den Härtefallfonds 2.

Es wird immer wieder angesprochen und kritisiert, dass die Wirtschaftskammer das abwickelt. Habt ihr euch das schon einmal überlegt? Wir haben heute vom AMS ge­sprochen. Ich muss sagen, ich habe eine große Hochachtung vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des AMS, die in dieser schwierigen Situation auf einmal mit einer Fülle von Kurzarbeitsanträgen überhäuft werden. Sie haben wohl von der Sozial­ver­sicherung Unterstützung bekommen, Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekommen, aber es ist heute schon einmal erwähnt worden: Wir haben in Niederösterreich in Zeiten der Finanzkrise 140 Kurzarbeitsanträge gehabt, jetzt haben wir über 36 000 allein in Niederösterreich. Da muss man sich schon fragen, wie die Leute das abarbeiten, und daher gebührt diesen Menschen mein größter Respekt.

Einen genauso großen Respekt zolle ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unse­res Hauses, der Wirtschaftskammer Niederösterreich. In allen Landeskammern geben sie ihr Bestes: Beim Härtefallfonds 1 konnte man am Freitag um 17 Uhr einreichen, am Montag in der Früh haben alle ihr Geld am Konto gehabt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gesessen (Zwischenrufe bei der SPÖ) – doch! – und haben das abgearbeitet. Es hat teilweise Fehler gegeben. Da ist angerufen worden, aufmerksam gemacht worden. Außerdem hat es beim Härtefallfonds 1 beim Einkommen eine Ober- und eine Untergrenze gegeben, und deshalb sind einige durch den Rost gefallen. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt den Härtefallfonds 2 haben.

Ich muss schon eines dazusagen: Es ist ein ungeheurer Aufwand, der da betrieben wird – was wir alle gern tun –, es gibt wahnsinnig viele Anrufe, sehr viele E-Mails, die beantwortet werden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten großartig. Ich sage ihnen allen ein herzliches Dankeschön, denn das musst du erst einmal rüber-


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bringen und das musst du erst einmal umsetzen können. (Ruf bei der SPÖ: Warum macht es die Wirtschaftskammer?) Denen gebührt ein Dankeschön und nicht, dass man fragt: Warum macht das die Wirtschaftskammer? Habt ihr euch schon einmal überlegt, dass das keinen Cent an Steuern kostet, denn das machen die Wirt­schafts­kammern, ohne dass wir Mitarbeiter neu eingestellt haben, und das wird abgewickelt. Dafür muss ich ein herzliches Dankeschön sagen. Die ganzen Auskünfte, die wir geben, das ist schon großartig. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei uns sind die Funktionärinnen und Funktionäre dabei und arbeiten auch mit. Ich weiß nicht, wie es bei euch in Wien ist, Reinhard, aber ich nehme an, dass ihr genauso dahinter seid, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer und vor allem die kleinen Unternehmerinnen und Unternehmer, diese Personengruppe ganz einfach entsprechend serviciert wird. (Bundesrat Steiner: Die wollen einmal ein Geld sehen!) Wir sind nicht nur für die Einpersonenunternehmen da oder für ganz einfache Unternehmerinnen und Unternehmer mit bis zu zehn Mitarbeitern - - (Bundesrat Steiner: Die wollen einmal ein Geld sehen!) – Das Geld haben sie gesehen! (Bundesrat Steiner: Ah so!) Aus dem Härtefallfonds 1 wurden 122 Millionen Euro ausgezahlt. Österreichweit haben 92,34 Pro­zent, die eingereicht haben, das Geld auch gekriegt. In Niederösterreich haben wir 23 144 Anträge gehabt, wir haben 20 Millionen Euro ausgezahlt; das waren fast 93 Prozent.

Jetzt haben wir ganz einfach den Härtefallfonds 2. Es hat neue Richtlinien gegeben, deshalb konnte auch noch nicht so viel ausgezahlt werden. Wir haben jetzt 97 703 An­träge gehabt, ausbezahlt wurden 12 160 352,66 Euro. Das sind die Zahlen von heute in der Früh. Wir haben in Niederösterreich 15 806 Anträge gehabt und haben 1,8 Mil­lionen Euro ausgezahlt.

Da es jetzt neue Richtlinien gibt, ist natürlich selbstverständlich, dass das auch neu programmiert wird, dass wir Schnittstellen haben. Man muss das ja bei der SVA überprüfen, wir müssen schauen, wie das bei der Finanz ist. Ihr selber habt ja heute im Wirtschaftsausschuss gefragt: Kriegt das jetzt jeder? Gibt es da keine Trittbrettfahrer? Natürlich muss man das auch kontrollieren. Es müssen die Steuernummern von natür­lichen Personen sein, sie brauchen ein Konto in Österreich – das wird angeschaut.

Es ist jetzt auch so, dass die Gründer dazugekommen sind, dass die auch 500 Euro bekommen. Es ist aber auch so, dass freiberufliche Künstler jetzt dabei sind, die auch ganz einfach ihre 500 Euro pro Monat bekommen. Ich sage euch jetzt einmal ganz genau, wer jetzt dabei ist: Es sind die Einpersonenunternehmer, neue Selbstständige wie Vortragende, Künstler, Journalisten, Psychotherapeuten, Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Vollzeitäquivalenten, erwerbstätige Gesellschaften nach dem GSVG und FSVG, die pflichtversichert sind, freie Dienstnehmer, EDV-Spezialisten, Nach­hilfelehrer, freie Berufe. Neu dabei: Personen, die mehrere geringfügige Beschäfti­gungs­verhältnisse haben. Das trifft in erster Linie vor allem Künstlerinnen und Künstler.

Diesmal haben wir auch etwas, worüber wir sehr froh sind, denn das war beim ersten Mal eben nicht der Fall: Es gibt einen Entfall der Verdienstober- und Verdienst­unter­grenze als Antragskriterium. Mehrfachversicherungen – das ist schon angesprochen worden – sowie Nebenverdienste sind nicht weitere Ausschlussgründe, wie das am Anfang war. Es besteht daher in der Phase zwei ein grundsätzlicher Anspruch auf Zuschuss durch den Härtefallfonds.

Ich denke, das ist wirklich eine tolle Sache für Menschen, die jetzt ganz einfach da­stehen. Da geht es ja nicht um das Geld, da geht es ja nicht um den Betrieb, sondern da geht es um Persönliches, sie brauchen jetzt ganz einfach etwas zur Überbrückung. Wenn ihr euch das anschaut, dann seht ihr, dass es wirklich ungeheuer viele Anträge sind. Das muss man natürlich auch anschauen.


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Noch einmal gesagt: Ich finde es ganz einfach nicht in Ordnung, immer so pauschal vorwurfsvoll zu sagen: Warum machen die das? – Sagt mir, dass es ein anderer besser, schneller und kostengünstiger machen kann. Wir haben das wirklich groß- - (Bundesrat Steiner: Die Finanzämter!)  Die Finanzämter können es nicht besser machen. Nein, das glaube ich nicht, denn die brauchen auch die Schnittstelle - - (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.– Schau, wovon redest du denn? Ich habe dir heute zugehört und habe mir gedacht, es ist schon sehr nett: Ihr redet auf der einen Seite, man soll den Leuten keine Angst wegen Corona machen, damit sie keine Angst um ihre Gesundheit haben.

Warum gebt ihr ihnen nicht die Zuversicht, dass man ihnen wirklich etwas gibt, damit sie auch über die Runden kommen? (Bundesrat Steiner: Weil die Tatsachen eine andere Sprache sprechen!) – Jetzt hör mir einmal zu! Du kannst ja dann ans Red­nerpult herausgehen, aber eines sage ich dir: Das Finanzamt allein kann es auch nicht, denn es braucht die Schnittstelle zur SV - - (Bundesrat Steiner: Aber die Wirtschafts­kammer?! Was Sie da alles zʼsammbeten!) Du! Warum arbeitest du in Tirol nicht mit in der Wirtschaftskammer? Warum setzt du dich nicht auch hin (Bundesrat Steiner: Ich sitze in der Tiroler Wirtschaftskammer!) und stellst ganz einfach Kontakt mit den Unter­nehmerinnen und Unternehmern her und gibst ihnen tolle Ezzes? Du weißt doch so viel, du könntest ihnen ein bisschen helfen und auf die Sprünge helfen. (Bundesrat Steiner: Mach ich, keine Sorge!)

Noch einmal: Ich - - (Bundesrat Steiner: Wissen Sie das, ob ich das mache, oder nicht?) – Scheinbar machst du es nicht, denn du kennst dich nicht aus. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Dann würdest du wissen (Bundesrat Steiner: Diese Abgehobenheit ...!) und würdest voller Hochachtung den MitarbeiterInnen - - (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Steiner.)

Pass auf, jetzt sagʼ ich dir was: Ich komme aus einem Unternehmen. (Bundesrat Steiner: Ich nicht!) Ich habe ein Betretungsverbot gehabt. Ich weiß, was los ist, ich kenne das auch. Ich brauche jetzt keinen Security vor der Geschäftstür, denn über­rennen tun uns die Leute nicht. Mir ist aber wichtig, dass wir aufzeigen, welche Hilfs­möglichkeiten, welche Unterstützung es gibt. Gerade die Personen, für die wir das heute beschließen, die brauchen das ganz dringend. Denen muss man sagen: Ja! Reicht ein, das Geld ist am Weg! Wir unterstützen euch! – So schaut’s aus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.49


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile dieses. (Bundesrat Schennach – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Pisec –: Jetzt tu aber nicht die Frau Zwazl angreifen!)


18.49.37

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben heute schon von der Regierungsbank von der Alternativlosigkeit der Maßnahmen gehört, die seitens der Regierung gesetzt worden sind. Mit diesem Narrativ möchte ich aufräumen, ich möchte es infrage stellen.

Es sind 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit, etwa 600 000 in Arbeitslosigkeit und es gibt 50 Prozent Produktions- und Umsatzeinbrüche der österreichischen Wirtschaft. Das ist – wenn es überhaupt in Richtung Alternativlosigkeit geht – bestenfalls ein Pyr­rhussieg, das heißt, das Virus ist weg, aber die Wirtschaft ist auch hin. Derzeit ist das Virus noch immer da, aber die Wirtschaft ist schon hin. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben zu spät reagiert, diesen Vorwurf mache ich Ihnen. Sie haben zu spät re­agiert, Sie haben das Ganze verschlafen. Ich habe erst vor Kurzem, letzte Woche, ein


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Mail von der Wirtschaftskammer Wien bekommen – weil die Wirtschaftskammer Wien angesprochen worden ist –: Die Masken sind endlich da. – Vor einer Woche!

Ja, wo sind sie denn? Sie wollen Unternehmer beraten, können aber nicht unterneh­merisch handeln. Ich hatte in meinem Unternehmen schon Ende Jänner Masken, weil ich sehr wohl aus China davor gewarnt worden bin, was auf uns zukommt. Sie und Ihr Bundeskanzler haben das komplett verschlafen. Sie haben keine medizinische Ausrüstung für die Krankenanstalten organisiert. Sie haben überhaupt keine Masken organisiert. Mit Masken und Abstandhalten zu arbeiten, wäre für die Wirtschaft ja auch ein Programm gewesen. Der Lockdown, bei dem Sie von Alternativlosigkeit sprechen, ist das Radikalstszenario. Die Radikalität, die Sie uns als FPÖ vorwerfen, haben Sie an den Tag gelegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirtschaftskammer hat sicherlich ein gutes Schulungsprogramm. Wenn man Unternehmer wird, ist man aber schon geschult – das setze ich zumindest voraus –, um das Ganze erfolgreich gestalten zu können. Zuerst Unternehmer werden und sich dann schulen, kommt eher in geringerem Maße vor. Die Wirtschaftskammer präsentiert sich heute aber als Schulungsinstitution.

Sie ist keine Interessenvertretung, wie wir als Unternehmer uns das im Sinne unserer Interessen gegenüber der Bundesregierung vorstellen, weil – das ist leider der Be­weis – sie sich leider mit einem Dienstleistungsvertrag, einem Millionenvertrag zwi­schen der Bundesregierung und der Wirtschaftskammer, einfangen lassen hat. Den hätte sie nie annehmen dürfen.

Frau Kollegin Zwazl, liebe Sonja, du machst das sicherlich ordentlich. Ich möchte diese Leistungen gar nicht in Abrede stellen, aber es ist nicht die ureigenste Aufgabe, sich als bürokratische Verwaltung zu präsentieren. Dazu gibt es andere Institutionen wie die Finanzämter, die das alles per Finanzonline auf den Tag genau bereits statistisch erfasst haben und sofort das Ganze auszahlen können. Das kann ja die Kammer nicht. Das bürokratische Verfahren dauert ja viel zu lange. Das liegt in der Natur der Sache, aber es ist nicht Aufgabe der Kammer.

Was die Aufgabe einer Interessenvertretung ist, zeigt die Industriellenvereinigung, das muss ich schon sagen. In Italien und in Spanien waren die Industrien geschlossen, und das hattet ihr auch mit den Industrien hier vor. Was hat euch da die IV gesagt? – Mit uns macht ihr das nicht! Die haben mit euch Tacheles gesprochen, und dann habt ihr einen Rückzieher gemacht.

Die Wirtschaftskammer hat das versäumt. Sie hat versäumt, zu sagen: Ihr sperrt uns den Handel nicht zu! Die Schutzmasken in Österreich zu produzieren ist doch ein Leichtes. Eine Industrie, ein Betrieb kann doch sofort umstellen. Lenzing produziert jetzt Schutzmasken, Agrana, der börsennotierte Konzern, produziert Desinfektions­mittel, ein Vorarlberger Konsortium hat die Textilindustrie wiederbelebt und produziert Schutzmasken, und Semperit stellt medizinische Produkte her.

Dieses Revival hätten Sie längst angehen können. Erst Mitte April ist Frau Minister Schramböck auf die Idee gekommen: Na, vielleicht können wir doch in Österreich produzieren lassen. – Das hättet ihr schon im Jänner einleiten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der jetzt präsentierte Härtefallfonds ist richtig. Das ist für die Ärmsten der Armen. Man muss sich vorstellen: 140 000 Unternehmer beanspruchen – Entschuldige! – mickrige 500 Euro. – Wie schlecht geht es denen eigentlich? Das ist circa jeder dritte Unter­nehmer in Österreich. Also macht einmal die Vorhänge auf und schaut hinter die Kulis­sen, wie es da wirklich ausschaut! Ein Bild der Tragödie! Als Unternehmer muss man das wissen, um nicht selbst eine Bauchlandung zu machen.


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Die Wirtschaft gehört hochgefahren. Es geht nicht, dass man sagt, die Maßnahmen seien alternativlos. Sie sind es nicht. Bundeskanzler Kurz mit seinem Heiligenschein kann nicht gegen Naturgewalten ankämpfen. Das geht nicht, das Virus ist da. Es ist ja noch immer da, und erst dann – das ist meine persönliche Meinung –, wenn ein Medikament oder eine Impfung gefunden worden ist, ist es wirklich weg.

Zu den Virologen sei einmal gesagt – weil der Herr Bundeskanzler sich so gerne von Epidemiologen, von Infektiologen und von Virologen beraten lässt –: Ins Epidemie­ge­setz, das ihr geändert habt, habt ihr Mers-Covid hineingeschrieben, und das zu Recht. Es gehört zur Familie der Mers-Viren, die es seit 2002/2003 in China gibt; die sind existent. Na, wo waren denn die Forscher? Was haben die in den letzten 20 Jahren gemacht? – Offensichtlich nichts. Jetzt forschen sie rund um die Uhr, weil es Geld gibt, weil es Steuergeld gibt, weil es ein Geschäft ist. Damals war es kein Geschäft, jetzt ist es ein Geschäft. Ich würde einmal die Virologen fragen: Was habt ihr in den letzten 20 Jahren eigentlich gemacht? Habt ihr geschlafen, oder was? Offensichtlich habt ihr nichts gemacht.

Also da ist die Pharmaindustrie auch einmal gefragt, die in Wien gerade von der Wirtschaftskammer Wien so hofiert wird: Na, wo ist euer Konzept? Wo sind eure Medikamente? Wo sind eure Impfstoffe? Ihr hattet 20 Jahre Zeit, zu forschen, und es war vorhersehbar, was auf uns zukommt.

Zur Wirtschaftskammer, die natürlich auch eine Tradition hat: Es ist ja eigentlich – das muss ich ganz ehrlich sagen, weil ich aus einer Unternehmerfamilie, schon in der x-ten Generation, komme – eine Tragödie, wie sich die Wirtschaftskammer heute präsentiert: als zentralistisches Machtvakuum, das eigentlich die Interessen der Unternehmer nicht mehr vertreten kann. Wenn ihr 1,4 Milliarden Euro an Rücklagen habt, sei es euch gegönnt, aber da muss man schon fragen: Ist vielleicht die Kammerumlage zu hoch? Kann man sich einmal diese Frage stellen? Die Kammerumlage ist ja an die Lohn­nebenkosten gebunden, und die steigen immer mehr als die Inflationsrate.

Vielleicht kann man da auch einmal sagen, wir beteiligen uns an den 500 Euro und fetten die ein bisschen auf. Das wären vielleicht 1, 2 Prozent vom gesamten Volumen von 1,4 Milliarden Euro, aber das wäre Ausdruck der Bereitschaft der Wirtschafts­kam­mer gewesen, für die Unternehmer, für jeden vierten gestrandeten Unternehmer etwas zu tun. Das habe ich vermisst. (Beifall bei der FPÖ.)

Bundeskanzler Kurz hat gemeint, wer früh hilft, hilft doppelt. Das hat er Ende März gesagt. – Sieben Wochen sind vergangen, angekommen sind nur 500 Euro und sonst nichts. Wem spät geholfen wird, dem hilft das Geld auch nicht mehr. – So würde ich es formulieren. 500 Euro sind angekommen, alles andere ist Zukunftsmusik.

Kurzarbeit ist sicher keine schlechte Maßnahme, aber vorleisten muss es der Unter­nehmer. Der kann jetzt keine Miete mehr zahlen, weil er keine Umsätze mehr hat. Die Miete aber muss er zahlen. Es gibt zwar dieses Gesetz, aber das ist ambivalent. Wenn der Hausbesitzer oder -eigentümer nicht will, steht sein ganzes Geschäftsmodell infra­ge, weil er gekündigt wird. Er kann das natürlich beeinspruchen, aber das würde ich als Unternehmer nicht tun. Er muss außerdem seinen ganzen Mitarbeiterstab bezahlen, denn die Kosten für die Kurzarbeit bekommt er erst irgendwann refundiert. Der Fix­kostenzuschuss kommt überhaupt erst nächstes Jahr, weil der ja geschäfts­jahr­abhängig ist. Der Unternehmer zahlt also alles selber, und man sieht, das kostet nicht 500 Euro, sondern das kostet Tausende Euro, wenn man weiß, wie hoch die Miet­preise zum Beispiel in Wien derzeit sind.

Nein, es ist kein alternativloses Programm. Es gibt ein wesentlich besseres Programm. Sie hätten die Wirtschaft nie so von einem Tag auf den anderen runterfahren müssen. Sie haben es unvorbereitet getan, ohne Konzept, und jetzt wissen Sie selber nicht, wie


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man das Ganze wieder hochfährt. Das ist Ihr Problem, und vor dem stehen Sie. Das wissen Sie wahrscheinlich auch, aber Sie werden es nicht sagen.

Sie haben den Menschen die Möglichkeit zur Selbstorganisation genommen. Das ist jetzt auch ein gutes Geschichtsbeispiel, wenn man darüber einmal in Jahrzehnten schreibt: Was passiert, wenn irgendjemand von oben, nicht eine unsichtbare Hand, sondern eine sichtbare Hand, nämlich Bundeskanzler Kurz, in die Wirtschaft eingreift? Was passiert, wenn eingegriffen wird? – Sie haben uns ein Grundrecht genommen, das ist die Erwerbsfreiheit. Sie haben uns das zweite Grundrecht genommen, die Unverletzlichkeit des Eigentums aus dem Staatsgrundgesetz von 1867, auf dem – muss man sagen – der Kapitalismus, der Wohlstand aufbaut. Das haben Sie uns genommen. Das gibt es nur, wenn Krieg ist, oder 2020, wenn von Schwarz regiert wird. Das lehnen wir ab. Ihr Konzept ist nicht alternativlos. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.59


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? Ja? Frau Kollegin Zwazl? (Bundesrätin Zwazl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich möchte noch gerne eine Ergänzung machen, weil ich annehme, Reinhard, dass dir das entfallen ist!) – Bitte.


18.59.36

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Beim Härtefallfonds war in Phase eins der Durchschnittsbetrag, den unsere Unterneh­merinnen und Unternehmer und Einpersonenunternehmer bekommen haben, 900 Euro. Ihr wisst ganz genau, dass es nicht nur um die 500 Euro geht, sondern dass man die Möglichkeit hat, innerhalb von sechs Monaten – jetzt ist das von drei Monaten auf sechs Monate verlängert worden – 6 000 Euro zu bekommen. Die 500 Euro sind nur die Untergrenze für diejenigen, die keinen Gewinn erwirtschaftet haben, beziehungs­weise für jene, die mit ihrem Unternehmen erst angefangen haben, es erst gegründet haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schartel und Steiner.)

19.00


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ja.

Zu Wort gelangt Herr Kollege Michael Bernard. – Bitte.


19.00.34

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Liebe Frau Zwazl, wir haben ja heute Ausschusssitzung gehabt. – Ich habe jetzt den Taschenrechner gezückt und muss sagen: Du liegst nicht richtig und Reinhard auch nicht ganz (Bundesrätin Zwazl: Aber du!), weil es so ist, dass wir heute Folgendes gehört haben: 144 000 Betriebe haben 122 Millionen Euro bekommen. Das ergibt gemäß dem Taschenrechner einen Schnitt von 847 Euro. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Das stimmt nicht! – Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Pisec –: Reinhard, das schaut nicht gut aus! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

19.01

19.01.09


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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19.01.435. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird (13. COVID-19-Gesetz) (485/A und 131 d.B. sowie 10315/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geändert werden (16. COVID-19-Gesetz) (484/A und 132 d.B. sowie 10296/BR d.B. und 10316/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu Punkt 5 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger, Berichterstatter zu Punkt 6 ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Ich bitte um die Berichte.


19.02.26

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Lieber Herr Gesundheitsminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird (13. COVID-19-Gesetz) (485/A und 131 d.B.).

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4.5.2020 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsident Robert Seeber: Ich bitte um den zweiten Bericht. – Bitte.


19.03.18

Berichterstatter Ingo Appé: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 28.4.2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geändert werden (16. COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4.5.2020 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28.4.2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apotheken­gesetz geändert werden (16. COVID-19-Gesetz), gemäß Artikel 42 Bundes-Verfas­sungs­gesetz mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


19.04.29

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher, die Sie über den Livestream zugeschaltet sind! Ich habe in meiner letzten Rede damit geendet und ich möchte es heute an den Beginn meiner Rede stellen, nämlich all jenen Menschen in unserem Land meinen aufrichtigen und tief empfundenen Dank auszusprechen, die die Maßnahmen unserer Bundesregierung mitgetragen haben und es dadurch ermöglicht haben, dass jetzt schon erste Lockerungen vorgenommen wer-


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den konnten und dass es auch in den nächsten Tagen und Wochen zu weiteren Lockerungen kommen wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen wir doch die letzten Wochen etwas Revue passieren. Wir alle haben uns daran gehalten, unsere sozialen Kontakte auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wir haben liebe Menschen nicht treffen können, ich denke da vor allem an meine beiden kleinen Töchter, die Oma und Opa ganz besonders vermissen. Geschäfte mussten geschlossen halten, wir konnten uns nicht einmal auf einen schnellen Kaffee unter Freunden treffen, Feiern mussten abgesagt werden. Wir konnten nicht ins Theater und ins Kino auch nicht. Wir haben wirklich alles gemacht, um diese Krise zu meistern und die weitere Ausbreitung dieses Virus zu verhindern.

An dieser Stelle darf ich noch einmal meinen Dank aussprechen, nämlich unserer Bundesregierung, allen voran und an der Spitze Kanzler Sebastian Kurz (Bundesrat Schennach: Ui, ui, ui!), Vizekanzler Werner Kogler und unserem Gesundheitsminister Rudolf Anschober. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mit ihrer Achtsamkeit und mit dem Weitblick der Bundesregierung ist es gelungen, unser Land bis jetzt auf Kurs zu halten. Wir haben die erste Phase der Pandemie tatsächlich sehr gut überstanden, ich glaube, das kann man jetzt einmal mit Fug und Recht behaupten.

Unser Ziel muss es aber weiterhin sein, unser aller Gesundheit zu schützen, denn wenn wir diesen Weg jetzt verlassen würden, wenn es zu einem Wiederaufflammen eines Infektionsherdes kommen würde, zu einem Wiederanstieg der Neuinfektionsrate, dann hätten wir nicht nur ein gesundheitliches und ein gesundheitspolitisches Problem, sondern dann hätten wir noch viel größere wirtschaftliche Probleme.

Und all jenen, die in den letzten Tagen ein bisschen flapsig waren, und allen Ver­schwörungstheoretikern möchte ich eines ganz besonders ins Stammbuch schreiben (Bundesrat Steiner: Da kenne ich aber auch einen ganz gut, einen Verschwörungs­theoretiker!): Dieses Virus, Kollege Steiner, dieses Virus ist gefährlich! Wir haben noch keine Impfung dagegen, wir haben kein spezielles Medikament.

Zum Zweiten: Die Zahlen – Bundesminister Anschober hat es heute schon eindrucks­voll dargelegt – sprechen eine eindeutige Sprache; allein Schweden: vier Mal mehr Tote als Österreich! Oder denken Sie an die Bilder aus Italien, Spanien oder den USA. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Und zum Dritten: Unsere Maßnahmen zeigen Wirkung, denn es ist uns gemeinsam gelungen – auch mit Ihrer, die Sie ja die Maßnahmen mitgetragen haben, Unter­stützung –, die Kurve der Neuinfektionen stark abzuflachen.

Da ich bei diesem Punkt bin, möchte ich jetzt etwas kurz ansprechen, was mein Kollege Lackner heute gestreift hat und was der deutsche Virologe Professor Drosten als Präventionsparadoxon bezeichnet: Der Erfolg, dass wir die Lage jetzt gut bewäl­tigen können, wird plötzlich zum Bumerang, und das Unheil, das wir bis jetzt abwenden konnten, wird plötzlich nicht mehr wahrgenommen. Stattdessen heißt es dann immer wieder: Na ja, ist alles halb so schlimm gewesen, da hat sie es wieder übertrieben, die Bundesregierung, mit dem Wegsperren von Leuten!, et cetera, et cetera. – Ich sage Ihnen eines, werte Kolleginnen und Kollegen: Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn unsere Regierung nicht so beherzt gehandelt hätte und die Maßnahmen nicht – wie zum Glück aber geschehen – zum richtigen Zeitpunkt ver­hängt worden wären. Ich möchte mir das nicht ausmalen! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Das betraf die letzten Wochen, wir müssen jetzt aber in die Zukunft blicken. Wir sind jetzt in der zweiten Phase, und Sie alle – genauso wie ich, wie alle Menschen in Öster-


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reich – sehnen sich nach einem Schritt zurück in die Normalität, nach einer Öffnung, nach einem Herauskommen aus dem Lockdown. Dazu bedarf es selbstverständlich einiger wesentlicher Begleitmaßnahmen, die wir heute und hier setzen müssen, das ist nämlich wichtig für die Menschen und das ist wichtig für die Wirtschaft. Wenn wir diese Maßnahmen nicht setzen, dann wird das nicht rascher zur Normalität führen.

Da wäre zum einen – und das ist in diesem heutigen Paket beinhaltet – eine Änderung im Sanitätergesetz. – Das ist unumstritten. Da wird klargestellt, dass Blutabnahmen zur Bestimmung von Sars-Cov-2-Antikörpern von unseren Sanitäterinnen und Sanitätern durchgeführt werden dürfen. Das ist eine sinnvolle Änderung, die bis 31. März 2021 bestehen bleiben wird.

Weiters soll und wird es zu einer Novelle des Epidemiegesetzes kommen. Vor allem zwei Bereiche dieser Novelle sind besonders wichtig: Der eine Bereich betrifft Scree­ningmaßnahmen und der zweite die Abhaltung von Veranstaltungen und Menschen­versammlungen.

Kommen wir zuerst zu den Screeningprogrammen: Wie können wir eine schrittweise Rückkehr zur Normalität ermöglichen? – Sehr geehrte Damen und Herren, das kann nur gelingen, wenn wir uns selber jetzt Messinstrumente zur Analyse der Ausbreitung des Virus in die Hand geben. Wir brauchen Daten, und neben der schnellstmöglichen Identifizierung und Absonderung von Coronaerkrankten müssen wir ein rasches Kon­taktpersonenmanagement verfolgen. Dazu benötigen wir diese anonymisierten Daten, nämlich um zu wissen, wie und wo und in welchem Ausmaß sich das Virus möglicher­weise wieder in der Bevölkerung verbreiten wird.

Weil da jetzt alle möglichen Gerüchte auftauchen und entstanden sind (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann): Die Teilnahme ist natürlich freiwillig, Frau Kollegin. Das ist eine freiwillige Maßnahme (Bundesrat Steiner: Da klingt die Kurz-Beraterin aber anders! – Bundesrätin Schartel: Sie spricht von der Zukunft! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), was genau so im Gesetz niedergeschrieben ist. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) Das Gesetz spricht eine ganz klare Sprache. Sie müssten das Gesetz einmal lesen, Kollege Steiner! Hätten Sie das getan, dann könnten Sie das jetzt nicht behaupten! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn und Steiner.)

Was die Veranstaltungen betrifft, möchte ich eines festhalten: Anders als von der Opposition behauptet geht es bei den Änderungen im Epidemiegesetz nicht um Ein­schränkungen, sondern – im Gegenteil – um die Sicherung von Grundrechten. (Bun­desrat Schennach: Aha! Habe ich das spiegelverkehrt gelesen, oder was?!) Wir wollen nämlich, Herr Kollege, dass trotz Corona Veranstaltungen und Versammlungen möglich sind, natürlich unter Einhaltung bestimmter Auflagen. Das ist ja bitte ganz klar! Was erlaubt derzeit § 15? – Er erlaubt eigentlich nur, dass eine Veranstaltung komplett verboten wird.

Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, so viel Freiheit, wie möglich ist, zu geben und so viel Einschränkung, wie notwendig ist, beizubehalten. Nur dieses behutsame Vorgehen bezüglich der Lockerungsmaßnahmen ermöglicht dann ein schrittweises Zurück zu einer gewissen Normalität.

Etwas, das meines Erachtens wesentlich ist, kann ich mir an dieser Stelle auch nicht verkneifen, damit möchte ich nicht hinter dem Berg halten: Sämtliche führende Juristen in diesem Land, von Professor Funk angefangen über Professor Mayer bis zu Pro­fessor Jabloner, haben, genau wie auch große NGOs, keinerlei Bedenken gegen die Änderungen geäußert; im Gegenteil, sie attestieren sogar, dass mit diesem Gesetz eine wesentliche Verbesserung geschaffen wird. Wenn diese Herrschaften das kön­nen, meine Damen und Herren, dann, denke ich, sollten Sie das auch können.


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Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Gedanken aussprechen: Wir durften vor wenigen Tagen im Stillen ein schönes Jubiläum begehen: 75 Jahre Republik Öster­reich. Wenn man den Blick zurückwirft, dann tritt in meinen Augen zweierlei zutage, nämlich zum Ersten, dass Österreich in diesen 75 Jahren durch viele Höhen und Tiefen gegangen ist, und zum Zweiten, dass wir das alles immer gemeinsam geschafft haben – durch Beharrlichkeit, durch Entschlossenheit und durch Durchhaltevermögen. Genau so, wie das in der Vergangenheit war, werden wir auch diese Krise gemeinsam meistern. In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.14


Präsident Robert Seeber: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


19.14.46

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man als Zweiter zu einem Tagesordnungspunkt spricht, ist das Angenehme, dass man ein bisschen auf die Ausführungen des Vor­redners replizieren kann, und das möchte ich jetzt auch tun: Herr Dr. Kornhäusl hat sich ja bedankt, besonders natürlich bei seinen Kollegen, beim Herrn Bundeskanzler, beim Herrn Minister. Ich bedanke mich natürlich bei den Österreicherinnen und Öster­reichern, denn sie haben die Leistung erbracht (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl), sie haben geschaut, dass es so gut gelaufen ist, und ich glaube, sie haben sich einen riesengroßen Applaus verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Frau Zwazl – sie ist eh noch hier, gell? – hat vorher (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) ein bisschen über das Zutun der Wirtschaftskammer, über den Ablauf, der ja so reibungslos klappt, erzählt. Ich habe mir jetzt in der letzten Minute – eigentlich spreche ich ja zu einem anderen Tagesordnungspunkt, nämlich zum Sanitätergesetz – die Zahlen angeschaut, denn ich wollte unbedingt einen Vergleich bringen: Vergleichen wir jetzt nicht mit den USA oder vielleicht mit Spanien oder mit Italien (Bundesrat Schennach: Genau!), sondern machen wir es ganz einfach, vergleichen wir mit Deutschland! Schauen wir uns das Ganze in Deutschland an, schauen wir, was dort passiert ist und was bei uns passiert ist!

Also: Der Härtefallfonds für Unternehmer umfasst in Österreich insgesamt 2 Milliarden Euro, in Deutschland sind es 50 Milliarden Euro. (Bundesrätin Zwazl: Deutschland ist zehnmal so groß!) Sie wissen das, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen: Für Deutschland gilt hoch zehn. (Die Bundesräte Bader und Schreuder: Mal zehn!) Das wären mit unserer Zahl also 20 Milliarden Euro. Herr Bader, dann eben so: Pro Einwohner wurden in Österreich 226 Euro und in Deutschland 603 Euro für den Härtefallfonds ausgegeben. Die Förderungshöhe für drei Monate beträgt in Österreich, das wissen Sie, 1 500 Euro bis – die maximale Förderung – 6 000 Euro (Bundesrätin Zwazl: Beim Härtefallfonds waren es keine 226 Euro!), in Deutschland liegt sie bei 9 000 Euro bis 15 000 Euro. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Warum bringe ich diese vielen Zahlen? – Weil diese Zahlen natürlich enorme Aus­wirkungen gehabt haben. Sie haben enorme Auswirkungen gehabt, nämlich bei den Arbeitslosenzahlen. Das ist eigentlich schon unglaublich: Wir haben eine Steigerung von 58 Prozent gegenüber dem letzten Jahr. 58 Prozent! Deutschland: 19 Prozent. Um es noch ein bisschen in Zahlen auszudrücken: Das wäre ungefähr der Vergleich, dass Deutschland einen Zuwachs von 400 000 Arbeitslosen insgesamt in dieser Zeit hatte, und wir hatten in der gleichen Zeit über 200 000 zusätzliche Arbeitslose.


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Ja, jetzt ist natürlich ein bisschen Zeit zum Nachdenken, was das für diese Menschen bedeutet, und jetzt könnte ich sagen, wir können uns bei Herrn Bundeskanzler Kurz vielleicht dafür bedanken, dass er 100 000 Arbeitslose mehr durch sein Tun in Österreich geschaffen hat. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Bader: Das ist aber schon zynisch bis zum Gehtnichtmehr!) – Das ist nicht zynisch, das ist einfach ein Vergleich. Es ist ein Vergleich mit einem Land, das wir, denke ich, respektieren und akzeptieren (Bundesrat Bader: Das ist ein bisschen unappetitlich!) und dessen Ein­wohner wir, wie Ministerin Köstinger gesagt hat, sogar gerne zum Urlaub bei uns einladen würden. Das habe ich, glaube ich, gehört. Deutschland ist ja, glaube ich, in Ordnung.

Ich darf zum Sanitätergesetz kommen: Herr Dr. Kornhäusl hat das schon gesagt, die Änderung ermöglicht die „Blutentnahme aus der Kapillare zur Bestimmung von Anti­körpern im Kontext einer Pandemie“. – Natürlich werden wir da auch zustimmen, das ist ganz wichtig. Die Sanitäter können diese Aufgabe endlich erfüllen und die Fähig­keiten, die sie erlernt haben, auch nutzen. Das ist eine Wertschätzung gegenüber diesem Beruf.

Natürlich ist es aber auch wichtig – und das ist ja auch das Thema des Tages –, dass diese Menschen auch bezahlt werden, und zwar ordentlich bezahlt werden. Ich darf mir als Bundesrat, der aus dem Burgenland kommt, an dieser Stelle herausnehmen, Folgendes zu sagen – Sie wissen das vielleicht schon, in ganz Österreich wird das, glaube ich, eh schon publiziert –: Wir haben den Mindestlohn von 1 700 Euro netto eingeführt, und in unserem Bereich, wo es möglich ist, setzen wir das um. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Ich muss es echt sagen, denn es kommt ja den ganzen Tag schon dieses Danke­schön: Das ist ja wunderbar; Herr Mag. Buchmann, Sie haben Danke gesagt, Herr Dr. Kornhäusl auch. Danke, danke, danke – das geht den ganzen Tag. Es ist ja ganz leicht: Helfen wir doch unseren arbeitslosen Menschen, die jetzt wirklich Schwierig­keiten haben! Sie brauchen ja nur aufzuzeigen, um bei der Erhöhung des Arbeits­losengelds mitzutun, dann würden wir uns leichter tun! Eine einfache Sache wäre es, aber Sie machen es nicht – warum, ist mir eigentlich schleierhaft, besonders auch bei den Grünen, die ja leidenschaftslos dasitzen, auch im Bundesrat, und bei solchen Sachen auch nicht dabei sind. Das tut mir – wie hat Herr Wolfgang Beer heute gesagt? – schon auch ein bisschen weh.

Meine Damen und Herren, ich möchte diese Debatte zum Sanitätergesetz auch dazu nutzen, um die Rettungsorganisationen ein bisschen hervorzuheben. Über das RK haben wir sehr viel gehört – lobenswert, sehr viel gemacht –, ich möchte heute ein bisschen über den Samariterbund sprechen und Zahlen, Daten, Fakten bringen.

Der Samariterbund ist bereits 90 Jahre alt und hat 311 000 Mitglieder; unter diesen 311 000 Mitgliedern sind 7 500 Ehrenamtliche und Hauptamtliche und 2 000 Zivil­die­ner. Das sage ich auch, weil sehr viele Sanitäter dabei sind und diese jeden Tag eine große Leistung erbringen; alleine in Wien zum Beispiel 600 Ausfahrten am Tag, 600-mal wird ausgefahren, um Menschen zu helfen. Im Burgenland, meinem Heimatland, werden 20 Prozent der Pflegeheime vom Samariterbund betreut, natürlich fachmän­nisch betreut. In Tirol gibt es einen tollen Stützpunkt, wo sozialpädagogische Familien­betreuung möglich ist und wo viele Sachen jetzt aufgrund der Coronapandemie um­gesetzt werden. Wir haben dort viele Maßnahmen gesetzt, um zum Beispiel die hygie­nischen Maßnahmen, die jetzt natürlich verstärkt worden sind, umsetzen zu können. Eine große Maßnahme war, für die Unternehmer ein Programm zu erstellen, das sich jetzt jeder im Internet anschauen kann, denn um ein erneutes Ausbrechen der Covid-19-Infektion zu vermeiden, muss eben besonderes Augenmerk auf die Hygiene gelegt werden. Der österreichische Samariterbund hat dies über einen achtminütigen Film


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möglich gemacht. Schauen Sie sich diesen Film an! Jeder Unternehmer kann so seinen Arbeitnehmern zeigen, was man machen muss, was man dazu tun kann, damit alles in Ordnung ist und es zu keinen Infektionen kommt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Gesundheit. – Danke für die Aufmerksamkeit. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


19.21.48

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Rudi noch mal! Ich habe heute den ganzen Tag der Debatte aufmerksam gelauscht und irgendwie geht jetzt ein Satz gar nicht mehr aus meinem Kopf raus. Diesen will ich einfach erwähnen, obwohl mir gerade nicht einfällt, wer ihn gesagt hat: Wenn es am Ende übertrieben erschien, dann wurde alles richtig gemacht. – Ich glaube, das sollten wir uns zu Gemüte führen, denn genau deshalb, weil die Maßnahmen ergriffen worden sind, können wir es heute als übertrieben klassifizieren; anderenfalls würden wir hier heulend dasitzen. Das möchte ich an dieser Stelle einfach noch einmal sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich fange trotzdem noch einmal wenig schmerzhaft mit einem kleinen Pieks in den Finger an, der aber eine wichtige und vielleicht in Zukunft noch eine viel wichtigere Funktion hat: Der Nationalrat hat nämlich bereits am 28.4. beschlossen – alle Parteien gemeinsam –, dass zum Zwecke der Coronatestmöglichkeit diese Form der Blutab­nah­me auch Sanitäterinnen und Sanitätern möglich sein soll. Oftmals wird angenommen, dass das sowieso schon gestattet ist, aber dem ist nicht so. Deshalb ist es notwendig, dass wir als Bundesrat heute diesem Gesetz unsere Zustimmung geben.

Komplizierter wird es jetzt wahrscheinlich bei einer ebenso notwendigen Materie, die es uns zukünftig ermöglicht, einen besseren und effizienteren Überblick über die Krankheits- und Gesundheitssituation bei der Verbreitung von Covid-19 zu erhalten, nämlich dem Screeningprogramm. Mit dieser Gesetzesänderung wird die Möglichkeit geschaffen, zukünftige Screeningprogramme umzusetzen. Worum geht es dabei im Konkreten? – Um eine sehr wichtige und präzise vorausschauende Prognose auf künf­tige Exitstrategien und auf den Lockdown; darüber haben wir heute auch schon sehr viel gehört. Man muss aber dazu auch Möglichkeiten ergreifen, damit das sichergestellt ist.

Dieses Screening gibt uns den Überblick, bietet uns die Möglichkeit, den Durch­seuchungsgrad der Bevölkerung und die Ausbreitung der Pandemie zu konkretisieren, welche Altersgruppen, welche Berufsgruppen oder welche Regionen besonders oder unterdurchschnittlich betroffen sind. Um da statistisch gesicherte valide Zahlen noch genauer zu erhalten, ist es erforderlich, die entsprechenden Erhebungen und Studien durchführen zu lassen. Auch den Landeshauptleuten gestattet es, eigene Screening­programme unter Einhaltung dementsprechender Rahmenbedingungen durchzuführen, vorausgesetzt der Bundesminister stimmt zu.

Für mich ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt – für alle, die immer noch Be­denken haben –: Die Teilnahme an diesem Programm ist schlussendlich für jede und jeden Einzelnen freiwillig. (Bundesrat Schennach: Wo steht das?) Die Daten­samm­lung und -verarbeitung unterliegt natürlich der einschlägigen Bestimmung der DSGVO, und diese sagt – und das hätte auch jeder nachlesen können (Zwischenruf der Bun­desrätin Grimling) – im Art. 9 Abs. 2 lit. a: „Die betroffene Person hat in die Verarbei-


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tung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, es sei denn, nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden, [...]“. – Wo liegt also die Sorge?

Die erhobenen Daten kommen in eigenes Register, um auch die Einheitlichkeit der Daten zu gewährleisten. Die Verarbeitung der Tests selber erfolgt pseudonymisiert mittels Proben-ID, und auch dieses Gesetz endet natürlich wieder mit einem Auto­matis­mus am 31.12.2021. Alle im Nationalrat vorgebrachten Bedenken der Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ wurden in dieses Gesetz eingearbeitet. Ich möchte an dieser Stelle dafür wirklich Danke sagen und noch einmal betonen, dass sehr wohl die Opposition gehört wird und Vorschläge berücksichtigt werden. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. Ja, ich stimme zu, eines fehlt tatsächlich, natürlich das Begutachtungsverfahren. Ja, das stimmt schon, aber da die Gesetze eigentlich schon am 30.4. hätten in Kraft treten sollen, sind weitere drei Wochen Verzögerung nicht verantwortbar und meiner Meinung nach auch nicht vertretbar. Es herrscht nämlich Anspannung in der Bevölkerung, das wurde heute schon mehrfach gesagt, und daher muss zeitnah gehandelt werden. (Bundesrat Schennach: Das stimmt! Es herrscht ziemlich viel Anspannung! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Eine weitere Ver­zögerung würde Schaden bringen, und dieser wäre im Nachhinein nicht begründbar.

Ähnlich verhält es sich beim § 15: Da geht es darum, dass zukünftig wieder Veran­stal­tungen unter Berücksichtigung gewisser Auflagen ermöglicht werden. Das hat Kollege Kornhäusl auch schon gesagt. Die Präzisierung im Rahmen des Gesetzes bietet uns nämlich dann den notwendigen Spielraum, der sich in Kombination mit der konsequen­ten Durchführung des Screenings auftun kann. Es muss dann nämlich kein Ein oder Aus oder Hopp oder Dropp geben, sondern man kann gewisse Kriterien festlegen, nämlich um den Unterschied auch klarzumachen: Abhängig davon, an welchem Ort und zu welcher Zeit und mit welchen Menschen, ist es eine Vereinsversammlung oder eine Kinderferienspaßaktion. – Da wird man durch das Screeningprogramm in Zukunft differenzieren können. Es ist kein Zwang zur Nutzung einer App oder Anlass für sonstige Mutmaßungen, die verunsichernd in den Raum geworfen werden. (Bundesrat Steiner: Nicht von uns! Das hat der Präsident himself gemacht! – Bundesrat Schennach: Ist das geklärt? – Bundesrätin Schartel: Das kommt noch alles!)

Im Zuge der Nationalratssitzung gab es auch für die Änderung des § 15 entsprechende Kritik in Bezug auf die Verfassungskonformität. Heute, weil wir schon weiter sind als bei der Nationalratssitzung – und es wurde auch schon angesprochen –, freut es mich wirklich, dass viele, viele namhafte Expertinnen und Experten sich dazu geäußert haben. Heinz Mayer, Verfassungsrechtsexperte, allen bekannt, sagt, dass diese „Neu­fassung in rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Hinsicht einen erheblichen Fortschritt zur geltenden Fassung“ darstellt. Bernd Christian Funk spricht davon, dass die Novel­lierung den nötigen „verfassungsrechtlichen Erfordernissen“ entspricht, auf Bewe­gungsfreiheit, Privatleben, freie Religionsausübung, Meinungsfreiheit, Vereins- und Versammlungsfreiheit wird Rücksicht genommen. Viele weitere Experten wären noch zu nennen, die sich bereits öffentlich geäußert haben. Ja, vielleicht noch – es wurde heute auch schon gesagt –: Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, begrüßt auch die Verbesserung, bei der „der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit und das Diskriminierungsverbot berücksichtigt“ worden sind.

Alle diese Änderungen sollen uns auf einen guten Weg im Zuge des Exits aus dem Lockdown führen. Der Weg wird nicht einfach, aber ohne die entsprechenden Maß­nahmen wird es ein Blindflug, und das, so habe ich es heute hier vernommen, will niemand.


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Deshalb weise ich an dieser Stelle nochmals auf die Notwendigkeit des heutigen Be­schlusses hin und bringe den Antrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu dem Beschluss des Natio­nalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird - -

Ist das jetzt das Richtige? (Bundesrat Steiner: Falsch!) Das ist das Falsche! Ent­schu­ldigung! (Bundesrat Bader: Das Epidemiegesetz!)  Es geht um das Epidemiegesetz, ja. Ich habe ihn nicht. (Bundesrat Steiner: ... das Sanitätergesetz!)  Ja, ja, das weiß ich schon, ich passe ja manchmal auf bei dem, was ich tue. Es passieren Fehler, ist ja kein Problem. (Bundesrat Schennach: Die FPÖ hätte noch einen Antrag vielleicht!  Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Ich höre hier mit!) Das ist das Leben, ich finde das ja - - (Bundesrat Schreuder bringt der Rednerin den richtigen Antrag.) – Genau.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen

zu TOP 6) Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geändert werden (16. COVID-19-Gesetz) (484/A und 132 d.B.) in der 906. Sitzung des Bundesrates

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

*****

Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.31


Präsident Robert Seeber: Der Antrag von Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger ist jetzt ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Ver­handlung.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ein Highlight! – Bundesrat Schreuder: Ist das Selbstkritik?)


19.31.35

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Zuseher zu Hause via Live­stream! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der vor rot-weiß-rotem Hintergrund Coronaviren ab­gebildet sind und die Aufschrift „Allianz gegen Coronawahnsinn.at – Jetzt reicht’s!“ zu lesen ist, auf das Rednerpult. – Bundesrat Preineder: Immer dasselbe! Coronawahn!)

Zu Tagesordnungspunkt 6, zur Änderung des Sanitätergesetzes: Das ist durchaus sinnvoll und auch unterstützenswert, daher gibt es seitens der Freiheitlichen auch die Zustimmung. Über den Zeitpunkt könnte man diskutieren, aber besser spät als nie, Herr Minister.

Seit Anfang März, also seit zwei Monaten, leben wir in Österreich alle mit Ein­schränkungen in allen Lebenslagen, ob im Privaten, im Wirtschaftlichen, im Sozialen


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oder im Bereich der Gesundheit  und dies alles, um eine sogenannte Gesund­heits­krise in den Griff zu bekommen. Nun, nach zwei Monaten fällt der Regierung ein, man könnte doch die Daten, Zahlen und Fakten ordentlich und einheitlich erfassen, damit wir in Österreich endlich auf der Basis von gesicherten Zahlen und Fakten über die Lage des Landes sprechen können. Um allerdings ordentlich über die Situation in Österreich urteilen zu können, braucht es natürlich die Fallzahlen, Kontaktpersonen, nachvollziehbare Ansteckungsketten, Screeningdaten sowie einheitliche Screeningpro­gramme. Liebe Regierung, das ist längst überfällig und es ist eigentlich eine Bank­rotterklärung dieser Bundesregierung, dass man dafür zwei Monate braucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bevölkerung ist es endlich leid, nahezu täglich mit Ihren Pressekonferenzen be­rieselt zu werden und am Ende gleich viel zu wissen oder gar weniger oder, noch schlimmer, noch mehr Angst zu bekommen. Ich erinnere nur an die Aussagen Ihres türkisen Heilsbringers in den fast 70 Pressekonferenzen dieser Selbstdarsteller.

„Es ist die Ruhe vor dem Sturm.“  Na, liebe Regierenden, wo war dieser Sturm? (Ruf bei der ÖVP: Blödsinn!) Hätten wir diese Maßnahmen nicht gesetzt, dann gäbe es eine massive Ausbreitung der Krankheit mit bis zu 100 000 Toten.  Rechnet man das auf ein Jahr, hätten wir in Österreich täglich über 270 Tote. (Bundesrätin Zwazl: Ja!) Die brutalste und für mich niederträchtigste Aussage aber war wohl: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“

Liebe Regierung, ich persönlich kenne Gott sei Dank niemanden, der an Corona verstorben ist, ich kenne aber sehr viele, die vor dem Scherbenhaufen ihrer Existenz stehen. Versetzt euch doch einmal in die Lage all jener Menschen, deren komplettes Lebenswerk aufgrund der Maßnahmen dieser Regierung gerade den Bach hinunter­geht! (Zwischenrufe der Bundesräte Preineder und Schennach.)

Mit diesen Angstparolen versuchte man bewusst, die Bevölkerung gefügig zu machen, ja sogar bis hin zu einer Überwachungsapp will man mit dieser Panikmache gehen. Mit vollem Vorsatz, wie wir nun wissen, wurde die Bevölkerung aus reiner Gier nach Macht in Angst und Schrecken versetzt. Es ist nun unsere Aufgabe, die neue türkise Nor­malität, die zum Ziel hat, unsere Heimat in einen totalitären Staat umzubauen, mit allen demokratischen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, zu bekämpfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir als FPÖ gehen deshalb als einzige Partei nun den rot-weiß-roten Schulterschluss mit der Bevölkerung ein, um einem totalitär regierenden Kurz die Grenzen aufzuzeigen. (Heiterkeit der BundesrätInnen Schennach und Schumann. – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Die Grünen, wie wir sehen, sind unfähig, denn um ein wenig länger am Futtertrog der Macht zu bleiben, gibt man sich gerne auf, koste es, was es wolle. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo Fakten und gesicherte Handlungsweisen fehlen, müssen Geschichten her, um den Angstpegel möglichst hoch zu halten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Pressekon­feren­zen sind mittlerweile der Ersatz für Politik. (Bundesrat Preineder: ... Ibiza!) Es wird vorgetäuscht, dass etwas gemacht wird, und jeder wundert sich dann, der real mit diesen Erzählungen der Regierenden konfrontiert ist: Wo bleibt die Hilfe?!

Diese Regierung, allen voran ihr Anführer, setzt daher auf maximale Inszenierung und minimale Information und Transparenz. Der Vergleich mit König Ludwig aus Bayern kommt nicht von ungefähr. Auch er erzählte gerne Märchen und flüchtete sich in seine eigene Traumwelt, deshalb nannte man ihn auch den Märchenkönig. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die Ähnlichkeit (eine Tafel mit Porträtfotos der beschrie­benen Personen und den Bildunterschriften „König Ludwig der II. aus Bayern, auch Märchenkönig genannt“ und „Sebastian Kurz aus Österreich, Bundeskanzler“ auf das


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Rednerpult stellend) mit unserem Heilsbringer in Österreich ist wirklich verblüffend. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ.)

Mit diesen Schreckensszenarien wurde nicht das Virus bekämpft, sondern die heimi­sche Wirtschaft. Unseren Kindern wurde erzählt, sie bringen den Tod zu ihren Groß­eltern ins Haus. Viele Omas und Opas mussten ihr wahrscheinlich letztes Osterfest ohne ihre geliebten Enkelkinder und oft ganz alleine verbringen. Diese gestohlene Zeit hat in vollem Ausmaß diese schwarz-grüne Regierung zu verantworten, und wäre dies nicht schon schlimm genug, sagt man jetzt: Na ja, es gab halt einen Fehler, und ihr hättet Ostern eh gemeinsam feiern können; selber schuld!

Die Enkel und Großeltern werden sich bei euch bedanken. Ihr habt diese Leute in voller Absicht hintergangen. Ihr habt die Kinder als Todesengel missbraucht (Bun­desrätin Eder-Gitschthaler: Na!), um kurz darauf pünktlich zum Ramadan wieder alles zurückzunehmen. (Bundesrat Buchmann: Geh, geh!) Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt noch zum Märchen: Koste es, was es wolle! – Ein toller Satz! Jeder ist im Glauben, ihm wird geholfen, damit er seinen Betrieb nicht schließen muss, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Mich haben sicher nicht als Einzigen sehr viele Unternehmer angerufen und mir ihre Fälle geschildert. Es haben alle die gleichen Probleme; von denen hat noch kein Einziger einen Cent erhalten. Mir braucht man jetzt nicht zu erzäh­len, dass jene Unternehmer, die mich angerufen haben, zu blöd waren, einen Antrag auszufüllen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zwei Beispiele exemplarisch aus den unzähligen, die an mich herangetragen wurden: Ein Unternehmer, der vor Kurzem seinen 50 Jahre alten Familienbetrieb übernehmen musste, weil sein Vater viel zu früh verstorben ist, bekommt keinen einzigen Euro. Und wissen Sie, warum? – Weil er als Neugründer geführt wird. Das muss mir einmal einer erklären! Ich erinnere nur daran: Koste es, was es wolle! (Zwischenruf des Bun­des­rates Bader.)

Ein zweiter Fall, der an Absurdität wirklich kaum zu überbieten ist: Eine selbstständige Friseurmeisterin steht seit 40 Jahren in ihrem Betrieb, seit 40 Jahren bildet sie Lehrlinge aus, seit 40 Jahren hat sie ein Kontingent an Stammpersonal, seit 40 Jahren zahlt sie pünktlich ihre Steuern, seit 40 Jahren investiert sie in ihren Betrieb, um alle Auflagen ordnungsgemäß zu erfüllen, und bekommt jetzt den Almosenbetrag von 500 Euro. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Eine Unternehmerin, die 40 Jahre lang brav ihre Steuern gezahlt hat, ist euch weniger wert als ein Asylant in der Grundversorgung! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun will man mit den neuen Verordnungen auch noch die Gastronomie und die Hotel­lerie komplett kaputt machen; ein Dschungel aus Verordnungen, den keiner mehr durchblickt. Am Donnerstag, dem 30. April, kam kurz vor Mitternacht die Verordnung des – man muss fast schon sagen: überforderten – Gesundheitsministers heraus, die unseren Wirten bis Juni – bis Juni! – das Aufsperren untersagt, wobei man in den Pressekonferenzen eine ganz andere Geschichte erzählt. Am nächsten Tag kommt man dann daher und sagt: Nein, das stimmt ja nicht, wir werden das wieder ändern. – Lieber Herr Minister, das ist an Dilettantismus nicht zu überbieten! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Kein Wirt hat Planungssicherheit darüber, ob und wann er überhaupt wieder aufsper­ren darf, ob und wann er überhaupt seine Mitarbeiter wieder einstellen kann. Zudem sind die kolportierten Regeln mit der Praxis ja nicht im Geringsten vereinbar: Man darf jetzt zu viert mit Kindern ins Restaurant essen gehen – die Kinder sind nicht genauer definiert, wie viele das sind und wer zu den Kindern zählt, das ist egal. Man braucht dann im Restaurant keine Maske, die Kellnerin braucht aber schon eine Maske – das


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heißt, wir vier dürfen uns anstecken, die Kellnerin darf uns nicht anstecken, wir aber die Kellnerin. Auf Salz und Pfeffer müssen wir verzichten, denn diese, das wissen wir, sind ja große Überträger. So, dann gehe ich mit einem meiner Begleiter zwischen den Gängen hinaus eine rauchen, und dort draußen müssen wir dann diesen ominösen Babyelefanten wieder auspacken, damit wir den Abstand wahren, danach gehen wir zum Weiteressen wieder hinein. Um 23 Uhr müssen wir dann das Lokal verlassen, weil um 23.05 Uhr der Virus wieder gefährlich wird. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Kein Mensch, der noch einen Funken Hausverstand besitzt, wird sich mit dieser ver­murksten Verordnung jemals auskennen! (Beifall bei der FPÖ.)

Alleine der sogenannte Ostererlass war wohl an Unfähigkeit und Dilettantismus nicht zu überbieten. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Den Erlässen des fehlbesetzten Gesundheitsministers können wir nicht unsere Zustimmung geben, denn dies wäre nicht mit der uns übertragenen Verantwortung in Einklang zu bringen.

Bitte hört mit eurer Pseudoshowpolitik auf! Gebt endlich zu, dass die Maßnahmen überschießend und unqualifiziert sind, und lasst die Bürger endlich ein für alle Mal mit euren Schikanen in Frieden! (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder vernünftige Mensch in Österreich hat die Situation verstanden, und jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat, auch ohne eure überschießenden Verordnungen. Leider aber, und so kommt es mir vor, hat jeder Minister in dieser Regierung seinen kritischen Geist über Bord geworfen, um nur noch alles nachzubeten, was der große Sebastian vorbetet – Geschichtsinteressierte erinnert das ein wenig an die Zeit unter Dollfuß. Diese Regierung - - (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na! – Bundesrat Buchmann: ...mäßig! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Tut nicht so entrüstet!


Präsident Robert Seeber: Ich ersuche ein bisschen um Mäßigung, Herr Kollege! (Bundesrat Preineder – auf seine Armbanduhr deutend –: Zeit! Redezeit!)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, darauf habe ich gewartet. – Jetzt kommt die große Entrüstung, dabei ist vor zwei Jahren das Porträt von Dollfuß noch im ÖVP-Parlamentsklub gehängt – so schnell drehen sich die Dinge. (Zwischenrufe der Bundesräte Bader und Buchmann.)

Diese Regierung hat unsere Heimat und den Wirtschaftsstandort nachhaltig ge­schädigt. Ihr werdet damit in die Geschichte eingehen, den Staat Österreich und seine Gesellschaft nachhaltig geschädigt zu haben. Die Österreicher lassen sich allerdings nicht unterkriegen und werden mit Arbeit und Fleiß dieses Land wieder aufbauen und es bei den nächsten Wahlen zur Demokratie zurückführen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Preineder.)

19.44


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses. (Bundesrat Bader: Zur Geschäftsordnung, bitte!)

*****

Zur Geschäftsbehandlung, Herr Kollege Bader. – Bitte.


19.44.59

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die FPÖ-Fraktion zu den blumigen Worten des Herrn Kollegen Steiner sehr oft applaudiert hat, möchte ich hier doch anmerken, dass manche Dinge ganz einfach zu weit gehen und der Würde des Hauses nicht entsprechen. Es wurden auf jeden Fall beleidigende Äußerun-


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gen gemäß unserer Geschäftsordnung § 70 Abs. 1 getätigt. Ich bitte darum, das auch entsprechend nachzuprüfen.

Herr Kollege Steiner hat behauptet: totalitärer Kurz. Das ist etwas, das zu weit geht, das ist in diesem Haus nicht angebracht. Man kann anderer Meinung sein, man kann auch sehr scharf formulieren, aber „totalitärer Kurz“ ist gesagt worden (Bundesrat Steiner: Nein, das habe ich so nicht gesagt! Prüfen Sie es nach!), und ich bitte, das nachzuprüfen. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

19.45


Präsident Robert Seeber: Danke, Herr Kollege Bader. Dazu Folgendes: Ich lasse das nachprüfen. Ich hätte bei diesem Ausdruck natürlich einen Ordnungsruf erteilt. Ich habe „totalitärer Staat“ verstanden, jetzt bin ich mir nicht sicher. Ich werde das überprüfen lassen.

Lieber Kollege Steiner, wenn du „totalitärer Kurz“ gesagt hast, dann ist logisch, dass das einen Ordnungsruf zur Folge hat. Ich lasse das prüfen – so viel dazu. (Bundesrat Steiner: Habe ich nicht gesagt! Bitte überprüft es! – Bundesrätin Mühlwerth: Zur Geschäftsordnung!)

Noch jemand zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.46.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Herr Kollege Bader! Jetzt lasst einmal die Kirche im Dorf! Das ist ja wirklich kein Geheimnis, dass bis vor zwei Jahren das Porträt von Dollfuß bei euch im Parlaments­klub gehangen ist, und das war ein totalitäres Regime. (Bundesrat Schennach: ... Austrofaschismus!) Das, was Kollege Steiner gesagt hat, war lediglich, dass das in die Richtung geht und dass man hier, und das ist ja nicht abzuleugnen, wie in einer Art totalitärem Staat Verordnungen macht, die Bürger maßregelt, bindet, knebelt, fesselt. Das muss in einer parlamentarischen Debatte gesagt werden dürfen! (Beifall bei der FPÖ.)

In einer Debatte, in der es um so wesentliche Dinge wie Grundrechte, Freiheit, Demo­kratie, Meinungsfreiheit et cetera geht, müssen auch einmal prononciertere Worte möglich sein. Also tun wir jetzt nicht so, als ob wir im Kindergarten wären, legen wir nicht jedes Wort auf die Waagschale und nehmen wir nicht alles gleich als Beleidigung wahr!

Ja, es ist eine lebendige Debatte, ja, sie wird ein wenig schärfer geführt als sonst (Bun­desrat Bader: Nein!), aber bitte, auch das ist normaler, gelebter Parlamentarismus. (Beifall bei der FPÖ.)

19.47


Präsident Robert Seeber: In einer gelebten parlamentarischen Debatte kann natürlich der Begriff totalitärer Staat fallen, keine Frage, das ist ja ein Begriff in der Politik, aber für die persönliche Unterstellung totalitärer Kurz gibt es – ich lasse es gerade nach­prüfen –, wenn es so war, einen Ordnungsruf, mehr brauche ich dazu jetzt nicht mehr zu sagen, ansonsten erübrigt sich das. (Bundesrat Steiner: Das stimmt nicht! Sie haben es jetzt vier Mal gesagt, was nicht stimmt! – Bundesrat Buchmann: Das ist eine Grenzüberschreitung!)

*****

In diesem Sinne würde ich sagen, gehen wir in der Debatte weiter.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.



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19.48.30

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe am Anfang der Rede von Christoph Steiner geglaubt, es ist das erste Mal, dass ich nach ihm rede und nichts zu kritisieren habe. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Einen Punkt möchte ich aber festhalten: Ich kenne eure Postings, was Ramadan und Ostern betrifft, das ist blanker Rassismus. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Was mir bei euren Postings auffällt, ist, dass ihr viele Symbole verächtlicherweise für den Islam habt, aber kein einziges für Ostern, und das ist ein bisschen wenig. (Bun­desrat Steiner: Na, dann schau es noch mal durch!) – Ja, ich kenne eure Postings. Keine Sorge, ich kenne eure Postings! (Bundesrat Rösch: Das sind Verallgemeine­rungen, die genauso ...! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Kommen wir vielleicht noch zur vorhergehenden Debatte zurück: Was halt auffällt, und das muss ich als Sozialdemokrat natürlich hier sagen, ist: Dollfuß ist schon ein bisschen die Achillesferse der ÖVP. Da geht es immer relativ rund. Dollfuß war der Begründer des Austrofaschismus, das ist Tatsache, und hat das Parlament ausge­schalten. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Dass es da immer wieder zu solchen Krawallen kommt, verwundert.

Aber kommen wir zum Gesetz zurück, zum Covid-Gesetz Nummer 16. Wir haben uns das nicht leicht gemacht – ich sage das so, wie es ist –, wir haben es uns echt nicht leicht gemacht, hier die notwendige rote Karte zu zeigen und einen Einspruch zu formulieren. Es geht nämlich bei diesem Gesetz um nichts weniger – und das macht uns Sorge – als das, was neben der Demokratie sozusagen die größte Errungenschaft der Menschheit ist: Das sind die Freiheitsrechte, das sind die Bürger- und Bürgerin­nenrechte – das sind die Grundrechte. Diese werden durch dieses Gesetz angegriffen.

Vielleicht ein Beispiel dazu: Vor wenigen Tagen hat eine Staatsfrau gezeigt, was Staatsfrau zu sein heißt, nämlich Frau Merkel, die Folgendes gesagt hat (Zwischenruf bei der FPÖ): Diese Gesetze im Zuge der Pandemie sind eine Zumutung für die Demo­kratie. Gleichzeitig hat der österreichische Bundeskanzler aufgrund vieler verfassungs­mäßiger Bedenken zu österreichischen Verordnungen und Gesetzen gesagt, das seien „Spitzfindigkeiten“.

Dort die „Zumutung“ und da – ich verwende jetzt das Wort, ich weiß nicht, Herr Prä­sident, ob Sie da einschreiten wollen – die flapsige, unwissende „Spitzfindigkeit“. Das macht das Ganze schrecklich und ist auch der Grund dafür, dass wir da kein Vertrauen haben. Wir haben da kein Vertrauen in die Spitze unserer Regierung, denn wenn es um die sensibelsten Dinge geht, um Rechtswidrigkeiten und Verfassungswidrigkeiten, dann muss es das innerste Gespür eines Ministers oder Bundeskanzlers sein, zu sagen: Da haben wir aufzupassen, da schränken wir die persönlichen Freiheiten, die Bürger- und Bürgerinnenrechte ein! Das muss er wissen. Dieses Vertrauen haben wir nicht, und das ist der Grund, warum wir hier diesen Einspruch formuliert haben.

Wenn ich dann noch den lustigen Innenminister hernehme (Bundesrat Steiner: Den lustigen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ): Dieser fühlt sich ja – so wie mehrere – als Erziehungsberechtigter der Republik. Er scheint der Erziehungsberech­tigte mit der niedrigsten Sprachqualität zu sein, wenn er wörtlich sagt: Wir müssen mit der „Flex“ die „Infektionsketten durchschneiden, die „Glutnester löschen“. – Wir reden immer noch von Kranken, ja, und wir reden immer noch von Menschen, die unter Angsteindruck stehen. Und dann bietet er Herrn Anschober sogar noch an, dass das Innenministerium Verhörspezialisten zur Verfügung stellt, um Erkrankte vielleicht auch noch zu quälen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich bin froh, dass der Gesundheitsminister von diesem übereifrigen Angebot nicht Gebrauch gemacht hat (Heiterkeit bei Bundes-


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rätInnen der SPÖ), aber die Kommunikationskette im Innenministerium würde ich gerne einmal anschauen.

In der zweiten Woche der Quarantäne habe ich mir erlaubt, zum Markt zu fahren. Das habe ich mir erlaubt. Meine Einkaufstasche war im Auto und ich fahre dorthin. Na, gleich Rotlicht, Polizei: Was machen Sie da? – Hab ich geantwortet: Ich fahre zum Markt einkaufen! – Darauf der Polizist: Es ist totale Ausgangssperre! – Darauf ent­gegne ich: Herr Inspektor, ich weiß ja nicht, wer Sie informiert, aber ich habe immerhin für die Covid-Gesetze im Parlament abgestimmt (Heiterkeit des Bundesrates Ofner), und ich sage Ihnen: Nie und nimmer gibt es in diesem Land eine Ausgangssperre! Ich habe das Recht, jetzt einkaufen zu gehen! – Ich weiß nicht, was Nehammer seiner Polizei gesagt hat, auf jeden Fall war der Polizist ziemlich verwirrt. (Heiterkeit des Bundesrates Pisec.) Ich habe ihn gefragt: Wollen Sie jetzt irgendwelche Amtshandlun­gen machen? Was haben Sie vor? – Hat er gesagt: Lassen wir es gut sein! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Was lassen wir gut sein? Was lassen wir gut sein? Dass ich bei keinerlei Beschrän­kungen das einzig Normale tue, nämlich einkaufen zu gehen? – Aber gut. Ich habe es nicht gut sein lassen.

Was mir noch große Sorgen macht: Eine Regierung sollte um Vertrauen werben und nicht die Angst als Motor hernehmen. (Bundesrätin Zwazl: Ich geh’ jetzt hinaus!) Durch Zufall ist dieses Protokoll aufgetaucht, durch Zufall wissen wir, wes Geistes Kind da dahinter steht, wenn gesagt wird: Wir müssen schauen, dass alle Angst haben! Und da komme ich wieder zu den Erziehungsberechtigten: Erziehungsberechtigte, die mit Angst agieren – und das sage ich als Pädagoge –, haben meist schon verloren, weil das irgendwann zurückschlägt.

Nun kommen wir zu der berühmten App. Ich meine, es ist ja die Tragödie der Frak­tionsvorsitzenden der Grünen, ich habe noch nie eine solche Tragödie in so kurzer Zeit erlebt, die ja zum Werbetool dieser App geworden ist. Wenn wir heute lauschen, was die Stimme am Ohr des Kanzlers sagt, nämlich dass Sie Dinge machen, die „am Rande der Demokratie“ sind, dann wissen wir, wohin die Reise geht. Irgendwann sind wir dann dort, dass diese App natürlich verpflichtend wird, dass es selbstverständlich heißt: Wenn du das nicht hast, kannst du an Veranstaltungen nicht teilnehmen! Wenn du das nicht hast, kannst du an einer Demonstration einer Gewerkschaft nicht teilneh­men! Wenn du das nicht hast, kannst du nicht auf Reisen gehen! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Na ja, dem Steiner gefällt die Gewerkschaft nicht, aber wer weiß, auch ein Saulus wurde ein Paulus, und wir werden sehen, ob er da im Zillertal vielleicht voranschreitet. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Kannst mich mal besuchen kommen!)  Ich kenne das Zillertal, ich habe dort schon gearbeitet. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Kommen wir noch einmal zurück: Uns ist hier ganz, ganz wichtig, die Contact-Tracing-Technologie zu verbieten. Irgendwann wird das zur Verpflichtung! Wir wollen das nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es gibt darüber hinaus schon andere Formen, aber diese Form wollen wir nicht!

Das Nächste, lieber Rudi Anschober: Die Aufzählung der von den Behörden ergreif­baren Maßnahmen sollte nicht exemplarisch sein. Da soll drinnen stehen, welche Maßnahmen das sind, und zwar abschließend, erschöpfend, damit wir nicht wieder diesen großen Graubereich haben, den wir ja erlebt haben.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das Diskriminierungsverbot angesprochen. Das führt zu Verwirrungen! Es ist schön, wenn Amnesty das super findet, aber so, wie die Formulierung jetzt ist, umfasst dieses Diskriminierungsverbot bislang nur das Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Das ist zu wenig! Das ist zu wenig!


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Weiters fehlen sämtliche Kriterien in diesem Gesetz, die festlegen, wie die zuständige Behörde ihr Ermessen auszuüben hat. Was ich auch noch besonders interessant finde, ist das Heranziehen oder die Verpflichtung anderer Personen. – Wer sind die? Sind das die Nehammer-Leute oder sind das die Milizsoldaten? Wer sind diese Personen, die da herangezogen werden können?

Alles in allem: Wir haben nicht dieses Vertrauen in diese Regierung, und deshalb er­heben wir diesen Einspruch. Es gab null Begutachtung, und wenn man in Verfassungs­fragen eingreift, wenn man in die sensibelsten Bereiche eingreift, das heißt also in Grundrechte, dann muss man eine Begutachtung machen, anders geht das nicht. Als Herr Anschober Nationalratsabgeordneter war, hat er dasselbe immer und immer wieder gefordert, und ich nehme an, er versteht das auch. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Na ja, er versteht das sicher, er will jetzt nichts sagen, aber er versteht das. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Das Nächste betrifft die Versammlungsfreiheit. Was sind Veranstaltungen? Ist das in diesem Gesetz definiert? Was fällt da drunter? Was sind die Bedingungen? Sind da Kundgebungen ausgeschlossen, sind das kulturelle, sind das sportliche Ereignisse, was auch immer? – Auf jeden Fall wundert mich, dass eine türkis-grüne Regierung mit einem unfassbaren Eifer dabei ist, die Formel 1 wieder zurückzuholen – und wie immer hört man die falschen Argumente. Ich höre den Wirtschaftslandesrat der Steiermark schon wieder sagen: Die Umwegeinnahmen sind gigantisch. – Na ja, wenn keine Besucher da sind, schau ich mir an, wie gigantisch die sind. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schartel.)

Zum Schluss zwei Dinge: Ich bin klipp und klar der Meinung, das Arbeitslosengeld muss erhöht werden, und zwar jetzt, und es darf nicht zugewartet werden. Es ist die Forderung der Stunde. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Und zur anderen Sache ergreift vielleicht der Gesundheitsminister das Wort: Was sind die Kriterien, wonach die Behörden geeignete Personen zur Vollziehung des Epidemiegesetzes einsetzen kön­nen? Sind das die Janitscharen vom Nehammer, oder wer sind die geeigneten Per­sonen? Das soll man schon klären.

In diesem Sinne werden wir heute diesen aus verfassungsrechtlichen Gründen drin­gend notwendigen Einspruch voll unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

20.01


Präsident Robert Seeber: Was den Ordnungsruf betrifft: Ich habe richtig gehört, lieber Kollege Steiner, du hast gesagt: totalitärer Staat. Darum erübrigt sich von meiner Seite der Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: ... zehnmal wiederholt! Ich hab das ... Kurz gesagt! – Bundesrat Schennach: Ja, der Dollfuß, der treibt Blüten!)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober. Ich erteile dieses.


20.01.33

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser interessanten Debatte darf ich mich zu Wort melden. Ich liebe ja politische Dis­kussionen sehr, war viele Jahre parlamentarisch tätig. Ich mag auch den politischen Streit. Was ich eigentlich nicht mag, ist, wenn eine Rede durch und durch auf Provo­kation ausgelegt ist, und da meine ich nicht den Stefan Schennach. (Bundesrat Steiner: Geschmäcker sind verschieden, Herr Minister! Ich mag auch nicht alles, was Sie machen!) – Das haben Sie ausdrucksvoll kundgetan. (Vizepräsident Wanner über­nimmt den Vorsitz.)


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Ich würde im Übrigen auch die Begrifflichkeit, die jetzt nicht für einen Ordnungsruf geeignet erschien, für nicht tragbar für ein derartiges Haus erachten. (Bundesrat Steiner: Das obliegt aber dem Präsidenten, das zu beurteilen!) Aber das ist nicht meine Angelegenheit, sondern die Angelegenheit des Hauses. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Ich werde auf jeden Fall diese Rede dazu verwenden, das zu tun, was sie verdient, nämlich dazu kein Wort mehr sagen. Das ist die Höchststrafe. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das haben Sie ja gut geschafft!)

Wissen Sie, wenn man in diesem Ton über eine Pandemie, über die größte Pandemie, die wir seit 101 Jahren haben (Bundesrat Steiner: Ich hab gedacht, Sie wollten kein Wort mehr darüber verlieren?!), spricht (Bundesrat Steiner: Er widerspricht sich gleich wieder!), dann geht das ziemlich am Thema vorbei und geht man ziemlich leichtfertig mit einem Thema um, das hochsensibel ist und wo niemand von uns nach vier Monaten – vier Monate gibt es jetzt dieses Virus – zu 100 Prozent überzeugt sein kann, dass er den richtigen Weg geht. Aber was ich Ihnen garantieren kann, ist, dass es sich in Österreich in dieser Regierung kein Mensch leicht gemacht hat mit dieser unglaublich schwierigen Entscheidung. Das kann ich Ihnen wirklich versprechen, und das glauben Sie mir hoffentlich auch.

Wir sind ja nicht alleine auf der Welt, sondern alle Länder ringen um den richtigen Weg, versuchen, eine Lösung zu finden. Ich finde es sehr beachtlich, wenn eine Regierung, ein Land sagt – und das hat ja enorme Mehrheiten, und da hat es auch von euch die Zustimmung gegeben, und das finde ich auch gut –, dass der Gesundheitsschutz die erste Priorität in einem Land sein muss. (Bundesrat Steiner: Joo!) Jetzt können wir darüber reden: Was wäre gewesen, wenn wir die Maßnahmen nicht gesetzt hätten? Wir sehen in ein paar Ländern, was passiert, wenn man nicht konsequent vorgeht, und es ist schon sehr eigentümlich zu sagen: Aber es ist eh nicht so dramatisch ge­kommen. Man muss sich schon überlegen, warum es bisher nicht so dramatisch gekommen ist. (Bundesrat Rösch: Weil wir ein Glück gehabt haben!) – Ein Glück ist das?! – Genau.

Die Bekämpfung einer Pandemie ist unter anderem ein Wettlauf gegen die Zeit. (Bun­desrat Rösch: Weil wir Italien ...!) Dieser Wettlauf gegen die Zeit hat dazu geführt, dass – davon bin ich zutiefst überzeugt – wir die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt haben, und dass die Österreicherinnen und Österreicher in diesem sensationellen Ausmaß mitgemacht haben, bis zum heutigen Tag mitmachen, zeigt auch, wie klug die Bevölkerung ist, wie groß die Einsicht ist, wie groß die Solidarität in diesem Land ist, denn das war aus meiner Sicht so etwas wie das Comeback der Solidarität in unserer Gesellschaft. Wenn ich nämlich den anderen schützen will und mich selbst damit auch schützen kann, dann zeigt das genau das, was wir brauchen und was in den letzten Wochen gelebt wurde. Ich finde es nicht richtig, das in den Schmutz zu ziehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ein Epidemiegesetz (Zwi­schenruf des Bundesrates Saurer), das nicht ich vorgeschlagen habe, das schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat. Ich werde mich darüber freuen, wenn ich mit Ihnen gemeinsam, sobald wir diese große Herausforderung geschafft haben, dieses Epide­mie­gesetz umfassend novellieren kann, denn das braucht es. Dieses Epidemiegesetz ist in vielen Bereichen nicht umfassend und präzise genug für das geeignet, was man im Fall einer Pandemie braucht. Wir machen halt jetzt Versuche, es zu novellieren, in den Punkten, bei denen wir einen Verbesserungsbedarf sehen. Warum jetzt in dieser Phase? – Weil wir am Beginn der schwierigsten Phase sind.

Das ist die Phase 2, der Versuch, einerseits das Virus zu kontrollieren und andererseits Schritt für Schritt diese Lockerung, diese Öffnung zu verwirklichen, denn die braucht es auch. Mir ist nämlich völlig klar: Das ist kein Zustand, den man über längere Zeit hin-


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durch aufrechterhalten kann. Der hat Erfolg gebracht, was die Bekämpfung des Virus betrifft, aber jetzt brauchen wir diese schrittweise Öffnung, und dazu brauchen wir Containment 2.0. Was ist Containment 2.0? – Das ist die Begleitung dieser Öffnung dadurch, dass man sehr, sehr schnell Testungen durchführt, dass man sehr schnell ein Kontaktpersonenmanagement durchführt, denn jeder verlorene Tag ist ein Tag, an dem es zu Ansteckungen kommen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht es in dieser Phase klare Regelungen, etwa für Screeningprogramme. Es wäre doch ganz schlecht, Screening­programme durchzuführen und dafür nicht die rechtlich sauberen, korrekten Grund­lagen zu haben. Ich bin überzeugt davon, dass das Screeningprogramm sinnvoll und notwendig ist. Deswegen braucht es diese klaren Regelungen, und ich wäre sehr froh, wenn es zu dieser Beschlussfassung käme, und zwar in einem absehbaren Zeithori­zont.

Ja, und schließlich zum § 15, zur Versammlungsfreiheit: Da gebe ich dem Kollegen Schennach recht, mit dem mich ja seit vielen Jahren auch eine politische Begleitung verbindet – wir haben uns auf unterschiedlichen Ebenen immer wieder getroffen –, und ich kann die Bedenken durchaus nachempfinden, was das hohe Gut der Versamm­lungsfreiheit, unserer Grundfreiheiten, unserer Grundrechte betrifft. In der Situation, in der wir jetzt sind, in der Pandemie, ist das ein Abwägungsprozess. Auch ich würde mich wohler fühlen, wenn wir ein geordnetes Begutachtungsverfahren über sechs Wochen machen. Aber ich sage Ihnen: Sechs Wochen, das ist derzeit leider nicht immer möglich. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Aber ich komme gleich darauf, was ich glaube, was wir in nächster Zeit machen sollten. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir sind bei diesem Vorschlag, den wir mit dem § 15 vorgelegt haben, also der Novel­lierung dessen, dass man eine Versammlung nur untersagen kann, sehr, sehr stark auf das eingegangen, was seitens der Opposition, besser gesagt seitens der SPÖ, an Vorschlägen gekommen ist, und ich finde Parlamentarismus immer dann extrem spannend, wenn man konstruktiv miteinander umgeht, wenn Kritik geübt wird und auch Vorschläge aus dieser Kritik heraus formuliert werden. Wir haben diese Vorschläge umfassend in den jetzigen § 15 einzubauen versucht. Da findet sich aus meiner Sicht – vielleicht habe ich was übersehen – tatsächlich das, was gefordert wurde.

Das, was ich wirklich zurückweisen möchte, ist das, was in der Nationalratssitzung gefallen ist, nämlich das Wort „Verfassungsbruch“. Wissen Sie, wenn man - - (Bun­des­rat Schennach: Das ... heute nicht gesagt!) – Heute nicht, in der Nationalratssitzung! – Wissen Sie, wenn man sich von den kritischsten Fachjuristen, die wir in Österreich haben, beraten lässt – und das ist mein Anspruch, dass die Kritiker eingebunden wer­den, denn die brauchen wir ja, die haben das stärkste Sensorium für genau diese Problematik, vor der wir stehen – und wenn ein Dr. Kopetzki, wenn ein Dr. Mayer, wenn ein Mag. Patzelt, wenn eine Professorin Wendehorst, wenn ein Dr. Jabloner, wenn ein Dr. Funk und wenn ein Dr. Janko sagen: Ja, das ist eine deutliche Verbesserung und das ist verfassungsrechtlich in Ordnung, dann haben die meinen Glauben, denen vertraue ich. Und denen vertraue ich – entschuldige, Stefan, wenn ich das so for­muliere – mehr als dem Professor Schennach – in dieser Frage. (Bundesrat Bader: Das kann ich nachvollziehen!)

Die kommen vom Fach, die haben uns über viele Jahre hindurch als Vorkämpfer und Vorkämpferinnen für die Verfassung, für den Erhalt unserer Grundrechte immer wieder begleitet, die Zivilgesellschaft begleitet. Amnesty International, das ist nicht irgend­jemand, die haben ein Renommee, die haben eine Glaubwürdigkeit. Ich glaube, wir haben da wirklich einen § 15, der es nicht verdient, als Verfassungsproblem dargestellt zu werden.


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Was ich einbekenne, was ich mir wünsche, nach dieser Debatte, aber auch schon vorher: Wir müssen in den nächsten Monaten wieder lernen, mehr Zeit für den Dialog aufzuwenden, stärker aufeinander einzugehen, uns auch in Ausschüssen wieder mehr Luft, mehr Raum, mehr Zeit zu geben, und ich glaube, dass diese Zeit sehr, sehr rasch kommen muss. Das sehe ich auch so, da verstehe ich die Kritiker absolut, das ist für mich nachvollziehbar und das ist für mich klar.

Zu dem Punkt, den ich in der Debatte auch gehört habe, zum Vergleich Arbeitslosigkeit Deutschland – Arbeitslosigkeit Österreich: Das ist ein sehr spannendes Argument, das, glaube ich (in Richtung Bundesrat Kovacs), von Ihnen gekommen ist. Das ist ein sehr ernst zu nehmendes Argument, aus meiner Sicht muss man allerdings beachten, dass Deutschland mit dem Shutdown später begonnen hat, das heißt, die Effekte werden wahrscheinlich auch später zu sehen sein. Ich wünsche es den Kollegen in Deutschland aber sehr, dass ich mich täusche. Warum? – Abgesehen davon, dass ich niemandem etwas Schlechtes wünsche, vor allem deswegen, weil wir ja alle in einem Boot sitzen.

Die europäische Wirtschaft ist jetzt gemeinsam betroffen. Wir werden diese Wirt­schaftsproblematik, vor der wir stehen und die nicht zu einer großen sozialen Krise führen darf – da sind wir, zumindest der allergrößte Teil des Hauses, uns ja, glaube ich, einig, dass das unsere Grundintention ist –, nur lösen können, wenn wir euro­päisch handeln. Das heißt, wir werden so etwas wie einen europäischen Wiederaufbau brauchen. Wir werden ein europaweites Kämpfen für ein großes Konjunkturprogramm in Europa brauchen, und ich als Grüner – da werden Sie sich nicht wundern – bin überzeugt davon, dass da gerade der Green New Deal mit den notwendigen Inves­titionen für den Klimaschutz jetzt eine der großen, zentralen angebrachten Antworten ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Denn was ist die beste Sozialpolitik? – Die beste Sozialpolitik ist, wenn ich einen Job habe. Deshalb war auch mit Sicherheit die Debatte heute Nachmittag wichtig und richtig, das ist ja überhaupt keine Frage. Das brauchen wir. Dazu brauchen wir eine starke Europäische Union, denn wir gehören da in Europa zusammen.

Wissen Sie, was interessant ist? – Schweden wird immer als das liberale Land dar­gestellt, was in dem Zusammenhang, in diesem Bereich so nicht stimmt (Ruf: ... anti­euro­päisch!), gleichzeitig wird aber seitens der internationalen Organisationen auch Schweden keine gute Prognose erstellt, was die Wirtschaftssituation in den nächsten fünf Jahren betrifft, und zwar genau deshalb, weil wir bei der europäischen Wirtschaft in einem Boot sitzen. Deswegen müssen wir mit diesen Konjunkturprogrammen bei uns anfangen, und da ist die Bundesregierung unter Einbeziehung der Sozialpartner – das halte ich für total wichtig – auch dran, zweitens aber muss es auf europäischer Ebene viel, viel mehr geben, als es bisher gegeben hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe ja ein bisschen den Verdacht, dass ich jetzt das Abstimmungsverhalten nicht mehr verändern kann, denn es wurde ja schon über diverseste Kanäle kommuniziert. Es ist aber doch gut, eine offene und ehrliche Debatte miteinander zu führen. Deshalb bedanke ich mich dafür und wünsche Ihnen und euch das Wichtigste in diesen Zeiten, nämlich Gesundheit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

20.14


Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm.


20.14.15

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, gestatten Sie mir nur eine kleine


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Anmerkung, weil Sie über den im Nationalrat gefallenen Begriffs des Verfassungs­bruchs gesprochen und dann die Universitätsprofessoren zitiert haben, die bestätigt haben, dass das Epidemiegesetz ja so verfassungskonform ist. Das glaube ich auch. (Bundesminister Anschober: Das wurde sogar besser!) – Dass es sogar besser wurde, das glaube ich Ihnen alles. Ich hätte diese Gutachten auch gerne gelesen – bei einer ordentlichen Begutachtung hätten wir es wahrscheinlich auch transparent gehabt, das ist aber nicht der Punkt.

Ich glaube, der Vorwurf des Verfassungsbruchs kommt aus etwas anderem heraus, das die Universitätsprofessoren natürlich nicht wissen konnten, und ich glaube, das bezieht sich auf die Anordnung in der Bundesverfassung, die ja nicht so trivial ist: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden“ – Artikel 18, Rechtsstaatsprinzip –, was nichts anderes bedeutet, als dass Sie als Oberster, als für die Vollziehung des Epidemiegesetzes zuständiger Minister nur dann handeln dürfen und nur dann etwas verordnen dürfen, wenn ein Gesetz das vorsieht.

Das haben Sie aber nicht gemacht, denn Sie sehen in Ihrer Lockerungsverordnung, die Sie schon in Kraft gesetzt haben, in § 10 Veranstaltungsverbote vor, die nur dann von Ihnen erlassen werden dürfen, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt. Diese wäre erst mit diesem Epidemiegesetz geschaffen worden, das heißt, Sie haben nicht aufgrund der Gesetze gehandelt, sondern aufgrund von Gesetzentwürfen, und heute werden wir wohl, wie es aussieht, einen Einspruch beschließen, sodass sich das Ganze noch einmal verzögert.

Das heißt, das richtige Vorgehen wäre gewesen, dass Sie die Verordnung anders erlassen, diesen Paragrafen einfach weglassen und, wenn es schon unbedingt not­wendig ist, einen Erlass wie den Ostererlass, den Sie ja wieder zurückgenommen haben, zu tätigen, damit die Bezirksverwaltungsbehörden sinngleiche Verordnungen erlassen können. Das ist jetzt keine juristische Spitzfindigkeit, sondern da geht es schon ein bisschen um die Demokratie, denn wir leben hier alle nach dem Prinzip: Der Gesetzgeber beschließt etwas und die Vollziehung handelt danach, und nicht umgekehrt: Die Vollziehung handelt einfach und kümmert sich gar nicht darum, was der Gesetzgeber macht. Das ist genau der Verfassungsbruch, von dem die Rede war. (Beifall bei der FPÖ.)

20.16

20.16.22


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 13. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 16. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, gegen diesen vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 118

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

20.17.587. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Familienlasten­ausgleichs­gesetz 1967 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (6. COVID-19-Gesetz) (489/A und 126 d.B. sowie 10294/BR d.B. und 10304/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 7.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


20.18.27

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den  Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Familienlastenaus­gleichs­gesetz 1967 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (6. COVID-19-Ge­setz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


20.20.07

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen via Livestream! FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hat am 13. März den Lockdown gefordert. Und jetzt? (Bundesrat Rösch: Ja, an der Grenze! Hallo, bei der Wahrheit bleiben! An der Grenze zuzumachen! Das ist ja kein Wirtschaftslockdown!)

Den Lockdown in Österreich hat er gefordert, und was ist jetzt? (Bundesrat Rösch: Man muss zuhorchen!) Die Kollegen der Freiheitlichen Partei reiten auf dem Paradox der Pandemie herum. Die Maßnahmen wirken, und schon werden sie als überzogen bezeichnet. Ja, wissen Sie, warum die Maßnahmen wirken? (Bundesrätin Schartel: Weil die Österreicher ...!) – Weil sich die Menschen in unserem Land vorbildlich daran gehalten haben! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir haben damit eine Ausgangsbasis erreicht, die international Beachtung findet, und auf dieser Basis werden wir uns schrittweise an den schmalen Grat zwischen ge­nügend Intensivbetten einerseits und mehr gesellschaftlichen Freiheiten und dem Hochfahren der Wirtschaft andererseits herantasten.

Das Wochenende jetzt brachte schon ein gewisses Aufatmen, ein Mailüfterl, einen Schritt in die richtige Richtung, und wir werden diesen Weg der schrittweisen Öffnung


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verantwortungsvoll weitergehen. Die Bevölkerung erwartet sich dabei zu Recht, dass wir auf die neuralgischen Punkte und Ereignisse in dieser Krise rasch reagieren.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, die Vorschläge bezüglich Arbeits­schutz, Risikogruppen sind sehr konstruktiv, aber wo ist Ihre Linie? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Der ehemalige Gesundheitsminister Stöger vergleicht Co­rona mit einer Grippe. Kann man sich bei der Bewältigung dieser Krise auf Sie verlassen? (Bundesrätin Schumann: Sie haben die Beschäftigten aus den systemrelevanten Berufen ausgeklammert aus dem Gesetz! Das muss jetzt ...!)

Die Bevölkerung erwartet sich zu Recht, dass der Bundesrat den Weg für diese Be­schlüsse ebnet. Sie erwarten sich eine rasche Umsetzung, und ich denke und hoffe, dass wir die Beschlüsse betreffend diesen Tagesordnungspunkt heute beschließen und dass sie morgen in Kraft treten können. Da geht es um Hilfsgelder für die Leute, dass sie diese rasch kriegen – für Menschen, die besonders stark von der Krise betroffen sind, für Menschen, die arbeitslos geworden sind und die in dieser Krise keine Chance haben, Arbeit zu finden.

Es wird die Notstandshilfe rückwirkend auf die Höhe des Arbeitslosengeldes erhöht, und es werden für den Familienhärteausgleich weitere 30 Millionen Euro bereitgestellt, für jedes Kind werden 150 Euro ausbezahlt.

Die Leute erwarten sich Rechtssicherheit. Lehrlinge und Studenten können nach diesem Beschluss jetzt sicher sein, dass die Familienbeihilfe für das Toleranzsemester gewährt wird. Wenn sie die Ausbildung nicht in der vorgesehenen Zeit und nicht inner­halb der Altersgrenze absolvieren können, werden sie trotzdem für ein zusätzliches Semester Familienbeihilfe bekommen.

Mit diesen Beschlüssen nehmen wir Druck weg, damit das zarte Pflänzchen Zuver­sicht, von dem schon öfter die Rede gewesen ist, das wir so notwendig brauchen, wachsen kann, sodass das Rad des wirtschaftlichen Kreislaufs wieder in Schwung kommt. Wir wollen wirtschaften, wir wollen arbeiten. Ich bin mir sicher: So wie alle Menschen in diesem Land verstanden haben, dass es bei den Maßnahmen auf jeden Einzelnen ankommt, so wissen sie auch, dass es beim Wiederhochfahren auf uns alle gemeinsam ankommt, dass wir anpacken und dass wir Vertrauen säen, denn das ist grundlegend. Ich glaube, es schadet gerade uns Parlamentariern nicht, wenn wir uns die jüngere Geschichte der vergangenen 75 Jahre anschauen und darüber nachden­ken, was wir mit diesem Vertrauen erreicht haben.

Ich weiß nicht, wie Österreich nach dieser Krise ausschaut, aber ich weiß, dass sozialer Frieden auch dann eines der höchsten Güter in unserem Land ist. Bitte, arbeiten wir daran! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.24


Vizepräsident Michael Wanner: Frau Ministerin, Entschuldigung, dass ich Sie nicht begrüßt habe, aber Sie sind heute schon fast den ganzen Tag da. Trotzdem: Seien Sie hier herzlich das zweite Mal begrüßt! (Bundesministerin Aschbacher: Das ist kein Thema! – Bundesrat Schennach: Herr Präsident, sie hat schon einen Meldezettel ausgefüllt!)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


20.25.03

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Erlauben Sie mir als Fraktionsvorsitzende zuerst einige Worte zu dieser heutigen Sondersitzung zu verlieren!


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Eigentlich war es über alle Parlamentsfraktionen hinweg vereinbart, dass der parla­mentarische Ablauf nun wieder einen normalen Verlauf nimmt, den Krisenmodus ver­lässt und wir wieder zu normalen Abläufen zurückkehren. Das galt auch für den Bun­desrat. Warum also jetzt diese Sondersitzung, die von ÖVP und Grünen beantragt wurde? – Ganz einfach – und das muss klar und deutlich ausgesprochen werden –: Die Föderalismuspartei ÖVP und die Grünen haben den Bundesrat in ihrer politischen Arbeit vergessen. Das war spätestens nach der Pressekonferenz, in der die Regelung bezüglich der Risikogruppen bekannt gegeben wurde, klar. Die Regelung tritt mit 4.5. in Kraft, war da zu hören. Da war schon klar: Die Regierung hat den Bundesrat vergessen. Um alles noch auf die Reihe zu kriegen, musste wieder ein Sondermodus aktiviert werden, gleich auch mit dem Wunsch, keine Ausschüsse im Bundesrat durchzuführen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lehnen es entschieden ab, den Bundesrat zu einer Art Abnickgremium verkommen zu lassen, unter dem Motto: Da machen wir halt noch schnell eine Bundesratssitzung! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Kehren wir – bitte! – zum regulären parlamentarischen Ablauf zurück! Ich darf noch eine Bitte an Kollegen Schreuder richten. Es ist ratsam und gut, sich zu überlegen, welche Botschaft man über die Medien vermittelt. Oppositionsparteien auszurichten, dass Sie es als politisches Foul wahrnehmen würden, wenn sie ihre Oppositionsrechte wahrnehmen, ist schon ein bissl stark. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich habe immer gedacht, die Grünen wären gerade jene Partei, der die politischen Rechte ein hohes Gut waren und sind. Ich hoffe, dieser Ausrutscher war ein einmaliger und Sie sind noch nicht Teil einer vereinheitlichten Meinungsmaschinerie geworden.

Die Coronakrise könnte zur größten Sozialkrise seit 1946 in Österreich werden. Das gilt es mit aller Kraft und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, koste es, was es wolle.

Noch einmal: Die Arbeitslosenzahlen sind bestürzend hoch. Fast 600 000 Menschen haben keine Arbeit. Da geht es nicht um kalte statistische Zahlen, da geht es um Menschenschicksale. Da geht es auch nicht darum, dass man eine Dringliche Anfrage dafür nützt, für andere Themen zu instrumentalisieren. Da geht es um die Arbeits­losig­keit, da geht es um die Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, da geht es um jene, die jetzt in Kurzarbeit sind, die froh sind, noch den Arbeitsplatz zu haben und Ängste haben, wie ihre Arbeitsplatzsituation in Zukunft aussehen wird.

Arbeitslosigkeit ist ein schweres Los: für all die 600 000 Menschen mit den Aus­wir­kungen auf ihr Leben, mit weniger Geld im Geldbörsel, mit den laufenden Zahlungen, die vielleicht nicht beglichen werden können, und immer wieder mit der Angst: Kann ich noch Arbeit finden?

Heute wird mit diesem Gesetz ein wichtiger Hilfsschritt gesetzt. Die hohe Arbeits­losigkeit bei gleichzeitig geringeren Chancen auf neue Beschäftigung haben diesen Schritt der Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs erforderlich gemacht. Es ist vor­ge­sehen, dass jene, die zwischen dem 16. März und 30. September in die Notstands­hilfe abrutschen beziehungsweise abgerutscht sind, weiterhin Unterstützung in der Höhe des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes erhalten. Für diese Zeit gilt auch der Berufs- und Einkommensschutz. Wichtig ist auch, dass die Möglichkeit besteht, Frau Bundesministerin, diese Regelung im Einvernehmen mit dem Sozialminister und dem Finanzminister per Erlass noch einmal um drei Monate zu verlängern.

Das Modell der Sozialpartner zur Coronakurzarbeit war erfolgreich. Viele Arbeitsplätze konnten jetzt so erhalten werden. Es ist nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dieses ausgezeichnete Sozialpartnermodell nicht so rasch auf die Beine gestellt wor­den wäre. Es ist aber nicht sicher, ob die Wirtschaftsförderungsmaßnahmen wirklich genug greifen, ob die gesundheitliche Situation es zulässt, dass die Wirtschaft wie


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gewünscht anspringen kann. Es ist nicht sicher, dass die Arbeitslosigkeit nicht noch weiter steigen wird. Darum gilt es jetzt, den Menschen Perspektiven zu geben und die Wirtschaft wieder anzukurbeln, Zuversicht zu vermitteln – das ist das Gebot der Stunde.

Besonders Klein- und Mittelbetriebe müssen gestützt werden, um ihren Fortbestand zu sichern, und die Arbeitslosen müssen wesentlich stärker unterstützt werden. Es wurde heute schon oftmals gesagt, doch es kann nicht oft genug wiederholt werden: Das Arbeitslosengeld muss erhöht werden (Beifall des Bundesrates Kaske), von 55 Pro­zent auf 70 Prozent der Nettoersatzrate! Das ist jetzt zu tun. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

Die Betroffenen brauchen das Geld ganz dringend. Warum wehrt sich die Regierung so vehement dagegen? Es geht um ein erträgliches Leben für die Arbeitslosen. Mit der Erhöhung wird die Kaufkraft gestärkt – auch das wurde schon gesagt –, und jeder Euro, den Arbeitslose in die Hand bekommen, geht wieder direkt in den Konsum und fördert damit die Wirtschaft. Es geht darum, soziale Krisen zu verhindern. Warum weigert sich die Regierung so sehr, das Arbeitslosengeld zu erhöhen? Weil es die Sozialdemokratie fordert, weil es ein Verlangen der Gewerkschaften ist, weil es aus ihrer Sicht zu teuer ist? – Das kann es ja wohl nicht sein, denn dann würde der Sager „Koste es, was es wolle“ ja nur für die Unternehmen und nicht für die arbeitslos gewordenen Menschen gelten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zeit der salbungsvollen Worte ist vorbei. Viele der von Ihnen vor der Krise so oft zitierten LeistungsträgerInnen haben in der Krise ihre Arbeit verloren, viele von ihnen zum ersten Mal, und sie sehen wirklich angstvoll in die Zukunft.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lassen niemanden zurück und wissen, dass es jetzt eine bessere Absicherung für die Menschen in Arbeitslosigkeit braucht, darum bringen wir heute auch den Antrag zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes ein.

Lassen Sie mich bitte noch Folgendes feststellen: Wir freuen uns enorm, wenn die Zahlen der an Corona Erkrankten niedrig bleiben oder besser noch weiter sinken. Das ist die Leistung der Menschen in Österreich, und die Regierung hat auch wirklich wichtige Schritte dazu gesetzt. Hoffen wir ganz inständig, dass uns keine zweite große Coronawelle ins Haus steht. Aber für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war es immer Ziel, die Menschen zu stärken, an ihre Fähigkeiten und Talente zu glauben und gerechte Chancen für alle zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir lehnen ein Menschenbild ab, das damit arbeitet, Angst zu machen. Wir lehnen es ab, dass den Österreicherinnen und Österreichern nicht vertraut wird, Situationen und Gefahren sehr gut selbst abschätzen zu können. Regieren mit Angst kann aus unserer Sicht niemals der richtige Weg sein.

Es sei den Regierungsparteien ganz dringend nahegelegt, zu lernen, mit sachlicher Kritik umgehen zu können. Kritik kann helfen, besonders in dieser nie dagewesenen Situation. Das Fachwissen der anderen hat gerade jetzt einen hohen Wert, denn die Ideen und Vorschläge der Opposition zu ignorieren, aber sie dann doch noch – ein bisschen später halt – als die eigenen umzusetzen, ist mehr als durchsichtig.

Es gibt in dieser Situation viele Risiken und Gefahren und es sei davor gewarnt, Schwierigkeiten kleinzureden und mit der Erzählung: Wir haben eh alles im Griff!, seitens der Regierung zu übermalen. Was die Krise gelehrt hat, ist, wie wichtig Solidarität und Zusammenhalt sind. Diese Haltung wird in nächster Zeit noch wichtiger und auf die Probe gestellt werden. Die Menschen haben in letzter Zeit vieles erduldet und sind enorm belastet. Besonders der Verlust des Arbeitsplatzes ist ein schwerer Schlag. Darum zeigen Sie Verständnis für die Menschen ohne Arbeit und – bitte! –


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erhöhen Sie endlich das Arbeitslosengeld! – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

20.32


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

(In Richtung Bundesrat Schreuder, der sich zum Rednerpult begibt:) Herr Kollege Schreuder, melden Sie sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort oder ist das eine Wortmeldung? (Bundesrat Schreuder: Ich mache eine Wortmeldung!) – Gut, dann kommen Sie nachher dran. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich darf Frau Ministerin Edtstadler recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Andrea Michaela Schartel. Ich erteile es ihr.


20.33.30

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Ministerinnen! (Die Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hunderteuroscheine abgebildet sind. – Ruf bei der SPÖ: Schon wieder!) – Man kann das nicht oft genug herzeigen, das ist das Wichtigste, was man momentan machen kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich möchte zuerst noch auf den Redebeitrag von Frau Kollegin Holzner eingehen, die in einer ein bisschen sehr süffisanten Art gemeint hat, euer Klubobmann im Natio­nalrat, Herbert Kickl, hat den totalen Shutdown verlangt. Ja, das stimmt, aber das war zu einer Zeit, als er sehr sinnvoll gewesen wäre, als es in erster Linie darum gegangen ist, alle Grenzen zu schließen und nicht nur die nach Italien und vor allem auch darum, den Flughafen rechtzeitig zuzumachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sogar „Der Standard“, der überhaupt kein Medium von uns ist, hat uns von der FPÖ als einzigen zugesprochen, dass wir rechtzeitig und als erste erkannt haben, um welche Gefährlichkeit es sich bei diesem Virus handelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Bevor ich jetzt zum Tagesordnungspunkt 7 komme, zu dem ich sprechen möchte, hätte ich wirklich – jetzt sind sogar zwei Ministerinnen da – noch einmal einen dringenden Appell an Sie, Frau Minister Aschbacher: Es geht um die werdenden Mütter. Ich bin davon überzeugt, wenn Männer diese Entscheidung treffen, ob für eine werdende Mutter in der jetzigen Situation etwas schlimm oder tragisch ist, dass das ein Mann nicht entscheiden kann. Wir haben aber mehr Frauen als Männer in der Regierung. Ich bitte euch im Interesse dieser Frauen: Macht sie doch zu einer Risikogruppe, lasst sie bitte in das vorverlegte Beschäftigungsverbot gehen!

Warum? – Selbst wenn dieser Virus, was medizinisch ja nicht nachweisbar ist, weder der Mutter noch dem Kind schadet, wissen wir aber alle – und wir haben alle Kinder bekommen –, wie tragisch und schlimm eine psychische Belastung während der Schwangerschaft ist. Sie wirkt sich negativ auf das Kind, auf die Mutter und unter Umständen auf das weitere Leben aus. Das ist eine Sache, die kostet in dem Sinn nicht so viel, und den Müttern gibt man damit Sicherheit. Sie können sich so in Zeiten, die sowieso sehr tragisch und unsicher sind – und das ist am allerwichtigsten –, während der Schwangerschaft in Ruhe auf ihr Kind freuen und auf ihr Kind vorbereiten. Ich bitte Sie darum! (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Es gibt nicht immer nur Negatives, es gibt heute auch etwas sehr Positives aus Ihrem Ministerium zu berichten, und zwar ist es wirklich ganz, ganz wichtig, dass das Fami­lienlastenausgleichsgesetz dahin gehend geändert wurde, dass es eben jetzt zu einer


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Verlängerung des Anspruchs auf die Familienbeihilfe kommen kann, wenn es sich um Kinder handelt, die das 18. Lebensjahr erreicht haben.

Bisher war es ja so, wenn Kinder das 18. Lebensjahr erreicht haben, konnte man, wenn sie nachweisen, dass sie entweder noch in die Schule gehen, eine Lehre ange­fangen haben oder zu studieren begonnen haben, die Familienbeihilfe bis zum 23. Le­bensjahr beziehen, musste aber immer im Nachhinein nachweisen, dass es einen positiven Schulbesuch gibt, dass es eine erfolgreiche Studienbestätigung gibt oder dass das Lehrverhältnis noch aufrecht ist. Dass das natürlich in diesen Zeiten von Corona, in denen wir uns momentan befinden, nicht möglich ist, wissen wir alle. Des­halb ist es so wichtig, dass es eben dazu kommt, dass diese Verlängerung der Fami­lienbeihilfe nach wie vor noch möglich ist.

Man sieht, wenn man Dinge in einem Ministerium auch umsetzen lässt, wie es in Ihrem Ministerium ist, dass es doch sehr unbürokratisch und ohne irgendwelche weiteren Institutionen möglich ist. Es wurde mir heute im Ausschuss von einem Mitarbeiter Ihres Amtes bestätigt, dass die Eltern nicht selber die Verlängerung beantragen müssen, dass das automatisch erfolgen wird, dass auch die Bescheidausfertigung automatisch erfolgt, dass die Familienbeihilfe verlängert ist, was wieder sehr wichtig ist, damit der Familienbonus weiterhin gewährt werden kann.

Frau Zwazl hat mit viel Engagement, was ich übrigens sehr schätze, ihre Wirtschafts­kammer verteidigt, aber man sieht, wenn man die Dinge in jenen Ministerien lässt, die die Voraussetzungen haben, dann geht es rasch, schnell und unbürokratisch, was in dieser Situation immer das Wichtigste ist. – Danke vielmals, noch einmal.

Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen, es gibt sehr, sehr viele Dinge – das wurde heute schon von vielen Rednern angesprochen –, die eben leider nicht so unbürokratisch passieren. Ich möchte es Ihnen gerne an dem Beispiel erklären, wie das Ganze mit dieser Abrechnung der Kurzarbeit ist. Ich weiß nicht, Frau Minister, ob Sie wissen, was es bedeutet, wenn Sie zum Beispiel jetzt für einen Mitarbeiter, der in Kurzarbeit ist, seinen Nettolohn ausrechnen. Das geschieht zwar mit einer Ersatzquote, wo es aber ganz kompliziert wird, ist die Berechnung der Abgaben für die Behörden. Das heißt, die Kurzarbeit besteht aus dem tatsächlichen Lohn für die tatsächliche Arbeit und aus der sogenannten Kurzarbeitsentschädigung für die Ausfallsstunden, und – wichtige Sache – die Sozialversicherungsbeitragsgrundlage vor der Kurzarbeit muss auf alle Fälle aufrecht bleiben.

Jetzt kommen wir zur Abrechnung der Abgaben: Die Stundenentlohnung für die tat­sächliche Arbeitsleistung ist noch ganz einfach, das ist wie früher von allen Lohn­nebenkosten abzurechnen. Kommen wir dann zur Kurzarbeitsentschädigung: Da sind die Gemeinden die einzigen Behörden, die sagen, nein, von diesem Geld möchten wir keine Abgaben haben, und sie verzichten auf die Kommunalsteuer. Kommen wir zum Nächsten: Die Beiträge für die Abfertigung Neu muss ich wieder vom Entgelt vor Kurzarbeit zahlen, dann zahlt natürlich auch der Arbeitgeber die Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung für die alte Bemessungsgrundlage, und zu diesen Dienst­neh­meranteilen muss ich dann wieder DB und DZ zur Kommunalsteuer dazugeben. Ich habe also eigentlich jetzt schon die dritte Art der Berechnung.

In diesem Zusammenhang muss ich jetzt wirklich sagen – ich nenne es bewusst so, auch wenn der Herr Präsident jetzt gleich mit mir schimpfen wird –, ich empfinde es als moralisch verwerflich und beschämend, dass die Arbeiterkammer nach wie vor noch ihre Kammerumlage (Bundesrätin Schumann: Geh! Geh!) von dem vollen Brutto­ent­gelt vor Kurzarbeit verlangt. Das finde ich beschämend! Das sind zwar nur ein paar Euro, aber das ist ein Signal, das ich nicht in Ordnung finde. Das finde ich nicht in Ordnung! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Nein, das


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finde ich nicht in Ordnung, denn die Arbeiterkammer hat es wirklich nicht nötig, könnte sich darüber einigen und sagen: Okay, ich nehme meine Beiträge nur von dem Bezug, der jetzt tatsächlich abgerechnet wird. Ich finde es nicht in Ordnung.

Damit wäre ich dann zum Beispiel bei den Sozialpartnern: Es wird heute die tolle Sozialpartnerschaft wieder so viel gelobt. Wissen Sie, wann die Sozialpartnerschaft toll ist? – Wenn auf der Wirtschaftsseite die großen Konzerne und auf der anderen Seite die großen, hinsichtlich Arbeitnehmervertretung toll organisierten Betriebe sind – dann funktioniert Sozialpartnerschaft. Sie funktioniert aber leider überhaupt nicht für alle Arbeitnehmer. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Je kleiner die Betriebe und je weniger betriebsrechtlich organisiert, umso eher werden die Arbeitnehmer von bei­den Seiten vergessen.

Sie sagen zum Beispiel, die Wirtschaftskammer macht so etwas Tolles. Meine Friseurin versucht seit einer Woche, auf der Wirtschaftskammerseite herauszufinden, unter welchen Voraussetzungen sie jetzt ihre Kunden bedienen darf. Sie ist eine kleine Friseurin – ein kleiner Teil Ihrer Wirtschaftskammer. (Bundesrätin Zwazl: ... die gibt’s!) Sie können selber bei der Fachinnung nachschauen: Sie finden nichts! (Bundesrätin Zwazl: Das ist ein Klacks!) – Ah so? (Bundesrätin Zwazl: Ja!) Sie finden es aber nicht. (Bundesrätin Zwazl: ... selber angeschrieben!) Es ist egal.

Zur Kurzarbeit, über die immer gesprochen wird: Die Kurzarbeit ist sicherlich ein wich­tiges Instrument. Was aber verunsichert die Betriebe so? – Erstens einmal kann man die Kurzarbeit – die alte Kurzarbeit, wie sie für Produktionsbetriebe gedacht ist, die bestimmte Voraussetzungen haben und wirklich wissen, dass sie eine bestimmte Zeit einen gewissen Ausfall haben – nicht auf alle Betriebe umlegen. Das ist momentan das Schwierige, denn Betriebe tun sich sehr schwer, Dinge einzuschätzen. Das AMS, muss ich ehrlich sagen – also ich kann es nur von Graz sagen –, ist hervorragend. Mit dem kann man super zusammenarbeiten, man kann anrufen, man kann ihnen E-Mails schicken, es funktioniert hervorragend.

Sehr schlechte Erfahrungen habe ich aber leider mit der Gewerkschaft in der Steier­mark gemacht. Ich finde das dann nicht in Ordnung, wenn zum Beispiel ein Gewerk­schafter von der Gewerkschaft der Privatangestellten (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) einen Klienten von mir anruft und ihm erklärt: Also eines sage ich Ihnen gleich, die Sozialpartnervereinbarung, die Sie da jetzt eingebracht haben, gilt nicht! Wir brauchen die 6.0. Und eines sage ich Ihnen auch: Die wirtschaftliche Begründung mit dem Verweis auf Covid-19 erkenne ich so und so nicht an, das muss viel detaillierter und viel genauer sein! Und übrigens – hat er dann erwähnt –: Sie haben ja keinen Betriebsrat! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Entweder Sie machen das jetzt innerhalb der nächsten Zeit und schicken mir den neuen, detaillierteren Antrag, oder ich werde das ablehnen! Wenn Herr Schachner daran interessiert ist: Ich sage Ihnen gerne unter vier Augen den Namen, denn es geht mir nicht darum, eine Person anzu­prangern, es geht mir nur darum, zu zeigen, wie Sozialpartnerschaft manchmal auch funktionieren kann. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wie gesagt, es gibt in vielen Lebensbereichen Beispiele, an denen man wirklich erkennt, es läuft nicht alles so rund, zum Beispiel die ganze Schulöffnungsgeschichte. Ich kenne Familien, die zwei schulpflichtige Kinder haben, aber die Kinder sind leider, das ist Pech, in einem unterschiedlichen Schichtrad. Das heißt, das eine Kind geht drei Tage in die Schule, das andere muss betreut werden, dann geht das andere zwei Tage in die Schule und das erste muss betreut werden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da hat man bedauerlicherweise viel zu wenig auf die Lehrer gehört und die Lehrer zu wenig miteingebunden. Wissenschaft ist gut, aber da geht es um die Zukunft unseres Landes, um unsere Kinder. Dass man da so ein bisschen wissenschaftliche Experimente macht, das finde ich auch nicht in Ordnung, und ich muss Ihnen ehrlich sagen, das ist


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auch nicht richtig. Die Lehrer hätten viel bessere Konzepte gehabt, als sie jetzt mo­mentan vorliegen und wir sie jetzt momentan für unsere Kinder einhalten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich ist das eine sehr, sehr schwierige Zeit. Es sind außergewöhnliche Umstände, und vor allem, das wissen wir alle, kennt niemand dieses Virus. Wir können auch nicht auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen, sodass wir wissen, in der Krise müssen wir das und das machen, das hat sich bewährt. Gerade deshalb finde ich es so wichtig, dass die Regierungsparteien, wenn es um diese Angelegenheit geht, bereit sind, endlich einmal einfach die Ressourcen und auch die Fachkompetenzen der Opposition anzunehmen und nicht immer automatisch Anträge oder Verbesserungsvorschläge kategorisch abzulehnen.

Man kann in dieser Situation natürlich nicht alles gleich bedenken, das geht natürlich nicht. Deswegen gibt es ja so viele tolle Köpfe. Jede Partei hat wirklich in jedem Bereich Fachkompetenz. Bitte nutzt sie doch, denn was wollen wir in Wirklichkeit alle? Dass jeder Österreicher ohne persönlichen Schaden, vor allem ohne physi­schen oder psychischen Schaden, aus dieser Krise herauskommt und dass wir sie alle gemeinsam, aber wirklich gemeinsam, zu einem ganz, ganz guten Ende führen. Bitte denken Sie an die werdenden Mütter! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Taferl!)

20.46


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön – auch dafür, dass Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten kaum überschritten haben.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Schreuder will Bundesrätin Schartel die von ihr am Rednerpult zurückgelassene Tafel zurückgeben, diese fällt jedoch zu Boden. – Ruf bei der FPÖ: Mach’ sie nicht kaputt! – Bundesrätin Zwazl – erheitert –: Ihr habt’s eh so viele!)


20.46.30

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich mache es eh nur ganz kurz, mir war das nur wichtig. Ich wollte auch keine tatsächliche Berichtigung machen, da ich mir dachte, es soll eine politische Diskussion sein.

Liebe Frau Kollegin Schumann! Hätte ich das gesagt, was Sie mir vorgeworfen haben, würde ich jetzt hier stehen und mich hier - - (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.– Nein, es war keine Presseaussendung. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Darf ich jetzt sagen, was meine Perspektive ist? Sie haben es aus Ihrer Perspektive gesagt. Ganz ruhig, ja! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Hätte ich das so gesagt, wie es mir vorgeworfen worden ist, dann würde ich jetzt hier stehen und mich entschuldigen. – Es war aber nicht so.

Jemand von der APA hat mich angerufen – ich dachte, sie haben alle Fraktions­vor­sitzenden angerufen. Warum nur ich angerufen worden bin, weiß ich auch nicht, das muss man die APA fragen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die APA hat mich angerufen und hat mich gefragt, wie das nun eigentlich im Bundesrat ist: Es gab ja die Präsidiale, ist geplant, dass es Einsprüche gibt oder wird das liegen gelassen? Ich habe gesagt, wir hatten eine sehr konstruktive Sitzung. Ich bin froh, dass es gelebten Parlamentarismus gibt: So wie es das Recht gibt, eine Sondersitzung einzuberufen, gibt es das Recht der Opposition, Einspruch zu erheben. Es gibt andere Staaten in Europa, die keinen Parlamentarismus mehr zulassen, und ich bin froh, in einem Land zu sein, in dem Parlamentarismus gelebt wird.

Ja, aber was würde denn passieren, würde die Opposition keinen Einspruch erheben, sondern das einfach nur liegen lassen? Das, habe ich gesagt, würde ich als politisches Foul wahrnehmen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), denn in der Präsidiale


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haben wir einen - - So habe ich das gesagt, und es passiert ja auch so: Es gibt die Einsprüche, das ist – finde ich – politisch fair, und es gibt auch eine Sondersitzung. Es lebe der Parlamentarismus! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.48

20.48.27


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.49.028. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleit­gesetz, das Zustellgesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz (AMA-Gesetz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz) (437/A und 136 d.B. sowie 10297/BR d.B. und 10313/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Arthur Spanring. – Ich bitte um den Bericht.


20.49.28

Berichterstatter Andreas Arthur Spanring: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Zu­stell­gesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz geändert werden, 12. COVID-19-Gesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage und des Einspruchs am 4. Mai 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


20.50.38

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die von der Bundesregierung gesetzten richtigen Maßnah­men ist es gelungen, das Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten, Menschenleben zu retten. Es ist gelungen, den Menschen vor Augen zu führen, mit welcher Situation wir es zu tun haben, keine Angst zu erzeugen, sondern den Ernst der Lage aufzu­zeigen. Das ist das, was geschehen ist. (Beifall des Bundesrates Raggl.)

Die Menschen haben sich an die Empfehlungen gehalten, an die Ersuchen der Bun­desregierung, zu Hause zu bleiben und nur die notwendigsten Wege zu machen. Nicht umsonst haben sich 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit den Maß-


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nahmen einverstanden erklärt. Nun können wir Stück für Stück zu einer neuen Nor­malität zurückkehren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Mit den Änderungen des 12. COVID-19-Gesetzes soll sichergestellt werden, dass die Behörden wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Verhandlungen sollen entweder mittels Videokonferenzen oder wenn möglich auch in Anwesenheit von Personen stattfinden, wenn ein Mindestabstand eingehalten werden kann. Dankenswerterweise wurden in einem überparteilichen Schulterschluss im Nationalrat im 2. COVID-19-Gesetz einstimmig sehr wichtige Maßnahmen beschlossen, zum Beispiel eine Frist­unter­brechung für alle Verwaltungsverfahren, damit Menschen nicht daran gehindert werden, entsprechende Beschwerden einzubringen und an Verfahren teilzunehmen. Diese Fristunterbrechung endete aber am 30.4., und ab 1.5. fingen die Fristen wieder neu zu laufen an.

Zu den Verwaltungsverfahren möchte ich sagen, dass sie geführt werden sollen, da kein Rückstau entstehen darf, und dass deshalb in Abänderung des § 3 die Form der Videokonferenzen für Verhandlungen vorgesehen ist. Damit können Verhandlungen in Form von Videokonferenzen durchgeführt werden. Die digitalen und technischen Hilfs­mittel werden in der Verfahrensordnung verankert. Diese Maßnahme soll verhindern, dass jemand schlechtergestellt wird, wenn er wegen technischer Unmöglichkeit am Verfahren nicht teilnehmen konnte. Dies wurde heute auch im Verfassungsausschuss behandelt, und dort konnten sicher die gute Absicht klargestellt und offene Fragen geklärt werden.

Diese Novelle beinhaltet auch eine Fristverlängerung für die Abschlussprüfungen bei den Integrationsvereinbarungen für jene Fälle, in denen diese Prüfungen jetzt nicht abgenommen werden können. Da sollte durch die Zeit der Krise kein Nachteil ent­stehen. All das wurde ausführlich auch im Verfassungsausschuss des Nationalrates diskutiert, Anregungen der FPÖ und der NEOS wurden aufgenommen, der Ver­fas­sungsdienst wurde einbezogen – in dem Fall war ja der Verfassungsdienst nicht nur einbezogen, er war auch legistisch tätig, und da, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sollte man, glaube ich, schon Vertrauen haben.

Der vorliegende Gesetzesantrag zur Novelle des AMA-Gesetzes soll dem Verwal­tungs­rat und dem Kontrollausschuss der Agrarmarkt Austria die Möglichkeit einräu­men, Beschlüsse im Umlaufweg und per Videokonferenz zu fassen. Diese Novelle soll mit 31.12.2020 wieder außer Kraft treten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die Menschen in unserem Land haben in diesen krisenhaften Wochen so viel Soli­darität und Gemeinsamkeit gezeigt: Bitte zeigen wir diese Einigkeit auch bei der Be­schlussfassung zu diesem 12. COVID-19-Gesetz!

Deswegen stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu Top 8, Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz 2017, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz 2020, das Zustellgesetz 1982 und das Agrarmarkt Austria Gesetz 1992 (AMA-Gesetz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz)“ (437/A und 136 d.B.), in der 906. Sit­zung des Bundesrates


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„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.“

*****

(Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.56


Vizepräsident Michael Wanner: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit auch in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Grimling zu Wort. Ich erteile es ihr.


20.56.16

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Das vorliegende, als 12. COVID-19-Gesetz bezeichnete Gesetzesvorhaben, mit dem das Integrationsgesetz 2017, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz 2020, das Zustellgesetz 1982 und das Agrarmarkt Austria Gesetz 1992 geändert werden, sollte eigentlich eine zielführende Bereinigung der Rechtslage zum Zweck der Erhöhung der Rechtssicherheit beinhalten.

Die gewählte legistische Methode zur Umsetzung dieses Vorhabens zieht aber ein Ergebnis nach sich, das sich aus dem Gesichtspunkt der Vollziehung als kaum lesbares gesetzgeberisches Unding erweist. Dies gilt insbesondere für die Verän­de­rungen beziehungsweise Verschärfungen der durch das bisherige Verwaltungs­recht­liche COVID-19-Begleitgesetz 2020 gesetzten Maßnahmen.

Es sind in kurzer Folge mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt worden, und das 12. COVID-19-Gesetz wurde wie die elf Covid-19-Gesetze davor von den Abgeordneten der Regie­rungsparteien durch Initiativantrag eingebracht, ohne Begutachtung. Unsere Aus­schuss­begutachtung wurde abgelehnt, obwohl wir bereits in der Ausschussdebatte auf die vielen Ungereimtheiten hingewiesen haben. Wenn es um Grund- und Frei­heits­rechte geht, sollten besonders strenge Maßstäbe gelten. Mit diesem Gesetzes­be­schluss wird jedoch der Behördenwillkür in den Verfahrensabläufen weiterhin freier Lauf gelassen. Die bereits bisher problematischen verwaltungsverfahrensrechtlichen Einschränkungen für mündliche Verhandlungen und Einvernahmen sollen neuerlich verändert werden, wenn eine Distanz von 1 Meter zwischen den Personen gewahrt bleibt. Es bleibt im Ermessen der Behörde, Amtshandlungen auch per Videokonferenz abzuhalten, das Risiko technischer Probleme tragen jedoch die Parteien und nicht die Behörde.

Die geplante Regelung widerspricht im Bereich der Justiz dem Grundsatz der Unmit­telbarkeit; das soll auch für das Verwaltungsstrafverfahren sowie die Verwaltungs­ge­richtsbarkeit gelten. Wie soll die Rechtsanwendung funktionieren, wenn es vollkommen unberücksichtigt bleibt, welche Mühe es mit sich bringen wird, wenn die betroffenen Einrichtungen sich aus diesem Konglomerat die für ihren Bereich maßgeblichen Bestimmungen heraussuchen müssen?

Wenngleich in Krisenzeiten eine rasche Reaktion zur Beherrschung der Situation eine Selbstverständlichkeit darstellt, darf die Bewältigung dieser Herausforderung in einer auf einer rechtsstaatlichen Basis aufgebauten parlamentarischen Republik kein Demo­kratiedefizit erzeugen.

Begutachtungen durch den Verfassungsdienst, den Datenschutzrat, den Rechnungs­hof und durch Interessenvertretungen sollen im Gesetzgebungsverfahren gewähr­leis­ten, dass die verfassungsmäßig verankerten Grund- und Freiheitsrechte gesichert blei-


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ben. Meine Damen und Herren, wir haben aber hier im Parlament vereinbart, das Begutachtungsverfahren für alle Bürgerinnen und Bürger zu öffnen. Da diese Bun­desregierung gegenwärtig die Begutachtungsverfahren systematisch umgeht, verhin­dert sie damit aber auch die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Gesetz­gebung. Gerade in Krisenzeiten ist es eine unakzeptable Vorgangsweise, die Betrof­fenen dieser weit in die Grund- und Freiheitsrechte eingreifenden Maßnahmen von der Anhörung, der Mitwirkung gänzlich auszuschließen. So kann man mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht umgehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da die gegenwärtige Bundesregierung jedoch die Methode einer Husch-pfusch-Variante gewählt hat, lehnt meine Fraktion das 12. COVID-19-Gesetz ab und gibt dem Einspruch ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.)

21.01


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.


21.02.08

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die gegenständliche Debatte umfasst mehrere Gesetze, ich greife exemplarisch eines heraus, das ich ein bisschen ausführen möchte, nämlich die mögliche Verschiebung des Nachweises aus dem Modul 1 der Integra­tions­vereinbarung. Da wird die Erfüllungspflicht bis 31. Oktober dieses Jahres verlän­gert. Das betrifft Drittstaatsangehörige, also Zugewanderte aus nicht EU-Staaten.

Ein Hauptteil davon ist der Nachweis von Sprachkenntnissen, in diesem Fall im Modul 1 auf A2-Niveau. Seit Wochen ist es nicht möglich, Kurse abzuhalten, seit Wochen ist es deswegen nicht möglich, diese zu besuchen, deshalb ist das eine wichtige und auch logische Änderung, die jetzt beschlossen werden wird. Die deutsche Sprache zu lernen, ist schließlich auch nicht das Einfachste auf der Welt.

Diese Maßnahme betrifft eine besonders vulnerable Gruppe. Es sind in einer relevan­ten Anzahl auch anerkannte Flüchtlinge darunter, die ja eine sehr schwierige Situation hinter sich haben und für die es natürlich eine große Herausforderung darstellt, jetzt auch eine doch schwierige Sprache zu lernen.

Das lenkt die Aufmerksamkeit auf eine in Österreich generell eigentlich sehr wichtige Gruppe, auch wenn darüber nicht immer sehr gern und offen diskutiert wird, nämlich die ZuwanderInnen. Eines ist klar: Österreich ist ein Zuwanderungsland und wir sehen das ganz klar als Bereicherung. Wirtschaftlich ist es ohnehin längst unverzichtbar, und Sie wissen sicher auch, dass wir gerade im so oft zitierten Wiederaufbau – dieses Vokabel wird nun wieder öfter bemüht – sehr, sehr vieles gerade den ZuwanderInnen zu verdanken haben. (Beifall bei den Grünen.)

Im Jahr 2018 wanderten nach Österreich knapp 147 000 Menschen zu, davon knapp 44 000 aus Drittstaaten, also das ist sehr wohl eine große und relevante Gruppe. Für viele von ihnen bedeutet diese zu beschließende Regelung wirklich eine Erleichterung, und, was dazukommt, sie fallen damit nicht um die staatliche Unterstützung für die Kurse um.

Gerade in Krisenzeiten wie diesen, in denen die Grenzen wieder weitgehend dicht gemacht werden – was ja im Sinne der Epidemiebekämpfung nachvollziehbar, aber natürlich auch sehr schmerzlich ist; das sage ich ganz offen, es ist bitter, die Grenzen zu zu haben und Soldaten an den Grenzen zu haben –, gerade in so einer Zeit spüren wir zunehmend, welche Probleme das bereitet – siehe nur beispielsweise die Dis­kussionen um ErntehelferInnen und PflegerInnen.


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Es ist auch keine Neuigkeit, aber entgegen so mancher Stimmungsmache ist es auch Tatsache, dass die allermeisten, die einen regulären Aufenthaltsstatus haben, aus welchen Gründen auch immer sie zugewandert oder geflüchtet sind, willig und motiviert sind, ihren Beitrag zur Integration zu leisten. Ihnen sprechen wir von hier aus einen großen Dank aus: Bleibt dran! Alles Gute für die Prüfungen!

Wir unterstützen auch die anderen Teile dieses Paketes, Kollegin Neurauter hat das entsprechend ausgeführt. Ergänzen möchte ich noch, und das ist natürlich auch besonders wichtig: Sämtliche Regelungen oder Änderungen, die da jetzt beschlossen werden, sind selbstverständlich befristet und auf den Zusammenhang der Covid-19-Bekämpfung beschränkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

21.06


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Schilchegger. Ich erteile es ihm.


21.06.25

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle zu fortgeschrittener Stunde nur ganz kurz ausführen, weshalb wir die Bedenken der sozialdemokratischen Fraktion teilen. Kollegin Grimling hat es ausgeführt: einige allgemeine Bedenken, ver­fassungsrechtliche Bedenken, Husch-pfusch-Gesetz. – Ich möchte das im Detail ergänzen.

Wir haben das kurz im Ausschuss diskutiert. Es geht da einfach um die gute Absicht, welche Kollegin Neurauter angesprochen hat. Die gute Absicht war zwar da, aber es ist halt kein gelungenes Gesetz daraus geworden, weil man da einfach einen Fall in bester Absicht geregelt hat – ich kürze das jetzt ab. Es geht um normale Verwal­tungsverfahren, denken Sie beispielsweise an ein Bauverfahren.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage wird bei dem Beispiel, das genannt wird, davon ausgegangen, dass man, wenn man schon im Verfahren drinnen ist – da wurde das Projekt ja schon einmal vorab vorgestellt und man hat den Parteien, zum Beispiel irgendwelchen Nachbarn, die Gelegenheit gegeben, Einwendungen zu erheben; das tun sie auch schriftlich und werden dann zur mündlichen Verhandlung geladen – und man zur mündlichen Verhandlung nicht kommt, ohnehin unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 wieder ins Verfahren hineinkann.

Wir wollen da eine zusätzliche Möglichkeit geben, damit man wieder ins Verfahren hineinkommt, wenn man nämlich an dieser Videoübertragung aufgrund von techni­schen Mängeln nicht teilnehmen konnte. Das muss ja nicht einmal eine bösartige Absicht von irgendeiner Partei gewesen sein, die das ganze Projekt verhindern möchte, sondern man hat einfach technische Probleme gehabt und konnte an dieser mündlichen Verhandlung deshalb nicht teilnehmen, weil die Bildübertragung nicht funktionierte.

Sie stellen da ein Beispiel in den Erläuternden Bemerkungen dar: Genau in diesem Fall soll dann die Behörde einfach im Nachhinein die Verhandlungsschrift schicken und man kann dann seine Rechte im Nachhinein geltend machen. – Das wäre alles sehr gut und schön, nur hat man es halt leider nicht so in den Gesetzestext geschrieben, sondern in die Erläuterungen. Es ist auch leider so, dass der Gesetzestext da nicht ausreicht. Gerade der Verweis, dass § 42 Abs. 3 AVG unberührt bleiben soll, ist hier problematisch, weil er eben auch die Möglichkeit der Deutung zulässt, dass man genau diesen Art. 42 Abs. 3, der nämlich die Voraussetzungen für die quasi Wieder­ein­setzung regelt, benötigt.


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Sie haben einfach die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über­sehen, die erwähnen Sie gar nicht. Als Jurist, als Rechtsanwalt gehe ich also davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof natürlich bei seiner Judikatur bleiben wird. Die­ser bleibt einfach dabei, was bedeutet, man hat an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen, das heißt, man kann gar keine Einwendungen mehr erheben. Man kann sie nicht mehr erheben, man hat insoweit seine Parteistellung verloren. Genau das ist eben in den Erläuternden Bemerkungen auch nicht klargestellt, dass es sich da näm­lich um eine Abweichung von der bisherigen Judikatur handeln soll; dann wäre das Ganze ja erträglich gewesen.

Das ist aber bitte nur ein Beispiel. Ich kann das jetzt nicht alles noch einmal wieder­geben, möchte ich auch gar nicht. Nur damit Sie verstehen – ich meine, schauen Sie sich die Tagesordnung an! –: Es ist nicht so, dass die sozialdemokratische Fraktion und die freiheitliche Fraktion, für die ich sprechen kann, da jetzt Fundamental­opposition betreiben und einfach alles ablehnen, was von der Regierung kommt. Ich glaube auch nicht, dass Sie behaupten können, dass wir bei so einem kleinen Ge­setzespaket, wo es „nur“ – unter Anführungszeichen – um Verwaltungsverfahren geht, mit denen man politisch, sage ich einmal, gar nichts gewinnen kann, einfach aus Prinzip dagegen sind. Das können Sie ja wohl wirklich nicht behaupten.

Wir sind da wirklich sehr differenziert in der Argumentation und kommen nach sorg­fältiger Begutachtung zum Schluss, dass man da einfach unsauber gearbeitet hat und dass sich der Nationalrat das noch einmal neu überlegen soll. Das ist wirklich eine rein fachliche Geschichte. Das ist auch der Grund, warum wir dem Einspruch natürlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

21.10


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler. Ich erteile es ihr.


21.10.24

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte ZuseherInnen via Livestream! Die Covid-19-Krise hat uns wohl alle in sehr vielen Bereichen vor unglaublich große Herausforderungen gestellt und ich möchte als Vertreterin der Exekutive auch Ihnen als VertreterInnen der Legislative dafür danken, dass es gelungen ist, unglaublich viele Gesetze, notwendige Änderungen zur Bewäl­tigung dieser Krise auf den Weg zu bringen.

Eines ist klar: Gerade in Zeiten der Krise muss der Rechtsstaat funktionieren, gerade in Zeiten der Krise müssen demokratische Prozesse eingehalten werden und gerade in Zeiten der Krise geht es darum, den Schutz aller Grundrechte höchstmöglich zu wah­ren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist wirklich sehr gut gelungen, nicht nur, weil wir sehr intensiv gearbeitet haben, sondern weil vor allem Sie einen Schulterschluss zwischen allen Parteien geschlossen haben, und dafür ein herzliches Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte einen weiteren Dank anschließen, einen Dank an die Bevölkerung, einen Dank an alle – das Commitment in der Bevölkerung war unglaublich groß und ist es nach wie vor –, die sich an die Vorgaben der Bundesregierung gehalten haben, die tatsächlich zu Hause geblieben sind, die Social Distancing betrieben haben, die alle Auflagen und Empfehlungen mit Mund-Nasen-Schutz tatsächlich wahrgenommen haben und – noch einmal – sich wirklich daran gehalten haben, was letztlich dazu geführt hat, dass wir jetzt vor einer Situation stehen, dass wir neuerlich Änderungen brauchen.


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Warum? (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Weil wir uns einer neuen Normalität annähern können, weil wir auch jetzt dafür Sorge tragen wollen, dass der Rechtsstaat auch weiterhin funktioniert und, Kollege Gross hat es erwähnt, ja, weil wir sicherstellen wollen, dass die Verwaltungsverfahren durchgeführt werden, dass die Behörde ein entsprechendes Ermessen zugesprochen bekommt, entweder Videokonferenzen durchzuführen oder diese Verhandlungen – und das ist das, was in diesem Gesetz steht – auch physisch durchzuführen, aber mit den notwendigen Auflagen, mit den notwendigen Vorkehrungen für die Sitzungspolizei, beim Nichteinhalten des Abstands oder beim Nichttragen von Mund-Nasen-Schutz entsprechend einschreiten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um zwei Dinge: Es geht darum, dass der Rechtsstaat weiterhin handeln und arbeiten kann, und es geht darum, dass die Gesundheit der Bevölkerung dennoch aufrechterhalten werden kann. – Das ist es, was in diesem Paket drinnen steht.

Frau Bundesrätin Neurauter, und ich möchte an dieser Stelle explizit für diesen umfas­senden Bericht danken, hat all die Punkte aufgelistet, die sonst noch darin enthalten sind, zum Beispiel, dass Zustellungen von RSa- und RSb-Sendungen auch nach Auslaufen dieser Fristunterbrechung kontaktlos möglich sind, und diese Frist ist bereits am 30.4. ausgelaufen. Mit 1.5. haben die Fristen neu zu laufen begonnen, und auch die Behörden sind aufgerufen, nun zu entscheiden, weil die Fristhemmung außer Kraft getreten ist.

Genau jetzt ist es notwendig, die entsprechenden Gesetze vorzusehen, es ist notwen­dig, dass Sie diese beschließen. Ich kann als Vertreterin der Exekutive an dieser Stelle nur bitten: Stimmen Sie diesen Gesetzen zu, denn es sollte im Sinne des Schutzes der Gesundheit, im Sinne der Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates keine weitere Zeit verloren werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich war bei Ihrem Ausschuss heute nicht dabei, aber ich war im Verfassungsausschuss des Nationalrates, und ich kann nur sagen: Wir haben eine sehr hochstehende Debatte geführt, in Details gehend, unter Beiziehung des Leiters des Verfassungsdienstes. Wir haben die Anregungen aufgenommen, die insbesondere vonseiten der SPÖ gekom­men sind, auch in Richtung Klarstellung. Diese haben letztlich auch zu einem Abän­derungsantrag im Nationalrat geführt. Ich muss Ihnen ganz offen gestehen, es tut mir leid und ich bedauere es zutiefst, wenn ich heute den Medien schon entnehme, dass Sie sich hier einer Kooperation des Vetos anschließen und einen Einspruch erheben wollen.

Es ist tatsächlich notwendig, diese Gesetze zu beschließen. Ich glaube, es macht Sinn, das nicht weiter zu verzögern. Es macht Sinn zum Schutz der Gesundheit, zum Schutz und im Sinne des Rechtsstaates, und daher kann ich von dieser Stelle aus nur noch einmal an Sie appellieren: Erheben Sie hier keinen Einspruch, sondern sorgen Sie dafür, dass diese Gesetze tatsächlich in Kraft treten können, jetzt, da es notwendig ist, jetzt, da wir bereits seit 1.5. die Situation haben, dass die Fristunterbrechung aus­ge­laufen ist, weil wir zu einer neuen Normalität kommen wollen (Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth), weil wir die Menschen auch wieder entlasten wollen, was die Ein­schränkungen betrifft, weil wir den Behörden das entsprechende Ermessen einräumen können!

Von dieser Stelle aus kann ich Ihnen nur sagen, und auch das ist schon gefallen: Der Verfassungsdienst war in diesem Fall nicht nur als Begutachter gefragt, wie Sie es fordern – als Verfassungsministerin sage ich Ihnen, auch ich möchte, dass es wieder Begutachtungen gibt, zu dem Zeitpunkt, ab dem wir es zeitlich einfach auch wieder einrichten können; jetzt aber wäre es notwendig, das zu beschließen –, der Verfas­sungsdienst ist in diesem Fall auch der Legist des Gesetzentwurfes gewesen, der im


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Tagesordnungspunkt 8 in Verhandlung steht. Daher kann ich Sie nur noch einmal bitten: Lassen Sie dieses Gesetz in Kraft treten, das wäre für uns alle jetzt sehr wesentlich! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.16

21.16.06


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 12. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

21.17.059. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundes­gesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härte­fonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrich­tung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bun­des­vermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prü­fung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (440/A und 143 d.B. sowie 10298/BR d.B. und 10309/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungs­gesetz 2014 und das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert werden (11. COVID-19-Gesetz) (441/A und 144 d.B. sowie 10310/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 9 und 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu Punkt 9 ist Bundesrätin Doris Hahn, Berichterstatter zu Punkt 10 ist Bundesrat Eduard Köck. – Ich bitte Frau Bundesrätin Doris Hahn um den Bericht.


21.17.49

Berichterstatterin Doris Hahn, MEd MA: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bundesabgabenord­nung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungs­aktien­gesell-


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 134

schaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermäch­tigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen vollumfänglich in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Bun­desrat wolle beschließen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Um­satz­steuergesetz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisie­rungs­ge­setz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveran­staltungs­aus­fall-Härtefonds, das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungs­aktiengesellschaft des Bundes und das Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundes­ge­setz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz), mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Blümel recht herzlich im Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Ich bitte Herrn Bundesrat Köck um seinen Bericht.


21.19.55

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Vorsitzender! Sehr geehrter Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuch­haltungsgesetz 2014 und das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert werden (11. COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen vollinhaltlich in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile es ihr.


21.20.46

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Ich werfe einen kurzen Blick zurück: Unser Finanzminister hat in einem Interview geschildert, dass er seine Budgetrede fix und fertig ausgearbeitet gehabt und eigentlich nur noch an ein paar Beistrichen gefeilt habe. Das Budget wäre ein erfreuliches gewesen, ein Budget mit einem Budget­über­schuss. Dann kamen Covid-19 und die damit einhergehende Coronakrise.

Unser Finanzminister sagte dazu im Nationalrat, jetzt handle es sich um „ein Budget der Krise“, und es sei allein entscheidend, „wie viele Menschenleben [...] gerettet“, „wie viele Arbeitsplätze [...] gesichert“ und „wie viele Unternehmen [...] vor der Insolvenz


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 135

bewahrt“ werden können. Damit sind wir schon mittendrin im Jetzt und in der Debatte um wichtige Änderungen in verschiedenen Gesetzen.

Bei Tagesordnungspunkt 9 geht es unter anderem um die Umsatzsteuerbefreiung für Schutzmasken, was bedeutet, dass die Schutzmasken für die Endverbraucher um 20 Prozent günstiger erworben werden können.

Es geht um finanzielle Vorkehrungen für EIB-Garantiefonds und Förderungen von Kurzarbeit auf europäischer Ebene.

Es geht um Erleichterungen bei der Kostenrückerstattung hinsichtlich Schulver­an­staltungen: Damit wird die Refundierung von Stornokosten für Schulveranstaltungen im Interesse der Erziehungsberechtigten sichergestellt. Die Ansprüche sollen auf die Re­publik übertragen werden.

Es geht um beim Finanzamt bestehende Guthaben, welche nicht mit gestundeten Abgabenschulden gegenverrechnet werden müssen, sondern in voller Höhe aus­bezahlt werden können.

Es geht um pensionierte Ärzte und Ärztinnen, die zurückgekommen sind, um in der Coronakrise zu helfen. Da sollen Ausnahmebestimmungen erlassen werden, damit diese keine steuerlichen Nachteile erleiden müssen.

Es geht auch um die Prüfung beziehungsweise Überprüfung von gewährten För­de­rungen durch Organe des Finanzamtes. Es soll mit diesem Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, dass nach Bewilligung der Krise auch richtig geprüft werden kann, um strukturellen Missbrauch von Steuergeldern zu verhindern.

Es müssen Gesetze teilweise nachgeschärft werden, das liegt aber in der Natur der Sache, da – man muss sagen: Gott sei Dank – noch niemand Erfahrung mit solch einer Katastrophenbewältigung hatte. Es handelt sich bei dieser Pandemie um eine der größten Krisen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Nationalrat und der Bundesrat sind in den letzten Wochen immer wieder zusammengetreten, um Gesetze zu beschließen, welche das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen und damit auch das der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch sonst noch ganz wichtiger Bereiche sichern sollen. Aufgrund der hervorragenden Arbeit unserer Bundesregierung, aber auch der Landesregierungen sowie der großen Mithilfe und Disziplin der Öster­reiche­rinnen und Österreicher konnte in den letzten zwei Wochen begonnen werden, wieder halbwegs eine Normalität zu leben.

Meine Damen und Herren, ich ersuche Sie namens meiner Fraktion, mitzuhelfen, dass die Gesetze so schnell wie möglich in Kraft treten können, damit rasch geholfen wer­den kann.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 9, Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, die Bun­des­abgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbau­beteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bundesgesetz,


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mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (440/A und 143 d.B.)“

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

21.26


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.


21.26.49

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher via Livestream, so Sie bis jetzt durchgehalten haben! Es ist zugegebenermaßen eine rechte Challenge, jetzt über dieses Gesetzeskonvolut zu sprechen – es ist das 18. Covid-19-Gesetz –, denn es handelt sich schon wieder um ein richtiges Sammel­surium unterschiedlichster Themen, die teilweise nichts miteinander zu tun haben, teilweise ähnliche Materien sind, aber wieder in einem Gesetzesvorschlag hier zur Verhandlung stehen.

Mit diesem Problem und dieser Schwierigkeit sind wir als Opposition jetzt seit meh­reren Wochen konfrontiert. Die Kritik, dass diese Sammelgesetze einfach ein parla­mentarisches Unding sind, haben wir auch mehrfach geäußert. Wie soll man sich eine Meinung zu so vielen verschiedenen einzelnen Themen bilden und das seriös abar­beiten? Man kann so keine saubere politische Arbeit, wie wir sie verstehen würden, machen.

Es ist aber unsere legitime Rolle als Opposition, Gesetzesvorhaben gut zu prüfen, sensibel darauf zu schauen, was mit den Ressourcen und mit den Instrumenten unserer Republik passiert – gerade in Krisenzeiten. Da müssen wir noch nicht einmal nach Ungarn schauen, sondern einfach wissen, dass Oppositionsarbeit auch bedeutet, bestehende oder vorgeschlagene Maßnahmen sehr kritisch zu durchleuchten und im Zweifelsfall darauf aufmerksam zu machen, wenn irgendetwas problematisch sein könnte. Deshalb haben wir als SPÖ uns auch dazu entschieden, im Ausschuss einen begründeten Einspruch einzubringen und damit nämlich auch dem Nationalrat die Gelegenheit zu geben, den einen oder anderen Vorschlag von uns aufzugreifen und dieses Konvolut an verschiedenen Themen noch einmal gründlich zu prüfen. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte einige Beispiele für unsere Kritik anbringen, damit auch verständlich wird, warum wir diese Haltung haben. Ein Thema, das uns wirklich bitter aufstößt – wir haben heute mehrfach darüber gesprochen, wie viele Menschen von Kurzarbeit, wie viele Menschen von Kündigung betroffen sind –: Es ist einfach nicht einzusehen, dass es Betriebe und Unternehmen gibt, die jetzt zu Recht staatliche Unterstützung und Förderung in Anspruch nehmen, aber gleichzeitig ihren Managern, ihren Aufsichtsräten oder Eigentümern Dividenden oder Boni auszahlen. Es geht einfach nicht zusammen,


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staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und solche Zahlungen jetzt zu tätigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das schon vor einigen Wochen kritisiert, was wir aber im jetzt vorliegenden Entwurf sehen, ist, dass nach wie vor halbe Boni ausgezahlt werden dürfen. Das ist aus unserer Sicht ein No-Go! Entweder braucht man staatliche Hilfe, oder man hat Geld, um solche Dinge auszuzahlen – Punkt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist – davon war heute schon öfter die Rede; ich möchte ihn nur ganz kurz erwähnen –: Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Abwicklung der Hilfen des Härtefallfonds beim Finanzamt besser aufgehoben gewesen wäre. Wir sind überzeugt davon, dass die Abwicklung dort schneller und leichter hätte erfolgen können. (Bundesrätin Zwazl: Schneller nicht!) Jetzt wird das Finanzamt in die Rolle gedrängt, zu kontrollieren, was die Wirtschaftskammer macht, aber es kann das nur mittels Empfehlungen machen – also ein recht zahnloses Instrument und aus unser Sicht schlussendlich insgesamt eine sehr ineffiziente Konstruktion.

Ein weiterer Punkt, der sich in diesem Sammelsurium versteckt, ist die österreichische Beteiligung an der solidarischen Schuldenpolitik der Europäischen Union. Dass sich Österreich daran beteiligt, ist natürlich etwas, das wir als SPÖ sehr begrüßen. Was wir aber kritisieren, ist, dass aus dem vorliegenden Text nicht genau herauslesbar ist, in welcher Höhe wir uns an welcher Maßnahme der Europäischen Union beteiligen. Da geht unsere schlichte, legitime Forderung in Richtung mehr Transparenz, denn schließlich handelt es sich um mehr als 1 Milliarde Euro, die da infrage kommt, und da darf man schon auch Transparenz einfordern.

Etwas, das wir sehr loben möchten, ist der Fonds – der auch in diesem Gesetzes­kon­volut drinnen ist –, mit dem Eltern Stornokosten für ausgefallene Schulveranstaltungen rückerstattet bekommen. Das ist natürlich sinnvoll, aber es gibt Kosten, mit denen Eltern monatlich konfrontiert sind – beispielsweise Kindergartenbeiträge, zum Teil auch dann, wenn die Kinder gar nicht in den Kindergarten gehen können. Für viele Eltern ist das ein Problem. Man stelle sich vor: Man ist in Kurzarbeit, hat weniger Einkommen oder ist sogar arbeitslos. Diesbezüglich möchte ich auch hier die Forderung unter­streichen, dass das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate erhöht werden muss.

Für Eltern ist jetzt einfach jeder Euro – und da geht es zum Teil um Hunderte Euro –, den man an Beiträgen zahlen muss, ein Thema. Darüber hinaus ist das österreichweit einfach nicht einheitlich geregelt: In manchen Bundesländern müssen Eltern diese Beiträge zahlen, in anderen nicht, und auch die Betreiber der Kindergärten bekommen den Entfall der Elternbeiträge teilweise rückerstattet, teilweise nicht – da werden die Betreiber oft sehr alleingelassen.

Generell leisten die Pädagoginnen und Pädagogen sowohl in der Schule als auch in den Kindergärten mit diesen ständig wechselnden Anforderungen und mit diesem ständigen Abwägen zwischen Sicherheit der Gesundheit und Bildungsanspruch zurzeit wirklich Enormes – damit muss man erst einmal umgehen lernen! Ich habe heute um 17 Uhr eine Nachricht einer Kollegin, einer Leiterin eines Kindergartens, bekommen, die das sehr eindrücklich schildert, ohne dass ich sie dazu aufgefordert habe. Ich möchte diese Nachricht kurz vorlesen, weil sie die Situation in den Kindergärten sehr drastisch darstellt:

Liebe Daniela! Die Stimmung in der KollegInnenschaft ist ziemlich angespannt. Ich werde in meinem Team in den nächsten Tagen mindestens zwei Kündigungen haben: Eine Kollegin, die noch zwei Jahre bis zur Pension hat, ist chronisch krank und kann daher nicht mehr eingesetzt werden, eine ist schwanger. Das heißt, mir fehlen bald vier


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bis fünf PädagogInnen. Keiner weiß, wie so ein Loch nachbesetzt werden kann. Ich weiß nicht, wie es in anderen Häusern aussieht – und so weiter.

Meine KollegInnen haben Angst vor Ansteckung. Sie fühlen sich ungeschützt und als Versuchskaninchen der Wirtschaft und der Regierung. Ich weiß, dass du jetzt natürlich auch keine Wunder wirken kannst, ich wollte es dir einfach einmal sagen. Wir steuern da hoffentlich nicht auf eine Katastrophe in der Elementarpädagogik zu; und so weiter. – Zitatende.

Das, was sie da anspricht, ist der PädagogInnenmangel in der elementaren Bildung, von dem wir seit Jahren wissen – weil die Arbeitsbedingungen dementsprechend schlecht sind, die Bezahlung dementsprechend schlecht ist. Jetzt holt uns dieser Missstand mit Vehemenz ein. Ich bin gespannt, wie die KollegInnen mit weniger Personal, weil auch dort viele der Risikogruppe angehören, mit kleineren Kinder­gruppen, die wir alle uns natürlich wünschen, arbeiten sollen. Das ist ein Widerspruch, der so nicht zusammengeht.

Um aber noch einmal auf die Eltern zurückzukommen: Die haben jetzt verschiedenste Belastungen zu stemmen. Wenn wir ihnen doch zumindest die finanzielle Belastung nehmen könnten – weil durch die Kurzarbeit teilweise auch der Familienbonus wegfällt und das Arbeitslosengeld wie gesagt bei den Beiträgen und laufenden Kosten, die sie weiter zu bezahlen haben, einfach zu wenig ist! Da lässt man die Eltern in einer großen Krise zurück, und ich denke, das haben sie sich nicht verdient.

Darüber hinaus machen sie sich auch schon Sorgen, wie dann die neun Wochen Sommerferien zu bestreiten sind, da viele Urlaub aufbrauchen mussten, da das Geld fehlt, um Kinderbetreuung, Feriencamps und so weiter für den Sommer zu orga­nisieren. Das sind einfach viele Themen, mit denen Familien betraut sind, und deshalb ist dieser Schulfonds natürlich gut, aber eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Welchen Schluss ziehen wir als SPÖ jetzt aus diesem Sammelgesetz? – Für uns überwiegen leider einfach sehr viele negative Teile, darum haben wir auch diesen begründeten Einspruch eingebracht. Eine Möglichkeit für den Bundesrat wäre auch immer noch das Instrument des Teileinspruchsrechtes, das wir hier vor Kurzem wieder debattiert haben – damit könnten wir einzelne Gesetzesmaterien einzeln bewerten und einzeln abstimmen; ich finde, der Bundesrat hat es verdient, auch so seriös arbeiten zu können –, leider ist das nicht durchgegangen. Das wäre eine andere Möglichkeit gewesen, aber so hoffen wir, dass der Nationalrat unsere Anregungen noch einmal aufnimmt und prüft und wir so demnächst ein verbessertes Gesetz bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.36


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


21.37.02

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich möchte doch zu zwei Kritikpunkten kurz Stellung nehmen, weil das immer wieder kommt und man das jetzt natürlich bei allen Gesetzen, die in Zukunft kommen, immer wieder beeinspruchen könnte, indem man dann immer wieder sagt: Nein, das Finanz­amt hätte das machen müssen und nicht die Wirtschaftskammer!

Ich finde, das ist eine legitime Diskussion, darüber kann man diskutieren, das ist auch legitim; Frau Kollegin Zwazl und ich haben auch darüber diskutiert. Ich bin ja auch Obmann einer Fachgruppe in der Wirtschaftskammer, und ich möchte es noch einmal sagen: Ja, man kann darüber diskutieren, aber jetzt, da es schon eingespielt ist, und


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zwar schon seit Wochen, noch zu fordern, man müsse das im Nachhinein ändern, würde wirklich zu einer Verwirrung bei den Unternehmerinnen und Unternehmern führen. Es funktioniert, und das ist mir im Moment das Wichtigste – und das kann ich auch für meine Fachgruppe sagen. Die Informationen sind nachvollziehbar, sie sind verständlich, es gibt eine Hotline, bei der man relativ rasch eine Antwort und auch relativ rasch Hilfe bekommt, und ich bin froh, dass das jetzt auch funktioniert. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die andere Kritik, die auch immer wieder kommt – die verstehe ich, weil es auch mir lieber wäre, es wäre anders –, ist, dass es keine Begutachtungsfrist und kein normales Prozedere im Parlament gebe. Mir wäre es auch viel lieber, wenn wir die Zeit hätten, das zu tun, aber wir können nicht so tun, als gäbe es die Krise jetzt nicht mehr und als hätten wir jetzt schon alles hinter uns. Das ist nicht so!

Was die derzeitigen Öffnungen, die wir jetzt versuchen, an Zahlen bedeuten, wissen wir in ungefähr eineinhalb, zwei Wochen. Dann können wir sagen: Ja, das hat gut funktioniert! – Ich bin optimistisch: Die Zahlen, die wir derzeit vorliegen haben, schauen gut aus, auch die neue Studie über die sogenannte Dunkelziffer schaut gut aus. Wir müssen aber immer wieder nachjustieren, und ja, es wird auch in der Zukunft, so leid es mir tut, Gesetze geben, die wir so schnell brauchen, dass es keine Begutachtung geben wird – weil es eine Krise gibt. Dort aber, wo es möglich ist, da bin ich mir ganz sicher, werden wir auch dieses normale Prozedere in die Wege leiten.

Worum geht es jetzt in diesen Gesetzen? – Wir beschließen ja einige Punkte, die für viele Menschen wichtig sind. Für manche sind es kleinere Punkte, aber für die Be­troffenen große Punkte, und sei es, nur als Beispiel, 0 Prozent Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Lieferung von Schutzmasken – eine kleine, aber wichtige Maßnahme!

Ich wollte aber eigentlich etwas ganz anderes von dem, was wir hier beschließen, in den Vordergrund rücken, weil es mir den Anlass gibt, den Ball, den mir Herr Kollege Gross gegeben hat, weiterzuspielen und über die europäische Solidarität zu sprechen, die meiner Meinung nach ein Schlüssel sein wird.

Am Anfang der Krise gab es auch so etwas wie Europaverdruss. Man hat irgendwie den Eindruck gehabt, dass Europa nicht funktioniert, dass Europa ausgedient hat, dass es nicht funktioniert hat. – Es mag schon sein, dass die Europäische Union in ihrer Vielschichtigkeit mit 27 Mitgliedstaaten – es sind eigentlich noch 28, also 27,5, muss man jetzt sagen, weil ein Prozess ja noch nicht ganz zu Ende ist – nicht so schnell agieren kann. Das haben wir auch gelernt.

Die Zeit der Europäischen Union – davon bin ich überzeugt – kommt aber; sie kommt. So, wie wir – das haben wir heute auch schon besprochen – gelernt haben, was Solidarität in Österreich bedeutet, nämlich dass wir einander helfen, dass es mir nur gut geht, wenn es dem anderen, meinem Nachbarn gut geht, werden wir das auch in der Europäischen Union sehen.

Heute beschließen wir eine Ermächtigung des Finanzministeriums: Wir leisten 650 Mil­lionen Euro für den Garantiefonds der EU. Die Europäische Investitionsbank errichtet damit einen EU-weiten Garantiefonds in der Höhe von insgesamt 25 Milliarden Euro, den sie auch selbst verwalten wird. Der Fonds soll Garantien für die EIB und den Europäischen Investitionsfonds bereitstellen. Diese Finanzierungen sollen vor allem KMUs zugutekommen, dieses Geld wird für KMUs innerhalb der EU mobilisiert. Ge­fördert werden allerdings nur diejenigen, die auch dazu beitragen, und Österreich wird jetzt ein Staat werden, der dazu beiträgt – und das ist gut so.


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Wir begrüßen diese europäische Solidarität genauso wie den zweiten Punkt, den wir heute beschließen, nämlich die 720 Millionen Euro für Sure. In diesem EU-Programm geht es um die Kurzarbeit. Es soll zinsgünstige Kredite von insgesamt bis zu 100 Mil­liarden Euro an besonders betroffene Mitgliedstaaten ermöglichen. Warum ist das so wichtig? – Ich bin ja, muss ich gestehen, kein großer Anhänger des Begriffs der neuen Normalität, ich bin ja eher ein Anhänger des Begriffs der neuen Chancen, der neuen Perspektiven, die auch durch eine Krise entstehen können. Ich glaube, wir sollten jetzt nicht immer wieder sagen, wie schlecht alles ist und wie kaputt alles ist; ihr wisst, wie wichtig auch Hoffnung und Psychologie sind, auch für die Wirtschaft. Es gibt Chancen, und diese Chancen werden wir erarbeiten.

Worin investieren wir, um die Konjunktur voranzubringen? – Dazu hat die Europäische Union mit der neuen Kommission ein hervorragendes Instrumentarium entwickelt, das sich Green New Deal nennt. Auch die Gelder, die wir heute hier beschließen, sollten wir als ersten Schritt für diesen Green New Deal sehen, als Schritt, um dort zu helfen, wo die Zukunft liegt, und die Zukunft liegt eindeutig in Green Jobs und in Klima­schutz­maßnahmen. Das schafft Jobs, das schafft Arbeitsplätze und das forciert die Wirt­schaft. Das bringt den Wirtschaftskreislauf auch wieder stark in Schwung. Wir tun damit etwas für unsere zukünftigen Generationen, und deswegen sollten wir diese Punkte auch beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.43


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Reinhard Pisec. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat.


21.44.10

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie sind sicherlich der dritte in einer Reihe von Ministern, die die Intention haben – zumindest die Intention –, der Wirtschaft zu helfen und den desaströsen Zustand der österreichischen Wirtschaft, von dem ich in meiner vorigen Rede berichtet habe und zu dem ich am Ende noch einen Ent­schließungsantrag einbringen werde, abzuwenden. Diese Intention möchte ich Ihnen nicht absprechen, aber Sie werden von den grottenschlechten Finanzministern der Vergangenheit verfolgt.

Österreich hat sich, wenn man es genau nimmt – ich möchte über den Wirtschafts­standort sprechen –, von der Wirtschaftskrise 2008/2009, von der großen Rezession, wie sie genannt wird, im Unterschied zu allen anderen Ländern eigentlich nie wirklich erholt.

Der ATX, der Börsenindex, diese Benchmark ist für mich ein Indikator für den Zustand der börsennotierten, der großen Unternehmen – die schaffen ja die Arbeitsplätze –, er ist ein Indikator dafür, wie sich eine Wirtschaft international präsentiert. Das ist eine Visitenkarte. Der ATX hat sich als einer der ganz wenigen Indizes weltweit nicht über den Höchststand von 2008 bewegt, er hat den Peak von damals bis heute nicht über­troffen. 2020, im jetzigen Zustand, hat der ATX 30 Prozent verloren – das ist weit mehr als das, was alle anderen Indizes verloren haben.

Es sollte einem zu denken geben, dass das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft seit 2008, wenn man es genau nimmt, nicht in dem Maße, wie Sie es sich vielleicht auch vorstellen – das möchte ich Ihnen gar nicht absprechen –, gegeben ist.

Wenn man sich das jetzt anschaut, sieht man: Es läuft ein Wettbewerb unter den Nationen – schon mit Blick auf das Ende der Krise –, wie man internationale Liefer­ketten abwerben kann, wie man diese zugunsten des eigenen Wirtschaftsstandorts abwerben und die Unternehmen halten kann. Österreich ist, wie wir heute gehört


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haben, mit allen anderen Dingen beschäftigt, aber sicher nicht damit, zu überlegen, wie es der Wirtschaft besser gehen könnte. Die Fehler von 2008/2009 sollte man ja nicht machen – Österreich hat sich, wie gerade geschildert, nie davon erholt –, man sollte das Heil eben nicht nur in Steuererhöhungen sehen, in Steuererhöhungen, die ein Budget irgendwie füttern sollen; abseits eines Wirtschaftswachstums werden sich die Staatsschulden aber nie reduzieren.

Damit bin ich auch schon beim Thema, bei diesem Sammelgesetz, das leider ein ver­packtes Konvolut von Masken, Umsatzsteuer, EU-Garantiefonds und Schul­veranstal­tungsausfall-Härtefonds ist – was zueinander natürlich überhaupt keinen Bezug hat. Bleiben wir aber beim wesentlichen Thema, das uns österreichische Steuerzahler inter­essiert, nämlich beim EU-Garantiefonds! Wir lehnen diesen Artikel 4 ab – sonst stim­men wir von der FPÖ ja allem zu –, da wir genau wissen, dass das Geld österreichi­scher Steuerzahler sicherlich als Garantie nach Italien wandert. Der italienische Finanzminister, das wissen Sie sicher, hat in seinem Budget diese potenziellen Ein­nahmen, dieses potenzielle Geld des österreichischen Steuerzahlers fix als Einnahmen eingeplant – ganz fix! Das ist für ihn ein fixer Budgeteinnahmeposten.

Schauen wir uns Italien genau an: Die Staatsverschuldung Italiens lag vor der Krise bei 70 Prozent, heute liegt sie bei 135 Prozent, aus der Krise herauskommen wird Italien bei etwa 200 Prozent. Auch wenn die Ausgaben – das gilt für Österreich genauso – gleich sind wie im Jahr davor, erhöht sich der Staatsschuldenprozentsatz allein dadurch, dass wir eine Rezession von 10 Prozent ansteuern, auch um diesen Satz. Österreich wird also bei etwa 90 bis 100 Prozent landen, Italien bei 200 Prozent. Mit diesen Szenarien muss man sich auseinandersetzen!

Italien wird nur am Tropf hängend am Leben gehalten, Italien wäre schon längst bankrott, wäre schon längst zahlungsunfähig. Es ist zwar ein schönes Land, das mag sein, aber strukturell ist es katastrophal schlecht aufgestellt. Argentinien ist in den letzten 20 Jahren dreimal zahlungsunfähig geworden. In Argentinien leben bekanntlich sehr viele Italiener, die Mentalität ist also übertragbar. Italien wäre auch schon längst zahlungsunfähig, hätte die EZB mit dem Italiener Mario Draghi und auch mit der jetzigen Präsidentin Lagarde Italien nicht mit direkter monetärer Staatsfinanzierung bis heute am Tropf hängend am Leben gehalten.

Die Frage ist: Wo führt das hin? Bei einer Staatsverschuldung von 200 Prozent wäre ich langsam vorsichtig. Dass der Goldkurs steigt, ist auch dem geschuldet, dass das Vertrauen in die Zirkulation des Geldes eigentlich nicht unbedingt gegeben ist. Was helfen die besten Lieferketten, wenn die Zahlungsketten nicht funktionieren?

Ich möchte es Ihnen auch nicht zum Vorwurf machen, dass die 100-prozentige Bürg­schaft für Kredite erst jetzt kommt. Diese brauchen die Unternehmer, damit sie die Lieferungen bezahlen können, damit die Lieferketten erhalten bleiben. Sie haben schon recht damit, dass Sie auf 100 Prozent gehen, damit das Geld auch in die Wirtschaft fließt. Das Schlimmste ist ja nicht, dass in einer Lieferkette eine Lieferung bezahlt werden muss; aber: Wenn einer etwas nicht bezahlt, verkettet sich das immer weiter, und am Schluss kriegt keiner das Geld. Es bleibt ja nicht beim zahlungs­un­fähigen Unternehmen hängen, sondern es setzt sich ja wie in einem Schneeballsystem fort. Darauf sollte man achtgeben.

Was die Zahlungsmoral betrifft, lag die Zahlungsdauer in Österreich früher bei sieben Tagen, dann bei 14 Tagen; die Zahlungsdauer ist jetzt eh schon auf 30 Tage gesun­ken. In Italien liegt sie bei 180 Tagen; so lange dauert es, bis der Lieferant sein Geld sieht.

Die Zahlungsketten zu erhalten ist also das Wichtigste in einer Wirtschaft. Die Liefer­ketten sind sekundär: Wenn einer ausfällt, wird der Nächste einspringen. Die Zahlungs-


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ketten müssen aber unbedingt erhalten bleiben, daher ist es wichtig, dass das Geld eins zu eins – Ihr 15-Milliarden-Euro-Programm, das ja jetzt nur in Millionen, aber längst nicht in Milliarden bei den Unternehmen ankommt – endlich auch tatsächlich und praktisch in die Wirtschaft fließt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Finanzminister, mit den Steuerstundungen in wenigen Tagen haben Sie auch gut reagiert, um die Liquidität, wie Sie richtig gesagt haben, im Unternehmen zu halten. Natürlich, das Kapital macht wirtschaftlichen Erfolg und einen Wirtschaftsstandort aus, aber Steuerstundungen sind noch keine Steuersenkungen. Das Geld, das jetzt auf Basis der Erträge der Jahre davor gestundet worden ist, muss im Herbst 2020 nach­bezahlt werden. Es geht also, wenn Sie so wollen, um ein Geschenk – Zinsen gibt es aber praktisch eh keine mehr – im Sinne eines Zahlungsverzugs; eigentlich ist es ein Kredit, ein Dreimonatskredit, nicht mehr und nicht weniger. Man darf also das Ganze nicht überbewerten, von 15 Milliarden Euro sind 10 Milliarden Euro bereits bei den Unternehmen angekommen. Es ist eigentlich das eigene Geld; bei Steuerstundungen geben wir uns selbst einen Kredit, wenn man ehrlich ist.

Das Zweite ist der Verlustrücktrag: Es ist wichtig, dass dieses Geld, das Sie jetzt als Steuerstundungen für die Unternehmen freigespielt haben, auch wirklich von einem Gewinn, der gar nicht existiert, abgezogen werden kann. Den Unternehmen ist ja der ganze Ertrag weggebrochen! Wir gehen ja schon weit in die Minuszahlen hinein, das heißt, man zahlt eigentlich aus der eigenen Tasche, geschweige denn, dass man irgendeinen Ertrag macht. Daher sollten diese Steuerstundungen in einen teilweisen Verlustrücktrag rückgewandelt werden, so wie es in Deutschland bereits gemacht wird, da, wie eingangs gesagt, der internationale Wettbewerb um den Wirtschaftsstandort längst angelaufen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

1,2 Millionen Kurzarbeiter: Wie schafft man es, dass diese für Kurzarbeit Gemeldeten tatsächlich in die Wirtschaft, in die Vollbeschäftigung rückgeführt werden? – Na, mit diesem Konzept der hohen Lohnsteuern, international einzigartig, kann ich mir kaum vorstellen, dass die Unternehmer, die jetzt schon alles zahlen müssen, auch wirklich diese 1,2 Millionen für Kurzarbeit Gemeldeten wieder ins eigene Unternehmen rück­führen. Das werden sie nicht schaffen, weil ja kein Ertrag mehr vorhanden ist. Lohn­steuersenkungen sind da also extrem wichtig – für Mitarbeiter, damit sie mehr Netto vom Brutto haben.

Last, but not least: die Förderung von Investitionen. Ein kurzes Beispiel: Wie ist denn die DDR nach dem Fall der Mauer im Jahr 1989 hochgefahren worden? – Die Bundes­republik Deutschland hat total schnell reagiert – wie Sie mit Ihren Steuerstundungen, das stimmt schon –, man hat reales Geld generiert, die Unternehmen thesaurieren lassen, indem man eine 40-prozentige vorzeitige Abschreibung gewährt hat. So ist die DDR in wenigen Jahren hochgezogen worden: eine 40-prozentige vorzeitige Abschrei­bung, dann fließt das Kapital, dann fließen die Investitionen in diese Regionen, die sie, die wir alle notwendig haben und auch wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Der internationale Wettbewerb ist wichtig, diesen darf man nicht vergessen. Er ist jetzt schon zwischen Australien, Indien und China angelaufen. Was China da in der Weltwirtschaft durch diesen Virus fabriziert hat, werden viele nicht vergessen.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie auch daran denken, dass hier keine protektionistische, aber eine Politik gemacht wird, die die österreichischen Betriebe, unsere KMU-Betriebe, wieder mehr schätzt, mehr wertschätzt, sodass sie auch mehr Aufträge bekommen, damit wir als österreichische Produzenten und Unternehmer national, aber auch international reüssieren können.

Zum Schluss möchte ich, wie eingangs erwähnt, folgenden Antrag einbringen:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Echte Hilfe für Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister, wird aufgefordert, dem Natio­nal­rat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten und im Rahmen der Budget­erstel­lung sicherzustellen, dass die Umsetzung eines Wirtschaftsreparaturpakets finanziert werden kann, das geeignet ist, jenen Privatpersonen sowie Wirtschaftstreibenden, die von der Covid-19-Krise massiv beziehungsweise existenziell betroffen sind, unmittel­bar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Da der Entschließungsantrag verteilt worden ist, fasse ich nur kurz die wichtigsten Positionen zusammen, drei Punkte stelle ich insgesamt vor: ein voller Entschädi­gungs­anspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind, abgegolten in der Höhe des außer Kraft gesetzten ehemaligen Epidemiegesetzes; weiters: sofor­tige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämt­liche Kosten und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt; und vor allem: die Abwicklung sämtlicher Maßnahmen über die Finanzämter, weil diese gut eingeführt sind.

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.55


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Mag. Rein­hard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Hilfe für Österreich“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


21.56.01

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren hier und zu Hause! Besondere Zeiten fordern besondere Maßnahmen: Dieser Satz ist jetzt wichtiger denn je, und er zeigt auch, dass schnelle Hilfe doppelte Hilfe ist.

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Masken, die Unterstützung bei Schul­veranstal­tungen, Kurzarbeit, der Härtefallfonds, der leichtere Zugang zu Krediten über Änderung der Vorgaben für die Banken: All das sind Maßnahmen, die die schlimmsten Fälle abfedern. Dass Ärzte, die aus dem Ruhestand kommen, keine steuerlichen Nachteile haben sollten, ist ganz klar.

Das sind notwendige Maßnahmen, die eine schnelle Hilfe möglich machen, die der Gesamtbevölkerung zugutekommt. Dass diese Maßnahmen eine entsprechende Kon­trolle verlangen, ist gut und richtig, und die Verwendung der Zweckmäßigkeit der Mittel ist auch eine klare Sache. Die Finanzämter haben Zeit, die Vorgaben und die Anwen­dung der Mittel auch zu überprüfen.

Kein anderer Staat hat es geschafft, durch seine Maßnahmen einen so großen Erfolg wie Österreich einzufahren. Wir haben im prozentuellen Vergleich die geringste Todes-


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rate aller Länder. Andere Länder, die verspätet reagiert haben, haben gravierende Fol­gen mit sehr vielen Toten erfahren müssen.

Alle Parteien sind mitgegangen und haben den Ministern die notwendigen Hand­lungs­ermächtigungen für die Bewältigung der Krise zukommen lassen. Es sind einstimmige Beschlüsse gewesen, die für Österreich und für die Menschen gefasst wurden. Die Regierung kann mit ihren Maßnahmen nur die schlimmsten Folgen abfedern, auch in Zukunft muss auf die Experten gehört werden, damit der beste Schutz für die Bevöl­kerung besteht.

Ein wichtiger Grundsatz muss bleiben: Hilfe für alle, die diese brauchen. Die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit werden auch eine zweite Welle verhindern und somit negative Entwicklungen gar nicht entstehen lassen. Geben wir diesen Gesetzes­vor­lagen die Zustimmung! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.58


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel. – Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.


21.58.22

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf vielleicht kurz zu einigen Punkten, die in den Debattenbeiträgen genannt worden sind, aber auch zu den Vor­lagen, die heute diskutiert werden, Stellung nehmen.

Zu Beginn zu einem Überblick über das 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket, das die Bun­desregierung geschnürt hat, damit Österreich besser durch die Krise kommt, und dazu, wie diesbezüglich der Auszahlungsstand ist: Ich finde diese Zahlen sehr, sehr wichtig, weil sie aus meiner Sicht eindrucksvoll belegen, wie viel Geld schon geflossen ist und wie sehr schon geholfen werden konnte, und vieles wird da noch kommen.

Zunächst einmal sind bisher insgesamt 18 Milliarden Euro von diesen 38 Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung gestellt worden – 18 Milliarden Euro, bei Weitem keine Kleinigkeit, aber auch noch nicht alles, was aus dem 38-Milliarden-Euro-Fonds kommen wird.

Ein wichtiges Instrument, das schon angesprochen worden ist, sind die Steuer­stundun­gen. Es ist völlig richtig, das ist ein Aufschub, wenn man so will, aber wir werden auch noch weitere Konjunkturpakete entwickeln, und da werden wir überlegen, in welche Richtung wir mit den Steuerstundungen weitermachen werden. Generell sind durch diese Stundungen, die sehr, sehr schnell abgewickelt worden sind, bisher ja insgesamt 4,8 Milliarden Euro mehr an Liquidität in den Unternehmen verblieben. Hinsichtlich Garantien und Haftungen sind mittlerweile 3 Milliarden Euro an solchen Garantien und Haftungen von Bundesseite übernommen worden.

Was das Soforthilfepaket betrifft  also dort, wo direkt Cash geflossen ist: in den Be­reichen Pflege, 24-Stunden-Betreuung, Beschaffung von medizinischer Ausrüstung sowie Forschung und klinische Studien –, sind bisher in Summe 850 Millionen Euro geflossen.

Bei der Coronakurzarbeit, die ja eines der wichtigsten Instrumente zur Bekämpfung der Symptome der Krise ist, haben wir mittlerweile auf 10 Milliarden Euro aufgestockt. Mittlerweile sind über eine Million Menschen in Kurzarbeit. Wir haben zu Beginn mit den Sozialpartnern ausverhandelt, dass die Coronakurzarbeit aus einem Topf von maximal 400 Millionen Euro gespeist wird 400 Millionen! –, damals war auch die Gewerkschaft mit diesem Ergebnis hochzufrieden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wir waren alle der Überzeugung, dass das das richtige Mittel ist. 400 Mil-


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lionen Euro wurden zum damaligen Zeitpunkt von allen Seiten als ausreichend be­trachtet. (Bundesrätin Schumann: Nein!)

Mittlerweile stehen wir bei 10 Milliarden Euro. Niemand hätte vorhersehen können, wie groß der Bedarf wirklich ist, aber wir haben gesagt, wir wollen dort, wo es notwendig ist, ausreichend helfen, denn gerade, wenn es um die Fixkosten, um die Lebens­haltungskosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, darf der Staat in einer solchen Krise nicht zurückstehen, das muss man ernst nehmen und auch ausreichend helfen.

Wir haben darüber hinaus bei allen Produkten, die wir aufgelegt haben, bei allen Maß­nahmen, die gesetzt worden sind, immer auf die Rückmeldungen dahin gehend, wie es vielleicht ein bisschen besser gehen könnte, gehört, die auch aus Ihren Reihen gekom­men sind. Wir haben die Kurzarbeit immer wieder nachgebessert, wir haben aber auch beim Härtefallfonds, bei dem es um den unmittelbaren Ausgleich für persönliche Bedürfnisse von Kleinstunternehmen und EPUs gegangen ist, mehrmals nachge­bessert.

Ursprünglich war 1 Milliarde Euro geplant, wir haben auf 2 Milliarden Euro aufgestockt. Wir haben die Kriterien für die zweite Phase, in der man ja bis zu 6 000 Euro bean­tragen kann, sehr, sehr weit aufgemacht, damit Flexibilität möglichst für alle, die dies brauchen, da ist. Wir haben den dreimonatigen Betrachtungszeitraum auf ein halbes Jahr ausgeweitet. Wir haben auch Jungunternehmer hineingenommen, die seit dem Jahr 2018 gegründet haben. Wir haben eine Mindestförderhöhe einbezogen, weil wir gesehen haben, dass es Kleinstunternehmen gibt, die in den letzten drei Jahren keinen Gewinn gemacht haben  drei Jahre in Folge keinen Gewinn!  und jetzt trotzdem Geld bekommen sollen, weil wir gesagt haben: Wenn jemand selbstständig tätig war, dann muss er wohl von irgendetwas gelebt haben und dann ist er auch anspruchsberechtigt, dann soll zumindest eine Auszahlung in der Mindesthöhe von 500 Euro erfolgen.

Es gibt den Coronahilfsfonds, die 15 Milliarden Euro, aus dem einerseits die Zuschüs­se erfolgen werden – dafür werden die Richtlinien gerade ausgearbeitet –, aber ande­rerseits auch die Kredithaftungsübernahmen getätigt werden.

Wir haben in den letzten zwei Monaten im Finanzministerium eine wahre Odyssee, was Bankenregulierung betrifft, durchgemacht. Wir haben uns ganz zu Beginn der Krise angeschaut, ob es schon irgendwo in Europa Maßnahmen gibt, die im Zusam­menhang mit der Bekämpfung der Krise sinnvoll sind, und haben gesehen: Ha, die Schweiz macht ein zu 100 Prozent garantiertes Kreditprodukt! Da kann man 400 000 Schwei­zer Franken kriegen (Bundesrätin Zwazl: 800!)  oder bis zu 800 000 , und der Staat übernimmt die volle Haftung. Wir haben gesagt: Super, das machen wir auch! – Wir sind dann draufgekommen, wir dürfen das gar nicht, weil das nach euro­päischem Beihilfenrecht nicht erlaubt ist; dann haben wir bei der Europäischen Kom­mission angesucht, das machen zu dürfen. Es hat geheißen: Nein, das ist nicht erlaubt!

Gut, dann haben wir uns darangemacht, zu versuchen, andere Kreditprodukte zu bauen: 90 Prozent, 80 Prozent, mit den verschiedensten Kriterien. An dem Tag, als wir präsentiert haben, dass wir fertig sind und das jetzt beantragt werden kann, hat die Kommission gesagt: Na, jetzt sind die 100-Prozent-Garantien bis zu einem gewissen Grad doch möglich!

Was haben wir gemacht?  Wir haben uns übers Wochenende gleich hingesetzt und versucht, das nachzubauen. Das muss natürlich alles wieder gemacht werden, es braucht wieder Verhandlungen und so weiter. Wir haben das innerhalb einer Woche aufgestellt und dann eine weitere Woche gebraucht, bis die Kommission uns genehmigt hat, das aufzulegen  eine weitere Woche.


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Wir haben dann gesehen, die Banken vergeben doch nicht so schnell, wie wir das gerne gehabt hätten. Ich habe mir gedacht, mit 100 Prozent Garantie gibt es kein Risiko mehr, das wird ja alles schnell funktionieren. Es hat nicht funktioniert. Warum?  Weil in den letzten Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, zum Teil auch zu Recht, sehr, sehr hohe bürokratische Hürden für den Bankensektor aufgebaut worden sind, Basel I, II, III, IV  ich weiß nicht, wie viele noch , damit eben die Banken keine zu hohen Risiken mehr nehmen, und jeder einzelne Bankbedienstete in der Filiale ist in den letzten Jahren geschult worden, ja kein Risiko zu nehmen.

Jetzt haben wir gesagt: Ihr müsst jetzt aber schneller machen und das rascher prüfen, denn die Unternehmer brauchen jetzt Hilfe! – Die haben gesagt: Es gibt das Bank­wesengesetz, es gibt Basel, es gibt all das, daran müssen wir uns halten! Wie soll das denn gehen?  Dann haben wir noch einmal eine Runde gedreht: auf der europäischen Ebene, mit der EZB, mit der österreichischen Finanzmarktaufsicht. Wir haben darum gebeten, uns zu sagen, wo man die Richtlinien der Europäischen Union so interpretieren kann, dass man möglichst flexibel jenes System erreicht, das auch die Schweizer haben.

Wir haben dann in nächtelangen Verhandlungen eine Beschleunigung möglich ge­macht, indem wir gesagt haben: Die Garantiebedingungen, die von der europäischen Seite definiert sind, braucht jetzt nicht mehr die Bank zu prüfen, sondern der Unter­nehmer bestätigt eidesstattlich, dass diese in seinem Unternehmen gegeben sind. Das heißt, die Bank braucht das gar nicht mehr zu prüfen, sondern der Unternehmer be­stätigt mit Unterschrift und eidesstattlich, dass das passt, und dann prüft es die Finanz im Nachhinein. Das heißt, der gesamte Prüfschritt bei der Bank fällt weg.

Das Bankwesengesetz sieht bei jeder Kreditvergabe intensive Bonitätsprüfungen vor und verlangt für die nächsten Monate Businessplanrechnungen, Umsatzrentabilität und so weiter. Da haben wir gesagt: Bitte, kein Unternehmer kann jetzt sagen, was in den nächsten Monaten reinkommen wird! – Die Banken haben gesagt: Nach dem Bank­wesengesetz müssen wir das aber prüfen! – Wir haben dann zur FMA gesagt: Bitte, könnt ihr nicht schauen, dass man vielleicht bei bestehenden Kreditkunden, die ja ohnehin schon ein Kreditkonto bei der Hausbank haben, diese Bonitätsprüfung zumin­dest nur formal schnell abhandeln kann?, denn die Bank kennt den Unternehmer ja, die wird ja wohl wissen, ob er noch einen Kredit kriegen kann oder nicht. Jetzt haben wir das auch beschleunigt und diese Bonitätsprüfung in vollem Umfang ist nur mehr bei Neukunden notwendig. Die Vorausplanungen haben wir sowieso abgeschafft.

Bei all diesen Schritten muss man mit jeder einzelnen Institution verhandeln, mit den staatlichen Behörden, die nicht einmal der Regierung angehören, sondern unabhängig sind, mit den europäischen Behörden, mit den Banken, mit der OeNB. Jetzt haben wir das geschafft, und mittlerweile sind im Zusammenhang mit diesen 100-Prozent-Garantien über 3 000 Kredite beantragt worden.

Ich erzähle das nur deswegen, weil wir sehr intensiv darauf hören, was uns von der Unternehmerschaft gesagt wird, wo es irgendwie hakt, und wir versuchen dann, herauszufinden: Sind es einzelne Fälle, bei denen man sich jeden einzelnen an­schauen muss, oder gibt es irgendwo ein strukturelles Problem und man muss einfach in der Umsetzung nachbessern? – Das ist eigentlich seit zwei Monaten unser Tages­ablauf: eine Idee haben, wie man helfen kann, versuchen, diese umzusetzen, schauen, was man an der Umsetzung verbessern kann. Ich gehe davon aus, das wird jetzt noch einige Monate lang so gehen, weil die Krise wohl auch noch einige Monate lang dauern wird.

Ich bin aber froh, dass es in vielen Bereichen auch Verständnis dafür gibt, dass wir immer wieder nachbessern und auch die Behörden da stark unter Druck sind. Ein


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großes Danke an die Finanzbehörden, auch an die Wirtschaftskammer für die rasche Abwicklung des Hilfsfonds, und an alle, die in dieser Krise auch im staatlichen Apparat wirklich Großartiges leisten. Das ist wirklich beeindruckend, dafür ein großes Danke von dieser Seite. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist schon angesprochen worden, in diesem Paket gibt es zahlreiche weitere Maß­nahmen wie zum Beispiel die Umsatzsteuerbefreiung von Masken oder eine Änderung in der Bundesabgabenordnung, sodass Zahlungserleichterungen bei Gutschriften steu­erlicher Natur auch direkt fließen können. Wir haben auch sichergestellt, dass pen­sionierte Ärzte, die zurückkommen, keine steuerlichen Nachteile erleiden, und wir werden im Zusammenhang mit dem Geld, das vergeben worden ist, im Nachhinein natürlich alles prüfen.

Die Finanz bekommt die Möglichkeit, hinsichtlich des vergebenen Geldes auch auf Richtigkeit zu prüfen, denn jetzt ist zwar Geschwindigkeit notwendig, das ist völlig richtig, jetzt gibt es so viel Kulanz wie möglich, aber wir müssen auch sicherstellen, dass es nicht die Möglichkeit für strukturellen Missbrauch von Steuergeld gibt – des­wegen auch die klare Strafandrohung, wenn da jemand Missbrauch begeht. Es braucht da keine Kriegsgewinnler zu geben – das will ich auch sagen. Niemand hat Ver­ständnis dafür, wenn jetzt in der Krise jemand versucht, sich auf Kosten der Allge­meinheit zu bereichern; daher die klare Kontrolle durch die Finanz, die im Nachhinein möglich sein wird und sein muss, und die auch kommen wird  das darf ich hier auch allen ins Stammbuch schreiben.

Abschließend: Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in diesen nicht immer ein­fachen Zeiten, auch mit dem Bundesrat. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

22.09


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


22.09.13

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich spreche um diese Uhrzeit in der gebotenen Kürze, wie ich hoffe, zu TOP 10 unse­rer Tagesordnung, also zum 11. COVID-Gesetz, das es heute noch zu beschließen be­ziehungsweise zu bestätigen gilt und dem wir auch unsere Zustimmung geben werden.

Im Wesentlichen geht es hierbei um eine Bestimmung, die Ende des Jahres außer Kraft treten soll und die vor allen Dingen die Hemmung von wichtigen Fristen im Zeitraum von 16. März bis 31. März 2020 für drei wesentliche Berufsgruppen, nämlich WirtschaftstreuhänderInnen, BilanzbuchhalterInnen und ZiviltechnikerInnen, zum Inhalt hat.

Die Covid-Krise und all die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen und wei­teren Einschränkungen, die wir mittlerweile zur Genüge kennen und über die wir Be­scheid wissen, hatten und haben natürlich zur Folge, dass verschiedene Termine und Fristen oftmals nicht eingehalten werden können. Das betrifft beispielsweise auch das Ablegen von diversen Fachprüfungen, das Ausstellen von Bescheiden für Ausbildungs­institute, die Neubestellung von Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen, die Wie­der­aufnahme der Berufstätigkeit oder eben auch die Anträge auf Verleihung der Befug­nis dafür.

Damit den Betroffenen eben keine Nachteile daraus erwachsen, sollen nun die damit verbundenen Fristen gehemmt werden. Das ist aus unserer Sicht sinnvoll und richtig. Sinnvoll ist es ebenso, dass schon geleistete Gebühren beispielsweise für Prüfungen


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in diesem Zusammenhang rückerstattet werden können, wenn Prüfungstermine coro­na­bedingt abgesagt werden mussten. Ebenso sinnvoll ist aus unserer Sicht die Reduktion der Fortbildungsverpflichtung um 50 Prozent. Es ist ja zum Teil gar nicht möglich und liegt logischerweise auch nicht in der Macht der Betroffenen, die notwendigen Fortbildungsmaßnahmen in ausreichendem Maße fristgerecht vorzuweisen. Es wird zwar vielfach sukzessive auf Onlineschulungen umgestellt, es kann aber dennoch nicht immer garantiert werden, dass das auch wirklich möglich ist.

Positiv zu erwähnen ist auch, dass die Vereidigung zum Beispiel von Ziviltech­ni­ke­rinnen und Ziviltechnikern jetzt auch mittels Videokonferenz vorgenommen werden kann und das Ablegen einer Fachprüfung jetzt ebenso in Form einer Videokonferenz zulässig ist, wobei über die Durchführung als Videokonferenz der Vorsitzende der jeweiligen Prüfungskommission zu entscheiden hat.

Abschließend möchte ich zu diesem 11. COVID-19-Gesetz Folgendes festhalten: Ich hätte mir beziehungsweise wir hätten uns ein ähnliches Vorgehen bei zahlreichen anderen Thematiken im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise gewünscht: bei ein­zelnen, ganz alleine für sich stehenden Gesetzesmaterien, die eben nicht in Sammel­gesetzen abgehandelt werden oder abgehandelt werden müssen; bei Maßnahmen, die ganz klar nachvollziehbar sind, die in der Praxis vor allen Dingen auch gut umsetzbar sind, die Sinn machen und bei denen nach der Verabschiedung des Gesetzes nicht noch mehr Fragezeichen übrig bleiben als vorher, so wie das zum Beispiel – da erlauben Sie mir jetzt einen Ausflug in die Schulwelt, in den Bereich Bildung – bei der Frage nach der Durchführung der Matura, sprich der Reifeprüfung der Fall war; und dass das Kleingedruckte den Betroffenen nicht nur über die Medien ausgerichtet wird, so wie das erst vor wenigen Tagen vonseiten des Bildungsministeriums geschah.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung bezüglich der Schulver­anstaltun­gen: Ich bin ja Lehrerin an einer bilingualen Mittelschule im Tullnerfeld, und bei uns ist es schon seit vielen, vielen Jahren Tradition, eine seit mittlerweile fast 30 Jahren, glaube ich, mehr als lieb gewordene Tradition, dass unsere Großen, nämlich die 4. Klassen, am Ende ihrer Mittelschulzeit gemeinsam eine Englandsprachreise absol­vieren, die unsere Englisch lehrenden KollegInnen natürlich bis ins kleinste Detail selbst vorbereiten, organisieren und planen. Die Kinder wohnen dabei bei Gastfamilien, sie nehmen am Unterricht in örtlichen Colleges teil, und sie erleben und erlernen in dieser Woche so vieles, was sie alleine in puncto Sprachkompetenz in dieser Ge­schwindigkeit sonst sicher nie erlernen könnten.

Wie man sich vorstellen kann, bereiten sie sich natürlich vier Jahre lang intensiv darauf vor, und das nicht nur lerntechnisch. Die Vorfreude, die sich bei den Schülerinnen und Schülern aufbaut, kann man sich sicherlich nur zu gut vorstellen. Eine meiner Kolle­gin­nen hat es, glaube ich, sehr treffend formuliert und auf den Punkt gebracht, dass näm­lich diese Englandsprachreise am Ende der 4. Klasse eine Once-in-a-Lifetime Occasion ist, also ein Gemeinschaftserlebnis, das der aktuelle Abschlussjahrgang so nicht erleben darf und so nicht erleben wird. Man kann sich vorstellen, wie groß die Enttäuschung ist. Umso wichtiger finde ich es als Pädagogin, dass die Eltern nicht auch noch auf den Stornokosten für diese leider nicht anzutretende Sprachreise sitzen bleiben und diese im Falle des Falles ganz unbürokratisch rückerstattet bekommen können.

Dass man auch dies jetzt in ein Sammelgesetz und Gesetzeskonvolut verpackt – meine Kollegin Gruber-Pruner hat schon ausführlich darauf hingewiesen –, zu dem es in vielen Bereichen noch wirklich große berechtigte Kritik unsererseits gibt, das mag parteipolitisch, das mag parteitaktisch vielleicht legitim sein, demokratiepolitisch ist und bleibt das aus meiner Sicht fragwürdig. Ich kann nur hoffen, dass das nicht die neue Normalität ist. (Beifall bei der SPÖ.)

22.15



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 149

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


22.15.45

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Tagesordnungspunkt 9 Stellung nehmen: ein Sammelsurium mit einer großartigen Materie vom Inhalt her, ein Finanz- und Steuer­paket, in welchem natürlich viele sinnvolle Dinge vorkommen, wie die Umsatzsteuer­befreiung für die Schutzmasken, das bereits erwähnte Thema der Prüfkompetenz der Finanzämter oder dass pensionierte Ärzte und Ärztinnen keine steuerlichen Nachteile erleiden.

Irgendwo mittendrin taucht auch das COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz auf, das sehr wichtig ist, vor allem für Familien, für Alleinerziehende. Ich komme ja aus der Frauen­politik, ich bin Landesfrauengeschäftsführerin der SPÖ im Burgenland und habe in letzter Zeit sehr viele Mails und Anrufe erhalten. Sie können sich vorstellen, wie schwierig es für Frauen ist, gerade jetzt, in dieser Zeit ihr Leben zu organisieren. Es ist daher nur recht und billig, dass Eltern oder eben auch alleinerziehende Frauen nicht auf den Kosten für Schulausflüge sitzen bleiben. Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie Kollegin Gruber-Pruner bereits angemerkt hat, dennoch ist es wichtig. Wenn wir in diesem Zusammenhang von der Ausbezahlung von Managerboni sprechen – Unternehmen lassen sich einerseits vom Staat retten, lassen sich die Steuern stunden und können dann aber dennoch noch den halben Bonus ausbezahlen –, dann ist es direkt ein Hohn für solche Familien oder für Alleinerziehende, dass ihnen quasi nicht einmal das Arbeitslosengeld erhöht wird.

Von diesem COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds werden mehrtägige Schul­veranstaltungen abgedeckt, das sind Schulskikurse oder Sprachreisen. Ich stelle mir aber die Frage: Wie schaut es mit den eintägigen Schulveranstaltungen aus? Ein ganz großes Thema sind auch die Maturareisen. Maturareisen sind keine klassischen Schulveranstaltungen, sie fallen nicht darunter, dennoch haben viele Maturantinnen und Maturanten, deren Eltern oder auch deren alleinerziehende Mütter dafür gespart. Auch diesbezüglich sollten wir demnächst eine Handlungsempfehlung rausgeben; im Burgenland haben wir dies schon gefordert.

Lassen Sie mich generell noch auf die Situation der Frauen in der Krise verweisen! Die Coronakrise hat dazu beigetragen, dass die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten verstärkt zutage treten. Frauen tragen den Mehraufwand an Haus- und Kinder­betreu­ungsarbeit, auch wenn sie einer Beschäftigung nachgehen. Die Krise verschärft auch die finanzielle Abhängigkeit von Frauen. Viele Frauen in systemrelevanten Berufen wurden zu Heldinnen des Alltags auserkoren. Es ist gut und schön, Danke zu sagen, das schadet natürlich nie und es sollte selbstverständlich sein, aber nur vom Klatschen allein kann man auch in Zukunft keine Miete oder Kreditrate bezahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie wir alle wissen, ist es gerade im Handel, im Dienstleistungssektor und im Pflege­bereich so, dass es eine bessere Entlohnung braucht. Ich möchte Sie hiermit auffor­dern, eine Diskussion über die Umsetzung eines Mindestlohns nochmals ernsthaft mit uns in Angriff zu nehmen, und ich darf auf das Burgenland verweisen, wo wir den Min­destlohn in einem ersten Schritt für Landesbedienstete bereits erfolgreich umgesetzt haben. Die SPÖ unterstützt auch vehement die Forderung des ÖGB nach einem Coronatausender für all jene, die während der Coronakrise das Haus verlassen müssen, um zu arbeiten und damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Setzen wir das bitte gemeinsam um!


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Wie gesagt, ich bin selbst Alleinerzieherin und kenne die Herausforderungen. Ärger trifft es noch Alleinerzieherinnen, die ihre Arbeit verlieren. Es ist dieses Familien­konstrukt, das diese Krise jetzt besonders hart trifft, und deshalb wundert es mich, dass die Regierungsparteien gegen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes stimmen. Wir wissen, dass in der Krise das meiste an den Frauen hängen bleibt – Homeoffice, Homeschooling, Haushalt. Bitte gehen wir nicht zurück zu einem Rollenbild, das veraltet ist!

Unsere Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit haben Sie genauso abgeschmettert wie unsere Forderung nach frühzeitigem Mutterschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen. Viele Mails, viele Anrufe habe ich als Landes­frauengeschäftsführerin dazu erhalten. Sie können sich sicher vorstellen, welche Ant­wort ich den Frauen geben musste.

Frauenfreundliche Politik sieht anders aus und frauenfreundliche Politik funktioniert nur mit der SPÖ. Bitte denken Sie auch bei all Ihren Absagen für unsere Lösungen an die Menschen in Österreich, aber insbesondere an die spezielle Situation der Frauen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.20

22.20.47


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 18. COVID-19-Gesetz, 440/A und 143 der Beilagen sowie 10298/BR der Beilagen und 10309/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Echte Hilfe für Österreich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 11. COVID-19-Gesetz, 441/A und 144 der Beilagen sowie 10310/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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22.23.2311. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert wird und das Pfand­brief­stelle-Gesetz aufgehoben wird (37 d.B. und 145 d.B. sowie 10311/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (108 d.B. und 146 d.B. sowie 10312/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen zu den Tagesord­nungspunkten 11 und 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Herr Bundesrat, ich bitte um die Berichte.


22.24.13

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert wird und das Pfandbriefstelle-Gesetz aufge­hoben wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses zu Punkt 12 über den Be­schluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird.

Auch dazu liegt Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.


22.25.59

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den ange­sprochenen Gesetzen, die hier in einem diskutiert werden, geht es grundsätzlich um drei Materien, die zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger verbessert werden sollen.

Zum Ersten handelt es sich um ein Gesetz über die Angleichung der Wechselspesen in der Europäischen Union für Mitgliedstaaten, die nicht zum Euro-Währungsgebiet ge­hören; diese Spesen sollen an den Euroraum angeglichen werden. Weiters soll es bei Vergehen zu höheren Strafen kommen und zudem zu einer strengeren Informations­pflicht für die Kunden. Ich glaube, das ist ein sehr gutes Gesetz für unsere Bürgerinnen und Bürger, und deshalb wird es von uns auch unterstützt.


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In der zweiten Materie geht es um die Abwicklung der Pfandbriefstelle und das dazu­gehörige Gesetz, das dann obsolet wird. Die Europäische Union hat erkannt, dass Landeshaftungen für die Landeshypothekenbanken wettbewerbsverzerrend sind, und daher sollten diese aufgelassen werden beziehungsweise sind sie auch aufgelassen worden. Wir haben ja in Kärnten gesehen, was mit Landeshaftungen für Landes­hypo­thekenbanken alles angerichtet werden kann, wenn man mit Geld nicht umgehen kann; deshalb ist das sicher auch ein ganz guter Vorgang. Da das dazugehörige Gesetz obsolet wird, kann es aufgelassen werden, es ist eigentlich totes Recht.

Die dritte Materie behandelt das Versicherungsaufsichtsgesetz, hierbei geht es um Eigenkapital für Lebensversicherungen. Dieses wird mit einem Abzinsungsfaktor vom Endwert dargestellt, und da es natürlich in den verschiedenen europäischen Ländern verschiedene Zinshöhen gibt, kann es da zu Unterschieden kommen. Dazu gibt es einen Angleichungsfaktor, der von 100 Basispunkten auf 85 gesenkt wird. Damit werden in der Berechnung Ausreißer durch Einmaleffekte geglättet. Das ergibt auf der einen Seite mehr Sicherheit für die Versicherungsanbieter und auf der anderen Seite natürlich auch für die Versicherungsnehmer.

Wie gesagt, es handelt sich um drei gute Gesetzesmaterien, die für unsere Bürge­rinnen und Bürger Verbesserungen bringen, und deshalb werden sie von uns unter­stützt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.28


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


22.28.50

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen zu Hause! Ich darf vorwegnehmen, dass die Fraktion sozial­demokratischer Parlamentarier beiden Gesetzesänderungen die Zustimmung erteilen wird. Ich verzichte auf nähere Erklärungen, Kollege Köck hat ausführlich dargelegt, worum es bei diesen zwei Gesetzesmaterien geht.

Ein paar grundsätzliche Gedanken aber noch zum Anlass: Wir leben in einem ver­einten Europa und wollen natürlich nicht, dass es geteilt ist – so wenig wie möglich auch in Währungs- und Zinsfragen. Dass sich die EU da abspricht, dass sie einheitlich und aufeinander abgestimmt auftritt und dass sie dadurch auch gestärkt für notwendige Krisenbewältigungen, wie wir sie derzeit gerade erleben, hervorgeht, ist natürlich ein Gebot der Stunde, und das dürfen wir auch zu Recht in ökonomischer Hinsicht wie auch in Finanzierungsfragen erwarten.

Was aber heißt das jetzt genau? – Das heißt, dass wir gleiche Spielregeln, Notfall­reserven und auch gemeinsame Hilfstöpfe nicht nur in den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch in der gesamten EU haben sollten. Das betrifft einerseits finanzielle Reserven und andererseits auch Reserven bei Medikamenten und medizinischem Equipment. Diese Krise zeigt nämlich, dass man vor allem bei der systemrelevanten Produktion von Waren wieder verstärkt den Fokus auf Europa legen muss, sonst droht uns nämlich – das merken wir diesbezüglich sehr schmerzlich – mehr und mehr die Abhängigkeit von anderen Staaten und anderen Kontinenten.

Ganz oben, das ist klar, muss ein gesundes öffentliches und flächendeckendes Ge­sundheitssystem stehen, und da brauchen wir nicht mehr Privat, sondern mehr Staat, wir brauchen nämlich einen starken unverzichtbaren Sozialstaat. (Beifall bei der SPÖ.) Nur das bringt Sicherheit und stiftet Vertrauen bei den Menschen. Was wir noch brauchen, ist eine gerechte Finanzierung dieses Sicherheitssystems und dieses Sicher-


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heitsnetzes, eine Finanzierung durch superreiche Onlinekonzerne und auch Erb­schafts­profiteure. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Zusätzliche Belastungen für Menschen, die jetzt schon die schweren Belastungen auf ihren Schultern tragen müssen, lehnen wir entschieden ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.32


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: In der Zwischenzeit ist Frau Bun­desministerin Dr. Alma Zadić zu uns gestoßen. – Frau Bundesministerin, ein herzliches Grüß Gott, willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Bernd Saurer. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


22.32.32

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Was ich noch erwähnen möchte: Meine beiden Vorredner und ich hatten das zweifelhafte Vergnügen oder die zweifel­hafte Ehre, als erste Redner am heutigen Tag oder seit wahrscheinlich den letzten sechs oder acht Wochen zu einem Nicht-Covid-19-Gesetz Stellung zu beziehen.

Wir haben also jetzt drei Gesetzesnovellen zu behandeln, die aufgrund von EU-Verord­nungen ins österreichische Recht zu implementieren sind und Preissenkungen – es wurde schon erwähnt – beim Zahlungsverkehr im Binnenmarkt erwirken sollen. Ande­rerseits werden Versicherungsunternehmen bei ihren Auslandsbewertungen Erleichte­rungen zugedacht.

Wir Freiheitliche erheben gegen diese Gesetzesvorhaben natürlich keinen Einspruch, sehen aber in der Handhabung, bei der Auswahl zur Abstimmung über Gesetze ein formales Problem: Während Gesetzesnovellierungen im Ausmaß eines Einzeilers – wie bei diesen zwei Tagesordnungspunkten – gesondert abgestimmt werden, sehen uns wir Abgeordnete bei anderen Tagesordnungspunkten, wie wir sie heute schon erlebt haben, mit dem Umstand konfrontiert, dass Gesetzesmaterien im Ausmaß von Hunderten Seiten als Sammelgesetz vorgelegt werden. Die sich daraus ergebende Problematik liegt klar auf der Hand: Die Opposition kann fragwürdige Teile dieser Kollektivabstimmung nicht eigens beeinspruchen. Die von uns Freiheitlichen wie auch von der Sozialdemokratie bereits eingebrachte und mitgetragene Initiative zum Teil­einspruchsrecht wurde bedauerlicherweise von den Regierungsparteien lapidar mit der Begründung abgelehnt, das wäre einfach zu aufwendig. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Zum Inhaltlichen selbst möchte ich ausführen, dass die EU oftmals bestrebt ist, Erleichterungen im Wirtschaftsleben durch Harmonisierungen für Konzerne und Groß­unternehmen herbeizuführen. Das ist zum Teil auch löblich, dennoch möchte ich in dieser Ausnahmesituation schon auch die Notwendigkeit herausstreichen, insbe­son­dere die privaten Haushalte, die KMUs und die EPUs vorrangig zu unterstützen.

Während Unternehmen bei der Gewährung staatlicher Unterstützung auf Gedeih und Verderb auf die Entscheidung der Wirtschaftskammer angewiesen sind und der Rechtsanspruch, wie wir bereits festgestellt haben, überschaubar ist, kommen die privaten Haushalte immer mehr unter Druck, wie Kurzarbeitszahlen und Arbeitslosen­zahlen belegen.

Die Wirtschaftskammer könnte natürlich einen Beitrag leisten und ihre Rücklagen, die durch Zwangsmitgliedschaft lukriert worden sind, an ihre Mitglieder ausschütten – oder zumindest teilweise, wie auch Kollege Pisec bereits angeregt hat –, wovon aber Präsident Mahrer und auch der Wiener WKO-Präsident Ruck nichts wissen wollen.


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Der ÖGB als Interessenvertretung wäre ebenfalls angehalten, Gelder für in Not geratene Arbeitnehmer aus dem Streikfonds lockerzumachen, wenn diese Milliarden nicht bereits bei einem internationalen Hedgefonds verspekuliert worden wären. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb fordern wir Freiheitliche in diesem Zusammenhang eine einfache, unbüro­kra­tische, aber sehr wirksame Maßnahme, um die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher zu stärken und die Wirtschaft anzukurbeln, nämlich den Konsumtausen­der für jeden Staatsbürger, diesmal allerdings kein Fake à la Gitti Ederer. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Kosten, weil das natürlich ein Hauptaugenmerk eines Finanzministers ist, für diese Unterstützungsmaßnahme sollten für ein wohlhabendes Land wie Österreich wohl zu stemmen sein, zumal die Republik keine Kosten und Mühen gescheut hat, als sich die Banken vor rund zehn Jahren in finanzieller Not befunden haben oder vor fünf Jahren Hunderttausende Flüchtlinge nach Österreich geströmt sind.

Zuletzt möchte ich noch ein praktikables Beispiel anführen, wie der Staat in einer Ausnahmesituation bereits die heimische Wirtschaft unterstützt hat, nämlich durch die sogenannte Verschrottungsprämie für Pkws. Auch da hat der Staat Österreich zur Standortsicherung Geld in die Hand genommen, um Arbeitsplätze zu sichern.

Deshalb wiederhole ich zum Schluss noch einmal unsere freiheitliche Forderung nach einem Österreichgutschein für alle Staatsbürger in Höhe von 1 000 Euro. (Beifall bei der FPÖ.)

22.37

22.37.20


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 geändert wird und das Pfandbriefstelle-Gesetz aufgehoben wird, 37 der Beilagen und 145 der Beilagen sowie 10311/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird, 108 der Beilagen und 146 der Beilagen sowie 10312/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

22.39.0313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Verfahrensgesetz 2012 und das Asylgesetz 2005 geändert wer­den (7. COVID-19-Gesetz) (443/A und 149 d.B. sowie 10299/BR d.B. und 10314/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Herr Bundesrat, ich ersuche um den Bericht.


22.39.36

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den  Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Verfahrens­ge­setz 2012 und das Asylgesetz 2005 geändert werden (7. COVID-19-Gesetz).

Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, soll vom Kriterium der persönlichen Antragstellung abgesehen wer­den und Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung be­sonderer Schutz“ postalisch oder auf elektronischem Wege bei der Behörde einge­bracht werden.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


22.41.07

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs einen kurzen Rückblick machen. Das ist mir persönlich sehr wichtig, weil ich doch vier Wochen in einem Gebiet, das unter Quarantäne gestanden ist – im Großarltal, unsere Gemeinde war davon betroffen –, verbracht habe. Wenn ich zurückblicke: Ich war am 12.3. bei der letzten Bundesratssitzung, habe den letzten offiziellen Termin wahrgenommen. An diesem Wochenende, am 13.3., hatten wir noch die konstituierende Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Salzburg, auch schon in einer kleineren Form mit Sicherheitsabständen, und am 15.3. war die Klub­sitzung in Wien, auch mit Abständen und schon in einer neuen Form, in einer Coronakrisenform, müsste ich fast sagen. In diesen sieben Wochen, die seitdem vergangen sind, habe ich keine offiziellen Termine wahrgenommen. Man würde sich schnell daran gewöhnen, muss man auch sagen. Immer zu Hause zu sein, ist aber auch etwas befremdlich, man ist ja sonst immer unterwegs. (Heiterkeit bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Ach so ist das!)

Die Regierung musste Maßnahmen setzen, die wichtig waren, die nicht populär, aber notwendig waren, und die Menschen in Österreich haben diese Maßnahmen verant­wortungsvoll mitgetragen; dies auch deshalb, weil sie von der Regierung sehr gut vorbereitet waren, weil sie verständlich waren, weil sie notwendig waren und weil sie auch konsequent umgesetzt wurden. – Großen, großen Dank an die Bundesregierung, an das Parlament – an den Nationalrat, auch an den Bundesrat –, und auch, das muss ich wirklich sagen, danke den Oppositionsparteien. Es war eine Geschlossenheit vor­handen, die, wie ich glaube, jetzt doch etwas geschwunden ist. Die Stimmung und die Diskussion heute haben nicht widergespiegelt, wie es vor sieben Wochen gelaufen ist (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), trotzdem aber danke für die Unterstüt­zung.


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Am 16.3. wurde alles von 100 auf 0 Prozent heruntergefahren, und das, glaube ich, war schon ein wesentlicher Schritt. (Bundesrat Schennach: Na, auf 0 Prozent?! Der ganze Handel ...!) Die Lifte haben zugesperrt, die Gastwirtschaften, die Schulen und so weiter und so fort. Was ich nicht ganz verstehen kann, ist, dass wir dies nicht ge­meinsam als Erfolg oder als positive oder richtige Entscheidung anerkennen. Ich glaube, die Zahlen sprechen da für sich.

Ich komme zum aktuellen Tagesordnungspunkt 13, zu der Änderung des BFA-Ver­fah­rensgesetzes und des Asylgesetzes; BFA: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Da geht es um einige Punkte, die adaptiert werden sollten, zum einen, damit auch min­derjährige Flüchtlinge, wie Erwachsene jetzt schon, nicht mehr nur in Erstauf­nah­me­stellen, sondern auch in Regionaldirektionen verbracht werden können; ein ganz wesentlicher Punkt in der Flüchtlingssituation. Zum anderen soll das Asylgesetz dahin gehend geändert werden, dass Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels auch postalisch oder elektronisch bei der Behörde eingebracht werden können; auch sehr wesentlich. Diese Änderungen sind natürlich bis 31.12.2020 befristet.

Die Änderung des BFA-Verfahrensgesetzes und des Asylgesetzes ermöglicht mehr Flexibilität, mehr Sicherheit, mehr Gesundheit und schützt auch die Menschen vor dem Virus und vor Krankheiten.

Ein kurzer Blick in die Zukunft: Die Menschen haben große Sehnsucht nach wieder mehr Freiheit, nach Sport, nach Natur, einfach nach Bewegung, danach, nach draußen zu gehen, und dies wird jetzt stückweise umgesetzt – Gott sei Dank, es war eine lange Zeit, in der man den Menschen diese Einschränkungen abverlangt hat. Jetzt muss man schrittweise wieder zurückkehren, und ich glaube, es ist auch verantwortungsvoll von der Regierung, dass man es schrittweise macht, sodass man wirklich auch die Ent­wicklung, was die Infektionen betrifft, genau kontrollieren und damit Sicherheit gewäh­ren kann. Würden wir das übersehen, einen Gang zurückschalten, wäre es sehr, sehr schwierig. Die zweite Welle müssen wir gemeinsam verhindern, und ich bitte natürlich, dies auch in Zukunft gemeinsam zu tragen und gemeinsam in die richtige Richtung zu gehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.46


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort. (Ruf bei der ÖVP: Der redet schon wieder!)


22.46.51

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auch ich darf eingangs schon vorwegnehmen, dass wir auch diesen beiden Gesetzesmaterien unsere Zustimmung erteilen, weil sie kurz gesagt sinnvoll, notwendig und anlassbedingt sowie auch nur befristet sind. Es geht, wie mein Vorredner ausgeführt hat, um kleine verfahrenstechnische Verände­run­gen in beiden Gesetzesmaterien, auf die ich wiederum nicht näher eingehen werde.

Im Hinblick auf die Coronakrise sind diese Gesetzesmaterien bis 31. Dezember 2020 befristet, sie haben also ein Ablaufdatum und sind kein Dauerrecht. Wenn wir aber in dieser Phase von Verfahrenserleichterungen für Asylwerber und Asylberechtigte sprechen, dürfen wir eines nicht vergessen – und das geht mir in der Debatte in Summe ab –, und zwar, dass es in Griechenland noch immer Tausende Flüchtlinge gibt, die in überfüllten Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Das ist einfach in unserer Zivilisation, in unserem reichen Europa beschämend.

Der Herr Bundesminister für Inneres ist leider nicht hier, aber er hat in der letzten Na­tionalratssitzung darüber gesprochen, dass Österreich Griechenland mit 181 Wohn-


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und Sanitärcontainern unterstützen wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, das finde ich natürlich gut und das begrüße ich und begrüßen wir. Der Innenminister wiederholt auch ständig die Wichtigkeit des EU-Außengrenzschutzes und auch, wie wichtig Hilfe vor Ort ist. Glaubt er aber wirklich, dass wir mit 181 Containern unserer Verpflichtung zur Hilfe und unseren moralischen Grundsätzen ausreichend nachkommen oder, besser gesagt, dass er selbst seiner christlich-sozialen Lebensphilosophie gerecht wird? – Es wäre interessant, was er auf diese Frage geantwortet hätte. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Während Deutschland und Luxemburg bereits Kinder aus den Lagern geholt haben und sieben weitere EU-Mitglieder sich dazu bereit erklärt haben, schauen wir noch immer zu und beschränken uns auf Containerlieferungen. Wie die Grünen diese un­tragbare Situation aushalten können, ist mir, ehrlich gesagt, völlig unerklärlich. Ich würde mir wirklich wünschen, dass endlich die Privatmeinung von Vizekanzler Kogler in dieser Frage Einfluss auf die Regierungsarbeit nimmt. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, bitte net! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Viele Gemeinden sind bereit, Kinder aufzunehmen, Österreich muss ja nicht als Erster vorpreschen, wir müssen uns den anderen Ländern nur anschließen und mittun.

Zu den Fakten: Neun von zehn Kindern sind unter 14. Wir sprechen nicht von den 17-, 18-jährigen Messerstechern, wie Sie letztes Mal, Frau Kollegin, sondern wirklich von minderjährigen Kindern. (Bundesrätin Mühlwerth: Habe ich ja gar nicht gesagt!) Holen wir zumindest die unbegleiteten Kinder aus dieser Hölle! Ich ersuche die Mitglieder der Regierung, diesbezüglich aktiv zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch eines: Der Innenminister ist auch dafür verantwortlich, dass sich die Menschen bei uns in Österreich sicher fühlen. Wenn er aber gefühlt in jedem zweiten Satz Wörter wie Cobra-Einsatz, Panzereinsatz und dergleichen verwendet, er­reicht er genau das Gegenteil. Mit dieser Sprache militarisiert der Bundesminister quasi dieses Thema, es ist aber ein zutiefst menschliches. Es werden Bilder in den Köpfen erzeugt, die keine Sicherheit, sondern Angst, Verunsicherung und eigentlich eine verzerrte Interpretation der Lage vermitteln.

In diesen Camps herrscht kein kriegsähnlicher Zustand, sondern pures Menschenleid. Um das darzustellen braucht es vielmehr eine sachlich orientierte, unaufgeregte und menschliche Rhetorik. Das zeichnet für die Menschen die richtigen Bilder, ohne sie zu verängstigen und zu verstören. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.51


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


22.51.42

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuschauer via Livestream! Ich darf vorausschicken – es ist ja bereits erläutert worden, welche geplanten Ände­rungen hier vorliegen –, wir werden in Anbetracht der Tatsache, dass die Änderungen vor allem dem gesundheitlichen Schutz der zuständigen Beamten dienen, unsere Zustimmung geben.

Gerade in Bezug auf die geplanten Änderungen im BFA-Verfahrensgesetz hätten wir von Beginn an eine weit einfachere und praktikablere Lösung haben können, hätten Sie auf unseren Vorschlag gehört, eine temporäre Aussetzung des Asylrechts während der Covid-Krise in Angriff zu nehmen. Während dieser Phase den Eintritt in ein auf­wendiges Asylverfahren auf Zeit auszusetzen, hätte wohl den besten und effektivsten


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Schutz für unsere zuständigen Beamten bedeutet und vor allem auch der Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus gedient. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber nein, das ist natürlich unter dieser schwarz-grünen Regierung nicht möglich. Was aber möglich ist, ist gegengleich: Es werden de facto die Abschiebungen ausgesetzt. Damit zeigt sich wieder einmal das Doppelspiel dieser Regierung. Dasselbe haben wir auch bei den Quarantänemaßnahmen. Unsere Forderung, illegale Einwanderer und Asylwerber sofort in Quarantäne zu nehmen, halte ich für gerechtfertigt und richtig. Bei den jüngsten Entwicklungen zeigt sich zum wiederholten Mal – so auch bei einem Asylheim in Wien, wo es zu einer Masseninfektion gekommen ist –, dass man immer zu spät – wenn überhaupt – handelt und dann die Situation eintritt, dass die Infektion auch noch zur Verteilung kommt; zu einer Verteilung, wie wir sie in Kärnten, in Ossiach, gehabt haben, als beispielweise im März 40 Asylwerber durch Österreich ge­karrt wurden.

Dafür sind Sie, geschätzte Frau Ministerin, und auch andere Minister dieser Bundes­regierung verantwortlich. Auf einmal zählen Ihre Anordnungen und Ihre Verordnungen überhaupt nichts mehr. Wenn es darum geht, Abstand einzuhalten oder Kraftfahrzeuge gemeinsam zu benützen, werden die Regeln völlig außer Kraft gesetzt. Man kann ohne irgendwelche Abstandsregeln vierzig Personen in einen Bus setzen. Das ist verantwortungslos (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ), denn das, was für jeden Österreicher gilt – und jeder Österreicher würde nach den derzeit geltenden Bestim­mungen für ein solches Verhalten eine entsprechende Strafe ausfassen –, gilt anschei­nend für diese Bundesregierung nicht. (Beifall des Bundesrates Steiner.)

In Bezug auf Ossiach haben Sie ein Weiteres verabsäumt, nämlich zu informieren. Sie haben keine Informationen über diese Asylwerber gegeben. Dazu zählt erstens die Information, woher sie kommen, und zweitens, ob sie womöglich Kontakt zu infizierten Personen gehabt haben. Diese Informationen wurden nicht gegeben. Gleichzeitig sind in Traiskirchen Infektionen aufgetreten, und da frage ich mich schon, wie das sein kann.

Wahrscheinlich aber haben die Österreicherinnen und Österreicher kein Anrecht auf Information – jene ÖsterreicherInnen, die die verhängten Ausgangsbeschränkungen in Kauf genommen und auch eingehalten haben, jene ÖsterreicherInnen, die ein Oster­fest der besonderen Art ohne die traditionellen und auch ohne die christlichen Bräuche haben feiern müssen, und jene Österreicher, die gleichzeitig erleben müssen, wie, sagen wir einmal, Mitbürger aus anderen Kulturkreisen, die zwar gerne bei uns leben, aber mit unserer Kultur und unserem Rechtsstaat nicht viel am Hut haben, in einer Zeit der Krise mit den entsprechenden Einschränkungen umgehen, nämlich so, wie sie es gestern beispielsweise wieder einmal in Linz getan haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da erscheint die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen durchaus in einem ganz anderen Licht. Mein Kollege Steiner ist heute mit Häme aus Ihren Reihen (in Richtung ÖVP und SPÖ) bedacht worden, weil er das angesprochen hat. Man muss aber schon sagen, dass das irgendwie ein Licht darauf wirft, wenn eine bestimmte Kulturgruppe zufällig einen bestimmten Fastenmonat, der gefeiert wird, hat und man diese Aus­wüchse sieht, so wie gestern in Linz, mit 90 Teilnehmern, wo die Polizei über mehrere Stunden im Einsatz war, um das irgendwie wieder gerade zu richten. Da sieht man den Unterschied, der gemacht wird. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) Während in der Osterzeit die Österreicher weggesperrt waren, hat man da scheinbar Sorge um das soziale Gefüge im Land und hebt einfach die Be­schrän­kungen auf. (Beifall bei der FPÖ.)

Da wird es Ihnen auch nichts nützen, geschätzte Damen und Herren, vor allem der Bundesregierung, dass Sie in Bezug auf eine andere Meinung jedes Mal von Fake-


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news sprechen, denn derzeit haben wir, Gott sei Dank, noch Meinungsfreiheit in diesem Land. Wenn man sich die gleichgeschaltete Berichterstattung ansieht, ist es oft nicht sicher, wie lange das noch der Fall sein wird. Derzeit aber ist es noch erlaubt, eine andere Meinung zu haben. (Beifall bei der FPÖ.)

In Bezug auf Fakenews, vor denen Sie immer im Besonderen warnen – gerade auch Sie, Frau Bundesministerin –, möchte ich kurz auf eine aktuelle wissenschaftliche Studie einer Wiener Universität zu sprechen zu kommen, die gestern im ORF-Radio zufällig am Tag der Pressefreiheit präsentiert worden ist. Diese kam nämlich unter anderem zu dem Ergebnis, dass vor allem die Mediennutzung in Bezug auf das Reinfallen auf Fakenews relevant sei. Nutzer vom ORF seien im Gegensatz zu Nutzern von Privat­sendern beispielsweise weniger anfällig für solche Fakenews. (Bundesrat Steiner: Super Studie!)

Daraus ließe sich jetzt der Schluss ableiten, dass die reduzierte Anfälligkeit dadurch gegeben ist, dass man beim Staatsfunk wirklich bedacht darauf ist, dass man exakte Recherchen macht, um keine Fakenews zu verbreiten. Was aber passiert, wenn gerade der genannte Sender der medialen Inszenierung dieser Bundesregierung zum Opfer fällt, das zeigt sich leider eindrucksvoll bei der kürzlich präsentierten Anschober-Lockerungsverordnung, und damit relativiert sich auch diese wissenschaftliche Studie. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wurde denn in dieser Verordnung bekannt gegeben? – Man hat gesagt, am 15. Mai gibt es eine Öffnung der Gastronomie, man hat gesagt, am 29. Mai kommt die Öffnung der Hotellerie, der Beherbergungsbetriebe und sämtlicher Sehenswürdigkeiten und Freizeiteinrichtungen. Dazu muss man sagen: leider Fakenews!, denn in der geltenden Verordnung, die per 1. Mai in Kraft trat und per 30. Juni außer Kraft tritt, ist überhaupt keine Rede von den Daten, die angegeben und auch medial verbreitet werden. Im Gegenteil, diese Öffnungen sind in dieser Verordnung explizit untersagt.

Somit muss man abschließend leider auch festhalten, dass sich diese Bundes­regie­rung wieder einmal im Widerspruch befindet, denn einerseits vor Fakenews zu warnen und sie dann selbst zu produzieren, ist halt wirklich ein blöder Zugang, und vor allem ist es der grundlegend falsche Zugang.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich aber vor allem nicht verdient, dass dieser respektlose Umgang mit ihnen gepflegt wird, bei dem es nur darum geht, auf der einen Seite Inszenierungs- und Salamitaktikpolitik zu machen und auf der anderen Seite Panikmache zu betreiben. Das geschieht aber in dieser ohnehin schwierigen Situation für viele Österreicherinnen und Österreicher, die in ihrer Existenz gefährdet sind.

Schaffen Sie daher für die Menschen in unserem Land endlich Klarheit, Rechtssicher­heit und Planbarkeit und geben Sie ihnen vor allem ihre Freiheits- und Grundrechte zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

23.00


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


23.00.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Prä­sidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Falls noch irgendwelche Zuseherinnen und Zuseher da sein sollten: schön, dass Sie dabei ge­blieben sind! Ich möchte nur ganz kurz auf Kollegen Reisinger und das, was er gesagt


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hat, was er unaufgeregt gesagt hat, eingehen, ich möchte mich dem in meiner Rede ein bisschen anschließen. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Zwei Sätze zum Kollegen Ofner (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nur zwei?): Ich weiß, dass es schon sehr spät ist und dass man dann manchmal auch nicht mehr so gut aufpassen kann, aber zum Punkt Aussetzen des Asylrechtes habe ich in einer meiner letzten Reden gesprochen. Da war es noch nicht so spät, und da habe ich sehr deutlich gesagt, dass das völkerrechtlich nicht möglich ist und Gott sei Dank auch nicht passieren wird. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Daher wäre das Zuhören also schon ein erheblicher Vorteil, denn dann müssten wir uns heute Abend nicht wie­derholen. In der Rede ging es ja im Prinzip gar nicht so viel um das Asylgesetz oder das BFA-Verfahrensgesetz, sondern um andere Dinge  wobei es eh ganz gut ist, wenn die FPÖ nicht so viel zum Thema Asyl sagt. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.) – Das mache ich jetzt, ganz genau. Das ist auch Demokratie. (Bundesrätin Mühlwerth: ... dass ich Ihnen zuhören muss! – Bundesrat Spanring: Sehr demokratisch!) Wir hören uns alle gegenseitig zu, und manche verstehen, was wir sagen, und andere verstehen es nicht. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Mühlwerth.)

Ich möchte aber eigentlich zum Punkt kommen. Als meine Kinder klein gewesen sind, wussten sie gar nicht genau, wann ich geboren wurde, wann ihr Vater geboren wurde, ihre Geschwister oder gar sie selber Geburtstag hatten. Erst nach Eintritt in die Volksschule und nachdem sie lesen und schreiben gelernt hatten, konnten sie die Frage nach Alter und den Geburtsdaten ihrer Familienmitglieder beantworten. Wenn jetzt ein unbegleitetes minderjähriges Kind in Österreich einen Asylantrag stellt, sind das wesentliche Fragen. Auch wird das Kind zu den durchreisten Ländern befragt, wo es die Europäische Union betreten hat, und natürlich auch zu den Gründen, warum das Kind sein Heimatland verlassen hat. Für ein acht, neun-, zehnjähriges Kind, das vielleicht noch nie die Schule besucht hat, sind das gar keine einfachen Fragen.

Diese Erstbefragungen der Kinder im Asylverfahren werden deshalb üblicherweise auch im Beisein einer Rechtsberaterin, eines Rechtsberaters und der Jugendhilfe in einem der zwei Erstaufnahmezentren von einer Polizistin oder einem Polizisten durch­geführt. Aufgrund der Coronasituation kam es allerdings zu einer Sperrung des Erst­aufnahmezentrums Ost, und wäre auch das Erstaufnahmezentrum West von der Sper­rung betroffen gewesen, hätten eventuelle Befragungen noch länger ausgesetzt wer­den müssen.

So sieht die Änderung im BFA-Verfahrensgesetz nun vor, dass diese Befragungen auch in den Regionaldirektionen und Außenstellen, die es inzwischen ja in jedem Bun­desland gibt, vorgenommen werden können. Das hat natürlich auch erhebliche Vor­teile, weil wir uns viele Kilometer sparen und auch die Kinder nicht mehr von Vorarl­berg bis nach Oberösterreich gebracht werden müssen, um befragt zu werden. Das Gesetz sieht diesbezüglich jetzt auch vor, dass auch in den Außenstellen und Regio­naldirektionen die gesetzlichen Vertreter, die Rechtsberater hinzugezogen werden können.

Warum ich das alles jetzt so ausführlich beschrieben habe? – Es geht um Kinder auf der Flucht, Kinder, die ihre Eltern verloren haben, die vulnerabelsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Viele dieser elternlosen Kinder – das hat Kollege Reisinger auch schon gesagt – befinden sich immer noch auf den griechischen Inseln, unter unwürdigsten Bedingungen in überfüllten Camps, in ständiger Angst und in Unterversorgung.

Es wurde heute auch schon gesagt: Österreich hilft. Auch in der Vergangenheit hat Österreich immer geholfen – und das ist gut so, wirklich gut so und ein Zeichen von Solidarität. Am letzten Donnerstag kamen 60 Wohn- und Sanitärcontainer, von Öster-


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 161

reich bereitgestellt, in Griechenland an, und die werden auch nach Samos verbracht werden. In den kommenden Wochen sollen weitere 120 Container aus Österreich nach Griechenland gebracht werden. Diese österreichische Hilfe kommt im Rahmen des EU-Zivilschutzsystems, nachdem Griechenland eben diese Wohncontainer und Hygiene­artikel beantragt hatte.

Aber auch wenn das nun passiert, so bleiben viele Kinder in einer Notsituation, die alleine durch Griechenland nicht lösbar sein wird. Aus diesem Grund haben sich bereits andere europäische Länder dazu entschlossen, zusätzlich zu diesen Hilfen, die gewährt werden, Kinder aufzunehmen. Griechenland braucht die Hilfe. Finnland hat sich bereit erklärt, 100 Kinder aufzunehmen, Portugal 50, in Deutschland sind 47 Kinder angekommen, in der Schweiz 22, in Luxemburg zwölf und in Slowenien immerhin vier. Damit haben diese Länder einen Schritt in Richtung Menschlichkeit gezeigt und gehandelt.

Österreich hat bekanntlich bis jetzt noch kein Kind aus Griechenland aufgenommen, obwohl es mehr als ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten gibt. In meinem Bezirk Vöcklabruck gibt es insgesamt über 100 freie Quartierplätze für Flüchtlinge, in Ober­österreich sind es 900. Wir können leider nicht allen Flüchtlingen sofort helfen, und es muss die oberste Priorität gelten, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Trotz Corona sollten wir uns aber dazu entschließen, zumindest einige Kinder aus Griechenland aufzunehmen. Die Zivilgesellschaft steht dafür bereit, und wir als Staat sollten uns auch einem Akt der Menschlichkeit im europäischen Kontext nicht verschließen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

23.07

23.07.20


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

23.07.5614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und das Zivilrechts-Medi­a­tionsgesetz geändert werden (8. COVID-19-Gesetz) (436/A und 139 d.B. sowie 10305/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Energie durch ver­brauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (Heizkos­ten­abrechnungsgesetz – HeizKG 1992) geändert wird (15. COVID-19-Gesetz) (438/A und 140 d.B. sowie 10306/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um die


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Berichte.


23.08.32

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Bundes­ge­setz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz, das Gesellschafts­recht­liche COVID-19-Gesetz und das Zivilrechts-Mediationsgesetz geändert werden (8. COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum zweiten Punkt: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die sparsamere Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (Heizkostenabrechnungsgesetz – HeizKG 1992) geändert wird (15. COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich noch Frau Staatssekretärin Ulrike Lunacek sehr herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. – Herz­lich willkommen! (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.


23.10.43

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, eigent­lich bin ich als Contrarednerin in der Liste eingetragen, bin aber in Bezug auf das 8. COVID-19-Gesetz eine Prorednerin, denn die Covid-19-Krise hat viele Lebens­bereiche erfasst, auch die Justiz – das geht aber auf Dauer nicht.

Die Verfahren müssen weiter abgeführt werden, damit sich da kein allzu großer Rück­stau bildet, denn nach einer gewissen Dauer werden auch nicht dringende Verfahren zu dringenden. Deshalb sind verfahrensrechtliche Regelungen, die den Einsatz von Videotechnologien vorsehen, durchaus sinnvoll, denn eine angemessene Verfahrens­dauer ist, wie wir wissen, ein Wesenselement eines fairen Verfahrens nach der Euro­päischen Menschenrechtskonvention.

Ja, im vorliegenden Gesetzentwurf ist im Zivilrechtsbereich die Zustimmung der Pro­zess­beteiligten der Parteien vorgesehen. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung, deshalb kann – und das wird es – vom Prinzip der Unmittelbarkeit natürlich abge­gan­gen werden, wenn keine physische Anwesenheit gegeben ist. Durch dieses Zustim­mungsrecht wird aber dieser „Mangel“ – unter Anführungszeichen – saniert, insofern ist das eine juristisch saubere Lösung, die auch meine, unsere Zustimmung findet. Das wäre natürlich auch für den Strafrechtsbereich wünschenswert.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 163

Da war seitens Ihres Ressorts zumindest ein Problembewusstsein erkennbar, indem von Erlässen oder von einem Erlass berichtet wurde, dass diese Möglichkeit restriktiv ausgeübt werden soll. Also da ist ein gewisses Problembewusstsein erkennbar. Das haben wir heute im Verfassungsausschuss im verwaltungsrechtlichen Bereich, wo eigentlich null Problembewusstsein erkennbar war, leider schon vermissen müssen, deshalb haben wir dort nicht zustimmen können – damit uns da sozusagen kein wider­sprüchliches Abstimmungsverhalten vorgeworfen werden kann. Es sind die Dinge in den unterschiedlichen Ressorts einfach unterschiedlich geregelt worden, deshalb kann man da zustimmen, im anderen Fall haben wir – wie gesagt – nicht zustimmen können.

In diesem Gesetzentwurf sind aber auch andere Änderungen enthalten: Im Gesell­schaftsrecht besteht die Möglichkeit, Mitgliederversammlungen bei Vereinen – wie etwa dem ÖGB – bis Ende 2021 zu verschieben. Also ich hoffe, dass die Krise nicht so lange dauert, aber die Möglichkeit, dann Termine anzuberaumen, ist da gegeben wor­den, ebenso wurde die Möglichkeit der Fristerstreckung für Fortbildungen für die Be­rufsgruppe der MediatorInnen zumindest geschaffen.

Wie wir wissen, gibt es natürlich auch andere Berufsgruppen oder Personengruppen – wie Schülerinnen und Schüler –, die auch innerhalb einer Frist Fortbildungen oder auch Praktika machen müssen. Ich würde mir wünschen – das betrifft nicht Ihr Ressort, Frau Ministerin, aber vielleicht besprechen Sie das mit Ihren Kolleginnen und Kollegen –, dass es auch für andere Personengruppen und andere Berufsgruppen ähnliche Frist­erstreckungen gibt, oder dass Praktika etwa für Schülerinnen und Schüler überhaupt erlassen werden, um die nicht in Problemlagen zu bringen. Das wäre wünschenswert.

Ein Highlight dieses Gesetzentwurfs ist die Erleichterung für Alleinerziehende. Das ist wirklich sehr positiv, dass Unterhaltsvorschüsse auch ohne vorherigen Exekutions­an­trag gewährt werden. Das ist ein wesentlicher Schritt, den wir auch immer wieder eingefordert haben, auch gemeinsam, Seite an Seite mit der grünen Fraktion. Die ÖVP haben wir dafür noch nicht gewinnen können, aber auch mit der Liste Pilz haben wir uns früher immer gemeinsam für eine Unterhaltssicherung anstatt des bisherigen lückenhaften Vorschusssystems eingesetzt.

Also wenn das ein Schritt in die richtige Richtung einer Unterhaltssicherung für Kinder oder überhaupt einer Kindergrundsicherung, wie sie die Volkshilfe als sehr praktikables und begrüßenswertes Konzept ausgearbeitet hat, ist, dann ist das wirklich ein ganz, ganz toller Schritt in die richtige Richtung. Ich würde auch bitten, da weiter dran­zu­bleiben, denn Kinderarmut ist nach wie vor eine Realität in Österreich, eine Realität, die durch die Covid-19-Krise immer akuter, immer brennender wird. Da gemeinsam vor­­zugehen, das wäre wirklich ganz, ganz wichtig, gerade in Zeiten wie diesen. In diesem Sinne: Wie gesagt, zu diesem Gesetzentwurf können wir eine Zustimmung geben.

Bitte bleiben Sie bei der Kindergrundsicherung dran! Nehmen wir uns das bitte ge­meinsam vor! Kinderarmut darf es in Österreich nicht geben! Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

23.16


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


23.16.49

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werte Bundesministerin! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und nochmals Grüße in den Äther! Schon seit sieben Wochen herrscht ein partieller Stillstand, ein Lockdown unserer Gesellschaft. Das hat auch weite Teile der Justiz betroffen.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 164

Ein wesentlicher Punkt dazu war die Aussetzung von Fristen bis zum 30.4.2020. Ab 1. respektive 2. Mai begannen die unterbrochenen Fristen neu zu laufen. Das bedeutet auch, dass die Verhandlungen wieder stattfinden müssen und werden. Wir müssen die Justiz daher mit den notwendigen Instrumenten ausstatten, um die Verhandlungen auch durchführen zu können. Das stellt uns vor große Herausforderungen, da eine solche Situation noch nie dagewesen ist.

Für Verhandlungen, Anhörungen, Vernehmungen wird die Möglichkeit geschaffen, die­se per Videokonferenz durchzuführen. Kollegin Grossmann hat es schon ange­sprochen: Der Zeitraum für Unterhaltsvorschüsse ohne vorhergehenden Exekutionsantrag wird um zwei Monate bis 30. Juni verlängert, Vereine dürfen ihre abzuhaltenden Mitglie­derversammlungen verschieben, Mediatoren haben nun länger Zeit, den Nachweis für die vorgeschriebene regelmäßige Fortbildung vorzulegen. Auch das wurde schon – zu einem anderen Punkt – gesagt: Verwaltungsbehörden soll es ermöglicht werden, Verhandlungen per Videokonferenz durchzuführen.

Wir alle wissen aber, dass es damit nicht getan ist. Nur die rechtlichen und technischen Möglichkeiten für ein Weiterarbeiten während der Krise zu schaffen, reicht nicht aus. Wir müssen darüber hinaus die Justiz auch mit den notwendigen personellen und finanziellen Mitteln ausstatten, um einen ordentlichen Betrieb aufnehmen zu können. Wir dürfen nicht vergessen, dass es nicht erst durch die Einschränkung der physischen Kontakte zu einem Runterfahren im Justizbetrieb gekommen ist. Vielmehr wurde das System in Wirklichkeit seit Jahren in einer gewissen Form kaputtgespart, bis es zuletzt an einem Punkt angekommen ist, wo es schon fast an der Grenze des Tragbaren war.

Es wird eben nicht reichen, die Justiz wieder auf den Stand zu bringen, auf dem sie vor Corona war. Wir müssen sie durch zielgerichtete Investitionen wieder zu der wirk­samen und verlässlichen Institution machen, die wir brauchen.

Nicht zuletzt gilt das auch für den Bereich der Justizanstalten. Dort haben die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Wochen unter wirklich aller­schwie­rigsten Bedingungen und unter größter Anspannung gearbeitet. Mit sehr viel Umsicht haben sie es geschafft, dass die Insassen in den Justizanstalten die Maßnahmen, die gerade für sie besonders einschneidend waren, so angenommen und mitgetragen haben.

Es ist in keiner Justizanstalt zu einer Ansteckung innerhalb der Anstalt gekommen, Infi­zierte, die von außen kamen, konnten jeweils gut und rechtzeitig isoliert werden, so­dass es zu keiner Weiterverbreitung kam. Aber auch für sie ist es wichtig, dass sie bald Entlastung durch zusätzliches Personal bekommen.

Alles in allem sind diese Änderungen ein wichtiger und weiterer Schritt, um eine neue Chance zu bekommen. Ich sage jetzt – so wie auch Kollege Schreuder in seiner Rede vorhin – absichtlich „neue Chance“ statt „neue Normalität“. Es ist wichtig, in diesem Bereich eine neue Chance zu bekommen, und wir setzen heute mit unserem Be­schluss einen wichtigen Schritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­des­rätInnen der ÖVP.)

23.20


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile es ihm.


23.21.00

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Liebe Kollegen im Bundesrat! Liebe Nachtschwärmer, die Sie uns um diese Uhrzeit noch via Livestream zuschauen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Jetzt reicht’s! Allianz gegen Corona­wahn-


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sinn.at“ auf das Rednerpult.) Meine Rede muss ich ein bisschen ändern, und zwar in Anbetracht dessen, dass Herr Bundesrat Bader heute ein bisschen wehleidig auf Kollegen Steiner reagiert hat. Außerdem hat es vor vier Tagen eine Presseaussendung gegeben, die genau dazu passt, also habe ich mir gedacht, ich muss den Anfang ein bisschen ändern.

Ich möchte Ihnen etwas vorlesen. Frau Kollegin Zwazl – sie ist jetzt nicht im Saal, aber sie betrifft es –, das ist eine Definition beziehungsweise steht das so auf einer Seite: „Auch das Bild des Eisengitters, das bei Verbrennung für die Trennung von groben Verbrennungsrückständen und Asche dient, ist bereits seit dem Mittelalter im Umlauf, um eine Benachteiligung oder Nicht-Berücksichtigung auszudrücken. Nach dem Holo­caust bekam diese Redewendung jedoch eine neue Bedeutungsdimension und soll laut dem Leitfaden für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch des öster­reichi­schen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht mehr verwendet werden.“

Es geht um den Ausdruck oder die Redewendung „durch den Rost fallen“, die Sie heute zweimal beim Tagesordnungspunkt 4 verwendet haben. Glauben Sie mir, es ist mir zuwider, die linke Sprachpolizei hier herinnen zu spielen, ich möchte vielmehr darauf hinweisen, dass so etwas nicht unbedingt aus böser Absicht, sondern auch aus Unachtsamkeit oder weil man es einfach nicht besser weiß, passieren kann.

Trotzdem möchte ich ganz kurz die Aussendung der ÖVP von vor vier Tagen nehmen und tausche nur den Namen Kickl gegen Zwazl aus: Dass Zwazl eine solche Rede­wendung, die für so viel Leid und Terror steht, in ihrem Sprachgebrauch hat, ist erschütternd und völlig inakzeptabel, äußerte sich die stellvertretende ÖVP-General­sekretärin Gaby Schwarz in einer Aussendung. – Ende des hypothetischen Zitats.

Gegangen ist es um das Wort Rollkommando. Das Rollkommando wurde übrigens auch schon vor einiger Zeit in einem Antrag in Wien von der ÖVP verwendet, nur so nebenbei. Und nein, Frau Bundesrätin Zwazl, ich unterstelle Ihnen gar nichts, weil ich weiß, Sie haben damit genauso wenig zu tun wie wir alle, aber eines will ich schon aufzeigen: Denken Sie in Zukunft nach, bevor Sie mit erhobenem Zeigefinger hier solche Schimpftiraden über Nazisprech oder Sonstiges loslassen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Zuerst zu Tagesordnungspunkt 15: Da geht es um die verbrauchsabhängige Abrech­nung von Heiz- und Warmwasserkosten. Viele, die in einer Wohnung leben oder schon einmal gelebt haben, kennen das wahrscheinlich: Wenn sie eine Hauszentralheizung haben, dann kommt einmal im Jahr jemand vorbei, der abliest, dafür gibt es sogar eine gesetzliche Verpflichtung.

Natürlich verstehen wird die Ängste und Sorgen der Bevölkerung, wenn jetzt in dieser Phase fremde Personen von Wohnhaus zu Wohnhaus oder von Wohnung zu Woh­nung spazieren sollen und vielleicht diesen Virus weitertragen könnten, denn immerhin hat diese Regierung keine Gelegenheit ausgelassen, um alle Österreicher in Angst und Unruhe zu versetzen. Deshalb werden wir da auch keinen Einspruch erheben.

Einen Kritikpunkt zu diesem Tagesordnungspunkt haben wir allerdings, und zwar angesichts der Tatsache, dass sich hier zwei Unternehmen diesen Markt größtenteils aufteilen, dass man nicht den Weg geht, die Österreicher zu entlasten, indem man ihnen nämlich dieses Mal die Zahlung der Ablesegebühr erspart. Unsere Landsleute müssen unter dieser von der ÖVP herbeigeführten Krise schon genug leiden. Es kann nämlich nicht sein, meine Damen und Herren, dass Leistungen, die gar nicht erbracht werden, dann vielleicht auch noch verrechnet werden. Ich denke, Herr Bundesrat Novak wird dann in seiner Rede genauer darauf eingehen, was ich damit meine. Wir erheben, wie gesagt, keinen Einspruch, aber es gibt hier noch durchaus viel zu tun, womit man unsere Landsleute finanziell entlasten könnte.


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Zu Tagesordnungspunkt 14: Hier werden wir sehr wohl Einspruch erheben. Einige Punkte halten wir für durchaus sinnvoll, aber wenn es darum geht, dass die Rechte einzelner Personen beschnitten werden, meine Damen und Herren, auch wenn es sich zum Beispiel um einen Untersuchungshäftling handelt, geht uns das einfach zu weit.

Wir kennen das ja inzwischen von der ÖVP: Die pfeifen sich nicht viel um Gesetze, kurz gesagt, auch nicht um etwaige Verfassungskonformität von Gesetzen. Uns ist das aber sehr wohl wichtig.

Auch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dieser beinhaltet ja unter anderem auch das „Recht auf ein faires Verfahren“, auf Unmittelbarkeit. Dieses Prinzip der Unmittelbarkeit ist sehr wichtig, denn in einem Verfahren sollen alle Beteiligten die Chance haben – vom Richter bis zu den Geschworenen, Schöffen, wer bei solch einem Verfahren halt dabei sein kann, bis natürlich auch zur Rechtsvertretung –, direkt zu agieren, aber auch zu reagieren und hier einen ungefilterten Eindruck von Mimik und Gestik zu gewinnen.

Das geht dann so weit, dass man im Strafrecht – mit Ausnahme von ganz besonders gefährlichen Straftätern – auch die Handfesseln im Gerichtssaal abnehmen muss, damit eben der Beschuldigte entsprechend gestikulieren kann. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass viele von der ÖVP das mit den Masken hier so zelebrieren. Kurz gesagt, vielleicht will die ÖVP da etwas verbergen, und die Mimik könnte sie ja verraten. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Die Möglichkeit, Verfahren generell über Video abzuwickeln, kann im Zivilrecht, wie wir bereits gehört haben, durchaus sinnvoll sein. Allerdings besteht auch da die Gefahr, dass aus taktischen Gründen eine Partei eben nicht zustimmt und dadurch die Ver­handlung bis zum nächsten Jahr verzögert, um sich dadurch irgendeinen Vorteil zu verschaffen.

Abgesehen davon sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich hoffe doch, dass möglichst rasch wieder alles seinen halbwegs normalen Gang gehen wird. Somit sehen wir das eher als Sparmaßnahme in der Justiz denn als Maßnahme aus Gründen des Gesund­heits­schutzes, denn, seien wir ehrlich, in den allermeisten Gerichtssälen ist genug Platz.

Natürlich haben die Covid-19-Maßnahmen bei Verfahren einen Rückstau an Verhand­lungen produziert, aber wir haben ja gesagt und es wurde auch heute schon mehrmals von unserer Seite betont: Der Shutdown, der Lockdown, wie auch immer das genannt wird, war das richtige Mittel. Das Problem ist, dass es diese Regierung ganz einfach verschlafen hat. Leider ist es erst mit wochenlanger Verspätung gekommen, wahr­scheinlich weil ein Zuruf aus Israel stattgefunden hat, so wie Herr Kurz es ja selbst in einem Interview gesagt hat.

Dass die jetzige Entwicklung eine sehr positive ist, darüber freuen wir uns alle, aber, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, Sie verschlafen es schon wieder. Es ist schon lange an der Zeit, die Maßnahmen zurückzunehmen, dass die Regierung endlich wieder alles nach oben fährt. Vielleicht wartet Kurz ja wieder auf einen Anruf aus Israel, ich weiß es nicht.

Zurück zum Rückstau bei den Verfahren: Es gab ja auch vorher schon einen gewissen Rückstau an Verhandlungen. Warum? – Weil unsere staatserhaltenden Einrichtungen die letzten Jahrzehnte personell wie auch materiell in Wahrheit zu Tode gespart wurden, und dazu zählen leider auch die Justiz und die Justizwache.

Ich denke, wir alle hier wissen, wer die Hauptverantwortung für dieses Zu-Tode-Sparen trägt, denn es gibt nur eine einzige Partei, die durchgehend in Regierungs­verantwor­tung war, die seit 2008 die Justizminister gestellt hat und noch viel länger jene Minister, die in Wahrheit die Hauptverantwortung für das Zu-Tode-Sparen des Staatsapparates


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tragen, nämlich die Finanzminister, allesamt von der ÖVP – und da kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Schämen Sie sich, liebe ÖVP! Das ist einzig und allein Ihr Versagen, und ich hoffe, es war nur Versagen und nicht mit Vorsatz. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will die heutige Sitzung auch als Gelegenheit nutzen, ein paar Worte zur Arbeit meiner Kollegen in den Justizanstalten zu sagen. Dort haben nämlich alle Mitarbeiter in den vergangenen Wochen unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet, noch schwie­riger als sie sonst schon sind. Und ja, sie waren es, die die Insassen dazu gebracht haben, eben auch alle Maßnahmen mitzutragen. Liebe Kollegen, ich bedanke mich für euren Einsatz und ich bedanke mich für eure Leistung! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich weiß, von meinem Dank habt ihr nicht viel, aber es geht letztendlich um die Wert­schätzung – wir wissen, was ihr leistet. Gerade darum sehe ich es auch ehrlich gesagt immer kritisch, wenn sich die ÖVP hierher ans Rednerpult stellt und zu verschiedenen Berufsgruppen Danke sagt, insbesondere eben auch zur Justizwache, denn die ÖVP hat es ja in der Hand. Die ÖVP könnte den Personalmangel abstellen, der nicht nur ein Personalmangel ist, sondern gleichzeitig auch einen massiven Sicherheitsmangel in erster Linie für die Kollegenschaft darstellt, aber die ÖVP tut es einfach nicht. Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, stellen sich dann mit Krokodilstränen ans Rednerpult und sagen: Danke, was ihr nicht alles Tolles leistet! Ihr wisst ganz genau, wie es in den Justizanstalten zugeht, denn auch ihr habt da Verbindungen hinein, aber ihr macht nichts dagegen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Fakedanke, und man muss es schon als Fakedanke bezeichnen, denn die Exekutivbeamten müssen hinnehmen, dass sie jetzt im Pensionssystem die größten Verlierer sind. Das ist auch vor wenigen Tagen auf­getaucht – also bekannt ist es schon länger, aber jetzt ist es natürlich aktuell –, durch den Entfall der Durchrechnungsdeckelung bei der Exekutive sind diejenigen, die jahrelang Überstunden geleistet und dafür natürlich auch Pensionsbeiträge bezahlt haben, die größten Verlierer in der Pension, weil diese Deckelung der Durchrech­nungs­verluste bereits im Jahr 1997 eingeführt wurde – unter SPÖ und ÖVP be­schlos­sen –, eben um die damals nicht absehbaren Verluste einzugrenzen. Gleichzeitig wurde damals aber auch festgelegt, dass dieser Deckel im Jahr 2020 für alle ab dem Jahr 1959 geborenen Kollegen entfällt. Da reden wir von monatlich bis zu 300, 400 Euro, die die Kollegen in der Pension verlieren. Um diese Ungerechtigkeit zu reparieren, hat die FPÖ voriges Jahr bereits im September einen Antrag eingebracht, und dieser Antrag wurde ganz einfach im Verfassungsausschuss von der ÖVP schub­ladiert. Die Justizwachebeamten stehen dabei sogar noch schlechter da als ihre schon schlecht gestellten Kollegen von der Polizei, denn die Justizwachebeamten haben nicht einmal die Möglichkeit einer Schwerarbeiterregelung.

Darum, liebe ÖVP, sage ich Ihnen eines: Sparen Sie sich ihr geheucheltes Fakedanke, auch in vielen anderen Bereichen! Seien Sie einmal ehrlich und reparieren Sie diese Ungerechtigkeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

23.33


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


23.33.51

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staats­sekre­tärin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer, sofern Sie zu Hause noch tatsächlich zuhören! Mein Vorredner hat ja schon einige Punkte angesprochen, wobei


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einige jetzt nicht unbedingt zu den Tagesordnungspunkten 14 und 15 gepasst haben. Dennoch ist schon etliches gesagt worden, deshalb werde ich mich jetzt in meinem Redebeitrag kurz halten, weil unsere Position zu diesen Tagesordnungspunkten bekannt ist.

Wir haben gehört, dass jetzt zum Beispiel mit dem ersten und dem zweiten Covid-19-Paket einige Maßnahmen gesetzt wurden, durch die wir den Gerichtsbetrieb sehr stark eingeschränkt haben. Wir haben im Nationalrat von Ihnen, Frau Ministerin, gehört, dass im letzten Monat 41 000 Gerichtsverhandlungen abberaumt wurden, 30 000 davon allein wegen der Covid-Krise. Es ist klar, dass es dadurch zu einem Rückstau gekommen ist. Jetzt wird diese grundsätzliche Beschränkung auf dringlichste Fälle, wenn also zum Beispiel Leben, Sicherheit oder Freiheit in Gefahr sind, aufgehoben. Bei­behalten wird selbstverständlich der Aufruf der Rechtssache vor dem Verhand­lungs­saal, um den Grundsatz der Öffentlichkeit von Verfahren zu wahren. Auch Zuhörer sind bei Verhandlungen vor Ort zugelassen, aber natürlich nur so viele, wie die Schutzmaßnahmen es zulassen. Das heißt, wenn große Säle vorhanden sind, dann kann dort natürlich verhandelt werden, und wenn diese nicht vorhanden sind und die Parteien zustimmen – das haben wir ja bereits gehört – und auch das technische Equipment vorhanden ist, dann per Video.

Ich habe mich in Niederösterreich mit einigen Richtern und Richterinnen darüber unter­halten, was sie dazu sagen, und alle haben es als gut befunden, diese Möglichkeit zu haben. Wir haben in Niederösterreich das Glück, etliche Säle zu haben, die aus­reichend groß sind, aber dennoch – nochmals zur Wiederholung – ist es gut, diese Möglichkeit zu haben. Im Einzelfall ist es natürlich immer notwendig, die Verhältnis­mäßigkeit zu prüfen.

Meine Damen und Herren! Im Vordergrund steht immer der Schutz der Gesundheit des Angeklagten und natürlich auch aller Anwesenden im Gerichtssaal. Es geht ja auch um die gesamte Haftanstalt, aus der der Angeklagte vielleicht kommt und in die er das Virus dann auch hineintragen könnte. Man kann sich vorstellen, was dann passiert.

Im Nationalrat ist auch sehr viel über Menschenrechte und über faire Verfahren ge­sprochen worden. Ich glaube, in einer Grundrechtsabwägung ist immer die Frage zu stellen, ob es denn zum Beispiel unverhältnismäßig ist, wenn eine Untersuchungshaft besonders lange dauert. Auch das schränkt im Endeffekt die Grund- und Freiheits­rechte ein. Deshalb bin ich der Ansicht, dass jeder ein Recht auf ein rasches und faires Verfahren hat.

Ich möchte jetzt noch kurz auf Tagesordnungspunkt 15 zu sprechen kommen, das Heizkostenabrechnungsgesetz, über das wir ja schon gehört haben, dass eben Selbstablesung erfolgen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Sofern die Erfassung der Verbrauchsanteile nicht möglich ist, soll befristet auch ein höherer Anteil als 25 Prozent der beheizbaren Nutzfläche hochgerechnet werden können. Wir haben im Ausschuss am Vormittag diskutiert und es sind auch einige Einwände gebracht worden. Es ist aber so, dass die Hochrechnung ja auch bisher schon möglich war, und das entspricht auch den Önorm-Standards. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Das ist leicht verständlich, es ist praktikabel und somit aus technischer Sicht auch sehr zuverlässig.

Natürlich verstehen wir die Ängste und Sorgen der Bevölkerung, wenn jetzt in dieser Phase fremde Personen in die Wohnungen im ganzen Haus hineingehen und den Virus hineintragen. In Wien sind ja zum Beispiel 200 000 Wohnungen betroffen, was wir auch schon gehört haben. Da immer wieder der Wunsch nach Befristung gekom­men ist, kommen wir diesem auch sehr gerne nach, und somit ist diese Regelung be­fristet.


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Meine Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss. Alle Maßnahmen, die wir setzen können, die zielorientiert sind und uns den Alltag erleichtern, sind meiner Ansicht nach richtig und sinnvoll. Natürlich kann man überall ein Haar in der Suppe suchen und parteipolitisch motivierte Diskussionen ausdehnen, aber wir alle haben ein Recht darauf, unser wichtigstes Gut, unsere Gesundheit, zu schützen. Tun wir es daher gemeinsam, halten wir zusammen und bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP.)

23.39


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Dr.in Alma Zadić. Ich erteile ihr dieses.


23.39.37

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen, geschätzte Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, falls noch welche unsere Sitzung verfolgen! Sie wissen ja, dass wir mit dem ersten und dem zweiten Covid-Paket einige Maßnahmen gesetzt haben, die die Justiz und ins­besondere den Gerichtsbetrieb stark eingeschränkt haben.

Sie haben es schon vorhin von Ihrer Kollegin gehört: Im letzten Monat wurden 41 000 Gerichtsverhandlungen abberaumt, und bei 30 000 davon ist das auf die Covid-Krise zurückzuführen.

Wir wollen natürlich so schnell wie möglich ins Tun kommen. Wir wollen auch diesen Rückstau abarbeiten. Mit diesem Gesetz soll es uns möglich sein, nun endlich Ge­richts­verhandlungen nicht nur in dringenden Fällen durchzuführen, sondern auch in allen anderen. Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen gehen wird, und wir wissen auch sehr gut, dass der normale Gerichtsbetrieb nicht so schnell wiederher­gestellt werden kann.

Sie wissen, es gibt viele Gerichtssäle im Land, aber nicht jeder Gerichtssaal ist Covid-geeignet. Gerade in kleinen Bezirksgerichten gibt es viele kleine Gerichtssäle, die sich dafür nicht eignen und die daher auch nicht zur Verfügung stehen werden.

Wir wissen aber auch, dass wir die Gesundheit aller Beteiligten schützen wollen. Wir wollen die Gesundheit der Richter, der Zeugen, der Parteien schützen. Dafür müssen wir als Justizverwaltung auch Sorge tragen, und deswegen haben wir in diesem Geset­zespaket auch eine Möglichkeit geschaffen, die uns eine gewisse Flexibilität gibt: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Verhandlungen im Zivilverfahren nun auch per Video erfolgen können, und zwar, wenn die Parteien dem zustimmen. So können auch Zeugeneinvernahmen per Video erfolgen, wenn die Parteien dem zustimmen. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir nicht über die Köpfe hinweg entscheiden wollen, son­dern weil gerade im Zivilverfahren auch die Zustimmung der Parteienvertreter erforder­lich ist.

Jetzt hat es da auch gewisse Kritik aus der Richterschaft gegeben, auch von der Richtervereinigung, weil man gesagt hat, das könnte dazu führen, dass Parteien die Verfahren verzögern. Das sehen wir etwas anders, weil wir in diesem Gesetz auch die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Verhandlung per Video durchgeführt werden kann, wenn eine Partei nicht zustimmt beziehungsweise sich nicht innerhalb einer gewissen Frist äußert. Nur wenn sie dem widerspricht, muss die Verhandlung vor Ort stattfinden.

Mir ist ja durchaus bewusst, dass diese neue Form der Verhandlung sehr ungewöhn­lich ist. Es ist eine neue Situation für die Richter, für die Parteien, aber auch für die Zeugen. Ich will Ihnen versichern, es ist mir wichtig sicherzustellen, dass wir dieses neue Format in der Justiz gut annehmen und keinen Qualitätsverlust erleiden. Das wird


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uns nur dann gelingen, wenn alle Verfahrensbeteiligten an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten.

Ich weiß, dass das eine schwierige Situation ist, und ich kann Ihnen auch versichern, dass wir die Entwicklung ständig evaluieren. Ich schaue mir tagtäglich an: Wie funk­tioniert das bei den Gerichten? Wo tauchen die Probleme auf? Was können wir ver­bessern? Es ist wirklich besonders wichtig, gerade jetzt in dieser schwierigen Phase, ständig im Dialog zu bleiben, damit man einfach aus der Praxis hört: Wo sind die Probleme? Wo können wir noch unterstützen?

Auch wenn das Strafverfahren jetzt nicht mit diesem Gesetz mitbeschlossen wird, möchte ich trotzdem noch auf einige Punkte eingehen, die im Zuge der Debatte immer wieder genannt wurden. Es geht insbesondere um die Möglichkeit der Videover­hand­lung im Strafverfahren. Da hat es auch gewisse Kritikpunkte gegeben, auch seitens der Rechtsanwaltskammer und ein paar anderer Beteiligter und natürlich auch von den Oppositionsparteien im Parlament. Diese Kritik – das möchte ich Ihnen auch sagen – möchte ich ernst nehmen. Ich bin immer gerne bereit, darüber zu diskutieren, und ich habe auch die Debatte im Ausschuss gerne geführt.

Wir befinden uns da in einer gewissen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es geht darum, dass wir einerseits den Unmittelbarkeitsgrundsatz wahren, andererseits aber auch ein zügiges und rasches Verfahren ermöglichen, weil es gerade im Strafrecht für jeman­den, der – womöglich unschuldig – in Untersuchungshaft sitzt, von großer Bedeutung ist, dass er so schnell wie möglich erfährt, ob er denn nun weiter sitzen muss oder ob er nicht doch freikommt.

Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung haben wir uns ganz genau angeschaut, auch vor dem Hintergrund, dass nicht jede Justizanstalt gleich ist. Es gibt kleine Justizanstalten, es gibt Justizanstalten, die überfüllt sind. Da müssen wir immer darauf schauen, dass die Gesundheit auch in den Justizanstalten gewährleistet ist.

Wir haben aber deswegen diese Verhältnismäßigkeitsprüfung auch noch einmal den Richtern übergeben, weil es auch eine Kannbestimmung ist. Es ist keine Verpflichtung, das Verfahren im Strafrecht per Video abzuhalten, sondern es ist eine Bestimmung, die diese Entscheidung dem Ermessen des Richters überlässt. Das heißt, der Richter kann noch einmal diese Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen, kann noch einmal im Ein­zelfall schauen: Kann diese Verhandlung auch tatsächlich per Video durchgeführt werden?

Zusätzlich zu all dem haben wir auch noch einmal klargestellt, dass diese Bestimmun­gen gerade im Schöffenverfahren oder im Geschworenenverfahren sehr restriktiv aus­zulegen sind, weil es gerade bei Geschworenengerichten oder bei Schöffenverfahren um sehr grundrechtssensible Materien und auch um lange Freiheitsstrafen geht.

Zusätzlich haben wir auch die Kritikpunkte ernst genommen, dass die Angeklagten, die per Video zugeschaltet werden, nicht die Möglichkeit haben, mit ihrem Verteidiger zu sprechen. Wir haben deswegen jetzt auch ermöglicht, dass jeder Angeklagte, der per Video an einer Hauptverhandlung teilnimmt, auch ein Mobiltelefon bekommt, um mit seinem Verteidiger vor der Verhandlung ungestört und unbeobachtet telefonieren zu können, während der Verhandlung jederzeit diese unterbrechen und telefonieren zu können und sich auch nach der Verhandlung jederzeit ungestört mit seinem Verteidiger austauschen zu können.

Zusätzlich, zum weiteren Schutz der Verhältnismäßigkeit, haben wir das Ganze noch befristet. Die Maßnahme läuft natürlich mit Ende Mai aus, und da werden wir nochmals evaluieren, wie sich die Situation, insbesondere die Gesundheitssituation entwickelt hat.


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Zu guter Letzt darf ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz bedanken, die den Rechtsstaat auch während dieser schwierigen Zeit aufrechterhalten haben. Abschließend möchte ich mich auch bei Ihnen allen dafür bedanken, dass Sie uns ermöglichen, dass wir diese notwendigen Maßnahmen heute beschließen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.48


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


23.48.25

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin und Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Thema Heizkostenabrechnungs­gesetz: Ich muss ehrlich sagen, wenn ich mir das jetzt anhöre – Herr Spanring hat eh die richtige Richtung gehabt, aber Frau Mag. Dr. Berger-Grabner! – und wenn ich mir die Änderungen anschaue, die es in diesen Gesetzesmaterien, die in das tägliche Leben eingreifen, in den letzten Wochen und Monaten gegeben hat, dann sehe ich, dass wir immer versucht haben, eine Ausgeglichenheit zu erreichen, und wir waren ja im Großen und Ganzen immer mit dabei.

Grundsätzlich sind auch diese Maßnahmen zu begrüßen, sofern die Sinnhaftigkeit ge­geben ist und der Bevölkerung kein vermeidbarer Schaden entsteht. Beim vorliegen­den Regierungsantrag ist dies aber grundsätzlich zu hinterfragen, denn der kommt aus meiner Sicht zum falschen Zeitpunkt, weil wir jetzt schon gesagt haben: Es gibt wieder Zutritt zu den Häusern, also wäre es doch möglich, das Ablesen wieder so vorzu­nehmen, wie es in der Vergangenheit gemacht wurde. Das ist aber nicht der Fall. Man gibt diesen Firmen die Möglichkeit, einen höheren Anteil als 25 Prozent an der beheizbaren Nutzfläche hochzurechnen.

Angesichts der derzeit erfolgenden schrittweisen Lockerungen wäre es absolut möglich gewesen, ein Ablesen wie in der Vergangenheit zu bewerkstelligen. Vielmehr aber steht zu befürchten, dass diese Ablesefirmen – das ist ja heute schon angesprochen worden –, deren Marktführer sich beinahe kartellartig auf dem österreichischen Markt ausbreiten, nun die Möglichkeit erhalten, Schätzungen zu eigenen Gunsten vorzu­neh­men.

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wovon wir reden.

Zuerst waren das die Firmen Ista und Techem in Deutschland und in Österreich, jetzt sind es eine chinesische Firma und eine Schweizer Firma. Heute haben wir an dieser Stelle über Hunderttausende oder auch Millionen von Euro gesprochen, wobei es darum geht, Menschen oder Firmen zu helfen, damit sie überleben. Um 4,6 Milliarden Euro und 5,8 Milliarden Euro sind diese Firmen verkauft worden – 4,6 und 5,8 Mil­liarden Euro!

Was will ich damit sagen? – In Zeiten wie diesen, in den letzten drei, vier Wochen, haben wir Homeoffice gemacht, der Schulunterricht und das Klassenzimmer sind nach Hause verlegt worden, die Digitalisierung ist fortgeschritten, und das wurde bestens durch- und umgesetzt.

Ich komme vom Land – wirklich vom Land! –, und wir haben einen Reinhalteverband und da haben vier oder fünf Orte gemeinsam versucht, digitale Geräte einzusetzen, um den Wasserverbrauch über eine Funkauslesung abzulesen. Wo leben wir denn, meine Damen und Herren, in welcher Zeit leben wir denn, dass wir solche großen Konzerne dafür brauchen, die richtig Kohle verdienen?!

Was meine ich damit? – Abschließend und zusammenfassend: Dieses Gesetz ist über­bordend. Zum Ersten, noch einmal, hätten wir die Möglichkeit, das abzulesen. Zum


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Zweiten brauchen wir nicht darüber nachzudenken, ob wir da 25 Prozent drauf­schla­gen könnten. Zum Dritten könnten wir den Schnitt von drei Jahren hernehmen, da braucht man nur hineinzuschauen; diese Möglichkeit ist gegeben. Wenn wir über Digitalisierung reden, sage ich noch einmal: Gehen wir es an, denn das ist absolut notwendig! Wenn das bei uns am Land möglich ist, dann wird es wohl hoffentlich auch in der Stadt möglich sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

23.52


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


23.52.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Ein paar Sätze zum Heizkostenabrechnungsgesetz: Ziel dieser Änderung ist ja, dass Ableserinnen und Ableser nicht in die Haushalte kommen müssen, um die Bewoh­nerInnen keiner Ansteckungsgefahr auszusetzen. Der technische Hintergrund ist, dass die Verbrauchsablesung – da geht es jetzt vor allem um die sogenannten Ver­duns­tungszähler – im Rahmen der Selbstablesung tatsächlich schwer durchzuführen sind.

Jetzt machen wir es so – man kann es übrigens auch selber ablesen, das ist ja kein Zwang –, dass die Ermittlung der Verbrauchsanteile in solchen Fällen über Dreijahres­mittelung erfolgt. Das kann man machen.

Was ich, ehrlich gesagt, nicht verstehe, Kollege Novak, ist die Begründung für die Ablehnung, die Sie jetzt gebracht haben. Das hat mit dem Antrag eigentlich nichts zu tun. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Da geht es schlicht und einfach um einen pragmatischen Zugang.

Was es nun einmal sicher nicht ist, ist irgendwie ein Ablesefirmenschutzgesetz oder so etwas. Es wird die Abrechnung in der vereinfachten Art und Weise erfolgen und damit wohl auch günstiger sein, da man die Wohnung nicht mehr betreten muss. (Bundesrat Novak: Es ist günstiger ... über drei Jahre ...!) Gut, aber das müssen eh Sie selber wissen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak.) – Ja, ja, lesen Sie das in den Normen nach! Man kann das natürlich über einen dreijährigen Zeitraum mit Berücksichtigung von Heiztagen machen. (Bundesrat Novak: ... ohne zu wissen, wovon Sie reden!) – Es ist Stand der Wissenschaft, glauben Sie mir das! Ich habe Technik studiert.

Was natürlich wichtig ist - - (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, aber das sind wirklich vorgeschobene Gründe. Tut mir leid, das hat mit der Sache nichts zu tun. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Novak: Da reden wir über Milliarden!) – Sie können sich ja noch einmal zu Wort melden, das ist überhaupt kein Problem. Ich habe Ihnen zugehört. Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf, bleiben Sie ruhig! (Zwischenrufe der Bundesräte Novak und Schennach. Ich verstehe Sie eh nicht wirklich. (Bun­desrat Novak: ... so lang studiert haben ...!) – Es ist langsam genug – ja, wirklich. (Bundesrat Novak: Es ist leider so!) – Ja, ja, wenn Sie glauben, Sie sind gescheiter! Auf jeden Fall: Wichtig ist, dass auch diese Regelung wieder befristet ist, und zwar bezogen auf die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie.

Ich möchte aber darüber hinaus noch etwas sagen, und zwar, um welche Menschen es da geht – aber das ist keine perfekte wissenschaftliche Analyse, das ist eine Ein­schätzung. Klarerweise wird es da vor allem um Haushalte mit geringem Einkommen gehen, weil eben gerade diese nicht über moderne elektronische Messeinrichtungen verfügen, sprich wohl in vielen Fällen um ältere, nicht generalsanierte Wohnungen, in denen es noch solche Messeinrichtungen gibt.


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Da gibt es nahtlos eine Schnittmenge mit dem Thema Energiearmut. Damit sind Haus­halte gemeint, bei denen die Energiekosten einen zu hohen Anteil an den Gesamt­kosten ausmachen beziehungsweise – man könnte es einfacher sagen – die sich schwertun, ihre Energierechnungen zu bezahlen. Das ist leider eine gewisse Falle für diese Menschen, weil sie, wie gesagt, in vielen Fällen eben in Häusern und Woh­nungen leben, die hinsichtlich Energieverbrauch in keinem so guten Zustand sind.

So, und da setzt jetzt eben die politische Aufgabe an, die vor allem darin besteht und bestehen muss, Maßnahmen dahin gehend zu setzen, dass solche Gebäude ther­misch saniert werden, um den Verbrauch und damit die Kosten dauerhaft zu senken.

Ja, das ist auch so ein Effekt – das haben wir in der Coronakrise mehrfach mitbe­kommen, dass sie den Blick schärft, wodurch sich vielleicht auch eine Chance in Bezug auf prekäre Situationen, auf schwierige Situationen auftut.

Wir sind ohnehin dabei, dem gesamten Thema Energiearmut, Energiekosten bei ein­kommensschwachen Haushalten einen Schwerpunkt zu widmen, und zwar einen Schwerpunkt, der Energie- und Sozialpolitik verknüpft, wenn es darum geht, Menschen von hohen Energiekosten zu entlasten, und zwar dauerhaft zu entlasten, und gleich­zeitig etwas für den Klimaschutz zu tun. Nur wenn man Sozialpolitik und Klimaschutz zusammenführt – das ist schon unser grundlegendes Verständnis dessen, wie man Klimapolitik macht –, wenn man genau diese Aspekte zusammenführt, kann man erfolgreich sein, sonst hat man die Akzeptanz nicht und hilft den betroffenen Leuten nicht; jetzt zeigt sich wieder einmal, dass die Armen am stärksten betroffen sind.

Abschließend sei noch angemerkt, dass unsere Bundesministerin für Klimaschutz ganz klar gesagt und ausverhandelt hat, auch mit Energieversorgern, dass in dieser Phase ganz bestimmt niemandem Strom, Gas oder Fernwärme abgedreht wird, weil er sich das momentan vielleicht nicht leisten kann. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.57


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Zwazl: Bitte!) – Ja, Frau Kollegin Zwazl, bitte.


23.58.14

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Spanring hat mich heute mit Recht aufgeklopft. Ich habe eine Redewendung verwendet, die mir ge­läufig ist und über die ich nicht nachgedacht habe – das ist ein Denken, eine Bedeu­tung, die mir komplett fremd ist.

Ich habe eine andere Erziehung genossen. Ich habe eine Großmutter, die Wider­standskämpferin war, die inhaftiert war, also glaube ich nicht, dass man mir das unterstellen kann. Dass ich – wirklich unintelligent – nicht nachgedacht habe (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner), tut mir sehr leid, ja, und ich nehme das auch hin. Du kannst mich an den Pranger stellen, aber ich finde es nicht fein, dass du meine naive, dumme Aussage nimmst, um meinen Kolleginnen und Kollegen da etwas zu unterstellen.

Schütt mich an, sage es mir! Ich bin dir auch sehr dankbar dafür, dass ich aufmerksam gemacht wurde, dass ich eine Redewendung, die mir geläufig ist, verwendet habe, ohne sie zu hinterfragen; aber bitte, das war ich und dieses Gedankengut ist nicht in mir drinnen. Ich habe diese Äußerung gemacht, da kann man mir vielleicht etwas unterstellen, aber das heißt nicht, dass das die Gesinnung meiner Parteikolleginnen und -kollegen ist. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, aber dann muss ich


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 174

sagen: Hättest du es mir gleich gesagt und hättest nicht gewartet und es jetzt hin­getuscht – ich bin auch eine, die immer sehr direkt ist –, dann hätten wir das gleich gemacht; so hat es schon ein bisschen nach politischem Geplänkel und Spiel aus­geschaut.

Ich bitte für diese Redewendung um Entschuldigung. Es tut mir leid, dass mir das in meinem doch reiferen Alter nicht einmal aufgefallen ist, was ich da sage, aber bitte: Das war ich, und das ist nicht das Gedankengut der anderen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

0.00


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen? – Frau Kollegin Mühlwerth, ja, bitte.

0.00.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Also heute kann es die ÖVP wirklich gut, nämlich alles misszuverstehen, was es nur misszu­ver­stehen gibt. Kollege Spanring hat extra betont, dass er nicht glaubt, dass dir die Be­deutung bewusst ist, wobei ich es schon in einem Zwischenruf gesagt habe, als du hier gestanden bist. Ich habe gesagt: Das kann man nicht sagen!, weil es mir schon klar war, aber niemand unterstellt dir, dass du das absichtlich getan hast.

Es unterstellt auch niemand deinen Kollegen, dass sie diese Gesinnung hätten. Es ging Kollegen Spanring einzig und allein darum – und zu diesem Punkt kommen wir immer wieder –, dass ihr hier in diesem Saal und auch im Nationalrat immer nach dem Motto vorgeht: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Er hat lediglich gesagt, dass man sich beim Rollkommando, das Kickl gesagt hat – auch be­lastet –, wahnsinnig aufgeregt hat, und dann sagst du etwas, das fast austauschbar ist. Wieso unterstellt eigentlich ihr Kickl diese Gesinnung und sagt: Das sagt er ja nur des­halb, weil er wahrscheinlich ...! – das wird dann natürlich nicht ausgesprochen, aber in dem Punkt-Punkt-Punkt ist ganz klar, was gemeint ist –, und bei dir darf man das nicht?

Ich sage dir: Bei beiden darf man es nicht, bei dir nicht, aber auch nicht bei Kickl. (Bei­fall bei der FPÖ.)

0.02

00.02.17


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 8. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein 15. COVID-19-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 175

00.03.4016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sport­siche­rungsgesetz – KuKuSpoSiG) beschlossen wird (142 d.B. sowie 10307/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


0.04.01

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich bringe den  Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Aus­wir­kungen der COVID-19-Pandemie beschlossen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile dieses.

0.04.56

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dienstag, 5. Mai, wir hal­ten durch.

Veranstalter von abgesagten Kunst-, Kultur- und Sportereignissen müssen nach einem Mehrheitsbeschluss des Nationalrates den Ticketpreis nicht rückerstatten, stattdessen soll eine Gutscheinlösung das Problem beheben. Die Regelung lautet: Tickets bis 70 Euro – Gutschein in Höhe des Ticketpreises; Tickets von 70 bis 250 Euro – Gut­schein bis 70 Euro und Rückerstattung des Differenzbetrages; Tickets über 250 Euro – Rückerstattung von 180 Euro und Gutschein für den Differenzbetrag. Wurden mehrere Tickets auf einmal erworben, zum Beispiel bei Festivals, ist jede einzelne Buchung beziehungsweise jeder einzelne Veranstaltungstag gesondert zu behandeln.

Auf den ersten Blick vermag dieses Gutscheinmodell unmittelbare Liquiditätsprobleme von Veranstaltern zu lösen. In der Praxis wird es jedoch nur für große Festivals, Top Acts und Abomodelle eine temporäre Erleichterung bringen, also für Veranstaltungen, bei denen die Karten lange im Voraus erworben werden. Für die vielen kleinen Kultur­initiativen und Kulturveranstalter ist das Modell jedoch weder praktikabel noch ziel­führend. Explizit in der freien Kulturszene erfolgt der Kartenvorverkauf wesentlich kurz­fristiger. Ist bereits alles abgesagt, können auch keine Tickets mehr verkauft werden, die zurückzuerstatten sind.

Finanzielle Auswirkungen der Coronakrise werden in die Zukunft verschoben. Weder lässt sich das Kontingent an Tickets, die pro Veranstaltungsstätte verkauft werden kön­nen, beliebig steigern, noch ist die Anzahl der Veranstaltungen, die nachgeholt werden können, beliebig steigerbar. Werden jetzt Gutscheine für zukünftige Veran­staltungen ausgestellt, fehlen die Einnahmen später, wenn die Gutscheine eingelöst werden.

Die finanziellen Auswirkungen werden in die Zukunft verschoben, ein finanzielles De­saster auf Raten wird die Folge sein. In der Konsequenz heißt das auch, dass die


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Grundlage für alle Hilfsmaßnahmen verfälscht wird, bei denen Einnahmeneinbußen infolge der Covid-19-Krise geltend gemacht werden beziehungsweise vielleicht zukünf­tig geltend gemacht werden können.

Anstelle öffentlicher Hilfszahlungen oder Kompensationen für die unverschuldeten Aus­fälle der Veranstalter muss das Publikum einspringen, obwohl es ein Modell staatlicher Garantien für Überbrückungskredite zur Sicherung der Liquidität gibt. Stattdessen gibt es nun quasi Privatdarlehen des Publikums, um die Veranstalter und den Kulturbereich zu sichern. Der Verzicht auf 70 Euro gilt dabei als sozial verträglich, als kein Luxus, egal, wie hoch das Einkommen der Betroffenen ist.

Eine ähnliche Regelung für Covid-19-Gutscheine anstelle einer Rückerstattung gibt es übrigens in Deutschland. Dort ist jedoch explizit vorgesehen, dass Konsumenten, die aus persönlichen Gründen eine Erstattung des Eintrittspreises benötigen, diese auch verlangen können.

Anstatt Wege zu finden, wie wir alle gemeinsam solidarisch durch die Krise finden, unabhängig ob großer Kulturbetrieb oder kleiner Kulturverein, verschärft dieses Gesetz zur Sicherung des Kunst- und Kulturlebens die Schieflage weiter.

Ich darf dahin gehend zwei Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dring­liche Herstellung von Planbarkeit, Sicherheit und realitätsnahe Vorgaben für den heimi­schen Kunst- und Kulturbereich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport werden aufgefordert, ehebaldigst einen konkreten, realitäts­nahen und umsetzbaren Plan vorzulegen, der geeignet ist, die dringend erforderliche Planbarkeit, Rechtssicherheit und Klarheit für die Tätigkeit der heimischen Kunst- und Kulturschaffenden sicherzustellen.“

*****

Der zweite Entschließungsantrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „In­sol­venz­sicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die eine Insolvenzsicherung für alle auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebenen Gutscheine sicherstellt.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was mich als Sportler sehr beschäftigt und mir große Sorgen macht, ist die aktuelle Situation der vielen Sportvereine, die ver­zwei-


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felt auf eine baldige Rückkehr zur Normalität hoffen und mit massiven Existenzängsten zu kämpfen haben.

Fußball-, Lauf-, Volleyballvereine und so weiter haben ihre Anlagen bereits für die Saison vorbereitet, ohne allerdings zu wissen, wann dort Personen wieder Sport aus­üben dürfen. Kommen zu laufenden Kosten ausbleibende Mitgliedsbeiträge, drohen ohne Finanzhilfe große Probleme bis hin zur Pleite. Für die Vereine der heimischen Fußball-Bundesliga wird es richtig eng werden, sollte die aktuell unterbrochene Saison nicht wieder fortgesetzt werden. Sollten keine Zuschauereinnahmen, keine TV- und Sponsorengelder fließen, wären im September nur noch drei Klubs zahlungsfähig: Red Bull Salzburg, Sturm Graz und LASK Linz.

Noch eine kurze persönliche Botschaft an unseren Herrn Gesundheitsminister Anschober: Es wäre längst an der Zeit, sich mit Antworten auf folgende Fragen an die Bevölkerung zu wenden: Wie können wir unser Immunsystem stärken? Wie wichtig ist gesunde Ernährung mit regionalen Produkten? – Und vieles mehr. Positive Signale senden, in einer Zeit, die einem Großteil der Menschen in diesem Land so vieles abverlangt, auch das würde ich mir von einem Gesundheitsminister wünschen und erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend noch ein Appell an den Sportminister: Viele Bürgerinnen und Bürger haben aufgrund der Ausgehbeschränkungen und den geschlossenen Sportstätten be­reits mit Herz-Kreislauf-Problemen zu kämpfen. Kinder und Erwachsene leiden durch Bewegungsmangel bereits an Übergewicht. Und ja: Nicht jeder und jedem steht ein großer Garten oder ein Wald für sportliche Aktivitäten zur Verfügung, doch gibt es so viele Möglichkeiten, dieser Entwicklung in den eigenen vier Wänden mit wirksamen Übungen entgegenzuwirken. – Herr Vizekanzler und Sportminister Kogler, es liegt auch in Ihrer Verantwortung, diesbezüglich Akzente zu setzen. Sollte meine Expertise dazu benötigt werden, biete ich sie gerne an. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

0.11


Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Thomas Schererbauer, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „dringliche Her­stellung von Planbarkeit, Sicherheit und realitätsnahe Vorgaben für den heimischen Kunst- und Kulturbereich“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Weiters ist der von den Bundesräten Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend  „Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“ genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile dieses.


0.12.33

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Aber auch: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, die zu dieser Uhrzeit noch vor den Bildschirmen sind! Wie wir in den heutigen Debatten schon mehrfach und einhellig festgestellt haben, stellt uns die Coronakrise vor enorme Herausforderungen. Dies betrifft alle Lebensbereiche, sei es das Gesundheitssystem, die Grundversorgung, die Bildung, die Sicherung der Arbeitsplätze und viele andere.

Die Liste der heute von uns debattierten Gesetzesvorlagen zeigt eindrücklich, wie sich die Coronakrise in den verschiedensten Rechtsgebieten niederschlägt und welch weite Kreise die Coronakrise zieht. Personen sind in ihrer Eigenschaft als Eltern, Fami­lien-


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angehörige, Ehrenamtliche, Arbeitnehmer und so weiter betroffen. Ebenso sind die Behörden, öffentliche Institutionen, Wirtschaftsverbände, Unternehmer beziehungs­weise Arbeitgeber betroffen. Wir können also feststellen, dass die Coronakrise auf alle Bereiche und alle Personen Auswirkungen hat. Dies betrifft auch die Bereiche Kunst, Kultur und Sport.

Österreich hat in seiner Geschichte unzählige bedeutende Persönlichkeiten in den Bereichen Kunst und Kultur hervorgebracht und ist daher zu Recht weltweit als Kunst- und Kulturland bekannt. Mozart, Bruckner, Haydn, Klimt, Schiele, aber auch Romy Schneider oder Arnold Schwarzenegger gehören zum Kulturexport, auf dem Öster­reichs Ansehen in der Welt beruht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Diese Bekanntheit ist ein Wiedererkennungsmerkmal, das Österreich insbesondere im Bereich des Touris­mus zugutekommt. Jährlich besuchen Millionen von Touristen Österreich und suchen dabei die Wirkungsstätten großer Österreicher sowie die zahlreichen Kulturschätze des Landes auf.

Im Zusammenhang mit der gegenständlichen Vorlage möchte ich auch nicht auf die Leistungen der österreichischen Sportler vergessen, die ebenfalls in großem Maße zum Ansehen des Landes beitragen.

Unser Land profitiert von einer lebendigen, diversen und gut aufgestellten Kunst- und Kulturszene. Dies dient der Bildung, der Unterhaltung und dem angeregten Austausch für alle Bevölkerungsschichten. Seien es die Festspiele, Ausstellungen, Theater­auf­führungen, Kabaretts, Festivals oder Konzerte, unsere diversifizierte Kulturszene ent­hält für alle Bürger aus allen Gesellschaftsschichten ein Angebot. Es ist daher ein Muss, sicherzustellen, dass wir diesen für unser Land so wichtigen Bereich best­möglich unterstützen und bewahren.

Der Bereich Sport ist ebenfalls sehr wichtig. In unserem Land finden wir ein be­ein­druckendes Angebot an Möglichkeiten vom Breitensport bis zu den Randsportarten. Die diversen Großveranstaltungen mit weltweiter Bekanntheit und Beteiligung wie bei­spielsweise der Wienmarathon oder der Formel-1-Grand-Prix in Spielberg tragen ebenfalls einen guten Teil zur Wertschöpfung in unserem Land bei. Nicht zu vergessen sind die unzähligen kleineren Sportvereine und Sportveranstalter, welche auf die Ein­nah­men aus den Ticketverkäufen angewiesen sind und daneben eine wichtige gesell­schaftliche Rolle einnehmen. Es ist daher gerechtfertigt und wichtig, dass auch die Veranstalter von Sportevents in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes einbezogen werden.

Die gesamte Veranstaltungsbranche ist besonders hart von den Einschränkungen durch das Coronavirus und insbesondere dem Verbot von Großveranstaltungen be­troffen, weshalb viele Veranstalter in ihrer Existenz bedroht sind. Museen, Kinos und Theater können aufgrund der geltenden Maßnahmen kaum Vorführungen abhalten. Größere Kultur- und Sportveranstaltungen mussten und müssen generell abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. So haben viele Sport-, Kunst- und Kultureinrichtungen momentan aufgrund fehlender Besucher keine oder wesentlich geringere Einnahmen, müssen aber trotzdem ihre laufenden Kosten begleichen. Wenn die Veranstalter dieser Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse nun auch noch alle bereits verkauften Tickets zur Gänze und unverzüglich zurückerstatten müssten, hätten nicht wenige mit enormen Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Viele Veranstalter würden dies finanziell nicht überleben, was der österreichischen Kunst-, Kultur- und Sportlandschaft enormen Schaden zufügen würde.

Bei der gegenständlichen Vorlage handelt es sich um einen gelungenen Vorschlag, die Liquidität und somit die Existenz der Veranstalter zu sichern und gleichzeitig die Konsumenten möglichst gleichwertig zu entschädigen. Gemäß den vorgeschlagenen


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Regelungen erhalten diese für den bereits bezahlten Eintritts- oder Teilnahmepreis ganz oder teilweise einen Gutschein. Mit diesem können sie zu einem späteren Zeit­punkt eine hoffentlich gleichwertige Veranstaltung ihrer Wahl besuchen.

Um die finanzielle Belastung für die Konsumenten in einem vertretbaren Maß zu halten, wird bei einem 70 Euro übersteigenden Betrag eine Splittung in Rückzahlung und Gutschein vorgenommen. Dies soll den Veranstaltern die Möglichkeit zur wirt­schaftlichen Erholung geben, während die Ticketinhaber einen angemessenen Zeit­raum zur Verfügung haben, bei einer für sie passenden Veranstaltung vom Gutschein Gebrauch zu machen. Dadurch wird eine sinnvolle und maßvolle Kompromisslösung vorgeschlagen.

Mit der gegenständlichen Gesetzesvorlage entlasten wir die Theaterbühnen, Festspiel­veranstalter, Konzertsäle und Sportvereine Österreichs und ermöglichen ihnen, ihre gesellschaftlich wichtigen Funktionen weiterhin wahrzunehmen. Durch die Vorlage wird die Liquidität der Veranstalter gestützt und sichergestellt, dass diese nach Aufhebung der Veranstaltungsbeschränkungen schnellstmöglich wieder qualitativ hochwertige Ver­anstaltungen anbieten können. Beim Zurückfinden in die Normalität werden genau diese Einrichtungen bedeutend sein, um das gesellschaftliche, kulturelle und wirt­schaftliche Leben in unserem Land wieder neu zu beleben.

Ich appelliere daher an alle Kolleginnen und Kollegen, diesem Antrag zuzustimmen, um irreparablen Schaden an Österreichs Kunst und Kultur zu verhindern und die kulturellen Institutionen dieser Republik entscheidend zu entlasten und durch diese Krise zu bringen. Jeder Tag ohne Regelung dieser Verhältnisse bringt Unsicherheit für Veranstalter und für Konsumenten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen.)

0.20


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.


0.20.18

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Damen und Herren zu Hause! Ich schicke es gleich vorweg: Wir haben lange darüber diskutiert, wir werden diesem Gesetz zustimmen, obwohl es doch einige kritische Punkte gibt, die ich gerne darlegen und vortragen möchte.

Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz klingt schon ziemlich hochtrabend. Das hört sich so an, als ob wir jetzt alles gerettet hätten. Es ist letzten Endes – da müssen wir auch bei der Wahrheit bleiben – ein Veranstalterhilfsgesetz, damit die Veranstalter nicht eingehen. Es ist aber gut und richtig, dass wir das machen, denn auch die Veranstalter haben Verantwortung.

Die Kritik ist: Die Regelung hätte vielleicht ein bissel früher kommen können, denn einige Veranstalter wissen nicht, was sie tun sollen. Da geht es von einem Fischer-Konzert über kleinere Veranstaltungen, aber auch um Sportveranstaltungen. Da wir jetzt fast in der achten Woche sind, hätte es also früher kommen sollen. Noch einmal: Es ist kein Sicherungsgesetz für Kultur, Kunst und Sport, es ist ein Veranstal­ter­hilfsgesetz.

Was schon ein bisschen wehtut: Warum brauchen wir das Gesetz? – Wir brauchen das Gesetz, weil wir das Epidemiegesetz außer Kraft gesetzt haben. Deswegen müssen wir jetzt dieses Gesetz einführen. Jetzt haben wir mit diesem Gesetz die Verant­wortung vom Staat zum Veranstalter und zum Teil auch zum Konsumenten verscho­ben. Der Konsument kann mit Gutscheinen sein Geld beziehungsweise einen Teil


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 180

seines Geldes zurückholen, kann diese einlösen – ich wiederhole das nicht noch ein­mal. Letzten Endes haben wir aber schon ein Problem, wenn die Veranstaltungsfirma eingeht, denn bei 70 Euro Streitwert schaue ich mir an, ob es sich wer antut, das einzuklagen.

Was uns als sozialdemokratische Fraktion besonders wehtut, ist Folgendes: Wir haben im Nationalrat einen Antrag eingebracht, dass genau die, die sich solche Veran­stal­tungen kaum leisten können, GIS-Befreite und Jugendliche, berücksichtigt werden. Die einen sparen es sich vom Mund und die anderen vom Taschengeld ab, damit sie ihre Idole anschauen können, damit sie sich Sportveranstaltungen anschauen können. Dass ihr das nicht eingearbeitet habt, tut uns weh. Ich sage aber trotzdem: Wir glau­ben, dass es notwendig ist, jetzt etwas zu tun, nämlich auch für die Veranstalter.

Ich habe zuerst gehört, dass der Sport ganz wichtig ist: Ja, er ist ganz wichtig, und deswegen werden wir auch einen Entschließungsantrag für den Sport einbringen. Es soll ein Rettungsschirm für den Sport sein: Einerseits soll es sofortige Geldhilfen für Sportvereine geben, andererseits soll man in der Schule zumindest wieder im Freien Sport betreiben können, zum Wohle der Gesundheit unserer Kinder. Auch für die 1 300 Fitnesscenter muss eine Lösung her, denn auch die tragen zum Gesamtwohl und zur Gesundheit der Österreicher bei.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettungs­schirm für den Sport!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, werden aufgefordert, dafür Sorge zu tra­gen, dass

- den österreichischen Sportvereinen als sofortige Ersthilfe mindestens 100 Mio. Euro zur Bewältigung der Ausfälle durch die Corona-Krise zur Verfügung gestellt werden,

- Schulkinder im Rahmen der Wiederaufnahme des Schulunterrichts (z.B. im Freien) Bewegung und Sport ausüben können,

- endlich klare gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, wann und unter welchen Bedingungen sportliche Aktivitäten in geschlossenen Räumen sowie im Freien wieder möglich sind.“

*****

Ich hoffe, dass Sie mit diesem Antrag mitgehen können, denn es ist ein Antrag für unsere Sportvereine, in denen Hunderte, sogar Tausende Sport betreiben, ehren­amt­lich tätig sind, und es ist ein Antrag für die Volksgesundheit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.25


Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rettungsschirm für den Sport!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 181

0.25.35

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass viele, wenn man sich die sozialen Medien in den letzten Wochen angeschaut hat, überhaupt erst jetzt begriffen haben, wie sehr ihnen Kultur abgehen kann. Auch mir selbst ist es als Jahreskar­ten­besitzer von dem einen oder anderen Museum natürlich passiert, dass ich es wirklich vermisst habe, dorthin gehen zu können, oder auch zu Konzerten, die ich jetzt gerne besucht hätte – ich hätte heute meine Koffer für Rotterdam gepackt (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) –, zu dem einen oder anderen Sportevent. Ich war glücklicher Besitzer einer Karte für die EURO, wobei ich als gebürtiger Holländer und als gelebter Österreicher ein bisschen Schwierigkeiten gehabt hätte, zu entscheiden, zu wem ich halte. Aber das findet nicht statt, es kann nicht stattfinden, so gerne wir es alle hätten, dass es stattfinden kann.

Dazu, dass man jetzt einen genauen Fahrplan machen möchte, ab wann es wieder möglich ist, haben wir heute schon ein paar Mal gesagt: Wir sind noch nicht aus der Krise, wir sind noch in der Krise. Wenn wir die Daten haben, wenn wir genauer wissen, wie es sich entwickelt, dann wird man weiter planen können. Hätten wir das Epi­demiegesetz heute beschlossen, dann hätten wir mit diesem Screening früher begin­nen können, dann hätten wir die Daten auch früher gehabt, damit wir genauer wissen, wann Sportevents oder Kulturevents wieder stattfinden können. Aber sei’s drum! Wir werden das wissen, aber das kann man nicht so genau planen, so gerne wir das alle wollen. Es wäre uns allen lieber, es wäre der Frau Staatssekretärin lieber, es wäre mir lieber, es wäre uns allen lieber, aber es ist nicht möglich.

Zum Inhalt des heutigen Beschlusses: Im Grunde genommen gibt es, wenn man Politik macht, mehrere Möglichkeiten, und keine davon ist perfekt. Man kann durchaus sagen, das hier ist so eine Geschichte, bei der es mehrere Möglichkeiten gibt, die super Lösung, die Ideallösung gibt es halt nicht. Es gibt die beste Lösung, die bessere Lö­sung als die anderen.

Was hätte man also machen können? – Man hätte komplett auf KonsumentIn­nen­schutz set­zen können: Alles ist sozusagen wieder zurückholbar – dann schicken wir die Ver­anstalter in die Pleite. Dann wäre es möglich gewesen, das andersrum zu machen – dann gibt es keinen KonsumentInnenschutz mehr. Es ist das wirklich die beste Lösung. Sie mag nicht ideal sein, aber sie ist mit Abstand die beste Lösung, weil man es damit schafft, dass einerseits die Veranstalterinnen und Veranstalter geschützt sind und andererseits trotzdem die KonsumentInnen und die Ticketbezieher sagen können: Ja, ich habe die Möglichkeit, auch später Konzerte, Theateraufführungen, Opernkonzerte, klassische Konzerte, Rockkonzerte oder was auch immer zu besuchen – und das halte ich für gut.

Uns wäre es auch lieber gewesen, wir könnten jetzt über das Regierungsprogramm diskutieren, wir könnten darüber diskutieren, wie wir die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern verbessern können. Derzeit sind wir noch in der Krise, jetzt müssen wir uns damit abfinden. Hoffen wir, dass wir demnächst wieder eine nor­male Kulturpolitik machen können. Bis dahin freue ich mich auf jeden Fall, dass wir das heute hier auch beschließen können, und danke auch für die konstruktiven Beiträge. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 182

0.29


Präsident Robert Seeber: Frau Staatssekretärin Mag.a Ulrike Lunacek hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


0.29.28

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Ulrike Lunacek: Herr Präsident! Werte Damen und Herren Bun­desrätinnen und Bundesräte und auch vielleicht doch noch so manche Zuschauenden vor den Fernsehschirmen! Diese Regelung – ich werde es kurz machen, sie wurde schon erklärt – ist eine, mit der tatsächlich eine faire Risikoverteilung stattfindet.

Es ist ja schon angesprochen worden: In dieser Krise mussten ganz viele Kunst- und Kultureinrichtungen zusperren, Veranstalter mussten Kunst-, Kultur- und Sportveran­staltungen absagen. Das bewegt ganz viele von uns. Ganz viele von uns wären gerne auf diese Veranstaltungen gegangen oder hätten vielleicht sogar gerne selbst teilge­nommen. Das geht momentan nicht! (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Was heißt das für die Veranstalter? Die müssten, wenn wir dieses Gesetz jetzt nicht ändern, allen, die es wollen – und das wird wohl die große Mehrheit sein –, die Kosten für die Tickets zurückerstatten. Was würde dann passieren? Würden das alle gleich­zeitig machen müssen, würden wahrscheinlich ganz viele dieser Veranstalter in mas­sive wirtschaftliche Bedrängnis kommen, viele sogar bis hin zur Insolvenz. Was würden dann die Konsumentinnen und Konsumenten machen? Einige würden vielleicht ein bissel was aus der Konkursmasse bekommen und ganz viele wahrscheinlich gar nichts.

Was ist daher die vielleicht nicht ideale, aber wohl beste Lösung, die wir zustande gebracht haben? Das ist die, die jetzt am Tisch liegt. Sie hilft einerseits den Konsu­mentinnen und Konsumenten, nämlich insofern, dass sie einen Gutschein bekommen, also den Wert erhalten, und wenn das Ticket sehr viel mehr gekostet hat, wird ein guter Teil zurückgezahlt, und für den Rest gibt es wieder einen Gutschein. Und sie hilft andererseits den Veranstaltern, denn sie können so weiterarbeiten und weiter bestehen.

Ich hoffe, dass das wirklich für so gut wie alle gelten wird – am besten für alle – und dass wir dann, wenn es wieder möglich sein wird, Kunst-, Kultur- und Sportver­anstal­tungen abzuhalten, sofort wieder die Veranstalter haben, die das organisieren und die Tickets verkaufen. Außerdem bringt es den Künstlerinnen und Künstlern auch etwas. Bei einer Insolvenz würden sie überhaupt nichts bekommen, auch keine Gagen, in Zukunft wird das zumindest wieder möglich sein. Auch die Vermieter von Locations, die keine Miete bekommen würden, haben etwas davon. Es ist also wirklich eine faire Risikoverteilung für alle, für die Konsumentinnen und Konsumentinnen und auch für die Veranstalter.

Lassen Sie mich in Richtung Sozialdemokratie sagen, dass ich mich sehr freue, dass Sie sich da doch einen Ruck gegeben haben und jetzt zustimmen. Ja, wir haben über die Idee nachgedacht, ob man nicht die jungen Leute da rausnehmen könnte, damit die den Gesamtbetrag zurückbekommen. Wie aber würde das dann konkret funktionieren? Stellen Sie sich vor, Eltern haben ihrem 16-jährigen Kind und der Freundin oder dem Freund Karten für ein tolles Konzert gekauft. Die Eltern haben die Karten gekauft und ihm zum Geburtstag geschenkt. Kriegen die Eltern jetzt das Geld zurück, weil das Geschenk eigentlich für das Kind ist, oder bekommen sie es nicht, weil ja sie – die Eltern – die Karten gekauft haben? Wir haben dann gefunden, wir wollen das jetzt lieber so durchbringen, bevor man dann vielleicht noch bürokratisch sehr schwer umsetzbare Regelungen findet. Wir haben aber darüber nachgedacht, es war eine Überlegung. Jedenfalls danke der Sozialdemokratie, dass Sie da jetzt zustimmen. Es freut mich auch persönlich sehr, dass das gelungen ist.

Ein Wort noch zum Schluss: Von mehreren wurde die Frage gestellt, wie es mit Unter­stützung für die vielen Sportvereine, Kunst- und Kulturvereine und auch für die vielen


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anderen Vereine, die wir in diesem Land haben, aussieht. Ich kann Ihnen sagen: Wir arbeiten daran, heute gab es eine Sitzung, in den nächsten Tagen gibt es wieder eine. Dadurch, dass es in Österreich so viele gemeinnützige Organisationen, Vereine, Stif­tungen, diverse andere – sei es im Sport, in Kunst und Kultur – gibt, soziale und entwicklungspolitische Organisationen, große und kleine, ist es schwierig, alle unter einen Hut zu bringen. Ich hoffe, dass das mehrere Hundert Millionen Euro sein werden, aber es dauert noch ein wenig, ich ersuche Sie und auch all jene, die Sie danach fragen, wann es das geben wird, um etwas Geduld. Ich bin aber zuversichtlich, dass uns da etwas Gutes gelingt, auch für all jene, die ehrenamtlich arbeiten, um das kulturelle und das sportliche Leben in diesem Land aufrechtzuerhalten. Vielen Dank und danke für die Zustimmung! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

0.34

00.34.21


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „dringliche Herstellung von Planbarkeit, Sicherheit und realitätsnahe Vorgaben für den heimischen Kunst- und Kulturbereich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (292/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (293/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Rettungsschirm für den Sport!“ vor. Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (294/E-BR/2020)

00.36.4517. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Erklärung der Repu­blik Österreich über die Annahme der Beitritte von Belarus, der Dominikanischen Republik, Ecuadors, von Honduras, der Ukraine und Usbekistans zum Über­ein­kommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (39 d.B. und 94 d.B. sowie 10308/BR d.B.)



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Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


0.37.19

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich erstatte Bericht über die Verhandlungen des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betref­fend „Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte von Belarus, der Dominikanischen Republik, Ecuadors, von Honduras, der Ukraine und Usbekistans zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentfüh­rung“.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stimmen­ein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Herr Staatssekretär Brunner, herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


0.38.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Lieber Freund Staatssekretär! Ich mache das jetzt sehr, sehr kurz, denn ich denke, allen ist klar, worum es geht. Es geht um das Haager Kindesentführungsübereinkommen aus dem Jahre 1980.

Vielleicht erinnern sich einige, Kollege Buchmann sicher, an den kleinen Oliver, der 2012 die Berichterstattung der österreichischen Medien beherrscht hat: der Vater ein Däne (Bundesrat Buchmann: Die Mutter eine Steirerin!), die Mutter eine Steirerin. Was ist passiert? – Nach dänischem Gesetz hat der Vater die Obsorge, nach öster­reichischem Recht die Mutter, der jeweilige Aufenthalt des Kindes wurde damit offiziell zu einer Kindesentführung.

Innerhalb der Europäischen Union haben wir das durch die Brüssel-IIa-Verordnung geklärt, nur das hätte dem kleinen Oliver nichts genützt, denn Dänemark ist dieser IIa-Verordnung nicht beigetreten. Das heißt, im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit ist dieses Problem in Europa, also im EU-Europa, nicht mehr existent. Es geht dabei eigentlich um das Kindeswohl, um grenzüberschreitende Obsorgestreitigkeiten.

100 Staaten sind beigetreten. Tritt eine solche Obsorgestreitigkeit ein – und binationale Ehen und Elternschaften werden ja immer mehr –, dann ist das Kind innerhalb von sechs Wochen in jenes Land zurückzuführen, in dem das Kind ursprünglich seinen Hauptwohnsitz hatte. Für Oliver wäre das Dänemark gewesen, denn die Steirerin war glücklich verliebt in Dänemark, das Kind kam in Dänemark zur Welt und lebte in der ersten Zeit in Dänemark – somit hätte Österreich beziehungsweise ein steirisches Pflegschaftsgericht gar nicht so vorgehen können.

Gott sei Dank tritt das immer mehr zurück. Nun kommen bei diesem Abkommen einige neue Staaten dazu, unter anderem die Ukraine, Belarus und die Dominikanische Re­publik. Ich betone diese drei, weil es viele Fälle binationaler Elternschaft gibt, die gera­de diese Länder betreffen. Beispielsweise gibt es allein in Deutschland über 33 ent­sprechende Verfahren zwischen deutschen und ukrainischen Vätern und Müttern.


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Es geht um das Kindeswohl, und es ist nur zu begrüßen, dass weitere Staaten dem Abkommen beitreten und bei allfälligen Obsorgestreitigkeiten Schluss ist mit Trauma­ti­sierungen wie jener des kleinen Oliver. Wenn ich an diese Geschichte denke: Er wurde ja aus Autos rausgezogen und im jeweils anderen Land eingesperrt. – Das sind haar­sträubende Dinge, das gibtʼs ja nicht! Bei aller elterlichen Liebe, man muss doch ver­nünftig bleiben! Dieses Übereinkommen hilft in solchen Fällen den beiden jeweils betroffenen Staaten, einen klaren Weg zu finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

0.41


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster ist Herr Bundesrat Spanring zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


00.42.03

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Staatssekretäre! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Red­nerpult, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hundert­euro­scheine abgebildet sind. – Bundesrat Schennach: Schon wieder der „1000er“!) – Ja, schon wieder der Tausender. – Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Liebe Nacht­schwärmer, die jetzt um dreiviertel eins noch dabei sind, vielleicht auch das eine oder andere aufgeweckte Kind!

Soweit ich das recht in Erinnerung habe, hatten wir im Oktober 2018 das Über­ein­kommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung auf der Tages­ordnung. Damals hat es Panama, Uruguay, Kolumbien und El Salvador betrof­fen, und ich kann mich noch an meinen Abschlusssatz in der Rede damals erinnern: „[...] ich hoffe, dass wir dieses Übereinkommen der Haager Konvention schon sehr bald wieder auf der Tagesordnung haben werden und noch viele weitere Länder ebendiesem beitreten, zum Wohle unserer und aller Kinder.“

Ein wenig hat es gedauert, aber jetzt, circa eineinhalb Jahre später, ist es wieder so weit. Das Besondere daran ist, dass diesmal neben den erwähnten Ländern Domini­kanische Republik, Ecuador, Honduras und Usbekistan zwei osteuropäische Länder diesem Übereinkommen beitreten, nämlich Belarus und Ukraine.

Da diese Beitritte gesetzesändernd und gesetzesergänzend wirken, müssen wir das auch hier im Plenum behandeln. Es ist, wie mein Vorredner, Bundesrat Schennach, gesagt hat, natürlich so, dass wir dieser Aufnahme weiterer Länder sehr gerne zustim­men werden, geht es doch um das Wohl der Schwächsten, nämlich unserer Kinder, jener, die sich oftmals selbst nicht schützen können und die deshalb unseren ganz besonderen Schutz verdienen.

Auch wenn es fast unglaublich erscheint, auch in Österreich gibt es im Schnitt jährlich circa 80 solcher Kindesentführungen. Die Bezeichnung Kindesentführung trifft es nicht ganz, denn in Wahrheit geht es natürlich vielmehr um ein Vorenthalten oder um das Entziehen eines Kindes; das heißt, Mutter oder Vater entziehen dem anderen Elternteil das Kind, und das über eine Staatsgrenze hinweg. Eine ganz besondere Aufmerk­sam­keit darf hier eben der Ukraine geschenkt werden, denn es leben circa 11 000 Ukrainer in Österreich und es gab auch in der Vergangenheit in Österreich schon mehrmals solche Fälle von Kindesentziehung, aber lediglich ein einziges Kind wurde bisher aus der Ukraine rückgeführt. Mit diesem Beitritt wird sich das hoffentlich ändern.

Worin liegt der große Vorteil dieses Übereinkommens? – Wenn Kinder in ein Land verschleppt werden, das diesem Übereinkommen beigetreten ist, können sich die Eltern, die die Rückführung bewirken wollen, an die zentralen Behörden vor Ort wen­den. Das wäre in Österreich das Justizministerium und in anderen Ländern eben das


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entsprechende Pendant. Es ist dann eine gewisse Gewähr dafür gegeben, dass die entsprechenden Behörden selbstständig im Sinne dieses Abkommens agieren und handeln und eben versuchen, das beste Ergebnis zu erzielen.

Meine Damen und Herren! Es ist schlimm genug für Kinder, wenn sich die Eltern trennen. Wenn die Kinder dann aber auch noch als Spielball oder als Druckmittel missbraucht werden, dann ist das verurteilenswürdig. Das ist genau so, als würde man mit den Ängsten der Menschen, zum Beispiel vor einer ansteckenden Krankheit, spie­len. Das macht man nicht, so etwas nutzt man ganz bewusst nicht aus! Leider gibt es immer wieder Menschen, die eben genau das machen – weshalb solche Abkommen notwendig sind –, warum auch immer, sei es aus einer Kurzschlussreaktion heraus oder weil eben diese Personen wirklich charakterlos handeln und mit der Angst der Menschen beziehungsweise des anderen Elternteiles spielen.

Kurz gesagt: Dieses Verhalten ist natürlich letztklassig. Hoffentlich werden Menschen, die so etwas machen, dann über kurz oder lang auch abgestraft. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

0.46

00.46.52


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

00.47.3418. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (38. KFG-Novelle) (161/A und 59 d.B. sowie 10317/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um den Bericht.


0.47.55

Berichterstatter Andreas Lackner: Wertes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Werter Herr Staatssekretär! Werte Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, 38. KFG-Novelle, 161/A und 59 der Beilagen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Raggl. Ich erteile es ihm.


00.49.06

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär, es freut mich, dass du uns wieder im Bundesrat besuchst,


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und dass du auf der Regierungsbank sitzt, freut mich umso mehr! Ich darf heute über die angesprochene KFG-Novelle sprechen, die ja eine ganz wesentliche Erleichterung im Einsatz für die österreichischen Feuerwehren bringen wird.

Die Feuerwehren werden nämlich ab Herbst 2020 durch die Eingabe des Kenn­zeichens eines verunfallten Fahrzeuges über ein Webservice Zugriff auf die fahrzeug­spezi­fischen Daten bekommen, und das ist in einer Zeit, in der in den Fahrzeugen ganz unterschiedliche Antriebsarten vorhanden sind, ein ganz wesentlicher Fortschritt. Die Feuerwehren haben so den Vorteil, dass sie sich schon bei der Anfahrt oder bei der Vorbereitung des Einsatzes genau darüber informieren können, welche Fahrzeugtype, welches Fahrzeug involviert ist. Je nach Fahrzeugtype und insbesondere Antriebsart – und da gibt es eben neben dem uns allen bekannten Diesel und Benzin heute auch Erdgas, wie wir alle wissen, bis hin zu Wasserstoff – sind ganz unterschiedliche Stra­tegien des Rettungseinsatzes abzuleiten. Da möchte man als Feuerwehr nichts falsch machen, und da spreche ich aus Erfahrung, denn ich darf schon – ich habe es gerade erst nachgerechnet – 36 Jahre Mitglied einer Feuerwehr sein.

Ziel ist es, den Verunfallten oder die Verunfallten möglichst schnell zu retten, Hilfe zu leisten, aber natürlich will man sich auch als Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau nicht selbst in Gefahr bringen. Umso wichtiger ist es, dass man sehr schnell einschreiten kann. Jede Sekunde zählt und jedes Menschenleben ist sehr, sehr wichtig, und mit dieser guten Vorbereitung kann man da jetzt sehr, sehr viel schneller einschreiten. Ich darf mich wirklich für die Initiative zu diesem für die Feuerwehren wichtigen Gesetz bedanken, das schon im Herbst umgesetzt werden wird.

Ich darf mich bei dieser Gelegenheit auch bei den 350 000 Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern in unserem Land bedanken – es passt, glaube ich, ganz gut, dass man das tut, auch wenn es schon sehr spät ist –, die in rund 5 000 Feuerwehren organisiert sind und für uns alle 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag und bei jeder Witterung im Einsatz sind. Insgesamt wickeln unsere Feuerwehren im Jahr rund 370 000 Einsätze ab, also eine ganz stolze Zahl, und das eigentlich kostenlos für die allgemeine Bevölkerung. Das ist eine Einrichtung, die nicht jedes Land hat, die aber in unserem nicht wegzudenken ist.

Die Corona- beziehungsweise Covid-Pandemie, damit ich das auch noch anspreche, stellt auch für die Feuerwehren eine große Herausforderung dar. Es sind wesentlich höhere Sicherheitsauflagen zu erfüllen, aber auch das wird von den Feuerwehren in der gewohnten Professionalität umgesetzt.

Zum Schluss darf ich mich noch einmal für die wesentliche Erleichterung für schwierige Einsätze bei Fahrzeugunfällen durch die KFG-Novelle bedanken. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

0.52


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Zaggl. Ich erteile es ihm.


0.53.04

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Da ich selbst aktives Mitglied einer Feuerwehr bin, möchte ich mich zuerst bei den vielen Kameradinnen und Kameraden in ganz Österreich für ihren tagtäglich uner­müdlichen Einsatz gerade auch jetzt in den letzten Wochen, in der Covid-19-Krisenzeit, bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Jegliche Unterstützung, um Erleichterungen bei diversen Einsätzen zu gewährleisten, ist zu 100 Prozent mitzutragen. Der Zugriff auf Fahrzeugdaten und die Kennzeichen-


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signatur ist im Einsatzfall oft sehr wichtig. In dieser Hinsicht wird selbstverständlich auf höchster technischer Ebene gearbeitet. Personenbezogene Daten stehen dem Nutzer natürlich nicht zur Verfügung. Beim Abrufen der Fahrzeugdaten werden im System Protokolle hinterlegt, eine Art Systemsignatur.

Stellen Sie sich vor, die Feuerwehr trifft bei einem Verkehrsunfall ein: Bei den heutigen Möglichkeiten an alternativen Treibstoffen ist nicht gleich ersichtlich, mit was das Fahrzeug betrieben wird. (Rufe bei der ÖVP: Womit?) Daraus ergibt sich schon die erste Problematik. Den Einsatzkräften ist nicht ersichtlich, ob zum Beispiel Gas aus­treten könnte – das wird erst durch ein Messgerät festgestellt – oder ob es sich um ein Fahrzeug mit sensiblen technischen Feinheiten handelt. Bei einigen Kraftfahrzeugen mit alternativem Antrieb sind die Kraftstoffbehälter nur mit dünnen Wänden ausge­stat­tet, und daher könnte es nicht nur zu einem Austritt, sondern bei anstehendem Brand zu einer unvorhergesehenen Explosion kommen.

Mit dem Datenzugriff können in wenigen Sekunden alle Besonderheiten des jeweiligen Fahrzeugmodells vor Ort erkannt und die richtigen Schritte gesetzt werden, um eine schnelle und sichere Bergung des Fahrzeugs wie auch der betroffenen Personen und vor allem auch den Schutz der Einsatzkräfte zu gewährleisten. Es ist von höchster Wichtigkeit, die Einsatzkräfte mit allen notwendigen Daten zu versorgen, um sie zu schützen, um ihnen ihre schwierige Arbeit bestmöglich zu erleichtern. Meine Fraktion und ich stehen zu 100 Prozent zu dieser Datenunterstützung der Feuerwehr.

Für die Feuerwehr könnte auch die finanziell problematische Situation der jeweiligen Gemeinde eine Gefährdung ihrer Einsätze darstellen, da sich jeder finanzielle Verlust auch auf gemeinnützige Organisationen auswirkt. Wie sieht es zum Beispiel aus, wenn ein TLF, also ein Tanklöschfahrzeug, wegen technischer Probleme beziehungsweise nach jahrelangem Einsatz ausgetauscht werden muss oder verschiedenste andere Anschaffungen notwendig sind? Dafür müssen unbedingt Lösungen gefunden werden. Und ganz wichtig: Die Gemeinden müssen schnellstmöglich finanzielle Unterstützung erhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

0.56


Vizepräsident Michael Wanner: Bundesrat Bernard ist als Nächster zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihm.


0.56.27

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates vom 22. April betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 in Form der 38. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert wird. Bevor ich zu den wichtigen Änderungen komme, möchte ich mich bei jedem Einzelnen, der unter Einsatz seines Lebens das Leben anderer rettet, auf das Herzlichste bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Wenn wir mit dieser Bundesratssitzung ein bisschen schneller gewesen wären, dann hätten wir die Erleichterung noch am Florianitag beschlossen – es geht mir da nicht um die Erleichterungen, sondern das ist der Feiertag, der Festtag der Feuerwehr­ein­richtungen, der in ganz Österreich gefeiert wird. Zelebriert wird er jedes Jahr am Sonn­tag vor beziehungsweise nach dem 4. Mai, welcher der Namenstag von Sankt Florian ist.

Es gibt in Österreich 4 490 freiwillige Wehren, sechs Berufswehren und 312 Betriebs­feuerwehren, die im Jahr 2019 unglaubliche 206 891 technische Einsätze und 17 933 sonstige Einsätze abgewickelt haben. Das Feuerwehrwesen wird größtenteils auf Basis von freiwilligen Feuerwehren organisiert, die ehrenamtlich von der ansässigen


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Bevölkerung gestellt werden. Im Jahr 2019 waren 339 179 Personen aktiv, zusätzlich verstärkt von 20 237 Jugendlichen, der sogenannten Feuerwehrjugend. Alle verantwor­tungsvollen Politiker sind heute aufgerufen, die Rahmenbedingungen für die Feuer­wehren so zu ändern, dass es unter Berücksichtigung der Sicherheit der Einsatzkräfte und der Geretteten so wenig Bürokratie wie möglich gibt.

Die heute zum Beschluss stehende Änderung des KFG bedeutet wie schon ange­sprochen eine Erleichterung für die Feuerwehren im Bereich der Bewilligung der Blau­lichtführung auf Kommando- und Mannschaftsfahrzeugen. Derzeit benötigen die Fahrzeuge für die Blaulichtführung eine Bewilligung, in Niederösterreich von der Landeshauptfrau, in den anderen Bundesländern vom Landeshauptmann. Der Haupt­punkt der neuen Regelung ist, dass Feuerwehren bei Verkehrsunfalleinsätzen auf eine Datenbank zugreifen können, in der technische Daten wie Marke, Type, Baujahr und – ganz wichtig – Motorisierungsart abgefragt werden können. Umgesetzt wird das über ein Webservice. Das erlaubt den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, die Lage schnell richtig einzuschätzen und vor allem auch mögliche Gefahrenquellen von vornherein zu berücksichtigen und schnell zu helfen. Das kann Menschenleben retten, denn die Beurteilung kann im Einzelfall sowie zeitgerecht erfolgen.

Das ist besonders wichtig bei Einsätzen, bei denen es zum Beispiel um batterie­elek­trische oder Wasserstoffautos geht, aber auch um andere Typen wie Erdgas und so weiter, damit man genau weiß, auf was man sich da einlässt und wie man sich vor­bereiten muss. Wichtig ist uns Freiheitlichen, dass keine persönlichen Daten versendet werden und somit der Datenschutz völlig gewahrt wird, mit dem erklärten Ziel: Das schützt unsere Leut’ und unsere Feuerwehren.

Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir, weil es mir wichtig ist, wie vorhin auch von mir beschrieben, dass ich noch ein paar Worte zur finanziellen Absicherung sage, die natürlich auch die Feuerwehren betrifft, die auf vielen freiwilligen, ehren­amtlichen Helfern aufbauen, die auch in den Gemeinden ihre Arbeitsstätten haben – viele Arbeitnehmer, Unternehmer und viele Landwirte.

Viele Feuerwehren in unserer schönen Heimat werden auch von vielen Landwirten unterstützt – zu den anderen Wirtschaftsbereichen spreche ich dann beim Tagesord­nungspunkt 23. Um sicherzustellen, dass die freiwilligen Feuerwehren auch unter der Woche einsatzfähig sind, ist es auch wichtig, dass wir, wie vorhin erwähnt, die Arbeitsplätze erhalten. Darum ist es auch wichtig, zum Beispiel den Kartoffelmarkt zu beobachten. Bedingt durch die Coronakrise gibt es momentan einen totalen Preis­verfall im Exportgeschäft. Momentan ist nur mehr ein Erzeugerpreis von 0,04 Euro pro Kilo möglich, um als Exporteur gegen die erdrückende Konkurrenz aus Nordwest­europa, aus Deutschland, Holland, Belgien, bestehen zu können.

Die Ursache: Wegen des Shutdowns stehen Gastronomie und Hotellerie still und das weltweit. Deutschland, Belgien und Holland haben sehr große Exportmärkte, zum Beispiel für Pommes Frites, nach Übersee, Zentralafrika, China, Südafrika, die jetzt nicht bedient werden können. Das bewirkt unverkäufliche Mengen, die definitiv billigst entsorgt werden müssen. All das steht uns in Österreich noch bevor. In Österreich werden es circa 50 000 Tonnen sein.

Bei der Zuckerrübe gibt es momentan massive Totalausfälle, da werden 1 000 Hektar wieder einmal durch den Kahlfraß des Rüsselkäfers aufgefressen. Auch beim Raps schaut es schlecht aus. Im Wein- und Waldviertel herrscht Trockenheit, es gab seit 50 Tagen keinen nennenswerten Niederschlag mehr, und im Waldviertel macht uns besonders der Borkenkäfer zu schaffen. (Unruhe im Saal.)


Vizepräsident Michael Wanner: Entschuldigung, darf ich ganz kurz unterbrechen! Der Rauschpegel und Geräuschpegel im Saal wird immer höher. (Allgemeine Heiterkeit. –


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Rufe bei der SPÖ: „Rauschpegel“?) Das ist dem Sprecher gegenüber nicht fair. Ich bitte um Disziplin auch in der letzten Stunde noch. – Danke.


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Uns Freiheitlichen war und wird es immer wichtig sein, unser wunderschönes Heimatland zum Wohle der Bevölkerung zu erhal­ten, und wir sehen das als unsere Aufgabe, auch als unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.

Zum Abschluss möchte ich noch festhalten, dass wir natürlich keinen Einspruch gegen den Beschluss der Änderungen des KFG erheben, der durch Anträge initiiert wurde, die die FPÖ im Nationalrat eingebracht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

1.03


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staats­sekre­tär Magnus Brunner. Ich erteile es ihm.


01.03.31

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Bundesräte! Nach der Vorstellung der Regierung damals im Jänner ist das der erste sozusagen aktive Part, den ich heute hier spielen darf. Dass das um 1 Uhr in der Nacht ist, hätte ich mir nicht gedacht; es ist halt so. Jedenfalls ist es für mich jedes Mal, wenn ich hier sein darf, wie ein Heimkommen, das muss ich dazusagen; vielen Dank daher für die nette Aufnahme und die nette Begrüßung, die ich hier erfahren darf. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Novelle: Inhaltlich wurde eigentlich von den drei Rednern bereits alles gesagt. Ich möchte das jetzt nicht künstlich verlängern, aber vielleicht zwei, drei Sätze sagen. Erstens einmal: Es war ein langes und ersehntes Anliegen der Feuerwehren, diese Novelle entsprechend umzusetzen. Es geht um Erleichterungen bei Einsätzen, das wurde bereits gesagt.

Ich glaube, die Inhalte wurden sehr gut dargestellt. Wichtig dabei ist, dass mit Hilfe dieser Kfz-Kennzeichen die Datensätze für die Feuerwehr in kürzester Zeit zur Ver­fügung gestellt werden. Das ist im Einsatz wichtig, das ist aber auch für die Sicherheit der Feuerwehrleute extrem wichtig.

Wir sind damit auch nicht allein in Europa. Es gibt ähnliche Regelungen in Schweden, in der Schweiz, in Holland, in England, das wurde also bereits vorgemacht. Ich glaube, dass das sehr, sehr sinnvoll ist. Es dient der Erleichterung, der Sicherheit der Feuer­wehrleute, wie auch schon gesagt wurde.

Da gilt, glaube ich, gerade in diesen schwierigen Zeiten ein großer Dank. Gerade im Hochwasserschutzbereich wurde wirklich Großartiges geleistet, und die Arbeit bei den Einsätzen geht ja für die Feuerwehr normal weiter, also auch da von unserer Seite ein großer Dank. Danke auch an euch, an Sie alle, für die breite Unterstützung heute bei dieser Novelle. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

1.05

01.05.40


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 191

01.06.13 19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Luftverkehrsabkom­men zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (15 d.B. und 57 d.B. sowie 10318/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Zusatzabkommen zwi­schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Partei, be­treffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (16 d.B. und 58 d.B. sowie 10319/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um den Bericht.


1.07.23

Berichterstatter Andreas Lackner: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April betreffend Luftverkehrsabkommen und Zusatzab­kom­men, so wie es der Herr Präsident eben geschildert hat.

Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor. 

Der Ausschuss für Verkehr hat am 4. Mai 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsident Michael Wanner: Und der zweite Bericht? – Sie sind Berichterstatter zu zwei Tagesordnungspunkten


Berichterstatter Andreas Lackner (fortsetzend): Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2020 betreffend Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.


01.09.30

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Das zu beschließende Abkommen regelt den Beitritt – übrigens


BundesratStenographisches Protokoll906. Sitzung, 906. Sitzung des Bundesrates am 4. Mai 2020 / Seite 192

auch die Austrittsmöglichkeiten – Norwegens und Islands zum bestehenden Luftver­kehrsabkommen – wir haben es gehört – zwischen den USA und der Europäischen Union, und das Zusatzabkommen enthält die Verfahrensregelungen, also wie man mit dem Abkommen selber umgeht.

Norwegen und Island wollen diesem Abkommen beitreten. Es gibt auch keinen Grund, ihnen das zu verweigern, deswegen wohl auch die einstimmige Zustimmung.

Es geht also nicht um das Abkommen selbst. Das ist eine wichtige Feststellung, denn das wäre mit Sicherheit Debatten wert, da es darin vor allem um uneingeschränkte Zugänge der Vertragspartner zu den jeweiligen Lufträumen, um Bestimmungen über Unternehmensbeteiligungen, Zollfreibestimmungen und solche Dinge geht.

Aus heutiger Sicht müsste so ein Abkommen wohl anders aussehen und viel stärker Aspekte des Klimaschutzes berücksichtigen, miteinbeziehen. Damit sind wir natürlich nahtlos bei einem aktuellen Thema. Die Flugbranche steckt in einer akuten Wirt­schaftskrise. In der unmittelbar durch Corona ausgelösten Situation blieben die meis­ten Flugzeuge international seit Wochen am Boden. Allerdings gab es auch schon vorher massive Verwerfungen, vor allem durch extreme Zunahme und ein sehr aggres­sives Auftreten von sogenannten Billigfluggesellschaften. So ist es auch für die AUA nicht die erste Krise, auch für die Swiss zum Beispiel nicht und auch für viele andere Traditionsfluggesellschaften nicht.

Der Flugverkehr ist – und das ist ja auch nicht wirklich neu – vor allem aus Sicht des Klimaschutzes hoch problematisch. Er ist ein wichtiger Verursacher der Erderhitzung, und was verschärfend hinzukommt, ist, dass die Klimagifte in großen Höhen direkt in die Atmosphäre entlassen werden. Da hat es in den letzten Jahren halt wirklich sehr viele Fehlentwicklungen gegeben, insbesondere haben die Kurzstreckenflüge, getrieben durch die Billiganbieter, massiv zugenommen.

Vom Flughafen Wien aus, zum Beispiel, sind mehr als ein Drittel aller Flüge solche über Strecken innerhalb von 800 Kilometern. Da vor allem beim Start besonders viel an Treibstoff verbraucht wird, bringen Kurzstreckenflüge eine überproportional hohe Klimabelastung mit sich.

Es hat nicht nur klimapolitisch, sondern auch sozialpolitisch einen ruinösen Wett­bewerb gegeben, und den gibt es immer noch – wir werden sehen, wie das weiter­geht –; man sieht das etwa an den miserablen Bedingungen, unter denen das Personal von Ryanair, dem größten Billigfluganbieter – dieser sei nur als Beispiel herausge­griffen –, arbeiten muss. Da wird also nicht nur auf Kosten der Umwelt billig geflogen, sondern auch auf Kosten des Personals. Deswegen muss auch eine Debatte über Staatshilfen, wie sie ja aktuell für die AUA stattfindet – wenn man Klimaschutzziele ernst nimmt, und das tun wir mit Sicherheit –, unabdingbar klimapolitische, soziale und strukturelle Fragen in so eine Vereinbarung mit hereinholen, weil die Krise nicht auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen werden darf und das Unternehmen Weichen in Richtung eines klimafreundlichen Betriebes stellen muss.

Das hat auch unsere Ministerin mehrfach klar betont. Damit ist völlig klar: Auch die Flug­gesellschaften haben einen verbindlichen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emis­sionen zu leisten – hoffentlich bei der AUA anders als bei der Lufthansa, bei der es keine Bedingungen gibt. Entsprechende Maßnahmen sind in einem Paket, in einem eventuellen Hilfspaket zu verankern.

Bis jetzt ist es ja umgekehrt. Bis jetzt genießt der Flugverkehr ein ganzes Package an Privilegien. Es sei an die Steuerfreiheit des Treibstoffs erinnert, ebenso an die Steuer­freiheit – das wissen viele nicht – von Tickets. Flugtickets sind mehrwertsteuerbefreit, sofern eine Grenze überflogen wird, was ja meistens der Fall ist, in Österreich sowieso.


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Im Vergleich dazu zahlen Sie aber bei der Bahn sehr wohl Mehrwertsteuer, wenn Sie eine Fahrkarte kaufen.

Was also jetzt geschehen muss, das sind ganz generelle strukturelle Veränderungen, nicht nur Kosmetik. Diese Veränderungen sind jetzt einzuleiten, Mobilität ist zu sichern und deutlich klimafreundlicher abzuwickeln. Das heißt auch: Das kann man nicht mit der AUA alleine machen, da ist der Flughafen Wien auf jeden Fall in eine Lösung miteinzubeziehen, weil ein Teil der AUA-Krise eben genau dadurch bedingt ist. Sie ist bedingt durch eine, sagen wir einmal, sehr hinterfragenswürdige Ansiedelungs- und Expansionspolitik des Flughafens.

Ein Ziel ist es daher und muss es sein – und ist es übrigens auch in den Verhand­lungen –, die Kurzstrecke massiv zu reduzieren. Jetzt ist auch eine Gelegenheit, diese Krise zu nutzen und sie zum Anlass zu nehmen, um den Bahnausbau wirklich massiv voranzutreiben, die Zugverbindungen zwischen den europäischen Zentren zu verbessern. Das geht nicht von heute auf morgen, das ist klar, das braucht viele Jahre. Jetzt aber ist die Gelegenheit da, die Verkehrspolitik in eine andere Richtung zu bringen. Wenn man das jetzt nicht macht, wird es wohl auf lange Zeit keine Chance mehr geben, da wirklich etwas Neues zu tun.

Darum gilt es, die Krise der Luftfahrt jetzt für eine ökologische und soziale Neu­orien­tierung zu nutzen, und wir hoffen, dass diese Übung gelingen möge. Mit Ihrer Hilfe, Herr Staatssekretär, werden wir eine gute Lösung finden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

1.15


Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile es ihm.


1.15.51

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir diskutieren heute eine Regierungsvorlage betreffend ein Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten von Amerika, Island und Norwegen.

Mein Vorredner hat viele Themenbereiche angeschnitten, und dennoch darf ich deut­lich unterstreichen: Viele Herausforderungen haben sich in den letzten Wochen voll­ständig verändert. Tausende Flugzeuge stehen still. Die Flugzeuge parken auf Lande­bahnen auf den Flughäfen rund um den Erdball. Rund um den Globus ist die Flugver­kehrswirtschaft so massiv von den Folgen von Covid-19 betroffen, dass viele Akteure ohne staatliche Hilfe nicht überleben können. Weltweit gibt es daher Verhandlungen zwischen Nationalstaaten und Airlines über Staatshilfen in Form von Kreditgarantien, Steuerstundungen, Zuschüssen und Staatsbeteiligungen.

Der Luftverkehr, die Luftfahrt wird sich verändern und sich anpassen müssen. Wir wissen, dies ist eine Belastung, es ist aber auch eine Chance für ein Umdenken im europäischen Luftverkehr, vor allem im Flugverkehr weltweit. Mir persönlich ist die Sicherung von Arbeitsplätzen bei der AUA und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich besonders wichtig. Es wird ein Balanceakt. Verantwortungsvoller Umgang mit dem Steuergeld ist gefragt. Ich bin vom Verhandlungsgeschick von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Kogler und Staatssekretär Magnus Brunner überzeugt. Es wird ganz bestimmt eine Zeit nach Corona geben. Es müssen alle Vorbereitungen dafür getroffen werden, dass es auch in Zukunft einen einwandfreien und barrierefreien Flugverkehr gibt.

Die Luftverkehrsbranche ist in der Krise. Die aktuellen Diskussionen – Reisefreiheit, Sommertourismus – zeigen, dass eine Rückkehr zur Normalisierung im Reiseverkehr


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kurzfristig nicht wirklich zu erwarten ist. Ein großes Ziel muss es sein, den Luftver­kehrsstandort Österreich nachhaltig zu sichern, den Flughafen Wien als wichtiges Drehkreuz in Europa zu sichern. Die AUA bietet als einzige Fluglinie Direktverbindun­gen von Österreich in die USA an. Von insgesamt 46 osteuropäischen Destinationen werden 30 ab Wien bedient.

Festzuhalten ist auch: Ohne Zubringerflüge kann ein Hubflughafen wie Wien nicht betrieben werden. Ohne nach Wien fliegende Kurzstreckenpassagiere kann es keine Langstreckennetzflüge geben. Ohne dementsprechende Verbindungen und Netzwerke Richtung Osteuropa, ohne Anschlussflüge würde es für über 350 Betriebe, die mit Osteuropa wirtschaften und da 20 000 Menschen beschäftigen, schwierig werden. Es geht darum, dass wir langfristig mit Osteuropa Wirtschaftsbeziehungen pflegen und auch Betriebe in unserem Staat halten. Hierbei geht es konkret um Arbeitsplätze.

Insgesamt werden von der AUA rund 130 Destinationen weltweit angeflogen, zwölf davon sind Langstreckendestinationen. Der Marktanteil der AUA ab Wien nach Osteuropa beträgt rund 60 Prozent, das sind 3,3 Millionen Passagiere. Ziel muss es sein, das Passagiervolumen ab dem Jahr 2023 wieder auf das Niveau von vor der Krise zu heben. Dies wären rund 14 Millionen Austrian-Passagiere am Flughafen Wien. Davon profitiert die Wirtschaft, davon profitiert der Tourismus. Dies ist gut für den Wirtschaftsstandort Österreich, das ist wichtig für die Sicherung von Arbeitsplätzen in unserem Land! Das ist wichtig für die fleißigen Menschen.

Dieses Thema hat auch Staatssekretär Magnus Brunner dezidiert aufgezeigt. Die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Luftfahrt entlang der gesamten Wertschöpfungs­kette hat eine hohe Priorität. Die heimische Luftfahrt im weitesten Sinne sichert mehr als 55 000 Arbeitsplätze. Es gibt dazu eine dementsprechende Studie vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung.

Wie bereits gesagt, es geht um den Bereich Tourismus, die Reisebürobranche und die gesamte Reisebranche. An der Luftfahrt hängen aus dieser Perspektive gesehen laut Flughafen Wien rund 90 000 Arbeitsplätze in ganz Österreich. Aufgrund dieser Faktenlage erachte ich die Debatte über dieses Abkommen und Zusatzabkommen sowie deren Beschlussfassung als notwendig.

Bundespräsident Van der Bellen hat es mehrfach auf den Punkt gebracht und gesagt: Wir sind derzeit alle miteinander mit einer großen Herausforderung konfrontiert. „Be­halten wir unseren Mut und unsere Zuversicht!“ „Jetzt ist nicht die Zeit für Wahlkampf­reden“. „Mutig in die neuen Zeiten“. „So sind wir.“ Die aktuellste Botschaft ist, dass wir die Chancen in der Krise ergreifen, die Arbeitslosigkeit überwinden und die Wende zurück zu nachhaltiger Wirtschaft schaffen. Das darf ich dezidiert unterstreichen. Ich sehe das auch so. Das betrifft auf der einen Seite den Arbeits- und Sozialstandort, aber auch die Zielsetzung, den Luftverkehr in Zukunft nachhaltiger, anders, auch öko­logischer und somit umweltverträglicher auszurichten.

Wir brauchen aber nicht nur einen guten Flughafen und entsprechende Airlines, es geht auch darum, dass wir die Wertschöpfung in Richtung Bahn transferieren. Ich darf hier die Bahnverbindung Linz–Wien dezidiert erwähnen, das ist ein Vorzeigebeispiel.

Einen ähnlichen Bahnausbau in Richtung Osten fordert der Flughafen Wien. Ich darf dies auch festhalten, da mir das Thema Bahn persönlich sehr am Herzen liegt. Es geht da auch um die Schlagworte wie Steirische Ostbahn, Bahnverbindung Jennersdorf–Graz, Flughafen Graz und Containerumschlag; auch da sehe ich Chancen für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Ich lade alle ein: Arbeiten wir gemeinsam für Österreich und gehen wir gemeinsam mutig in die neuen Zeiten, denn es geht um Steuerentlastungen für arbeitende Men-


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schen, es geht um die Entlastung der Wirtschaft und es geht um Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Regionalisierung. (Beifall bei der ÖVP.)

1.22


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile es ihm.


1.22.18

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen im Bundesrat! Österreich ist ein Binnenland, und Österreich braucht Tourismus, braucht den öffentlichen Verkehr, braucht die ÖBB und braucht die Luftfahrt. Was brauchen wir bei der Luftfahrt auch? – Wir brauchen den Einfluss, damit die Luftfahrt weiterhin in Österreich bleibt, damit Wien das Drehkreuz und der Wiener Flughafen ein internationaler Hub bleibt.

Wir warnen davor, dass Wertlosgarantien abgegeben werden. Mit Wertlosgarantien meine ich Folgendes: Wenn man jetzt vielleicht Geld in die Hand nimmt und die Fluglinie mit 767 Millionen Euro unterstützt – wie ich jetzt gelesen habe –, muss man auch darüber nachdenken, wie das wirklich ausschaut. Kann die Lufthansa in zwei, drei Jahren irgendwann einmal sagen: Wir lassen die AUA einfach in Konkurs gehen!, und wir haben nichts davon? Deshalb müssen wir auch davor warnen und sagen, dass das nicht so einfach geht.

Die AUA hat über 7 000 Beschäftigte und bewirkt eine direkte Wertschöpfung von 730 Millionen Euro im Jahr. In der Luftfahrtindustrie sind 225 Unternehmen in der Umgebung tätig, und diese haben ein Umsatzvolumen von circa 2,2 Milliarden Euro. Deshalb müssen wir uns als Staat Österreich dort den Einfluss sichern. Was meine ich damit? – Österreich braucht keine Beteiligung bei der AUA, sondern eine Beteiligung bei der Lufthansa, bei der Mutter der AUA. Wenn wir nämlich nur bei der AUA eine Beteiligung haben, schauen wir vielleicht irgendwann einmal durch die Finger, wenn sie irgendwann in Konkurs geschickt wird, wenn es ganz, ganz schlecht läuft.

Warum sage ich das? – Wir brauchen auch eine Standortgarantie für die Beschäf­tigten, und die Hubs müssen auch in Österreich bedient werden, zumindest alle an­deren Regionalflughäfen müssen auch bei uns bedient werden.

Zum deutschen Modell: Da wird überlegt, mit 25 Prozent und einer Aktie bei der Luft­hansa einzusteigen – ich glaube, mit 9 Milliarden Euro. Wir als kleines Land Österreich sollten uns überlegen, ob wir nicht mit Deutschland einen Syndikatsvertrag machen und sagen: Okay, wir sind mit dabei, wir sind mit 25 Prozent der Aktien plus einer Aktie dabei, damit wir die Sperrminorität haben, damit wir auch bei dem Unternehmen mitreden können und damit sie unsere AUA nicht so leicht in Konkurs schicken können! (Bundesrat Schennach: Von dem spätere ... profitieren können!) Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass auch in Zukunft gewährleistet ist, dass die AUA auch bei uns fliegt.

Auch die Vorredner haben es schon gesagt: Es gibt statt zwölf nur mehr neun Lang­strecken, statt 72 nur mehr 50 Kurzstrecken. Stellen Sie sich einmal vor – ich komme aus der Steiermark –: Wenn wir in der Steiermark von Graz aus nicht nach Stuttgart, nach Düsseldorf und sonst irgendwo hinfliegen würden – tagtäglich fliegen 200 Men­schen hin und her –, könnten wir unseren Autocluster zusperren! Deshalb ist das ganz, ganz wichtig; aber wenn wir etwas machen, wenn wir Staatshilfe geben, dann sollten wir auch etwas davon haben und dann sollten wir es auch auf lange Zeit absichern. – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

1.25



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Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm.


1.25.57

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreiche­rinnen und Österreicher! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der vor rot-weiß-rotem Hintergrund in weißer Schrift „Allianz gegen Coronawahnsinn.at – Jetzt reicht’s!“ zu lesen ist und drei Coronaviren abgebildet sind.) Gerade in Zeiten dieses Coronawahnsinns, in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen, von Einschränkungen der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, in Zeiten, in denen eine schwarz-grüne Bundes­regierung von der totalen Überwachung mittels App, mittels Schlüsselanhänger, mittels fußfesselähnlichen Überwachungsmöglichkeiten träumt, erscheint es ja nahezu unwirklich, dass wir uns hier mit dem internationalen Flugverkehr beschäftigen.

Die Frage ist auch, was noch alles kommt, bis wir den Luftverkehr wieder unein­ge­schränkt und in gewohnter Form verwenden können. Was fällt der Bundesregierung noch alles ein? – Die Verwendung der Coronaapp hat ja die Beraterin Ihres Sonnen­königs bereits angesprochen, anscheinend ist es ihr herausgerutscht (Bundesrat Schennach: Na, das war Absicht!), die Medien haben es bereits geschrieben. Oder war es auch Absicht, wie Sie das gerade gesagt haben? Was kommt noch? Zwangs­impfungen, sobald ein Impfstoff gefunden ist? Was lässt sich diese Bundesregierung noch alles einfallen, bis wir Österreicher den internationalen Luftverkehr wieder in gewohnter Form nutzen können?

Der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister träumen von der totalen Isolation der Österreicher. Die Medien tragen ihren Teil dazu bei, um die Menschen in diesem Land in Furcht und Unruhe zu versetzen. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Medien dieses Land und die Menschen in diesem Land in Furcht und Unruhe versetzt. Das geht nicht zuletzt aus einem Protokoll hervor, laut dem sich der Bundeskanzler wünscht, dass die Menschen in diesem Land Angst vor einer Ansteckung haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Ängsten spielt man nicht! Wir haben hier für die Sicherheit in diesem Land zu sorgen und unseren Bürgern die Ängste zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Geh bitte! – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung hat den Christen ihr Osterfest genommen. Im christlichen Abendland konnten Familien nicht mehr in gewohnter Weise Ostern feiern. Ich kann Ihnen auch den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie über Ostern hinweg schlicht und ergreifend Unwahrheiten verbreitet haben. (Bundesrat Bader: Zur Sache!) Erst nach dem Osterfest, zu Beginn des Ramadan sind diese Unwahrheiten – Missverständnisse, wie Sie es nennen – aufgeklärt worden, und somit können die nächtlichen Zusam­menkünfte im Rahmen des Fastenbrechens im Ramadan wieder ungehindert statt­finden. (Bundesrat Seeber: Zur Sache!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das die neue Normalität ist, von der Sie immer sprechen, dann wünsche ich mir aber wirklich eine Rückkehr zur normalen Normalität in diesem Land. (Rufe bei der ÖVP: Zur Sache!) Ich glaube, das haben sich unsere Bürger inzwischen verdient.

Bei der Rückkehr zu dieser normalen Normalität spielt auch der internationale Luft­verkehr eine wesentliche Rolle, denn gerade in Zeiten dieses Coronawahnsinns haben sich auch die Herausforderungen für den Luftverkehr verändert. Staatshilfen dürfen nicht die Grundlage dafür sein, im Bereich des Luftverkehrs unverändert so weiter­machen zu können wie bisher.


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Wir brauchen unser Steuergeld in vielen anderen Bereichen. Wir haben dringenden Investitionsbedarf im Bereich der Wirtschaft, des Gesundheitswesens, des Bildungs­wesens, der Exekutive, des Bundesheeres und, ja, auch in den Bereichen der Kunst und Kultur und des Sports.

Ihre Ticketverlängerungsaktionen – oder wie auch immer Sie das jetzt nennen mögen –, die können nicht der große Wurf im Bereich der Kunst- und Kultur- und Sportver­anstaltungen sein. Auch da wünsche ich mir ein umfangreiches Unterstützungspaket von der Bundesregierung und nicht eine Placebolösung wie jene mit Ihren Verlängerungen von Tickets und Gültigkeitsdauern. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Der Luftverkehr verbindet unser Land mit der restlichen Welt. Viele Urlauber nützen den Luftverkehr, um in den wohlverdienten Urlaub zu kommen. Viele Urlauber nützen den Luftverkehr aber auch, um in Österreich Urlaub zu machen. Ich denke, das ist ein wesentlicher Beitrag zum Tourismus in unserem Land. Einen wesentlichen Beitrag leisten aber auch die Kultur- und Sportveranstaltungen. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ja, auch zu diesen Veranstaltungen kommen sie zum Teil mit dem Flugzeug, daher ist es wesentlich, dass wir die Teilnehmer und Zuseher auch international mit den Flugzeugen befördern können. Das Luftverkehrsabkommen zwischen den Ver­einigten Staaten von Amerika, der Europäischen Union, Island und dem Königreich Norwegen ist deshalb von wesentlicher Bedeutung, um die Qualität und das Angebot für Flugpassagiere bestmöglich sicherstellen zu können.

Bleiben Sie wachsam! Lassen Sie sich nicht entgegen bestehenden Rechtsnormen verunsichern und bleiben Sie gesund! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei SPÖ und ÖVP – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Bundesrates Leinfellner –: Tafel! – Bundesrat Bader: ... anderer Tagesordnungspunkt! – Bundesrat Schennach: Ich kenn’ mich jetzt nimmer aus, thematisch!)

1.31


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staats­sek­retär Magnus Brunner. Ich erteile es ihm.


01.31.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Liebe Damen und Herren Bundesräte! Ich darf von Ostern über Ramadan wieder zum Thema Luftfahrt kommen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.) Zum eigentlichen Thema des Luftverkehrsabkommens ist, denke ich, nicht mehr viel hinzuzufügen. Wir können in dieser Krisensituation eigentlich nur hoffen, dass es solche Luftverkehrsabkommen in Zukunft wieder brauchen wird. Das ist eigentlich die Hoffnung, die diesen offiziellen Tagesordnungspunkt begleitet.

Klar und wenig überraschend war aber, dass das Thema AUA heute zur Sprache kommt. Vielleicht darf ich hier ein paar Gedanken, die wir in den letzten Wochen gewälzt haben und in den nächsten Tagen natürlich auch noch wälzen werden, mit Ihnen teilen. Viele gute Ideen oder, zum Teil, gut gemeinte Ideen wurden hier heute auch schon präsentiert.

Ich glaube, die Bedeutung des Sektors ist jedem klar; das wurde auch von allen Red­nern zu diesem Tagesordnungspunkt deutlich gemacht. Jetzt geht es, glaube ich, zuerst einmal darum – da sind wir dran, das wurde in den letzten Tagen bereits gemacht –, die Istsituation zu analysieren, die Voraussetzungen für die Instrumente, die Sie alle gemeinsam mit der Bundesregierung geschaffen haben, von den Experten prüfen zu lassen. Da geht es ja nicht nur um die AUA, da geht es auch um viele andere Unter-


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nehmen, Luftfahrtunternehmen, die hier in Österreich ihren Sitz haben und viele Arbeitsplätze bieten. Nach der Prüfung durch die Experten wird man der Politik Lösungsvorschläge vorlegen, Handlungsoptionen aufzeigen, die wir dann als Politik entsprechend zu bewerten haben.

Wir verfolgen natürlich auch dieses Mal die Prämisse, dass die Aussage, die schon getätigt worden ist, „koste es, was es wolle“, in diesem Bereich vielleicht nicht ganz zutrifft; das muss man auch offen sagen, das wurde heute auch schon erwähnt: Geht es um die AUA, und dadurch natürlich auch um den deutschen Konzern Lufthansa, muss man gut aufpassen und darf natürlich nur dann unterstützen, wenn der Standort Österreich entsprechend gesichert wird. Ich glaube, das ist eine der Voraussetzungen bei jeder Art von Hilfe und Unterstützung, die wir diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei diesen Überlegungen und Verhandlungen, die wir momentan führen, hat natürlich –das wurde auch bereits angesprochen – das Thema Nachhaltigkeit einen sehr hohen Stellenwert. Das werden wir selbstverständlich auch in die Verhandlungen einfließen lassen. Das betrifft auf der einen Seite die Arbeits- und Sozialstandards, natürlich aber auch die Frage, wie wir den Luftverkehr in Zukunft ökologischer gestalten können, wie wir ihn umweltfreundlicher gestalten können. Selbstverständlich werden das auch Prämissen in den Verhandlungen sein.

Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet. Ich sage das ganz bewusst und dezidiert: Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, die hier diskutiert werden. Klar ist natürlich, dass wir ein Maximum für den Standort Österreich, für die Österreicherinnen und Öster­reicher rausholen möchten. Das wird uns hoffentlich gelingen. Welcher Weg dafür der richtige ist, das werden wir am Ende des Tages zu bewerten haben, das wird sich in den kommenden Tagen natürlich zeigen. Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir vor allem bei diesem Thema alle an einem Strang ziehen werden, weil es doch um eine wichtige Branche, um ein wichtiges Unternehmen geht. Es wurde bereits gesagt, es geht um wirklich viele wichtige Themen: Es geht um Arbeitsplätze, den Wirtschafts­standort insgesamt, um die Langstreckendestinationen, um den Hub.

Wichtig, glaube ich, ist, dass wir alle Optionen prüfen, uns nicht schon im Vorfeld auf eine Option oder auf eine Lösungsmöglichkeit festlegen, sondern uns wirklich genau anschauen, was für den Standort Österreich, was für die Arbeitsplätze das Beste ist. Ich hoffe, wenn es dann zu einer Entscheidung gekommen ist oder wenn die Entschei­dung reif ist, auf eure und Ihre Unterstützung. (Beifall be