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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

907. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 4. Juni 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

907. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 4. Juni 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 4. Juni 2020: 9.05 – 22.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung einer neuen Staatssekretärin

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (20. COVID-19-Gesetz)

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2020

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteu­ergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz)

6. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2020

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Biozidproduktegesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren durch ionisierende Strahlung (Strahlenschutzgesetz 2020 – StrSchG 2020)

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, In­novation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2020 auf der Grundlage des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2019/2020 und des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2020 EU-Jahresvorschau 2020

10. Punkt: 42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2018)

11. Punkt: 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019)

12. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“

13. Punkt: Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 2

14. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für inter­nationale Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung über den Amtssitz des Fonds

15. Punkt: Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965

16. Punkt: Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Kommunika­tion (ECO) Den Haag, den 23. Juni 1993, geändert in Kopenhagen am 9. April 2002 und in Kopenhagen am 23. November 2011

17. Punkt: Protokoll zur Änderung des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen

18. Punkt: Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Be­schlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus

19. Punkt: Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen EU-LAK-Stiftung

20. Punkt: Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegen­heiten über das EU-Arbeitsprogramm 2020

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Einkommensteuergesetz 1988, das Kommunalsteuerge­setz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert werden

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsge­setz geändert wird

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2020 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2020 und des kroatischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2020 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes

24. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2020

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Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des Bundesrates Dr. Gerhard Leitner   15

Mitteilung der Kärntner Landtagsdirektion betreffend Ableben des Bundesrates Dr. Gerhard Leitner und Nachrückung des Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................... 51

Angelobung der Bundesrätin Nicole Riepl .................................................................. 15

Schlussansprache des Präsidenten Robert Seeber ................................................. 16

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 3

Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen und Fahrzeugregisterdaten durch den Bundespräsidenten             ............................................................................................................................... 47

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader und Marco Schreuder, dem Finanzaus­schuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Be­trugsbekämpfung, das Alkoholsteuergesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Digitalsteuergesetz 2020, das Einkom­mensteuergesetz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Normverbrauchs­abgabegesetz, das Punzierungsgesetz 2000, das Zollrechts-Durchführungsge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ge­ändert werden (2. Finanz-Organisationsreformgesetz – 2. FORG) (110 d.B. und 173 d.B.)“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 8. Juni 2020 zu setzen – Ab­lehnung ...............................................  52, 227

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 53

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader und Marco Schreuder gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR, über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – An­nahme ...............................  52, 52

RednerInnen:

Korinna Schumann ...............................................................................................  53, 57

Karl Bader ..................................................................................................................... 54

Monika Mühlwerth .................................................................................................  55, 57

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 56

Marco Schreuder .......................................................................................................... 56

Sonja Zwazl ............................................................................................................  58, 59

Stefan Schennach ........................................................................................................ 58

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader und Marco Schreuder, dem Finanzaus­schuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauar­beiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfer­tigungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz ge­ändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020) (71 d.B. und 175 d.B.)“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 8. Juni 2020 zu setzen – Ablehnung ................................................................................  60, 227

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader und Marco Schreuder, dem Finanzaus­schuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe geändert wird (21. COVID-19-Gesetz) (538/A und 185 d.B.)“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 8. Juni 2020 zu setzen – Ablehnung              60, 227

24. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2020 ........................................................................................................... 225

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 15


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 4

Ordnungsrufe ........................................................................................................  56, 192

Aktuelle Stunde (76.)

Thema: „Lockerungen und Öffnungen in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport in der Coronakrise“ ................................................................................................................. 19

RednerInnen:

Marco Schreuder .......................................................................................................... 19

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 21

Korinna Schumann ...................................................................................................... 23

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 27

Vizekanzler Mag. Werner Kogler .........................................................................  30, 40

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 35

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................. 36

Michael Wanner ............................................................................................................ 37

Markus Leinfellner ........................................................................................................ 39

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Amtsenthebung von Staatssekretärin Mag. Ulrike Lunacek bei gleichzeitiger Ernennung von Mag. Andrea Mayer zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsfüh­rung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport durch den Bundespräsidenten ................ 46

Nationalrat

Beharrungsbeschlüsse ................................................................................................... 42

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 52

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  41, 228

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung einer neuen Staatssekretärin ................................................................ 60

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 60

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ................................................................................ 61

Verlangen auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 37 Abs. 5 GO-BR ............ 61

RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 62

Wolfgang Beer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 64

Mag. Christian Buchmann (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 65

Eva Prischl .................................................................................................................... 65

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...................................................................................... 67

Marco Schreuder .......................................................................................................... 69

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ......................................................................... 71

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kulturland Österreich“ – Ablehnung ...............................................................................................................  66, 74


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 5

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organi­sationen Unterstützungsfonds erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (20. COVID-19-Gesetz) (536/A und 186 d.B. sowie 10325/BR d.B. und 10328/BR d.B.) ..................... 74

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 74

RednerInnen:

Josef Ofner .................................................................................................................... 75

Marco Schreuder .......................................................................................................... 77

Christoph Steiner ......................................................................................................... 78

Klara Neurauter ............................................................................................................ 80

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 81

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ................................................................................ 83

Ing. Eduard Köck .......................................................................................................... 87

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit der COVID-19-Maskenpflicht in Tourismusbe­trieben, der Gastronomie und Aufhebung der Sperrstunden-Schikane“ – Ableh­nung ....................................................................  79, 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 88

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2020 (III-707-BR/2020 d.B. sowie 10329/BR d.B.) ................ 89

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 89

RednerInnen:

Marco Schreuder .......................................................................................................... 89

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 90

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 92

Thomas Dim .................................................................................................................. 94

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ......................................................................... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-707-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................................... 97

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (528/A und 194 d.B. sowie 10346/BR d.B.)      97

Berichterstatterin: Dipl. Ing. Andrea Holzner ............................................................... 98

RednerInnen:

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................... 98

Horst Schachner ........................................................................................................... 99

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 102

Andreas Lackner ........................................................................................................ 104

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 105

Rudolf Kaske .............................................................................................................. 107

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 110

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................. 111

Christoph Steiner ....................................................................................................... 111

Rudolf Kaske (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 111


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 6

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 112

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS“ – Annahme (297/E-BR/2020) ..............................................................................................................................  104, 112

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäfti­gungsförderung“ – Annahme (301/E-BR/2020) ..............................................................................................................................  109, 112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 112

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (537/A und 184 d.B. sowie 10338/BR d.B.)     112

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 112

RednerInnen:

Ingo Appé .................................................................................................................... 113

Elisabeth Mattersberger ............................................................................................ 115

Andrea Kahofer .......................................................................................................... 117

Mag. Reinhard Pisec, BA MA .................................................................................... 118

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 122

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Beherbergungsbetriebe und Hotels“ – Ab­lehnung ....  115, 123

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“ – Ablehnung .................................................  121, 123

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Amnestie für ,Corona-Sünder‘“ – Annahme (298/E-BR/2020) ........  121, 123

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 123

6. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvor­schau 2020 (III-710-BR/2020 d.B. sowie 10339/BR d.B.) ............................................................................ 124

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger .............................................................. 124

RednerInnen:

MMag. Dr. Michael Schilchegger .............................................................................. 124

Otto Auer ..................................................................................................................... 127

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 128

Andreas Lackner ........................................................................................................ 130

Wolfgang Beer ......................................................................................................... ... 131

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ – Annahme (299/E-BR/2020)  133, 133

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-710-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 133


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 7

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Biozidproduktegesetz geändert wird (113 d.B. und 161 d.B. sowie 10343/BR d.B.)           133

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 133

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 134

Johanna Miesenberger .............................................................................................. 135

Günther Novak ............................................................................................................ 136

Josef Ofner .................................................................................................................. 138

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 139

Martin Preineder (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 140

Günther Novak (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 140

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bun­desgesetz über Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren durch ionisierende Strah­lung (Strahlenschutzgesetz 2020 – StrSchG 2020) (114 d.B. und 162 d.B. sowie 10344/BR d.B.) ............................................................. 140

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 140

RednerInnen:

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 141

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 143

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 144

Thomas Schererbauer ............................................................................................... 145

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 146

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Schutz für Schwangere und Jugendliche vor Strah­lenbelastung am Arbeitsplatz“ – Annahme (300/E-BR/2020) .................................................................................................  142, 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 147

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobili­tät, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2020 auf der Grund­lage des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2019/2020 und des Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2020 EU-Jahresvorschau 2020
(III-714-BR/2020 d.B. sowie 10345/BR d.B.) ............................................................... 147

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 147

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................... 148

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 152

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 154

Günther Novak ............................................................................................................ 155

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 158

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-714-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 159

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 8

10. Punkt: 42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2018) (III-683-BR/2019 d.B. sowie 10340/BR d.B.) .................................................................................................. 159

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................... 159

11. Punkt: 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III-716-BR/2020 d.B. sowie 10341/BR d.B.) .................................................................................................. 159

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................... 159

RednerInnen:

Klara Neurauter .......................................................................................................... 160

Günter Kovacs ............................................................................................................ 161

Mag. Bernd Saurer ..................................................................................................... 164

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 165

Ernest Schwindsackl ................................................................................................. 168

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 171

Volksanwalt Werner Amon, MBA ............................................................................. 172

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz .......................................................................... 175

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ......................................................................... 177

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, den Bericht III-683-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................................... 179

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, den Bericht III-716-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................................... 179

12. Punkt: Sonderbericht der Volksanwaltschaft „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“ (III-697-BR/2019 d.B. sowie 10342/BR d.B.)                                                   180

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................... 180

RednerInnen:

Heike Eder, BSc MBA ................................................................................................ 180

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 181

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 183

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 186

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 187

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 189

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz .......................................................................... 189

Stefan Schennach ...................................................................................................... 190

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 191

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Lohn- und Sozialversicherungspflicht statt Taschen­geld in Behindertenwerkstätten“ – Annahme (302/E-BR/2020) ................................................................................  186, 193

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-697-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 192

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Uni­on und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits (4 d.B. und 77 d.B. sowie 10330/BR d.B.)                                                                                                                                          193


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 9

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ................................................................ 194

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für internationale Ent­wicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung über den Amtssitz des Fonds (5 d.B. und 78 d.B. sowie 10331/BR d.B.) .................................. 193

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ................................................................ 194

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Übereinkom­men über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Aus­land in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (6 d.B. und 79 d.B. so­wie 10332/BR d.B.) .......................... 193

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ................................................................ 194

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Übereinkom­men zur Gründung des Europäischen Büros für Kommunikation (ECO) Den Haag, den 23. Juni 1993, geändert in Kopenhagen am 9. April 2002 und in Kopenhagen am 23. November 2011 (7 d.B. und 80 d.B. sowie 10333/BR d.B.) ............................................................................................................. 193

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 195

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Protokoll zur Änderung des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verur­teilter Personen (22 d.B. und 81 d.B. sowie 10334/BR d.B.) .................................................................................................. 193

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 195

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Übereinkom­men des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Ein­ziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus (23 d.B. und 82 d.B. sowie 10335/BR d.B.)          193

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 195

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend Übereinkom­men zur Errichtung der Internationalen EU-LAK-Stiftung (38 d.B. und 83 d.B. sowie 10336/BR d.B.) ..... 194

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 195

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 195

Stefan Schennach ...................................................................................................... 196

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 198

Otto Auer ..................................................................................................................... 200

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 200

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ........................................... 201

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


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vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ..... 203

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ..... 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ..... 203

20. Punkt: Bericht des Bundesministers für europäische und internationale An­gelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2020 (III-702-BR/2020 d.B. sowie 10337/BR d.B.) .................. 204

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ................................................ 205

RednerInnen:

Christoph Steiner ....................................................................................................... 205

Martin Preineder ......................................................................................................... 207

Elisabeth Grimling ...................................................................................................... 209

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-702-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 211

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Einkommensteuergesetz 1988, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert werden (480/A und 171 d.B. sowie 10326/BR d.B. und 10347/BR d.B.) ............................................................................................................. 211

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 211

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (200/A und 172 d.B. sowie 10327/BR d.B. und 10348/BR d.B.) ............................................................................. 211

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 211

RednerInnen:

Andreas Lackner ........................................................................................................ 212

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................... 212

Günter Kovacs ............................................................................................................ 213

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 214

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 215


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 11

Günter Kovacs (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 215

Stefan Zaggl ................................................................................................................ 216

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 216

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausfallshaftung des Bundes für die Krankenversicherung“ – Annahme (303/E-BR/2020)              214, 217

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 217

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 217

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2020 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2020 und des kroatischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2020 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes (III-708-BR/2020 d.B. sowie 10349/BR d.B.) .................... 217

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 218

RednerInnen:

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................... 218

Heike Eder, BSc MBA ................................................................................................ 220

Stefan Schennach ...................................................................................................... 221

Bundesministerin Rudolf Anschober ...................................................................... 222

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-708-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 225

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der deutschsprachigen Volks­gruppe in Slowenien (276/A(E)-BR/2020)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in der Steiermark (3765/J-BR/2020)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Steuerbegünstigungen für REWE-Konzern (3766/J-BR/2020)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in Niederösterreich (3767/J-BR/2020)

Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Abwicklung des Härtefallfonds zum Covid-19 Gesetz (3768/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in Tirol (3769/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 12

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend notwendige Maßnahmen für Sportvereine (3770/J-BR/2020)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Schächten in Österreich (3771/J-BR/2020)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend notwendige Maßnahmen für die Unterstützung der österreichischen Land- und Forstwirte (3772/J-BR/2020)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgrund potenzieller Misshandlungen in einem steirischen Pflegeheim (3773/J-BR/2020)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Umfassende Aufarbei­tung des Corona Krisenmanagements, um für allfällige 2. Welle vorbereitet zu sein (3774/J-BR/2020)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schächten in Österreich (3465/AB-BR/2020 zu 3756/J-BR/2020)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend gehäufte Aufgriffe von Flüchtlingen in Niederöster­reich (3466/AB-BR/2020 zu 3738/J-BR/2020)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Schächten in Österreich (3467/AB-BR/2020 zu 3757/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Ob­servations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3468/AB-BR/2020 zu 3741/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Be­merkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3469/AB-BR/2020 zu 3754/J-BR/2020)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Verein­ten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3470/AB-BR/2020 zu 3751/J-BR/2020)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 13

Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the com­bined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komi­tees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3471/AB-BR/2020 zu 3755/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Con­cluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Öster­reichs) (3472/AB-BR/2020 zu 3747/J-BR/2020)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Con­cluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Öster­reichs) (3473/AB-BR/2020 zu 3745/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gedenken anlässlich des Inkrafttretens des Vertrages von Saint-Germain (3474/AB-BR/2020 zu 3740/J-BR/2020)

der Bundesministerin für EU und Verfassung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Obser­vations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3475/AB-BR/2020 zu 3748/J-BR/2020)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3476/AB-BR/2020 zu 3752/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gru­ber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Com­mittee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3477/AB-BR/2020 zu 3753/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Frauen und Integration auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Obser­vations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3478/AB-BR/2020 zu 3750/J-BR/2020)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des


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Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbe­richt Österreichs) (3479/AB-BR/2020 zu 3749/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbe­richt Österreichs) (3480/AB-BR/2020 zu 3743/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Ab­schließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3481/AB-BR/2020 zu 3742/J-BR/2020)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Observations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Ab­schließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3482/AB-BR/2020 zu 3746/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Concluding Obser­vations of the Committee on the Rights of the Children on the combined fifth and sixth periodic reports of Austria (Abschließende Bemerkungen des Komitees für Kinderrechte der Vereinten Nationen zum fünften und sechsten Staatenbericht Österreichs) (3483/AB-BR/2020 zu 3744/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend möglicher Überflug einer Antonov am 21. März 2020 (3484/AB-BR/2020 zu 3759/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mar­kus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend möglicher Überflug einer Antonov am 21. März 2020 (3485/AB-BR/2020 zu 3758/J-BR/2020)


 


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09.05.08Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Robert Seeber, Vizepräsident Michael Wanner, Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

09.05.09*****


Präsident Robert Seeber: Meine Damen und Herren, ich eröffne die 907. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 906. Sitzung des Bundesrates vom 4. Mai 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als geneh­migt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Domi­nik Reisinger.

Ich darf unseren Vizekanzler Mag. Werner Kogler und Frau Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.05.49Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des Bundesrates Dr. Gerhard Leitner


Präsident Robert Seeber: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Nachricht über das Ableben unseres Mitglieds des Bundesrates Dr. Gerhard Leitner hat uns zutiefst betroffen gemacht.

Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates ist ein über alle Fraktionsgrenzen hinweg äußerst geachte­ter und verdienstvoller Parlamentarier von uns gegangen, der sich mit vollem Engage­ment für die Menschen seines Bundeslandes eingesetzt hat und an den wir uns stets gerne in ehrendem Andenken und mit großem Respekt erinnern werden.

Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gelten in dieser Stunde vor allem seiner Fa­milie.

Der österreichische Bundesrat dankt – der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie nun ersuchen, sich zum Gedenken an Herrn Bundesrat Dr. Gerhard Leitner von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer. – Am Platz von Bundesrat Leitner steht ein Foto des Verstorbenen mit Trauerflor und liegt ein Strauß weißer Rosen.) – Ich danke Ihnen für das Zeichen Ihrer Trauer. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.07.13Angelobung


Präsident Robert Seeber: Eingelangt ist eine Mitteilung der Kärntner Landtagsdirektion betreffend Ableben von Bundesrat Dr. Gerhard Leitner und Nachrückung von dessen Ersatzmitglied Nicole Riepl.

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Ver­lesung der Gelöbnisformel.


9.07.50


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 16

Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Ich verlese die Gelöbnisformel für Mit­glieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Ös­terreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Geset­ze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrätin Nicole Riepl leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Robert Seeber: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herz­lich in unserer Mitte.

09.09.25Schlussansprache des Präsidenten


Präsident Robert Seeber: Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Vier Wochen dauert die Präsidentschaft Oberösterreichs in der Länderkam­mer noch an, der parlamentarische Ablauf will es aber, dass ich heute schon meine Ab­schlussrede halte. Das ist gerade in Zeiten der Coronakrise nicht einfach, weil sich ja in den nächsten Wochen noch einiges ändern kann.

Meine Präsidentschaft, sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates, stand zu­nächst unter dem Motto „Masterplan ländlicher Raum“ mit dem Themenschwerpunkt Wirtschaft. Dazu sollte unter anderem eine parlamentarische Enquete abgehalten wer­den, und auch der „Bundesrat im Bundesland“ wäre unter diesem Zeichen gestanden.

Das oberösterreichische Halbjahr hat mit der Fahnenhissung – wir erinnern uns noch gut daran – vor dem Parlament begonnen, dem Besuch von Landeshauptmann Thomas Stelzer und vieler Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher beim Oberösterreich-Abend im Dachfoyer. Es hat alles, wie wir uns gut erinnern, hervorragend begonnen.

Landeshauptmann Thomas Stelzer hat im Bundesrat über den Föderalismus und über die Verantwortungsübernahme und das Gestalten vor Ort gesprochen. Ich darf mich auch an dieser Stelle sehr herzlich bei ihm dafür bedanken, dass er und auch der Ober­österreichische Landtag mir das Vertrauen geschenkt haben.

In der ersten Bundesratssitzung, in der ich dann den Vorsitz führte – wir erinnern uns –, erfolgte die Regierungserklärung der neuen Bundesregierung, und die Schienen für ein gutes Halbjahr waren gelegt.

Ich bin im Parlament mit Martin Selmayr, dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, zusammengetroffen. Mit Nationalratspräsident Wolfgang So­botka habe ich dann Martin Selmayr gemeinsam mit EU-Kommissar Johannes Hahn anlässlich der Veranstaltung zur 25-jährigen EU-Mitgliedschaft Österreichs im Haus der EU getroffen.

Mit dem Nationalratspräsidenten konnte ich in der Wiener Börse beziehungsweise auch im Parlament der Opfer des Holocausts gedenken, und wir haben an die Ausschaltung des Parlaments im Jahre 1933 erinnert.

Auch die Gespräche mit dem Senatspräsidenten Usbekistans, dem japanischen Bot­schafter und der Botschafterin Sloweniens würden Business as usual im Bundesrat ver­muten lassen, aber – wir sind ja noch mittendrin – ab März dieses Jahres war plötzlich


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 17

alles anders: Nun lag der Schwerpunkt meiner Präsidentschaft im Krisenmanagement gegen die Coronapandemie. Ich kann an dieser Stelle mit Überzeugung sagen, dass diese Präsidentschaft mit keiner anderen in der 100‑jährigen Geschichte des Bundes­rates vergleichbar ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

Am 12. März, wir erinnern uns, informierte Bundeskanzler Sebastian Kurz den Bundesrat über die ersten getroffenen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie. Erstmals wurden Desinfektionsspender zum gründlichen Händereinigen im Parlament aufgestellt – von Mund- und Nasenschutz war noch keine Rede. Wir alle haben uns da­mals voller Sorge gefragt: Was wird denn da auf uns zukommen? Und in Sondersitzun­gen des Bundesrates – eine davon fand an einem Sonntag zwei Stunden nach dem Na­tionalratsplenum statt – wurden dann die Maßnahmenpakete zur Bekämpfung der Coro­nakrise diskutiert und einstimmig verabschiedet. Die Mitarbeiter des Hohen Hauses und der Klubs wurden in das Homeoffice geschickt.

Wir alle erinnern uns zudem noch an die Plenarsitzung – es ist ja noch nicht lange her –, die erst um 3 Uhr – in der Früh, hätte ich bald gesagt – in der Nacht beendet wurde. Zumindest für die derzeit anwesenden Mandatare war auch das ein Novum.

Für uns Bundesräte waren diese zweieinhalb Monate außergewöhnlich und besonders herausfordernd – das gilt auch für mich als Bundesratspräsidenten –, aber Österreich hat die gesundheitliche Krise mit einer im internationalen Vergleich sehr geringen Todes­rate sehr gut gemeistert. Das ist einerseits der Regierung und der Opposition sowie dem raschen Handeln von uns Mandataren zu verdanken. Es ist – und das darf ich auch an dieser Stelle sagen – aber vor allem den Österreicherinnen und Österreichern zu dan­ken, die mit großer Disziplin die einschränkenden Maßnahmen vorbildlich mitgetragen haben. Mein Dank gilt an dieser Stelle der österreichischen Bevölkerung, die sich so beherrscht an die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gehalten hat, sodass wir heute unter jenen Ländern in Europa sind, in denen die Ansteckungszahlen am niedrigs­ten sind, und Österreich zu jenen Ländern gehört, die nun am schnellsten wieder hoch­fahren können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

In vielen Berufen haben jene Menschen einen großartigen Job gemacht, die bisher kaum im öffentlichen Interesse gestanden sind, und auch diesen Menschen darf ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen.

Bei aller Kritik an bestimmten Maßnahmen, die geäußert werden soll und muss – es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie, dass auch eine Regierung kritisiert wird –, sollten wir aber auch daran denken, dass es derzeit, ich habe es erwähnt, kaum ein Land gibt, mit dem wir in der aktuellen Situation tauschen wollen.

In wirtschaftlicher Hinsicht stehen wir nun vor einer sehr großen Herausforderung. Vielen Branchen hat die Pandemie schweren Schaden zugefügt, das gilt insbesondere für den Tourismussektor und die Gastronomie, die mir – auch das darf ich hier sagen – ganz besonders am Herzen liegen, aber natürlich auch für den Handel, die exportorientierte Wirtschaft und deren Beschäftigte.

Ich selbst habe alle meine vier Gastronomiebetriebe geschlossen, und jetzt bemühe ich mich – wie Tausende andere Gastronomen in diesem Land –, diese möglichst gut aus der Krise zu führen.

Wir sind dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer guten Ausgangsposi­tion, auch deshalb, weil die jetzige Krise nicht mit der Situation nach dem Zweiten Welt­krieg zu vergleichen ist – auch das möchte ich hier an dieser Stelle einmal sagen –, denn wir haben heute in Österreich politische Stabilität, eine funktionierende Infrastruktur und wir sind ein fester Teil der Staatengemeinschaft.

Das, was wir jetzt brauchen, ist Optimismus, vor allem für den wirtschaftlichen Wieder­aufbau. Da heißt es, die Ärmel hochkrempeln und nach vorne schauen!


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Natürlich dürfen wir hier niemanden zurücklassen, der unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist. Wir müssen Unternehmerinnen und Unternehmern genauso wie den Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern Zuversicht geben und ihnen auch Mut zum Weiterma­chen beziehungsweise für einen Restart beziehungsweise Neuanfang machen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir als politische Verantwortungsträger nicht im tagespoli­tischen Hickhack untergehen, sondern uns vor Augen halten, dass wir alle hier große Verantwortung dafür tragen, dass die Österreicherinnen und Österreicher eines Tages sagen können: Unsere Politiker haben uns ganz gut durch diese Krise gebracht, und wir sind stolz darauf, hier in diesem Land, in Österreich, zu leben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin als Gastronom sehr viel unter den Menschen und weiß daher, dass die Österreicherinnen und Österreicher gegenseitiges Schlechtmachen, um politisches Kleingeld zu wechseln, gerade in schwierigen Zeiten nicht besonders schätzen.

Ich übergebe den Vorsitz in der Länderkammer trotz der gegebenen Umstände mit gro­ßer Dankbarkeit dafür, dass ich mit Ihnen hier herinnen einen wichtigen Beitrag für die Zukunft gestalten und leisten konnte. Ich selbst – wer mich kennt, weiß, ich bin ein sehr positiv denkender Mensch, sowohl als Gastronom als auch als Bundesratspräsident – blicke auf diese Präsidentschaft nicht mit Frust über das, was ich leider nicht machen konnte oder was nicht stattfinden konnte, sondern blicke wirklich mit Freude auf das zurück, was wir alle hier gemeinsam erreicht haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich darf an dieser Stelle auch sagen, dass für mich – und das ist für mich besonders bereichernd – neue Bekanntschaften und neue Freundschaften auch parteiübergreifend entstanden sind; und das wird auch über meine Präsidentschaft hin andauern.

Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern der Bundesratskanzlei bedanken, die in den letzten Wochen Besonderes geleis­tet haben. Eine Bundesratssitzung vorzubereiten, die in kürzester Zeit nach einem Na­tionalratsplenum stattfindet, erfordert – das wissen wir alle – viel Erfahrung, Sorgfalt und auch große Motivation. Der Bundesratsdienst hat unter der Leitung von Direktorin Su­sanne Bachmann diese Aufgabe bestens gemeistert. Dafür darf ich mich bei dir, liebe Susi, und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Mitarbeitern des Hohen Hauses, der Klubs sowie bei deiner Stellvertreterin Alice Alsch-Harant und im ganz Besonderen auch bei meiner Assistentin Paula Jenner und meinem Pressesprecher Thomas Neu­hauser bedanken, die mich so verlässlich durch diese Präsidentschaft begleitet haben. Liebe Susi, stellvertretend spreche ich dir meinen herzlichen Dank aus. (Allgemeiner Beifall.)

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei den Fraktionsvorsitzenden dieses Hauses – danke für die gute Zusammenarbeit!

Meiner Nachfolgerin, dir, Andrea Eder-Gitschthaler, wünsche ich viel Erfolg für die Präsi­dentschaft Salzburgs. Die Weiterführung des Themas „Masterplan ländlicher Raum“, das mein Vorgänger, du, lieber Karl Bader, mit großer Weitsicht begonnen hat, liegt nun unter dem Schwerpunkt Kultur in deinen Händen. Ich wünsche dir, dass dein Vorsitz möglichst wenig von Corona beeinflusst wird und dass du die geplanten Veranstaltungen auch wie geplant durchführen kannst. In diesem Sinne, liebe Andrea, alles Gute für dei­nen Vorsitz! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Meine Präsidentschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren – und damit möchte ich zum Schluss kommen –, war ein spannender und bereichernder Lebensabschnitt, auf den ich gerne zurückblicken werde. Ich freue mich auch auf das, was die Zukunft noch bringen wird, aber freuen wir uns alle gemeinsam – und das sage ich als Touris­tiker – auf den heurigen Sommer in Österreich und genießen wir die Vielfalt der Touris­musregionen, mit großartiger Natur, Kunst, Kultur, mit Abenteuer und Erholung, und vor


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allem mit ihren herzlichen und gastfreundlichen Menschen. – In diesem Sinne alles Gute für Sie und für unser Österreich, und vielen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

09.21.09Aktuelle Stunde


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit Herrn Vizekanz­ler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler zum Thema:

„Lockerungen und Öffnungen in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport in der Coronakrise“

Wir dürfen Sie noch einmal sehr herzlich begrüßen.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner pro Fraktion zu Wort, dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Vizekanzlers und Bundesministers, die eben­falls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner der Fraktionen mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Vizekanzlers und Bundesministers erfolgen, die nach Möglich­keit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort. Ich erteile es ihm und ma­che darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.22.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Erlauben Sie mir zu Beginn, mich für Ihre Präsidentschaft zu bedanken. Als in Oberösterreich Auf­gewachsener habe ich natürlich – obwohl ich Wiener Bundesrat bin – immer auch noch ein kleines Stück meines Herzens in Bad Ischl, und somit auch in Oberösterreich.

Ich möchte an dieser Stelle im Namen der grünen Fraktion auch der sozialdemokrati­schen Fraktion mein Beileid für den Verlust unseres wirklich sehr geschätzten Kollegen aussprechen, den wir sehr, sehr vermissen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Lockerungen – das ist ein verlockendes Wort – in Zeiten einer Pande­mie, das ist natürlich keine so einfache Aufgabe und keine so flockige Sache, die man so aus dem Ärmel schüttelt. Das ist eine Entscheidung, die man mit Augenmaß treffen muss, die man immer auch begleitend treffen muss und die man immer wieder auch mit einem Blick auf die Zahlen treffen muss, denn eine Priorität muss immer im Zentrum jeder Lockerung stehen – und das tut diese Bundesregierung –: Das ist die genaue Be­obachtung der Zahlen und das Verhindern einer zweiten Welle. Das ist das Wichtigste, das ist Priorität Nummer eins.

Wir können allerdings durchaus optimistisch sein, die Zahlen, von denen wir jetzt täglich lesen, lassen uns alle, lassen die zukünftige Präsidentin hoffen, dass Veranstaltungen im Parlament durchgeführt werden können, denn wir alle haben Round Tables, Enque­ten, Diskussionsrunden geplant, die bislang nicht in dieser Form stattfinden konnten.

Allerdings haben wir auch alle festgestellt, dass Digitales gut funktioniert, und überra­schend gut funktioniert. Das ist auch etwas, was mir in der Kulturszene besonders auf­gefallen ist. Natürlich sind – ich sage es einmal so – Wutvideos oder Wutreden – die ich auch nachvollziehen kann, denn, wie der Präsident gesagt hat, ist auch Kritik in einer Demokratie wichtig – die am meisten beachteten Dinge. Allerdings möchte ich auch da­rauf hinweisen, dass gerade in Zeiten des Lockdowns unglaublich spannende Kultur


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stattgefunden hat, weil eben die Kultur genau der Ort ist, weil Künstlerinnen und Künstler genau diejenigen sind, die so ein Weltereignis auch sehr gut reflektieren und unserer Gesellschaft auch Denkimpulse geben können, intellektuelle oder auch sinnliche Impul­se geben können, was diese Coronakrise für uns alle bedeutet.

Ich denke da zum Beispiel – das fand ich eine super Sache – an die „Standard“-Bühne, gestern mit derWooster Group, eine ganz tolle Sache. Ich denke an Festivals, die ins Netz gegangen sind, wie die Diagonale. Ich habe mir einige Filme zu Hause auf der Couch angeschaut, unter anderem beispielsweise auch den Film „Die Dohnal“, den man sich mit einer Eintrittskarte ins Kino dann zu Hause anschauen konnte und damit Teil eines Festivals war. Das war eine sehr spannende Sache. Es gab unzählige Homekon­zerte von Künstlerinnen und Künstlern. Ich möchte hier auch die Digitalangebote der öffentlichen Bibliotheken wie der Büchereien Wien hervorheben, die ganz viele E-Books, Hörbücher, Medien und Filme auch online anbieten, ein Angebot, das von den Menschen auch tatsächlich angenommen worden ist.

Sehr spannend habe ich die Museen gefunden, die gesagt haben, wenn die Menschen nicht zu uns kommen können, dann gehen wir zu den Menschen. Ich möchte ein Mu­seum besonders erwähnen, und zwar das Belvedere. Da habe ich mich jeden Tag um 15 Uhr gefreut – muss ich ehrlich gestehen –, wenn in einem Livestream ein anderes Kunstwerk präsentiert worden ist, mit einer Leidenschaft und mit einer Lust, dass man dort wirklich wieder hingehen möchte. (Bundesrat Steiner: Das nützt alles nichts, wenn nichts reinkommt!)

Das ist etwas, was wir wirklich unterstützen möchten. Daran sieht man auch, wie wichtig Kultur für unser Leben geworden ist. Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Das Paradies pflegt sich erst dann als Paradies zu erkennen zu geben, wenn wir aus ihm vertrieben sind.“ – Wenn man Kultur nicht wahrnehmen kann, dann fehlt uns Menschen etwas, wenn wir nicht in Konzerte gehen können, wenn wir nicht Veranstaltungen besuchen können. Jetzt gibt es wieder Lockerungen, jetzt können Proben wieder stattfinden, und das halte ich für eine ganz wichtige Sache. Im künstlerischen Prozess sind wir es ge­wohnt, immer das Endergebnis zu sehen, ich als ehemaliger Max-Reinhardt-Seminarist kann aber nur betonen, wie wichtig das Proben für das künstlerische Entwickeln von Theaterprojekten ist.

Vom regen Interesse an den Museen, das wir jetzt sehen, nachdem wieder geöffnet worden ist, konnte ich mir selbst ein Bild im Kunsthistorischen Museum machen, wo die Leute mit Pay as you wish – selber entscheiden, wie viel sie zahlen wollen – die Museen jetzt wieder genießen können. Genießt es, geht in die Museen, es gibt jetzt so eine ein­zigartige Möglichkeit, die Museen in einem ganz besonderen Ausmaß zu frequentieren! Schaut euch die Albertina Modern an oder schaut euch die Ausstellung – da ja Ober­österreich jetzt noch die Präsidentschaft hat – Josef Bauer im Lentos Kunstmuseum Linz an, ein Chronist von Demonstrationen, die genau jetzt in der Black-Lives-Matter-Bewe­gung eine ganz interessante Widerspiegelung dessen ist, was Demonstrationskultur be­deutet.

Und auch Theater kann wieder stattfinden: Schauen Sie sich im TheaterArche „Hikiko­mori“ an, ein Stück, das genau die jetzige Zeit sehr gut reflektiert, in dem es um soziale Isolation geht, in dem es um eine Person geht, die sich von der Welt sozial abkapselt. Das ist wahrscheinlich eine ganz spannende Sache.

Was bedeutet diese Öffnung jetzt? Was bedeutet es, dass wir jetzt wieder Museen, Theater, Kabaretts und so weiter besuchen können? Wir haben seit dem 29. Mai wieder die Möglichkeit, dass 100 Personen Kultureinrichtungen wie Theater besuchen können. Das ist eine wunderbare Sache, wobei natürlich unter den gegebenen Umständen ein Schutz vor Ansteckungen gegeben sein muss. Danach wird es schrittweise zu weiteren


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Öffnungen kommen, und hier wird natürlich unterschieden – das ist ja auch wissen­schaftlich begründet – zwischen Veranstaltungen, die in Räumen, und Veranstaltungen, die außerhalb von Räumen stattfinden, also indoor und outdoor.

Wir sind ja vor dem Sommer, es finden bald sehr viele Outdoorveranstaltungen statt, Theaterfestivals, Musikfestivals. Da wird es ab 1. Juli möglich sein, für 250 Personen Indoorveranstaltungen stattfinden zu lassen, ab 1. August für 500 Personen. Wenn man ein Präventionskonzept vorlegt, wie man Menschen auch tatsächlich schützen kann, sind auch mehr Besucherinnen und Besucher möglich und die zuständigen Behörden in den jeweiligen Bundesländern können dann dafür sorgen, dass diese Veranstaltungen auch genehmigt werden.

Outdoor sind dann ab 1. Juli 2020 Veranstaltungen bis maximal 500 Personen möglich und bis maximal 750 Personen ab 1. August. Auch hier – das ist etwas, was für uns im Bundesrat wichtig ist – können die Bundesländer dann Genehmigungen erteilen, sobald Veranstalterinnen und Veranstalter ein Konzept für Covid-19-Präventionsmaßnahmen vorlegen können. So ist auch ein reges kulturelles Leben nicht nur in Wien, sondern auch in den anderen Bundesländern möglich – und das ist uns besonders wichtig –, also über­all, wo Kultur passiert.

Wir wissen alle – ich weiß nicht, ob Sie zum Beispiel die Podcasts des Virologen Drosten verfolgen –, dass leider große Veranstaltungen, die indoor passieren, wie etwa religiöse Zusammenkünfte oder auch Restaurantbesuche tatsächlich eine große Gefahr darstel­len. Aerosole ist ein Wort, das uns allen vor dieser Epidemie vielleicht noch nicht so bekannt war, das wir jetzt aber alle gut kennen. Daher sind genau diese Vorsichtsmaß­nahmen im Indoorbereich so enorm wichtig und daher ist es auch so wichtig, dass wir Kultur stattfinden lassen können, aber mit allem Schutz, der notwendig ist, gerade damit Kultur stattfinden kann. Und ich bin sehr froh, dass sie wieder stattfinden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

9.31


Präsident Robert Seeber: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler zu Wort. Ich erteile ihr dieses.


9.32.03

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuhörer, von wo auch immer Sie diese Bundesratssitzung mitverfolgen! Leider ist heute der ORF nicht da, muss ich jetzt kurz erwähnen. (Bundesrat Rösch: Kurzarbeit!)

Zuerst einmal, lieber Robert, ein herzliches Dankeschön für deine engagierte Präsident­schaft. Ich weiß, du hast dir sehr, sehr viel vorgenommen, du wärst für mich der prädes­tinierte Gastgeber – als der Gastwirt und Restaurantbesitzer in Linz – gewesen, wir hät­ten uns auf sehr viele Veranstaltungen mit dir gefreut. Das war leider nicht der Fall, aber du hast es großartig gemeistert, du wirst sicher als der Präsident mit den meisten Sitzun­gen und Sondersitzungen und auch als Krisenmanager in die Geschichte eingehen. – Vielen, vielen Dank für deine engagierte Präsidentschaft! (Allgemeiner Beifall.)

Auch mich hat das Ableben von Gerhard Leitner tief getroffen und auch ich möchte der sozialdemokratischen Fraktion meine Anteilnahme aussprechen, denn Gerhard Leitner und ich hatten auch über die Parteigrenzen hinaus Kontakt durch den Seniorenbund, durch unser Engagement für die Seniorinnen und Senioren im Land. Wir haben uns auch immer upgedatet und haben trotz aller parteipolitischen Differenzen doch am selben Strang für diese Menschen gearbeitet, daher geht mir das persönlich auch sehr nahe. Das möchte ich auch hier sagen.


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Nun zum eigentlichen Thema: Ich freue mich, Frau Kulturstaatssekretärin, dass Sie heute das erste Mal bei uns im Bundesrat sind und uns auch ein wenig kennenlernen. Es ist für uns auch wichtig, Austausch mitzunehmen, denn gerade in Zeiten wie diesen ist es ja nicht so leicht für alle Kulturschaffenden im Land, da brauchen wir einen Schul­terschluss, und den kann es aus meiner Sicht nur gemeinsam geben.

Zu Beginn auch von mir ein herzliches, großes Danke an alle Österreicherinnen und Österreicher, dass wir täglich wieder einen Schritt näher zu unserer Normalität kommen. Das war ja alles nicht selbstverständlich – der Herr Präsident hat das schon ausgeführt –, viele Menschen haben sich engagiert. Aber auch ein großes Dankeschön an die österrei­chische Bundesregierung mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem Herrn Vizekanzler für die gesetzten Maßnahmen. Wenn wir jetzt nach Schweden blicken, sehen wir, wie richtig, notwendig und wichtig diese Maßnahmen waren und dass wir jetzt wieder auf dem Weg zurück sind. Daher: ein herzliches Dankeschön für das engagierte Eintreten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich freue mich auch über die Lockerungen im Kunst-, Kultur- und Sportbereich. Aufgrund meines persönlichen Naheverhältnisses zur Kultur werde ich jetzt den kulturellen Bereich ein wenig beleuchten, die Kollegin Eder wird sich später auf den Sport stürzen.

Dazu zwei Zitate, die ich diesbezüglich gefunden habe: „Die Wissenschaft ist der Ver­stand der Welt, die Kunst ihre Seele“, hat Maxim Gorki gesagt. „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens“, das hat Jean Paul gesagt. Und ich finde, das ist sehr treffend, denn mir und vielen anderen Menschen in Österreich sind diese Thea­terbesuche, Museumsbesuche, Buchpräsentationen – das ganze Spektrum des kulturel­len Lebens – sehr, sehr abgegangen. Kollege Schreuder hat schon die Lockerungen erwähnt, die finde ich auch sehr gut und notwendig, denn damit sind seit letztem Freitag Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen im Publikum möglich. Die mitwirkenden Künst­lerinnen und Künstler werden nicht mitgezählt.

Auf Grundlage dieser Lockerungen können auch wieder Festspiele stattfinden, zum Bei­spiel bei uns in Salzburg natürlich die Salzburger Festspiele – das werde ich noch näher ausführen –, aber auch die Gollinger Festspiele und viele, viele Kulturinitiativen im Um­kreis, die jetzt auch etwas machen können. Die „Salzburger Nachrichten“ haben eine tolle Beilage (diese in die Höhe haltend) gemacht: „Willkommen“, Kultur in Salzburg. Da steht sehr, sehr viel drinnen, man spürt den Aufbruch, es tut sich etwas, und das ist gut und schön für uns alle.

Am Samstag habe ich auch den Leitartikel von Chefredakteur Manfred Perterer in den „Salzburger Nachrichten“ sehr, sehr gut gefunden und darf daraus kurz zitieren: „Wir dürfen uns in diesen Tagen ruhig einmal freuen. Fürs Erste haben wir es nämlich ge­schafft. Die Infektionszahlen sind konstant niedrig.“ – Salzburg hat derzeit nur noch fünf Infizierte und keine Neuinfizierten, das habe ich gerade nachgeschaut. – „Und deshalb hat Österreich auch wieder geöffnet.“ Für mich ganz speziell: „Ein Beweis dafür, dass einen Mut, Zielstrebigkeit und Hoffnungen weiter bringen als Angst und frühzeitige Kapi­tulation, sind die Salzburger Festspiele.“

Das kann ich nur vollinhaltlich bestätigen. Ich kenne die engagierte Präsidentin Helga Rabl sehr, sehr gut, auch den Intendanten Markus Hinterhäuser und den kaufmänni­schen Leiter Lukas Crepaz. Sie haben gemeinsam mit unserem Landeshauptmann im­mer daran geglaubt, dass es heuer Festspiele geben wird. Sie haben sich hingesetzt, haben sich überlegt, wie reduzierte Festspiele unter diesen Coronabedingungen stattfin­den können, haben auch aktiv an Konzepten gearbeitet. Das wurde dann mit der öster­reichischen Bundesregierung weiter verhandelt, und jetzt haben wir Gott sei Dank diese Lockerung.

Heuer haben wir nämlich ein besonderes Jahr, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir feiern 100 Jahre Salzburger Festspiele. 1920 – das war auch keine leichte Zeit – haben sich


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die Herren Richard Strauss, Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal zusammenge­tan – da waren noch die Kriegswirren – und haben das erste Mal am 22. August den „Jedermann“ aufgeführt. Daher freut es mich, dass wir heuer vom 1. bis 30. August modi­fizierte Festspiele in Salzburg haben können. Statt 200 Vorstellungen an 44 Tagen und 16 Spielstätten wird es in etwa 90 Vorstellungen an 30 Tagen an höchstens sechs Spiel­stätten geben, und das 100-Jahr-Jubiläum des „Jedermann“ wird auch gefeiert.

Ich lade Sie alle ein, im Sommer nach Salzburg zu kommen, um diese Festspiele zu genießen. Die Salzburger Festspiele, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ja nicht nur wegen ihrer hohen künstlerischen Darbietungen wichtig, sondern sie sind auch für die ganze Wirtschaft in Salzburg wichtig (Zwischenruf des Bundesrates Pisec), für die Gastronomie, für die Wirtschaftstreibenden, für jeden Geschäftsinhaber, auch für Gale­rien et cetera. Daher war es auch notwendig – und auch da danke ich Ihnen, Herr Vize­kanzler, und jetzt auch Ihnen, Frau Staatssekretärin –, dass es ermöglicht wurde, dass wir Festspiele in Salzburg haben werden.

Die Salzburger Festspiele erwirtschaften 75 Prozent ihrer Ausgaben selbst, dazu gibt es eine Studie der Wirtschaftskammer. Sie bringen eine Wertschöpfung von 183 Millionen Euro in Salzburg und 215 Millionen Euro in Österreich, und sie haben 2 800 Mitarbeiter im Sommer beschäftigt. Das sind schon wichtige Zahlen, und daher war es für uns in der Region so wichtig, dass diese Festspiele heuer stattfinden können.

Ich darf noch kurz auf zwei Dinge eingehen, die mir in dieser Zeit auch notwendig er­scheinen: die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung für die Kulturschaffen­den, die wir jetzt im Parlament auf den Weg bringen. Wir werden unter Tagesordnungs­punkt 2 das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unter­stützungsfonds beraten, der in einer Höhe von 700 Millionen Euro eingerichtet werden soll. Und ab Juli sollen auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler durch einen ei­gens zur Verfügung stehenden Überbrückungsfonds rasche Hilfe erhalten. Dafür stehen dann 90 Millionen Euro für circa 15 000 Künstler zu Verfügung, für die Dauer von sechs Monaten sollen 1 000 Euro pro Monat ausbezahlt werden. Die Rahmenbedingungen werden noch geschaffen, und ich bitte Sie, das möglichst rasch zu tun, damit wir diesen Überbrückungsfonds auch wirklich schnell in die Umsetzung bringen.

Auch die Verbesserungen im Härtefallfonds, die seit letzter Woche in Kraft sind, kommen den KünstlerInnen und Personen im kunstnahen Bereich zugute, denn da gibt es ja auch MaskenbildnerInnen, da gibt es ja TontechnikerInnen, die alle davon betroffen sind (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach), und daher ist es wichtig und notwendig.

Lassen Sie mich mit Chefredakteur Manfred Perterer in seinem Leitartikel in den „Salz­burger Nachrichten“ abschließen, der gesagt hat: „Langsam, aber sicher sind wir auf dem Weg zu jenem Zustand, der zu unserer demokratischen Gesellschaft passt: Freiheit muss die Regel sein, Verbote müssen die Ausnahme bleiben. Wie schnell wir dorthin gelangen, haben wir ab jetzt zu einem Gutteil selbst in der Hand.“

Daher: Genießen wir wieder das kulturelle Leben im kommenden Sommer und in den kommenden Wochen, aber seien wir wachsam, die Krise ist leider noch nicht vorbei! Halten wir uns an die Regeln, dann steht einer weiteren Öffnung nichts im Wege! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.42


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


9.42.11

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 24

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Bevor ich mit meiner Rede be­ginne, darf ich unseres vor Kurzem verstorbenen Bundesrates Dr. Gerhard Leitner ge­denken. Mit seinem Ableben verlieren wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen starken Mitstreiter, einen versierten Redner und einen Bundesrat, dem die Anlie­gen der Menschen ganz stark am Herzen lagen. Ihn zeichnete seine große Liebe zu seinem Bundesland Kärnten aus. Gerhard gehörte zu jenen besonderen Menschen, die einen ganz feinen Humor besitzen und die, so schwer das Schicksal ihnen auch mit­spielt, nie ihre positive Einstellung verlieren. Auf seiner Parte steht: Behaltet mich so in Erinnerung, wie ich in den schönsten Stunden mit euch beisammen war. – Lieber Ger­hard, wir versprechen dir, genau das werden wir tun. Danke, dass du Bundesrat unserer Fraktion warst! (Allgemeiner Beifall.)

Bevor ich jetzt zum Thema komme, darf ich noch unserem Präsidenten Robert Seeber herzlich Dank für seine Präsidentschaft in wirklich – heute sagt man es in Neudeutsch – herausfordernder Zeit sagen, und wir wünschen der neuen Präsidentin alles, alles Gute!

Lassen Sie mich jetzt in die Rede eingehen und mit der guten Nachricht beginnen: Die Erkrankungszahlen sinken beständig, es sterben kaum noch Menschen an dem heim­tückischen Virus, und endlich sind die Spitalkapazitäten wieder für die allgemeine Ge­sundheitsversorgung da. Aber, Herr Vizekanzler, die Situation in unserem Land ist alles andere als positiv (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“, „Existen­zen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult stellend), und die Arbeitslo­senzahlen sind enorm hoch. 517 221 Menschen sind ohne Arbeit, und die Arbeitslosen­zahlen gehen nur ganz langsam zurück. Über 1,3 Millionen Menschen sind in Kurzarbeit. Das sind alarmierende Zahlen. Insofern mag das Virus schwächer werden, aber seine verheerende Wirkung auf das Wirtschaftsleben hat es voll entfaltet.

Vielen Menschen geht es schlecht, die Sorgen sind groß. Wenn man mit den Menschen telefoniert, wenn man mit ihnen redet, dann hört man: Ich fürchte mich, dass ich meinen Job verliere! Ich fürchte mich, dass ich die Miete nicht zahlen kann! Ich habe Sorgen, dass ich meinen Kredit nicht abzahlen kann! Ich habe Sorgen, dass ich im Herbst keine Lehrstelle finden werde! – Das sind die Sorgen der Menschen. Und die Sorgen und Be­fürchtungen im Hinblick auf die Zukunft der Kinder und die eigene Zukunft haben in dieser Krise tiefe Wunden bei den Menschen hinterlassen.

Ein wesentlicher Grund, dass die Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher so groß sind, ist, dass diese Regierung in vielen Punkten nicht genügend Maßnahmen ge­setzt hat, um die massiven Folgen der Krise rechtzeitig abzufedern. Ankündigungen von großen Hilfspaketen in x Pressekonferenzen helfen nicht, wenn das Geld nicht ankommt. Das ist ein Fleckerlteppich von angekündigten Einzelmaßnahmen, aber kein großes In­vestitionsgesamtkonzept, um die Stimmung für einen Neustart zu schaffen und die Sor­gen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu lindern.

Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, aber bei vielen Regelungen kennen sich die Öster­reicherinnen und Österreicher nicht mehr aus: Was darf ich jetzt? Zu Regeln, von denen man ausgegangen ist, dass man sie einhalten muss, weil man sonst gestraft wird, heißt es plötzlich: Na, na, das ist ganz anders, man hätte das schon immer tun können, das ist nur falsch interpretiert worden! – Auf Wienerisch täte man sagen: Des is a Häkel! Erst neulich hat mir wieder jemand gesagt: Jetzt haben sie wieder was gelockert, aber ehrlich, ich kenne mich nicht mehr aus, was gilt!

Die Verunsicherung der Menschen hilft auch beim Anspringen der Wirtschaft nicht. Jetzt braucht es Klarheit, Perspektive, und diese müssen Sie schaffen. Und setzen Sie die wichtigste Maßnahme: Erhöhen Sie das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent statt den bishe­rigen 55 Prozent! (Beifall bei der SPÖ.) Es ist längst an der Zeit. Damit können Sie den Menschen helfen, damit können Sie Existenzen sichern und damit können Sie auch der


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Wirtschaft helfen, weil jeder Euro, der den Arbeitslosen gegeben wird, wieder in den Wirtschaftskreislauf fließt. Ich weiß sehr wohl, dass es viele bei den Grünen gibt, die lieber heute als morgen das Arbeitslosengeld erhöhen wollen, und ich verweise auf den Beschluss des Gemeinderates in Wien – wo auch die Grünen mitgestimmt haben –: Das Arbeitslosengeld muss erhöht werden!

Oder denken wir an die Heldinnen und Helden der Krise; der Herr Präsident hat es ja wieder deutlich gesagt und seinen Dank ausgesprochen. Aber ganz ehrlich, der Dank allein wird nicht reichen. Es braucht jetzt die finanzielle Anerkennung, und es wäre auch längst an der Zeit, die Forderung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes umzu­setzen und den Coronatausender für die Heldinnen und Helden, die sich der Infektion ausgesetzt haben, auf den Weg zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die höchste Investition in der Geschichte der Zweiten Republik. Das Ziel muss Vollbeschäftigung sein. Deshalb heißt es jetzt, die Möglichkeiten auf allen Ebenen zu schaffen, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Wichtiger Partner sind dabei die Gemeinden. Ihre finanziellen Ausfälle in der Krise müssen abgedeckt werden, bevor man mit Investitionen beginnt. Das Gemeindepaket, das die Regierung präsentiert hat, ist ohne Zweifel gut gemeint, kann so stehen bleiben, aber den Gemeinden in einer schwie­rigen Finanzlage hilft es nicht. Die Übernahme einer 50-prozentigen Eigenfinanzierung können sie sich nicht leisten und so können sie nicht die wichtigen Investitionen tätigen. Hier lässt die Regierung die Gemeinden zurück. Es muss zuerst ein Fallschirm für ihre Zahlungen aufgespannt werden, und dann kann erst der Investitionsturbo gezündet wer­den. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Positiv ist, dass die Kurzarbeit jetzt in die zweite Phase geht, verlängert, noch verbessert und wieder von den Sozialpartnern gut ausverhandelt wurde. Aber der Bereich, der ganz, ganz große Sorgen macht, ist jener der Jugendarbeitslosigkeit. Rund 85 000 arbeitslose junge Menschen laufen Gefahr, die Lost Generation zu werden, wenn jetzt nicht für sie die Chance besteht, Arbeit zu bekommen. Es zerbrechen fast 85 000 Zukunftspläne, Wünsche, Perspektiven und Ziele. Hier wäre Handeln der Arbeitsministerin dringend ge­fragt. Die letzte Woche angekündigte Maßnahme einer Förderung von 2 000 Euro nach dem Gießkannenprinzip ist ja sehr nett – es sind jetzt schon sehr viele Lehrstellen gefördert –, aber es braucht ein Gesamtkonzept und es braucht Qualität in der Lehre, denn es geht um die Zukunft der jungen Menschen und es geht darum, ob wir in Zukunft jene Facharbeiterinnen und -arbeiter haben werden, die diese Wirtschaft brauchen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

Besonders schwierig ist die Situation für die Klein- und Mittelbetriebe. Wer versucht, sich auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums durch den Formulardschungel zu schla­gen, um seine dringend notwendigen Hilfsmaßnahmen zu bekommen, bleibt spätestens auf halbem Weg stecken. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Zu kompliziert, zu verworren, zu bürokratisch – so kann man die Maßnahmen beschrei­ben. Für unzählige Klein- und Mittelbetriebe ist es traurige Realität, dass sie die Beantra­gungen ohne Hilfe einer Steuerberatungskanzlei überhaupt nicht schaffen, und da hilft auch nicht der zynische Satz des Kanzlers: Na ja, man muss halt seinen Namen richtig schreiben. – Das kann es doch wohl nicht sein!

Das dringend benötigte Geld kommt nur schleppend oder in vielen Fällen in einer Höhe an, die nicht weiterhilft. An jedem Unternehmen hängen Arbeitsplätze. Für Unternehmen mit 25 ArbeitnehmerInnen hätte die ursprünglich vorgesehene Entschädigungszahlung aus dem Epidemiegesetz belassen werden sollen. Das wäre der richtige Weg gewesen, aber unser Antrag wurde von den Regierungsparteien abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Und: Helfen Sie den Familien! Es braucht jetzt im Sommer eine flächendeckende leistba­re Kinderbetreuung mit einem Lernangebot. Viele Eltern haben keinen Urlaub mehr, weil


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sie ihn verbrauchen mussten. Viele Eltern haben nicht das Geld, um sich teure Ferien­betreuung zuzukaufen. Sie brauchen jetzt Unterstützung, und die Kinder, die in der Co­ronazeit Lernschwächen aufgebaut haben, brauchen auch die Unterstützung, dass sie mit vollem Schwung wieder in das neue Schuljahr gehen. Wir wollen nicht, dass Kinder zurückgelassen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bun­desrat Schennach: Jawohl!)

Betreffend den Familienhärtefonds gibt es sehr, sehr viele Anträge, aber die Auszahlung stockt. So funktioniert Unterstützung für die, die sie jetzt so dringend brauchen, eindeutig nicht. Auch nicht mit Almosenfotos! Einem Baby 100 Euro in die Hand zu drücken, das war wirklich keine gute Idee. (Bundesrat Schennach: Das ist peinlich, hoch peinlich!)

Herr Vizekanzler, die Bilanz ist leider nicht zufriedenstellend. Sie sind sicher mit dieser Regierung in einer schwierigen Situation angetreten, vieles ist auch gelungen, aber jetzt, in der nächsten Phase der Coronakrise, haben Sie sich die Probleme selbst geschaffen. Die Vorkommnisse rund um das Budget im Nationalrat waren beschämend, besonders für eine Wirtschaftspartei wie die ÖVP. (Bundesrat Steiner: Das ist schon lang keine Wirtschaftspartei mehr!)

Zuerst wurden dem Nationalrat veraltete verfassungswidrige Budgetzahlen vorgelegt, dann wurden kurz vor der Beschlussfassung aktuellere Zahlen vorgelegt, die wieder nicht gestimmt haben, und weil der Finanzminister sechs Nullen im Budget vergessen hat, musste der Budgetbeschluss verschoben werden. Es entsteht der Eindruck eines völlig überforderten Finanzministers Blümel, und das in einer der größten wirtschaftli­chen Krisen, die die Republik bisher erlebt hat. Das ist wirklich bestürzend. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn die Regierung in dieser Phase jetzt die Eigenverantwortung der Menschen entdeckt, die Eigenverantwortung des Einzelnen und der Einzelnen in der Verantwortung rund um die Coronakrise, oder die der Länder, muss man sagen, der Bundeskanzler hat zu den Vorkommnissen in Ischgl nicht ein einziges Wort verloren, aber das Wienbashing ist wieder voll angelaufen, Wienbashing auch mit der Hilfe des Innenministers, der Frau­enministerin – hier wird die Coronakrise ganz ungeniert als Wahlkampfbühne genützt. Der Höhepunkt der entbehrlichen Wortspenden war das Zitat des Innenministers: „Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infek­tionskette rasch zu durchbrechen.“ – Eine wahrlich entbehrliche Aussage.

Aber lassen Sie mich eines über die Wienerinnen und Wiener sagen: Wir Wienerinnen und Wiener, wir motschkern gern, wie man das so sagt, wir kritisieren gern, aber was wir Wienerinnen und Wiener nicht vertragen, das ist, wenn man uns schlechtredet und wenn man unsere Stadt schlechtredet – und schon gar nicht, um politisches Kleingeld zu ma­chen, und nicht in Krisenzeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Stadt Wien ist im Vergleich zu anderen Millionenstädten von der Stadtregierung ganz wunderbar durch diese Krise geführt worden, und darauf sind wir Wienerinnen und Wiener stolz. Und es sei auch aus wirtschaftlicher Sicht davor gewarnt, die Ostregion mit ihrer bedeutenden Wirtschaftsleistung für das Land, mit den vielen Arbeitsplätzen auch für die Pendlerinnen und Pendler mit derartig herabwürdigenden politischen Äuße­rungen zu schwächen. Als grünem Vizekanzler ist Ihnen das ja natürlich völlig klar.

Jetzt müssen die richtigen Schritte für das Land gesetzt werden: milliardenstarke Job­offensiven, Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen, Konjunkturpakete un­ter Berücksichtigung des Klimaschutzes. Menschen in Krisen absichern und gut durch sozialstaatliche Leistungen und ausgezeichnete Gesundheitsversorgung unterstützen, den Menschen ihr schweres Los nehmen, ihre Sorgen nehmen, damit es wieder auf­wärtsgeht: Dafür steht die Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

9.54



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 27

Präsident Robert Seeber: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrätin Schumann eilt noch einmal zurück, um ihre am Rednerpult vergessene Tafel zu holen. – Bundesrätin Mühlwerth – auf dem Weg zum Rednerpult –: Hättest du ruhig stehen lassen können! – Vizekanzler Kogler: Habt ihr schon fusioniert?)


9.55.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Grenzüberschreitend, zeitweise, je nachdem! Es gibt Dinge, die sind Querschnittmaterien, Herr Vizekanzler. Das werden Sie ja auch aus Ihrer Zeit wissen, als Sie Nationalratsabgeordneter waren: Zwischen den Parteien gibt es immer gewisse Schnittmengen, also man kann nie sagen, die einen sind so und die anderen sind so, weil es immer wieder Überschneidungen gibt – Gott sei Dank, muss man sagen.

Herr Präsident, auch ich möchte dir namens der Freiheitlichen für deine Präsidentschaft danken, in der du leider diese Projekte, die ja durchaus ambitioniert und auch spannend waren, nicht durchführen konntest. Ich finde es bedauerlich, denn das, was Karl Bader begonnen hat, den Bundesrat ins Bundesland zu tragen, „Bundesrat im Bundesland“, war schon eine interessante Sache, aber eines ist sicher: Du hast alle Sondersitzungen, die im Zuge der Coronakrise notwendig waren, hervorragend geleitet, und daher wirst du auch als Coronapräsident in die Geschichte eingehen. (Allgemeine Heiterkeit. – Bei­fall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Der SPÖ-Fraktion möchte auch ich namens der Freiheitlichen unser herzliches Beileid aussprechen. Ich kannte Kollegen Leitner sehr gut, und es war immer sehr angenehm, mit ihm zu sprechen. Als ich von seinem Ableben gehört habe, habe ich gedacht, da muss man wieder innehalten und sagen, wir sollten vielleicht den Augenblick mehr nüt­zen, mehr genießen und mehr schätzen, weil man sieht, wie schnell es gehen kann.

Wir waren gemeinsam mit dem EU-Ausschuss in Zagreb. Ich habe diese Reisen, die durch keine Videokonferenz zu ersetzen sind, schon deswegen geschätzt, weil man fachlich von den anderen etwas mitnehmen kann, aber auch aus Österreich etwas hi­naustransportieren kann. Abseits dieser durchaus wichtigen fachlichen Konferenzen, ab­seits dieses Rednerpults kommt man sich aber auch menschlich näher, und man sieht die Kollegen dann auch aus einem etwas anderen Blickwinkel. Daher tut es mir wirklich auch persönlich sehr leid, dass er zu früh gehen musste.

So, und jetzt stehe ich wieder am Rednerpult, der Alltag hat uns wieder. – „Koste es, was es wolle“ – 38 Milliarden Euro hat man dafür aufgestellt. Jetzt haben alle geglaubt, dieses Geld wird auch ausgeteilt und das werden die Menschen, die Unternehmer, Kunst- und Kulturbetriebe, Sportbetriebe auch bekommen. Das Gegenteil ist aber leider der Fall. Es hat einen Stau auf allen Ebenen gegeben.

67 Prozent haben beklagt, dass nichts bis wenig ankommt, alles viel zu bürokratisch ist, alles viel zu lange dauert. Auch Sie werden die vielen Meldungen gehört haben, dass auch der versierteste Steuerberater mit dem Ausfüllen der Formulare überfordert war, weil man sich nicht ausgekannt und nicht gewusst hat, was die eigentlich wissen wollen. Jetzt überspitze ich es ein bisschen: Ein falsch gesetzter Beistrich hat dazu geführt, dass der Antrag wieder zum Antragsteller zurückgegangen ist und die ganze Geschichte wie­der von vorne losgegangen ist.

Wir haben ja alle in dieser Woche diesen veritablen Streit zwischen der Regierung und einer Wiener Institution, dem Café Landtmann, mitgekriegt und dass sich der Herr Quer­feld bitter beklagt hat. So, jetzt gibt es zwei Dinge dazu zu sagen. Das Erste ist: Vom Ministerium kam dann an die Öffentlichkeit, dass dieser ja eh schon 1 Million gekriegt habe – die nicht er bekommen hat, sondern seine Mitarbeiter für die Kurzarbeit. Da fragt


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man sich schon als Allererstes: Wie kann so etwas aus dem Ministerium an die Öffent­lichkeit gelangen? – Da müsste man schon intern nachschauen, wer das weitergetragen hat.

Bei allem Verständnis für das Café Landtmann und für den Herrn Querfeld – ja, das ist eine Wiener Institution, wo es wirklich schade darum wäre, wenn es sie nicht mehr gäbe –, aber viele andere klein- und mittelständische Betriebe fragen sich jetzt: Ja, wieso hat der jetzt eigentlich schon 1 Million für die Kurzarbeit gekriegt, und wir haben noch gar nichts bekommen? Kann das vielleicht sein, weil er für die ÖVP zum Wiener Landtag kandidiert hat oder weil er über fünf Jahre der Obmann der Kaffeesieder war und ihm natürlich eine ÖVP-Nähe nicht nur unterstellt wird, sondern eine solche tatsächlich vor­handen ist? – Man wird ja nicht auf der Liste einer Partei kandidieren, mit der man im Grunde genommen nichts zu tun haben möchte.

Die Frage muss man sich schon gefallen lassen, ob hier nicht mit zweierlei Maß gemes­sen wird: Der eine ist halt gleicher und der andere nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir haben ja am Beginn die Maßnahmen durchaus gezielt und bewusst mitgetragen. Nur, Sie haben es uns wirklich schwer gemacht, das auch fortzusetzen. Erster Punkt: Alle Maßnahmen wurden zuerst einmal in einer Pressekonferenz angekündigt – nicht im Parlament, nein, in einer Pressekonferenz, und das Parlament ist immer hinten nachge­hinkt. Das ist kein Umgang mit dem Parlament, das sage ich Ihnen schon! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Ihre Verordnungen und Ihre Maßnahmen waren zum Teil grob fehlerhaft. Ja, ich habe Verständnis dafür, dass das eine außergewöhnliche Situation ist, die noch nie da gewesen ist, ja, ich weiß, im Eifer – ich will jetzt nicht sagen, im Eifer des Gefechts, aber –, wenn rasch Maßnahmen getroffen werden müssen, können natürlich auch Feh­ler passieren, aber die Opposition, egal, wer jetzt, hat nicht nur einmal auf diese Fehler aufmerksam gemacht.

Letztes Mal hat mein Kollege Schilchegger bei einem der Gesetze, die wir beeinsprucht haben, darauf hingewiesen. Das haben wir zu Recht beeinsprucht, das war nicht zy­nisch, wie das Klubobfrau Maurer von den Grünen gesagt hat, das war notwendig. Sie könnten sich eigentlich dafür bedanken, dass wir einen Einspruchsantrag gemacht ha­ben, wir hätten ja auch sagen können, wir stimmen einfach nicht zu, und dann läuft die Acht-Wochen-Frist. So wollten wir Ihnen ja die Möglichkeit geben, noch Reparaturen vorzunehmen. Haben Sie das getan? – Nein! Und das waren grob fehlerhafte Verord­nungen und Gesetze, die Sie da durch das Parlament geschickt haben.

Statt die Gelegenheit zu nützen und zu sagen, wir beheben diese Fehler gleich im Rah­men des Beharrungsbeschlusses, haben Sie, ehrlich gesagt, trotzig wie ein Kindergar­tenkind gesagt: Nein, wir ziehen das durch, das wird jetzt durchgepeitscht – und aus! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Jetzt haben wir die Lockerungen, wo wir wissen, wir müssen vorsichtig sein, wir können nicht so leben wie vor dem Ausbruch dieser Coronakrise, das leugnet ja niemand. Wir finden zwar, dass viele Dinge etwas überzogen waren, auch sehr marktschreierisch prä­sentiert wurden, aber dennoch wollen wir es nicht unterschätzen.

Aber die Maßnahmen sind auch hier wieder unverhältnismäßig. Die Gastronomie durfte wieder öffnen, gut. Dann ist schon einmal der Maskenstreit losgegangen: Beim Reinge­hen ins Lokal muss man sie aufsetzen, beim Rausgehen auch, drinnen nicht. Wenn man auf das Klo geht, muss man sie aufsetzen, nein, doch nicht, muss man sie nicht auf­setzen. Also was jetzt?

Zur Sperre um 23 Uhr hat meine Kollegin Belakowitsch im Nationalrat völlig richtiger­weise gefragt, ob das Virus nachtaktiv ist und ob es nach 23 Uhr ansteckender ist als in


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der Zeit davor. Der Herr Bundespräsident hat ja die Sperrstunde veritabel überzogen, wofür ich normalerweise Verständnis habe – ich bin die Letzte, die sagt, man kann nicht hocken bleiben, wenn man sich verplaudert hat, nur: Der Herr Bundespräsident hat nicht eine einzige der Maßnahmen auch nur ansatzweise kritisch hinterfragt, und er ist ein Vorbild, da kann man halt nicht sagen, ich habe mich nicht um 10 Minuten, sondern gleich um 2 Stunden verplaudert. Das geht nicht und ist daher auch zu verurteilen.

Auf der anderen Seite müssen wir ihm wieder fast dankbar sein, dass Sie sich jetzt dazu durchgerungen haben, die Sperrstunde wenigstens auf 1 Uhr zu verlängern, wobei sich mir immer noch nicht erschließt, ob das Virus um 1 Uhr schlimmer ist als um 2 Uhr in der Früh, aber vielleicht wissen Sie es ja. (Bundesrat Steiner: Das Angstvirus der Regie­rung!)

Der Kunst- und Kulturbetrieb ist ja auch erst in die Gänge gekommen, als Ihnen die Ihnen nahestehenden Künstler wie Lukas Resetarits gesagt haben: Das ist ein Wahnsinn, was da abgeht! – Da haben Sie sich dann halt auch zögerlich dazu entschlossen, nachdem Sie Ihre Staatssekretärin Lunacek geopfert haben, jetzt hier einen Schritt zu machen.

Wir wissen natürlich, dass Veranstaltungen, Konzerte et cetera gefährlich sind, was die Ansteckung anbelangt, aber trotzdem, man kann ein Land nicht auf alle Ewigkeiten he­runtergefahren lassen und sagen, das bleibt jetzt noch bis Weihnachten so, weil alle darunter leiden: Kunst und Kultur, der Sport, der Breitensport. Wir hatten ja schon vorher das Problem, dass viele Kinder zu dick waren, das heißt, die bräuchten dringend wieder die Turnstunde, und ich kann nicht verstehen, dass die noch nicht stattfinden kann. Übri­gens hat man ja festgestellt, dass man sich in den Schulen und in den U-Bahnen nicht angesteckt hat, das waren nicht die großen Spreader. Es müsste doch möglich sein, dass Turnunterricht mit Abstandhalten, mit Einhaltung von Hygieneregeln stattfinden kann. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt.

Das Gleiche gilt auch für den Breitensport und auch für den Spitzensport, aber dieser rekrutiert sich ja im Idealfall aus dem Breitensport und wäre daher möglich.

Eines muss ich jetzt noch anbringen: Auf der einen Seite haben wir die Regierung, die sagt, wie wichtig alle diese Maßnahmen sind, auf der anderen Seite halten sich die Re­präsentanten der Regierung selber nicht daran, siehe Kurz im Kleinwalsertal. Der Bun­despräsident hat sich wenigstens entschuldigt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, das ist die Schuld des Bürgermeisters, was ich ja, gelinde gesagt, besonders perfide finde, sich auf jemanden anderen auszureden, denn er hätte ja von sich aus die Distanz durch­aus wahren können. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Was mir noch wirklich sauer aufgestoßen ist, das ist, den Menschen zu sagen: Konsu­miert jetzt wieder, geht ins Restaurant, denn das brauchen die Wirte! – Die Zahlen sind ja schon genannt worden: 617 000 Arbeitslose, 1,2 Millionen in Kurzarbeit. Die Leute müssen sich das ja auch leisten können! Es ist ja nicht so, dass man einfach sagt: Hol­lodaro, jetzt gehen wir essen, endlich können wir wieder feiern! Das muss man ja auch zahlen können.

Und dann stellt sich der Wirtschaftskammerpräsident bei einem Interview mit dem Ma­gazin „Falstaff“ mit der Magnumflasche hin und sagt: Ihr müsst wieder mehr genießen, und es wäre gut, wenn ihr in diese tollen Herbergen in Österreich fahren würdet! Geht doch wieder mehr ins Restaurant und feiert doch wieder mehr!

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, das würden die Österreicher, Männer und Frauen, gerne machen – wenn sie es sich leisten könnten. Sie haben aber unter anderem mit der Verzögerung der Auszahlungen dafür gesorgt, dass sie es sich nicht leisten können. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Daher ist es jetzt auch dringend an der Zeit, dass jene versprochenen Gelder, die Sie zugesagt haben, bei den Menschen, die sie brauchen, ankommen, damit die Wirtschaft


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wieder auferstehen kann. Wir brauchen die Unternehmer, denn ohne sie gibt es auch keine Jobs. Wenn der Unternehmer zusperren muss, sind auch die Jobs weg, das geht von einem bis 300. Daher ist es ganz wichtig, beiden zu helfen, auf die Beine zu kom­men, und diesbezüglich wäre es jetzt endlich an der Zeit, dass Sie einmal damit anfan­gen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.08


Präsident Robert Seeber: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Ich er­teile es ihm; auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


10.08.22

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird schon etwas Gutes von der Vorsitzführung überbleiben, wenn wir vielleicht in zwei Jahren zurückbli­cken, um zu beurteilen, ob und inwieweit Österreich die Bewältigung dieser Coronakrise ganz gut hinbekommen hat. Und das ist natürlich die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, das ist unbestritten, und zwar wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich. Wir reden ja heute über gesellschaftliches Zusammenleben, vor allem den Kultur- und Sport­bereich betreffend. Das ist rundum eine Krise. Ich gebe Bundesrätin Schumann vollin­haltlich recht: Es ist vor allem auch eine soziale Krise, die aus diesen ganzen Einschlä­gen, wie ich gerne sage, resultiert, das ist ja unbestritten.

Wie gesagt, das Problem ist ja nicht aus sozialpolitischer Boshaftigkeit entstanden oder aus wirtschaftspolitischer Unfähigkeit mit Anlauf oder weil man jetzt plötzlich die Kultur drangsalieren will oder weil wir auf die Idee kommen würden, dass Bewegung ganz schlecht ist. Ich habe erst die Dokumentation über Winston Churchill gesehen – lassen wir den einmal auf der Seite! Der hat eine andere Philosophie zur Bewegung gehabt, aber er hat auch viel Gutes gemacht. (Heiterkeit. – Bundesrätin Mühlwerth: No sports!)

Also das war es ja nicht, und bis sich die Lage geordnet und sortiert hat, haben wir alle miteinander schon ein bisschen sondiert – und da möchte ich zunächst einmal auf das Gemeinsame kommen.

Ich glaube ja, am Anfang, die ersten Wochen war sie gerade hier im Bundesrat schon sehr nützlich – wenn es schon gesagt worden ist, dann spreche ich es gerne noch einmal aus –, die gemeinsame Erkenntnis, rasch etwas tun zu müssen, obwohl man nicht hun­dertprozentig genau gewusst hat, wann der richtige Tag für den Lockdown ist. Da ging es, wie wir im Nachhinein wissen, ja wirklich um die Vermessung von Tagen: nicht zu früh, wie intensiv, aber auch nicht zu spät. Selbst der Mathematiker Niki Popper, der ja mit seinen Berechnungen eigentlich nicht bei den quasi dramatischen Szenarien war, hat gesagt: Na gut, fünf, sechs Tage; am siebenten wären wir dann, hätten wir noch gewartet, tatsächlich an die Kapazitätsgrenzen gelangt, was die Intensivmedizin betrifft.

Das war ja immer unser Leitmotiv, also jedenfalls das der Regierung – und das über alle Regierungsmitglieder und über die beiden Parteien hinweg. Darüber hinaus sage ich heute diesen dramatischen Satz sicher nicht mehr, betone aber, dass in Österreich nie­mand sterben sollte, der nicht sterben müsste, bloß weil diese Kapazitäten überschritten wurden. Im Übrigen haben wir diese mit den Bundesländern gemeinsam auch ausgewei­tet: Intensivbetten und Kapazitäten, vor allem aber Beatmungsgeräte sind ja zuerst frei­geschafft beziehungsweise herbeigeschafft worden. Das war damals die Ausgangssitua­tion – so weit so bekannt.

Wir haben dann schon immer wieder sehr viel, weil wir hier im Bundesrat sind, auch ge­meinsam mit den Landeshauptleuten vereinbart – ob es jetzt das Containment war oder vorher die Schutzmaßnahmen und, und, und –, das hat, glaube ich, ganz gut funktioniert.


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Ich erinnere mich, dass wir bald zweimal in der Woche eine Videokonferenz hatten – mittlerweile findet sie nur mehr alle zwei Wochen statt, es gibt sie aber immer noch.

In dieser Situation haben wir uns wiedergefunden. Es gab also ein riesiges Problem, es gab viele Vorstellungen betreffend Lösungen, Ziele und Maßnahmen, und da haben wir uns halt dahintergeklemmt.

Da jetzt das Thema Öffnung, Lockerung, Aufsperren lautet, möchte ich mich dem noch einmal zuwenden. Ich überspringe da jetzt einiges. Das soll jetzt nicht zu sehr nach Selbstlob klingen, denn man kann da vieles kritisch hinterfragen, und das mache ich auch – ich gebe gleich ein Beispiel –, außer dass das insgesamt nicht nur sehr erfolg­reich war, quantitativ vielleicht sogar erfolgreicher, als man geglaubt hätte, es war vor allem sozusagen viel schneller: Die Zahlen sind viel schneller hinuntergegangen – ich nenne dann Zahlen betreffend dieses sogenannte Infektionsgeschehen –: Wenn man das mit anderen Ländern vergleicht, dann kann man, glaube ich, schon sagen: Okay, das kann nicht alles falsch gewesen sein. – Sie waren nicht nur gut – und vielleicht bes­ser als sonst wo –, der Abschwung war vor allem schneller.

Das hat uns in die Lage versetzt, schneller als geglaubt darüber nachzudenken, wie wir überhaupt wieder zu diesen Lockerungen kommen, vulgo – wie man landläufig sagt – Aufsperrmaßnahmen. Das betrifft ja genau die Bereiche Kunst und Kultur sehr stark, aber auch den Sport – betreffend dieses Thema möchte ich mich dann doch noch einmal kurz verbreitern –, aber ja, ich gebe Ihnen recht: Bei dem Status, wo wir jetzt stehen, sind ein paar Sachen dann nicht mehr nur logisch gewesen.

Nehmen wir nur die Maske – das Beispiel wurde gebracht; das ist ja wirklich vor lauter gut gemeint halt dann ein bisschen holprig übrig geblieben – und das Restaurant her: Im Restaurant braucht man die Maske nicht mehr – ursprünglich wurde dort ja auch, soweit ich mich erinnern kann, das gehört zu haben, insofern ich dazu überhaupt Gelegenheit gehabt habe, an eine Verwendung gedacht; beim Hinausgehen auch. Aber eigentlich: Wieso beim Hinausgehen und beim Aufs-Klo-Gehen nicht, und so? – Aber beim Hinein­gehen ist es halt geblieben. – So.

Im Übrigen macht das bei Veranstaltungen, denen wir uns noch zuwenden werden, vielleicht Sinn, weil da zu einem bestimmten Zeitpunkt oft, das wollen wir auch, sehr viele Leute kommen. Da geht es sozusagen um das Einlassmanagement, wenn es betreffend den Meter nicht immer so genau geht. Dort macht es ja Sinn, aber beim Gasthaus strömen die Leute in der Regel ja nicht alle genau zur Aufsperrstunde hinein. Also das kann ich selbst nachvollziehen, da ist dann am Schluss sozusagen bei einer Schablone, die ja gut ausgemessen und gedacht war, von: da eine Ausnahme, da eine Verbesse­rung, da das, halt irgendein kleiner Zahn einer Ruine übrig geblieben, der dann komisch ausschaut. Da gebe ich Ihnen recht.

Was ist passiert? – Es ist ja schon angekündigt worden: Mit der nächsten Verordnung wird das saniert, und in der Gastronomie wird es dann diese Maskenpflicht auch beim Hineingehen nicht geben.

Insgesamt ist aber, glaube ich, sehr viel gelungen, auch in Zusammenarbeit mit der Be­völkerung, der diesbezüglich auch immer wieder zu danken ist.

Jetzt gibt es bei diesen Aufsperrvorstellungen tatsächlich einen Stufenplan. Ich möchte schon darauf hinweisen – vor allem, wenn man das auch mit anderen Ländern ver­gleicht –: Planlos ist das nicht, was jetzt ab 29. Mai/Anfang Juni möglich ist, dann ab 1. Juli, 1. August bis zum 1. September – aber zu dem, was nachher passieren soll, kom­me ich noch –, und wenn man das mit internationalen Maßnahmen sowohl im Sport- als auch im Kulturbereich vergleicht – ich kann im Übrigen diese upgedateten internationalen


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Vergleiche empfehlen, wenn das im direkten Weg möglich ist; da muss ich noch die Abteilungen und Sektionen fragen, ob wir das vielleicht noch als Service zur Verfügung stellen können –, dann sieht man schon, dass sich niemand nur leichttut. Schauen Sie sich die Bundesländer in Deutschland – dort geschieht sehr viel auf Bundeslandebene – oder auch andere Nationen in Europa an, wie die da alle – auch gemessen an ihrem eigenen Infektionsgeschehen, da sind ja nicht alle gleich weit –, probieren, dass Ding jetzt wieder hochzukriegen!

Und da muss ich sagen: Okay, wir sind da erstens nicht bei den Hinteren, sondern oh­nehin bei den Vorderen, und zweitens erscheint mir der Stufenplan jetzt nicht unplau­sibel. Ich will hier nichts wiederholen, was Sie vielleicht sowieso kennen – die Dinge sind ja zum Teil verlautbart worden und sind schon in Verordnungen oder werden gerade eben in Verordnungen gegossen –, aber diese Maskengeschichte wird ab 15. Juni redu­ziert – da geht es nicht nur um die Gastronomie. Überall dort aber, wo der Natur der Sache nach der Meterabstand – das bleibt ja noch die Grundregel – unterschritten wer­den kann – nicht unbedingt soll – oder da oder dort werden muss, bleibt der Mund-Na­sen-Schutz. In den öffentlichen Verkehrsmitteln, die wir ja nicht zusperren wollen, ist der Meterabstand halt zumindest beim Ein- und Aussteigen oder auch dann, wenn sie wieder mehr genutzt werden, nicht immer möglich. Umgekehrt ist es so, dass die durchschnittli­che Verweildauer im U-Bahn-Waggon 10 Minuten beträgt – also hm –, aber da ist der Mund-Nasen-Schutz natürlich sinnvoll und richtig, und er bleibt auch.

Das gilt bei allen Betätigungen – das sind vor allem Dienstleistungen, aber die Ausübung dieser Berufe sollte ja wieder möglich sein; die haben wir auch zugelassen, im Übrigen relativ früh – überall dort, wo aufgrund der Dienstleistung der Meterabstand nicht einge­halten werden kann, Friseur zum Beispiel. Da ist es nach wie vor sinnvoll, wenn eine Maske getragen wird; Ähnliches gilt bei anderen Dienstleistungsbereichen. So ist das eine vernünftige Grundregel geworden.

Was die Aufsperrfristen betrifft, gibt es einen ganz großen Unterschied jeweils mit den Daten 1. Juli, 1. August, nämlich dass draußen – also outdoor, wie man jetzt immer sagt – mehr möglich ist als drinnen, und da beziehe ich mich jetzt zunächst einmal auf die Zuschauerzahlen, weil das im Kulturbereich immer das Relevante ist. Das Bühnen­geschehen ist ein eigenes Thema – ich glaube, da ist jetzt mit entsprechenden Konzep­ten sehr viel zugelassen.

Zu den Zuschauerzahlen: Ja, natürlich sind wir auch da ein bisschen in der Abwägung zwischen dem Vorsichtsprinzip und einem Doch-schon-deutlich-mehr-Zulassen, aber ein paar Grundregeln sind schon erkennbar, beispielsweise: draußen geht mehr als drin­nen, und auf diese Weise, wenn Sie so wollen, errechnen sich nachgerade diese Mög­lichkeiten. Wenn wir also dann mit 250 Zuschauern indoor im Juli starten, und mit sozu­sagen besonderen Konzepten sind dann im August outdoor 1 250 Zuschauer möglich – dazwischen gibt es halt diese Schattierungen –, dann leitet sich das schon nach be­stimmten Prinzipien ab.

Das wird auch, wenn ich zum Sport komme, für nach dem 1. September eine große Rolle spielen. Der Gesundheitsminister und das Bundeskanzleramt tauschen sich da jetzt in­tensiv aus, wie wir diese Studien mit internationalen, europäischen, aber auch österrei­chischen Erkenntnissen, die wir schon in der zweiten Juniwoche erwarten, so zusam­menfassen, dass wir ab dem 1. September noch eine weitere Perspektive geben können und dass wir, weil es im Sportbereich ja auch um Zuschauer geht – ich rede jetzt nicht vom aktiven Sporteln, sondern von den Besucherzahlen –, dort dann auch zumindest mit dem Meterabstand noch viel größere Zuschauerzahlen zulassen können, jedenfalls wollen wir das. Da muss man abwägen. Ob und inwieweit es beispielsweise im Freien möglich ist, auf diesen Meterabstand zu verzichten, das halte ich noch für offen. Ich bin


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ja kein Virologe oder sonstiger Gesundheitsexperte, aber es wird halt versucht, das mög­lichst faktenbasiert zu ermöglichen.

Natürlich ist das Ziel, dass man zumindest outdoor, weil das für den Sport relevanter ist, entsprechend mehr Besucherinnen und Besucher zulassen kann (Ruf: Indoor!) – viel­leicht auch indoor; das wird man sehen –, aber selbstverständlich muss das Ziel auch sein, möglichst bald wieder alle Plätze, die es in einer Kulturinstitution gibt – auch indoor, wie hier zwischengerufen wurde –, verkaufen zu können oder jedenfalls entsprechende Besucherzahlen zuzulassen, und für draußen gilt das natürlich erst recht.

Aber nur, da sind wir dann schon auch ein bisschen im internationalen Vergleich unter­wegs, und ich kenne kein Land, das sagt: Okay, es ist uns alles egal, auch in Innenräu­men können so viele zusammensitzen, wie wollen, und wir legen einfach los! – Das wird noch ein bisschen Zeit brauchen, aber das Ziel ist, in dieser Abwägung möglichst viel zuzulassen.

Eines muss auch klar sein: Eine zweite Krankheitswelle wollen wir zumindest nicht mut­willig provozieren. Diese Abwägung muss ja immer jemand treffen! Es ist nämlich leicht, sozusagen im Unterholz herumzuhirschen, aber wenn du in der Lichtung stehst und das irgendwie verantworten musst, ist es schon eine Spur anders.

Wir können ja nicht so tun, als ob das Virus plötzlich weg wäre (Bundesrat Rösch: War immer schon da! – Bundesrat Steiner: Das macht ja keiner!), wenn es sich schon um 2 Uhr, wie hier gemeint wurde, nicht anders verhält als um 1 Uhr nachts – im Übrigen stimmt das sicher, aber die Menschen verhalten sich anders, weil sie in den entspre­chenden Nachtlokalen immer lauter sprechen et cetera et cetera, daher kommt das. (Bundesrat Steiner: Nicht alle, manche sind mittags auch schon gut drauf!) Das hat ja diesen Grund – aber lassen wir diesen Nachtrag weg.

Jedenfalls ist und bleibt es eine Abwägungssache, solange wir nicht mehr wissen. Das, was wir wissen, wollen wir aber einsetzen für die Entscheidungsabwägung, und hoffent­lich wissen wir bald noch mehr. Das Ziel ist natürlich, nicht absichtlich etwas niederzu­drücken, sondern absichtlich einiges zuzulassen – und dann immer mehr –, damit man sich dann mit den entsprechenden kreativen Möglichkeiten dort bewegen darf. Das wer­den wir dann ja nicht vorschreiben.

Ich komme noch schnell zum Sport: Wir haben der Bundesliga nicht vorgeschrieben, dass sie jetzt eine Meisterschaft genau in diesem Modus fertig spielt, wir haben das nur ermöglicht!

Damit bin ich beim Spitzensport angelangt, und dabei waren wir, glaube ich, europaweit auch eher bei den Vorderen. Das ist jetzt vielleicht nicht das Lebenswichtigste, aber man soll die Bedeutung von so etwas, nämlich wenn ein Bedürfnis da ist, Sport passiv zu konsumieren und zuzuschauen, auch nicht unterschätzen. Das ist auch ein Schritt in Richtung sogenannte Normalität, die ja so sehr herbeigesehnt wird.

Siehe da, was haben wir gemacht!? – Wir haben das natürlich nicht nur für Fußball gemacht oder, wie hier im Raum einmal gesagt wurde, nur für die Männer, sondern das gilt natürlich für alle, auch für den Frauenfußball et cetera. Das gilt für alle, die eine gleiche Konzeption vorlegen, bis hin zu Kampfsportarten – das war ja bis jetzt eigentlich undenkbar. Mit gar nicht so vielen Testungen – wir sind da relativ moderat geworden –, aber mit einem entsprechenden Gesundheitskonzept kann man jedenfalls einmal im Spitzensport und im Berufssportlertum ziemlich viel machen. Das ist gelungen.

Breitensport – gehen wir jetzt weg von den Zuschauern – ist natürlich auch ganz wichtig. Da kann ich nur anmerken, dass mit 29. Mai – der ist ja eben schon vorbei – schon so ziemlich alles zugelassen wurde, wenn die Abstände eingehalten werden. Ich sage Ih­nen eines ganz offen – ich komme jetzt auf ein schwieriges Beispiel mit großer ökono­mischer Relevanz für viele Betriebe –: indoor: die Fitnesscenter.


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Bei Fitnesscentern könnte es schon Schwierigkeiten geben, denn wenn da viele Men­schen womöglich auf engstem Raum sind, die kraft ihrer Betätigung ein ganz anderes Aus- und Einatemverhalten haben – genau darum geht es, so viel wissen wir ja wohl –, dann ist das gar nicht so wenig riskant. Wir haben das Risiko trotzdem genommen und wir werden uns das natürlich genau anschauen. Dort ist nur der 2-Meter-Abstand übrig geblieben, keine Quadratmeterregelungen mehr et cetera.

Dann gibt es auch welche, die sagen, dass man es ja umgekehrt sehen muss, wenn ich das da einflechten darf. Es gibt welche, die sagen: Hallo, uns geht das zu schnell, wir haben Sorge! – Und eines muss man schon erwähnen: Sagen wir, günstigstenfalls ist diese Herangehensweise ein Missverständnis: Diejenigen, die dort sind, sind eh fit – es heißt ja auch Fitnesscenter! –, und die werden vielleicht zu 90 Prozent gar keine Symp­tome zeigen, weil sie so fit sind. – Aber darum geht es nicht. Ich halte solch eine Herangehensweise für mittelmäßig verantwortungslos. Warum? – Weil ja gerade das die Gefahr ist: Diejenigen, die die Symptome nicht zeigen, sind die, die die Krankheit über­tragen, ohne dass sie es wissen. Der muss das nicht einmal böswillig machen – er macht das ja auch nicht böswillig, weil er es noch nicht einmal weiß.

Diese Verantwortung, das alles zu betrachten, muss eben auch jemand übernehmen, dafür kann ich ja immer wieder nur plädieren. Insofern bleibt es schon wichtig, dass wir wenigstens halbwegs auf diese Abstandsregeln schauen, solange wir keine Impfung oder kein besonderes Medikament haben.

Wenn es jetzt so ist, dass das alles zum Beispiel outdoor in Richtung Vernachlässigbar­keit geht, dann wird man das bei Sportarten – wie es jetzt in der Bundesliga zugelassen ist, aber die haben ein Gesundheitskonzept und regelmäßige Testungen – auch viel­leicht lockern. Das wird ja herbeigesehnt – mir ist das völlig bewusst! –, gerade auch von den Jugendlichen, die jetzt wieder Fußball oder was auch immer spielen wollen. Das wird vielleicht möglich sein. Wenn wir dahinterkommen: Okay, im Freien ist das nicht so schwierig!, dann machen wir das.

Grundsätzlich bleibt aber die Gefahr, die ich gerade mit dem Beispiel Fitnesscenter be­schrieben habe, und dort spielt das natürlich auch in ökonomischer Hinsicht eine große Rolle, weil das in erster Linie Gewerbebetriebe sind, und die haben das natürlich schon herbeigesehnt.

Zum Abschluss noch eines: Bei allem Verständnis für ein bisschen Parteipolitik – hier geht es ohnehin sehr gemütlich zu – möchte ich Ihnen schon noch eine kleine Anekdote über Wien erzählen, und weil da halt ein paar Budgetpannen passiert sind – mir ist das ja völlig bewusst. Man kann auch kritisieren, wie das Budget überhaupt gemacht wurde, und, und, und – Frau Bundesrätin Schumann hat es ja noch einmal angesprochen. Sie hat im Übrigen auch die Kurzarbeit angesprochen, und da muss ich sagen: Seien wir froh, dass wir sie haben – das ist ja eine sozialpartnerschaftliche Einigung –, denn in der Liga gibt es das europaweit auch fast nirgends. Und mir ist lieber, die Menschen sind in Kurzarbeit als arbeitslos, noch dazu, wo die Chance auf Wiedereinstellung besteht, und die Nettoersatzrate von 80 bis 90 Prozent ist jetzt nicht das Schlechteste, das sollte man nicht ganz vergessen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Aber ja, ich gebe Ihnen recht: Wien ist sicherlich eine der lebenswertesten Städte. Ich sehe keine Veranlassung, da herumzudoktern, ich erinnere mich eben nur an eine Anekdote, die mit dem Parlament, aber primär mit dem Nationalrat, zu tun hatte: Als wir 2010 im Oktober, denke ich, Landtagswahlen in Wien hatten, war unter Bundeskanzler Faymann die Strategie oder die Taktik – wie auch immer man das nennen will –, ein fix und fertiges Budget zurückzuhalten. – Da haben jetzt nicht sechs Nullen oder sonst etwas gefehlt, sondern da hat gleich das ganze Budget gefehlt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Warum? – Obwohl gesetzlich vorgeschrieben gewesen wäre – ihr könnt das im Bundes­haushaltsrecht nachlesen; jedenfalls 2010 hat es so gegolten –, dass es fristgerecht ein­gebracht wird, und zwar im Oktober – und dann laufen halt die parlamentarischen Pro­zesse, Sie kennen das: Ausschüsse et cetera –, hat man es auf November verschoben, um es dann in ganz kurzer Zeit durchzudrücken, bis in den Advent hinein, weil man die Zahlen vor der Wiener Landtagswahl nicht zugänglich machen wollte. – Also auch das hat es gegeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Das war ein Zufall!)

Und das war mit Anlauf verfassungswidrig – weil es jetzt solch eine Debatte gibt –, allein, es gibt keine Sanktion dafür, aber verfassungswidrig war es schon. Der eine oder andere Nationalratsabgeordnete hat sich dann zu einer 12,5-Stunden-Rede hinreißen lassen, die mit dem Satz begonnen hat: Am Anfang stand der Verfassungsbruch.

Arbeiten wir also alle wieder zusammen (Beifall bei den Grünen), Bundesländer und Bund, zwischen allen Parteien! Die Debatte hier war äußerst kollegial – ich habe ja ge­sagt, es ist eine Anekdote und keine scharfe Attacke –, bleiben wir dabei, eben zwischen Bundesländern und Bund! Wir haben da genug gemeinsam zu tun, und es funktioniert ja ganz gut.

Die Salzburger Festspiele sind angesprochen worden: Alles wurde gemeinsam verein­bart, wie auch beim Sport. Machen wir das halbwegs so, so gut es uns gelingt, zwischen den Parteien, obwohl es, ja, auch ein Schritt zur Normalität ist, wenn die Opposition wieder schärfer kritisiert. Das ist Ihr gutes Recht, nutzen Sie es ruhig! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Nützen wir auch! Aber danke, dass Sie uns das zugeste­hen! Danke, sehr nett! Da sind wir schon sehr froh! – Bundesrätin Mühlwerth: Danke!)

10.29


Präsident Robert Seeber: Ich danke dem Herrn Vizekanzler und Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. Ich erteile ihr dieses.


10.29.29

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! „Es lebe der Sport / Er is gesund und mocht uns hoat / Er gibt uns Kraft er gibt uns Schwung / Er is beliebt bei Alt und Jung“. – Wer kennt diese Textzeilen von Rainhard Fendrich nicht?! Ob aktiv oder passiv: Jeder und jede von uns musste wegen der Coronabeschränkungen mehr oder weniger auf sportliche Aktivitäten verzichten beziehungsweise muss es noch immer.

Mit den aktuellen Lockerungen seit 29. Mai dürfen alle Sportarten, indoor wie outdoor, bei denen ein Mindestabstand von 2 Metern beziehungsweise im öffentlichen Raum von 1 Meter eingehalten wird, wieder ausgeübt werden. Dieser Abstand darf in Ausnahmesi­tuationen sogar kurzfristig unterschritten werden, sodass zum Beispiel auch Tennis-Dop­pel, Faustball oder Segeln in bestimmten Bootsklassen möglich ist – ich komme vom Attersee und muss das kurz erwähnen. Leider nicht möglich sind immer noch gewisse Kampfsportarten beziehungsweise Mannschaftssportarten wie Eishockey, Handball, Basketball, Volleyball, Beach-Volleyball, Squash oder Rudern.

Es gibt in Österreich – und das ist gut so – eine sehr große Anzahl von Sportvereinen, in denen Kinder eine sinnvolle Freizeitgestaltung finden, und Sport trägt natürlich auch weitreichend zur körperlichen Fitness bei. Daher ist es wirklich zu begrüßen, dass es


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nun möglich ist, auch wieder vermehrt sportlich aktiv zu sein, obwohl ich auch an dieser Stelle noch einmal betonen möchte, dass es – auch dank deines Einsatzes, Werner – für uns immer möglich gewesen ist, nach draußen zu gehen, spazieren zu gehen, Fahr­rad zu fahren, und dass das in der Zeit der Coronabelastung nicht verloren gegangen ist.

Sport selbst dient zur Stärkung unseres Immunsystems, und ein gesundes Immunsys­tem ist ein zusätzlicher Schutz gegen Krankheiten. Daher darf man nicht vergessen und muss an dieser Stelle sagen: In den letzten Monaten haben Sporttrainerinnen und Sport­trainer sowohl im privaten Vereinsbereich als auch im schulischen Sektor wirklich Groß­artiges geleistet, und dafür sage ich an dieser Stelle meinen großen Dank.

Sehr schnell fanden nämlich Sporttrainerinnen und -trainer mit ihrer Kreativität auch die Möglichkeit, zum Beispiel über Zoom Trainingsprogramme zusammenzustellen und die Kinder auf diese Weise zu motivieren, auch weiterhin aktiv zu bleiben. Zudem haben die Vereine selbst durch ihre fachlichen Inputs mit dazu beigetragen, Konzepte zur schritt­weisen Lockerung auszuarbeiten.

Umso wichtiger ist es aber nun, mit diesem Hilfspaket auch die Sportvereine gut zu un­terstützen. Abgesagte Meisterschaften und somit nicht dokumentierte Erfolge führen nicht nur zu Einnahmenverlusten bei den Vereinen, sondern leider auch zu Motivations­verlusten bei so mancher Sportlerin und so manchem Sportler. Doch erst die vollständige Lockerung wird uns wieder Normalität bringen.

Ich halte es aber auch für wichtig, dass es im Zuge der Wiederaufnahme des Schulunter­richtes wieder zur täglichen Bewegungsstunde kommt. Lebenslange Bewegung zu ler­nen ist genauso wichtig wie Lesen zu lernen. (Bundesrätin Grimling: Stimmt!) Meiner Auffassung nach ist eine freiwillige Sportstunde am Nachmittag zwar gut gemeint, wird aber wahrscheinlich nur selektiv angenommen werden.

Abschließend möchte ich noch auf eine sehr erfreuliche Perspektive hinweisen, nämlich auf die Sommercamps: Sportcamps und Sommercamps für Kinder werden in Kürze wie­der erlaubt sein. (Bundesrätin Schumann: Leisten muss man es sich können!) Dass das wieder erlaubt sein wird, freut mich persönlich besonders, weil diese Ferienveranstaltun­gen einerseits Kindern Normalität und Spaß zurückbringen und andererseits auch für die Eltern einen wichtigen Entlastungsfaktor darstellen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.33


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich er­teile ihr dieses.


10.34.10

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim vor den Bildschirmen! In meinem doch noch relativ jungen Leben habe ich den Sport in so ziemlich allen Facetten kennenlernen dürfen, vom Breiten- zum Spitzensport über Sport als Reha-Maßnahme und integrativen Sport sogar bis hin zum paralympischen Spitzen­sport, und ich kann Ihnen dank meiner gewonnen Informationen und meines in dieser Zeit aufgebauten Netzwerks sagen, dass die Coronakrise ganz besonders den Sport, und zwar nicht nur den Spitzensport, sondern auch den Breiten- und Behindertensport, besonders hart getroffen hat und nach wie vor mit großen Herausforderungen konfron­tiert.

Schneller, höher, weiter – ihr alle kennt vermutlich diesen Spruch. Für viele Spitzen­sportler ist dies der verinnerlichte Leitspruch, dem sie ihr ganzes Leben unterordnen. Von heute auf morgen waren sie aber mit Einschränkungen in ihrem Trainings- und


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Wettkampfalltag konfrontiert, die für sie die Beibehaltung des gewohnten professionellen Trainingsumfelds nur sehr schwer möglich machten.

Ski-Alpin-Fahrer beispielsweise mussten auf wichtige Materialtests als Vorbereitung für die kommende Wintersaison verzichten. Fußballer und Angehörige vieler anderer Sport­arten mussten, wie wir schon gehört haben, unterbrechen beziehungsweise die Saison vorzeitig beenden. Insbesondere in Kampfsportarten wie Judo und Karate leidet man extrem unter der aktuellen Situation. Diesen Menschen fehlt aktuell jegliche Perspektive betreffend zukünftige Wettkämpfe, die eine hohe Internationalität aufweisen. Somit ist auch eine Qualifikation für Olympia derzeit noch völlig offen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Viele Einzelschicksale sind damit verbunden. Als ehemalige Spitzensportlerin kann ich mir sehr gut vorstellen, wie hart das ist, und deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, mich bei allen Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern ganz herzlich für ihre Geduld und ihre beispiellose Vorbildwirkung in den vergangenen Wochen und Monaten zu bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sport besteht aber natürlich nicht nur aus Spitzensport, sondern Sport vermittelt unseren Kindern – das hat auch meine Vorrednerin schon sehr schön erwähnt – essenzielle Wer­te wie Teamgeist, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz, aber auch die Fähigkeit des Umgangs mit Niederlagen. Darüber hinaus wirkt sich Sport natürlich positiv auf unsere Gesundheit und unsere Psyche aus, und Sport führt zu sozialer Integration und Rehabilitation. Aus diesen Gründen ist es von großer gesellschaftlicher Bedeutung, dass die negativen Implikationen der Coronakrise von der Bundesregierung angegangen und bestmöglich beseitigt werden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dass das bereits sehr gut gelungen ist. Dank der raschen Reaktion und der richtig gesetzten Maßnahmen der Bundesregie­rung konnten Spitzensportler den Trainingsbetrieb deutlich früher wieder aufnehmen, als dies zum Beispiel in unserem Nachbarland Schweiz möglich war. Die schrittweise Öff­nung der Indoor- und Outdoor-Sportstätten wie der Freibäder und Fitnessstudios ermög­licht nun den Sportbegeisterten unter uns eine schrittweise Rückkehr in den sportlichen Alltag.

Insbesondere die Verbände und Vereine, deren Tätigkeiten in den vergangenen Wochen völlig zum Erliegen kamen, atmen angesichts der angekündigten Lockerungsmaßnah­men wieder vorsichtig auf. Ihre Sorgen um die Zukunft sind jedoch nach wie vor groß. Viele Vereine im Bereich des Breitensports – auch das hat meine Kollegin schon be­leuchtet – verzeichnen bereits jetzt deutliche Rückgänge an Mitgliedern und Sponsoren. Beides bedeutet weniger finanzielle Mittel, um den Vereinsbetrieb aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus herrscht auch die große Sorge, dass Trainer und Funktionäre Gefallen daran finden, dass sie mehr Zeit zu Hause für Familie und ihre eigenen Hobbys haben und somit als Funktionäre in den jeweiligen Vereinen, die so immens wichtig für Sport und Gesellschaft sind, quasi wegbrechen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bringe aber eine positive Nachricht zum Schluss: Sportler haben eine gute Resilienz. Sie sind es gewohnt, sich auf sich ändernde Bedingungen einzustellen, und sie können auch aus schwierigen Zeiten das Beste ma­chen – und ich glaube, darauf kommt es jetzt an. Bleiben wir optimistisch, bleiben wir zuversichtlich und bleiben wir vor allem weiterhin sportlich, um uns dadurch gesund zu halten! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.39


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.


10.39.13

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident – danke, dass du wäh­rend meiner Rede noch am Präsidium bleibst! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin!


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Geschätzte Damen und Herren hier im Plenum! Lieber Gerhard! Liebe Zuseher zu Hau­se vor den Bildschirmen! Herr Vizekanzler, Sie haben uns des Öfteren mit einer Presse­konferenz erheitert, eine ist mir in Erinnerung geblieben: Ich glaube, es war die erste Pressekonferenz betreffend Öffnung Spitzensport, Breitensport und Gesellschaftssport, und dabei ging es um Golfen, das Fliegen und unter anderem auch um Tennis. Sie haben uns erklärt, wie man mit einem Gegner Tennis spielt und die anderen Bälle nicht in die Hand nimmt. Daher habe ich jetzt hier Tennisbälle für Sie. (Der Redner übergibt Vize­kanzler Kogler eine Dose Tennisbälle.) Bitte markieren Sie diese Bälle richtig! Ich habe es probiert, habe es aber nach Ihrer Anleitung nicht geschafft. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ.) – Das war aber ein perfekter Beitrag zur Eröffnung.

Ich habe von den Grünen vorhin gehört: Wichtig ist die Hoffnung. – Ja, hoffen tun wir alle! Ich habe aber auch gehört, wie spannend der Kulturbereich ist, und zwar gerade in diesen Zeiten. Kollege Schreuder ist jetzt nicht hier; ich möchte dazu sagen: Die Kultur hat sich alles selbst organisiert. Das war ein Selbsthilfeprogramm beziehungsweise Notprogramm der Kultur und nicht das Programm einer vorausschauenden Regierung oder eines vorausschauenden Ressorts. Abgesehen davon bedeutet schneller nicht im­mer besser. Ab und zu wäre es das Bessere, genauer zu agieren, Herr Vizekanzler! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Bleiben wir kurz bei der Kultur: In den letzten Tagen und Wochen haben wir in diesem Zusammenhang nicht gerade ein Glanzstück politischer Kommunikation erlebt. Es wur­de mit den Künstlern und Künstlerinnen neun Wochen lang nicht geredet. Wir haben das in der letzten Bundesratssitzung schon besprochen. Man hat auf Kunst und Kultur schlichtweg vergessen, bis man draufgekommen ist: Ups! In diesem Bereich brennt der Hut, da muss etwas geschehen! Und dann hat man die Staatssekretärin ausgetauscht.

Ich frage mich nur: Wer ist Minister für Kunst, Kultur und Sport, also Hauptmann des Schützengrabens, und war die ganze Zeit nicht da? Er hat sich nie herausbewegt! Herr Vizekanzler, wo waren Sie? Warum haben Sie in der Zeit, als eigentlich alles schiefge­laufen ist, nicht eingegriffen? Es war alles unkontrolliert. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Aber wir sind sehr zuversichtlich, nachdem es zuerst pure Verunsicherung gab, dass die neue Staatssekretärin – seien Sie bei uns begrüßt! – da jetzt ein bisschen Ordnung hi­neinbringen wird. (Bundesrat Steiner: Sie ist eine Genossin von Ihnen!) – Das wollte ich gerade sagen, Herr Steiner, aber jetzt nicht mehr, das ist ruhend gestellt! Aber ich finde das ganz klass: Die Scheuklappen der Parteipolitik wurden abgelegt. Davor ziehe ich meinen Hut, muss aber auf der anderen Seite doch festhalten, dass die Grünen mit Kunst und Kultur sehr wenig am Hut haben. Irgendwie können sie das nicht, andernfalls hätten sie ja jemanden in ihren Reihen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Herr Vizekanzler, was ist mit Ihnen? Können Sie Kunst und Kultur nicht? Warum haben Sie dann genau dieses Ressort genommen? (Bundesrätin Schartel: Weil sie es bekom­men haben!) Ja, vielleicht mag man es nicht und es ist nur übrig geblieben. Aber, Frau Staatssekretärin, wir freuen uns, und ich glaube, es wird gut werden. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, genau, übrig geblieben, eine blöde Geschichte!

Kommen wir zum Sport: Die Menschen im Spitzensport, die Athleten, Funktionäre und Veranstalter haben Wochen und Monate darauf gewartet, dass sie irgendein Zeichen bekommen. Das erste Zeichen war – jetzt muss ich mich aber beeilen –, dass in der Formel 1, einem wahrlich nachhaltigen Projekt, in Österreich gleich zwei Rennen ausge­tragen werden dürfen. Super! Das ist wirklich fantastisch! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Was ist mit dem Breitensport? Was ist mit der Jugend? Was ist mit der Kultur? Wo wird der Nachwuchs gefördert? Sport trägt nachweislich zur Gesundheit in diesem Staat, zum sozialen Zusammenhalt, aber auch zur Förderung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen bei.


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18 Milliarden Euro und 300 000 Arbeitsplätze sind in Österreich auf die Wertschöpfung beim Sport zurückzuführen. Ich glaube aber, dass auch der Sport bei Ihnen ein Rand­thema ist – Pressekonferenzen sind wichtiger.

Sportpolitik ist momentan nicht vorhanden, Sport wird missachtet. Deswegen fordern wir die tägliche Turnstunde. Herr Vizekanzler, wo bleibt Ihr Aufschrei? Die tägliche Turn­stunde ist im Rahmen von Freiwilligkeit auf den Nachmittag verbannt worden, und das soll gleichzeitig in der ganzen Schule geschehen. Das werde ich mir jetzt, egal wo auch immer, anschauen! In der Halle ist es nicht erlaubt, und der Platz wird wahrscheinlich zu eng sein, wenn dort 100 Kinderlein sind.

Wo ist also die Wahrnehmung Ihrer Verantwortung? Wo ist Ihr Aufschrei zu diesem The­ma gegenüber dem Unterrichtsminister? – Ich vermisse ihn!

Wir fordern die tägliche Turnstunde. Wir fordern 100 Millionen Euro für die Vereine die­ses Staates, die großen Schaden erlitten haben. Die Österreicherinnen und Österreicher müssen sich bewegen. Bitte bewegen Sie sich auch endlich! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

10.45


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


10.45.27

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Sportminister! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Frau Staatssekretä­rin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Für mich ist dies heute wirklich ein besonderer Moment, da wir unseren Sportminister hier haben. – Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich Sie heute vermehrt als Sportminister ansprechen werde, ich glaube nämlich, dass dieser Bereich bei Ihnen ein wenig in Vergessenheit geraten ist.

Ich frage mich: Was ist aus diesem Mann der großen Worte – Sie haben es heute selbst schon erwähnt, Herr Sportminister: 12,5-Stunden-Rede im Nationalrat – geworden, der wirklich etwas verändern wollte? – Im Bereich des Sports, vor allem im Bereich des Brei­tensports und des Jugendsports, ist eher ein Schweigeminister daraus geworden, wie es Kollege Wanner vorhin schon richtig angesprochen hat. Wir hätten uns von Ihnen Worte dazu gewünscht, aber dazu schweigen Sie, Herr Sportminister! (Bundesrat Schen­nach: Taten zählen!)

Seit Sie Vizekanzler sind, haben Sie anscheinend vergessen, dass Sie viele weitere Be­reiche abzudecken haben: den Bereich der Kunst, und zwar nicht nur Ihre linken Künst­ler, sondern den gesamten Bereich der Kunst, den Bereich der Kultur, auch der Volks­kultur, des öffentlichen Dienstes und des Sports, wobei mir der Sport ganz besonders am Herzen liegt. Seit Sie diese Ressorts übernommen haben, hat es aber weder im Nationalrat noch im Bundesrat eine Ausschusssitzung des Sportausschusses gegeben, und es gibt viele Anträge, die hier noch zu behandeln wären, Herr Minister.

Was mir auch fehlt, sind klare Worte betreffend dieses 700-Millionen-Euro-Förderungs­paket. Was bleibt wirklich für die regionalen Vereine übrig? Was bleibt wirklich vor Ort übrig? Wie viel davon ist dafür vorgesehen? – All das bleibt unbeantwortet. Deshalb muss ich sagen: Es stimmt mich ein wenig traurig, dass nicht nur von Ihnen, sondern von der gesamten Bundesregierung der Sport stiefmütterlich behandelt wird. Die ge­samte Nachwuchsarbeit draußen in den regionalen Vereinen ist sehr schwierig, doch niemand in dieser Bundesregierung fühlt sich für diese regionalen Vereine und Bereiche zuständig.

Herr Sportminister! Es ist schön und gut und auch wichtig, wenn Sie bei Eröffnungen dabei sind, bei einem Nightrace, bei einer Gala des Sports, oder wie die Veranstaltungen


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auch alle heißen mögen, viel wichtiger wäre es aber, wenn Sie sich einmal vor Ort ein Bild von den regionalen Vereinen, von der Nachwuchsarbeit, von den großartigen Nach­wuchstalenten, die wir haben, machen würden, aber auch von den widrigen Umständen, die diese Bundesregierung ihnen auferlegt hat, wenn sie ihrem Sport nachgehen wollen.

Versuchen Sie einmal, Kindern und Jugendlichen beizubringen, dass sie trainieren sol­len und müssen, um besser zu werden, ohne dass sie sich je mit irgendjemandem mes­sen oder vergleichen können, weil einfach keine Wettkämpfe mehr stattfinden. Es ist nämlich nicht nur das Duschen, das nicht mehr stattfinden kann, sondern diese Bundes­regierung hat gerade den Nachwuchssportlern viele, viele Steine in den Weg gelegt. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Daher bitte ich Sie: Machen Sie sich ein Bild davon! Ich lade Sie gerne ein, einmal zu unseren Sportvereinen zu kommen, wenn Sie in der Steiermark sind! Machen Sie sich ein Bild von der wirklich großartigen Arbeit, die in den Vereinen geschieht! (Beifall bei der FPÖ.) Machen Sie sich aber auch ein Bild davon, wie viele Hürden diese Bundesre­gierung diesen Menschen in den Weg gelegt hat!

Herr Sportminister! Es ist mir vollkommen bewusst, dass der Babyelefantenabstand nicht bei allen Sportarten und nicht immer einzuhalten ist. Es ist mir vollkommen bewusst, dass man beim Fußball, beim Handball, beim Basketball und vielleicht auch beim Rad­fahren diesen Babyelefantenabstand manchmal kurzfristig unterschreitet, aber glauben Sie mir: Das sind nicht die Dinge, die unsere Menschen krank machen! Was unsere Österreicherinnen und Österreicher wirklich krank macht, sind Ihre Hürden und Ihre Stei­ne, die Sie den Menschen im Bereich des Sports in den Weg gelegt haben. Das macht sie krank, aber nicht die Ausübung ihres Sportes! (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich ist eine Sportnation. Wir haben sehr viele begeisterte Sportler, die durch ihren Sport ein sehr starkes Immunsystem aufgebaut haben. Ich bin mir sicher, dass das sehr viel Positives zur Bewältigung dieser Coronakrise beigetragen hat. Das waren nicht nur die Maßnahmen, die Sie in der Bundesregierung geschaffen haben und die in der An­fangsphase sicherlich richtig waren, die aber jetzt schön langsam in einem Coronawahn­sinn enden. Daher wünsche ich mir eine Rückkehr zu unserer normalen Normalität. Kommen Sie in der wirklichen Wirklichkeit an! Öffnen Sie die Augen im Bereich des Sports und legen Sie der Jugend und unserer Nachwuchsarbeit nicht noch mehr Steine in den Weg!

Abschließend muss ich sagen: Diese Bundesregierung hat in vielen Bereichen schon sehr viel Schaden angerichtet. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang immer an die Aufschriften auf den Zigarettenschachteln, denn ich würde mir wünschen, dass auch im Regierungsprogramm steht: Kann Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung Schaden zufügen. (Beifall bei der FPÖ.) – Das würde ich mir wirklich wünschen. Wenn ich sehe, was hier bereits zerstört wurde, dann wäre das, muss ich sagen, wenigstens einmal etwas Ehrliches!

Sehr geehrter Herr Sportminister! Wie gesagt: Diese Bundesregierung hat schon so viel zerstört, zerstören Sie nicht auch noch den Sport! (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Vizepräsident Michael Wanner: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich der Herr Vizekanzler noch einmal zu Wort gemeldet. Ich darf ihn bitten, dass er die Redezeit von 5 Minuten nicht überschreitet, und erteile ihm das Wort.


10.51.19

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler: Ich möchte mich viel kürzer halten und nur auf einen Beitrag repli­zieren, der hier gekommen ist.


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Ich halte es gut aus, wenn die Pressekonferenz zitiert wird, das ist völlig okay. Ich wollte nur auf einen Umstand aufmerksam machen, damit wir ein Bild haben und vielleicht der eine oder andere seinen Eindruck dann revidiert. Ich kann mich auch an diese Presse­konferenz erinnern, dabei ging es ziemlich genau zu Ostern darum, wann was wieder hochgefahren wird, unter anderem Tennis. Ich habe in diesem Fall vorgebracht, dass ja die Fachverbände und einzelne Engagierte – und nicht das Sportministerium und nicht der Sportminister – für sich mit dem Wissen zum damaligen Zeitpunkt freiwillig Regle­ments vorsehen können, wie sie dazu beitragen, dass sie das glaubwürdig schneller und mit allen Sicherungsmaßnahmen machen können, was aus heutiger Sicht vielleicht überzogen wirkt. Das waren dann zehn Regeln beziehungsweise sozusagen zehn Ge­bote; die haben das auch so genannt. Das kam von Alex Antonitsch, den ich sehr schät­ze, und deshalb wollte ich das hier nicht unkommentiert lassen. Ich nehme die Kritik, so es eine solche gab, gerne auf mich, aber auf Alex Antonitsch möchte ich sie nicht sitzen lassen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Schon wieder haben wir ei­nen Schuldigen gefunden!)

10.52


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.52.51Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Michael Wanner: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Enthebung gemäß Art. 78 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Staatssekretärin Mag. Ul­rike Lunacek bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag. Andrea Mayer zur Staatssekretärin,

der Beharrungsbeschlüsse des Nationalrates gemäß Art. 42 Abs. 4 Bundes-Verfas­sungsgesetz,

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen,

eines Schreibens des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenogra­phischen Protokoll der Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 12)

2. Schreiben des Bundeskanzlers

betreffend Enthebung gemäß Artikel 78 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Staatssekretärin Mag. Ulrike Lunacek bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz von Mag. Andrea Mayer zur Staatssekretärin (Anlage 2)


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 42

3. Beharrungsbeschlüsse des Nationalrates gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG

Die ursprünglichen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates vom 28. April 2020 betref­fend

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engage­ment (Freiwilligengesetz – FreiwG), BGBl. I Nr. 17/2012 geändert wird (10. COVID-19-Gesetz) (481/A und 123 d.B.)

und

ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Apothekengesetz geän­dert werden (16. COVID-19-Gesetz) (484/A und 132 d.B.)

und

ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz, das Zustellgesetz und das Agrarmarkt Austria Gesetz (AMA-Gesetz 1992) geändert werden (12. COVID-19-Gesetz) (437/A und 136 d.B.)

sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuerge­setz 1994, die Bundesabgabenordnung, das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härte­fonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), das Bundesgesetz über die Einrichtung ei­ner Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) und das Bun­desgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, geändert werden sowie das Bundesgesetz über die Prüfung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie (COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz – CFPG) erlassen wird (18. COVID-19-Gesetz) (440/A und 143 d.B.)

werden gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG wiederholt

4. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen

Beschluss des Nationalrates vom 28. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (56 d.B. und Zu 56 d.B. sowie 182 d.B.)

und

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 einschließlich COVID-19-Kri­senbewältigungsmaßnahmen (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (55 d.B. und 183 d.B.)

sowie

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (409/A und 147 d.B.)

5. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs betreffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhand­lungen über ein Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automa­tisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen und Fahrzeugregisterdaten (Anlage 3)

6. Mitteilung der Kärntner Landtagsdirektion

betreffend Ableben von Bundesrat Dr. Gerhard Leitner und Nachrückung dessen Ersatz­mitgliedes Nicole Riepl (Anlage 4)


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 43

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung) sowie

Datenschutzbericht 2019 (III-715-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

und

Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Österreich 2019 (III-717-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

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BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 44


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 45

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BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 46

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BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 47


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 48


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 49


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 50

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BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 51

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Vizepräsident Michael Wanner: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen werden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatung abgeschlossen und schriftlich Bericht erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und die Wahl der beiden Vize­präsidentinnen beziehungsweise -präsidenten, der Schriftführerinnen und Schriftführer, der Ordner und Ordnerinnen für das zweite Halbjahr auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Michael Wanner: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 10 und 11, 13 bis 19 sowie 21 und 22 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

*****

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Staatssekretär und den Herrn Außen­minister recht herzlich. Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.) Frau Ministe­rin, Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen, Sie sitzen genau im Eck! Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Fristsetzungsantrag


Vizepräsident Michael Wanner: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wo­nach dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafge­setz, das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Ab­gaben und Beiträge, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbe­kämpfung, das Alkoholsteuergesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Boden­schätzungsgesetz 1970, das Digitalsteuergesetz 2020, das Einkommensteuergesetz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Punzierungsge­setz 2000, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozial­dumping-Bekämpfungsgesetz geändert werden (2. Finanz-Organisationsreformgesetz – 2. FORG)“, eine Frist bis 8. Juni 2020 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend, werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da weiters die Durchführung einer Debatte nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich abstimmen.

Ich ersuche nun alle Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung beschränke ich die Redezeit für jeden Bun­desrat/jede Bundesrätin auf 5 Minuten.

10.59.06Geschäftsordnungsdebatte zu einem Fristsetzungsantrag


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr. (Zwischen­rufe.) – Der Herr Bundeskanzler hat sich zu Wort gemeldet? – Herr Bundeskanzler, ei­nen Moment, wir klären das.

Herr Bundeskanzler! Wir hatten leider Ihre Wortmeldung nicht aufgenommen, ich erteile Ihnen selbstverständlich das Wort. – Bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Vielen Dank und Entschuldigung! Vielleicht haben wir uns nicht ordentlich eingemeldet.

Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Kolleginnen und Kol­legen in der Regierung, insbesondere Herr Vizekanzler! Ich freue mich, dass wir heute im Bundesrat gemeinsam mit Ihnen die neue Staatssekretärin für Kultur vorstellen dür­fen. Wir in Österreich sind eine Kulturnation. Die Kultur ist Teil der österreichischen Iden­tität, sie ist Teil der österreichischen Seele, und sie ist auch ein ganz entscheidender - -


Vizepräsident Michael Wanner: Herr Bundeskanzler, es tut mir leid, Sie sind doch noch nicht am Wort.

Wir sind in einer Geschäftsordnungsdebatte, und Sie haben jetzt zu Tagesordnungs­punkt 1 gesprochen – deswegen waren Sie auch nicht auf der Rednerliste. Aber ich habe solche Ehrfurcht vor Ihnen, dass ich Sie einfach vorgezogen habe. (Bundeskanzler Kurz: Und ich habe so viel Respekt, dass ich mich wieder brav niedersetze!) – Danke schön. (Allgemeine Heiterkeit.)

Wir sind in der Geschäftsordnungsdebatte, und es ist richtig, dass jetzt Frau Kollegin Schumann zu Wort gelangt. – Sie weiß nichts davon. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich unterbreche kurz die Sitzung, wir klären das schnell.

*****

(Die Sitzung wird um 11 Uhr unterbrochen und um 11.01 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsident Michael Wanner: Ich nehme die Sitzung wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Klubvorsitzende Schumann. Ich erteile es ihr.


11.01.56

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): In besonderen Zeiten ist die Welt voller Überraschungen, und mir ist es jetzt natürlich wichtig, zu diesem Punkt zu reden. Es geht um das Finanz-Organisationsreformgesetz und vor allem geht es dabei um den Teil, der die Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge betrifft.

Wir als Fraktion haben schon im Ausschuss diesem Finanz-Organisationsreformgesetz natürlich nicht zugestimmt, und zu den Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge sei Folgendes gesagt: Was uns im strukturellen Ablauf dieses Ausschusses sehr verwundert hat, war, dass nicht bereits im Ausschuss ein Antrag auf Debatte heute im Plenum ge­stellt wurde. Das wäre durch drei BundesrätInnen der Fraktionen ÖVP und Grüne leicht


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möglich gewesen, das ist aber nicht der Fall gewesen. Nun führen wir das also jetzt mit einem gewissen Durcheinander in den Abläufen durch, aber das wird der Sache nicht weiter schaden.

Wir haben bereits zuvor dem Finanz-Organisationsreformgesetz nicht zugestimmt, und wir werden das auch weiterhin nicht tun, und was die Thematik der Stundung der Sozial­versicherungsbeiträge angeht, muss ich schon fragen: Warum hat man dieses Gesetz hier noch schnell hineingequetscht? – Ich glaube, das war keine kluge Entscheidung.

Warum ist man vor allem nicht dem Ratschlag der Opposition gefolgt, hier einzufügen, dass der Bund die Haftung für die Ausfälle bei den Sozialversicherungsträgern trägt? Es kommt jetzt zu nennenswerten Verwerfungen für die Sozialversicherungsträger im Hin­blick auf die ausstehenden Summen. Die Sozialversicherung hat jetzt schon große Min­dereinnahmen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit. Das heißt, das Gesundheitssystem und die Sozialversicherungsträger kommen immer mehr unter Druck.

Jetzt bräuchte es ganz dringend eine Ausfallshaftung. Es ist sehr wohl wichtig, dass die Sozialversicherungsbeiträge gestundet werden, keine Frage! Es war ja auch vor der Covid-Krise möglich, dass Unternehmern und Unternehmerinnen die Sozialversiche­rungsbeiträge gestundet werden, und das ist jetzt fraglos auch wichtig, aber diese Stun­dung darf auf keinen Fall zum Crash im Gesundheitssystem führen!

Das heißt, es braucht die Sicherung dieser Mittel durch den Bund, damit die Sozialversi­cherung auch weiterhin ihre Arbeit im Interesse der Bevölkerung leisten kann. Es war, glaube ich, nicht klug, diesen Satz betreffend Haftung, die der Bund übernimmt, nicht einzufügen. Wir als SPÖ-Fraktion werden daher diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.04


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Karl Bader. Ich erteile es ihm.


11.04.57

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Es geht diesfalls um eine Entscheidung betreffend das Finanz-Organisationsreformgesetz im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge, die wir tref­fen wollen. Wir haben dieses Gesetz auch im Finanzausschuss behandelt, und aufgrund dessen, dass der Antrag der Regierungsparteien, gegen diesen Beschluss keinen Ein­spruch zu erheben, keine Mehrheit fand, bestand auch keine Möglichkeit, diesen auf die Tagesordnung zu setzen. Daher haben wir - - (Bundesrat Steiner: Das ist ja eine Über­raschung!) Das ist geschäftsordnungsmäßig nicht drinnen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ja.

Tatsache ist, dass auch die Gesundheitskasse darauf aufmerksam macht, dass es ein wichtiges Thema für die Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer ist – für deren Interessen Sie sich natürlich entspre­chend einsetzen, was Sie auch immer wieder beteuern –, dass in diesem Zusammen­hang eine entsprechende Möglichkeit geschaffen wird. Daher haben wir über die Mög­lichkeit eines Fristsetzungsantrages jetzt vor, diesen Punkt dieses Gesetzes möglichst zeitnah auf die Tagesordnung zu bekommen, und wir wollen natürlich auch im Interesse der Unternehmen und der Arbeitsplätze diese Entscheidung herbeiführen. (Bundesrat Steiner: Wann?) Das ist das Thema. (Bundesrätin Schumann: Ihr habt das Thema ver­schlafen!)

Zur flapsigen Argumentation, die ÖVP hätte etwas gegen diesen Tagesordnungspunkt, möchte ich sagen: Sie werden doch nicht glauben, dass wir als Einbringer von Gesetzen


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hier Einspruch gegen unsere eigenen Gesetzesvorlagen erheben! Das ist nicht der Fall. (Bundesrätin Schumann: Das wäre gescheit gewesen!) Wir wollen, auch replizierend darauf, dass Sie immer wieder sagen, dass alles zu langsam ist, hier die gesetzlichen Möglichkeiten entsprechend nutzen, und bitten daher auch darum, dass diesem Fristset­zungsantrag die Zustimmung gegeben wird, damit auch diese Sicherheit für die Unter­nehmen und für die Arbeitsplätze in unserem Land weiterhin gegeben ist und dass diese Stundungsmöglichkeiten auch legistisch ordnungsgemäß vorgesehen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.07


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Klubvorsit­zende Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


11.07.25

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregie­rung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher! Herr Kollege Bader, Sie können jetzt versuchen, das schönzureden, aber das wird Ihnen nichts nützen! Versem­melt habt ihr das schon selbst! Das habt schon ihr vorgestern im Ausschuss verschlafen! Ich habe Ihnen das schon ausrichten lassen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Dass beklagt wird, dass das nicht ankommt, und beteuert wird, wie wichtig das für die Unternehmerinnen und für die Arbeitnehmer ist, all das höre ich sehr wohl, mir fehlt aber doch der Glaube. Das haben wir ja heute schon einmal besprochen: Wenn man weiß, dass bis jetzt nur ein ganz kleiner Teil angekommen ist, und sieht, welche Eile Sie nun mit dem Argument an den Tag legen wollen, dass das unbedingt notwendig sei, wobei dieses Gesetz ja ohnehin rückwirkend mit Anfang Juni in Kraft tritt, kann man nur sagen: Das wirkt wirklich ein bisschen heuchlerisch. Es warten nämlich genau die Arbeitnehmer und die Unternehmer auf das ihnen zugesagte Geld. Allerdings scheitern sie schon an der bürokratischen Hürde des Ausfüllens des Formulars, weil dieses dermaßen kompli­ziert ist, dass, wie ich heute schon einmal gesagt habe, auch der versierteste Steuerbe­rater damit seine Schwierigkeiten hat. – Jetzt auf einmal stellen Sie sich her und sagen, dass das so wichtig ist. Im Ausschuss haben Sie aber offensichtlich geschlafen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Dazu kommt noch etwas – und das hat leider bei der ÖVP Schule gemacht –: Sie reden nicht mit der Opposition! Sie glauben, Sie können die Gesetze einfach hineindrücken und sagen: Das wird schon, die müssen das halt machen, denn all das ist ja so wichtig! – Nein, Herr Kollege Bader und geschätzte ÖVP, so geht es nicht! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Finden Sie wieder zurück zu dem Weg – dieser ist ja schon einmal beschritten worden –, sich vorher mit der Opposition abzustimmen, vorher mit der Opposition zu reden, und dann wird auch der normale parlamentarische Ablauf möglich sein. Wir sind die Letzten, die sich dann verweigern und sagen: Das machen wir auf gar keinen Fall, weil es von Ihnen kommt! – Das ist zwar umgekehrt oft genug der Fall, das erleben wir nicht nur einmal, aber normalerweise sind wir, wenn nicht gute Gründe dagegensprechen, ver­nünftig und sagen: Ja, gut, schauen wir uns das an und reden wir darüber, und dann werden wir sicher eine Lösung finden. – Auch das haben Sie versäumt.

Daher bitte nicht jetzt Krokodilstränen vergießen und weinerlich werden und sagen: Die bösen Oppositionsparteien, die sind ja ganz, ganz arg und ganz schlimm, die wollen uns nicht, und alles, was wir bringen, lehnen sie ab!; und als Nächstes werden Sie uns wahr­scheinlich vorwerfen, daraus politisches Kleingeld zu schlagen. – Nein, so ist es nicht, aber eine normale parlamentarische Gepflogenheit ist es, zu sagen: Wir reden zuerst


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einmal mit der Opposition, und dann wird eine Lösung gefunden! – Diesen Weg haben Sie verlassen, und Sie sind aufgefordert, wieder dorthin zurückzufinden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

11.10


Vizepräsident Michael Wanner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Klubvorsitzende Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.11.12

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich habe mich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet: Bundesrat Bader hat in seiner Rede behauptet, dass es notwendig ist, um Betriebe und Arbeitsplätze zu retten, dieses Gesetz jetzt gleich umzu­setzen. – Das ist unrichtig.

Es ist dem Gesundheitsminister möglich, dies per Verordnung umzusetzen (Bundesrat Steiner: Richtig!), und er möge das bitte tun. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Richtig! Das ist nur Show!)

11.11


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Klubvorsitzender Marco Schreuder. (Bundesrat Steiner: Das ist nur Show! Und die Grünen machen ...!) Ich erteile es ihm.


11.11.45

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja bekannt, dass Schwarz/Türkis-Grün im Bundesrat keine Mehrheit hat (Bundesrätin Schumann: „Schwarz/Türkis-Grün“? – Bundesrat Schennach: Drei Parteien seid ihr schon?); das ist demokratisch so zur Kenntnis zu nehmen, und das tun wir auch. (Rufe bei der SPÖ: „Schwarz/Türkis-Grün“?! – Bundesrat Schennach: Wie bei der CDU/CSU?)

Was ich schon sehr interessant finde, ist, dass sich hier ein kleiner Probegalopp einer rot-blauen Koalition breitmacht (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh! – Bundesrat Schennach: ... sehr originell!), mit Zustimmungen und gegenseitigem Applaus. Dinge, die sich vorher nicht zusammenfinden wollten, finden jetzt langsam zusammen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das glauben Sie nicht einmal selbst, Herr Kollege!)

Es ist sehr interessant, das zu beobachten (Bundesrätin Schumann: Das glauben Sie nicht einmal selbst!), wir werden das weiter beobachten. Offensichtlich gilt das Dogma einer Nichtzusammenarbeit nicht mehr. Die Sozialdemokratie ist bereit, mit einer rechts­extremen Partei zusammenzuarbeiten. (Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ und Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Wir nehmen das gerne zur Kenntnis. (Beifall bei BundesrätIn­nen von Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Reiß dich a bissl zsamm! – Herr Prä­sident! – Reiß dich zsamm a bissl! Glaubst du, du hast Narrenfreiheit? – Weitere lebhafte Zwischenrufe.)

11.12.48*****


Vizepräsident Michael Wanner: Also ich greife jetzt ein: Ich gehe davon aus, dass Sie den Ausdruck „rechtsextreme Partei“ zurücknehmen, ansonsten muss ich einen Ord­nungsruf erteilen. (Bundesrat Schreuder: Ich nehme gerne einen Ordnungsruf zur Kenntnis!) – Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Bundesrat Steiner – in Rich­tung Bundesrat Schreuder –: Tief sind Sie! Wirklich tief sind Sie! – Bundesrat Rösch – in Richtung ÖVP –: Mit denen seid ihr zusammen?!)

*****

11.13.10



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Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Ich möchte jetzt doch noch etwas zur Sache sagen. (Bundesrat Steiner: Setz dich nieder!) – Ich habe genauso das Recht, hier zu sprechen, wie Sie, Herr Kollege. – Frau Mühlwerth hat heute etwas sehr Kluges gesagt, und ich möchte ihr darin recht geben und möchte sie da auch unterstützen. Frau Mühl­werth hat – nämlich im Vorfeld, als wir die Aktuelle Stunde hatten – gesagt, dass es wichtig ist und dass es parlamentarischen Gepflogenheiten im Bundesrat entspricht, wenn einem ein Gesetz nicht passt, dass man das auch begründet und hier einen Ein­spruch erhebt. – Das ist so die Gepflogenheit hier im Bundesrat. (Bundesrat Steiner: Du redest von Gepflogenheiten?!)

Wenn man allerdings im Ausschuss einfach nicht zustimmt und es in einer Schublade verschwinden lässt, dann gibt es keine Diskussion darüber, dann gibt es keine Plenar­debatte darüber – und das ist nicht die Demokratie, wie ich sie mir vorstelle. (Bundesrätin Mühlwerth: Auch das ist Demokratie, das nicht zu tun!)

Daher würde ich doch bitten, dass wir mit offenem Visier spielen: dass wir das zumindest auch begründen, einen Einspruch erheben (Bundesrätin Mühlwerth: Ja das muss man, weil das der Herr Schreuder so will!) und dann hier in der Plenardebatte diskutieren. Das wäre meine Bitte. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

11.14


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Beer: Ich verzichte!) – Herr Beer verzich­tet auf seinen Beitrag.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Klubvorsitzende Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


11.14.47

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf noch einmal tatsächlich berich­tigen: Bundesrat Schreuder hat in seiner Rede behauptet, dass es hier um eine Zusam­menarbeit für künftige Koalitionen zwischen SPÖ und FPÖ geht. – Das ist völlig un­richtig.

Tatsache ist: ÖVP und Grüne haben nicht die Mehrheit im Bundesrat. Und ganz ehrlich, jetzt jede Oppositionspolitik und jede Arbeit der Opposition – wenn man sagt, da ist man nicht dafür und das ist zu diskutieren und da können wir nicht mitgehen – sozusagen in politisches Kleingeld zu verwandeln, das ist nicht richtig. Es ist nicht richtig, sondern es geht um parlamentarische Zusammenarbeit (Bundesrätin Mühlwerth: So ist es!), und die muss wohl in der Oppositionsarbeit (Bundesrätin Mühlwerth: Genau! So ist es!) möglich sein. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Sehr gut! – Bundesrat Schennach: ... Ignoranz der Regierungskoalition!)

11.15


Vizepräsident Michael Wanner: Jetzt wollte ich schon sagen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, aber: Es ist nun Frau Klubvorsitzende Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.15.45

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Ich musste mich noch einmal zu Wort melden.

Zum einen: Herr Kollege Schreuder zeigt halt wieder einmal sein wahres Gesicht. Er tut manchmal so betont freundlich, und dann kommt er hier heraus und sagt: „mit einer rechtsextremen Partei“. Das ist genau das, was ich als das Undemokratische bezeich­ne – aber Sie waren eh noch nie demokratisch, Sie haben sich bis jetzt immer nur ein Mäntelchen umgehängt. (Beifall bei der FPÖ.)


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Sie glauben, Sie sind die Hüter der Moral, Sie sind die Gutmenschen, und nur das, was Sie sagen, ist richtig, und nur über das, was in Ihr linkes Spektrum hineinpasst, kann man ein bisschen eine unterschiedliche Meinung haben, und alles, was nicht links oder linksextrem ist, ist für Sie rechtsextrem. – So, Herr Kollege und Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, werden wir nie weiterkommen.

Und es sind immer Sie, die das Klima vergiften, denn von uns hat das noch nie jemand gesagt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Sie, als Sie das erste Mal hier waren, an meiner Fraktion vorbeigegangen sind und in ihre Richtung – aber leise, damit es nicht alle hören – gesagt haben: Faschistenschweine. – Das ist das, was Sie von uns denken, und ich habe das nicht vergessen. (Beifall bei der FPÖ. – Buh-Rufe und weitere Zwi­schenrufe des Bundesrates Rösch in Richtung Bundesrat Schreuder.)

Angesichts einer parlamentarischen Zusammenarbeit – da es, wie ich heute schon ein­mal gesagt habe, natürlich immer wieder Schnittmengen und gemeinsame Interessen gibt – dann herzugehen und von einer rot-blauen Koalition zu reden, das ist Schlagen von politischem Kleingeld. Es ist ja ganz normal, dass man, wenn man sich irgendwo findet, ein gemeinsames Interesse hat und eine gemeinsame Mehrheit hat, diese auch nützt. Das ist ein ganz normaler demokratischer Prozess – aber Demokratie war Ihnen immer schon fremd, und Sie haben das heute noch einmal nachhaltig dokumentiert. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.17


Vizepräsident Michael Wanner: Eine weitere Wortmeldung liegt von Frau Kollegin Zwazl vor. – Bitte. (Bundesrat Rösch – in Richtung der sich zum Rednerpult begeben­den Bundesrätin Zwazl –: Aber nicht schönreden jetzt!)


11.17.55

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Mir geht es ganz einfach um Folgendes: Ich stehe heute als Unternehmerin hier und darf im Namen vieler Klein- und Mittelbetriebe reden, die, samt ihren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern, ganz einfach von dieser Pandemie überrascht wurden (Bundes­rätin Schumann: Ja?) und jetzt in wirtschaftlich schwierigen Situationen sind. Es ist jetzt vollkommen egal, ob man sich geschickt verhalten hat oder nicht und welche Fehler gemacht wurden. (Bundesrätin Grimling: Ach so? Das ist aber neu! Frau Präsidentin, so ist es nicht! – Bundesrat Beer: Ein Fehler nach dem anderen! – Bundesrätin Grim­ling: Das wär bei uns nie durchgegangen!) Wichtig ist doch ganz einfach, dass wir hier für unsere Betriebe, für unsere Volkswirtschaft Richtlinien machen, damit wir auch ent­sprechend unsere Arbeitsplätze erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Und meine Bitte, die sage ich jetzt ganz einfach als Unternehmerin: Schaut, worum geht es denn? – Es geht darum, dass man innerhalb von drei Monaten die gestundeten Be­träge nicht verdient hat (Bundesrätin Schumann: Alles klar!) und sie jetzt nicht zahlen kann. (Bundesrätin Schumann: Alles klar! Das wissen wir eh!) Und, bitte, wir können auch nicht die Verzugszinsen zahlen. Darum geht es ganz einfach. Helfen wir doch unseren Betrieben aus der schwierigen Situation! (Beifall bei der ÖVP.) Schmeißen wir jetzt hier diese Taktik über Bord und machen wir für die Bevölkerung und für unsere Unternehmen richtige Gesetze und Verordnungen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.19


Vizepräsident Michael Wanner: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.


11.19.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Liebe Frau Sonja Zwazl, du warst in diesem


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Ausschuss (Bundesrätin Zwazl: Ja!) und hast nichts getan. – Halten wir das einmal fest! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Novak: ... auch geschlafen! – Zwischenruf des Bun­desrates Bader.) – Ja, das ist die Tatsache, lieber Karl Bader. Ich weiß, du hast heute ein bisschen ein Problem, das versuchst du, mit vielen schönen Worten und Vorwürfen gegenüber der Opposition hier wegzureden, aber es ist nicht wegzureden. (Bundesrat Bader: ..., es herbeizureden!)

Zweitens, lieber Kollege Schreuder: Es gab schon einmal eine schwarz-blaue Koalition, und damals haben SPÖ und Grüne eine ganze Reihe von Einsprüchen gemacht, aber sie haben auch ganz viele Gesetze abgelehnt. Komm bitte nicht hier heraus, um uns Parlamentarismus zu erklären! (Bundesrat Beer: Du Frischling!) Wir müssen keinen Einspruch machen, wir können ein schlechtes Gesetz auch einfach ablehnen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ruf: Genau!)

Ich kann mich erinnern, in den Jahren 2000 bis 2006 hat man sehr wohl hier immer wieder abgewogen: Wo machen wir einen Einspruch und wo nicht? Wo ist es sinnvoll, auf die Acht-Wochen-Frist zu gehen, diese Möglichkeit in der Gesetzwerdung tatsächlich wahr werden zu lassen, und wo nicht?

Nun noch ein prinzipieller Punkt zu Frau Zwazl: Ich habe dir ja gestern im Ausschuss, im EU-Ausschuss, mehrfach gesagt, deinen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen, sie sind richtig, aber deinen hier gemachten Ausführungen ist sehr wohl etwas hinzuzufü­gen: Kommt bitte nicht die ganze Zeit damit, zu sagen: Wir alle zusammen für die Wirt­schaft und für die Arbeitsplätze! – Gerade im Zusammenhang mit Letzterem vermissen wir zum Beispiel bei unserer Schlüsselforderung, der Erhöhung des Arbeitslosengeldes, jegliche Zusammenarbeit und jegliches Wollen und jegliches Verständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann nicht ständig Sammelgesetze ins Parlament hineinkübeln und Gesprächsver­weigerung betreiben – und dann hier am Rednerpult dicke Tränen fließen lassen und Empörung vorgeben, die einfach nicht richtig sind.

Und außerdem – noch einmal –: Der Gesundheitsminister hat genau das in der Hand, er braucht nur eine Verordnung zu machen. Informieren Sie hier nicht falsch! Sie als die ehemalige Wirtschaftskammerpräsidentin wissen es viel besser: Das liegt in der Hand des Gesundheitsministers, nichts verzögert sich! Deshalb sind solche Auftritte wie der heutige ehrlich gesagt, das muss ich nach all den Zusprüchen von gestern sagen, ent­behrlich. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

11.22


Vizepräsident Michael Wanner: Eine weitere Wortmeldung liegt vor: Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.


11.22.32

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Mir geht es ganz einfach (Bundes­rat Schennach: Um die Wirtschaft!) darum – und ich glaube, uns allen geht es darum –, dass wir wenige Menschen in der Arbeitslosigkeit haben. (Bundesrat Steiner: Weg mit der Arbeitsministerin! – Bundesrätin Schumann: Und wir wollen die Sozialversicherung erhalten! Auch das ist wichtig!) Schauen wir daher: Wie können wir das verhindern? Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass unsere Betriebe, dass wir gemeinsam in der Lage sind, unsere Mitarbeiter zu beschäftigen. Und deshalb meine Bitte in diese Rich­tung, aber auch die Bitte, das nicht immer wieder zu vermengen.

Hier geht es ganz einfach um die Unterstützung unserer Betriebe (Bundesrätin Schu­mann: Und um die Zukunft der Sozialversicherung!), der Betriebe gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Da geht es jetzt nicht um irgendetwas anderes, son­dern wir wollen wirklich unsere Leute aus der Kurzarbeit wieder zurückholen und wir


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 60

wollen auch schauen, dass wir weniger Arbeitslose haben. (Bundesrat Novak: Ihr seid eine Regierungspartei! Seid ein bisschen professioneller!) Das ist unser Ziel – und das ist eine geeignete Maßnahme dazu. Deshalb bitte ich um Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

11.23


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag erfolgt entsprechend der Geschäftsord­nung nach Erledigung der Tagesordnung.

11.23.45Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Michael Wanner: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht ha­ben, wonach dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Natio­nalrates betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979 und das Umweltförderungsgesetz geändert werden (Budgetbegleit­gesetz 2020)“, eine Frist bis 8. Juni 2020 gesetzt werden soll.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich schließlich bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag ge­mäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Finanzaus­schuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend „ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe geändert wird (21. COVID-19-Gesetz)“, eine Frist bis 8. Juni 2020 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

11.25.351. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung einer neuen Staatssekretärin


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße noch einmal den Herrn Bundeskanzler, der schon vorher anwesend war.

Ich begrüße auch Frau Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer.

Herr Bundeskanzler, jetzt gilt es! – Bitte.


11.26.03

Bundeskanzler Sebastian Kurz: So, jetzt aber! – Herr Präsident! Geschätzte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Dass Österreich eine Kulturnation ist, habe ich schon erwähnt (Bundesrat Schennach: Ja, das haben wir - -!), - -



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Vizepräsident Michael Wanner: Herr Bundeskanzler! Es gilt doch noch nicht. (Allge­meine Heiterkeit.) Lassen Sie mich noch einen Absatz verlesen, bevor ich Ihnen wieder das Wort erteile: Ich gebe bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bun­desräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. (Bundesrat Schennach: Präsident brüskiert Bun­deskanzler zwei Mal! – Bundesrätin Grimling: Alle guten Dinge sind drei!)

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Jetzt erteile ich dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung das Wort – und jetzt halte ich meinen Mund. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Jetzt hammaʼs!)


Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Herr Präsident! Geschätzte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Ich mache das jetzt so zügig, dass nichts mehr schiefgehen kann.

Wenige Worte zur Kultur – ich habe schon zweimal den Anlauf genommen –, nur noch ein paar Worte zur Frau Staatssekretärin: Ich freue mich, dass Andrea Mayer neu im Team der Bundesregierung ist. Viele von uns kennen sie aus unterschiedlichen Funk­tionen. Sie ist eine Expertin im Bereich der Kultur, war lange in diesem Bereich tätig, kennt aber – aufgrund ihrer Tätigkeit auch beim Bundespräsidenten, wo wir in den letz­ten Jahren schon sehr gut zusammengearbeitet haben – auch das politische Geschäft.

Ich möchte an dieser Stelle auch ein Danke an Ulrike Lunacek sagen, die nur einige Monate in der Bundesregierung tätig war, sich die Entscheidung sicherlich nicht leicht gemacht hat, aber die ja zuvor schon sehr viel Verantwortung in anderen politischen Ämtern wahrgenommen hat. Daher ein großes Danke auch von meiner Seite an sie für ihre breite politische Tätigkeit – nicht nur in Österreich, sondern vor allem auch im Euro­päischen Parlament, bis hin zu ihrer Tätigkeit auch für den Kosovo, der ja in einer Region liegt, die uns als Republik Österreich sehr am Herzen liegt. (Bundesrat Schennach: Richtig!)

In diesem Sinne herrscht ein Stück weit Wehmut, weil es zu einer Verabschiedung eines Regierungsmitglieds gekommen ist, auf der anderen Seite aber eine sehr positive Stim­mung, weil wir mit Andrea Mayer ein neues Regierungsmitglied begrüßen dürfen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in diesem für uns wichtigen Bereich der Kultur und darf, glaube ich, schon an den Herrn Vizekanzler übergeben. – Vielen Dank, Herr Präsi­dent! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.28


Vizepräsident Michael Wanner: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Nunmehr erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe seiner Erklärung betreffend Er­nennung der neuen Staatssekretärin das Wort. – Bitte.


11.28.51

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, auch von meiner Seite ein Danke an Ulrike Lunacek. Sie hat ja eigentlich schon eine große politische Laufbahn beschritten, die ich gar nicht in aller Länge beschreiben kann und auch nicht will, aber herausragend sind sicherlich ihre Leistungen und Qualitäten im Europäischen Parlament und als Vizepräsidentin dort, speziell mit dem Engagement im und rund um den Kosovo.

Jetzt, würde ich sagen, war ja das mit ein Grund, warum wir hier – aufgrund der interna­tionalen und europäischen Bedeutung von Kunst und Kultur – bei dieser Auswahl auch


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an Ulrike Lunacek gedacht haben. Sie konnte in dieser Situation – und das war dann eine gemeinsame Einschätzung und schlussendlich auch Entscheidung – ihre doch breit vorhandenen Stärken nicht wirklich ausspielen. Das – und das ist ja, glaube ich, relativ öffentlich nachvollziehbar gewesen – hat dann bei mir und unserer Regierungsfraktion dazu geführt, dem Herrn Bundeskanzler und letztlich dem Bundespräsidenten Andrea Mayer für die Nachfolge vorzuschlagen.

Und wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Bei aller Wehmut ist auch wieder ein Neu­start dabei, und jetzt sind die Stärken von Andrea Mayer tatsächlich gefragt. Sie ist ja nicht nur kompetent und engagiert, sie bringt auch ganz viel Herzblut für Kunst und Kultur mit. Was aber jetzt eben besonders gefragt ist, ist, glaube ich, diese Professionalität, die Kenntnis der Szene und die Managementqualitäten, denn sie war immerhin genau zehn Jahre Sektionschefin, zunächst im Bereich der Kunstförderung und dann der Kunst und Kultur, und das hat schon ganz viel Gewicht, das von vornherein mit auf die Waage kommt. In dieser Situation – und sie ist nun einmal so, wie sie ist – ist natürlich auch eine gewisse Krisenfestigkeit gefragt. Ich glaube, da ist die Tätigkeit  wie man in Österreich sagt, ich weiß nicht, liebevoll oder treffend, ich kann es gar nicht sagen, jedenfalls ös­terreichisch sagt – der obersten Beamtin des Landes, die sie in diesem Bereich nun ein­mal war, mit Sicherheit auch noch eine große Erfahrung und Hilfe für diese jetzt gefor­derte Krisenfestigkeit.

Es ist ja schon einiges auf den Weg gebracht worden, aber vielleicht überlasse ich es ihr, das anschließend selber zu sagen. Es ist in den letzten Wochen in dem Bereich – und auch der nächste Tagesordnungspunkt führt uns ja dazu – einiges auf den Weg gebracht worden, was Kunst und Kultur, aber auch andere Bereiche betrifft. Jetzt sind wir genau da, und ich würde dann dort fortsetzen und es der Frau Staatssekretärin über­lassen, darzustellen, was bis jetzt – in dieser kurzen Zeit bis zur Vorstellung hier im Bun­desrat – schon gelungen ist und was die nächsten Pläne sind. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.31


Vizepräsident Michael Wanner: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausfüh­rungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile es ihm.


11.32.10

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Das Drehbuch der heutigen Bundesratssitzung will es, dass wir uns in der Aktuellen Stunde, aber auch in den ersten beiden Tagesordnungspunkten des heutigen Tages mit Kunst und Kultur auseinandersetzen. Das ist würdig und recht. Das ist gut so. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich finde, das ist eine exzellente Themensetzung, weil Kunst und Kultur unser Leben ganz besonders prägen und weil viele Menschen in den vergangenen Wochen auch draufgekommen sind, dass ohne Kunst und Kultur wesentliche Atemluft fehlt und wir deshalb ärmer sind in dem, wie wir unsere Gesellschaft und unser persönliches Leben gestalten. So gesehen ist es gut, dass wir das heute auch aus unterschiedlichen Blick­winkeln beleuchten, und wenn es dabei auch darum geht, eine neue Staatssekretärin für Kunst und Kultur willkommen zu heißen, tue ich das namens der ÖVP-Bundesratsfrak­tion sehr, sehr gerne. – Herzlich willkommen im Bundesrat. Wir freuen uns auf die Zu­sammenarbeit mit Ihnen und bitten um einen guten Dialog und einen guten Austausch. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich war selbst in meinem beruflichen Leben einige Jahre lang als Kulturlandesrat tätig. Ich hatte die ganz große Möglichkeit, als Graz, meine Heimatstadt, Kulturhauptstadt Eu­ropas war, als Kulturstadtrat aktiv zu sein. Ich kann Ihnen sagen, Frau Staatssekretärin – Sie wissen das ja aus Ihrer sehr beachtenswerten und beachtlichen Vita –, dass es un­geheuer schön und befruchtend ist, für Kunst und Kultur Verantwortung tragen zu kön­nen, dass es aber durchaus auch herausfordernd sein kann. Ulrike Lunacek hat das in den vergangenen Wochen spüren müssen, und auch von meiner Seite sage ich ihr einen herzlichen Dank für diesen Einsatz. – Noch einmal, Frau Staatssekretärin Mayer: Herz­lich willkommen! Wir werden sicherlich gut zusammenarbeiten.

Es ist sehr bemerkenswert von Ihnen, dass Sie diese Einladung in die Bundesregierung angenommen haben, weil Sie damit aus einer Komfortzone herauskommen. Sie ver­zeihen, dass ich das so sage (Zwischenruf des Bundesrates Beer), aber auf der einen Seite als Verwalter von Kunst und Kultur tätig zu sein – ich weiß schon, Sie haben auch Managementfunktionen und auch Aufsichtsratsfunktionen gehabt, aber im Wesentlichen waren Sie in der Verwaltung tätig – und jetzt in die Gestaltung zu gehen, ist noch eine ganz besondere zusätzliche Herausforderung. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich bin davon überzeugt, dass Sie das sehr, sehr gut meistern werden, auch angesichts dessen, was der Herr Vizekanzler in der Aktuellen Stunde heute schon gesagt hat. Wir haben auf der einen Seite die Hilfsmaßnahmen, die von der Bundesregierung bereits eingeleitet worden sind, wie den Überbrückungsfonds, den Sozialversicherungsfonds, den Härtefallfonds und den NPO-Unterstützungsfonds. Es ist Ihnen aufgrund Ihrer be­ruflichen Vortätigkeit sehr, sehr bewusst, dass es für die Kunstschaffenden in diesem Lande entscheidend ist, dass diese Mittel rasch ausgezahlt werden, und es ist Ihnen auch ganz besonders bewusst, dass es unbürokratisch erfolgen soll; immer in diesem Spannungsbogen, dass wir mit öffentlichen Mitteln arbeiten und das mit so wenig Kon­trolle wie möglich, aber so viel wie nötig erfolgen soll. Das gilt eben auch für Mittel, die im Kunst- und Kulturbereich eingesetzt werden.

Wir hätten gar nicht Corona gebraucht, um dieses breite Tätigkeitsfeld von Kunst und Kultur im Lande entsprechend zu beleuchten. (Bundesrätin Schumann: Na ja!) Der Treibstoff wird immer zu wenig sein. Das ist Ihnen, glaube ich, bewusst, das ist dem Herrn Kulturminister bewusst: Es wird immer zu wenig Geld sein, das bei Kunst und Kultur im Einsatz ist. Es ist aber gut investiertes Geld für die jungen Menschen, die sich diesem Thema widmen, sei es als KonsumentInnen von Kunst und Kultur, sei es auch selbst als Kunstschaffende in der freien Szene oder in den großen Kunstinstitutionen.

Es wurde schon in der Aktuellen Stunde von meiner Kollegin Andrea Eder-Gitschthaler deutlich darauf hingewiesen, dass das natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor ist. Du (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler) hast die Salzburger Festspiele angesprochen: Ja, auch wir in meinem Heimatbundesland, der Steiermark, haben Festivals, die interna­tionale Strahlkraft haben, beispielsweise die Styriarte oder den Steirischen Herbst, und bei denen ist es auch wichtig, die Rahmenbedingungen dafür zu haben, wie mit solchen Themen umgegangen werden kann und wie wir auch wieder eine breite Besucherfre­quenz in unsere Festivals bekommen können.

Liebe Frau Staatssekretärin! Lieber Herr Kulturminister! Liebe Mitglieder der Bundesre­gierung! Für einen Ländervertreter ist es natürlich immer wichtig, einige Bitten zu artiku­lieren, das möchte ich tun: Ich weiß, dass der Treibstoff knapp ist, nichtsdestotrotz geht es auch um eine faire Verteilung von Steuergeld in die österreichischen Regionen und in die österreichischen Bundesländer. Ich habe schon gesagt, dass ich aus der Steier­mark komme; wir machen in etwa 13,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung aus. Von den Bundeskulturmitteln fließen in etwa 4 Prozent in die Steiermark. Ich appelliere daher, da auch einen Blick auf jene Regionen und auf jene Bundesländer zu werfen, die viel für Kunst und Kultur tun, und in einem gewissen Nachholprozess nachzuschärfen.


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Zum Zweiten: Ich habe gelesen, Frau Staatssekretärin – ich hoffe, Sie sind richtig zitiert worden –, dass Ihnen die Schaffung von Anreizmodellen für privates Engagement ein besonderes Anliegen ist. Mir auch, uns auch; da geht es darum, Unternehmerinnen und Unternehmer, große Institutionen dafür zu gewinnen, neben dem Engagement wie beispielsweise im Sportbereich auch in Kunst und Kultur zu investieren und da positive Beispiele auch ins Rampenlicht zu stellen. Der Maecenas ist eine solche Möglichkeit, andere sind angedacht. Ich möchte Sie ausdrücklich dabei unterstützen, dieses private Engagement voranzutreiben und auch große Institutionen, große Unternehmungen ein­zuladen, noch mehr als bisher für Kunst und Kultur zu tun.

Das Dritte – und das wird Sie nicht verwundern, bei mir als Vertreter eines Bundeslan­des, und da wir hier in der Länderkammer sind – ist natürlich der Blick auf die Region, das heißt auf die Regionen in Österreich, aber auch auf Österreich als eine europäische Region. Den Austausch, den internationalen Kontakt weiter zu forcieren wäre uns ein wesentliches Anliegen. Ich möchte Sie gerne auch bei diesem Anliegen unterstützen.

Kunst und Kultur, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, sind ein Lebensmittel im buchstäblichen Sinne. Während des österreichischen Kulturhauptstadtjahres Graz im Jahr 2003 hat es ein Plakat gegeben, auf dem stand zu lesen: „Keine Kultur ist armse­lig.“ Dieses Plakat hat nicht nur in den Feuilletons, sondern auch in der Gesellschaft zu einer ziemlich kontroversiellen Diskussion geführt.

Ich habe das gerade noch einmal gegoogelt, weil ich wissen wollte, ob ich das richtig in Erinnerung gehabt habe, und es ist so: Als Synonym für armselig steht dort anspruchslos und bedauernswert – keine Kultur zu haben, keine Kunst und Kultur genießen zu kön­nen, keine Kunst und Kultur ausüben zu können, ist bedauernswert. Wenn man sie vor­sätzlich nicht wollte, dann wäre es anspruchslos, und das ist die österreichische Kunst- und Kulturpolitik bei Weitem nicht.

Ich wünsche Ihnen eine gute Hand für Ihre Tätigkeit. Wir freuen uns darauf, Sie bei vielen Veranstaltungen, bei Festivals und Events im ganzen Lande willkommen zu heißen, und ich insbesondere in Graz und der Steiermark. Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.40


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Beer zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.40.56

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Regie­rungsmitglieder! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Buchmann, mich hat jetzt besonders gestört, und daher möchte ich das auch berichtigen, dass Sie sagen, die Frau Staatssekretärin bewegt sich da aus einer Komfortzone heraus in die Regie­rung. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich weiß nicht, was Sie sich vorstellen, was Beamte arbeiten, ob Sie sich vorstellen, dass Beamte keinen Beitrag leisten und keine Aufgaben zu erledigen haben.

Ich verwahre mich dagegen, dass wiederum von der ÖVP in Richtung der Spaltung der unselbstständigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Versuch gestartet wird, Gruppen gegeneinander auszuspielen. Es kann nicht sein, dass man immer sagt: Beam­te haben eine Komfortzone. – Das geht so nicht! Es ist aber euer System, und daher kann ich das nicht goutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42


Vizepräsident Michael Wanner: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Buchmann zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.42.06

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gesagt und das auch als Kompli­ment gesagt, dass ich es sehr wertschätze, dass Frau Staatssekretärin Mayer aus ihrem bisherigen Wirkungsbereich heraus – und der war in der Verwaltung (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer, Grimling und Schumann– jetzt auch in die Gestaltung geht, und dass es aus der Komfortzone einer nicht hauptverantwortlichen (neuerlicher Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), wenn auch entscheidenden Funktion heraus, einen ganz gravierenden Unterschied macht (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach), ob man Mitglied einer Bundesregierung ist oder nicht.

Das ist eine bewusste Missinterpretation meiner Aussage, Herr Kollege Beer, und das weise ich zurück! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Beer: ... Vorgehen der ÖVP!)

11.42


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile es ihr.


11.43.00

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Lieber Magnus! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Wenn die Krise uns etwas gelehrt hat, dann vor allem, wie es­senziell Kunst und Kultur für uns, für die Gesellschaft sind.

Die Kultur ist ein Teil der österreichischen Identität, wir bekommen diese Kultur sozusa­gen schon mit der Muttermilch. Millionen Menschen auf der ganzen Welt schätzen un­sere Kultur. Diese vielfältige Kultur bringt uns Anerkennung und sichert Arbeitsplätze. Dies erfordert natürlich auch finanzielle Mittel, die wir dringend benötigen.

Ich ziehe auch das Beispiel der Salzburger Festspiele aufgrund des 100-Jahr-Jubiläums heran – es wurde schon mehrmals gesagt, aber nichtsdestotrotz –, denn sie bedeuten wichtige Wertschöpfung: 183 Millionen Euro und 2 800 Vollzeitarbeitsplätze alleine im Bundesland Salzburg. Das ist wirklich erwähnenswert.

Die Kulturschaffenden, alle in der Kultur Tätigen tragen mit ihrer Arbeit, ihrem Engage­ment und ihrer Kreativität im hohen Maß zum Ruf Österreichs als vielseitiges Kulturland bei. (Beifall bei der SPÖ.) – Danke.

Ein Großteil der internationalen Gäste kommt hauptsächlich der Kultur wegen nach Ös­terreich. Aufgrund der langen Schließdauer und der unsicheren Perspektive sind viele Kulturinstitutionen von Insolvenz bedroht und benötigen dringend Hilfe. KünstlerInnen, Kulturschaffende und Kreative gehörten schon vor der Pandemie zu jenen, die oft prekär beschäftigt sind und in vielen Fällen kein regelmäßiges Einkommen haben. Für viele sank dieses durch das Veranstaltungsverbot auf null.

In dieser nicht einfachen Zeit hat vor Kurzem Frau Andrea Mayer die Position der Kul­turstaatssekretärin übernommen. Dafür gebührt ihr unser Dank. Die Kunst- und Kultur­schaffenden, wie der Volksoperndirektor Robert Meyer oder die Generaldirektorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger streuen Frau Mayer Rosen. Sie sagen: Sie kenne die österreichische Kunst- und Kulturgeschichte, die Kulturlandschaft in- und auswendig, sie sei eine sehr ruhige, sehr kompetente Person, sie habe viel Erfahrung, besitze Durch­setzungskraft, die nötige Härte und sei bestens vernetzt. All diese Erfahrungen und diese positiven Eigenschaften werden Sie auch brauchen, Frau Staatssekretärin, vor allem auch, um Ihren anspruchsvollen Job erfüllen zu können. Die Kunst- und Kultursze­ne Österreichs steht nämlich wirtschaftlich am Abgrund und benötigt dringend einen Rettungsschirm und ein langfristiges Investitionsprogramm in Höhe von mindestens 1 Milliarde Euro. – Ich werde dazu noch einen Entschließungsantrag einbringen.


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Die KünstlerInnen, Kulturinstitutionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft brauchen umgehend eine Perspektive. Sie brauchen Rahmenbedingungen, um entsprechende Planungssicherheit zu haben. Die Kulturbranchenvertreter wollen gehört werden, ihre Ideen einbringen dürfen. Frei nach Ursula Strauss geht es darum, den Mut zu fördern und die Bittstellerschaft abzustellen. Die Kulturlandschaft Österreichs, die so wertvolle Beiträge für die Wirtschaft, aber auch für den Tourismus liefert, ist in Gefahr. Die Künst­lerInnen stehen vor den Scherben ihrer Existenz, Zehntausende Arbeitsplätze sind ge­fährdet. Die versprochenen Soforthilfen, die ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind, sind bei vielen gar nicht angekommen.

Die Schauspielerin Gerti Drassl verdeutlichte vor Kurzem, dass beim Härtefallfonds zu viele Kulturschaffende, für die es zur Arbeitsrealität gehört, flexible Arrangements einzu­gehen, finanziell leer ausgehen. Sehr viele im Kunst- und Kulturbereich Tätige sind Frau­en, und diese leben am Existenzminimum. Da muss rasch Abhilfe geschaffen werden. Der ab Juli zur Verfügung stehende Überbrückungsfonds von 1 000 Euro pro Monat für freischaffende KünstlerInnen ist jedoch sicher nicht ausreichend. Ergänzende Maßnah­men werden unter anderem für jene benötigt, die nicht bei der Sozialversicherung der Selbständigen gemeldet sind.

Eine wirkliche, nicht nur angekündigte Soforthilfe ist für die Kulturschaffenden und Kultur­veranstalter mehr als notwendig. Ebenso dringend benötigen die Musik- und die Sprech­theater, die Filmbranche, die Kleinkunstszene, die Kinos, die Konzerte, die Musikkapel­len bis hin zu den Festivals eine Planungs- und Überlebensperspektive.

Seit 29. Mai, seit den Lockerungen im Kulturbereich, auf die wir schon sehr lange ge­wartet haben, ist endlich ein Lichtblick erfolgt: Der Theaterbesuch, der Kinobesuch, der Musikgenuss eines Konzertes, der Rundgang durch eine Ausstellung, der Kabarettbe­such mit befreiendem Lachen, was auch immer – all das hat uns wirklich sehr, sehr ge­fehlt. Wir haben Entzugserscheinungen; die Künstler, aber auch das Publikum.

Umso mehr freuen wir uns über die kulturellen Möglichkeiten in den nächsten Wochen; noch ist das Angebot leider eingeschränkt beziehungsweise wurden viele Aufführungen auf das nächste Jahr verschoben. In Niederösterreich, meinem Heimatbundesland, wer­den nach aktuellem Informationsstand nur vier von den insgesamt 29 Spielorten ein Sommertheater abhalten können.

Durch diese Wiederaufnahme entstehen auch neue finanzielle Herausforderungen, kön­nen doch viele VeranstalterInnen aufgrund der verordneten gesundheitspolitischen Schutzmaßnahmen und der dadurch reduzierten Publikumszahlen nicht kostendeckend arbeiten. Diesen Kulturbetrieben müssen die Einnahmen ersetzt werden, die bedingt durch die Sitzplatzbeschränkungen verloren gehen.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates wünscht Ihnen und Ihrem Team alles Gute für die Arbeit und bringt folgenden Entschlie­ßungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kulturland Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Um langfristig die Kulturlandschaft in Österreich zu sichern, wird die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport dazu aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat raschest möglich ein Maßnahmenpaket


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vorzulegen, das die in der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kultur­land Österreich vom 15. Mai 2020 aufgestellten Forderungen umfassend umsetzt.“

*****

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Der von den Bundesräten Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschlie­ßungsantrag betreffend „Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kulturland Österreich“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.


11.50.23

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident und in cumulo sehr geehrte Bundesregierung! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin May­er! Es ist für mich doch etwas überraschend, dass sich die grüne Partei und der grüne Parteiobmann offensichtlich selbst nicht für Kultur interessieren und Letzterer dies in seinem eigenen Ministerium an seine Staatssekretärin delegiert. Das ist doch verwun­derlich. Weiters ist für mich auch verwunderlich, dass bei den Grünen offensichtlich Per­sonalmangel herrscht und eine Leihgabe aus dem roten Milieu erfolgt (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schumann), weil offensichtlich das eigene Wissen über Kultur doch nicht reicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Dritte ist für mich keine Überraschung: Dort, wo grün draufsteht, ist offensichtlich rot drinnen. – Das möchte man also relativieren. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seitens der ÖVP ist es auch keine Überraschung. Jedes Mal, wenn man mit der ÖVP über Kultur spricht oder sich dies anhören muss (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann), geht es um die Salzburger Festspiele. Bei den Salzburger Festspielen kostet ein Ticket circa 500 Euro – wenn man überhaupt eines bekommt. Es ist die Kultur der gro­ßen Elite. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte über jene sprechen, die kein Lobbying haben, die kein Recht der Rede ha­ben – weil es schon historisch ist, weil es schon vergangen ist –, nämlich über das Kultur­erbe, über das kollektive Ganze (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schumann), und das ist das Entscheidende: nicht das individuelle Kunstobjekt – gerade in der Coronazeit, in der es an Einnahmen, an Geld fehlt, gerade wo es oft zu Fehlinves­titionen bei Kunstobjekten kommt –, sondern das kollektive Ganze, das, was unser Kul­turerbe ist, was zum Beispiel das österreichische Kulturerbe ausmacht und all jenes vom lateinischen Europa.

Ich möchte da auf Maurice Halbwachs, den französischen Philosophen, verweisen, der vom kollektiven Gedächtnis spricht, von den kollektiven Erinnerungsorten, die eine Grup­pe der Bevölkerung erst ausmachen, die die Identität bilden und darstellen, und in die­sem Zusammenhang von Erinnerungskultur und -orten, denn das ist auch grenzüber­schreitend und gerade für Österreich als Kulturnation – das verstehe ich unter Kulturna­tion, nicht die Salzburger Festspiele! – extrem wichtig. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich zum Beispiel kurz die Symbole Österreichs erwähnen darf, weil heute zwei Wappen (auf die Wand hinter sich weisend, an der normalerweise die Wappen aller neun Bundesländer mit jenem des Vorsitzlandes in der Mitte aufgehängt sind, an diesem Tag jedoch nur jenes des Vorsitzlandes Oberösterreich zu sehen ist), und zwar jene von


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Wien und Niederösterreich, gestohlen worden sind, wie wir gehört haben: Was macht die Präsentation solcher Symbole (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) – ich bin noch nicht bei Wien, aber ich komme dazu! –, die Teil des kulturellen Erbes sind, aus? (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schumann.) – Das sind die Erinne­rungskulturen, an denen sich das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung orientiert.

Für Ungarn ist das zum Beispiel die Stephanskrone. Ich kann jedem nur raten, das wun­derschöne Parlament in Budapest zu besuchen und sich die zentral präsentierte wun­derschöne Stephanskrone – der Stolz der Ungarn, auch des heutigen Ungarns – anzu­sehen, die dort zur Schau gestellt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Für Tschechien ist das die Wenzelskrone in der Prager Burg – 5 Stunden Wartezeit, um die­se besichtigen zu dürfen! (Bundesrätin Schumann: Jetzt nicht!) In London sind es die Kronjuwelen – der Stolz Londons –, die neben einem Fließband für die Besucher wun­derbar zur Schau gestellt werden; man schwebt wahrlich vorbei. (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Schennach und Schumann.)

Wien? – Nun bin ich bei Wien. 50 Meter von hier befindet sich die Schatzkammer Öster­reichs mit 700 Jahren habsburgischer, österreichischer Geschichte, der Kaiserkrone Ös­terreichs, der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches und anderen Reichsin­signien. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Wer sieht sich diese an? – Fast keiner. Es wird dunkel präsentiert – finster, einge­kellert, versteckt. Ein wahrer Schatz in Milliardenwert, was hier in 50 Meter Entfernung ausgestellt, aber leider nicht entsprechend präsentiert wird. Was die Sicherheit betrifft, möchte ich gar nicht reden – wenn sogar die Wappen gestohlen werden (auf die Wand hinter sich weisend) –, ich weiß aber, diese Milliardenwerte in der österreichischen Schatzkammer sind katastrophal schlecht abgesichert. Das ist eine Schande Wiens! (Bundesrat Schennach: Aber geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein weiteres Beispiel ist die Erhaltung und Revitalisierung von kulturellen Werten. Neh­men wir wieder ein Beispiel: Notre-Dame in Paris – abgebrannt. Die ganze Welt hat diese furchtbaren Szenen gesehen. Jeder hat mit den Franzosen mitgelitten. Präsident Macron – einer, der das kulturelle Erbe wirklich auch versteht und präsentiert, auch zeigt und auch danach lebt – hat gesagt: Wir Franzosen bauen unseren Stolz wieder auf! – Was ist beim Hofburgbrand 1992 mit diesem Saal passiert? Wurde er revitalisiert? Ist das der Originalzustand? Bitte, das waren die Redoutensäle, die Ballsäle der Kaiserin Maria Theresia! Wurde das revitalisiert? – Es sieht aus, wie es aussieht. Möge es jeman­dem gefallen, mir gefällt es nicht. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wie ist das beispielgebend nach Maurice Halbwachs zu beurteilen? – Es wurde das kol­lektive Gedächtnis der Österreicher missachtet, es wurde die Erinnerungskultur miss­achtet und es wurde ein Erinnerungsort, nämlich die Hofburg, die Burg des Hofes, miss­achtet, und das ist das, was kollektives Gedächtnis auslöscht. Nun bin ich beim Aus­löschen. Nach Maurice Halbwachs ist die zentrale Funktion der Vergangenheit und des Vergangenheitsbezuges die Identitätsbildung. Wenn man Identitäten auslöschen möch­te, dann zerstört man sie. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Nun bin ich bei China und Tibet. Was hat China mit Tibet gemacht? – Die kollektive Erinnerung Tibets ist fast ausgelöscht. 90 Prozent der Klöster wurden devastiert. Die maoistische Kulturrevolution hat dort eine wahre – unter Anführungszeichen – Leistung vollbracht. Oder, um in die Historie zurückzugehen, was der Spanier Cortés mit den Az­teken gemacht hat: Er hat bewusst die Azteken auslöschen wollen, er hat bewusst diese Erinnerung zerstören wollen.

Nun kommen wir zu Wien. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Rösch – in Richtung Bundesrat Schennach –: Zuhören!) In Wien wird alles ignoriert! Es gibt Dutzende Bürgerinitiativen: Heumarktprojekt, Abreißen der Steinhofgründe – ich


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möchte sie gar nicht erwähnen –, Verbauung jeglicher Gärten, Verbetonierung Wiens. Alles wird ignoriert! Das heißt, das kollektive Gedächtnis – um mit Maurice Halbwachs zu sprechen, um in seinem Sinne zu argumentieren – wird einfach ignoriert und missachtet.

Ich möchte nicht darüber sprechen, dass es jedes Mal ein Kampf und ein Krampf ist, diesen Canaletto-Blick, aufgrund dessen Basis wir den Unesco-Weltkulturerbestatus be­kommen haben, zu erhalten. Es müsste doch eine Ehre für eine Wiener Stadtregierung sein, dieses international präsentieren zu können und zu dürfen – für den Kulturtouris­mus. Der Städtetourismus ist ansteigend, das ist das wahre Asset, das Wien hätte, er wird immer stärker. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) Es müsste doch ein Anreiz und eine Intention sein (Zwischenruf bei der FPÖ), dieses Kulturerbe zu erhalten, zu präsentieren und zu zeigen – und darauf stolz zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Schumann, Sie haben gesagt, wir Wiener – um auch für dich zu spre­chen –, wir Wienerinnen wollen nicht haben, dass unser Wien schlechtgemacht wird. (Bundesrätin Schumann: Na das hoffe ich auch!) Ich, wir – um für die FPÖ zu spre­chen – wollen nicht haben, dass unser historisches Wien sukzessive ruiniert wird. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte noch etwas bezüglich Unesco sagen, weil dieses Weltkulturerbe ja ein gro­ßes Thema ist. Der Vorsitzende war Anfang der 2000er-Jahre in Wien und war über­rascht davon, wie Wien mit diesem Erbe umgeht. Was hat er gesagt? – Wien wird von kulturellen Barbaren regiert. – Das hat damals große Aufregung verursacht; aber das Wort wurde gesprochen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Fazit: Das Kultur­erbe muss besser verwaltet werden. Das kulturelle Erbe, so wie es die EU in ihren Be­richten auch vorsieht, muss hervorgehoben, präsentiert werden. (Zwischenruf des Bun­desrates Novak.)

Es ist tausendmal billiger, denn es ist schon längst geschaffen, es ist ein Aufregen (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling) – wie du, Frau Kollegin Schumann, es hier machst – nicht mehr notwendig, denn es ist passiert, es ist Geschichte, es hat stattgefunden, es kostet nichts mehr (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), man braucht es nur her­zuzeigen. Man hat – das ist das Wichtigste, weil es immer ums Geld geht, es immer ums Kapital geht – einen tausendfach höheren Return on Investment bei diesen historischen Symbolwerten, die ein Milliardenvermögen wert sind. (Vizepräsidentin Eder-Gitschtha­ler übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie haben genügend Arbeit. Diese wartet auf Sie. Es gibt ein hohes Potenzial kultureller Objekte, Artefakte, kulturellen Wissens, das geho­ben und dargestellt werden kann. Die Menschen im In- und Ausland warten darauf, dass dieses gezeigt wird. Wir Wiener sind stolz auf das, was unsere Vorfahren geleistet ha­ben. Nehmen Sie sich Zeit, präsentieren Sie es und zeigen Sie es unserer eigenen Be­völkerung und vor allem der Weltbevölkerung! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.59


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


11.59.49

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte MinisterInnen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte ganz kurz zu mei­nem Vorredner, Herrn Kollegen Pisec, sagen, dass ich seinen Einsatz für das kulturelle Erbe tatsächlich sehr schätze. Ich glaube, dass wir da auch eine sehr spannende Dis­kussion, eine sehr interessante Auseinandersetzung haben könnten. Ob dieser Saal ei­nem gefällt oder nicht, darüber können wir gerne treffend streiten. Ich glaube, Josef Mikl hat es mit seiner Kunst hier nicht verdient, dass wir ihn so abtun – das möchte ich auch ganz ehrlich sagen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)


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Dieser Künstler hat übrigens während einer schwarz-blauen Koalition 2004 das Goldene Ehrenzeichen der Republik bekommen, weil er diesen Saal gestaltet hat. Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich glaube – das ist wirklich die Schwierigkeit, aber da könnten wir wirk­lich, glaube ich, stundenlang diskutieren –, es ist natürlich immer sehr schwierig, was man in einer Stadt sozusagen wie ein Museum erhält und wie viel zeitgenössisches Leben in einer Metropole wie Wien stattfinden soll. Das ist eine immer wiederkehrende Auseinandersetzung.

Ich persönlich bin sehr froh und finde es auch spannend, dass in einem Saal, in dem einst in der Barockzeit Redouten gefeiert wurden, nun demokratische Prozesse stattfin­den. Das finde ich eine sehr lebendige Auseinandersetzung mit Geschichte und auch mit dem, was wir heute tun. Das halte ich eigentlich für einen Zugang, wie ich ihn zu­mindest sehr spannend finde, wenn wir über Kulturpolitik sprechen.

Eine Sache wollte ich noch sagen, Herr Kollege Pisec: Ich setze mich auch sehr für den Erhalt des jüdischen Friedhofs in Währing ein – auch ein wunderschöner kulturhistori­scher Ort. Ich veranstalte dort auch Führungen. Ich würde Sie gerne einmal dazu ein­laden, wenn Sie mitgehen wollen. Mitte Juli habe ich wieder Termine – jetzt dürfen wir wieder.

Bevor ich nun sozusagen die neue Staatssekretärin begrüße, möchte ich mich persön­lich – ich weiß auch, dass sie via Streamingdienst zuschaut, ich habe sie gerade ge­fragt – nicht nur bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, sondern vor allem natürlich bei Ulrike Lunacek für ihre Arbeit bedanken. Ich möchte mich persönlich bei Ulrike Lunacek bedanken, weil sie für mich wirklich eine ganz besondere Person ist, die mir sehr viel beigebracht und auch sehr viel Mut gemacht hat, und zwar in einer Zeit, in der die Sichtbarkeit von Minderheiten, in diesem Fall von LGBTIQs, noch eine Seltenheit und nicht selbstverständlich war.

Wir haben heute auch schon vom Film „Die Dohnal“ gesprochen, der ja anlässlich der Diagonale im Internetkino gezeigt worden ist, in dem die Lebensgefährtin von Johanna Dohnal erzählt, warum es damals – aus verständlichen Gründen – noch nicht möglich war, öffentlich dazu zu stehen, und welche Entwicklung wir innerhalb von kurzer Zeit gemacht haben.

Ulrike Lunacek hat nicht nur mir, sondern sehr vielen Menschen nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt, auch mit ihrem Einsatz im Europapar­lament, Mut gemacht. Eines haben wir nämlich gelernt: Sichtbarkeit ist besser als Un­sichtbarkeit, weil die Unsichtbarkeit das Problem ist, dadurch werden Vorurteile geschürt und schlechtes Gerede entsteht. (Bundesrat Steiner: Gegen die FPÖ!) Wer eine Lesbe, wer einen Schwulen, wer eine Transgenderperson oder intersexuelle Person kennt und persönlich kennt, wird bestätigen: So baut man Vorurteile ab. Ulrike Lunacek hat einen ganz wesentlichen Beitrag in Österreich dazu geleistet, diese Vorurteile abzubauen. Da­für gebührt ihr ein herzlicher Dank meinerseits. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

Bedeutend ist auch, was sie europapolitisch geschaffen hat – sie war eine ausgezeich­nete Europapolitikerin. Es gab einmal eine Umfrage im Kosovo, die ich sehr interessant finde: Sie war im Kosovo die beliebteste Politikerin. – Das, finde ich, ist eine Leistung, die man gar nicht hoch genug schätzen kann. (Bundesrat Steiner: Megaleistung!) In diesem Sinne, liebe Ulrike, wünsche ich dir alles Gute! Vielen Dank für deine Arbeit! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Nun zur Kulturpolitik: Was macht Kultur? – Kultur reflektiert, schildert die Auseinander­setzungen an den Bruchlinien unserer Gesellschaft, an den Bruchlinien unseres eigenen persönlichen Lebens. Ich bin ja ein gebürtiger Niederländer, und im Niederländischen heißt malen schilderen. Das ist dasselbe Ursprungswort wie für schildern. Ich finde das


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Wort schildern für etwas, das man in der Kunst macht, sehr schön, weil es nicht das Selbst ist, das man zeigen will, sondern wie man es in seinem kreativen Schaffen inter­pretiert. Eine Auseinandersetzung mit dem, was in unserer Gesellschaft passiert, und die Schilderung dessen, was uns Menschen bewegt – in unserer Zeitgeschichte, in unse­rer Gesellschaft –, das ist das Spannende.

Genauso beschäftigt sich ja die Kultur nun ganz intensiv mit der Coronakrise. Genauso sehen wir es vor allem derzeit in den Vereinigten Staaten, wo sich die Kulturszene ganz intensiv mit strukturellem Rassismus beschäftigt, jetzt aktuell im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung, weswegen wir Grüne heute übrigens auch diese T-Shirts (auf sein schwarzes, mit bunten Schriftzügen bedrucktes T-Shirt weisend) angezogen haben, um uns solidarisch mit den Menschen zu zeigen (Zwischenruf bei der FPÖ), die weltweit friedlich gegen Rassismus auf die Straße gehen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Themen wie Rassismus, Coronakrise, Klima, die ewigen Themen wie Liebe, Familie, Freundschaft, Krieg, Gewalt, das sind die Themen, um die es geht. Kulturpolitik ist nicht dazu da, diese Errungenschaften der Kultur zu bewerten, etwas gut oder schlecht zu finden, sondern sie ist dazu da, die Möglichkeiten zu schaffen, den Rahmen zu schaffen, damit sich diese Kultur entfalten kann.

Zu dieser Entfaltung gehört ganz klar auch, dass Künstlerinnen und Künstler sozial ab­gesichert sind, und das steht auch im Regierungsprogramm drinnen. Die Coronakrise, die uns mit dieser Wucht getroffen hat, hat erst recht gezeigt, wie dringend notwendig es ist, nicht nur jetzt in der Krise zu helfen – wir haben ja heute auch diesen NPO-Topf auf der Tagesordnung –, sondern tatsächlich auch eine nachhaltige Strategie zu entwi­ckeln, um die soziale Absicherung von Künstlern und Künstlerinnen zu schaffen. Schön, dass wir das auch gemeinsam in unserem Koalitionsprogramm drinnen haben, weil das post Corona umso notwendiger ist!

Abseits der Krise gibt es aber weitere Punkte, die sozusagen auf der To-do-Liste ste­hen – Frau Staatssekretärin, Sie werden wahrscheinlich selbst auch noch kurz darauf eingehen. Wir haben im Museumsbereich noch einige Dinge zu erledigen, die sehr span­nend sein werden. Das Bewahren des Films ist eines dieser Themen, die wir angehen werden, oder auch – das wollte ich extra erwähnen, da ja noch Oberösterreich sozusa­gen hier im Bundesrat regiert (erheitert) –, Technologie und Kunst in einen stärkeren Dialog zu bringen. Das ist auch einer der ganz großen Schwerpunkte im Regierungspro­gramm, und da hat Österreich mit der Ars Electronica eine ganz besondere innovative Kraft geschaffen, eine Innovation, die weltweit einzigartig ist und die wir auch gerne un­terstützen.

Jede Kulturmaßnahme ist auch eine Konjunkturmaßnahme. Die wirtschaftliche Bedeu­tung und die touristische Bedeutung wurden schon erwähnt, aber die menschliche Be­deutung steht für mich immer noch an erster Stelle. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.08


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Andrea Mayer. – Liebe Frau Staatssekretärin, bitte.


12.08.27

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Vor allem aber: Sehr geehrte Damen und Herren BundesrätInnen! Ich freue mich, dass ich mich heute auch hier im Bundesrat in meiner neuen Funktion als Staatssekretärin für Kunst und Kultur vorstellen darf.


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Ich danke Ihnen für den sehr freundlichen Empfang, den Sie mir bereitet haben. Das bedeutet mir persönlich wirklich sehr, sehr viel. Es ist aber mehr als das, es ist ein Ar­beitsauftrag, nämlich einerseits den Kunst- und Kulturbereich gut durch die Coronakrise zu bekommen und andererseits eine Kulturpolitik für die Zukunft zu definieren, die die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in Österreich gestaltet und verbessert.

Wie Sie wissen, sind Kunst und Kultur für mich persönlich sehr wichtig. Sie bilden zudem seit vielen Jahren, Jahrzehnten einen zentralen Bestandteil meiner beruflichen Lauf­bahn. In unterschiedlichen Funktionen habe ich mir umfassende Kenntnis der österrei­chischen Kunst- und Kulturlandschaft aneignen können.

Ich möchte beiden Vorrednern recht geben. Es ist richtig, sehr geehrter Herr Bundesrat Beer, dass wir Verwaltungsmenschen sehr viel und sehr hart arbeiten. Ich glaube, gera­de jetzt in der Coronakrise wurde das besonders bewiesen, aber natürlich, sehr geehrter Herr Bundesrat Buchmann, ist es richtig und eine große Veränderung, sozusagen in die erste Reihe zu gehen und auch politische Verantwortung zu übernehmen.

Für mich sind Kunst und Kultur ein zentraler und unverzichtbarer Teil unseres Lebens und unseres Zusammenlebens. Kunst und Kultur äußern sich in einer Vielfalt künstle­rischer und kultureller Ausdrucksformen, von der freien Szene bis zu den Angeboten größerer Häuser. Sie eröffnen uns neue, oft ungeahnte Blickwinkel und laden ein, über unsere Welt zu reflektieren und damit diese neu zu gestalten – gerade in schwierigen Zeiten wie diesen. Das sind einige der Gründe, weshalb ich als Staatssekretärin für Kunst und Kultur heute vor Ihnen stehen darf und warum ich mich mit aller Kraft und vollem Engagement für unsere Kulturnation einsetzen möchte.

Wie Sie wissen, wird die derzeitige Kulturpolitik, wie viele Politikfelder, von einer globalen Gesundheitskrise bestimmt. Diese Krise zeigt uns deutlich, wie verletzlich Kunst und Kultur sind. Das stellt uns vor unerwartete Herausforderungen und nie dagewesene Auf­gaben. Die ersten wichtigen Schritte zur Unterstützung der Kulturbranche haben wir in der Bundesregierung bereits gesetzt, einige davon erst in der vergangenen Woche. Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, eine maßgeschneiderte Überbrückungsfinan­zierung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler in der Höhe von bis zu 90 Millio­nen Euro auf die Beine zu stellen.

Gleichfalls letzte Woche haben wir ein Paket von 25 Millionen Euro für die Filmbranche geschnürt. Hierbei geht es um Übernahme der Kosten von Covid-19-bedingten Produk­tionsabbrüchen. Das Paket ermöglicht, dass Filmteams wieder ohne existenzielles Ri­siko zu drehen beginnen können. In der Sektion für Kunst und Kultur wurden ebenfalls umfangreiche Finanzmittel aus dem regulären Budget in die Hand genommen, um Kul­turschaffenden und Einrichtungen über diese schwierige Phase zu helfen. So wurden in diesem Halbjahr bereits rund 50 Millionen Euro an Förderungen ausgeschüttet, die Mehrheit davon betrifft vorgezogene Förderungen, die die finanziellen Probleme von Einrichtungen und Kulturschaffenden abfedern sollen. Zudem wurden Förderungen von über 3 Millionen Euro umgeschichtet und werden den Bereichen Musik, Film, Bildende Kunst und Literatur, also dem gegenwärtigen Kunstschaffen, zugutekommen.

In der Zielgerade befindet sich auch die Verhandlung zu den Rahmenbedingungen für den mit 700 Millionen Euro dotierten NPO-Fonds. Dieser ist ganz zentral und wird auch gemeinnützigen Kulturinstitutionen zur Verfügung stehen.

Ich möchte an dieser Stelle meiner Amtsvorgängerin Ulrike Lunacek für ihre Arbeit und das Engagement in den letzten Monaten danken. Sie hat die ersten wichtigen Schritte zur Unterstützung der Kulturbranche gesetzt.

Was mich weiters besonders freut, sind die Lockerungen im Veranstaltungsbereich, die mit 29. Mai begonnen haben. Sie ermöglichen vielen Beschäftigten in Kunst und Kultur,


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ihre Arbeit wieder aufzunehmen. – Aber nicht nur in Kunst und Kultur: Kulturbetriebe sind auch ganz essenziell für die Gastronomie und den Tourismus.

Mich persönlich freut es sehr, dass wir jetzt wieder ins Theater, ins Kabarett, ins Kino gehen können. Die Museen und Ausstellungshäuser haben ja bereits seit 15. Mai ge­öffnet. Seit letztem Wochenende gibt es eine zusätzliche Verbesserung, die 10-Quadrat­meter-Regel ist gefallen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Museen nun wieder viele Besucherinnen und Besucher willkommen heißen können.

Diese weitreichenden Lockerungen sind durch die niedrigen Infektionszahlen jetzt wie­der möglich geworden. Lassen Sie uns aber bitte alle weiter so engagiert und diszipliniert bleiben, dass sich das Ansteckungsrisiko in Österreich nicht wieder erhöht! Jeder von uns kann dazu beitragen, dass dem nicht so ist.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch mit Vertreterinnen und Vertretern der darstel­lenden Kunst und gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium Empfehlungen für die Gestaltung eines Covid-19-Präventionskonzeptes für Veranstaltungen im Kulturbereich erarbeitet. Dieses enthält auch Empfehlungen für den sicheren Probenbetrieb. Sie sind seit Anfang der Woche auf der Website des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport abrufbar.

Mehrere von Ihnen haben eine To-do-Liste für mich angesprochen: Selbstverständlich stehen auf dieser To-do-Liste, die auch eine To-do-Liste für die gesamte Bundesregie­rung ist, noch viele Aufgaben, die im Zusammenhang mit Corona zu erledigen sind. Wir werden schauen, welche Unterstützungen in den nächsten Monaten für Kunst und Kultur notwendig sind. Das Ziel ist die Unterstützung der Künstlerinnen und Künstler und der Erhalt unserer kulturellen Vielfalt in Österreich.

Eines ist jedoch schon jetzt absehbar: Die Gesundheitskrise wird langfristig Auswirkun­gen auf den Kunst- und Kulturbetrieb haben, daher müssen wir jetzt die Herausforderun­gen der Zukunft in Angriff nehmen und mit guten Lösungen reagieren. Das Regierungs­programm bietet auch dazu erste Antworten, zum Beispiel die Entwicklung einer ge­meinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern. Ich habe Kunst- und Kulturförderung in den letzten Jahr­zehnten immer so erlebt: Es ist nur dann in eine positive Richtung gegangen, wenn Bund, Länder und Gemeinden an einem Strang gezogen haben und auch gemeinsam finanziert haben. Hierin besteht die Chance, neue und zukunftsgerichtete Maßstäbe zu setzen, die jetzt noch mehr als zuvor benötigt werden.

Ich möchte das zeitgenössische Kunstschaffen stärken und in diesem Zusammenhang auch ein modernes Urheberrecht mit einer angemessenen Vergütung für Urheberinnen und Urheber vorantreiben. Wir wollen in Digitalisierungsprojekte – auch im Förderma­nagement – investieren. Ich bekenne mich zur staatlichen Finanzierung von Kunst und Kultur. Es ist eine Investition des Staates in die Zukunftsfähigkeit und Kreativität unserer Kulturnation. Die Verantwortung dafür liegt aber nicht nur bei der öffentlichen Hand, son­dern bei uns allen, sie sollte von uns allen wahrgenommen werden. Daher werden wir auch ein Anreizmodell für vermehrtes privates Engagement und Möglichkeiten zur Spen­denabsetzbarkeit prüfen.

Ganz oben steht zudem die verstärkte Kooperation mit den Bundesländern, etwa in den Bereichen Baukultur und Förderung von Regionalkultur. 2020 ist der 75. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik. Wenn uns auch Corona ordentlich dazwischengekom­men ist, das Gedenkjahr soll uns als Ausgangspunkt für eine neue, eine spannende Gedenkkultur dienen. Ein großes Anliegen in diesem Zusammenhang ist der Ausbau der Provenienzforschung.

Ein weiteres Thema, das einem im Bereich Kunst und Kultur vielleicht nicht aufs Erste einfällt, ist die Nachhaltigkeit. Mir und der gesamten Bundesregierung ist es ein wichtiges


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Anliegen, dass wir auch im Kunst- und Kulturbereich starke Signale Richtung Nachhal­tigkeit setzen, sowohl national als auch international. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO bieten uns dabei eine gute politische Leitplanke, an der wir uns orientieren können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr auf die Zeit, in der wir diese The­men des Regierungsprogrammes umsetzen und eine mutige Kulturpolitik gestalten kön­nen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich dabei auf Dialog und den Austausch mit den Beteiligten setze, mit den Kulturschaffenden, den Kulturinitiativen und den Kultureinrich­tungen, den Ländern, den Gemeinden und selbstverständlich mit Ihnen, werte Damen und Herren des Bundesrates. Mögen uns die notwendigen Kraftanstrengungen gelingen! Dafür darf ich Sie schon jetzt um Ihre Unterstützung ersuchen. – Haben Sie herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

12.20

12.20.42


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Umsetzung der Stellungnahme der Landeshaupt­leute zum Kunst- und Kulturland Österreich“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

12.21.252. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen-Un­terstützungsfonds erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (20. COVID-19-Gesetz) (536/A und 186 d.B. sowie 10325/BR d.B. und 10328/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


12.21.59

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Orga­nisationen-Unterstützungsfonds erlassen wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird, 20. COVID-19-Gesetz, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist (Bundesrat Schreuder, das Rednerpult verlassend, deutet auf sich) Herr Bundesrat Josef Ofner, lieber Marco. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.



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12.23.03

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich als Kärntner Bundesrat hinsichtlich des Ablebens unseres Kol­legen Gerhard Leitner vor allem der Familie und der gesamten SPÖ-Fraktion mein tiefes Mitgefühl aussprechen, diese Gelegenheit aber auch nützen, unsere neue Kärntner Kol­legin hier zu begrüßen und ihr alles Gute für ihre Tätigkeit zu wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Vor allem: Liebe Zuhörer zu Hause, die Sie diese Sitzung via Livestream mitverfolgen! Wenn wir heute über die Errichtung eines Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisa­tionen debattieren, dann müssen wir auch über die ungeheuerliche Respekt- und Ver­antwortungslosigkeit sprechen, die Sie, Herr Vizekanzler, seit Monaten in diesem Be­reich an den Tag legen. Beinahe jeder zweite Österreicher über 15 Jahren – und das sind immerhin drei Millionen Menschen – engagiert sich in irgendeiner Form in einem der zigtausend Vereine in Österreich. Allein wenn ich hier auf den Kulturbereich eingehe: Wir haben über 2 000 Musikkapellen in unserem Land mit über 150 000 Mitgliedern, wir haben über 3 500 Chöre, die über 100 000 Mitglieder verfügen. Sie werden wahrschein­lich staunen, aber auch diese Vereine zählen zur Kultur Österreichs, ebenso wie die Volkstanzgruppen, die Traditions- und Brauchtumsvereine, die unsere österreichische Kultur ausmachen und von Einheimischen und Gästen gleichermaßen geschätzt wer­den. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Vereine sind es – gemeinsam mit den Sportvereinen –, die nicht nur wertvolle Ar­beit leisten, sondern vor allem auch eine ausgezeichnete Jugendarbeit, womit sie Aber­tausenden Jugendlichen eine wirklich tolle und sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglichen. Diese Tätigkeit können diese Vereine nun seit Monaten nicht mehr ausüben. Für all die­se Vereine sind Sie zuständig, Herr Kulturminister! Das heißt, im Umkehrschluss sind Sie auch dafür verantwortlich zu machen, dass genau diese Vereine einer gefährdenden finanziellen Situation ausgesetzt sind – wie auch alle Kulturinitiativen, -festivals und -or­ganisationen, die das seit Monaten erleiden müssen –, weil Sie in diesem Bereich wieder einmal geschlafen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie schaffen es mit Ihrem GrünInnen-Freund im Sozialministerium ebenso wenig wie Sie es mit Ihrer abgetretenen Staatssekretärin geschafft haben – die Arbeit der neuen Frau Staatssekretärin möchte man noch nicht bewerten, das ist ganz klar –, Kulturschaffen­den und Sportlern in diesem Land klare und planbare Gegebenheiten zu vermitteln und sie in ihren Tätigkeiten zu unterstützen. Sie haben das heute auch bereits zum Ausdruck gebracht, indem Sie die absurden Maßnahmen Ihres Gesundheitsministers hinsichtlich der geltenden Gastroverordnung lächelnd kritisiert und damit auch unsere Kritik bestätigt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was würden denn viele Vereine in diesem Land brauchen? – Abgesehen von einer fi­nanziellen Unterstützung aus einem Fonds, die wiederum mit viel Bürokratie, auf die ich noch zu sprechen komme, verbunden sein wird, würden sie eine entsprechende Wert­schätzung brauchen, verbunden mit der Planbarkeit und der Gewissheit, Veranstaltun­gen in den Sommermonaten und auch im Herbst abhalten zu können, dass sie auf Haus­verstand und Eigenverantwortung und vor allem darauf bauen können, dass die Maß­nahmen auf ein Minimum reduziert werden, um die Durchführbarkeit zu ermöglichen.

Wenn ich mir ansehe, was ich von Ihnen bekomme: Das ist an Absurdität wirklich bald nicht mehr zu überbieten. Jeder Verein hat einen Coronabeauftragten zu installieren. Für Veranstaltungen, die etwas größer sind, ist ein Covid-Präventionskonzept zu erstellen; dieses muss wiederum von der Bezirkshauptmannschaft bewilligt werden. Die Einhal­tung ist dann natürlich auch – und das darf man nicht vergessen – mit der Haftung des


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Veranstalters verbunden. Da frage ich mich schon, welcher Verein, welcher Vereinsob­mann, beispielsweise auch in unserer Gemeinde – und ich bin bei vielen der 30 Vereine in unserer Gemeinde dabei –, diese Verantwortung tragen möchte, die Sie wieder einmal toll auf die Vereine abgeschoben haben.

Insgesamt sind es einfach Bestimmungen und Verordnungen, die beispielsweise auch in Kärnten als Tourismus- und Kulturland ein völliger Wahnsinn sind, noch dazu, wenn man sich gerade in unserem Bereich die entsprechenden, dem gegenüberstehenden Infektionszahlen ansieht. Ihre Maßnahmen und Ratschläge, die Sie seit Wochen ertei­len, führen daher mittlerweile einzig und allein dazu, dass jeden Tag mehr und mehr Menschen eines möchten und sagen: Bitte gebt uns auch das, was diese Regierung anscheinend medizinisch verschrieben kriegt, denn das scheint wirklich unterhaltsam zu sein, damit ließe sich diese leidige Situation wenigstens ertragen! Diese Arzneimittel möchten wir auch haben!

Wenn man sich das anschaut – und da gibt es jetzt genügend Beispiele, wenn wir uns dem Thema Kunst und Kultur widmen –, dann muss man sagen, das ist nicht unbedingt eine schauspielerische Glanzleistung Ihres Bundeskanzlers in dieser Koalition gewesen, als er – von einem TV-Sender leider ungeplant ausgestrahlt – gerade noch die Theatralik und Selbstinszenierung bei einer Pressekonferenz geprobt hat. – Und nein, das haben die Österreicher leider schon vernommen, das ist nicht an ihnen vorbeigegangen, son­dern sie haben es vernommen, und konnten auch eine Beantwortung durch Ihren So­zialminister vernehmen, der, als eine Blasmusikkapelle angefragt hat, wie sie Proben durchführen soll, auf die Einhaltung der Maskenpflicht verwiesen hat. Also da dürfte die ärztliche Verschreibung wohl ziemlich hoch ausgefallen sein.

Dazu gibt es weitere, wunderbarste Ausflüsse in diesem Bereich: Verordnungen bei­spielsweise im Musikunterricht, in denen die Erziehungsberechtigten darauf hingewie­sen werden, dass sie eine Einverständniserklärung zu unterschreiben haben, dass der Trompetenlehrer, der dem Kind das Instrument näherbringt, dabei die Maske abnehmen darf. – Ja, ganz toll!

Da fragen sich die Leute dann wirklich: Welcher Gedankenwelt muss man folgen, dass man auf solche Verordnungen setzt? – Es ist wahrscheinlich dieselbe Gedankenwelt, die auch den Schluss zulässt, dass man einfach hergeht und den Ex-Chef, das Ober­haupt in der Hofburg, gleich wie den Bundeskanzler am besten von sämtlichen Verord­nungen ausspart, denn sie halten sie ja sowieso nicht ein. Das wäre die logische Konse­quenz. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben uns aber in dieser Thematik nicht so fallenlassen, und daher werden wir die­sen Unterstützungsfonds auch ablehnen. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Bezug habende Richtlinie nach nunmehr über zwei Monaten von Ihnen noch immer nicht fertig ausgearbeitet wurde. Auf deren Inhalt kommt es aber an, denn in dieser Thematik ist das wesentlich.

In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen auch etwas verraten, das mich direkt verblüfft hat, denn genau dieselbe Problematik, die unsere Fraktion erkennt, hat mittlerweile so­gar die ÖVP erkannt. ÖVP‑Kollegin Neurauter hat im Ausschuss zu Recht ihr Unver­ständnis zum Ausdruck gebracht und damit unsere Kritik, dass es noch immer keine klaren Handlungsweisen für all die Vereine in unserem Land und damit noch immer Un­gewissheit gibt, sogar vorweggenommen. Natürlich zeigt sich da ganz deutlich, dass es mittlerweile auch der schwarzen ÖVP mit den GrünInnen zu bunt geworden ist, denn sie sind seit Monaten säumig und tragen dafür ebenso die Verantwortung wie für die Pein­lichkeit, eine Frau Lunacek ins Staatssekretariat gehievt zu haben, weil sie anscheinend ständig aus stetiger Hilflosigkeit heraus agieren. – Aber keine Sorge, die ÖVP wird Sie nicht fallenlassen, sie wird Ihnen schon helfen, heute werden sie auch mitstimmen. Na­türlich dürfen sie dann, wenn es beschlossen ist, diese Richtlinie gemeinsam mit Frau


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Bundesministerin Köstinger bestimmen; damit können die Schwarzen mitreden, und damit ist vorerst alles gut, zumindest für die ÖVP. – So ist der Regierungsplan, aber genau diese Vorgehensweise ist für uns nicht tragbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenso wenig tragbar ist für uns die Unbekannte, ob die AWS die Auszahlungen und die Abwicklungen vornehmen wird oder dies – diese Möglichkeit besteht – vielleicht dann wieder auf die Wirtschaftskammer überträgt; es kann sogar passieren, dass die AMA die Auszahlungen an die Musikkapellen vornimmt, auch das wäre denkbar. Ich glaube aber, die Wirtschaftskammer ist naheliegender, denn für Herrn Mahrer – wenn ich mich kurz in seine schaumweindurchtränkten Fantasien begebe – ist es die neue Normalität geworden, dass er sowieso sämtliche Daten von ganz Österreich am besten in der Wirtschaftskammer angesiedelt haben möchte.

Aus all diesen Gründen wird es von uns keine Zustimmung geben, denn das bedeutet nicht Unterstützung für die Vereine, sondern wieder einmal überbordende Bürokratie, und das im Zusammenspiel mit einem überlasteten Minister beziehungsweise Vize­kanzler.

Nach all den tollen Vorschlägen und Maßnahmen, mit denen Sie uns, vor allem aber die Kulturschaffenden und Sportler in diesem Land in den letzten Wochen und Monaten ge­geißelt haben, darf ich Ihnen einen wirklich guten Ratschlag mitgeben, der Ihnen viel­leicht, aber Österreich ganz sicher guttun würde: Benehmen Sie sich doch so, wie es die von Ihnen eingesetzte und als Wunschkandidatin im Staatssekretariat verankerte Vor­gängerin gemacht hat! Sie hat nämlich die beste Amtshandlung in dieser Funktion ge­liefert, indem sie zurückgetreten ist. Deswegen mein Vorschlag: Treten Sie einfach zu­rück, wenn Sie der Aufgabe nicht gewachsen sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sehe schon, Sie können meinem Vorschlag wenig abgewinnen – aber keine Sorge, auch dabei wird Ihnen die ÖVP behilflich sein, denn die hat bereits Ihr Ablaufdatum und vielleicht auch jenes der Koalition festgelegt; Sie kennen es nur noch nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

12.34


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat.


12.34.46

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen, wer von Ihnen ist Mitglied eines Vereins? (Einige BundesrätInnen heben die Hand. – Bundesrat Steiner: Ich bin nicht in der Schule!) Ich nehme an: ÖAMTC, Arbö, VCÖ und dergleichen. Viele sind Mitglied bei Feuerwehren, bei den Auto­mobilklubs, bei den Verkehrsklubs, bei den Rettungsorganisationen. Ich bin beispiels­weise Mitglied bei Global 2000 oder beim Eurovision-Songcontest-Fanclub. Es gibt Freunde von Museen, da bin ich auch Mitglied. Es gibt Unmengen Vereine (Bundesrat Rösch: Ich geh’ derweil!), und diese Vereine bekommen jetzt eine Unterstützung.

Ein Paket – das möchte ich hier schon sagen –, wie wir es heute schnüren, dass Vereine in der Coronakrise Unterstützungen bekommen, ist in Europa einzigartig. Das gibt es in keinem anderen Land, das gibt es wirklich nirgendwo sonst, das gibt es nur jetzt, und ich bin froh, dass wir das heute beschließen.

Es gibt in Österreich 124 000 Vereine – das ist eine gehörige Summe –, und in diesen Vereinen und in der Freiwilligenarbeit sind 3,4 Millionen Menschen tätig. 220 000 Ver­tragsverhältnisse gibt es da auch, es ist also schon ein gehöriger Anteil von Erwerbstä­tigen in Vereinen, in den sogenannten NPOs, aktiv. Diese Vereine und diese NPOs sind von der aktuellen Coronakrise natürlich besonders betroffen. Ja, es hat gedauert, bis dieses Paket fertig geworden ist, das stimmt, und ja, wir haben bei den allerersten Pake­ten festgestellt, dass anfangs Fehler vorkamen und dass man auch lernen kann. Die


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Richtlinien zu diesem Paket sind jetzt in der finalen Phase, sie werden finalisiert, veröf­fentlicht und sicher eine große Hilfe für die Vereine sein. (Rufe bei der FPÖ: Das wissen wir noch nicht!)

Vereine sind übrigens eine ganz wichtige Stütze für die Demokratie, das dürfen wir nicht vergessen. Hier berufen sich viele auf 1848, auch das Vereinswesen beruft sich natürlich auf 1848 und auf die Versammlungsfreiheit von Menschen. Sie gehören zur modernen Demokratie dazu: vom Verein, der einen Ortskern beschützen will, bis hin zu Volkskunst­vereinen, von Frauenvereinen bis hin zum Beispiel auch zu den LGBT‑Vereinen, die jetzt um Benefizveranstaltungen umfallen, weil in der Pride-Woche, im Pride-Monat keine Veranstaltungen stattfinden können. Wir helfen ihnen, und wir tun das gerne. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.37


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.37.52

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Mitglieder der Bun­desregierung! Ja, Vereine, Herr Kollege Schreuder: Ich bin in über 14 Vereinen in meiner Region tätig. Ich bin auch in verschiedenen Vereinen in der Funktion des Obmannes – unter anderem auch im Verein Brauchtumserhalt. Ich weiß schon, das sagt Ihnen nicht so viel, denn mit Brauchtum haben die Grünen noch nie etwas am Hut gehabt (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder) und werden auch nie etwas am Hut haben. (Bun­desrat Schreuder: Keine Ahnung!) Wir setzen uns natürlich für Brauchtum und somit für die Kultur in unseren Heimatgemeinden, in unseren Regionen ein.

Ihr könntet euch einmal ein Beispiel an all diesen kleinen Vereinen nehmen, die derzeit keine Kulturveranstaltungen machen können, keinen Zusammenhalt in den Gemeinden leben können. Redet einmal mit denen, denn es ist nicht immer das LGBT-Gschichtl, das wichtig ist (Zwischenrufe des Bundesrates Schreuder), sondern das Wichtige ist, vor Ort – vor Ort! – bei den Bürgern zu sein und dort Vereinsleben zu leben! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir beim Vereinsleben sind: Vereinsleben ist wichtig. Vereinsleben ist wichtig für ganze Regionen, Vereinsleben ist wichtig für ganze Wirtschaftszweige. Ich weiß schon, als Wiener, Herr Schreuder, kann man sich da nicht so gut reinversetzen. Wenn es aber im Ort nur ein Gasthaus oder maximal zwei Gasthäuser gibt, dann braucht dieses Gast­haus sehr viele Vereine, um dort auch überleben zu können, denn all die Vereinssitzun­gen, all die Besprechungen finden in der Regel in den Gasthöfen statt. Wenn sich diese Vereine nicht treffen können und die Gasthäuser geschlossen haben, gibt es auch keine Umsätze – deshalb sind wir jetzt in der Misere, in der wir stecken.

Jetzt dürfen die Gasthäuser wieder aufmachen. Was ist passiert? – Die Gäste sind aus­geblieben. Und warum sind die Gäste ausgeblieben? – Aufgrund Ihrer Geschichten, auf denen Sie heute wieder den ganzen Vormittag lang herumgeritten sind – auch Sie, Herr Vizekanzler –, wie gefährlich, wie schlimm es nicht ist und wie wichtig die Maske auch weiterhin noch sein wird! Aufgrund Ihrer Erzählungen bleiben die Gäste in den Gasthäu­sern nach wie vor aus, weil sie Angst haben, sich in einem Gasthaus anzustecken.

Deshalb muss jetzt endlich Schluss sein mit den Erzählungen, Schluss mit den Märchen und Schluss mit den Gschichtln. Es muss endlich Schluss sein mit der Angstmache und mit den grässlichen Bildern, sozusagen den Restüberbleibseln der Schreckenspolitik dieser Regierung, und mit der Pflicht, im Gastronomiebereich weiterhin einen Mund-Na­sen-Schutz zu tragen. Auch damit will man nur die Angst aufrechterhalten, Herr Minister. Daran sieht man, wie ernst es dem Kanzler und seinem grünen Beiwagerl Anschober mit der Gesundheit der Mitarbeiter im Gastronomiebereich wirklich ist. Was will auch ein


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ehemaliger Volksschullehrer, der die meiste Zeit seines Lebens in der grünen Parteizen­trale anstatt in der Volksschule verbracht hat, schon von Gesundheit und Wirtschaft ver­stehen? (Beifall bei der FPÖ.)

Oder will uns diese Regierung allen Ernstes weismachen, dass dieser verpflichtende Fetzen im Gesicht für die Gesundheit der Mitarbeiter gut ist? Klar ist, Herr Minister und Herr Vizekanzler, dass Sie keine Ahnung vom Arbeitsalltag einer Kellnerin oder eines Kellners haben. Diese Mitarbeiter erbringen ja schon unter normalen Bedingungen Höchstleistungen, laufen bei Hitze zig Kilometer, um uns als Kunden einen möglichst schönen Aufenthalt im Restaurant oder im Beisl zu ermöglichen und uns so gut wie mög­lich zufriedenzustellen. Nun wird ihnen ihre Arbeit noch wesentlich erschwert, da die Kellner weiterhin diesen unnötigen – ich kann es nicht anders bezeichnen – Fetzen im Gesicht tragen müssen, der ihnen das Atmen erschwert und mit Sicherheit nicht zum gesunden Arbeiten beiträgt.

Überall wird reglementiert, oft auch überreglementiert, um den Unternehmern unnötige Hürden in den Wirtschaftsalltag zu packen. Trotzdem wird seitens der Wirte alles unter­nommen, damit sie die Mitarbeiter im Arbeitsleben so gut wie möglich schützen und auch auf lange Sicht im Betrieb halten können. In der Tourismusbranche, und das wissen wir nun alle, ist es schon so schwer genug, Personal zu finden und dieses dann auch noch zu halten. Wenn es allerdings darum geht, mit aller Gewalt die Geschichte des Kanz­lers – und das mache ich Ihnen wirklich zum Vorwurf, Herr Vizekanzler –, dass es Hun­derttausende Tote geben wird, irgendwie aufrechtzuerhalten, ist die Gesundheit der Mit­arbeiter in den Gastronomiebetrieben plötzlich nichts mehr wert. Das mache ich Ihnen zum Vorwurf. (Beifall bei der FPÖ.)

Was aber anscheinend neu ist, und das trifft ja die Kultur genauso, ist, dass der Virus an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten verschieden aktiv ist. Im Gastgarten ist er, wie wir jetzt wissen, zuerst ab 23 Uhr aktiv gewesen, jetzt ist er ab 1 Uhr morgens aktiv. In den Casinos allerdings haben wir ein ganz anderes Bild: Da wird der gefährliche Virus erst ab 3 Uhr aktiv. – Also noch verblödeter geht es nimmer!

An diesem Beispiel wird die Politik dieser Regierung und des Kanzlers immer deutlicher sichtbar, denn es muss alles getan werden, um den Menschen weiterhin Angst zu ma­chen und die Wirtshauskultur und die Kultur in Österreich möglichst zu zerstören – koste es, was es wolle. Den Grünen mache ich gar keinen so großen Vorwurf, denn euch ist das Wirtshaus noch nie etwas wert gewesen. Dass sich aber die angebliche Wirtschafts­partei ÖVP derart gegen unsere Gastronomie stellt, nimmt erschütternde Ausmaße an.

Daher stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit der COVID-19-Maskenpflicht in Tourismusbetrieben, der Gastronomie und Aufhebung der Sperrstunden-Schikane“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regio­nen und Tourismus werden aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass die allgemeine COVID-19 Maskenpflicht in der Gastronomie und in den Beherbergungsbetrieben umge­hend abgeschafft wird. Darüber hinaus soll die Sperrstundenbeschränkung aufgehoben werden.“

*****


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Liebe Regierung! Werdet euch der realen Situation in unseren Gastronomiebetrieben endlich bewusst und hört auf mit dieser Politik der Angst! Lasst unsere Unternehmer arbeiten, denn, lieber Herr Vizekanzler, diese Unternehmer zahlen mit ihren Steuern un­ter anderem Ihr Vizekanzlergehalt! (Bundesrätin Zwazl: Unseres auch!)

Zum Schluss noch an die Adresse der SPÖ – ich bitte euch wirklich –: Stimmt unserem Antrag zu und zeigt all jenen Arbeitern, die euch noch wählen, also die noch übrig ge­blieben sind, dass ihr sie versteht und dass ihr die unnötige Schikane der Regierung nicht weiter mittragt! Liebe SPÖ, bitte zieht mit uns gemeinsam an einem Strang! Entlas­ten wir die Mitarbeiter und die Wirte, die sich für uns Gäste tagtäglich ins Zeug hauen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit der COVID-19-Maskenpflicht in Tourismusbetrieben, der Gastronomie und Aufhe­bung der Sperrstunden-Schikane“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.46.29

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es tut mir leid, dass ich meinen Beitrag damit beginnen muss, zu sagen, dass ich es sehr bedauere, dass man im Zusammenhang mit Kunst und Kultur so respektlos und herabsetzend sprechen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte nur noch einen Satz dazu sagen: Gestern hat der schwedische Chefepide­miologe öffentlich festgestellt, dass man auch in Schweden anders hätte handeln müs­sen, wenn man das Virus nicht so gering geschätzt hätte. (Bundesrat Rösch: Genau so hat er es nicht gesagt! – Bundesrat Steiner: Richtig zitieren!) Das spricht für sich.

Ich komme nun zu meinem Beitrag zum Gesetzesvorhaben, dem 700 Millionen-Euro-Fonds: Wie wir alle miterleben mussten, sind durch die Covid-19-Krise auch gemein­nützige Organisationen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens mit existenz­bedrohenden Einnahmeausfällen konfrontiert worden. Mit diesem Fonds soll sicherge­stellt werden, dass die betroffenen Einrichtungen ihre gemeinnützige Tätigkeit aufrecht­erhalten können.

Wie schon Kollege Schreuder gesagt hat, hatten wir Ende des Jahres 2018 124 000 aktive Vereine, und alle hier sind Mitglieder von unzähligen Vereinen. Der Shutdown hat uns gezeigt, was uns fehlt, wenn diese Organisationen ausfallen. Nach der Statistik sind in Österreich circa 2,4 Millionen Menschen im Vereinswesen tätig. Österreich ist reich an Vielfalt und Engagement in sehr vielen Lebensbereichen. Es gibt Bildungsvereine, ge­meinnützige Hilfsvereinigungen, es gibt Vereinigungen für Frauenangelegenheiten, es gibt Tierschutzvereine – ich möchte das hier nicht weiter aufzählen.

Ich will zwei kulturelle Bereiche herausgreifen, die für das soziale Leben besonders wich­tig sind und über die ich mich mit Frau Nationalrätin Großbauer kürzlich ausgetauscht habe – das geht jetzt auch in Richtung der Ausführungen meines Vorredners. Es geht um kleine Dinge, die aber in den Städten und Dörfern sehr wichtig sind. Ich erwähne hier das Chorsingen, und, gerade weil ich aus Tirol komme, das Blasmusikwesen.

Gemeinsames Singen ist nicht nur für die Gesundheit gut, sondern fördert die Ge­meinschaft und erfreut uns alle bei vielen gesellschaftlichen Anlässen. Es gibt über 3 500 Chöre in Österreich mit über 100 000 Sängerinnen und Sängern. Jährlich werden


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von ihnen 13 000 Konzerte, über 20 000 Gottesdienste, 11 000 gesellschaftliche Veran­staltungen und über 500 Radio- und Fernsehveranstaltungen mitgestaltet. Das erfordert über 90 000 Chorproben. Da wird nicht die Gesangselite ausgebildet, da wird gemein­sam gesungen und Gemeinschaft gepflegt. Man freut sich über gelungene Auftritte, man spürt die Emotion, man genießt die vielfältigen positiven Auswirkungen des Singens auf die Entwicklung junger Menschen, und man sorgt sich um den Nachbarn im Chor, sollte er einmal unvermutet fehlen.

Diese Vereine haben alle ihre Struktur, sie müssen Miete für Räumlichkeiten zahlen, brauchen Musikliteratur, müssen gemeinsam Kleidung anschaffen und so weiter. Wegen der Coronakrise mussten alle Konzerte und Aufführungen abgesagt werden. Kein Früh­jahrskonzert, kein Osterkonzert, kein Muttertagskonzert fand statt, und es gab auch kei­ne anderen Veranstaltungen, bei denen die Chöre Eintrittsgelder oder freiwillige Spen­den einnehmen hätten können, um ihre Unkosten zu decken. Ich erwähne hier nur bei­spielhaft die Wiltener Sängerknaben, weil die meisten diesen kleinen vielleicht Chor ken­nen. Sie hätten im Frühjahr nicht nur diese Konzerte gehabt, sondern auch Auslandsrei­sen, zum Beispiel nach China, unternommen.

Dann möchte ich noch zum Thema Tirol und Blasmusik sprechen: keine öffentliche Ver­anstaltung ohne Musikkapelle, kein freudiges Fest, keine religiösen Feiertage und auch kaum ein Begräbnis ohne Musikkapelle, der der Verstorbene vielleicht selbst jahrelang angehört hat. Wie bei den Chören gibt es auch bei der Blasmusik keine gesellschaft­lichen Unterschiede: Der Hofrat bläst neben dem Bauarbeiter, die Hausfrau neben der Universitätsprofessorin, der Lehrling neben dem Pensionisten. Die Blasmusik gehört zu unserem Land und ist auch Teil seiner musikalischen und kulturellen Identität.

Ich möchte auf die Ausführungen meines Vorredners zurückkommen, da ich selbst schon jahrelang, vielleicht sogar jahrzehntelang die Salzburger Festspiele besuche. Die Kosten für meine Konzertkarten haben sich immer in einem Bereich bewegt, dass ich sie mir auch als jüngerer Mensch habe leisten können und die Konzerte das auch wert waren. Das merke ich nur am Rande an, weil man die Salzburger Festspiele nicht so herabsetzen sollte.

Ich habe jetzt diese zwei Kulturbereiche herausgegriffen, weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal untergehen, weil sie so selbstverständlich sind. In jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es Vereinigungen, die derzeit von der Covid-19-Krise betroffen sind: Theatervereine, Jazzklubs, Tanzvereine, Literaturvereinigungen, Sport- und Freizeitver­eine; ganz wichtig sind auch die sozialen Non-Profit-Organisationen. – Ihnen allen müs­sen wir finanzielle Unterstützung bieten, damit sie weiterexistieren können. Wichtig ist – und darum bitte ich –, dass es rasch eine Verordnung zur Durchführung gibt, weil gerade diese kleinen Vereine keinen Steuerberater haben und auch keine Fachkräfte, die die entsprechenden Ansuchen rasch und vollständig auf den Weg bringen können.

Dass diese gemeinnützigen Vereine die Krise gut überstehen, ist im Interesse von uns allen, und so ersuche ich darum, diesem Gesetzesbeschluss zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.54


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.54.16

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Haus! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517 221 Menschen ohne Job“, „Existenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult.) Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seherInnen! Endlich – muss ich sagen – ist er da, dieser Unterstützungsfonds für ge­meinnützige Organisationen; endlich, weil wir mittlerweile Woche 13 der Coronakrise


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haben, und 13 Wochen Unklarheit für diese Organisationen und Vereine natürlich schon etwas sind, das an den Nerven und an der Substanz dieser Gemeinschaften zehrt.

Es war auch in den letzten Wochen schon sehr verwirrend. Es hat immer wieder Ankün­digungen gegeben, dass es diesen Unterstützungsfonds geben wird. Dann war wieder etwas auf der Website zu lesen, auf der auch der Härtefallfonds beschrieben wird; dann ist das wieder heruntergenommen worden. Das war für uns in der Praxis also wirklich sehr, sehr anspruchsvoll und unangenehm. Es macht natürlich auch jegliche Planung für Sommer und Herbst unmöglich, wenn man nicht weiß, womit man rechnen kann und was einem zugesprochen werden wird.

Jetzt gibt es die Gesetzesvorlage, aber es fehlt die entsprechende Verordnung mit den Vergaberichtlinien. Das bedeutet für uns, dass wir nach wie vor warten müssen. Wir können noch nicht ansuchen, wir wissen nicht, wem was zusteht. Das macht die Situa­tion für die Szene existenzbedrohend; das muss man einfach so sagen.

Die Wichtigkeit der Arbeit dieser Organisationen und Vereine haben meine Vorrednerin­nen und Vorredner ausführlich dargestellt. Die Vielfalt der Vereine und Organisationen ist tatsächlich beeindruckend. Man kann den Wert dieser Vereine nicht hoch genug einschätzen. Ich möchte da keinen Bereich gegen den anderen ausspielen. Alle diese Organisationen haben ihre Berechtigung und erfüllen ihren Zweck. Schlussendlich tra­gen sie auch zur psychischen Gesundheit der österreichischen Bevölkerung bei, denn es geht da auch darum, sich sinnvoll und konstruktiv in die Gesellschaft einzubringen und Gemeinschaft im positivsten Sinne zu erleben. Insofern ist der Versuch der KollegInnen von den Freiheitlichen, diese Vereine gegeneinander auszuspielen, fehl am Platz. Jeder Mensch sucht sich den Bereich, in dem er sich einbringen will, und das ist auch gut so.

Herr Vizekanzler, Sie haben zum Glück im zuständigen Ausschuss des Nationalrates richtiggestellt oder ergänzt, dass es sich nicht nur um Sportvereine und Kunst- und Kul­turinitiativen handelt, sondern durchaus auch um Vereine der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit, um Organisationen für Entwicklungszusammenarbeit, also die ganze Bandbreite gemeint ist. Das war aus dem Text so nicht herauszulesen, und deswegen waren wir da ursprünglich auch ein bisschen verwirrt. Klar ist, dass politische Parteien nicht gemeint sind; das scheint ganz selbstverständlich zu sein.

Wichtig ist, dass die Unterschiedlichkeit der Vereine und Realitäten, wenn die Richtlinien hoffentlich bald kommen werden, darin auch abgebildet wird. Es gibt Vereine, die lokal organisiert sind, es gibt aber auch Organisationen, die bundesweit arbeiten und ver­schiedenste Teilstrukturen aufweisen. Es stellt natürlich eine Herausforderung dar, das alles in einer Vergaberichtlinie abzubilden, aber wir hoffen, dass das dann tatsächlich auch so der Fall sein wird.

Ich kann mich jetzt kurz halten, weil es schon viele Vorrednerinnen und Vorredner an­gesprochen haben. Aufgrund des Lockdowns im März musste vieles an Bildungsange­boten, an Veranstaltungen, an regelmäßigen Treffen und so weiter zurückgenommen werden. Es kam dadurch zu Spendenausfällen, aber auch zu unerwarteten Sonderkos­ten wie zum Beispiel für die Rückholungen von im Ausland tätigen MitarbeiterInnen von Entwicklungshilfeorganisationen, mit denen so nicht zu rechnen war. Es besteht jetzt natürlich die große Hoffnung, diese außerordentlichen Kosten aufzufangen und abzude­cken.

Ich weiß von vielen Organisationen in diesem Bereich, die bemüht waren, ihre Mitarbei­terInnen tunlichst nicht zu kündigen. Viele, viele sind nach wie vor in Kurzarbeit und hoffen, dass sie bald wieder zurückkehren können. Es handelt sich um rund – es hat heute dazu unterschiedliche Zahlen gegeben – 250 000 Beschäftigte. Das sind viele, viele Existenzen, die zittern, ob das alles gut ausgehen wird; deswegen habe ich auch


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mein Schild hier aufgestellt. Es geht zurzeit wirklich wesentlich darum, die Existenz der Menschen abzusichern. Eine auf der Hand liegende Maßnahme wäre, das Arbeitslosen­geld zu erhöhen, weil das auf einen Schlag vielen Menschen die Sicherheit bringen würde, dass sie in nächster Zeit über die Runden kommen werden.

Man darf nicht vergessen, was die vielen, vielen Organisationen und Vereine gerade in dieser Krisenzeit für die Gemeinschaft leisten. Viele Organisationen haben die Chance genutzt, neue Formen zu finden, um an ihre Mitglieder und an die Bevölkerung heranzu­treten. Nicht alle haben ihre Aufgaben oder ihre Angebote ganz zurückfahren müssen, sondern sind auf digitale Angebote umgestiegen, haben Telefondienste angeboten und so weiter. Sie haben Menschen, die diese Krise sehr stark spüren und davon sehr be­lastet sind, durch diese vielen Wochen begleitet und so einen wertvollen Dienst an der Gemeinschaft geleistet.

Ein Wort noch zu den aktuellen Förderverträgen vieler Vereine und Organisationen: Vie­le Verträge, die Anfang des Jahres abgeschlossen worden sind, sind durch Corona na­türlich ins Wanken geraten oder können in der Form nicht erfüllt werden. Da erhoffen wir uns große Flexibilität und auch Wohlwollen vonseiten der Ministerien. Verlängerungen von Fristen beziehungsweise Nachholfristen sollen ermöglichen, dass man diesen Auf­trägen und Vereinbarungen tatsächlich nachkommen kann.

Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, ein Thema anzusprechen, das jetzt viele Orga­nisationen ganz akut betrifft und zu dem wir sozusagen täglich Richtlinien erwarten, nämlich die Gestaltung des Sommers. Viele Organisationen wären bereit und warten nur darauf, Ferienangebote vor allem für junge Menschen anzubieten. Wir wissen, dass jun­ge Menschen – Kinder, Jugendliche – diese Angebote jetzt brauchen. Sie brauchen ei­nen unbeschwerten Sommer. Wir wissen aber auch, dass die Eltern die Sicherheit brau­chen, dass die Kinder in diesen Wochen gut betreut sind.

Schon oft wurde angekündigt, dass Richtlinien für Ferienangebote kommen werden. Sie werden diese Woche wieder nicht kommen, wie ich erfahren habe; die Sommerferien beginnen aber in drei Wochen und wir brauchen diese Richtlinien. Herr Vizekanzler, ich bitte Sie, setzen Sie sich dafür ein, dass diese Richtlinien für Sommerferienangebote jetzt kommen! Wir müssen das planen, wir müssen das für die Kinder, für die Eltern umsetzen, aber auch für die MitarbeiterInnen in diesem Bereich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen also diese beiden Richtlinien für den NPO-Unterstützungsfonds und für die Ferienaktionen. Wir werden dieser Vorlage zustimmen, aber bitte, wir brauchen diese Richtlinien besser noch gestern als heute. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.02


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler, ich erteile Ihnen das Wort.


13.02.59

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Meine Damen und Herren! Es ist hier ein irrtümlicher Eindruck erweckt worden, wofür alles mein Ministerium überhaupt zuständig sein soll. Wir küm­mern uns ja gern um Sport- und Kunst- und Kulturvereine, wir haben auch schon sehr viele Vertreterinnen und Vertreter getroffen, aber für das Vereinswesen in Österreich ist an sich ein anderes Ministerium zuständig. Das dürfte Ihnen vorübergehend entgangen sein. (Bundesrat Steiner – auf Bundesrat Schreuder weisend –: Das war Ihr Parteikol­lege! Ihrem Parteikollegen!)

Jetzt geht es aber trotzdem um die gemeinnützigen und Non-Profit-Organisationen. Da gibt es in Österreich einen vielfältigen Schatz; all dem, was gesagt wurde, habe ich nichts


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hinzuzufügen. Ich würde es dann auch so halten – ich danke der Vorrednerin für diesen außerordentlich konstruktiven Beitrag –, wir sollten da nichts gegeneinander ausspielen. Kunst- und Kulturvereine sind am Land, in den Gemeinden genauso wichtig wie in den Städten, erst recht, wenn sie völlig unterschiedliche – wenn Sie so wollen – Genres bie­ten, unterschiedlichen kreativen Tätigkeiten nachgehen und damit auch immer wieder etwas – im besten Sinne der lateinischen Wurzel des Wortes – produzieren.

Man kommt ja anscheinend nicht umhin, dauernd irgendetwas zu den Krankenzahlen zu sagen, selbst wenn man da fromm auf der Regierungsbank sitzt. Also jetzt noch einmal etwas betreffend die 100 000 Toten: Ich sage Ihnen etwas, und zwar haben wir darauf hingewiesen – ich jedenfalls ein paar Mal –, dass zu der Zeit, als die Maßnahmen zu setzen waren, die ja dann eh relativ rasch zum Erfolg geführt haben, diese auch deshalb sinnvoll und notwendig waren, um nicht bestimmte Engpässe, wie wir sie in einem un­mittelbaren Nachbarland, nämlich in Italien, erlebt haben, durch einen Nichtlockdown zu provozieren.

Im Übrigen war es ja – da in der ersten Reihe ist er gesessen – Klubobmann Kickl, der einen härteren Lockdown viel schneller, viel rascher verlangt hat. Wir haben noch ver­handelt, welcher Tag eigentlich der richtige ist. (Bundesrat Rösch: Ja, an der Grenze!) – Nicht nur an der Grenze, überhaupt! (Bundesrat Rösch: Na ja, sicher!) Er durfte es ja eh, ich kritisiere das ja nicht einmal, denn das sind nämlich schlaue Überlegungen. Wir haben auch überlegt, wann, an welchem Tag, man das macht – darüber haben wir vorhin schon einmal geredet –, dass es dann auch nicht zu früh ist. Erstens muss man die Maßnahmen in der Bevölkerung ja nachvollziehen und verstehen, aber es geht auch darum, dass man das Wirtschafts- und Sozialleben nicht zu schnell herunterfährt.

Wir haben uns halt dann für einen bestimmten Zeitpunkt entschieden. Viel länger hätten wir auch nicht mehr zuwarten dürfen. Wir sind in der Regierung zu einem hervorragen­den Kompromiss gekommen. (Bundesrat Rösch: Wir brauchen Stichproben, ausrei­chend Stichproben!) Stichwort Sportvereine et cetera: In Österreich hatten wir mehrere Ausnahmebestimmungen – eine davon war die sportliche Betätigung –, und es war im­mer möglich und auch sinnvoll – salopp gesagt –, das Haus zu verlassen. Im Kunst- und Kulturbereich ging es natürlich nicht so einfach, weil wir Zuschauer indoor nicht zulassen konnten. Das beginnt jetzt erst wieder.

Wir als Bundesregierung haben Berichte der Ärztinnen und Ärzte aus den Spitälern in Norditalien bekommen – ich habe das selber unterschätzt, ich gehöre zu jenen, die das unterschätzt haben –, später konnte man dann ja die zugehörigen Fernsehbilder sehen, als Ärztinnen und Ärzte weinend in die Kameras gesprochen haben; zunächst haben wir nur schriftliche Berichte gehabt. Wir haben schon damals gesehen, dass die Grenzen der medizinischen Kapazitäten erreicht, ja überschritten sind und deshalb Leute zu Hau­se unbetreut, zum Teil de facto vor der Krankenhaustür gestorben sind, weil eben nichts mehr gegangen ist. Wir haben in so hoch entwickelten Regionen wie der Lombardei oder in Bergamo - - (Bundesrat Rösch: Das lässt sich ja nicht vergleichen!) – Na ja, was heißt, das lässt sich nicht vergleichen? (Bundesrat Rösch: Das lässt sich nicht verglei­chen!) – Ja bitte, führen Sie das aus! Ich bin da immer sehr an Dialog interessiert. (Bun­desrat Rösch: Ja, das wissen Sie ganz genau, dass nämlich in der Lombardei die Leute ins Krankenhaus und in die Ordinationen gegangen sind und dort das Krankenhausper­sonal auch erkrankt ist! Deswegen sind die schneller an die Kapazitäten gekommen! Wir haben Gott sei Dank eine Ärzteschaft gehabt, die die Nummer 1450 hergegeben hat, deswegen konnten die Leute zu Hause behandelt werden! Das war unser großes Glück, nicht wegen der Regierung, sondern trotz der Regierung! – Heiterkeit, Bravorufe und Beifall bei der FPÖ.)

Na ja, ich gebe Ihnen recht, was das Handling betrifft, da waren wir tatsächlich schon eine Spur gescheiter. Ob es nur Glück oder bewusst organisiert war, überlasse ich der


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Beurteilung aller hier anwesenden Bundesrätinnen und Bundesräte. Es war jedenfalls schlauer, das stimmt; trotzdem hat man gesehen, auf welch rasche Art und Weise sich dieses Virus ausbreiten kann. Wovor wir dann gewarnt haben, waren nicht Hunderttau­sende Tote, sondern dass wir diese Szenarien und diese Umstände nicht wollen, unter denen dann letztendlich, so wie es in Norditalien war, die Särge mit Militärkonvois Rich­tung Süden gefahren wurden, weil sie im Norden gar keinen Platz mehr hatten. Dazu bekenne ich mich auch, das habe ich selber gesagt. Da brauchen Sie gar nicht auf ir­gendeinen nicht anwesenden Bundeskanzler zu verweisen. So war das in der Situation. Dass es danach viel schneller und viel besser gelaufen ist, haben wir jetzt schon aus­führlich genug besprochen.

Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema zurück: Bei diesem Fonds geht es tatsächlich um die ganze Bandbreite der Gemeinnützigen. Das sind sehr viele, deshalb sind ja um­gekehrt 700 Millionen Euro auch nicht so wenig. Wenn Sie das mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichen: Die haben jetzt erst für die Gemeinnützigen dort im Zuge des gestern vorgestellten sogenannten Konjunkturpakets – ich habe die Unterlage des Koali­tionsausschusses da, die machen das ja immer sehr akribisch, wie wir wissen –, was den Bund betrifft, nur Kredite vorgesehen, und das nur in einem Ausmaß von 0,9 Mil­liarden Euro. Das wären gemäß Umrechnungsfaktor 90 Millionen Euro. Also 90 Millionen Euro als Kredite versus 700 Millionen Euro als echte Zuschüsse – der Vergleich kann sich sehen lassen! Ich füge hinzu, dass in der Bundesrepublik die Bundesländer eine stärkere Rolle haben und aufgerufen sind, zu unterstützen.

Das führt mich zu meinem nächsten Argument – wir haben uns im Nationalrat ja darüber ausgetauscht –: Wir denken da, anders als bei anderen Fonds, auch an andere Hilfen für die gemeinnützigen Vereine, zum Beispiel von den Gemeinden oder von den Bun­desländern. Wenn es manchen zu lange dauert: Diese wären ja schon längst dazu in der Lage und eingeladen, auch etwas zu tun. Da wir im Bundesrat sind, darf ich hinzu­fügen, dass das möglich ist. Überhaupt kommt man ja beim Studium der österreichi­schen Bundesverfassung drauf, dass einerseits Sportangelegenheiten, andererseits Kunst- und Kulturangelegenheiten in vielfacher Hinsicht eigentlich auch Länderkompe­tenz sind. Gerade aber im Förderwesen ist es so, dass der Bund immer wieder in Vorlage tritt und bei einem Kunst- und Kulturbudget von circa 450 Millionen Euro natürlich auch sehr viel vom Bund gemacht wird, und zwar zu Recht. Deshalb darf man jetzt auch vom Bund etwas verlangen, das ist ohnehin unbestritten. Ich sage nur, es muss sich auf Ge­meinde- und auf Landesebene niemand zurückhalten, um schnell einzuspringen.

Wir haben immer gesagt, dass wir das nicht gegenrechnen werden. Das wissen die Lan­desrätinnen und Landesräte für Kunst und Kultur – das sind im Übrigen oft die Landes­hauptleute – oder für den Sportbereich. Das ist natürlich einmal eine gute Vorausset­zung, weil das bei einem der Fonds tatsächlich ein Problem war. Eine Gemeinde ir­gendwo in einem Bundesland zahlte einem bestimmten EPU irgendeine Förderung, und das war dann ein Ausschlussgrund für den anderen Fonds. Das war im Ergebnis tatsächlich so nicht sinnvoll und wäre damit vermieden. Das ist, glaube ich, gerade im föderalen Gremium der Republik ein nützlicher Hinweis.

Ansonsten möchte ich zu den Eckdaten sagen, dass wir die Zeitdauer dieses Fonds länger als die sonst üblichen drei Monate angelegt haben. Gerade in dem Bereich, von dem wir reden – Kunst, Kultur und Sport –, waren die Beeinträchtigungen ja erwartbar und werden – quasi nachweislich angekündigt – länger als bloß das übliche Quartal an­halten, das anderen Fonds als Ersatzzeitraum zugrunde gelegt wurde. Auch dort über­legt man sich im Übrigen, ob man diesen nicht ausweitet, weil es ja auch im Wirtschafts­leben unterschiedliche Entwicklungen gibt.

Was diese Phase betrifft, würde ich meinen, dass wir im Herbst noch einmal schauen müssen, was es dann noch braucht. Das jetzige Modell ist ein bisschen den Wirtschafts­hilfen nachgebaut, und da darf man die Hoffnungen ja auch nicht in den Himmel treiben,


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glaube ich. Das sind in erster Linie Kostenersatzmodelle und keine Einnahmeausfalls­modelle, damit man überhaupt einmal über die Runden kommt.

Wie wir dann im Sportbereich, im Kunstbereich oder auch in anderen Bereichen versu­chen, im Herbst oder mit Jahreswechsel rauszukommen, damit sich die Vereine, die unterschiedliche, aber zum Teil große Einnahmeausfälle erlitten haben, wieder ihrem Gemeinnützigkeitszweck zuwenden können, muss man dann in einer nächsten Phase da oder dort noch einmal extra betrachten. Das ist jetzt ein Fonds, der auf bestimmte Kostenkategorien – wesentlich großzügiger sogar als im Wirtschaftsbereich, auf bis zu 100 Prozent von bestimmten Kosten – abstellt, damit man einmal über die nächsten Mo­nate kommt. Das wird auch dazu führen – es wurde jetzt auch nach den Fristen gefragt –, dass wir bei den Richtlinien, die gerade fertiggestellt werden, daran denken, dass von dem gesamten Betrag, der sozusagen in Aussicht gestellt wird, 50 Prozent sofort, ohne große Kontrolle oder irgendetwas in der Art, ausbezahlt werden. So könnte das dann doch ganz gut funktionieren, glaube ich.

Insbesondere wollte ich noch darauf hinweisen – auch das betrifft wiederum alle Ge­bietskörperschaften, aber natürlich zunächst den Bund selbst –, dass Förderungen – das ist dann schon die Einnahmeseite von vielen Vereinen – dort, wo es irgendwie geht, weiter bezahlt werden sollen. Wir haben das in unserem Haus ja genauso gemacht, davon sind immerhin schon zwei große Bereiche betroffen. Wir haben überall, wo es fördertechnisch auch von den juristischen Möglichkeiten und vom Haushaltsrecht her möglich war, die Förderungen eins zu eins weitergezahlt. Das sind natürlich insbesonde­re Basisförderungen und Strukturförderungen; Projektförderungen natürlich nur insoweit, als bestimmte Projektkosten nicht mehr einzufangen waren. Wenn aber heute ein Ver­anstalter hergeht und sagt, er zieht ein Projekt mit 31. August durch, ganz genau weiß, dass das nie stattfinden wird, dann aber trotzdem noch Kosten produziert, wird es – auch in Absprache mit der Finanzprokuratur – schwierig, dass man das dann noch fördert. Bei einer solchen Kostenverursachung ist ja dann schon eine gewisse Mitverantwortung da­bei.

Ich bitte Sie, auch an die Gemeinden und an die Bundesländer weiterzutragen – dort sind im Übrigen die Regeln, was das Förderwesen betrifft, ohnehin nicht so streng, was in dem Fall ein Nutzen ist –, dass wir das Geld aus den Förderzusagen, die in der Regel ja am Jahresanfang gegeben werden – ob es jetzt das Gemeindebudget oder ein Lan­desbudget ist, und auf der anderen Seite sitzt ein Verein, der das erwartet –, weiterzah­len und durchzahlen. Das ist ja für viele schon die meiste Hilfe, denn es gibt halt Vereine, bei denen der Förderanteil durchaus ein lukrativer Einnahmenteil ist.

Bei jenen, die vor allem von Festen leben, die jetzt halt nicht stattfinden können, und wo somit ein Einnahmeentfall auftaucht, ist das – zugegeben – natürlich viel, viel schwieri­ger. Das wurde ja auch erwähnt. Da werden wir dann schauen müssen, wie wir je nach Branche, wenn Sie so wollen, noch etwas tun können. Jetzt geht es einmal um einen Kostenersatz, da aber, denke ich, um einen sehr, sehr großzügigen.

Im Übrigen ist es auch so, dass wir natürlich gerade im sozialen oder karitativen Bereich Vereine haben, bei denen wir auch schauen müssen, wo wir sonst noch etwas lukrieren können. Da sind ja, so wie in der Wirtschaft, Fixkosten gemeint, die anfallen, obwohl quasi alles stillgestanden ist. Es gibt natürlich auch Kostenkategorien, in denen höhere Kosten angefallen sind, weil diese Krise existiert, typischerweise im Sozialbereich. Pfle­geinstitutionen, die gemeinnützige Träger haben und karitativ sind, haben dann natürlich zum Teil Mehrkosten gehabt, weil ja die Ausrüstung in Coronazeiten mehr Kosten ver­ursacht hat. Da wäre natürlich schon daran gedacht, dass das aus anderen Fonds ab­gedeckt wird. Ich muss das dazusagen, damit es da keine Missverständnisse gibt. Für diese Mehrkosten gibt es ja an sich die Dotierungen und die Budgets in den Ressorts. Da müssen wir am Schluss, im Herbst, gleichrechnen und schauen, wie wir dann alle entsprechend rausbringen.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 87

Ich sage das deshalb dazu, weil wir das Ganze – in Absprache und in Abstimmung mit dem Koalitionspartner – den Wirtschaftsfonds nachgebaut haben. Es ist von den Ver­einen und den Trägern zum Beispiel im Sportbereich dann auch quasi – unter Anfüh­rungszeichen – „eingesehen“ worden, dass man da nicht großartig mehr fördern kann als in der Wirtschaft, dass zum Beispiel der Verein im Ort jetzt sozusagen viel mehr als das Gasthaus im Ort kriegt. Ich habe mich dieser Debatte nie angeschlossen, das Er­gebnis ist auch ein anderes. Tatsächlich ist es so, dass es entlang der Kostenkategorien, die jetzt ersetzt werden, großzügiger als in der Wirtschaft zugeht, weil in der Regel 100 Prozent ersetzt werden. Sie kennen die Staffelung in der Wirtschaft, die ist abgestuft niedriger.

Das hat aber seinen Grund und seine Berechtigung, weil nämlich diese Gemeinnützi­gen – ein bisschen aus dem Englischen abgeleitet – Non-Profit-Organisationen sind. Da­raus geht hervor, dass sie nicht nur künftighin keine Gewinne machen können, sondern aus etwaigen vergangenen Gewinnen auch keine Rücklagen hätten aufbauen können, auf die man zurückgreifen kann. Teilweise gibt es etwas in einem kleineren, tolerierbaren Bereich, aber nichts Großartiges. Deshalb sind die von vornherein anders zu denken und zu behandeln gewesen, und deshalb gibt es auch diesen Unterschied. Man könnte, zumindest was die Kostenersätze betrifft, dann schlussfolgern, dass es da entgegen der Eingangsverhandlungsvoraussetzung doch mehr als in der Wirtschaft gibt, und das – wie ich meine – aus gutem Grund.

Wieder anders zu behandeln sind unter Umständen jene Gemeinnützigen, die unter ih­rem Dach durchaus geschäftsträchtige und geschäftsfähige Körperschaften wie GesmbHs haben. Das ist typischerweise bei Profiligen im Sport – so viele haben wir in Österreich eh nicht – der Fall. Auch da werden wir schauen, ob man nicht einen Sondertopf macht, weil diese eben, wie hier schon ein paarmal angemerkt wurde, vielleicht dann doch un­terschiedlich zu behandeln wären, oder ob man die da drinnen lässt. Das ist alles in der Schlussbetrachtung und ‑beratung, aber auch da wollen wir natürlich helfen. Es wurde zwar genannt, ist in Österreich aber gar nicht so bekannt und wird vielleicht mithin unter­schätzt, dass Sport und der Profisport, mit dem ganzen Getriebe herum, eine relativ hohe Wertschöpfung haben; das Wichtigste ist aber, dass man jetzt sieht, dass gar nicht so wenige Arbeitsplätze damit verbunden sind. Deshalb schauen wir uns auch an, wie die Profiorganisationen, obwohl sie ein gemeinnütziges Dach haben – typischerweise ein Fußballverein in der Bundesliga –, entsprechend behandelt werden sollen.

Das sind ein paar von diesen Eckdaten. Ich werde jetzt keine weiteren Ausführungen mehr machen, es sei denn, es taucht noch irgendeine spezielle Frage auf, dann werde ich sie beantworten. Ansonsten danke ich für Ihre Aufmerksamkeit, weil ich ja tatsäch­lich, wie es meinem Ruf entspricht, wieder entsprechend Zeit beansprucht habe. – Dan­ke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.20


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


13.20.37

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen! Sehr geehrte Gäste! Ich möchte zuerst ein paar Worte des Herrn Vizekanzlers unterstreichen, weil ja immer wieder gesagt wird, diese Richtlinien kämen zu spät. Ich als Bürgermeister kann nur sagen: Wenn ein Verein in meiner Gemeinde kurzfristig in existenzielle Nöte geraten wäre, hätte ich ihm natürlich geholfen. Es gibt in dieser Zeit, sofern es noch keine Richtlinien gibt, also sicherlich andere Übergangshilfen, bis man den Verein dann auffängt.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 88

Ich möchte heute speziell über die Feuerwehren reden, nicht weil ich andere Vereine nicht so sehr schätze, sondern weil die Feuerwehren doch noch aufgenommen wurden. Es ist die größte freiwillige Hilfsbewegung Österreichs, die nicht nur Feuer löscht, son­dern auch bei Hochwasser, Hagel, Sturm oder Unfällen zugange ist, um zu helfen. Letz­ten Endes ist es jene Organisation, die uns das Gefühl der Sicherheit gibt.

Ich war einmal bei einer Übung in unserem Nachbarland Tschechien. Es gibt umge­rechnet auf die Bevölkerung nirgends auf der Welt eine so hohe Dichte an freiwilligen Feuerwehrmännern wie in Österreich. Ein Vertreter aus Tschechien hat mich dort ge­fragt, warum es bei uns so viele Freiwillige gebe. Wir seien ein so reiches Land, wir könnten uns diese Dienste ja auch zukaufen. Ich habe zu ihm gesagt: Wir sind so reich, weil wir so viele Freiwillige haben! Genau das ist es nämlich, nicht nur bei den Feuer­wehren, sondern in allen Bereichen: Weil es so viele gibt, die sich engagieren, sind wir eben so reich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Natürlich gibt es auch bei den Feuerwehren große und kleine, manche haben bessere Verdienstmöglichkeiten, andere wieder weniger. Auch jenen, die weniger Verdienstmög­lichkeiten haben, muss man helfen, weil sie natürlich auch unserem Schutz dienen.

Ich war selbst zehn Jahre Verwalter einer Feuerwehr, ich weiß, wie das ist, wenn man laufende Ausgaben für Überprüfungen hat oder wenn jemand der Feuerwehr beitritt und gleich einmal Kosten in der Höhe von 2 500 Euro für die Bekleidung anfallen. Wenn dann auf der anderen Seite die Einnahmen nicht vorhanden sind, tut man sich natür­lich schwer. Deshalb ist es so gut, dass es diese Hilfe für diese Organisation gibt, und deshalb schockiert es mich so, dass die FPÖ dagegen ist. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Die FPÖ stellt sich hier mit eigentlich fadenscheinigen Argumenten gegen die Feuerweh­ren. Genauso gut könnte ich sagen, ihr seid nur dagegen, weil eure Spendenvereine – wie Patria Austria oder Wirtschaft für Österreich, in denen Tschank und Landbauer ihr Unwesen treiben und ihr diese Spenden am Rechnungshof vorbei jongliert habt – kein Geld aus diesem Fonds bekommen werden. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das wäre natürlich ein genauso gutes Argument, warum ihr tatsächlich dagegen seid und bei diesem sehr guten Gesetz nicht mitstimmt.

Es ist immer wieder dasselbe Muster, nach dem ihr handelt, so wie auch bei den abge­lehnten Budgetbegleitgesetzen, womit letzten Endes verhindert wurde, dass Bilanzbuch­halter bei Kurzarbeitsanträgen mitarbeiten können und es daher schneller gehen würde. Damit wurde letzten Endes verhindert, dass SV-Beiträge gestundet werden, und deshalb haben die Arbeitgeber vielleicht weniger Geld für Arbeitnehmer zur Verfügung. (Bundes­rat Beer: Euch kann man es fünfmal sagen, und ihr kapiert es nicht! – Bundesrat Stei­ner: Dann macht die Gesetze nicht so kompliziert! – Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling.) Das Handeln ist immer das gleiche, es folgt wahrscheinlich Herrn Kickl, der in den Medien und auch hier immer sagt, alles sei zu spät, oder zu früh, die Richtlinien seien nicht da, zu umständlich, oder dass Menschen alleine gelassen werden. – Hier in diesem Haus stellt gerade ihr mit eurem Handeln diesen Zustand her, damit ihr ihn dann kriti­sieren könnt. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das sind politische Mätzchen auf dem Rücken der Bürger. Ihr spielt mit den Sorgen der Menschen. (Bundesrat Steiner: Die ihr gemacht habt!) Wir helfen, so schnell es geht, wo es geht und so gut es geht. Natürlich kann nicht alles in einem Guss und sofort ge­schehen; da wären ja alle Beteiligten in den Ministerien Wunderwuzzis, wenn das so wäre. (Bundesrat Steiner: Ihr habt ja den Heiland!) Mit diesem Gesetz geben wir unse­ren Freiwilligen Hilfe, der wichtigen Säule unseres Wohlstandes, und das ist gut so. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.25

13.25.19



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 89

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Schluss mit der COVID-19-Maskenpflicht in Tou­rismusbetrieben, der Gastronomie und Aufhebung der Sperrstunden-Schikane“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

13.26.263. Punkt

Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport be­treffend EU-Jahresvorschau 2020 (III-707-BR/2020 d.B. sowie 10329/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


13.26.41

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur des Bundesrates über den Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2020 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2020 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Danke, Herr Berichterstatter.

Sie können gleich hier bleiben, Herr Bundesrat, denn Sie sind als Nächster zu Wort ge­meldet. – Bitte.


13.27.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Die Vorhaben im Bericht betreffend EU-Jahresvorschau 2020 – das kann man auch nachlesen – sind eindeutig vor der Coronazeit geschrieben worden. Geradezu nostalgisch und sehnsüchtig wird man, wenn man dann von einem Treffen in Dubrovnik lesen darf, einer wirklich schönen Stadt. Das ist natürlich der Ratspräsidentschaft Kroatiens geschuldet. Es wirkt plötzlich wie ein Fenster in eine vergangene Zeit, obwohl es gerade erst im Februar stattgefunden hat.

Selbstverständlich wird das eine oder andere nach der Coronakrise neu zu bewerten sein, und gewisse Prioritäten werden sich wohl auch auf EU-Ebene verschieben müs­sen. Wenn man aber einen genaueren Blick auf diesen Bericht wirft, kommt man schon


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 90

drauf, dass so manche Vorhaben eigentlich immer noch aktuell sind und durch die Co­ronakrise sogar zu einem gewissen Grad an Aktualität gewonnen haben. (Präsident See­ber übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte nur drei Beispiele herausnehmen, zum Beispiel das Programm Kreatives Europa 2021 bis 2027. Ziel dieses neues Programmes ist die Förderung der kulturellen Vielfalt und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kultur- und Kreativsektors. Die Trilogverhandlungen dazu sind noch nicht abgeschlossen. Der Rat hat bislang noch keine endgültige Position zum Mehrjährigen Finanzrahmen. Aber gerade jetzt, da digi­tale Kulturangebote, auch durch die Coronakrise ausgelöst, eine so starke Bedeutung bekommen haben, ist natürlich die Frage, wie stark das europäische Gewicht bei diesen Angeboten im Netz ist – auch im globalen Umfeld eine ganz existenzielle Frage –, weil es eben nicht nur um Kultur geht, sondern natürlich auch um die Verdienstmöglichkeiten, die dahinterstecken, um solche Dinge auch zu vermitteln oder zu verbreiten.

Ein zweiter Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist der EU-Arbeitsplan für Kultur 2019 bis 2022. Der Plan sieht zum Beispiel vor, fünf Prioritäten für die kulturpolitische Zusam­menarbeit auf EU-Ebene zu setzen. Das ist einerseits die Nachhaltigkeit des Kultur­erbes. Wir haben heute schon darüber gesprochen, dass die Nachhaltigkeit des Kultur­erbes auch deswegen wichtig ist, weil tatsächlich der Klimawandel zu mehr Zerstörung führt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Klimawandel bekämpfen ist also mittlerweile auch eine kulturelle Frage.

Die weiteren Prioritäten sind das Stärken des Zusammenhalts durch Kultur, die Unter­stützung von in der Kultur Tätigen – wir haben heute schon über die soziale Absicherung gesprochen –, die Geschlechtergleichstellung und die internationalen Kulturbeziehungen.

Ein Punkt, den ich auch noch ansprechen möchte – da sind wir wieder bei der Digitalisie­rung, die gerade jetzt in der Coronazeit einen besonderen Wert bekommen hat –, ist die Überarbeitung der Empfehlung zur Digitalisierung und Onlinezugänglichkeit von kulturel­lem Material. Aktuell wird die Empfehlung der Kommission – das ist wirklich schon lange her – aus 2011 zur Digitalisierung und Onlinezugänglichkeit des kulturellen Materials evaluiert. Die Vorlage einer Revision ist bis Ende 2020 geplant, in die Umsetzung soll es dann 2021 kommen. Dadurch soll die Herstellung digitalisierten Materials aus Biblio­theken, Archiven und Museen vorangetrieben werden. Die Richtlinie wird nun nach neun Jahren überarbeitet. Es ist doch ein sehr schnelllebiger Sektor, und man kann sagen, es ist auch an der Zeit.

Gerade jetzt ist dieser Onlinezugang auch von Bibliotheken, von Archiven, von öffentli­chen Mediatheken und so weiter eine sehr entscheidende Frage geworden. Diese betrifft nicht nur die Institutionen – darauf ist ja dieses Projekt eigentlich vor allem ausgerichtet – sondern ist auch zunehmend eine Frage für die Forscher und Forscherinnen, die zu Hause sitzen. Natürlich ist das auch für diejenigen, die das einfach konsumieren oder neugierig sind, eine ganz interessante Frage.

Das sind jetzt nur drei Beispiele, an denen man sieht, dass auch ein Bericht, der vor Corona geschrieben wurde, eigentlich jetzt nach Corona sogar an Aktualität gewonnen hat. Es ist nicht so, dass man seine Prioritäten jetzt nicht mehr braucht. Es sind deshalb gute Vorhaben. Wir stimmen diesem Bericht sehr gerne zu. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.32


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.


13.32.21

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 91

Kollege Schreuder hat mir schon einiges vorweggenommen. Wir haben ja im Ausschuss auch sehr intensiv über diesen Bericht diskutiert. Er stellt, wie gesagt, die EU-Vorhaben im Bereich der Ressortzuständigkeit des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport dar.

Grundlage ist unter anderem das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das Jahr 2020. Wie bekannt, lautet das Arbeitsprogramm „Eine Union, die mehr erreichen will“. Es wurde auch in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und den Mit­gliedstaaten sowie den beratenden Ausschüssen erarbeitet. Unterstrichen wird – das ist vielleicht auch noch interessant – die Bedeutung der gemeinsamen Werte der Union, wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte ein­schließlich Minderheitenrechte sowie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Die fünf Punkte des EU-Vorhabens hat Kollege Schreuder schon vorweggenommen. Österreich misst dieser kulturpolitischen Zusammenarbeit in der EU große Bedeutung bei und wirkt auch intensiv an den EU-ExpertInnengruppen mit. Ich sehe es auch über Corona hinweg als sehr wichtig und notwendig, dass wir ständig daran arbeiten.

Unter dem finnischen Ratsvorsitz wurden im Oktober 2019 die Trilogverhandlungen auf­genommen. Es wurden drei Sitzungen abgehalten, um zum Beispiel zu den Programm­zielen und zur Ausgestaltung der Förderschiene bessere Ausgangspositionen zu haben. Da gibt es aber natürlich Knackpunkte wie Governance und die Direktförderung des European Youth Orchestra und der European Film Academy. Wir haben auch im Aus­schuss gehört, dass es dabei noch keine weitere Annäherung gegeben hat. Diese Trilog­verhandlungen wurden im Dezember gestoppt.

Die kroatische Vorsitzführung hatte sich zum Ziel gesetzt, unter dem Programm Krea­tives Europa doch wieder Schwung in diese Verhandlungen zu bringen, damit auch et­was weitergeht. Leider konnte das coronabedingt nicht weiter stattfinden, aber vielleicht werden das dann die Deutschen wieder aufgreifen und fortsetzen.

Der kroatische Vorsitz hat den Fokus auch auf Risikomanagement von Weltkulturerbe gelegt. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass gerade Kulturstätten vom Klima­wandel sehr stark betroffen sind. Daher wurden vom kroatischen Vorsitz Maßnahmen erarbeitet, die nun in den Rat einfließen sollen.

Auch Österreich war dieses Thema ein Anliegen, und wir werden diese Schlussfolgerun­gen des Rates ausdrücklich unterstützen. Die Mitgliedstaaten sollen unter anderem Sor­ge dafür tragen, dass das Schützen von Kulturerbe sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene Eingang in bestehende Katastrophenpläne findet.

Die geplante Fachtagung zur Mobilität von Kulturschaffenden wurde coronabedingt ab­gesagt. Auch Veranstaltungen rund um die Kulturhauptstadt Rijeka – wir haben es auch von Kollegen Schreuder schon gehört – haben 14 Tage nach Beginn aufhören müssen. Man versucht jetzt, diese Aktivitäten als Kulturhauptstadt in die Verlängerung zu bringen, damit man all die Veranstaltungen, die geplant waren, vielleicht doch noch durchführen kann.

Die EU befasst sich in diesem Bericht auch mit dem Thema Geschlechtergleichstellung im Kunst- und Kulturbereich. Wie wir leider wissen, sind Künstlerinnen und Kulturarbei­tende nach wie vor im Kulturleben benachteiligt. Daher unterstützt Österreich auch die Behandlung dieses Themas auf EU-Ebene.

Wir sehen, es sind doch aktuelle Dinge in diesem Bericht, die sehr unterstützenswert sind.

Es ist dem Bericht auch für den Bereich öffentlicher Dienst ein Passus zu entnehmen, dass derzeit die Veröffentlichung von Schlussfolgerungen des Rates zum Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes ansteht.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 92

Im Bereich des Sports wird der EU-Arbeitsplan für den Sport 2017 bis 2020 auch von Österreich begrüßt und seine Fortführung unterstützt. Die Schwerpunkte des heurigen Jahres sind die Erarbeitung des Standpunktes der EU zu Antidopingmaßnahmen. Auch das hat große Aktualität und ist nie von Corona in den Hintergrund gedrängt worden.

Auch zum Nachfolgeprogramm des europäischen Mobilitätsprogramms Erasmus plus, das in das Kapital Sport einfließt, werden die Verhandlungen weitergeführt. Österreich ist für die Beibehaltung eines Sportkapitels im neuen Programm, das um einen neuen Bereich Mobilität ergänzt werden soll.

Das sind für mich die wichtigsten Dinge aus diesem Bericht. Auch ich ersuche um Zu­stimmung, denn wir sehen, dass sich intensives Befassen mit Berichten sehr wohl lohnt und wir sehr viele Dinge weiter betrachten, mitnehmen und weiterverhandeln müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.38


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.Bettina Anna Lancaster. – Ich erteile Ihnen dieses.


13.38.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuhörer via Livestream! Meiner Rede stelle ich eine existenziell wichtige Frage und ein wichtiges Anliegen voran, nämlich: Existenzen sichern – Arbeits­losengeld erhöhen! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“, „Existenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult. – Bei­fall bei der SPÖ.)

Der Bericht zu Kunst, Kultur und Sport aus Vor-Covid-Zeiten wurde hier bereits klar er­läutert und es wurden viele Details dazu vorgetragen. Er verdeutlicht, wie schnell Priori­täten und Absichten innerhalb kürzester Zeit einfach beiseitegelegt werden. Verhandlun­gen wurden eingestellt, Digitalisierung wird bevorzugt, geplante Konferenzen wurden er­satzlos gestrichen, Budgetmittel werden umgewidmet und so weiter.

Zuerst zu Kunst und Kultur: Die Trilogverhandlungen zum Programm Kreatives Euro­pa 2021 bis 2027 wurden im Dezember 2019 ausgesetzt. Dann kam Covid-19, und nach meinem jetzigen Informationsstand wurden sie nicht wieder aufgenommen.

Die Auswirkungen der durch Covid-19 verursachten Krise auf die Verhandlungen sind im vollen Ausmaß nicht abschätzbar. Mit inhaltlichen Auswirkungen und finanziellen Fol­gen betreffend das Ergebnis der Verhandlungen ist zu rechnen. Vieles wurde und vieles wird anders als geplant – auf europäischer Ebene, auf Bundesebene und auf Gemeinde­ebene. Die wirtschaftlichen Einbußen durch Covid-19 bei Künstlerinnen und Künstlern, bei Kunst- und Kulturvereinen, beim Kunst- und Kulturbetrieb insgesamt sind nicht ab­sehbar, Tausende von Existenzen sind gefährdet.

Mehr noch: Das, was Europa und insbesondere auch Österreich ausmacht – ein reich­haltiges kulturelles Angebot und eine lebendige, produktive Kunst- und Kulturszene –, steht auf dem Spiel. Wir dürfen das, was uns im Innersten definiert, nicht verloren gehen lassen, die Unterstützung hat mit voller Kraft anzulaufen.

In Vorbereitung auf meinen Debattenbeitrag suchte ich den Austausch mit Künstlern aus meinem Heimatbezirk Kirchdorf in Oberösterreich, mit Ines und Christoph, beide Jazz­musiker. Lassen wir sie hier im Hohen Haus mit ihren wertvollen Erfahrungen und gesi­cherten Kenntnissen aus der Jazzszene zu Wort kommen, es ist wichtig! Sie haben mir einen Appell an Sie, Frau Staatssekretärin Mayer, mitgegeben – Ines durfte Sie ja im Rahmen ihrer Tätigkeit im Musikbereich kennenlernen. Ich zitiere:


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 93

Wir brauchen situationsbedingte Empathie und keine Versprechen für die Zukunft, das Jetzt ist entscheidend. Fühlen wir uns in die Situation der nicht abgesicherten, arbeitslo­sen jungen Künstlerinnen und Künstler! Wir finanzieren ihre Ausbildung, ihr Studium. Sie repräsentieren die Ausbildungsstätten und damit Österreich nach außen. Vor allem junge Musikerinnen und Musiker, die bestens ausgebildet sind, brauchen sofortige Un­terstützung. – Zitatende. So lautet ihr Appell an Sie, werte Frau Staatssekretärin. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der in der vorigen Woche vorgestellten Überbrückungsfinanzierung für selbstständi­ge Künstlerinnen und Künstler haben Sie, Frau Staatssekretärin, gleich nach Ihrer An­gelobung einen längst überfälligen Schritt gesetzt. Wir werden darauf achten, dass Sie ein treffsicheres, unbürokratisches Finanzierungsinstrument für unsere Kulturschaffen­den in Österreich auf die Beine stellen. Ihre Fachkompetenz wird allgemein geschätzt, auch Ines und Christoph vertrauen Ihnen. Bislang ist noch kein Euro geflossen, daher bin ich vorsichtig mit dem Verteilen von Lorbeeren. Das Spiel mit Almosen durch Minis­terin Aschbacher, die persönliche Verunglimpfung von kleinen Unternehmen und Einper­sonenunternehmen im Radio durch den Kanzler selbst sind für mich als Sozialdemo­kratin beschämend. (Beifall bei der SPÖ.)

Inszenierung ist nicht mit tatsächlicher Unterstützung gleichzusetzen, manche scheinen dies zu verwechseln.

Sport ist der zweite Schwerpunkt des Berichtes. Sehr geehrte Damen und Herren, die Covid-19-Pandemie verursachte eine seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht dagewe­sene Unterbrechung des sportlichen Jahreskalenders. Es gab Stornierungen von großen und kleinen Sportveranstaltungen auf allen Ebenen. Der Verlust von Sponsoren und Mitgliedsbeiträgen und anderen Einnahmen trifft die Sportorganisationen und Klubs an der Basis besonders hart. Das Arbeitsprogramm der EU für das zweite Halbjahr wird neue Prioritäten und Schwerpunkte setzen müssen. Auch die nationalen Hilfen und Un­terstützungen für den Sport müssen endlich ins Laufen kommen, es gibt keine spürbare Sportpolitik der Regierung.

Auch dazu ein regionales Beispiel: Ein Schützenverein meiner Nachbargemeinde wand­te sich am 31. Mai, das war letzten Sonntag, mit einem Ansuchen um Vereinsförderung wegen Einnahmeausfällen durch die Covid-19-Krise an den Allgemeinen Sportverband. Es ist für sie absolut überlebensnotwendig, dass sie Unterstützungen bekommen, da all ihre Einnahmen wegfallen. Es gibt keine Veranstaltungen und es ist ein sehr teures Un­ternehmen, einen solchen Verein in einer Krise am Leben zu erhalten, da die Verpflich­tungen bestehen bleiben. Die Antwort, die sie vom Allgemeinen Sportverband Oberös­terreich dann bekommen haben:

Leider gibt es außer der medialen Ankündigung eines Härtefallfonds seitens der Sport- und Finanzminister immer noch keine Informationen und Einreichrichtlinien. –

Weiter unten hieß es noch einmal: –

Leider lässt die Politik sich immer noch bitten. – Zitatende.

Wir haben heute bei Tagesordnungspunkt 2 diesbezüglich einen Beschluss gefasst, aber für diese Leute kommt das zu spät. Sie warten die ganze Zeit schon, sie sind verun­sichert, und was noch dazukommt ist, dass auch Gerüchte herumgehen, weil es keine klaren Informationen gibt. Da kommen dann Aussagen wie: Wenn man nicht am 31. Mai angesucht hat, dann bekommt man nichts mehr. Diese Verunsicherung bei den kleinen Vereinen bei uns vor Ort dürfen wir nicht zulassen und nicht mehr länger dulden. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich muss wieder in Bewegung kommen. Wie Kollege Wanner schon anführte, fordern wir ein Unterstützungspaket für den Sport in der Höhe von 100 Millionen Euro


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 94

und die rasche Einführung der täglichen Turnstunde in allen österreichischen Pflicht­schulen.

Noch zusätzlich für die europäische Ebene: Es ist unabdingbar, dass wir eigene Einnah­men der EU andenken, deshalb geht ohne Finanztransaktionssteuer nichts mehr.

Wir werden den vorliegenden Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile dieses. – Bitte.


13.46.52

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher an den Bildschirmen! Es freut mich richtig, dass heute unser Vizekanzler so lange unserer Sitzung beigewohnt hat. Das ist nicht selbstverständlich, da uns ja die Klubobfrau der Grünen schon hat ausrichten lassen, wie wichtig beziehungsweise un­wichtig unser Gremium ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Beschlüsse, so hat sie gemeint, seien keine demokratiepolitische Mehrheitsent­scheidung, sondern ein zynischer Sabotageakt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Das ist eine recht eigenwillige Interpretation und Wertschätzung unserer Arbeit hier im Bundesrat, aber nach ihren im Laufe der Jahre schon gelieferten Aktionen und Aussagen wundert mich bei Frau Maurer eigentlich nichts mehr. Bei einem Kind würde man sagen: verhaltensoriginell. (Beifall bei der FPÖ.) Kollege Köck, versuchen Sie nicht, in dasselbe Horn zu stoßen, das haben Sie nicht nötig!

Umso mehr freut mich die Anwesenheit von Frau Staatssekretärin Andrea Mayer. Sie haben sich in den ersten Tagen mit den Aufsperrplänen gleich viele Lorbeeren verdient. Endlich wurde auch dem Druck der Künstlerinnen und Künstlern nachgegebenen, nach­dem man auf die Freiheitlichen, die das schon seit Wochen gefordert hätten, wieder ein­mal nicht gehört hat. Im Grunde wäre es überhaupt besser, von den Verordnungen zu Empfehlungen überzugehen. Kollegin Schumann hat es schon gesagt: Bei den Verord­nungen kennt sich sowieso kein Mensch mehr aus, sich daran zu halten ist in diesem Land ja auch fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der Herr Bundespräsident und unser Bun­deskanzler haben uns das gerade eindrucksvoll vor Augen geführt.

Andererseits bin ich auch wieder froh, in einem Kulturland – jetzt komme ich zur Kultur – zu leben, in dem ein Staatsoberhaupt in einer Großstadt wie Wien unbehelligt und of­fenbar ohne Security bis um halb eins in einem Gastgarten sitzen kann – eine Sicher­heitsperson hätte ihn sicher auf die bereits überzogene Sperrstunde hingewiesen. In anderen Ländern wäre das also undenkbar. Ich bin froh, in Österreich zu leben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin auch wirklich stolz auf unser Kulturland. Wie hat es unser Herr Vizekanzler ge­sagt? – Kultur ist ein Schatz in Österreich. Dieser Schatz besteht aber nicht nur aus den Kronjuwelen wie dem Burgtheater, der Staatsoper, den Salzburger Festspielen, den Bre­genzer Festspielen, der Schatz besteht zum großen Teil aus vielen kleinen Juwelen und Schmucksteinen: der Kleinkunst, der Kabarettszene, den vielen Chören, den Kapellen in unserem Land und den vielen kleinen Museen und Galerien. Gerade auf diese hat man in den letzten Wochen vergessen, und sie haben sich zu Recht gewehrt.

Ich hoffe jedenfalls, dass mit der neuen Staatssekretärin, die somit auch die neue Schatz­hüterin in Österreich ist, eine bessere Unterstützung für Kunst- und Kulturschaffende in diesem Land kommt.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 95

Die Fußballbundesliga oder – Kollege Wanner hat es schon gesagt – die Formel 1 haben vorgezeigt, wie es gehen könnte, wenn eine starke Lobby und eine starke Interessen­vertretung Stimmung in diesem Land machen. (Bundesrat Schennach: Das sind die Grünen!) – Nein, es war Kollege Wanner. (Bundesrat Schennach: Das ist ein Wider­spruch in sich!)

Kunst und Kultur sind aber ebenso ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor, und so wie im Fußball darf man aber nicht nur auf die Bundesliga schauen, sondern muss vielmehr das besondere Augenmerk auf die darunter liegenden Ligen richten. Da bin ich wieder bei den vielen Kulturvereinen, Musikkapellen, Chören und so weiter, die ebenso oder gerade besonders unter den Einschränkungen gelitten haben und noch leiden werden. Unzäh­lige Trainer, Übungsleiter, Kapellmeister, Chorleiter sind davon betroffen. Viele Veran­staltungen, Feste werden heuer nicht stattfinden können, aber gerade diese Veranstal­tungen sind es, die den Vereinen die finanzielle Basis geben, um die gesellschaftlich wichtige Kulturarbeit zu ermöglichen.

Zur EU-Jahresvorschau des Jahres 2020 kann man eigentlich nur sagen, dass man die darin enthaltenen Vorhaben seitens der Europäischen Kommission sicher vor der Zeit von Corona niedergeschrieben hat. Es hat sich aber herausgestellt, wie wichtig eine im Jahr 2011 begonnene Digitalisierung kultureller Materialien aus den Beständen der Bib­liotheken, Archive und vor allem Museen eigentlich ist. In Zeiten, in denen Museen ge­schlossen waren, konnte man diese, manche zumindest, digital besuchen. Ob der am­bitionierte Zeitplan für die Vervollständigung jedoch eingehalten wird, ist mehr als frag­lich.

Die Ziele im Jahresprogramm 2020 sind auch sehr interessant formuliert: Europa für das digitale Zeitalter zu rüsten, das hat sich, wie gesagt, in Zeiten von Corona schon bewährt. Europa soll in der Welt gestärkt und die europäische Lebensweise gefördert werden. – Das ist ein schöner Ansatz, ich glaube aber kaum, dass unter den Parteien oder auch unter den Ländern Einigkeit darüber besteht, was man mit europäischer Lebensweise eigentlich meint. Ich hoffe jedenfalls, es ist die demokratische abendländische Kultur, die dabei gemeint ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Na, wenigstens eine Zustimmung.

Beim Ziel, der Demokratie in Europa neuen Schwung zu geben, habe ich ebenso meine Bedenken, ob da alle das Gleiche meinen. Ist damit jetzt gemeint, die direkte Demokratie zu stärken, so wie wir es wollen, oder ist damit gemeint, vom Einstimmigkeitsprinzip ab­zugehen, was genau das Gegenteil bedeuten würde?

Von weiten Teilen der Bevölkerung coronabedingt völlig unbemerkt hatte Kroatien, ein Land, das nicht nur touristisch, sondern auch kulturell viel zu bieten hat, den EU-Ratsvor­sitz im ersten Halbjahr 2020. Einer der Schwerpunkte des kroatischen Ratsvorsitzes war das Risikomanagement im Bereich des Kulturerbes. Wir haben heute schon einiges da­zu gehört; es ist ein Thema, das auch uns sehr wichtig ist.

Mit 1. Juli übernimmt dann Deutschland den Vorsitz. Das Programm Kreatives Europa soll dabei fortgesetzt werden und ja, ich glaube, Kreativität wird es brauchen, um den Kulturbetrieb wieder auf ein entsprechendes Niveau zu bringen.

In dem Bericht, sehr geehrte Damen und Herren, sind viele gute Ansätze, viele gute Ideen, wenig Konkretes, was angesichts der momentanen Situation, in der es bei Künst­lerinnen und Künstlern ums wirtschaftliche Überleben geht, ja auch nicht verwundert.

Ich wünsche der neuen Staatssekretärin und neuen Schatzhüterin in Österreich jeden­falls alles Gute, viel Erfolg für ihr künftiges Betätigungsfeld, für ihr jetziges Betätigungs­feld. Die Kulturschaffenden in diesem Land haben es sich verdient. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.54



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 96

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag.a An­drea Mayer. Ich erteile dieses. – Bitte.


13.54.54

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Debatte jetzt schon sehr viel erwähnt worden und meine grundsätzlichen kulturpoli­tischen Positionen durfte ich Ihnen ja bei meiner Vorstellung präsentieren, deshalb möchte ich mich bei diesem Tagesordnungspunkt kurz halten und Ihnen ein paar Ge­danken mitgeben.

Wenn wir einen Schritt zurück machen und die Entstehungsgeschichte dieses Berichtes anschauen, dann zeigt das, glaube ich, ganz gut, was für ein Jahrhundertereignis im negativen Sinn diese Coronakrise eigentlich ist. Der Bericht, um den es hier geht, bezieht sich auf das EU-Arbeitsprogramm für das laufende Jahr. Die EU-Kommission hat dieses Arbeitsprogramm erst sehr spät übermittelt, am 29. Jänner, und im Dezember, also ein Monat davor, wurde das Hohe Haus über diesen späten Termin informiert, und zwar von Österreichs damaliger Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Sie merken also, das klingt wie aus einer längst vergangenen Zeit, als alles noch anders war. Es ist nicht einmal ein halbes Jahr her, inzwischen gibt es eine neue Bundesregierung, der ich jetzt als Staats­sekretärin angehören darf, und wir müssen die einschneidendste Gesundheitskrise seit mindestens 100 Jahren meistern.

Trotz allem oder vielleicht gerade deshalb sind die Themen, die dieser Bericht behandelt, auch so wichtig. Ich will zwei Punkte herausgreifen, die mir persönlich zentral erscheinen:

Ganz oben auf der Agenda steht natürlich nach wie vor die Entwicklung des Programms Creative Europe für die Jahre 2021 bis 2027. Wie so vieles ist aber auch dieses Pro­gramm von der Einigung des Rates auf einen neuen Mehrjährigen Finanzrahmen ab­hängig, und dieser ist, wie wir alle wissen, nach wie vor ausständig und die Erstellung durch die Coronakrise nicht unbedingt einfacher geworden.

Ich kann Ihnen in meiner Funktion als Kunst- und Kulturstaatssekretärin nur versichern, dass ich mich gemeinsam mit Herrn Vizekanzler Werner Kogler auf europäischer Ebene mit aller Kraft für die österreichische Position zu diesem Thema einsetzen werde, also dafür, dass Creative Europe als eigenständiges Programm mit einer ausreichenden Fi­nanzierung bestehen bleibt, denn von diesem Förderprogramm profitieren auch viele Künstlerinnen und Künstler in Österreich. Im neuesten Budgetvorschlag der Kommission ist das Budget von Creative Europe mit 1,7 Milliarden Euro vorgesehen. Das könnte mehr sein, im ursprünglichen Voranschlag war auch mehr budgetiert, aber diese Summe bedeutet immer noch ein Plus von 16 Prozent gegenüber dem derzeit laufenden Pro­gramm.

Ich hoffe sehr, dass, wenn der Mehrjährige Finanzrahmen steht und die Verhandlungen im Europäischen Parlament wieder anlaufen, noch Bewegung möglich ist. Bezüglich der aktuellen Creative-Europe-Förderungen wurde ja von der EU zugesichert, dass es ma­ximale Flexibilität geben wird, dass es keine Kürzungen aufgrund der Coronakrise bei laufenden Förderungen geben wird. Wir sind diesbezüglich auch mit den Projektträgerin­nen und Projektträgern im intensiven Austausch. Es ist eigentlich die gleiche Policy wie auch bei den nationalen Förderungen: keine Kürzungen aufgrund von Corona.

Das zweite auch für mich persönlich wichtige Thema ist die Situation der Frauen im Kunst- und Kulturbereich. Österreich hat den Vorsitz in der EU-ExpertInnengruppe zu Genderequality, die im September 2019 eingesetzt wurde. Auch der deutsche Ratsvor­sitz wird den Fokus darauf legen und wir erwarten Ratsschlussfolgerungen dazu. Ziel ist es, auf die aktuelle Situation zu reagieren und konkrete Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zu entwickeln. Ich werde mich jedenfalls stark dafür einsetzen, dass wir


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 97

diesen wichtigen Bereich nicht aus den Augen verlieren und auch den Gendergap Schritt für Schritt verringern, wenn nicht sogar schließen können.

Generell darf ich Ihnen berichten, dass die aktuellen EU-Dossiers im Bereich Kultur, öf­fentlicher Dienst und Sport trotz Coronakrise grosso modo plangemäß umgesetzt wer­den. Der europäische Austausch zur Coronakrise ist im Kultur- und Sportbereich sehr intensiv, es gibt Videokonferenzen und intensive bilaterale Kontakte mit dem derzeitigen Vorsitzland Kroatien, dem Vorsitzland des zweiten Halbjahres Deutschland und mit der Kommissarin Marija Gabriel.

Da ich hier auch in meiner Funktion als Vertreterin des Herrn Vizekanzlers stehe, darf ich auch noch kurz ein paar Worte zu den Bereichen öffentlicher Dienst und Sport an­merken: Im Bereich öffentlicher Dienst steht, wie Sie dem Bericht entnehmen können, die Evaluierung des Beamtenstatuts aus dem Jahr 2014 beziehungsweise dessen Reform ganz oben auf der Agenda. Aus österreichischer Sicht geht es da vor allem um eine realistische Einordnung der Effekte auf den Haushalt sowie um die geografische Ausgewogenheit.

Im Bereich Sport hat die kroatische Präsidentschaft im ersten Halbjahr mit einer Kon­ferenz im Februar wie geplant einen wichtigen Schritt im Bereich der Qualifikationen und Kompetenzen von Trainerinnen und Trainern gesetzt. Seither stehen aber natürlich alle Bemühungen der EU im Zeichen der Pandemiebewältigung. Der kroatische Vorsitz hat im Mai einen ersten Entwurf für Schlussfolgerungen des Rates zu den Auswirkungen von Covid-19 und der Erholung des Sportsektors vorgelegt. Erst gestern gab es dazu eine weitere Videokonferenz der für den Sport zuständigen Minister und Ministerinnen der Mitgliedstaaten, bei der man sich darauf verständigt hat, dass das Ziel für die nahe Zukunft sein muss, den Sportbetrieb auf allen Ebenen so rasch wie möglich wieder hochzufahren, aber gleichzeitig natürlich die Sicherheit der Beteiligten zu gewährleisten. Der Schlüssel dabei, wie übrigens auch in der Kultur, ist der internationale Informations­austausch. Das wird auch die deutsche Ratspräsidentschaft im kommenden halben Jahr prägen.

Ich darf zum Abschluss noch Folgendes sagen: Wir sehen derzeit überall in Europa die verschiedenen Phasen der Lockerungen, die auch deshalb möglich sind, weil wir uns in der Europäischen Union untereinander austauschen und gut zusammenarbeiten. Das war vielleicht in den ersten Tagen und Wochen der Coronakrise nicht ganz so der Fall, aber inzwischen funktionieren die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Mitgliedstaaten sehr, sehr gut.

Ich bin froh, dass die Bewältigung dieser Krise in Österreich bis jetzt so gut funktioniert hat, dass wir auch in dieser Hinsicht ganz vorne sein können, sei es im Sport oder sei es auch in Kunst und Kultur. Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

14.03

14.03.24


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.03.514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (528/A und 194 d.B. sowie 10346/BR d.B.)



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Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. – Ich bitte um den Be­richt.


14.04.18

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­marktservicegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Robert Seeber: Danke für den Bericht.

Ich darf Frau Bundesminister Aschbacher sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen. – Willkommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile dieses.


14.05.39

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Bundesministerin! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bild­schirmen! Natürlich auch: Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Plenarsaal! Das Covid-19-Kurzarbeitsmodell hat in dieser Krise vielen Unternehmen und ihren Mitarbeitern Sicher­heit in einer unsicheren Zeit geboten.

Es hat dazu beigetragen, zahlreiche Arbeitsplätze zu erhalten und hat viele Firmen vor noch größeren finanziellen Schwierigkeiten bewahrt. Das österreichische Modell der Kurzarbeit wird europaweit sehr gelobt. Kaum ein anderes Land weltweit hat ein Kurzar­beitsmodell mit vergleichbar hoher Nettoersatzrate von 80 bis 90 Prozent.

Es ist ein gutes Modell, durch das rund 1,3 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz nicht verloren haben. Seit der Einführung dieses Kurzarbeitsmodells ist es der Regierung und dem Gesetzgeber wichtig, laufend Anpassungen und Optimierungen vorzunehmen. Für jedes Unternehmen bedeuten wirtschaftliche Probleme und damit verbundene staatliche Hilfestellungen aber natürlich auch eines: einen hohen bürokratischen Mehraufwand, um an die entsprechenden Hilfsleistungen zu gelangen. Als Geschäftsführerin eines Produk­tionsbetriebs kann ich Ihnen dies aus erster Hand bestätigen. Wir haben aber inzwischen die Kurzarbeitsbeihilfe erhalten. Es haben sie noch nicht alle erhalten, aber wir haben sie erhalten. – Vielen Dank. (Bundesrat Steiner: Wahrscheinlich die guten Kontakte ÖVP-intern!) – Na ja, das ist ohne Kontakte gegangen.

Vor allem die Abrechnung der Kurzarbeitsentlohnung hat in den letzten Wochen viele Lohnverrechner an ihre Grenzen gebracht. Dafür gab es zwei wesentliche Ursachen: erstens die Sozialpartnervereinbarung, die eine Nettoersatzrate garantieren wollte, und zweitens die offene Frage, ob sich die garantierte Ersatzrate auf den Gesamtverdienst oder nur auf die ausgefallenen Stunden bezog. Zu beidem können jetzt aufgrund eines Sozialpartnerkonsenses und nach Beratung mit Steuerberatern Klarstellungen vorge­nommen werden.

Die vorliegende Novelle zum Arbeitsmarktservicegesetz bringt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer Verbesserungen. Für Unternehmer bedeutet die Abänderung


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eine wesentliche Vereinfachung hinsichtlich der Lohnabrechnung beim Covid-19-Kurz­arbeitsmodell. Es kann nun aus vier verschiedenen Abrechnungsvarianten gewählt wer­den. Das heißt, bei der Abrechnung der Kurzarbeit wurden nun einige Unsicherheiten beseitigt und die Arbeitgeber müssen weniger Sorge haben, dass die Beihilfe nicht aus­bezahlt wird, weil die Kurzarbeit vielleicht falsch abgerechnet wurde.

Eine der Möglichkeiten ist die Abrechnung mittels der Bruttoentgelttabelle, die vom AMS zur Verfügung gestellt wird. Die Bruttoentgelttabelle, aus der sich die Kurzarbeitslöhne für die Beschäftigten errechnen, ist nun in 5-Euro-Schritten und nicht mehr in 50-Euro-Schritten abgestuft, was für die Arbeitnehmer eine genauere und gerechtere Abrech­nung ergibt.

Außerdem kommt es durch die geänderte Sozialpartnervereinbarung zu einer Klarstel­lung bezüglich der Einschränkungen betreffend Kündigungen beim Kurzarbeitsmodell. Mit Kurzarbeit kann der Beschäftigtenstand nur mit Ausnahmegenehmigung des re­gionalen Arbeitsmarktservices abgebaut werden. Die grundsätzliche Verpflichtung der Unternehmen zur Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes bezieht sich auf von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer. Das heißt, die Arbeitnehmer in Kurzarbeit genießen weiter einen Kündigungsschutz durch das Kurzarbeitsmodell. Dies gilt nicht für Arbeit­nehmer, die nicht zur Kurzarbeit angemeldet wurden.

Mit diesen Anpassungen des Kurzarbeitsmodells können wir dazu beitragen, die dro­hende Wirtschaftskrise etwas abzufedern, Unternehmen zu entlasten und Arbeitsplätze zu sichern. Außerdem profitieren die Arbeitnehmer von hohen Ersatzraten für die ausge­fallenen Stunden.

Auch wenn wir jetzt hoffentlich den schlimmsten Teil der Gesundheitskrise hinter uns haben, so ist die Wirtschaftskrise leider noch lange nicht vorbei. Daher ist es wichtig, dass wir dieses Kurzarbeitsmodell nun optimieren, denn aktuell hat es den Anschein, dass viele Unternehmen die Kurzarbeitsphase verlängern werden, weil sie weiterhin noch keine Vollbeschäftigung für ihre Arbeitnehmer gewährleisten können.

Aus all diesen Gründen unterstütze ich dieses neue Gesetz und somit diesen Antrag. (Beifall bei der ÖVP.)

14.10


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile dieses.


14.11.15

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kol­legen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job, Arbeitsplätze schaffen – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult, nimmt sie noch einmal in die Hand, um sie auch dem hinter ihm sitzenden Präsidenten zu zeigen, und stellt sie erneut ab.) Ich bin selber auch froh, dass wir die Kurzarbeit – die zweite Tranche, mehr oder weniger – geschaffen haben und dass da auch für Arbeitgeber viele Erleichterungen drin sind, damit man das leichter ausführen kann. Wir wissen ganz genau, wie die erste Tranche ausgeschaut hat. Das war sicher nicht so einfach. Es ist eine Vereinfachung drinnen, und man muss wirklich einfach auf das Ergebnis schauen, das da herausgekommen ist. Meine Vorrednerin hat da schon vieles angesprochen: 80, 85 und 90 Prozent – darüber sind wir froh.

Ich kann euch aber trotzdem eines sagen: Wenn einer 2 000 Euro netto im Monat ver­dient und dann 80 Prozent kriegt – mit 2 000 Euro netto bekommt er 80 Prozent –, dann kriegt er genau 1 600 Euro heraus, und das ist auch sehr wenig. Wenn seine Frau viel­leicht auch arbeitslos geworden ist oder vielleicht sogar im Notstand ist, weil sie schon


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früher arbeitslos geworden ist, und die dann mehr oder weniger von diesen 1 600 Euro leben müssen, ist das noch immer viel zu wenig.

1 370 000 Menschen haben die Kurzarbeit bekommen, es sind bis jetzt über 60 000 An­träge bearbeitet worden; die haben ja schon Geld bekommen, es gibt aber viele Unter­nehmer, die in der aktuellen Kurzarbeitsphase noch kein Geld bekommen haben. Ich kenne so einen. Es ist die Firma Köppel bei uns in Gratkorn, ich darf seinen Namen hier auch sagen. Er hat mich heute in der Früh noch einmal angerufen und gesagt: Pass auf, ich habe 14 Leute beschäftigt, die 14 Leute habe ich in Kurzarbeit geschickt; bis heute habe ich noch kein Geld bekommen! – Er hat schon im März um Kurzarbeit angesucht und hat bis heute noch kein Geld bekommen. Da wird es also wahrscheinlich irgendwann einmal ein bisschen ein Problem mit der Liquidität geben.

Bei ihm schaut das noch gut aus, es gibt aber viele, viele andere Unternehmer, die bei mir angerufen haben, sodass ich mich schon gefragt habe: Bin ich jetzt der Vertreter der Unternehmer? – Das bin ich ja normalerweise nicht, aber ich mache das natürlich gern, damit wir das zusammenkriegen, weil Unternehmer und Arbeitnehmer da in einem Boot sitzen.

Die Betriebe selber, wie gesagt, schicken E-Mails und sagen eigentlich immer wieder: Freunde, es kommt kein Geld, uns helfen s’ nicht! Von den EPUs zum Beispiel hat mir heute wieder einer ein SMS geschickt, ein Einpersonenunternehmer, der zu Hause ist, nichts machen kann, und der gesagt hat, er hat überhaupt nichts. Der hat bis jetzt 500 Euro aus diesem Fonds gekriegt, von denen er die letzten drei Monate leben muss­te. Das wird sich so in dieser Form einfach nicht weiter machen lassen.

Zum nächsten Punkt, Arbeitslosengeld – (auf die Tafel deutend:) es steht ja auch da vorn –, kann ich Folgendes sagen: Wenn jemand 1 800 Euro netto verdient hat – ich bin ein Pragmatiker, und das sage ich hier immer wieder gern – und dann arbeitslos wird, bekommt er nicht ganz 1 000 Euro Arbeitslosenunterstützung. Das ist die 55-Prozent-Nettoersatzrate. Das ist einfach zu wenig! Davon können die Menschen nicht leben, das geht sich einfach nicht aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Des­halb müssen wir die Nettoersatzrate erhöhen, damit die Menschen das in die Wirtschaft tragen können, denn wenn sie kein Geld haben, können wir auch die Wirtschaft nicht in die Höhe heben. Heute überlegt sich jeder Arbeitslose dreimal, ob er irgendwo Geld für Essen ausgibt, wie er es ausgibt und was er damit kauft, weil er es sich einfach nicht leisten kann! Darüber müssen wir alle uns im Klaren sein.

Weil ich vorhin gesagt habe, man müsse Wirtschaftsimpulse setzen, man müsse schau­en, dass die Wirtschaft wieder hochkommt, damit die Menschen wieder Arbeitsplätze haben, vielleicht ganz kurz auch noch zu den Lehrlingen, denn sie habe ich bisher nicht erwähnt, aber zum Beispiel sie stehen ja jetzt auch auf der Straße und haben überhaupt nichts mehr: Es ist auch zu überlegen, ob wir viele beziehungsweise alle Lehrlinge, die auf der Straße stehen, jetzt, da wir eben eine Krise haben, über das AMS, über die ÜBA und überbetriebliche Lehrwerkstätten mehr oder weniger in Beschäftigung bringen, und nachher dann schauen, dass sie weiter in Firmen kommen können.

Wirtschaftsimpulse setzen – dazu kenne ich einen guten Satz, den der ehemalige Wirt­schaftskammerpräsident Christoph Leitl einmal gesagt hat und der mir immer im Ohr bleiben wird: Geht’s den Firmen gut beziehungsweise geht’s der Wirtschaft gut, dann geht’s den Menschen gut! Das kann man umdrehen, man kann sagen: Geht’s den Men­schen gut, geht’s den Firmen auch gut! – So schaut’s in Wirklichkeit aus, weil wir dann nämlich einkaufen gehen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Vielleicht sollten wir wieder einmal über etwas nachdenken, was wir als ÖGB schon lang gefordert haben, und als SPÖ natürlich auch: den ÖGB-Tausender oder die 1 000 Euro für Heldinnen und Helden, die vom Schulterklopfen mehr oder weniger genug haben.


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Sie wollen auch Geld sehen, damit sie irgendetwas kaufen können. Wenn man ihnen zum Beispiel 1 000 Euro gibt, und das steuerfrei, dann, sage ich euch ganz ehrlich, geht das eins zu eins wieder in die Wirtschaft. Was das wiederum für die Wirtschaft bedeutet, brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren. Dass die Wirtschaft dann dadurch Geld kriegt, wieder Einnahmen hat und dass sie sich das bei der Mehrwertsteuer doppelt wie­der zurückholt, brauchen wir, glaube ich, auch nicht zu diskutieren.

Es gibt jetzt noch zwei Punkte, die ich kurz ansprechen will, weil es heute und auch in den letzten Wochen in der Zeitung beziehungsweise in den Nachrichten war: Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, was ist der Wirtschaftskammer da eingefal­len, einen Lauda-Kollektivvertrag unter der Mindestsicherung zu unterschreiben? (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schartel.) Das finde ich ja einfach brutalst! Das habe ich über­haupt noch nie gehört! Ihr müsst euch vorstellen, das ist ja wettbewerbsverzerrend! Wenn man 840 Euro netto kriegt, und man kriegt aber 917 Euro Mindestsicherung, frage ich mich wirklich, was das Ganze soll.

Die haben heute die ganze Nacht verhandelt. Ich kann euch nur sagen, was die jetzt kriegen. Die Gewerkschaft Vida ist da für die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in die Bresche gesprungen, wobei Ryanair vorher auch gesagt hat, dass die Gewerkschaft schuld ist, dass dieser Kollektivvertrag nicht unterschrieben wird. – Wir haben schon ge­wusst, warum wir den Kollektivvertrag nicht unterschreiben, denn wenn wir ihn unter­schrieben hätten, wäre als Nächste die AUA gekommen, dann wäre Eurowings gekom­men, alle wären gekommen und hätten gesagt: Warum können die mit 800 Euro netto im Monat fliegen und wir müssen die teuren Gehälter zahlen? – Da nivellieren wir uns gegenseitig runter, bitte schön, das kann es einfach nicht sein!

Da muss man doch bitte so gescheit sein und sagen: Okay, das darf einfach nicht sein! Da kann nicht einfach die Ryanair herkommen und sagen: Weil ich die Lauda hier in Österreich kaputt machen will – die brauche ich nicht –, probiere ich, den Lohn so niedrig wie möglich zu halten! – Da muss ich wirklich sagen, ich bin von der Wirtschaftskammer schwer, schwer enttäuscht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Ich sage euch, die haben zuerst 1 000 Euro brutto für das Bordpersonal und 1 700 Euro für die Kopiloten angeboten. In der Nacht ist verhandelt worden. Ryanair hat es noch nicht unterschrieben, aber die Wirtschaftskammer und der ÖGB, die Gewerkschaften, haben sich geeinigt, dass das Bordpersonal 1 440 Euro brutto und die Kopiloten 2 000 Euro brutto bekommen.

Ihr müsst euch jetzt einmal vorstellen: Ein Pilot zahlt – ich bin momentan nicht der Pilo­tenvertreter, aber das kann ich euch sagen –, damit er mit so einem Flugzeug fliegen darf, damit er den Schein kriegt, ungefähr 160 000 Euro, und jetzt fliegt er bei der Ryan­air oder bei der Lauda für 2 000 Euro, nur weil er vorne rechts und nicht links sitzt – denn links sitzt der Kapitän; rechts sitzt der First Officer. Das ist einfach traurig für einen Ko­piloten, das ist einfach traurig, dass wir in Österreich solche Löhne zahlen müssen! Da muss ich euch ganz ehrlich sagen, da verstehe ich mehr oder weniger überhaupt gar nichts mehr.

Ich glaube, die Bundesregierung muss einfach Maßnahmen setzen, zum Beispiel, dass in Österreich ein Mindestticketpreis eingeführt wird, denn es kann einfach nicht sein, dass es, weil wir keinen Mindestticketpreis haben, Flüge um 19 Euro gibt.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Satz zu den von Ihnen geforderten Stundungen der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung sagen – ich habe noch nie erlebt, dass es für Arbeitnehmer irgendwelche Stundungen gegeben hätte; das habe ich noch nie erlebt, obwohl ich ja schon bald 58 Jahre alt bin –: Der Gesundheitsminister hat die Möglichkeit, einen Erlass zu erwirken. Bitte fordern Sie Ihren Gesundheitsminister auf! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.19



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 102

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile dieses.


14.19.50

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Hohes Haus! Werte Ministerin, schön, dass Sie heute da sind! Da man von Ihrem Ministerium in letzter Zeit inhaltlich relativ wenig gehört hat, was Stabilität oder Hoffnung gibt, erhoffe ich mir, dass zu einigen Punkten heute von Ihnen doch ein bisschen etwas kommt.

Ich erinnere an den März, als wir alle im Schulterschluss, der von der Regierung so gewünscht war und von uns natürlich nachvollzogen wurde, weil es wirklich eine bedroh­liche Lage war, die am Anfang schwer einzuschätzen war, mitgestimmt haben. Da ist es um die Kurzarbeit gegangen; wir haben das aus der Vergangenheit schon gekannt. Wir hatten eine Krise, die praktisch mit der Kurzarbeit abgefedert worden ist, und wir konnten etwas für den Erhalt von Arbeitsplätzen tun.

Wir als Opposition, als Fraktionen, haben uns angeboten, mitzuarbeiten, unsere Ideen einzubringen. Das wurde leider Gottes von der Regierung nicht gewünscht. Alle Anträge, die dann über den Bundesrat an die Regierung herangetragen wurden, wurden abge­schmettert, ignoriert. Man hat einfach so getan, als wären die Opposition und der Bun­desrat lästiges Beiwerk, und hat dann einen Weg eingeschlagen, der sonderbar war: Wir haben es ja mit dem Coronavirus zu tun – und plötzlich hatten wir es auch mit einem Angstvirus zu tun, der von der Regierung instrumentalisiert, mit einer Angst, die geschürt wurde.

Ich wiederhole es: 100 000 Tote, jeder wird einen kennen, der gestorben ist; die Szena­rien von den Grünen: das Blut, das in die Wirtschaftsbahnen hineinkommen wird – es war wie ein Italokrimi, was da vorgestellt wurde, und die Leute hat das wirklich verunsi­chert. Einige haben daraufhin Angst und Depressionen bekommen, einige sind verzwei­felt oder wissen nicht, was sie über das Virus denken sollen.

Nirgendwo wurden – was wir wirklich wiederholt gefordert haben, vier, fünf Mal hinter­einander – Experten hinzugezogen, damit wir die gesundheitliche, aber auch die wirt­schaftliche Lage und die Lage auf dem Arbeitsmarkt irgendwie einschätzen können. Gott sei Dank hat die Ärzteschaft am Anfang sehr schnell erkannt, was auch ich damals gesagt habe – und der Vizekanzler hat mir heute recht gegeben; Gott sei Dank, denn sonst hätte ich die Welt überhaupt nicht mehr verstanden –: Den Fehler, der in Italien passiert ist, dass alle ins Krankenhaus und in die Ordinationen gelaufen sind und dort das Krankenhauspersonal und das medizinische Personal angesteckt haben, den ma­chen wir nicht! 1450 anrufen: Wir schauen bei Ihnen vorbei! – Das war nicht für jeden zufriedenstellend, weil es gedauert hat, weil es ja doch einige Leute gegeben hat, die das betroffen hat, aber das hat funktioniert.

Schon bevor wir den Lockdown dann endlich nach langem Überlegen, nach den Vor­kommnissen in Tirol und so weiter, doch eingeführt haben, hat man aber gesehen: Aha, die Zahlen nehmen schon ab, weil diese Maßnahmen und allein das Bewusstsein, dass wir es da mit einem unsichtbaren Feind zu tun haben, der doch ernst zu nehmen ist, die Leute ein bisschen hat auseinanderrücken lassen! Sie haben schon ein Gespür dafür gehabt, wie man damit umgehen muss.

Dann ist es natürlich so gekommen, wie es kommen musste: Wir haben einige Maßnah­men gesetzt und betreffend Kurzarbeit dann schon sehr bald gesehen, dass es nicht, wie bei der letzten Krise, um Industriekollektivverträge geht, sondern um Kollektivver­träge, die wesentlich weiter unten angesetzt sind, und dass vor allen Dingen keine Über­stundenzuschläge, keine Schichtzuschläge dazukommen, kein Trinkgeld und so weiter. So hat es die Leute so erwischt, dass sie oft wirklich in prekäre Situationen gekommen sind.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 103

Und dann wurde dieser ganze Förder- beziehungsweise, wie ich sagen möchte, Almo­sendschungel geschaffen, nicht unbedingt nur bei der Regierung oder beim AMS, son­dern eben auch bei der WKO und ich weiß nicht, bei wem man noch aller nachfragen musste, ob man ein bisschen etwas bekommt, damit man über die Runden kommt! Das hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die es betroffen hat, zum Großteil schon sehr, sehr bestürzt, und die sind nicht alle so überzeugt von der Politik, die da gemacht wird. Sie sind noch im Bann der Krise, aber glauben Sie nicht, dass sie das, was wir da gemacht haben, honorieren werden!

Auch viele geringfügig Beschäftigte rufen oder schreiben mich an und fragen: Was kön­nen wir als geringfügig Beschäftigte denn überhaupt tun? Ich habe da noch einen Job dazugenommen, weil ich dann über die Runden komme, den habe ich jetzt auch nicht mehr! – So jemand kommt bei Ihnen nicht einmal in der Arbeitslosenstatistik vor.

Wenn ich mir diese Statistik anschaue: Da müssen doch aus dem Ministerium irgend­wann einmal nach einer Zeit des Nachdenkens Impulse kommen! Das machen Sie ja nicht alleine, sondern da gibt es doch hoffentlich einen großen Stab, der sich darüber Gedanken macht oder auch bei Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, bei den Sozial­partnern insgesamt, einmal nachfragt: Wie kann denn die Zukunft ausschauen? – He­raus kommt gar nichts.

Dann sehe ich immer die Bühne, auf der meistens vier Personen auftreten – einige ha­ben schon zu mir gesagt: wie die Sargträger der Republik! Rauskommen tut nichts, wir hören immer nur, wie schrecklich es ist. Wir wollen jetzt Ansagen haben, die uns einen Weg weisen, wie wir durch die Krise kommen, weil wir vieles schon einschätzen können! Jetzt ist die Regierung gefragt, auch etwas zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich sage: Wir sollten etwas tun!, meine ich nicht den Schmäh: „Koste es, was es wolle“, denn wenn Sie den Satz, den dann alle in der Regierung gesagt haben, wirklich abklopfen, kommen Sie drauf: Der hat überhaupt keine Substanz! Gott sei Dank hat er keine Substanz, denn „Koste es, was es wolle“, würde heißen: Wir alle geben unser Geld aus, das wir dann morgen nicht mehr erwirtschaften können. Das war also schon von vornherein ein Satz, der ein Unsinn war, aber die Intention, die Sie vermitteln wollten, ist auch nicht angekommen, weil das Geld viel zu spät bei den Leuten angekommen ist. Die Hilfsangebote waren zum Teil schwierig, löchrig, zu wenig und wahrscheinlich auch nicht nachhaltig.

Deswegen unterstütze ich auch die Forderung der Gewerkschaft nach 1 000 Euro. Ich könnte jetzt auch wieder ein großes Taferl nehmen – das hatte ich letztens schon mit –, denn wir sagen: 1 000 Euro für jeden Österreicher! Und wenn man dazu Helikoptergeld oder sonst irgendwie sagt: Völlig egal, diese 1 000 Euro kommen hundertprozentig im Markt an! (Beifall bei der FPÖ.)

Damit erreichen Sie 1,3 Millionen Menschen, die jetzt schon seit längerer Zeit in Kurzar­beit sind. Damit erreichen Sie die, die sich nicht darauf vorbereiten konnten und die in der Arbeitslosigkeit sind, bei denen Sie auch nicht nachgegeben und gesagt haben: Wir werden das Arbeitslosengeld vielleicht für ein, zwei, drei, vier Monate erhöhen, damit es die, die Kredite haben, Familie haben und, und, und, auch ein bisschen leichter haben und sich darauf einstellen können! – Ich hoffe, dass ich heute von Ihnen noch etwas höre.

Wie gesagt, es war auch sehr verwunderlich – das ist von den Grünen gekommen –, dass das Erste, was man wieder abgeschafft hat, obwohl es in Wien noch keine Tou­risten gibt, die Aufhebung der Parkraumbewirtschaftung war. Man hat sofort wieder ge­schaut, dass man zu Geld kommt, obwohl die Leute ja nicht mit den Öffis fahren sollen, sondern individuell mit dem Fahrrad, mit dem Moped, mit dem Auto, mit sonst irgend­etwas, damit niemand die anderen ansteckt, wenn es jemanden gibt, der spreaden kann.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 104

Solche logischen und nachvollziehbaren Sachen wurden sofort wieder gecancelt – das versteht man überhaupt nicht.

Ich will jetzt aber auf den Tagesordnungspunkt zurückkommen, weil wir ja noch einen Entschließungsantrag einbringen wollen, was ich hiermit tue:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die COVID-19-Aufzahlungen für Notstandshilfebezieher durch das Arbeitsmarktservice umgehend umgesetzt werden und sichergestellt wird, dass die­ser Aufzahlungsmodus monatlich eingehalten wird. Weiters wird die Bundesministerin aufgefordert, die im Nationalrat mit Entschließung vom beschlossene Aufstockung des AMS-Personals um zumindest 500 Planstellen“ – das ist längst überfällig – „umgehend umzusetzen, um der Überlastung des AMS-Personals und den damit im Zusammenhang stehenden Verzögerungen rasch entgegenzuwirken.“

*****

Sie haben das mit der Sozialdemokratie schon einmal ausgemacht. Das mit den 500 Plan­stellen ist nicht gekommen. Wir haben das dann noch einmal sichergestellt. Es ist nicht gekommen. – Das zeigt in Wirklichkeit, dass Sie die Opposition, andere Fraktionen gar nicht ernst nehmen, dass sie glauben, dass nur Sie das Maß aller Dinge sind, und ich kann Ihnen sagen: Wenn wir das Ganze aufrechnen und wenn Sie so weitermachen, kriegen Sie die Rechnung noch präsentiert! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

14.30


Präsident Robert Seeber: Der von Bundesrat Ing. Bernhard Rösch eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


14.30.55

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit Ende Mai waren in Österreich 517 000 Menschen arbeitslos und 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Zahlen, die vor Monaten noch unvorstellbar waren, sind Realität geworden. Nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und in sehr vielen Ländern weltweit ist die Wirtschaft eingebrochen und die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau.

Was uns von den meisten anderen Ländern aber unterscheidet, ist das österreichische Modell der Kurzarbeit. Entwickelt von den Sozialpartnern und eins zu eins von der Re­gierung übernommen, wird sie mittlerweile von vielen europäischen Ländern als Vorbild genommen und zumindest in Teilen ebenfalls angewandt. Der Sinn der Kurzarbeit ist eben der, dass Menschen in Beschäftigung bleiben und nicht in Arbeitslosigkeit geraten; darum wurde sie entwickelt, deswegen wird sie angewandt.

Die Vorteile der Kurzarbeit im Vergleich zur Arbeitslosigkeit liegen auf der Hand: Die ArbeitnehmerInnen erhalten, je nachdem, zwischen 80 und 90 Prozent ihres Gehalts, sind nicht arbeitslos und müssen sich auch keinen neuen Job suchen. Den Betrieben


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sichert die Kurzarbeit wertvolle MitarbeiterInnen und damit Know-how. Sie bietet auch die Chance, schneller wieder hochfahren zu können, wenn sich die Wirtschaftslage ver­bessert. Wir haben da also eine Win-win-Situation, Vorteile für beide Seiten, die Kurzar­beit ist so etwas wie ein Rettungsring für die Wirtschaft, die Unternehmen und ihre Be­schäftigten. Auch die Beiträge zur Sozialversicherung werden durch das Kurzarbeitsmo­dell einigermaßen stabilisiert.

Jetzt geht es darum, die Grundlagen für die zweite Phase der Kurzarbeit zu schaffen, also für weitere drei Monate. Die Sozialpartner haben sich auf ein Modell geeinigt, das auf den Erfahrungen der letzten Monate beruht und gleichzeitig versucht, Fehler aus der Vergangenheit für die Zukunft zu reparieren.

Was ist neu an der zweiten Phase? – ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit haben bisher, auch wenn sie voll gearbeitet haben, nur 80, 85 oder 90 Prozent ihres Einkommens er­halten. Wenn sie nun mehr als die vereinbarte Arbeitszeit arbeiten, bekommen sie auch dementsprechend mehr bezahlt. Wenn länger als die vereinbarte Arbeitszeit gearbeitet werden soll, muss das zumindest drei Tage vorher mitgeteilt werden.

Auch für Lehrlinge gibt es klare Verbesserungen: Lehrlinge bekommen nun, wenn sie die Lehre abschließen oder in der Zeit der Kurzarbeit in eine höhere Einkommensgruppe aufrücken, eine entsprechende Erhöhung. Bezüglich der Lehrlinge möchte ich bei Kol­legen Schachner anschließen: Ich glaube auch, dass wir da vermehrt Anstrengungen werden unternehmen müssen, speziell auch, was die überbetriebliche Ausbildung be­trifft. Da bin ich ganz bei Ihnen, das wird auf jeden Fall ein wichtiger Punkt sein. (Beifall der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger und bei der SPÖ.)

Mit der Weiterentwicklung in der zweiten Phase der Kurzarbeit wird künftig verhindert, dass Über- oder Unterzahlungen stattfinden, indem bei den Pauschalsätzen von 50-Eu­ro-Schritten auf 5-Euro-Schritte herabgestuft wird. Zudem wird die Abrechnung verein­facht, indem auf so etwas wie eine Bruttoabrechnung basierend auf den Nettogehältern umgestellt wird.

Mit der zweiten Phase der Kurzarbeit wird ein Erfolgsmodell basierend auf den Erfahrun­gen der ersten Phase und unter Mitwirkung und Einbeziehung der Expertise der Sozial­partner, der Betriebe und der ArbeitnehmerInnen verlängert, adaptiert und verbessert, daher hoffe ich auch auf eine breite Zustimmung für diese wichtige Maßnahme in diesem Haus.

Ein Wort noch zur SPÖ, weil Sie heute ja auch mit Taferl auf die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes aufmerksam machen: Wir Grünen sehen hier auch Handlungsbedarf (Beifall bei Grünen und SPÖ), und wir werden uns dafür einsetzen, dass es da zu einer Lösung kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.35


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Chris­tine Aschbacher. Ich erteile dieses.


14.35.33

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Bundesrätinnen und liebe Bundesräte! Ich freue mich, dass ich heute zu diesem in meiner Zuständigkeit liegenden TOP zu Ihnen spre­chen darf. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir als Bundesregierung ge­meinsam mit den Sozialpartnern das Coronakurzarbeitsmodell entwickelt haben und somit über 1,3 Millionen Arbeitsplätze sichern und vor allem auch Einkommen absichern konnten. Niemand bekommt weniger als 80 Prozent des Gehalts.

Zur Abrechnung, zu Herrn Bundesrat Lackner, möchte ich sagen: Grundsätzlich sind schon 100 000 Abrechnungen eingelangt und über 1 Milliarde Euro wurde bereits an die


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Unternehmen überwiesen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Dementsprechend bitte ich auch Sie um Ihre Mitarbeit, dass Sie immer dann, wenn Unternehmen an Sie herantragen, dass sie noch kein Geld bekommen haben, nachfragen und appellieren, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer die Abrechnung einreichen. Die Abrech­nung ist ja immer monateweise einzureichen, nämlich die tatsächlichen Ausfallstunden, das, was wirklich gearbeitet wurde, und dementsprechend fließt auch das Geld monate­weise.

Zu den weiteren Maßnahmen des AMS: Wir sind natürlich mit unseren Expertinnen und Experten im Haus, aber auch mit den Expertinnen und Experten der unterschiedlichen Wirtschaftsforschungsinstitute in ständigem Austausch und Kontakt: Welche arbeits­marktpolitischen Maßnahmen sind zu welchem Zeitpunkt gut? Weil Sie auch die Jugend­lichen angesprochen haben: Wir haben erst am Wochenende den Lehrlingsbonus ver­kündet. Für jedes Unternehmen, das einen Lehrling zusätzlich aufnimmt, gibt es 2 000 Eu­ro: 1 000 Euro bei Vertragsabschluss am Beginn und 1 000 Euro nach der offiziellen Probezeit.

Weiters haben wir, um niemanden zurückzulassen, gemeinsam mit dem Nationalrat die Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes angehoben. Auch diese Gelder wer­den im Juni fließen.

Weitere Instrumente sind in Vorbereitung und gemeinsam mit vielen Investitionsprojek­ten und -programmen in laufender Abstimmung, wie zum Beispiel die Gemeindemilliar­de. Gerade für Sie als Bundesrätinnen und Bundesräte ist das ein wichtiges Zeichen, weil da nachhaltige Investitionen getätigt werden. Besonders freut es mich, dass dabei gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden unter anderem nachhaltig in die Kinderbe­treuung investiert wird.

Nun zum vorliegenden Beschluss des Nationalrates: Wir hatten in den vergangenen Wo­chen und Monaten einen intensiven Austausch mit Steuerberatern, mit Lohnverrechnern aus Unternehmen unterschiedlicher Größe, wie die von den Sozialpartnern beschlos­senen Vereinbarungen umgesetzt werden können. Die Auszahlung der Beihilfe vom AMS war und ist von Anfang an geklärt, bei der Auszahlung vom Unternehmer an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber bedurfte es noch einer Weiterentwicklung. Dem­entsprechend stellen wir mit dieser Gesetzesänderung sicher, dass Bruttobeträge abge­rechnet werden können, weil vor allem die Lohnverrechnerinnen und Lohnverrechner gesagt haben, das sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um für so viele Unter­nehmer, die zurzeit Kurzarbeit angemeldet haben, die Abrechnung zu vereinfachen.

Dazu gibt es, wie schon angesprochen, die AMS-Pauschalsatztabelle nicht mehr in
50-Euro-Schritten, sondern in Zukunft in 5-Euro-Schritten. Diese gesamte Tabelle wird auf der Homepage zur Verfügung gestellt, und dementsprechend kann nun das Brutto­entgelt über die Lohnverrechnung ausbezahlt werden, hat aber auf die AMS-Beihilfe keinen Einfluss. Diesbezüglich können die Unternehmer weiterhin wie gewohnt mit den Onlinetools beim AMS einreichen.

Auch da haben wir aufgestockt. Es unterstützen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Hunderte Mitarbeiter – beim AMS jetzt in der Abrechnungsphase, in der wichtigen Phase zwei, auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Hunderte – von der Bundesbuchhal­tungsagentur und von der Österreichischen Gesundheitskasse, und ab dieser Woche noch einmal bis zu 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr, damit wir eben diese mo­natliche Abrechnung garantieren können, damit das Geld fließt.

Weiters aktualisieren wir regelmäßig den Fragen-Antworten-Katalog auf unserer Home­page; dabei sind wir im Kontakt mit den Unternehmen, aber auch mit vielen Lohnver­rechnerinnen und Lohnverrechnern und Steuerberatern. Auch da gab es vom Präsiden­ten dieser Vereinigung eine Rückmeldung (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), dass


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jetzt wirklich mit dieser Gesetzesänderung ein großer Wurf möglich wird, der nämlich so vielen hilft, in den nächsten Monaten die Abrechnung richtig umzusetzen!

Dementsprechend bitte ich Sie auch um Ihre Zustimmung in diesem Haus. Danke auch für Ihre konstruktiven Anregungen, die wir sehr gerne aufnehmen. Alle Ideen und Vor­schläge werden diskutiert, und wir schauen uns an, wann, wie, wo welche Ideen und Vorschläge umgesetzt werden können. Unser Ziel in der Bundesregierung ist es, mit vereinten Kräften viele Arbeitsplätze zu halten, zu sichern und zugleich aber auch neue zu schaffen, damit wir so viele Menschen wie möglich wieder in Beschäftigung bringen können.

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, so sind es mittlerweile rund 78 000 Menschen, die seit dem Höchststand der Arbeitslosigkeit wieder Arbeit gefunden haben. Es bleiben aber dennoch sehr, sehr viele nach wie vor ohne Arbeit, weshalb wir mit vereinten Kräf­ten tagtäglich und sehr oft auch nächtens arbeiten, um Akzente zu setzen, um die Wirt­schaft, um den Arbeitsmarkt wieder anzukurbeln und schrittweise wieder hochfahren zu können – und zugleich nie die oberste Priorität, die Gesundheit aller Österreicherinnen und Österreichern zu garantieren, aus den Augen zu verlieren. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

14.42


Präsident Robert Seeber: Danke, Frau Minister.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm.


14.42.12

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident, da du heute etwas vorzeitig deine Abschiedsrede gehalten hast, möchte ich mich ganz persönlich für deine objektive Vorsitzführung bedanken. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aber auch die Gelegenheit wahrneh­men, unserem Freund Dr. Gerhard Leitner – wo immer er uns heute auch zusieht – für seine tolle und ausgezeichnete Arbeit im Bundesrat ein letztes Dankeschön zuzurufen.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die möglicherweise via Livestream dabei sind! Ich befasse mich heute in meiner Rede mit den Änderungen im Arbeitsmarktservicegesetz. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Arbeitsplätze schaffen – Arbeitslosengeld er­höhen!“ auf das Rednerpult.)

Da geht es, wie es schon angesprochen worden ist, um Verbesserungen der Kurzar­beitsregelung, damit die Abrechnung vereinfacht wird. Damit es aber nicht zu kuschelig wird – ich habe heute nämlich das Gefühl, dass die Debatte sehr konsensorientiert ist –, möchte ich mir erlauben, einige Bemerkungen zu machen und einige allgemeine politi­sche Feststellungen zu treffen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es manche politisch nicht wahrhaben wollen, schlittern wir derzeit von der großen Gesundheitskrise in die größte ökonomische Krise der Zweiten Republik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.) Meine Damen und Herren, da nützen auch alle Beschwichtigungsversuche der Bundesregie­rung nichts. Es wurde schon mehrmals in der Debatte heute angesprochen: 517 000 Ar­beitslose und 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit, das kann man schlicht und einfach nicht schönreden, denn jeder zweite Arbeitnehmer, jede zweite Arbeitnehmerin ist von dieser ökonomischen Krise erfasst.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungs­fraktionen ÖVP und Grüne, ich frage mich in den letzten Tagen sehr oft: Wo ist denn der Masterplan für die Zukunft für die Menschen in unserem Land? – Ich sage es Ihnen ganz offen: Der fehlt mir, den gibt es nicht! (Bundesrat Pisec: Es gibt keinen Plan! – Bundesrat


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Rösch: Nach dem habe ich ja gefragt! – Bundesrat Steiner: Gibt’s nicht!) Wo sind die Perspektiven für Unternehmerinnen und Unternehmer und wo sind die Perspektiven für ArbeitnehmerInnen?

Ich habe eher den Eindruck, es herrscht Orientierungs- und Planlosigkeit. Anstatt wirt­schaftliche und soziale Perspektiven zu überlegen, fällt Ihnen in letzter Zeit eigentlich nichts anderes ein, als ein Hilfspaket nach dem anderen zu schnüren, das aber – wie auch die Debatte gezeigt hat – entweder schleppend oder gar nicht ankommt. (Bundes­rat Köck: Weil es ihr abschießt!) Das sollte Sie, glaube ich, zum Nachdenken anregen, denn die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, meine Damen und Herren, haben durch Corona Schaden genommen, und die Wut der Unternehmer – ich kann da nur meine Wahrnehmungen wiedergeben – wird von Tag zu Tag größer und größer. (Bei­fall bei SPÖ und FPÖ.)

Der Bundeskanzler, der Vizekanzler sowie einzelne Bundesministerinnen und Bundes­minister marschieren in Abständen von wenigen Tagen bei diversen Pressekonferenzen auf. Soweit ich das richtig mitgezählt habe, waren es über 80 Pressekonferenzen, die die Regierung während der Krise gegeben hat. Zugespitzt möchte ich sagen: Mit der Abhaltung von Pressekonferenzen – ist gleich Selbstinszenierung – löst man zumindest aus meiner Sicht keine Probleme. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schar­tel. – Bundesrat Steiner: Sie reden ... über den Bildschirm!)

Sie haben, und auch das wurde richtigerweise schon öfters heute angesprochen, einer­seits Angst und Schrecken verbreitet – da darf ich nochmals an das Zitat erinnern: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“ – und Sie haben Ankündigungen gemacht, die – wie hat es Berndt Querfeld so schön gesagt? – Luftbal­lons waren: bunte Luftballons, die aber nicht wirklich bei den Menschen angekommen sind. Die Realität, die die Menschen wahrnehmen, ist anders – Stichwort Härtefallfonds; der wurde hier auch schon angesprochen –, sodass die Menschen von den Ankündigun­gen bitter enttäuscht sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Und – das wurde, glaube ich, heute auch schon so nebenbei erwähnt, aber ich möchte es gerne noch einmal sagen –: Die ÖVP geriert sich immer als die Wirtschaftspartei in Österreich, trotzdem haben Sie kein schlüssiges Budget zustande gebracht. Auch das muss man einmal offen und ehrlich hier sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Politische Propaganda kann durch­dachtes Handeln im Sinne einer umsichtigen Regierung nicht ersetzen, das möchte ich Ihnen hier klar und deutlich sagen. Regieren heißt aus meiner Sicht, das politische Hand­werk zu beherrschen, vertrauensvoll mit den Beamten in den Ministerien zusammenzu­arbeiten, Institutionen einzubinden und auf alle Akteure Rücksicht zu nehmen. Das, glaube ich, fehlt Ihnen in vielen Bereichen.

Sie frönen einer Ankündigungspolitik – da sind Sie Weltmeister, möchte ich gleich dazu­sagen –, aber was die Qualität der Regierungsarbeit und deren Umsetzung betrifft, da sind Sie eher Hausmeister. Das möchte ich sehr klar und deutlich hier sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Pisec.)

Eines sei auch noch angemerkt, Frau Bundesministerin: Persönlich schätze ich Sie sehr, Sie sind ja eine ganz Nette (Heiterkeit), aber PR geht Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen anscheinend über alles. (Bundesrat Buchmann: ... respektlos!) Da wird me­diengerecht ein Hunderter verteilt (Bundesrat Rösch: Parteispende war das! – Heiterkeit bei der FPÖ) – ach so, okay –, da erklärt der Bundeskanzler vor laufender Kamera, dass er auf einen Teil seiner Gage verzichtet, er sagt aber natürlich nicht dazu, dass auf der anderen Seite die Ausgaben für Repräsentationskosten im Bundeskanzleramt – braucht man nur nachzulesen – vom Jahr 2019 auf das Jahr 2020 von 270 000 Euro auf 1,2 Mil­lionen Euro angehoben worden sind. – Das sei hier auch klar und deutlich gesagt (Beifall


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bei der SPÖ), und ich sage dazu: Wie peinlich ist das denn?! (Bundesrat Spanring: Koste es, was es wolle!)

Meine Damen und Herren, rechnen Sie aber nicht mit der Langmut der Menschen! Ir­gendwann, und das kann schon sehr bald sein, wird die Stimmung umschlagen, denn die Menschen in unserem Land wollen wissen, welches Zukunftskonzept es gibt be­ziehungsweise welches Zukunftskonzept Sie haben: Wer zahlt für die Krise? Wie schaut die Zukunft in Österreich überhaupt aus? Vor diesen Fragen, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, werden Sie sich nicht drücken können. (Bundesrat Steiner: ... Pres­sekonferenz mehr!)

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch viel zu sagen, doch das würde den Rahmen sprengen, daher noch einmal zurück zu den Änderungen des Arbeitsmarktservicegeset­zes: Wir werden als sozialdemokratische Fraktion zustimmen, da das Gesetz notwendig ist. Ich sage aber auch gleich dazu, es ist ziemlich kompliziert und wohl nur für eine Zielgruppe, nämlich SteuerberaterInnen und LohnverrechnerInnen, nachvollziehbar; das muss man auch ganz offen und ehrlich dazusagen.

Zum Schluss möchte ich im Sinne dessen, was ich vorhin gesagt habe, nämlich dass es um die Zukunft unseres Landes geht, gerne einen Antrag einbringen, wie es in Sachen Beschäftigung und „arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförde­rung“ weitergeht.

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeitsmarkt­politische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung“

„Der Bundesrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, umgehend beschäfti­gungsfördernde Maßnahmen zu setzen, um der höchsten Arbeitslosigkeit der zweiten Republik entsprechend entgegenzuwirken.

Insbesondere soll

- ein Beschäftigungsforderungsprogramm, ähnlich der ,Aktion 20.000‘ für zumindest 40.000 ältere Arbeitnehmerlnnen gestartet,

- ein Qualifizierungsgeld für 30.000 finanziell schlechter gestellte Arbeitnehmerlnnen für entsprechende Maßnahmen einer beruflichen Weiter- oder Um-Qualifizierung zur Verfü­gung gestellt,

- das Fachkräftestipendium ausreichend finanziell abgesichert und entsprechend bewor­ben werden und

- eine Aufstockung der Ausbildungsplätze bei den überbetrieblichen Lehrwerkstätten entsprechend dem Bedarf zur Erfüllung der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbil­dungsgarantie bis 25 erfolgen.‘“

*****

In diesem Sinne: Vielen herzlichen Dank und noch einen schönen Tag! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Bitte, gern!)

14.53


Präsident Robert Seeber: Der von den Bundesräten Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „arbeitsmarktpolitische Sofort­maßnahmen zur Beschäftigungsförderung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


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Ich darf Finanzminister Blümel sehr herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile es ihr.


14.54.26

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Herr Finanzminister! Normalerweise müsste ich heute eigentlich herauskommen und sagen: Super, es freut mich sehr!, weil ich sehe, dass ein Fehler, den ich in meiner letz­ten Rede aufgezeigt habe, durch dieses neue Gesetz behoben wurde. Ich habe damals angeprangert, dass unsere Dienstnehmer vom Brutto vor Kurzarbeit die Arbeiterkam­merbeiträge bezahlen müssen. Das wurde nun im Sinne der Arbeitnehmer geändert – allerdings dahin gehend, dass die jetzt nicht mehr die Dienstnehmer, sondern die Un­ternehmer zahlen müssen. Das kommt mir jetzt so vor: Es gibt ein Produkt, das super beworben wird und mir gefällt, ich schließe einen Kaufvertrag ab – und sobald ich den Kaufvertrag unterschrieben habe, werden einfach die Zahlungsbedingungen verschlech­tert. Das, finde ich, kann es auch nicht sein!

Ich muss jetzt noch einmal etwas in Richtung Arbeiterkammer sagen – und da bitte ich auch den ÖGB, der ja auch zu den Sozialpartnern gehört, er möge doch bitte auf diese Kammer einwirken –: Es ist einfach eine Sauerei, dass die Arbeiterkammer, die es finan­ziell überhaupt nicht notwendig hat, sich nach wie vor noch in dieser Krise – und ich sage es bewusst – bereichern möchte! Eine Sauerei ist das! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Frau Minister hat erwähnt, dass sie mithilfe von Personalverrechnern und Steuerbe­ratern versucht hat, mit diesem neuen Gesetz die Dinge zu vereinfachen. Das mag viel­leicht jetzt für diesen kleinen Teil des Bruttoentgeltes gelten. Da wussten ja viele nicht: Was ist jetzt wirklich das Brutto, was ist der Nettoersatz von den Pauschalsätzen oder das tatsächliche Brutto aufgrund des Netto, das man vorher gehabt hat?

Wenn ich mir jetzt aber den neuen Gesetzestext anschaue, der jetzt gemacht wurde – rückwirkend gültig ab 1. März natürlich, weil wir sonst eh nichts zu tun haben, also kön­nen wir wieder alles korrigieren –, dann stelle ich fest, dass man da hergeht und sagt: Die Arbeitgeber sind verpflichtet, gemäß dem alten Bruttowert die Wohnbauförderungs­beiträge, die Arbeiterkammerumlage des Dienstnehmers mitzubezahlen. Ist das jetzt das gleiche Schicksal wie bei den SV-Beiträgen? Jetzt muss er davon wieder DB zahlen, er muss davon DZ zahlen, er muss davon die Kommunalsteuer zahlen.

Das heißt, die Abrechnung als solche wurde in gar keiner Art und Weise vereinfacht, das Kind hat nur einen anderen Namen bekommen.

Wie gesagt, ich würde Sie echt ersuchen: Das kann es nicht sein! Die Arbeiterkammer hebt Zwangsbeiträge ein, und das allein ist für mich jetzt wieder eine Geschichte in diese Richtung, dass man sagt: In Wirklichkeit ist es gar nicht so falsch, dass wir Freiheitliche immer wieder dafür eingetreten sind, dass man endlich diese Zwangsmitgliedschaften abschafft. Dann könnte nämlich so etwas, wie das, was jetzt hier im neuen Gesetz wieder steht, nicht passieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Was mich natürlich auch interessiert, ist, ob man dann bitte auch daran gedacht hat, den Unternehmen dieses Geld, das sie nach diesem Gesetz nun zusätzlich bezahlen müs­sen, rückzuerstatten. Es geht nicht um viel Geld, das ist mir klar, aber in einem Unter­nehmen mit 100 Mitarbeitern ergibt sich unter Umständen eine Differenz von 200 Euro; 1 Prozent macht zum Beispiel 2 Euro aus, und das mal 100 Mitarbeiter sind 200 Euro, die auf einmal bezahlt werden müssen, weil die Mitarbeiter in Kurzarbeit sind. Wenn sie nicht in Kurzarbeit sind, zahlt der Dienstnehmer sowieso ganz normal.

Ich wollte nur fragen, ob auch angedacht ist, dass die Pauschalsätze dementsprechend angehoben werden, dass das zumindest wieder rückerstattet wird. Dann wiederum frage


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ich mich: Warum muss eigentlich die Republik Österreich die Arbeiterkammer finanziell so unterstützen? – Das ist doch nicht notwendig! Warum hat man das Gesetz nicht so machen können, dass man sagt, man verzichtet darauf? (Zwischenruf der Bundesrä­tin Schumann.)

Natürlich leistet die Arbeiterkammer auch gute Dinge, aber ich glaube nicht, dass sie darauf angewiesen ist, dass man diese finanziellen Maßnahmen treffen muss. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.58


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile es ihr. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


14.59.01

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe mich jetzt noch einmal kurz zu Wort gemeldet, weil ich eine Aussage des Kol­legen Kaske vorhin nicht so stehen lassen möchte. Er hat gesagt: Na ja, Frau Bundesmi­nister, persönlich schätze ich Sie, Sie sind eh eine ganz Liebe. (Rufe bei der SPÖ: Net­te!) – Da muss ich Ihnen ehrlich sagen: Das ist genau die Form von Alltagsdiskriminie­rung, die wir immer wieder erleben (Beifall bei ÖVP und Grünen) und die wir als Frauen, als junge Frauen, wie ich finde, nicht so auf uns sitzen lassen können!

Herr Kollege Kaske, die Frau Bundesministerin macht in sehr fordernden Zeiten einen außerordentlichen und sehr, sehr guten Job (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), und ich erwarte mir, dass das von Ihnen entsprechend respektiert wird! (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Eine zweite Sache möchte ich Ihnen noch sagen: Sie haben der Bundesregierung vorge­worfen, im Ankündigen sei sie Weltmeister (Bundesrat Bernard: ... grüner Klubsprecher heute!), im Durchführen sei sie Hausmeister. Wenn wir schon beim Wortklauben sind, auch das ist eine Diskriminierung, und zwar gegenüber allen Hausmeistern, die einen sehr herausfordernden Job machen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der SPÖ: O ja!)

15.00


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – Doch, jetzt schon. – Bitte, Kollege Stei­ner.


15.00.12

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Zur ÖVP muss ich jetzt schon eines sagen: Das ist ja mehr als heuchlerisch. Ich bin nicht der Verteidiger von Herrn Kaske, aber euer Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol hat sich gestern eine Diskriminierung erlaubt, die ihresgleichen sucht, als er nämlich eine Naturschützerin als „widerwärtiges Luder“ abgetan hat. – Das ist Diskriminierung, aber nicht das, was Herr Kaske gesagt hat. Räu­men Sie in Ihren eigenen Reihen auf! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

15.01


Vizepräsident Michael Wanner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Kaske zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.01.00

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Da­men und Herren der Bundesregierung! Bevor ich zur tatsächlichen Berichtigung komme, erlaube ich mir noch eine persönliche Bemerkung: Sollte sich die Frau Bundesministerin diskriminiert fühlen – aber ich glaube, sie kann für sich selbst sprechen –, dann möchte


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ich meine vorherige Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns hier zurückziehen. (Bei­fall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Grimling. – Ruf: Genau!)

Zum Zweiten: Frau Bundesrätin Andrea Michaela Scharter (Bundesrätin Schartel: Schar­tel!), Schartel, hat in ihrer Rede behauptet, dass sich die Arbeiterkammer bereichert. – Das ist unrichtig.

Der richtige Sachverhalt lautet: Die Beiträge der Arbeiterkammer werden von der Sozial­versicherung eingehoben und daher ist da von keiner Bereicherung auszugehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Schartel. – Bundesrätin Schumann: Eine tatsächliche Berichtigung!)

15.02


Vizepräsident Michael Wanner: Eine weitere tatsächliche Berichtigung. – Bitte.


15.02.38

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Eine tatsächliche Berich­tigung: Es stimmt, dass die einhebende Behörde die Sozialversicherungsanstalten sind, der Empfänger ist aber trotzdem die Arbeiterkammer. (Beifall bei der FPÖ.)

15.02

15.02.45


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebe­zieher durch AMS“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, angenommen. (297/E-BR/2020)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (301/E-BR/2020)

15.04.385. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (537/A und 184 d.B. sowie 10338/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


15.04.58

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesminister – ich dachte, Sie sind schon fort,


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sonst hätte ich Sie natürlich davor angesprochen! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19.-COVID-19-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile es ihm.


15.06.11

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren, die via Livestream dabei sind! Erlauben Sie mir eingangs meines Redebeitrags, den Dank der Familie Leit­ner für die überfraktionelle Anteilnahme zu Beginn der heutigen Sitzung auszusprechen! Sie haben sich über die tröstenden Worte sehr gefreut: ein großes Dankeschön.

Betreffend den zur Diskussion stehenden Tagesordnungspunkt, mit dem das Einkom­mensteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz und das Schaumweinsteuergesetz geändert werden sollen, möchte ich mich zu Beginn dem Entfall der sogenannten Sektsteuer zu­wenden. Mit dieser Gesetzesänderung soll ein weiteres Hilfspaket der Regierung auf die Reise geschickt werden. Spricht man darüber mit Betroffenen aus der Gastronomie, sind die Erwartungen dazu nicht sehr hoch, wie etwa beim Betreiber des Cafés Landtmann, Berndt Querfeld, der im „Standard“ – den ja auch die Kollegin Mühlwerth schon eingangs der heutigen Sitzung zitiert hat – meinte: „Die Pakete sind tolle Luftballons, vielleicht gut gemeint, aber geplatzt. Sich verschulden, Steuern stunden – ist das ein Strukturpro­gramm? Ein Hohn in Zeiten wie diesen sind die Abschaffung der Sektsteuer und die Ab­setzbarkeit von Geschäftsessen.“ – So weit eine Stimme von vielen.

Aber zurück zur Sektsteuer: Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bereits 1922 wurde die Sektsteuer in Österreich erstmals eingeführt, denn die in „Saus und Braus le­benden Reichen und Lustigen“ sollten unter anderem die Not der „Armen und Traurigen lindern“, wie der Sozialdemokrat Hubert Breitner 1922 in der „Arbeiter-Zeitung“ schrieb. 1992 wurde sie zusammen mit der Luxussteuer, damals 32 Prozent, gänzlich abge­schafft, nur um 1995 mit dem EU-Beitritt als neue Verbrauchssteuer wiedereingeführt zu werden. 2005 setzte die damalige ÖVP-FPÖ-Koalition den Steuersatz für die Schaum­weinsteuer auf null, mit der Begründung, die Menschen würden ohnehin nur noch Pro­secco trinken, für den es keine zusätzliche Steuer gab.

Bis dato ist es ja so, dass Schaumweine, die mit mehr als 3 bar Druck in der Flasche prickeln, um 90 Cent teurer sind als der milder schäumende Frizzante oder Prosecco, der ja nicht dem Steuersatz unterliegt. Auch da haben sich anscheinend wieder Groß­betriebe erfolgreich des Lobbyings bedient und die Regierung dazu getrieben, sich schon vor Corona damit zu beschäftigen, denn bereits vor den Coronagesetzen jubelte die Geschäftsführung von Schlumberger, dass nach intensiven Interventionen diese nun Früchte tragen und die Steuer abgeschafft werde.

Ich finde diese Botschaft in Zeiten wie diesen wirklich herausragend (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“ und einer Grafik auf das Rednerpult stellend): Bei einer gestiegenen Arbeitslosenzahl von über 174 000 – und hier stimmen die Nul­len – gegenüber dem Vergleichszeitraum zum Vorjahr, bei 517 221 Arbeitslosen insge­samt und über einer Million Menschen in Kurzarbeit setzt diese Regierung das Signal


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zum Ankurbeln der Gastronomie mit der Senkung der Champagnersteuer. – Gratulation, liebe Bundesregierung!

Das sogenannte Steuerpaket für Wirte beinhaltet aber auch die befristete USt-Tarifsen­kung und den Zusatzsteuerentfall für offen abgegebene nicht alkoholische Getränke. Von 1. Juli bis 31. Dezember 2020 soll für die Abgabe von offenen nicht alkoholischen Getränken der ermäßigte Umsatzsteuertarif von 10 Prozent zur Anwendung kommen. Dieser gilt nicht für den Handel mit Getränken.

Wie schaut das in der Praxis aus? Jetzt reden wir nicht von größeren Gastronomiebe­trieben, sondern von den kleinen Beiseln und Gasthäusern. Diese Betreiber leben nicht vom Verkauf von nicht alkoholischen Getränken. Bei Gesprächen mit Gastwirten hat mir ein Betreiber die Hilfsmaßnahme so erklärt: Durch die Reduktion des Steuersatzes für diese Getränkegruppe ist auch eine Adaptierung der Software in den Registrierkassen notwendig. Diese kann der Gastwirt jedoch nicht selbst durchführen, dazu sind die Dienste eines Programmierers notwendig. Unter Berücksichtigung eines günstigen Stun­densatzes und Aufwandes der EDV-Firma ist mit einem einmaligen Aufwand von circa 300 Euro zu rechnen, der mit Jahresende wiederholt werden muss. Um diesen Aufwand von 600 Euro kostenneutral im Umsatz hereinzuspielen, wäre im zweiten Halbjahr 2020 der Verkauf von sage und schreibe 4 000 nicht alkoholischen Getränken notwendig. Der Betreiber verkauft zum Beispiel, was die Sektsteuer betrifft, im Jahr zwischen sechs und zehn Flaschen Sekt – ich rede da nicht von Champagner, sondern von ganz normalen Sektflaschen. Er freut sich also wirklich schon auf dieses Hilfspaket für die Gastronomie. Wie Herr Querfeld schon festgestellt hat: der nächste geplatzte Luftballon.

Interessant war für mich auch die Auskunft des Experten des Finanzministeriums, der die Frage, wie sich der prognostizierte Steuerentfall mit einer Gesamtsumme von circa 500 Millionen Euro zusammensetzt, zuerst nicht beantworten konnte, jedoch versprach, dies bis heute nachzuholen. Das ist auch geschehen. Demnach werden sich die Teilbe­träge wie folgt zusammensetzen: USt-Senkung auf nicht alkoholische Getränke: minus 200 Millionen Euro; geänderte Gaststättenpauschalierung: minus 75 Millionen Euro; An­hebung der Höchstgrenze für steuerfreie Essensgutscheine: minus 150 Millionen Euro; befristete Abzugsfähigkeit der Geschäftsessen zu 75 Prozent: minus 25 Millionen Euro; und die Abschaffung der Schaumweinsteuer: minus 30 Millionen Euro.

Was die Anhebung der Höchstgrenze für Essensgutscheine betrifft, würde es unsere Zustimmung geben, da hier genau jene Beträge übernommen wurden, die schon von der SPÖ im Antrag 228/A im Jänner 2020 eingebracht wurden. Allerdings liegt hier wie­der ein Sammelgesetz vor, mit dem die ÖVP versucht, die Opposition zu einer Zustim­mung zum Gesamtpaket zu bewegen. Die Zustimmung zur Abschaffung der Schaum­weinsteuer ist jedoch angesichts der allgemeinen Lage und der angespannten Haus­haltslage für unsere Fraktion ein No-Go, denn hier fließt ein Gewinn ausschließlich den Sektkellereien zu. Dies ist kein Hilfspaket für die Gastronomie, sondern Klientelpolitik.

Aber wenn so kleine Summen wie 25 bis 30 Millionen Euro nicht das große Thema sind, dann ist es für uns zum Beispiel unverständlich, warum eine abschlagsfreie Pension nach 45 Jahren für diese Regierung kein Thema ist. Hier sprechen wir auch von circa 30 Millionen Euro. Da stellt sich schon die Frage: Was ist dieser Regierung wichtiger: Champagnerpartys oder faire Pensionen? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Ich denke, es ist an der Zeit, den Betroffenen hier anstelle von Luftballons wirkliche Hilfe zukommen zu lassen. (Bundesrätin Zwazl: Da geht es ja um den Wettbewerb!) Beispiele gibt es in Österreich genug, wie zielsicher und nachhaltig geholfen werden kann. Bei uns in Kärnten gehen Städte und Gemeinden mit Hilfspaketen, die direkt bei den Betrieben ankommen, schon einen erfolgreichen Weg. In Villach, in Klagenfurt, aber auch in meiner Gemeinde werden erfolgreiche Aktionen gesetzt, mit denen wir dem Handel in Zeiten


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wie diesen direkt unter die Arme greifen können. Auch das Bundesland Wien hat eine sehr erfolgreiche Maßnahme gesetzt. Nun ist es an der Zeit, dass auch die Bundesre­gierung entsprechende Schritte einleitet. Wir geben dazu gerne eine Hilfestellung.

Um der nach dem Lockdown am Boden liegenden Wirtschaft und hier der besonders getroffenen Branche der Beherbergungs- und Gastwirtschaftsbetriebe, die vor existenz­bedrohenden Umsatzverlusten stehen, wirklich helfen zu können, möchte ich jetzt fol­genden Entschließungsantrag der SPÖ einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Beherbergungsbetriebe und Hotels“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 5 Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (537/A und 184 d.B.)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend ein finanzielles Hilfspaket für die Gastronomiebetriebe Österreichs zu be­schließen und zu finanzieren, mit dem jedem Einpersonenhaushalt Österreichs ein 25€ und jedem Mehrpersonenhaushalt ein 50€ Gutschein, zur Verwendung in einem lokalen Gastronomiebetrieb bis spätestens 30. Juni 2020 zugesendet wird, und der bis längstens 31.12.2020 zu konsumieren ist. Außerdem wird die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Finanzen aufgefordert, umgehend ein finanzielles Hilfspaket für die Beherbergungs- und Hotelbetriebe Österreichs zu beschließen und zu finanzieren, mit dem jedem Einpersonenhaushalt Österreichs ein 100€ und jedem Mehrpersonenhaus­halt ein 250€ Gutschein, zur Verwendung in einem lokalen Gastronomiebetrieb bis spä­testens 30. Juni 2020 zugesendet wird, und der bis längstens 31.12.2020 zu konsumie­ren ist.“

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17


Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Be­herbergungsbetriebe und Hotels“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte. Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Elisabeth Matters­berger. – Bitte.


15.17.46

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu


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Hause via Livestream! Kollege Ingo Appé hat ja jetzt schon einiges zu dem Wirtshaus­paket ausgeführt. Ich habe ein bisschen eine andere Zugangsweise zu der ganzen Sa­che und möchte jetzt einmal damit beginnen, zu sagen, dass die Coronakrise den Gastronomiebereich besonders hart getroffen hat. Durch dieses Wirtshauspaket soll der Neustart bestmöglich gelingen, ein Mix aus einfacher und unbürokratischer Entlastung und Unterstützung soll den Wirtinnen und Wirten den Weg aus der Krise erleichtern.

Zu Beginn daher ein Dankeschön an dich, Herr Finanzminister, an unsere Tourismusmi­nisterin Elli Köstinger sowie an alle Kolleginnen und Kollegen, die hier im Hohen Haus diesen Gesetzesänderungen heute zustimmen werden. Es handelt sich um äußerst wichtige Maßnahmen, einen Mix aus steuerlicher Entlastung und Unterstützung zum Konsumanreiz.

Worum geht es konkret? – Es geht, wie mein Kollege schon ausgeführt hat, um die Senkung der Umsatzsteuer auf antialkoholische Getränke in Wirtshäusern und Restau­rants von 20 Prozent auf 10 Prozent. Dieser ermäßigte Steuersatz soll eben von 1. Juli bis Ende 2020 gelten und eine Entlastung von rund 200 Millionen Euro bringen. Von dieser Umsatzsteuersenkung bei antialkoholischen Getränken ist der Verkauf über Su­permärkte, Abhol- und Lieferservices sowie Getränkeautomaten nicht umfasst, diese Entlastung soll rein für Restaurantleistungen gelten. Es geht um die Abschaffung der – jetzt sind wir bei der berühmten – Schaumweinsteuer, damit um die Entlastung der ös­terreichischen Winzerinnen und Winzer und natürlich auch der Konsumentinnen und Konsumenten. Diese Abschaffung soll eine Entlastung von rund 30 Millionen Euro brin­gen.

Es geht weiters um eine steuerliche Besserstellung von Essensgutscheinen, um mehr Konsumanreiz zu schaffen. Zu diesem Zweck soll der steuerfreie Betrag für Gutscheine von 4,40 Euro auf 8 Euro und für den Einkauf von Lebensmitteln von 1,10 Euro auf 2 Euro pro Arbeitstag angehoben werden. Durch die Erhöhung der Steuer- und Abgabenfreiheit sollen sowohl Arbeitnehmer als auch die Gaststätten, bei denen die Gut­scheine eingelöst werden, profitieren und der Konsum in Wirtshäusern gezielt gesteigert werden. Es geht um mehr Anreiz für Geschäftsessen in den Wirtshäusern durch eine Erhöhung der steuerlichen Absetzbarkeit von 50 auf 75 Prozent.

Zusätzlich erfolgen im Zusammenhang mit dem Wirtepaket die Vereinfachung der Auf­zeichnungen und eine steuerliche Entlastung durch das Anheben der bisherigen Pau­schalierungsgrenze. Die Nettoumsatzgrenze in der Gastgewerbepauschalierung soll von 255 000 auf 400 000 Euro angehoben werden, die Grundpauschale von 10 Prozent auf 15 Prozent und der Mindestpauschalbetrag von 3 000 auf 6 000 Euro. Die Mobilitätspau­schale soll gestaffelt nach der Einwohnerzahl der Gemeinde ebenfalls erhöht werden. Durch das Anheben der Nettoumsatzgrenze wird die Möglichkeit geschaffen, dass in Zukunft viel mehr Gastgewerbeunternehmen dieses steuerlich sehr interessante Modell in Anspruch nehmen können. Es kann bei der Gastgewerbepauschalierung mit hohen Steuerentlastungen gerechnet werden, welche teilweise, wenn die Parameter passen, mit einer Steuerersparnis von 50 Prozent bis sogar drei Viertel berechnet wurden. Auch wenn diese Steuerersparnis betreffend Gastgewerbepauschalierung erst nächstes Jahr zum Tragen kommen wird, glauben Sie mir, meine Damen und Herren, sie wird nächstes Jahr auch noch dringend gebraucht werden.

Kollegin Lancaster hat in ihrem Redebeitrag von Existenzsicherung für Arbeitnehme­rInnen gesprochen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich schlage Ihnen vorerst vor, den so wichtigen Gesetzesänderungen für die Stützung der Wirtschaft zuzu­stimmen, denn damit werden die Existenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich gesichert. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)


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15.23


Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


15.23.24

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Live­stream! Ja, am 15. Mai, da war es so weit, die Gastronomie durfte ihre Pforten wieder öffnen, die Gastronomen und Gastronominnen, die Kellnerinnen und Kellner, sämtliches gastronomisches Personal durften sich von dieser Rolle des Abhol- und Servicedienstes, in die es über Nacht geraten ist, wieder verabschieden.

Natürlich war die Begeisterung groß. Ich selbst bin Gastronomin und Touristikerin, habe das gelernt, habe diesen Beruf jahrelang ausgeübt, war lange selbstständig, und ich weiß, dass das, was Gastronominnen und Gastronomen ausmacht, ist, Gäste zu emp­fangen, Gäste zu bewirten. Das ist die Leidenschaft, und es war schön, dass das wieder passieren durfte. Und groß waren natürlich auch die Hoffnungen, die Erwartungen, dass jetzt doch wieder der Umsatz kommt.

Die Sorge war groß, dass die Maßnahmen, die Platzregelungen, die Abstandsregelun­gen, dazu führen, dass der Umsatz natürlich weniger sein wird. Aber es kam noch viel schlimmer, denn nicht einmal diese Tische und Sitzplätze, deren Zahl eh schon reduziert war, waren besetzt. Der Umsatzrückgang liegt bei 50 bis 70 Prozent. 50 bis 70 Prozent, man muss sich vorstellen, was das für den Unternehmer und die Unternehmerin bedeu­tet! Es ist einfach einerseits die Angst der Menschen noch zu groß, aber was da vor allem auch mitspielt: Die Menschen haben kein Geld. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“ und einer Auflistung der monatlichen Ver­änderungen der Arbeitslosenzahlen seit Jänner auf das Rednerpult.) Es fehlt am Geld, denn wenn wir 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit haben, über 500 000 Arbeitslose, die eine Nettoersatzrate von 55 Prozent bekommen, dann kämpfen diese Menschen da­rum, ihre Fixkosten zahlen zu können, sie kämpfen darum, im Alltag überleben zu kön­nen, und sie haben dann einfach nicht das Geld, um sich diesen liebgewordenen Luxus des Wirtshausbesuches leisten zu können.

Dann tausche ich mein Taferl gleich einmal aus (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Men­schen ohne Job“, „Existenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult stellend): Hier steht drauf: Existenzen sichern! Es könnte aber auch draufstehen: Wirt­schaft fördern! – Heben Sie die Nettoersatzrate auf die 70 Prozent an, das ist eine wirt­schaftsfördernde Maßnahme! Die Menschen müssen ihr Auskommen sichern können, dann können sie auch wieder der Wirtschaft unter die Arme greifen, indem sie konsu­mieren. Das ist eine Grundvoraussetzung (Beifall bei der SPÖ), denn wie sagt schon ein altes niederösterreichisches Sprichwort: Ohne Göd ka Musi! – Das gilt für die Kultur und das gilt für die Gastronomie.

Den inhaltlichen Sinn dieses Sprichwortes versteht die Bundesregierung sehr gut, denn die Repräsentationskosten hat man um über ein Vierfaches erhöht, auf 1,2 Millionen Eu­ro. Da weiß man, dass man Geld braucht, damit es eine „Musi“ gibt.

Aber dieses Geld fehlt ganz vielen. Es fehlt den EPUs, es fehlt den Kleinunternehmen, es fehlt allen Unternehmen, es fehlt den Menschen. Und die warten noch immer auf diese schnellen und unbürokratischen Hilfen, von 2 Millionen Euro sind gerade einmal 200 Millionen Euro angekommen. Ich bin mir sicher, dass es nicht daran liegt, was der Herr Bundeskanzler als Grund in einem Interview angeführt hat, nämlich dass unsere Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Namen nicht richtig schreiben können: Mit Verlaub, den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern unseres Landes, nachdem man sie eh schon zu Bittstellern degradiert hat, auch noch Unfähigkeit vorzuwerfen, das ist schlichtweg entwürdigend. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt soll mit der Änderung des Umsatzsteuergesetzes, des Einkommensteuergesetzes und des Schaumweinsteuergesetzes die große Rettung kommen. Anfangs war ich und waren wir ja gleich einmal erfreut, als wir gesehen haben, dass die Forderung der SPÖ


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nach der Anhebung betreffend Essensgutscheine, sogar in der gleichen Höhe wie im Antrag 228/A von der SPÖ, angenommen wurde. Aber dann trübt sich die Freude gleich wieder, denn man verpackt das in ein Sammelgesetz, obwohl es vorher die Vereinba­rung und die Zusicherung gegeben hat, dass die Zeit der Sammelgesetze vorbei ist. Aber natürlich will man mit diesem Gesamtpaket die Opposition dazu bringen, auch al­lem anderen in diesem Gesamtpaket zuzustimmen. Darin sind halt auch die Steuerbe­günstigungen für die Geschäftsessen enthalten. Was das jetzt aber den Gastronomen bringen soll, weiß ich nicht. Wie viele Unternehmer gibt es denn noch, die sich die großen Geschäftsessen leisten können? Was macht das fürs Beisel am Eck aus? Was macht das im Kaffeehaus aus? Was macht das für die kleinen Betriebe aus? Wie viele Betriebe sind es, wo man Geschäftsessen macht? – Das ist bei Weitem keine flächendeckende Unterstützung, das ist ein Zuckerl, sonst gar nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann kommen wir gleich zum nächsten Szenario. Es wird jetzt nicht lange dauern, dann werden wir sehen, wie die Menschen in Scharen ins nächste Beisel, ins nächste Res­taurant gehen werden. Da ist mir eine Werbung eingefallen oder ein Spruch, den die Kinder oft verwenden, meine Kinder zumindest, und den formuliere ich jetzt einmal um: Das ist Harald Mahrer. Er trinkt gerne Schampus. Sei wie Harald Mahrer! – Das heißt, der Bauarbeiter geht nach der Schicht auf ein Glaserl Sekt, die Krankenschwester in der Früh auf ein Glaserl Sekt. Das ist doch wirklich nicht zu glauben, das ist ja eine Fantasie­geschichte.

65 Prozent des Schaumweinumsatzes in Österreich werden im Handel gemacht. Der Schaumweinabsatz ist eigentlich nur zu Silvester in der Gastronomie und in einigen aus­gewählten Bereichen groß, wie Veranstaltungen, Hochzeiten, Geburtstagsfeiern. Das habe ich mir jetzt nicht aus der Nase gezogen, das können Sie beim Verband der (Bun­desrat Steiner: Der Schaumweinsteuer!) Sektkellereien im Bericht aus dem letzten Jahr abrufen.

Worauf es aber wirklich ankommt – und das wird mit diesen Maßnahmen nicht erreicht –, das ist eine Erhöhung der Gästefrequenz. Die Gastronomie braucht Frequenz (Bundes­rat Steiner: Die Gäste haben Angst und kein Geld!), und die wird auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke nicht bringen. Aber wem die ganz, ganz viel bringt, das sind die Fastfoodketten, dort rennen nämlich die alkoholfreien Getränke über die Schank. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit und mit all diesen Maßnahmen werden wir die Gastronomie nicht retten.

Wie es aber funktioniert, die Gästefrequenz zu steigern, das kann man andernorts ler­nen, und zwar in Wien. Da wird es vorgezeigt. Wenn wir es alle nach Wiener Vorbild machen (Bundesrat Steiner: Na ja, jetzt übertreibst du ein bisschen!), wenn wir den Menschen Gutscheine geben, die sie animieren, wieder in der Gastronomie zu konsu­mieren, und ihnen dann noch 70 Prozent Nettoersatzrate zugestehen, dann gehen sie auch wirklich wieder in die Wirtshäuser. Und das bringt etwas. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Dann stimmt unserem Tausender zu!)

15.32


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.


15.32.56

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses 19. COVID-19-Gesetz, vulgo Wirtshauspaket, soll also unsere Gastronomie retten. 500 Millionen Euro Einsparungspotenzial sind hier vorgesehen; das konnte uns nicht einmal im Wirt­schaftsausschuss bestätigt werden, das ist es natürlich nicht. Das, was hier regiert, sind der Schmäh, die Ahnungslosigkeit und der Coronawahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.)


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Dazu kommt, dass allen Ernstes verlangt wird, dass die Konsumnachfrage insofern be­feuert werden soll, als die Unternehmer diese Ausgaben tätigen sollen. Das kommt mir ungefähr so vor, wie wenn zwei Ertrinkende einander retten sollen. Das wird nicht funk­tionieren, sehr geehrte Damen und Herren und liebe Bundesregierung!

Gehen wir ein bisschen ins Detail! Geschäftsessen: 75 Prozent statt 50 Prozent Absetz­barkeit. Absetzen kann man nur dann etwas, wenn man Gewinne macht. Kosten bleiben Kosten. Herr Bundesminister, ich sage Ihnen aus der Praxis, es gibt keine Geschäfts­essen. Fast alle arbeiten noch immer im Homeoffice. Die gesamte Industrie, Großbetrie­be und Mittelbetriebe, alle sind im Homeoffice. 10 bis höchstens 20 Prozent sind im Prä­senzbetrieb. Alles ist leer, keiner traut sich raus. Wie mein Kollege Steiner im Zwi­schenruf schon richtig gesagt hat: Es regiert die Angst, und die Menschen haben kein Geld! Sie haben Angst, dass ihr Betrieb eventuell gar nicht überleben kann. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Sie meinen, die Erhöhung des steuerfreien Betrags bei den Essensgutscheinen würde etwas bringen – zahlt ja wieder der Unternehmer. Die haben kein Geld. Sie meinen, die Halbierung der Umsatzsteuer auf nichtalkoholische Getränke wird die Gastronomie retten. Wir alle wissen – wer geht nicht gerne ins Wirtshaus? –, getrunken werden in erster Linie alkoholische Getränke, 80 Prozent sind alkoholischer Konsum, und diesen unterstützen Sie nicht. 20 Prozent bleiben – auch das wird, auf Wienerisch gesagt, das Kraut nicht fett machen.

Warum wir aber schlussendlich dennoch zustimmen, das ist der Marginalbetrag von 25 Millionen Euro, der durch die Streichung der Schaumweinsteuer übrig bleibt. Das war immer schon ein freiheitlicher Ansatz, den haben Sie hier übernommen. Das ist der ein­zige Grund, warum wir hier zustimmen.

Das wird alles nichts bringen, man muss es einfach so sagen. Was ist besser als dieses Placebo-Medikament in dieser Krise? – Das, was wir von der FPÖ immer schon vorge­schlagen haben, das hilft prompt, hic et nunc, jetzt und sofort: Das ist der 1 000-Euro-Gutschein für jeden Österreicher und jede Österreicherin. (Beifall bei der FPÖ.) Das befeuert den Konsum, wenn jeder mehr in seiner Tasche hat. Auch die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer wird diesen befeuern, auch die Senkung der Lohnneben­kosten, und das wird sich vor allem auf das Wirtschaftswachstum auswirken; zu dem komme ich in weiterer Folge. Das werden Sie in nächster Zeit brauchen, sonst werden Sie mit dieser Staatsschuldenquote in der EU, die Sie hier zwangsläufig zustande brin­gen werden – das Wirtschaftswachstum ist ja kein Wachstum, weil die Wirtschaft derma­ßen schrumpfen wird –, enorme Probleme bekommen. Ich schätze, dass diese Quote irgendwo bei 100 Prozent zu liegen kommen wird.

Es regiert die Ahnungslosigkeit. Am 16. März haben Sie, der Herr Bundeskanzler Kurz, und das ist mein persönlicher Vorwurf, in einem Blitzkrieg die Wirtschaft plattgewalzt. Die Gastronomie konnte zwei Monate später, am 15. Mai, vor Kurzem, wieder aufsper­ren. Sie konnten nicht einmal einschätzen, was passieren wird, wenn Sie in die Selbstor­ganisation unserer Bürger und Bürgerinnen eingreifen. Sie haben in die freie Marktwirt­schaft und die Selbstorganisationskraft der Menschen eingegriffen. Sie sagen: Der Staat sind wir, l’état c’est moi, der Staat bin ich, der starke Staat, und ich weiß es! – Sie wissen es definitiv nicht. Warum nicht?

Kurzarbeit: Für diese wurden am Anfang 400 Millionen Euro veranschlagt. Ein paar Tage später hat man gesehen, das wird sich nicht ausgehen, und hat auf 1 Milliarde Euro erhöht. Wieder ein paar Tage später waren es 7 Milliarden Euro, dann 12 Milliarden Eu­ro, und jetzt stehen wir bei 12 Milliarden Euro, weil Sie es einfach nicht gewusst haben, die Bundesregierung, nicht Sie ad personam, die Bundesregierung wusste es nicht. Wir stehen bei zwei Millionen Menschen, die entweder in Arbeitslosigkeit oder in Kurzarbeit sind. Irgendwie ist die Kurzarbeit auch eine Form von Arbeitslosigkeit. Letztlich haben


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diese Menschen keine Beschäftigung. (Bundesrätin Schumann: Das stimmt nicht!) Das ist jeder dritte Österreicher, der keinen Job hat, keinen Volljob hat.

Dann wird Ihr Maßstab kommen, und darauf bin ich schon gespannt: Wie schaut es in Österreich wirklich aus? Ich glaube auch nicht, dass Sie keine Zahlen wissen, so schätze ich Sie gar nicht ein. Das Finanzministerium wird schon längst errechnet haben, wie es bei uns in Österreich ausschaut, nur Sie trauen es sich nicht zu sagen. Sie wollen es uns nicht sagen, weil wir dann alle in eine Schockstarre verfallen würden.

Nehmen wir zum Beispiel Deutschland! Die haben ähnliche Quarantänemaßnahmen wie wir gesetzt, dort ist das ähnlich gelagert, nur haben sie den großen Vorteil, dass sie die Baumärkte nicht geschlossen haben. Die Baumärkte haben geboomt, die hatten den drei-, vierfachen Umsatz in dieser Zeit. Die Menschen saßen zu Hause und hatten jede Menge Zeit, zu renovieren, zu investieren, zu planen und Geld auszugeben, denn das Geld ist ja nicht vernichtet worden. In Österreich haben Sie auch die Baumärkte ge­schlossen. In Deutschland beträgt die Arbeitslosigkeit die Hälfte von jener in Österreich, und bei der Kurzarbeit ist es gleichfalls die Hälfte. Also bei uns sind alle diese Daten doppelt so hoch wie in Deutschland.

Wenn in Deutschland gesagt wird, der Einbruch beim Wirtschaftswachstum, die Rezes­sion kommt bei circa 6 Prozent zu liegen, dann bin ich schon gespannt darauf, Herr Minister, was Sie nach Brüssel melden werden, wenn Sie die wirklichen Zahlen melden müssen und nicht die Zahlen, die Sie melden wollen.

Ahnungslosigkeit. – Das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt allen Ernstes noch am 27. März, die Arbeitslosigkeit wird in Österreich um 1 Prozent steigen. Da hatten wir bereits 14 Ta­ge Lockdown, Closing aller Geschäfte. Da war jedem Unternehmer klar, was da pas­siert – offensichtlich nicht den Wirtschaftsvertretern, nicht den Regierenden.

Es geht auch anders, es geht sehr wohl anders. Schweden ist ein oft strapaziertes Bei­spiel, ich möchte aber andere nennen: Japan, Südkorea, Singapur, Niederlande, die wissen alle, dass es anders geht. Ich bin schon gespannt darauf, wie das Wirtschafts­wachstum oder die Rezession dort aussehen wird. Die erste Niederlage mussten Sie bereits einstecken, und zwar in dem Sinne, dass Sie uns Schmähs erzählen wollten, uns Unternehmern und unseren Mitarbeitern.

Die Schweden hatten im ersten Quartal – die Zahlen sind schon heraußen – eine Re­zession von minus 0,3 Prozent, Österreich eine von bereits minus 3 Prozent. Also hier liegen wir schon total auseinander. Das zweite Quartal schließt in einem Monat, die Zah­len werden Mitte Juli veröffentlicht werden, da bin ich schon gespannt darauf, was da herauskommt, wo unsere Zahlen tatsächlich liegen werden.

Es war und ist verantwortungslos, was die Bundesregierung da gemacht hat, und Sie schenken niemals reinen Wein ein. Beispiel Mitarbeiterprämie, Bonuszahlung: Es wird gesagt, 3 000 Euro kann jeder gratis in seinem Unternehmen an die Mitarbeiter aus­schütten, steuerfrei, so glaubt man. – Wer’s glaubt, wird selig. Tatsächlich muss der Un­ternehmer 7,28 Prozent an Steuern und Abgaben leisten. Es ist also nicht steuerfrei!

Warum schaffen Sie es nicht, dass sich in Ihrem ideologischen Konzept manifestiert, dass Sie eine starke Wirtschaft brauchen, wenn Sie überhaupt nur annähernd aus dieser Krise herauskommen wollen? Und eine Krise ist nur dann eine Krise, wenn das V-Tal bewiesen ist, sonst ist es keine Krise, sondern eine bleibende Schrumpfung. Eine Krise heißt immer, es kommt zu einer Erholung. Wir sind aber momentan in einer bleibenden Schrumpfung, wir sind weit davon entfernt, dass irgendwann einmal ein Wachstum zu sehen ist. Da bin ich schon gespannt darauf, mit welchen Lösungen Sie kommen wer­den.

Sie brauchen ein Wirtschaftswachstum, das wissen Sie. Auch wenn die Ausgaben die gleichen bleiben würden, wovon Sie natürlich bei 38 Milliarden Euro, die da versprochen


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werden, far away sind, auch wenn die Ausgaben die gleichen bleiben würden, steigt bei minus 10 Prozent Schrumpfung die Verschuldungsquote um annähernd 10 Prozent. Also wie wollen Sie das Wirtschaftswachstum wieder befeuern? Ich frage mich: Wo ist die Hilfestellung für die Unternehmen? – Es regieren Depression, Mutlosigkeit, nackte Angst, und Sie haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Wo ändern Sie Ihr Verhal­ten? Wo bringen Sie Motivation herein?

Daher wollen wir von der FPÖ folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich-Gutschein“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gutschei­ne im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die nur bei heimischen und in Ös­terreich steuerpflichtigen Betrieben, eingelöst werden können.“

*****

Das hilft schnell, unbürokratisch und sofort.

Weiters ergibt sich aus der allgemeinen Sachlage, dass zwar dem Bürger Vorschriften gemacht werden, sich aber die politische Elite offensichtlich manchmal nicht daran hält. So hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor Kurzem entschieden, dass der Aufenthalt in der Wohnung eines befreundeten Ehepaares von den Bestimmungen der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit nicht umfasst ist, da die Woh­nung kein öffentlicher Ort ist. – Das sei nur im Lichte der Verurteilung einer Person ge­sagt, die angeblich eine Coronaparty gefeiert hat, wohl wissend, dass unser Bundesprä­sident selbst die Sperrstunde missachtet hat und Bundeskanzler Kurz – wissentlich oder unwissentlich bleibt jetzt dahingestellt – im Kleinwalsertal selber die verordneten Ab­standsregeln oder was weiß ich, was es da alles an Verordnungen gibt, nicht eingehalten hat.

Daher wollen wir einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Am­nestie für ,Corona-Sünder‘“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert per Erlass sicher zu stellen, dass alle Verwaltungsstrafverfahren die auf Basis von Covid-19-Verordnun­gen und Gesetzen eingeleitet wurden, eingestellt werden. Bereits bezahlte Strafgelder sind rückzuerstatten.“

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Abschließend sei noch gesagt, weil viele nicht wussten, ob sie die Wohnung verlassen dürfen oder nicht, ob sie das Homeoffice verlassen dürfen: Viele Unternehmer und deren Mitarbeiter vor allem glaubten wirklich, sie dürfen das Homeoffice nicht verlassen. Ob


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das jetzt eine bewusste Täuschung oder eine unwissentliche war, bleibt dahingestellt, aber es hatte einen Effekt, und dieser Effekt hat sich bis heute noch nicht gelöst. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.44


Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich-Gut­schein“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Amnestie für ,Corona-Sünder‘“ ist genügend unter­stützt und steht damit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel. Ich erteile es ihm.


15.44.47

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mich auch zu diesem Paket kurz zu Wort melden. Vielleicht zunächst ein paar Zahlen, um den Überblick über den aktuellen Auszahlungsstand zu gewinnen. Wir haben ja die verschiedensten Pakete auf den Weg gebracht und hier die aktuelle Entwicklung:

Bis dato sind über 280 000 Anträge auf Steuerstundungen eingelangt und bewilligt wor­den. Das ist ein Volumen von circa 6,2 Milliarden Euro, das mehr an Geld und Liquidität in den Unternehmen verbleibt.

Wir haben bisher rund 20 000 Anträge akzeptiert, wo es um Garantieübernahmen für Kredite geht; das ist ein Volumen von fast 5 Milliarden Euro.

Was die Kurzarbeit betrifft, die schon einige Male angesprochen worden ist: Mittlerweile sind 10,2 Milliarden Euro rechtsverbindlich zugesagt. Sie wissen, die Kurzarbeit kann ja erst im Nachhinein abgerechnet werden, und von dieser Abrechnung sind bisher 60 000 Anträge erledigt worden. Das ist knapp 1 Milliarde Euro, die ausbezahlt worden ist.

Darüber hinaus haben wir im Finanzministerium auch eine eigene Hotline eingerich­tet, um zu all diesen verschiedensten Paketen auch Rede und Antwort zu stehen, um Nachfragen möglich zu machen und zu helfen, wo es Probleme gibt. Wir hatten fast 14 000 Bürgerkontakte, die uns auch die Möglichkeit geben, zu erkennen: Wo können wir nachbessern, wo gibt es Probleme in administrativer und auch qualitativer Hinsicht? Das haben wir sehr intensiv wahrgenommen.

Sie haben auch internationale Zahlenvergleiche gebracht. Die Prognosen, die von Ihnen einige Male angesprochen worden sind, sind zu Recht als nicht ganz sicher qualifiziert worden. Das ist auch meine Meinung. Wir können heute noch nicht sagen, wie die Re­zession aussehen wird, in welche Richtung sich das Wirtschaftswachstum genau entwi­ckeln wird. Die Ökonomen sagen derzeit irgendetwas von minus 3,5 bis zu minus 9 Pro­zent für Österreich vorher – sei es, wie es sei. Wenn man den internationalen Zahlen­vergleichen glauben möchte, dann kommt Österreich besser durch diese Krise als an­dere europäische Länder; das ergeben Zahlen der OECD und auch der Europäischen Kommission. Auch das Kurzarbeitsmodell ist das zweifellos attraktivste, das es weltweit gibt, mit seiner Nettoersatzrate und den anderen Anwendbarkeiten.

Vielleicht nur ein Vergleich noch zu Deutschland: Wir sind ja eines von nur vier Ländern innerhalb der Europäischen Union, die Kredite bis zu 100 Prozent für ein Volumen von bis zu 500 000 Euro garantieren. Ich nehme hier Deutschland als Vergleichsland her – die anderen Länder sind Italien und Estland, glaube ich –: Deutschland hat bisher circa 8 000 dieser Anträge genehmigt, Österreich 7 500. Also wenn man den normalen Faktor 10 anwenden würde, dann wären wir diesbezüglich fast zehnmal so gut wie Deutsch­land. Das sind nur einige Zahlen, um auch zu vergegenwärtigen, dass der internationale


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Vergleich oft hilft, um unabhängig von der persönlichen Betroffenheit und Emotion, die ich bei jedem und jeder Einzelnen voll verstehe, die Hilfsmaßnahmen zu bewerten.

Wir haben auch einen Fixkostenzuschuss auf den Weg gebracht, der mittlerweile über 3 000 Mal beantragt worden ist, wo bereits fast 5 Millionen Euro ausbezahlt worden sind. Da gibt es die Möglichkeit, bis zu 50 Prozent des Fixkostenzuschusses vorab zu erhal­ten, die Abrechnung erfolgt nach genauer Evaluierung des Betrachtungszeitraumes, was die Umsatzeinbußen betrifft.

In Deutschland beispielsweise wurde jetzt vom Familienunternehmerverband gefordert, dass ein ähnliches Fixkostenmodell aufgesetzt wird. Dem kommt die deutsche Bundes­regierung jetzt nach. Wir sind nur wesentlich großzügiger: In Deutschland kommt man erst ab 60 Prozent Umsatzentgang hinein, bei uns bereits ab 40 Prozent. Es wurde auch gefordert, dass insgesamt die Höhe der Kompensation auf österreichisches Niveau aus­geweitet wird. All das sind Debatten, die in unseren Nachbarländern stattfinden, die zei­gen, dass man nach Österreich blickt, um hier den Vergleich zu suchen.

Ich darf zu einer Maßnahme kommen, die bereits in die nächste Phase hineinfällt, näm­lich zum Wirtepaket, das ja heute besprochen wird. Es gibt die verschiedensten Ele­mente in diesem Wirtepaket, Sie haben es ja bereits trefflich diskutiert. Ich möchte vor allem auf eines hinweisen, nämlich die Erhöhung der Pauschalierungsgrenzen von 255 000 auf 400 000 Euro und die Erhöhung des Mobilitätspauschales von 2 auf 6 Pro­zent sowie die Erhöhung des Pauschales insgesamt von 10 auf 15 Prozent für die Wir­tinnen und Wirte. Manche werden dadurch im Vergleich zu Vor-Coronazeiten bis zu zwei Drittel weniger Steuern zahlen. Da geht es vor allem darum, dass das Wirtshaus am Land, das geringere Umsätze hat als vielleicht eines in der Stadt, massiv bessergestellt wird, denn wir wissen, dass gerade in kleineren Ortschaften in den letzten Jahren ein Wirtshaussterben stattgefunden hat. Das ist ein Faktum, und deswegen wollen wir hier langfristig, unbefristet massive steuerliche Anreize setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.49

15.50.02


Vizepräsident Michael Wanner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Beherbergungsbetriebe und Hotels“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich-Gutschein“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Amnestie für ,Corona-Sünder‘“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (298/E-BR/2020)

15.51.576. Punkt

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2020
(III-710-BR/2020 d.B. sowie 10339/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


15.52.16

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2020.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2020 zur Kennt­nis zu nehmen.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein. Als erster Redner ist Bundesrat Dr. Michael Schilchegger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.53.11

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Der vor­liegende Finanzbericht betreffend EU-Jahresvorschau 2020 ist ja leider längst Makulatur geworden. Nichts findet sich darin zu den Folgen der Covid-Pandemie, nichts zum ak­tuellen Vorhaben der Kommission, ein 750-Milliarden-Euro-Hilfspaket zu schnüren, das natürlich absehbarerweise den österreichischen Bundeshaushalt und den österreichi­schen Steuerzahler wieder einmal überproportional im Verhältnis beziehungsweise im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten belasten wird.

Ich bin sehr froh, Herr Bundesminister, dass Sie heute anwesend sind, weil Sie einige Positionen, die ich nun einnehme, aus Ihrer Sicht vielleicht richtigstellen können. Wir wissen aber, die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit, das heißt, das, was Sie heute hier zu diesem Thema vielleicht noch sagen können, ist natürlich etwas, das von uns über­prüft und auch entsprechend kritisiert werden wird, wenn es sich in einigen Monaten so erweisen wird, wie wir das jetzt erwarten.

Es ist natürlich nicht so, dass man einen Bericht, der im März fertiggestellt wurde, jetzt völlig neu schreiben muss. Das ist nicht unsere Kritik, aber wir hätten uns doch erwartet – und das ist auch der Punkt, warum wir heute dem Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts symbolisch nicht zustimmen können –, dass diese neuen Lageentwicklungen auf der Ebene der Europäischen Union wohl in einer kurzen schriftlichen Ergänzung – in einem Vorwort, in einem Beiblatt oder Ähnlichem – Erwähnung finden, weil das, was sich jetzt im Bericht zur Haushaltsplanung findet, einfach hinten und vorne nicht mehr stim­men kann. Wir haben also ein ähnliches Problem wie beim Bundesbudget, das im Na­tionalrat beschlossen wurde, auch bei diesem Bericht.

Wie Medienberichten zu entnehmen ist, haben sich ja zunächst einmal Deutschland und Frankreich auf ein Paket geeinigt, nämlich auf ein Paket in Höhe von 500 Milliarden Euro


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an nicht rückzahlbaren Zuschüssen, also Transfers, die vor allem von Staaten mit sta­bilen Staatsfinanzen aufgebracht werden und sodann vor allem nach Italien und Spa­nien, die natürlich von der Covid-Pandemie schwer getroffen wurden, aber auch in Län­der, in denen das nicht der Fall war, wie beispielsweise Polen, gehen sollen. Genau das ist tatsächlich eine Zäsur, weil genau das der Einstieg in die Transfer- und Schulden­union ist, die wir Freiheitliche immer abgelehnt haben und immer ablehnen werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Man muss sich das einmal vorstellen! Das ist ja auch und vor allem ein Gebot für unsere Staatsbürger, und zwar ein Gebot der Fairness für unsere Staatsbürger und eine falsch verstandene Solidarität gegenüber den Partnerländern in der Europäischen Union, weil zum Beispiel Spanien und Italien zwar als Staaten hoch verschuldet sind, aber die ita­lienischen und spanischen Bürger überdurchschnittlich wohlhabend sind. Wenn man sich etwa den geschätzten Medianwert für Oktober 2019 ansieht, ist der durchschnitt­liche Spanier interessanterweise wohlhabender als der durchschnittliche Österreicher. Der Durchschnittsösterreicher wird über Jahre und Jahrzehnte mit höchsten Abgaben und Steuern auf Privatvermögen und auch auf Arbeit belastet und hat daher auch im europäischen Vergleich kaum Immobilien- und Privatvermögen.

Einfache Frage: Warum sollen nun Transferzahlungen in diese Länder fließen, obwohl die dortigen Staatsbürger ohnehin über genug eigene Vermögenswerte verfügen, die auch Steuerobjekte sein können? Warum werden die dortigen Staatsbürger nicht ange­messen aufgefordert, zur Sanierung der öffentlichen Haushalte beizutragen, durch was auch immer – Ankaufverpflichtungen von Staatsanleihen, Sonderabgaben, späteres Pensionsantrittsalter? Das ist nicht das Problem Österreichs. Ist das nicht der nahelie­gendere Zugang? Warum werden jetzt nicht die österreichischen Staatsbürger durch massive Abgabensenkungen gefördert, damit diese dann die Konjunktur einerseits na­türlich in Österreich wieder beleben können und nebenbei dann auch ihre gesteigerte Kaufkraft im Urlaub einsetzen können, beispielsweise in Italien, Spanien und Griechen­land? Das wären intelligente Förderungen der Wirtschaftskraft in Österreich und auch in Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

Die deutsche Bundesregierung beschreitet jetzt genau diesen Weg, indem sie zum Bei­spiel die Mehrwertsteuer – natürlich vorübergehend als Unterstützungsmaßnahme – von 19 Prozent auf 16 Prozent senkt. Aus Österreich hört man dazu nichts.

Jetzt werden Sie vielleicht Folgendes sagen – man konnte das ja auch den Medienbe­richten entnehmen, jedoch leider nicht dem Bericht, über den wir sprechen, aber ich muss nun einmal die Position nehmen, wie man sie den Medien entnehmen konnte; vielleicht korrigieren Sie das später –, Sie sagen sinngemäß: Sie als österreichische Bundesregierung lehnen eine europäische Transferunion ohnehin ab, daher haben Sie als Bundesregierung ja mit den Niederlanden, Schweden und Dänemark eine Gegen­position entwickelt und anstelle von nicht rückzahlbaren Zuschüssen einfach 250 Milliar­den Euro an Kreditvolumen vorgeschlagen. – Das ist die Position, die dann medienwirk­sam als die Position der sparsamen vier, wie man sie in den Medien nennt, verkauft wurde (die BundesrätInnen Hahn und Schennach: Die geizigen vier!) – oder auch die geizigen vier als Kritik, durchaus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann man so oder so übersetzen! – Bundesrat Schennach: In Österreich sind sie die sparsamen, europäisch sind sie die geizigen!) Ja, aber das ist eine Position, der wir Freiheitliche uns durchaus anschließen können, dass man sagt: Nein, wir wollen keine Transferunion, wir wollen Kredite statt Transfers.

Wie aber wurde diese Position in Brüssel durchgesetzt? – Die Europäische Kommission und das Parlament haben Ihren Vorschlag mehr oder weniger ignoriert und die Zu­schüsse im Verordnungsentwurf, so wie von Deutschland und Frankreich vorgeschlagen,


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festgeschrieben und das Kreditvolumen, das Sie als sparsame vier vorgeschlagen ha­ben, noch obendrauf gepackt.

Lassen Sie mich jetzt kurz aus einem ORF-Bericht der Seite orf.at vom 27.5. zitieren:

„Die EU-Kommission schlägt einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro vor. [...]

Von den 750 Milliarden Euro sollen 500 Milliarden als nicht rückzahlbare Zuwendungen und 250 Milliarden als Kredite fließen, wie die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Mehr als 300 Milliarden Euro sind allein für die Krisenländer Italien und Spanien reserviert. Finanziert werden soll das Programm über Schulden im Namen der Europäi­schen Union. Diese würden dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt getilgt werden.“ – Zitatende.

Herr Bundesminister, jetzt frage ich mich schon eines: Nach dem Vertrag von Lissabon ist ja die Europäische Union gar nicht ermächtigt, Schulden im eigenen Namen, also im Namen der Europäischen Union, aufzunehmen. (Bundesrat Schennach: Oja!) Sehen Sie bitte im Kommentar zu Artikel 311 AEUV nach! Da wird das ganz klar diskutiert und gesagt: Fremdfinanzierungen sind unzulässig. (Bundesrat Rösch – in Richtung Bundes­rat Schennach, auf den Redner weisend –: Der hat das gelesen!)

Aber es ist ja völlig egal, wie diese Mittel jetzt aufgebracht werden, klar ist jedenfalls im Ergebnis, weil es ja nur die Steuersubjekte Unternehmen – Privatpersonen letzten En­des – gibt: Wohlstand soll aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark, Schweden – also den Nettozahlerländern – abgezogen und nach Italien, Spanien, Polen und so weiter transferiert werden, und das wird wieder einmal, so als wären die Grie­chenlandrettung und die Einrichtung des ESM-Fonds nicht ausreichend gewesen, dem österreichischen Bundeshaushalt und damit letztlich dem österreichischen Steuerzahler aufgebürdet.

Wer kommt überhaupt auf so eine Idee? – Ich meine, das sind Ihre Leute von der ÖVP, wenn ich mir die Bundesrätinnen und Bundesräte hier so ansehe! Das sind Ihre Leute: EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn, ÖVP, Othmar Karas, Vizepräsident des Euro­päischen Parlaments, Spitzenkandidat der ÖVP bei den Wahlen zum Europäischen Par­lament. Das sind die Personen, die diese Vorschläge auf europäischer Ebene zulasten von Österreich unterstützen, und deswegen frage ich mich schon: Was ist jetzt eigentlich die Position der ÖVP-geführten Bundesregierung? Haben Sie den Vorschlag der Euro­päischen Kommission kritisiert und die Position der sparsamen vier verteidigt?

Ich zitiere wiederum aus dem Bericht des ORF, und zwar wird da der Bundeskanzler wortwörtlich nach einer APA-Meldung zitiert – Zitat:

„,Was noch verhandelt werden muss, das ist die Höhe sowie das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Krediten‘, so“ Bundeskanzler „Kurz“. – Zitatende.

Da ist also keine Rede mehr davon, dass derartige Zuschüsse für Österreich schon dem Grunde nach nicht in Frage kommen. Das heißt, die Bundesregierung ist wunschgemäß, wie es der Position in Berlin und auch der Position der Pleitestaaten entspricht, schon auf diese Linie eingeknickt, bevor die Verhandlungen überhaupt noch begonnen haben. Sie sind also als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet (Beifall bei der FPÖ) – im Unterschied beispielsweise zu den Niederlanden, die diese Position noch verteidigt haben.

Was ist diese Position aber eigentlich wert? – Ich erinnere noch einmal daran, dass die Verordnung zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens ja vom Europäischen Rat einstimmig beschlossen werden muss, das heißt, ohne Zustimmung der Bundesregie­rung kann es diese Transferunion, die jetzt geplant wird, gar nicht geben. Und unsere Position ist klar: Kein Cent mehr nach Brüssel. – Diese freiheitliche Position ist eine


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Frage der Fairness und der Gerechtigkeit gegenüber unseren Landsleuten und jeden­falls für unsere Fraktion völlig selbstverständlich und unverrückbar.

Sehen wir uns an, was Sie als Finanzminister den Unternehmen so versprochen haben: eine rasche und unbürokratische Hilfe, koste es, was es wolle. – Das haben Sie vielleicht nicht wörtlich gesagt, aber das war so die Werbelinie der Bundesregierung.

Nun ist die neueste Werbelinie da: Die österreichische Bundesregierung kämpft als Teil der sparsamen vier für einen sparsamen Haushalt der Europäischen Union – so die Wer­belinie. In der Realität ist es aber genau umgekehrt: Bei unseren Steuerzahlern und Leistungsträgern in unserem Land, die von Ihrer Coronaentschädigungspolitik massiv und schwer getroffen wurden, bleibt die Bundesregierung beharrlich und geizig wie Da­gobert Duck, und in Brüssel, wenn es um Transferzahlungen an Nachbarländer geht, ziehen Sie dann auf einmal wieder die Spendierhosen an. (Beifall bei der FPÖ.)

16.02


Vizepräsident Michael Wanner: Als nächster Redner ist Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.02.31

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Hilfe bei Covid ist, glaube ich, etwas Legitimes, und ich denke, dass wir hier alle gemeinsam in eine Richtung gehen sollten, um die Krise für alle erträglich und für alle lebbar zu bewältigen. (Bundesrat Rösch: Kommt drauf an, wer zahlt!)

Der Finanzbericht über die Jahresvorschau 2020 ist etwas, das unter Voraussetzungen entstanden ist, die man auch in der näheren Zukunft noch nicht genau abschätzen kann, und so denke ich, dass man da die Richtung heraussehen muss, die der Finanzbericht darstellt, und die Richtung ist für mich eine positive. Ich denke, dass Wachstum und Beschäftigung wichtig sind, um die Krise gemeinsam zu bewältigen und aus dieser Krise zu einem gemeinsamen Ziel, nämlich zur Erhaltung des Wohlstandes, zu kommen.

Die Planung für die nächste Zeit wird das Schwierigste werden, weil man das Ende nicht sieht und weil es wichtig ist, dass bei dieser Planung alle einen schnellen Start bekom­men und dadurch ihren Teil zur Lösung des Problems der Krise beitragen können. Man muss langfristig die ökonomischen Daten aller Länder in Bezug auf Verschuldung und dergleichen im Auge behalten, damit man da früh genug einlenken kann und die Mit­gliedstaaten mit zusätzlichen Strukturmaßnahmen die gesellschaftliche, soziale und wirt­schaftliche Situation in ihren eigenen Ländern verbessern und dadurch zur positiven Ei­genversorgung in der gesamten Union beitragen können. Wir haben nämlich in der Co­vid-Krise gesehen, dass die Eigenversorgung doch einen wesentlichen Teil, ein wesent­liches Fundament der Erhaltung von Wohlstand und Frieden in den Regionen darstellt.

Die wirtschaftliche Einheit und die Währungseinheit sind Eckpfeiler. Insbesondere die Währungseinheit ist ein Eckpfeiler, der in der Planung mitgeht, damit die Länder leichter zum gemeinsamen Ziel finden. Banken und Kapitalmarkt müssen Stabilität bieten, müs­sen die Einlagensicherung garantieren und die Liquidität im Hinblick auf Marktberuhi­gung und auf Garantien für Investitionen gewährleisten.

Die Digitalisierung als Fluch und Segen: Zum einen ist sie für Unternehmen ein notwen­diges, die Arbeit erleichterndes Instrument, zum anderen ist sie bezüglich der Besteue­rung ein großer Diskussionsfaktor, wo man langsam aber sicher eine EU-einheitliche oder sogar eine globale Regelung einer Einzelstaatenregelung vorziehen muss.

Die Neuverteilung von Besteuerungsrechten und damit die Eindämmung von unfairen Steuerzuckerln in einzelnen Ländern gehört vorangetrieben, denn diese sind nicht mehr zeitgemäß. Ich denke, diesbezüglich müsste durchaus etwas geschehen, damit diese


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Unterschiede zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer oder bei der Körperschaftsteuer ausgeglichen werden und die einzelnen Länder dadurch nicht mehr gegeneinander aus­gespielt werden können, womit eine große Vereinfachung für Land und Leute entsteht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

16.05


Vizepräsident Michael Wanner: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Doris Hahn zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


16.06.20

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job, Arbeitsplätze schaffen – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult.) Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren via Livestream zu Hause! Wir haben es heute schon gehört: Sowohl das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission als auch der Bericht des Finanz­ministers dazu lassen sich vermutlich unter einer gemeinsamen Überschrift zusammen­fassen und diskutieren: Und dann kam Covid-19.

Natürlich darf das Ziel einer oft zitierten klimaneutralen, digitalen und gerechten Wirt­schaft innerhalb der EU nicht aus den Augen verloren werden, ganz im Gegenteil, aber wir wissen alle, dass eben diese weltweite Covid-19-Pandemie eine gewisse Prioritäten­verschiebung auch in diesem Zusammenhang nach sich ziehen muss und nach sich ziehen wird.

Die Kommission legt ihren Vorhaben zu Beginn des Jahres noch eine Wachstums­prognose von immerhin 1,2 Prozent zugrunde, die durchaus positiv und optimistisch war. Es war noch von der längsten Wachstumsphase seit Einführung der gemeinsamen Wäh­rung 1999 die Rede, von einer gestiegenen Beschäftigung, von stabiler Lohnentwicklung und von günstigen Finanzierungsbedingungen. Es wurden Maßnahmen und Schritte zu einer Banken- und Kapitalmarktunion gesetzt und vieles mehr.

Noch unter der kroatischen Präsidentschaft hat man sich zu einer verstärkten, noch bes­ser vernetzten und fairen Wirtschafts- und Währungsunion bekannt – ich nenne hier nur beispielhaft die europäische Einlagensicherung, um auch die Resilienz und Stabilität des EU-Bankensystems zu erhöhen. Ausgangspunkt für das Arbeitsprogramm waren also Rekordbeschäftigung und eine Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Niveau seit der Jahr­hundertwende.

Nur wenige Wochen später ist diese Ausgangslage eine ganz andere, und die Rekord­werte sind den vorherigen genau diametral entgegengerichtet: Rekordarbeitslosigkeit in den meisten Ländern der EU, aber auch weltweit, wie auch in Österreich. Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Über 500 000 Menschen sind derzeit immer noch von Ar­beitslosigkeit betroffen.

Nun gibt es verschiedene Pläne und Konzepte, wie eben dieser weltweiten Gesund­heitskrise, die sich bereits jetzt zu einer ganz massiven und schwerwiegenden wirtschaft­lichen und sozialen Krise entwickelt hat, auf europäischer Ebene entgegengewirkt wer­den kann und entgegengewirkt werden soll. Merkel und Macron legten ein mögliches Paket auf den Tisch – immerhin eine Budgeterhöhung von 500 Milliarden Euro –, das in Form von Zuschüssen an die Länder ausgeschüttet werden soll. Kommissionspräsi­dentin von der Leyen spricht gar von einem notwendigen 750-Milliarden-Euro-Paket, nämlich einem Wiederaufbaufonds, und dieser Plan ist aus meiner Sicht auch wichtig und richtig.

Was aber macht unser Bundeskanzler? – Gemeinsam mit drei anderen Staatschefs geht er einen ganz anderen Weg: Er möchte lediglich Kredite vergeben, die die betroffenen


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Länder dann natürlich auch zurückzuzahlen haben. Er meint, es handle sich beim Mer­kel-Macron-Modell, aber auch beim Modell von von der Leyen um eine Vergemein­schaftung von Schulden, wenn die Kommission diese Summe selbst als Kredite auf­nimmt, und Schulden sind für Kurz per se sozusagen böse. Kurz zeigt einmal mehr seine stark neoliberale Position, dass eben der Markt alleine alles regelt und dass der Schuld­ner quasi selbst schuld und dafür verantwortlich ist, wenn er eben Schulden aufnehmen muss.

Das ist aber leider so nicht richtig, wie wir wissen. Es haften eben nicht alle EU-Staaten für die Schuldenaufnahme, wie es Kurz und auch Minister Blümel in diesem Fall kommu­nizieren, sondern jedes Land im Ausmaß seiner Beiträge. Es verwundert also nicht, dass den vier rund um Kanzler Kurz schnell der Titel die sparsamen vier oder auch die gei­zigen vier, the frugal four, umgehängt wurde; auf Holländisch, glaube ich – Kollege Schreuder wird es mir bestätigen –, vrekkig, wenn ich mich richtig erinnere. Dänemark und Schweden haben sich aber bereits davon distanziert, weil auch sie erkannt haben, dass man Nettozahler und Nettoempfänger auf diese Art und Weise nicht gegeneinander ausspielen kann. In Wahrheit stehen also Kurz und Rutte inzwischen ganz isoliert da. Kurz isoliert in Wahrheit durch seine Haltung Österreich vom Rest der EU. Und so nebenbei sei bemerkt: So sparsam ist der Kanzler in anderen Bereichen nicht, zumindest nicht, wenn es zum Beispiel um sein PR-Budget geht. Da heißt es nach wie vor: Je mehr, desto besser!, aber das ist eine andere Geschichte. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss aus meiner Sicht jetzt um eine gesamteuropäische Kraftanstrengung gehen. Die Frage, die man sich jetzt eben auch aufgrund der Krise gemeinsam in noch verstärk­tem Maße stellen muss, ist: Wieso profitieren Konzerne wie beispielsweise Amazon von der Krise, während die Menschen, die kleinen Unternehmen, Einpersonenunternehmen ums tägliche Überleben kämpfen müssen? Diese Frage stellen sich auch in Österreich Hunderttausende Menschen tagtäglich.

Eines ist klar: Die Situation wird sich besonders in den südlichen Ländern noch eklatant verschärfen, wenn die EU nicht gemeinsam gegensteuert. Ich glaube, da sind wir uns einig: Eine Austeritätspolitik wie gegenüber Griechenland ist aus unserer Sicht ganz be­sonders kurzsichtig und kontraproduktiv. Eigentlich sollte es im Interesse Österreichs sein, wenn Länder eine echte Unterstützung bekommen, um dann auch ihre Wirtschaft in Gang zu bringen. Zu sagen, Österreich zahlt eh schon genug, ist eigentlich nur die halbe Wahrheit; man vergisst dabei geflissentlich zum Beispiel die nicht zu unterschät­zende Exportrate Österreichs und auch alle Handelspartnerschaften mit den verschie­densten Ländern, die eben nur dann funktionieren können, wenn unsere Partner auch entsprechend wirtschaftlich stabil sind. – Auf Agrarförderungen und dergleichen brauche ich auch nicht näher einzugehen; ich glaube, das wissen wir alle sehr genau.

Es ist jetzt aus meiner Sicht definitiv nicht die Zeit für nationalistisch fokussierte Interes­sen. Die gemeinsamen Ziele aller EU-Staaten müssen weiterhin sein: die Umsetzung eines European Green Deal – die Klimaneutralität ist hier als Stichwort zu nennen, eben­so wie nachhaltige Mobilität, die Biodiversität und vieles mehr –, eine gemeinsame Ar­beitsmarktpolitik – wie das Schaffen neuer Arbeitsplätze auch hier in Österreich ganz, ganz entscheidend sein wird –, eine gemeinsame Lohnpolitik im Hinblick auf faire Min­destlöhne, eine Lohntransparenz, Lohngerechtigkeit – der Genderpaygap ist immer noch ein Thema, auch in Europa –, Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit – das wird in den nächsten Jahren als eine Priorität Nummer eins gelten. All das muss gerade jetzt wirklich im Fokus sein und im Fokus bleiben; nicht zu vergessen: ein faires Steuer­system, das Schließen von Steuerschlupflöchern, von denen Konzerne, wie zum Bei­spiel Amazon, und ihre Aktionäre nach wie vor profitieren, eine Finanztransaktionssteuer und dergleichen – all diese Dinge müssen aufs Tapet und müssen auf den Weg gebracht werden.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 130

Ein Thema, das noch schneller akut geworden ist, als uns das offensichtlich lieb war, ist eine gemeinsame Arzneimittelstrategie für Europa, um die Verfügbarkeit und vor allen Dingen auch die Qualität von Arzneimitteln und Medizinprodukten entsprechend sicher­zustellen und nicht zum Beispiel vom asiatischen Markt abhängig zu sein (Bundesrat Spanring: Das ist das, was wir immer schon gesagt haben!), wie wir es in den letzten Wochen ganz, ganz eklatant zu spüren bekommen haben.

Im Folgenden geht es auch um ein Sicherstellen eines funktionierenden Rechtssystems, um ein Sicherstellen der Demokratie und vieles andere mehr.

Aus meiner Sicht wird uns also neoliberales Denken nicht helfen können, ganz im Ge­genteil, und es wird das Gewähren von Krediten alleine auch bestimmt nicht reichen. Was wir seit der letzten Budgetdiskussion immer wieder feststellen müssen, ist schon eines, und das muss ich so sagen, wie es ist: Entweder Sie können es nicht besser beziehungsweise Sie wissen es nicht besser – und damit meine ich jetzt sowohl den Herrn Finanzminister als auch den Herrn Bundeskanzler –, oder Sie arbeiten ganz be­wusst und immer wieder mit sehr einseitigen Darstellungen. Ich hätte mir mehr Wirt­schaftskompetenz von Ihnen erwartet.

Populistische Botschaften, die nur dazu dienen, die eigenen Umfragewerte zu schönen, sind mir definitiv zu wenig. Ich glaube, diese Form von Taktieren lässt unser Zustand jetzt aufgrund dieser Krise in Wahrheit auch gar nicht zu. Die Menschen können nichts für diese Krise, und sie haben sich auch eine ordentliche Hilfe verdient. Daher: Hören wir auf mit dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, kurzsichtigen Europapolitik, und stär­ken wir die jetzt noch stärker geschwächten Länder und damit in weiterer Folge auch den gesamten europäischen Raum!

Ich appelliere daher zu guter Letzt an Sie, Ihre Position nochmals zu überdenken – im Sinne eines geeinten Europas und im Sinne eines starken Europas. Ich glaube, der Satz „Geiz ist geil“ ist da der falsche Ansatz. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile es ihm.


16.15.44

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! Aufgrund der ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Covid-Pandemie ist klar, dass einige Prognosen und vorgesehene Maßnahmen nicht mehr aktuell sind, da­her möchte ich einige Punkte des Berichts herausnehmen, die weiterhin aktuell und wich­tig sind.

Positiv ist die gemeinsame, auch vom Finanzministerium unterstützte Initiative zu einer Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Viele EU-Mitgliedstaaten haben derzeit nationale Lösungen – in Österreich ist es die sogenannte Digitalsteuer. Nationale Lösungen sind in diesem Bereich aber äußerst suboptimal, wenig zielführend, da gerade im Bereich der digitalen Wirtschaft ein Ausweichen in Länder mit günstigeren Steuerbedingungen sehr leicht möglich ist.

Angestrebt wird mit einer Zweisäulenstrategie eine gemeinsame Lösung auf OECD-Ebene – das ist sehr zu begrüßen –: Säule eins befasst sich mit einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten, die zweite Säule mit einer weltweiten Mindestbesteuerung. Beide Säulen stellen aus meiner Sicht einen wichtigen Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit dar und berücksichtigen dabei auch die wirtschaftliche und steuerliche Realität des 21. Jahrhunderts.


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Ebenso positiv sehen wir Grünen auch die Einführung einer gemeinsamen Körperschaft­steuerbemessungsgrundlage als wesentliches Element in der Bekämpfung der Steuer­umgehung und Steuervermeidung. Wir halten auch Österreichs Bemühungen, sich da konstruktiv einzubringen, für sehr wichtig.

Insgesamt macht die neue europäische Wachstumsstrategie, der schon zitierte New Green Deal, Hoffnung, dass auf die dringendste Herausforderung unserer Zeit, die Erd­erwärmung, endlich angemessen reagiert wird. Im Mittelpunkt steht dabei das erste europäische Klimagesetz, das Klimaneutralität bis 2050 zum verbindlichen Ziel macht. Der europäische Green Deal sieht Maßnahmen überall in unserer Wirtschaft vor: von einer Renovierungswelle, die letztlich auch regionalen Betrieben zugutekommen wird über einen massiven Ausbau erneuerbarer Energie, eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität bis hin zu einem neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft und einem neuen Umgang mit unseren Ressourcen.

Vor wenigen Tagen wurde als Antwort auf den alarmierenden Verlust an Biodiversität und gesunden Ökosystemen die EU-Biodiversitätsstrategie und die Farm-to-Fork-Strate­gie, also die Strategie vom Hof zum Tisch – oder zur Gabel, wie man will –, die die ge­samte Lebensmittelkette vom Saatgut bis zum Endverbraucher mitberücksichtigt, prä­sentiert. Diese schließt zum Beispiel das Vorhaben ein, den Pestizideinsatz um die Hälf­te zu reduzieren – das wäre ein toller Schritt.

Die EU-Kommission hat da also durchaus ambitionierte Ziele, mutig, entschlossen an die Herausforderungen unserer Zeit heranzugehen und einen Übergang zu einem ge­rechteren, klimaneutralen und digitalen Europa zu gestalten. Österreichs Beitrag sollte da offensiv sein, denn gerade der New Deal bietet für unser Land viele Chancen. – Dan­ke. (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP.)

16.19


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Wolf­gang Beer. Ich erteile es ihm und begrüße Herrn Staatssekretär Brunner recht herzlich bei uns. (Allgemeiner Beifall.)


16.20.24

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte BundesrätInnen! Wir reden heute wieder einmal über eine Vorschau, die absolut nichts mehr mit der Realität zu tun hat, weil sie ganz einfach nicht angepasst wurde. Wir haben dabei also dasselbe Problem wie bei unserem Staatshaushalt, und es sind in dieser Vorschau nicht einmal konkrete Maßnahmen festgeschrieben, an denen erkennbar wäre, wie wir eine Krise dieses Ausmaßes wirklich bewältigen sollen. Wir finden also darin nichts, nicht einmal einen Buchstaben, über unsere Gemeindefinanzen – und den Gemeinden geht es wirklich sehr schlecht.

Vielleicht nur als kleiner Exkurs, weil von der ÖVP auch immer gesagt wird, wir haben dieses Problem überhaupt nicht, denn die Menschen können sich eh Kredite aufnehmen: Einen Kredit muss man zurückzahlen – das weiß jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehme­rin –; und wenn ich kein Einkommen habe, dann habe ich auch keine Möglichkeit, einen Kredit zu bekommen – es kriegen nicht einmal die Unternehmen einen Kredit.

Was diese Wir-haben-so-viele-Milliarden-ausgegeben-Saga betrifft: In Wirklichkeit sind das Sicherstellungen, es ist noch überhaupt kein Geld geflossen; und infolge dieser Ba­sel-Vereinbarungen kriegen die Leute auch gar keine Kredite, weder Unternehmen noch Privatpersonen, da kann der Staat Sicherstellungen geben, soviel er will. Nachdem wir die Banken einmal gerettet haben, machen wir es jetzt also so, dass die Banken kein Geld hergeben und keinen Beitrag zur Bewältigung der derzeitigen Situation leisten – in Wirklichkeit verdienen sie, wenn die Leute Kredite zurückzahlen können.

Was haben wir jetzt für unsere Gemeinden getan? – Nichts haben wir getan.


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Vielleicht ein weiterer kleiner Exkurs: Wer kein Einkommen hat oder keine Gewinne macht, der muss auch keine Steuern zahlen. Das bedeutet aber auch, dass die Steuer­quote bei uns wahnsinnig sinkt, dass wir also in Wirklichkeit gar kein Geld für einen Aufbau haben werden. Ich will nicht sagen, dass diese Problematik unlösbar ist, aber mit diesen Maßnahmen, die da gesetzt werden, haben wir keine Möglichkeit, unser Land wirtschaftlich wieder aufzubauen. Wir sind jetzt froh, dass wir gesundheitlich halbwegs über die Runden gekommen sind – wobei wir das noch nicht ausgestanden haben –, aber wir haben die Möglichkeit, wirtschaftlich zu agieren, anstatt zum Beispiel, wie es heute am Vormittag schon der Fall war, zu beweinen, dass wir hier einem Gesetz nicht zustimmen und was wir da eigentlich machen wollen.

Erstens einmal hat der Gesundheitsminister die Möglichkeit, mittels einer Verordnung alles zu regeln. Ich habe heute Anrufe – so viele habe ich überhaupt noch nie gekriegt – von Unternehmern gekriegt, die mir gesagt haben, sie haben Angst, und die mich gefragt haben, wieso dieses Gesetz verhindert wird. – Spielt nicht immer so falsch, sondern macht das, was notwendig ist! Sagt nicht: Der eine hat Schuld! – Danach fragt keiner mehr, wenn er kein Geld mehr hat und wenn er sich nichts leisten kann, wenn er keinen Urlaub mehr hat, den man ihm auch weggenommen hat. Es fragt keiner mehr danach: Haben die das jetzt verhindert oder haben sie es nicht verhindert?

Bitte tut etwas! Ihr macht ganz einfach nichts. Ihr macht die falschen Sachen! Wenn einer jetzt einen Schaumwein trinkt, na was hat er denn davon? Sollen wir jetzt hier dann lauter Coronapartys feiern, sollen wir hier dann Bundesratssitzungen mit Sekt oder Schaum­wein ausstatten, damit in der Wirtschaft ein bisschen Geld hereinkommt? Was machen wir? (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Schau, es würde ihm sogar gefallen. (Weiterer Zwi­schenruf bei der FPÖ.) – Ja, der Zweite schon, dem es gefällt. (Ruf bei der FPÖ: Man bringe den Schaumwein! – Heiterkeit.) Ich meine, vielleicht kommen dann ein bisschen gescheitere Sachen auch noch heraus. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Schaumwein ist Schaumwein, und diese ganzen Abgaben sind ja eigentlich für unsere Gastronomie, oder habe ich das falsch verstanden? Ihr habt uns erklärt, dass das für unsere Gastronomie ist – und darum ist es wurscht, ob es ein österreichischer oder ein italienischer Schaumwein ist, denn die Abgaben sind im Inland abzuführen. Nicht einmal das - - Sonja! (Bundesrätin Zwazl: Entschuldige, von was redest du jetzt? Das ist doch der Wettbewerb! Unsere Sektkellereien müssen ja auch leben!) – Das habe ich ja vorher gerade gesagt. Pass ein bisserl auf! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Ich pass eh auf!) Dann musst du ein bisschen hinten nachrennen.

Ich habe gesagt, das kommt den Gastronomen nicht wirklich zugute (neuerlicher Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl); aber alles, was man nicht hören will, das hört man ganz einfach nicht, da schließt man die Ohren zu. (Bundesrat Bader: Den Eindruck hab’ ich!) Ja, das ist der erste Weg zur Selbsterkenntnis. Ich bedanke mich bei euch.

Wir haben auch die Problematik, dass wir für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und wurscht, welche Oppositionsparteien es waren, die das jetzt schon gefordert ha­ben – eine Anhebung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent brauchen. Nur zum Nachrechnen, denn manchmal habt ihr es ja mit den Zahlen (Ruf bei der FPÖ: Mit den Nullen!): Das sind 15 Prozent mehr – für einen Arbeitnehmer, den das weiterbringt, dem das hilft! Tausende Anträge haben wir eingebracht – ihr habt nichts gemacht. Die einzige Hoffnung, die mir noch bleibt, ist, dass euch im Traum der Messias erscheint (Bundesrat Steiner: Den Messias haben sie ja schon!) und sagt: Wir heben von 55 auf 70 Prozent an!; dann kriegen wir es vielleicht. (Bundesrat Steiner: Der Sebastian, der Messias ist ja schon da, lebensgroß!) Ansonsten haben wir gar keine Möglichkeit mehr, dass wir irgendwie wirklich helfen.

Was mich aber wirklich sehr berührt, das sind unsere Gemeinden, und daher bringe ich, bringt meine Partei jetzt folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert dem Nationalrat und dem Bundesrat ehestmöglich, spätestens bis 30. Juni 2020, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Er­tragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zu­sätzlich ein Konjunkturpaket für Gemeinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankur­belung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, für welches die Gemeinden die Mittel bis 30.8.2020 direkt vom Bund ausgezahlt erhalten, damit die vollständige Aufrechterhal­tung der Gemeindeleistungen für die Österreicherinnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

*****

Und jetzt sagt mir, dass ihr nicht dafür seid! (Beifall bei der SPÖ.)

16.28

16.28.47


Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherung der Gemeinde­finanzen in der Krise“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Entschließungsantrag ist somit angenommen. (299/E-BR/2020)

16.30.047. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Biozidproduktegesetz geändert wird (113 d.B. und 161 d.B. sowie 10343/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


16.30.30

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen! Ich darf den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des National­rates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Biozidproduktegesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen. (Vizepräsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 134

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


16.31.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Kernpunkt der vorlie­genden Novelle zum Biozidproduktegesetz ist die Möglichkeit, die Zulassung bestimmter Produkte in Abweichung zu den Zulassungsbestimmungen anderer Länder in der Euro­päischen Union an weitere Bedingungen zu knüpfen, also wenn dies für den Schutz der Umwelt, der Gesundheit von Menschen und Tieren oder Pflanzen als gegeben erscheint. Der wichtigste Punkt: Die Basis für diese Änderung bildet die europäische Biozidpro­dukteverordnung, genau genommen der Artikel 37. Diese europäische Verordnung ist ja überhaupt die Maßgabe für all die nationalen Bestimmungen in der EU: Sie regelt die Zulassung von Bioziden, die einem umfangreichen und strengen Verfahren unterliegt, dabei geht es um einzelstaatliche Zulassungen, um zwischenstaatliche Zulassungen und um europaweite Zulassungen, auch das ist möglich.

Für die nationale Umsetzung selbst, für diese zusätzlichen Möglichkeiten, das Risiko zu reduzieren, ist es erforderlich, Leitlinien zu erlassen oder gegebenenfalls auch Verord­nungen. Ehrlich gesagt, ich finde es eh erstaunlich, dass das nicht früher schon veran­kert wurde, denn die EU-Richtlinie ist schon einige Jahre alt.

Diese Möglichkeit der Setzung von Schutzmaßnahmen ist jedenfalls zu begrüßen. Es ist ja so, dass mit dem Einsatz von Bioziden, der ja grundsätzlich überhaupt nur erfolgen soll, wenn es sein muss und dann möglichst sparsam, immer Risiken verbunden sind, keine Frage.

Es gibt dann noch ein paar andere Punkte in der Novelle, ein paar andere Anpassungen wie die Valorisierung von Gebühren, Anpassungen zum Datenschutz und solche Dinge.

Ein paar Worte noch: Was sind Biozide eigentlich? Das zu wissen ist vielleicht gar nicht so selbstverständlich. – Biozide sind nicht mit Pflanzenschutzmitteln wie zum Beispiel dem viel diskutierten Glyphosat, das natürlich längst vom Markt genommen gehört, zu verwechseln. Dazu eine kurze Nebenbemerkung, da ja gestern darüber berichtet worden ist: Es gibt eine erschreckende Zunahme des Ausmaßes der Nutzung von Pestiziden, also vor allem von Pflanzenschutzmitteln in Österreich, nämlich sage und schreibe plus 94 Prozent seit 2011. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Also da ist die Landwirt­schaftspolitik schon gefordert, massiv gegenzusteuern.

Biozide hingegen kommen im nichtlandwirtschaftlichen Bereich zum Einsatz, und zwar zum Schutz von Menschen, Materialien und Objekten. Die Wirkungsweise ist unter­schiedlich, sie kann chemisch sein, sie kann biologisch sein. Es gibt ziemlich viele davon, das sieht man, wenn man einen Blick in das Österreichische Biozidprodukte-Verzeichnis wirft – das ist öffentlich –; darin sind unzählige Produkte gelistet, gegliedert in 22 Pro­duktarten.

Ein paar Beispiele, was da drinnen steht, damit man sich darunter etwas vorstellen kann: Es gibt zum Beispiel fünf Gruppen von Desinfektionsmitteln – die ja gerade jetzt und seit einigen Monaten wieder besonders aktuell sind –, wie etwa für Menschen, gegen Algen, im Futtermittelbereich oder das Wasser betreffend. Gelistet sind darin außerdem Be­reiche wie zum Beispiel Holzschutzmittel, Schutzmittel für Leder, Schutzmittel für Bau­materialien. Es sind dann sogenannte Rodentizide mit über 300 Produkten – da war ich


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auch sehr erstaunt – verankert, das sind Biozide zur Bekämpfung von Nagetieren wie Ratten oder Mäusen. Beruhigenderweise sind in Österreich Biozide zur Bekämpfung von Vögeln, Fischen und sonstigen Wirbeltieren verboten. Das vermittelt schon ein bisschen einen Eindruck, wie wichtig es ist, bei solchen Produkten sehr klare und strenge Rege­lungen zu haben.

Man kann also im gewissen Sinne sagen, die vorliegende Gesetzesänderung bringt De­tailanpassungen, stimmt, allerdings sind es wichtige Detailanpassungen, um den Schutz zu erhöhen. Es wird mit Sicherheit nicht die letzte Gesetzesnovelle zur Verbes­serung des Schutzes von Mensch und Natur sein, die aus unserem Ministerium kommt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.36


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


16.36.10

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Änderung des Biozidproduktegesetzes darf ich hier den Begriff Biozide kurz erklären, weil gerade im zuständigen Umweltausschuss die Biozidprodukte mit Pflanzenschutz­mitteln gleichgestellt wurden.

Im Wort Pflanzenschutzmittel steckt schon die Begrifflichkeit drin: Das sind chemische Stoffe, die zum Schutz der Pflanzen, wie zum Beispiel bei Pflanzenkrankheiten, in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Biozide sind Chemikalien aber auch Mikroorganismen, die im nichtagrarischen Bereich verwendet werden. Sie werden beispielsweise zur Bekämpfung von Schädlingen wie Nagetieren eingesetzt, im Besonderen in der Lagerhaltung, als Holzschutzmittel, aber auch als Desinfektionsmittel in der Medizin und darüber hinaus. Wir verwenden sie ganz aktuell tagtäglich einige Male zum Schutz vor der Übertragung von Krankheitserregern.

Kurz zusammengefasst: Pflanzenschutzmittel dienen dem Schutz der Pflanzen und Bio­zide schützen im weiteren Sinne Produkte und die Gesundheit des Menschen.

Die Anwendung beider erfordert aber ein Mindestmaß an Wissen und Sachkunde, näm­lich darüber, wann, wo und wie diese eingesetzt werden können und dürfen, aber auch darüber, wann eine Anwendung vermieden werden kann, damit Gefahren durch die An­wendung für Mensch und Tier ausgeschlossen werden können.

Wann besteht jetzt eine Notwendigkeit des Einsatzes von Biozidprodukten? – Ich nenne dazu einige Beispiele: im Besonderen im Bereich der Lebensmittellagerung und ‑verar­beitung, denn dort ist die Gefahr der Ausbreitung von Schädlingen, Keimen und Toxinen sehr groß. Die Lebensmittel sind dann ungenießbar, für den Menschen gefährlich, dürfen somit nicht mehr in den Verkehr gebracht werden und müssen vernichtet werden.

Ein weiteres ganz aktuelles Beispiel: Ebenso notwendig sind die Desinfektionsmittel. Diese spielen in der medizinischen Versorgung eine lebenswichtige Rolle und dürfen in der Vorsorge mittlerweile in keinem Haushalt und in öffentlichen Räumen mehr fehlen und sind auch in der täglichen Anwendung nicht mehr wegzudenken.

Nun zur inhaltlichen Änderung des Biozidproduktegesetzes, da möchte ich einige Maß­nahmen herausgreifen:

Vorgesehen ist die Etablierung von Risikominderungsmaßnahmen in Form einer Grund­lage für die Leitlinien zur sachgemäßen Anwendung und einer Verordnungsermächti­gung für bestimmte Produktarten, in der die Sachkunde des Händlers und des Anwen­ders durch ein sogenanntes Bescheinigungssystem geregelt werden kann.


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Beim Inverkehrbringen und Anwenden von Pflanzenschutzmitteln ist ein Nachweis der Sachkunde, ein sogenannter Sachkundenachweis, bereits erforderlich. Dieser Nachweis erfordert einschlägige Kurse und Schulungen, in denen die Sachkunde erworben werden kann. Wichtig ist aus meiner Sicht, zu betonen, dass für Händler und Landwirte, die be­reits über die Sachkunde, den Nachweis und den Ausweis hinsichtlich Pflanzenschutz­mittel verfügen, die Schulungsinhalte so angepasst werden, dass eine übergreifende Anerkennung der Sachkunde auch für Biozidprodukte möglich ist und keine zusätzlichen Kosten für diese entstehen.

Weiters soll es eine jährliche Valorisierung der Gebühren für die Bewertungen und Zulassungen geben, um auch in Zukunft eine effiziente und fachlich kompetente Bear­beitung von Anträgen zu garantieren.

Weiters sind auch eine Aktualisierung der Datenschutzbestimmungen und eine Anpas­sung der Bezeichnung der zuständigen Bundesministerien notwendig.

Zusammenfassend gesehen ist die Novellierung des Biozidproduktegesetzes ein wich­tiger Schritt zur Entbürokratisierung, zum Erhalt der Kostenwahrheit durch die Gebühren­anpassung und sie soll Erleichterungen hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennungen bringen.

Abschließend ist mir wichtig zu sagen: Biozidprodukte sollen so wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig eingesetzt werden können. Das Abwägen der Notwendigkeit erfor­dert aber die Sachkunde des Anwenders – und das zum Wohl und Schutz des Men­schen. Das sollte dabei im Vordergrund stehen. Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.41


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


16.41.13

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Steiner schaut schon, weil ich so ein Packerl mithabe. (Der Redner hält einen kleinen Stapel Schriftstücke in die Höhe. – Bun­desrat Steiner: Ich habe mir gedacht, das ist eine Zeitung, die du vorlesen willst!) Ich glaube, dass Dipl.-Ing. Dr. Gross und Johanna Miesenberger schon sehr viel über die­ses Gesetz gesagt haben.

Vielleicht noch ein paar Punkte dazu: Es ist auch schon gesagt worden, dass diese Biozidprodukte aus unserem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. „Ähnlich wie Pflanzenschutzmittel,“ – diese Verwechslung findet ja öfter statt, und das war ja bei uns im Umweltausschuss auch der Fall – „die dem Schutz von Pflanzen oder Pflanzen­produkten dienen, kommen im nicht-landwirtschaftlichen Bereich Biozidprodukte zum Schutz von Menschen, Materialien oder Objekten zum Einsatz. Sie wirken auf chemi­schem oder biologischem Weg“ und dienen der Bekämpfung von Schadorganismen. Sie schützen diverse Materialien wie das Holz. – Deswegen habe ich jetzt noch einmal ver­sucht, das weiterzubringen.

Wir wissen vom Schadholz, was da in den letzten zwei Jahren durch den Käfer passiert ist, und wie wichtig es ist, das zu bekämpfen, damit nicht der ganze Wald befallen wird.

Wir wissen natürlich auch durch die Covid-19-Pandemie – daher in diesem Bereich be­sonders aktuell – um die Wichtigkeit der Desinfektion der Oberflächen und um alles, was dazugehört. – Das zur Einbegleitung.

Ich wäre ein schlechter Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde und Umweltaus­schussvorsitzender, wenn ich nicht drei, vier Worte zum Thema Glyphosat verlieren könnte oder sollte: Das ist ein Unkrautvernichtungsmittel, meist gespritzt; die weltweite


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Verwendung ist steigend. Das muss man einmal ganz klar und deutlich dazusagen. Ich möchte nur kurz zur Historie dieses Totalverbots von Glyphosat etwas sagen, damit man sich das wieder ein bisschen in Erinnerung ruft. Wir haben in Kärnten, von unserem Landeshauptmann im Bereich der Landesregierung, im Bereich der Gemeinden, im öf­fentlichen Bereich, in der Straßenverwaltung und so weiter schon dieses Verbot, und das ist auch von der EU so anerkannt worden.

Von uns selbst, gemeinsam eigentlich mit der ÖVP, also vom Nationalrat wurde im Ju­li 2019 ein Beschluss zu einem Totalverbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutz­mitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat gefasst, unter der Bedingung, dass im Rahmen der Notifizierung kein Einspruch der EU-Kommission erfolgt.

Das hat die ÖVP zwar mit sehr einschränkenden Vorbehalten gemacht, aber wie auch immer, die Notifizierung wäre im August 2019 bis November 2019 gestartet, als bekann­terweise das Ibizajahr stattgefunden hat. Im zweiten Halbjahr ist die Verweigerung der Kundmachung des Nationalratsbeschlusses durch Bundeskanzlerin Bierlein erfolgt. Die Argumentation war: Der Gesetzestext hätte vor Beschluss des Nationalrates notifiziert werden müssen.

Dann ist noch einmal am 11.12.2019 mit den Grünen – das muss man auch dazusagen und betonen – gegen die Stimmen der ÖVP ein Beschluss gefasst worden. Von der SPÖ wurde damals ein Entschließungsantrag eingebracht, in dem man versucht hat, auf diese Situation hinzuweisen, wo denn überall Glyphosat zu finden ist.

Wir wissen, dass das, wenn es ausgebracht wird, logischerweise im Boden, in Lebens­mitteln ist und teilweise auf den Esstisch kommt. Es ist in unserem Körper, drei von zehn Österreicherinnen und Österreicher haben Glyphosat im Urin. Sogar in der Muttermilch wurde es nachgewiesen. Es ist höchstwahrscheinlich – ich betone: höchstwahrschein­lich! – „krebserregend“ – unter Anführungszeichen –; sogar die WHO mahnt schlussend­lich dahin gehend.

Warum sage ich das jetzt noch einmal? – Am 16.3. hat Bundesministerin Gewessler, die im Nationalrat als Abgeordnete noch für diesen Entschließungsantrag gestimmt hat, die Anfrage von Julia Herr betreffend eine falsche Rechtsauskunft so beantwortet, dass durch die BMG-Novelle 2020 die gestellten Fragen nicht mehr in die Zuständigkeit ihres Bundesministeriums fallen. Also dadurch, dass sich das Bundesministerium geändert hat, ist das jetzt hin- und hergewandert; sie hat rechtlich im Grunde genommen recht, dass die Zuständigkeit jetzt bei Frau Bundesministerin Köstinger liegt.

Wir haben uns dann gefragt: Ist das eigentlich im Regierungsprogramm verankert, wenn die Grünen da so stark aufgetreten sind? Es ist mit keinem Wort im Regierungspro­gramm verankert. Als Nationalrätin hat es die Frau Bundesministerin mitbeschlossen und im Regierungsprogramm wurde das wahrscheinlich wegverhandelt – wie auch immer.

Jetzt komme ich zum Schluss: Am 20.3. nimmt die zuständige Bundesministerin Köstin­ger ihre Verantwortung in der Beantwortung einer Anfrage unserer Nationalrätin Ecker betreffend „Einführung eines nationalen Glyphosatverbots“ nicht wahr.

Also wir sind von einem zum anderen geschickt worden, und dann wird das wieder zu­rückgeschickt, und die Notifizierung hat noch immer nicht stattgefunden. Wie auch im­mer, es ist Tatsache. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass der Nationalratspräsident jetzt eine Notifizierung vorgenommen hat, aber bestätigt hat uns das noch niemand.

Ich habe auch etwas herausgesucht, so wie (in Richtung Bundesrat Steiner) der Kollege aus den Bergen das gesagt hat. (Bundesrat Steiner: Die Berge sind wunderschön ...!) – Ja, die Berge sind wunderschön. – EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat für ihren Bereich auch gesagt, dass man die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten will, etwa durch Förderung grüner Produktionsmechanismen und Methoden und durch die Redu­zierung von Pestiziden. Also das ist verankert.


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Wie auch immer, ich denke und ich hoffe, dass es jetzt schlussendlich doch zu einem Verbot von Glyphosat kommen wird, oder es setzen sich wirklich durch Lobbyismus die Großgrundbesitzer in Österreich durch, was bis jetzt der Fall war. Ich denke dabei an die kleinen Biobauern, die sehr viel investieren und solche Mittel nicht verwenden, damit sie gute Produkte auf den Tisch bringen. Denen kann man im Grunde genommen nur gra­tulieren.

Ich möchte aber zum Abschluss noch zwei Sätze sagen, als Kollege von unserem Dr. Leit­ner. Wir, Ingo Appé und ich, haben mit ihm doch viele, viele Stunden im Auto verbracht, ihr wisst ja, wir fahren an die vier Stunden bis hierher und auch wieder zurück. Wir haben ihn als wirklichen Freund kennengelernt und als gscheiten, intelligenten Burschen, der auch witzig war.

Wir verlieren ihn nicht nur hier im Bundesrat – er ist übrigens immer zu 100 Prozent hinter diesem Bundesrat gestanden und hat ihn in der Öffentlichkeit auch verteidigt, und er ist sehr zornig geworden, wenn etwas Negatives darüber gesagt worden ist –, das war die eine Seite, die andere Seite ist: Wir haben einen Freund verloren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.)

16.49


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


16.49.17

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kollegen! Geschätzte Zuhörer vor den Bildschirmen! Wir ha­ben hier ja schon einiges gehört und einige inhaltliche Änderungen vorgetragen bekom­men, was die Novelle dieses Biozidproduktegesetzes anbelangt, auch hinsichtlich der Evaluierung in Bezug auf die Wirksamkeit der diesbezüglichen EU-Verordnung, wo sie Anwendung finden sollte.

Wesentlich für uns sind dabei zwei Punkte, die die Anwender betreffen, egal, ob es ge­werbliche, industrielle sind oder ob es im Privatbereich ist: Das ist erstens natürlich der Schutz für die Menschen im Umgang mit den Produkten, dass dem Schutz auch höchste Priorität eingeräumt wird, und zweitens dass diesem natürlich eben durch die Etablierung von entsprechenden Maßnahmen in Form von Leitlinien beziehungsweise auch der Ver­ordnungsermächtigung sowie dem Schulungsangebot entsprochen wird.

Was aber unserer Meinung auch wichtig ist – da möchten wir den Ausführungen in den Beilagen einmal Glauben schenken, weil es nachvollziehbar wäre –, ist, dass hinsichtlich der Implementierung dieser Maßnahmen die Schulungen weder finanzielle und vor allem auch keine zeitlichen Mehraufwände für das Verkaufspersonal im Handel, aber natürlich auch für die in der Landwirtschaft Tätigen bringen sollten, da diese Schulungsinhalte eben auch im Zuge der Pflanzenschutzmittelsachkunde miterworben werden sollten.

Unter dem Begriff der Biozidprodukte können sich wahrscheinlich viele Menschen eher wenig vorstellen. Natürlich wird in Zeiten von Corona – wenn man weiß, dass unter an­derem auch die Desinfektionsmittel in diese Kategorie fallen – jedem bewusst, dass wir sie derzeit auch mehrmals täglich im Gebrauch haben und mit solchen Produkten in Berührung kommen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an dich, geschätzter Herr Staatssekretär, appellieren, dass man da in der Bundesregierung bedenkt, auch in Zukunft hinsichtlich der Desinfektionsmittelproduktion schon den Fokus wieder stärker auf eine Herstellung in Österreich zu lenken, denn wir haben gerade in Zeiten von Corona gesehen, was in der europäischen Familie passiert, wenn die medizinischen Hilfsgüter überall gleicher­maßen benötigt werden, und diese dann auf einmal an der Grenze angehalten und über Wochen zurückgehalten werden.


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Da war dann auf einmal unser freiheitlicher Zugang für viele auch nicht mehr so befremd­lich – wir sagen ja immer wieder, dass viele Dinge einfach auf nationalstaatlicher Ebene geregelt werden sollen –, denn plötzlich hat sich auch das Ministerium dazu veranlasst gesehen, nationale Ausnahmezulassungen für Biozidprodukte zu erteilen, um nicht in einen noch größeren Engpass bei den Desinfektionsmitteln zu schlittern. Daher sollte man diesen Dingen in Zukunft auch vorbeugen und, wie gesagt, die Herstellung in Öster­reich forcieren.

Wie gesagt, was die Änderung dieses Biozidproduktegesetzes anbelangt, werden wir diesem die Zustimmung geben, zumal die Inhalte für uns nachvollziehbar sind. (Beifall bei der FPÖ.)

16.52


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Herr Staatssekretär, ich erteile Ihnen das Wort.


16.52.53

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte eigentlich nicht zu lange auf die Details eingehen, weil die Inhalte von den Vertretern des Bundesrates hier schon sehr gut dargestellt worden sind. Ich möchte aber die Gelegenheit wahrnehmen, auch mein herzliches Beileid zum Tod des Kollegen Dr. Leitner auszudrücken, der wirklich ein sehr angenehmer Kollege war, also Ihnen allen im Bundesrat, aber vor allem der sozialdemo­kratischen Fraktion. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann nicken.)

Wichtig war, glaube ich – das habe ich auch im Ausschuss mitbekommen –, die Diskus­sion über den Unterschied zwischen Bioziden und Pflanzenschutzmitteln. Das ist ein interessantes Thema. Ich glaube, auf diese Unterscheidung muss man Wert legen und darauf muss man in der inhaltlichen Diskussion immer auch hinweisen.

Ich werde jetzt zu den Inhalten nicht viel sagen. Zum Beitrag des Kollegen (in Richtung Bundesrat Ofner) aber vielleicht ganz kurz: Ja, das ist natürlich eine wirklich wichtige Erkenntnis aus dieser Krise, dass wir in der Herstellung – nicht nur bei Desinfektionsmit­teln, sondern auch bei vielen anderen Dingen – auch viel mehr und vermehrt auf die Herstellung in Europa und in Österreich Wert legen müssen; das ist überhaupt keine Frage.

Ich glaube, Bundesministerin Schramböck hat in den letzten Monaten auch Initiativen gesetzt, das geht hin bis zur Penicillinproduktion und auch in viele Bereiche mehr. Das ist also ein sehr wichtiger Punkt. Das nehme ich auch gerne auf, dahin gehend werden unsere Bemühungen im nächsten Monat noch verstärkt werden.

Insgesamt glaube ich, diese Anpassungen im Biozidproduktegesetz sind für die Ge­sundheit, für den Schutz von Menschen und Natur sehr wichtig. Ich bedanke mich für die doch zustimmende Diskussion und die hoffentlich nun im Anschluss stattfindende einhellige Annahme. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrä­tInnen von SPÖ und FPÖ.)

16.54


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Wie ich gesehen habe, wünscht Kollege Preineder noch das Wort. – Bitte. (Bundesrat Preineder – auf dem Weg zum Rednerpult –: Eine tatsächliche Berichtigung!)



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 140

16.55.14

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Ich möchte eine tatsächliche Be­richtigung machen.

Kollege Novak hat sich in der Diskussion um Biozide auf ein Pflanzenschutzmittel be­zogen. Er hat gesagt, in Kärnten gäbe es ein Totalverbot von Glyphosat. (Bundesrätin Grimling: Hat er nicht gesagt!) – Unter total verstehe ich etwas anderes. Es gibt in Kärn­ten ein Verbot für private Haushalte und im öffentlichen Bereich, jedoch nicht für die Landwirtschaft, weil Glyphosat in Österreich in der Landwirtschaft auch nicht auf Lebens­mitteln eingesetzt wird und es daher auch keine Rückstände geben kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.55


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer weiteren tatsächlichen Be­richtigung hat sich Herr Bundesrat Novak zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.56.00

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Kollege Preineder, das habe ich nicht gesagt. – Ich habe gesagt, dass wir in Kärnten die Ersten waren, die darauf verzichtet haben, und ich habe gesagt, dass es im öffentlichen Bereich ist und heute noch so ist, und dass wir die Zustimmung der EU dafür bekommen haben. Nicht im privaten Bereich, sondern im Land, bei der Straßenverwaltung und bei den Gemeinden ist es verboten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

16.56

16.56.27


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Dann frage ich noch einmal: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.56.578. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren durch ionisierende Strahlung (Strahlen­schutzgesetz 2020 – StrSchG 2020) (114 d.B. und 162 d.B. sowie 10344/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht. (Bun­desrat Schreuder – Beifall spendend auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich möchte mich einmal kurz fürs regelmäßige Desinfizieren bedanken!)


16.57.20

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren durch ionisierende Strahlung, Strahlenschutzgesetz 2020.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 141

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


16.58.34

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Man kann es nicht oft ge­nug betonen (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“, „Existenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult stellend – Bundesrat Steiner: Was Neues?! – Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Haben wir schon gehabt!): „Exis­tenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“, an die Arbeit jetzt! – Das ist die Botschaft, die ich Ihnen heute aus dem Burgenland mitgebracht habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der letzten Euratom-Richtlinie betreffend Anpassungen im Strahlenschutz bringt eine Neufassung des Strahlenschutzgesetzes. Die Stammfassung datiert aus dem Jahr 1969 und wurde oftmals novelliert. Durch diese Neufassung wird auch eine bessere Lesbarkeit und Über­sichtlichkeit hergestellt. – So weit, so gut.

Österreich hat vor über 40 Jahren mit einem Nein zur Atomenergie einen klaren und richtigen Weg eingeschlagen. Diesen klaren Weg sollten wir auch beim Strahlenschutz und im Umgang mit den radioaktiven Abfällen gehen. Die Umsetzung der Euratom-Richt­linie bringt sicherlich auch einige positive Aspekte mit sich; Schutzbestimmungen bei Tätigkeiten in Radonschutzgebieten werden festgelegt und Tätigkeiten mit natürlich vor­kommenden radioaktiven Materialien werden besser geregelt.

Ich möchte an dieser Stelle aber deponieren, dass aus unserer Sicht nach wie vor die konkrete Beantwortung der Frage nach der Endlagerung von radioaktiven Abfällen fehlt. Gleichzeitig fehlt offenbar auch der Plan, wie und wo so ein Lager entstehen soll. Die zuständige Ministerin hat angekündigt, dazu im Herbst eine Arbeitsgruppe zu instal­lieren. Es ist zu hoffen, dass da nun auch wirklich etwas weitergeht, denn die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe wurde bereits von deren Vorvorgängerin Elisabeth Köstinger im September 2018 angekündigt.

Das neue Gesetz hinterlässt einen schalen Beigeschmack, gerade bei mir als Landes­frauengeschäftsführerin. Die Neufassung des Strahlenschutzgesetzes wird offenbar auch dazu genutzt, das Schutzniveau bei Schwangeren und Jugendlichen abzusenken. Sie alle werden mir sicher nicht widersprechen, dass es schutzbedürftige Gruppen gibt, und dazu gehören eben schwangere Frauen und Jugendliche. Bis dato war es nämlich ausgeschlossen, dass schwangere Frauen in diesem Bereich weiter beschäftigt werden dürfen. Jugendliche durften bislang erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres in den sensiblen Bereichen eingesetzt werden. Dass man jetzt das Schutzniveau mit der Be­gründung, es bringt mehr Flexibilität, einfach senkt, halte ich für falsch.

Die SPÖ arbeitet seit Jahrzehnten daran, die Lebensbedingungen von Frauen zu ver­bessern. Derzeit geht es in die verkehrte Richtung, meine Damen und Herren! Das Rad wird von der selbsternannten Familienpartei, der ÖVP, zurückgedreht, die gleichstel­lungstechnisch aktuell offenbar alles auf den Stand der Fünfzigerjahre des vorigen Jahr­hunderts zurückbringen will. Da reicht ein Blick in das Regierungsprogramm oder man schaut sich die sogenannte Erhöhung des Frauenbudgets an. Diese deckt nämlich ge­rade einmal die Inflation ab.

Frauenthemen werden mit dieser Regierung offenbar zu Randthemen, und das ist abso­lut inakzeptabel. Ich stelle fest – leider –: Frauen und Familien haben in dieser Regierung offenbar keine Lobby. Das haben wir leider schon vielfach gesehen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 142

Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie auch unsere Forderung, schwangere Arbeitnehme­rinnen in die Risikogruppe aufzunehmen, abgelehnt haben. Gemeinsam mit den Ge­werkschafterInnen schlagen wir Alarm, dass die Coronakrise verheerende soziale Fol­gen hat. Frauen sind davon doppelt betroffen. Ich darf Sie auf die Kampagne der SPÖ‑Frauen Hashtag statt Applaus aufmerksam machen. Da stellen wir über die so­zialen Medien frauenpolitische Themen in den Vordergrund und weisen nachdrücklich auf die Rechte von Frauen hin. Alle Frauen in Österreich sind aufgefordert, ihre Forde­rungen an die Bundesregierung zu formulieren. Ich darf die Gelegenheit nutzen und gleich eine davon hier nochmals formulieren: Wir fordern die Erhöhung des Arbeitslosen­geldes auf 70 Prozent!

In der letzten Zeit wurden 13 Anträge zu frauenpolitisch relevanten Themen im Parla­ment eingebracht, die alle abgelehnt wurden. Seien Sie aber versichert, wir machen hier weiterhin Druck!

Lassen Sie mich abschließend auf das Minimierungsgebot des Strahlenschutzes zu­rückkommen. Dieses sollte bei den erwähnten Gruppen, Schwangeren und Jugendli­chen, dazu führen, dass sie nach Möglichkeit eben gar nicht erst durch Strahlung be­lastet werden. Es kann nämlich nicht sein, dass das Schutzniveau gerade bei den Schwangeren abgesenkt wird.

Versuchen Sie sich in die spezielle Situation einer schwangeren Frau zu versetzen, viel­leicht auch noch in die Situation einer Erstgebärenden. Man durchlebt da immer wieder Phasen der Unsicherheit, ob alles gut geht und ob das Kind auch wirklich gesund zur Welt kommt. Schwangere brauchen Schutz und sollten auch in Zukunft nicht im Strah­lenbereich arbeiten dürfen. Es bleibt noch einmal, an Ihre Empathie zu appellieren – mein Appell geht vor allem auch an die Grünen –, und Sie zu bitten, den Schutz der Gesundheit der werdenden Mutter und des Ungeborenen in den Fokus zu rücken, aber auch an die Gesundheit der Jugendlichen bei der Berufsausübung im Strahlenbereich zu denken.

Um nun sicherzustellen, dass die neuen Regelungen im Strahlenschutzbereich nicht zu einer echten Gefahr für die Betroffenen werden, sollen im Vorfeld des Inkrafttretens be­sondere Schutzvorkehrungen getroffen werden, und es braucht auf alle Fälle ein eng­maschiges Monitoring dieser Verschlechterung aus Sicht der ArbeitnehmerInnen.

Ich bringe deshalb folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz für Schwangere und Jugendliche vor Strahlenbelastung am Arbeitsplatz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, bereits vor Inkrafttreten des Strahlenschutzge­setzes 2020 mit 1. August 2020 dafür Sorge zu tragen, dass durch die Neuregelung für die Tätigkeit von Schwangeren und Jugendlichen im Überwachungs- und Kontrollbe­reich gem. oben genannten Gesetzes besondere Vorkehrungen zum Schutz dieser Gruppen getroffen werden. Die Neuregelung ist von Anbeginn an einem intensiven Moni­toring zu unterziehen und dem Nationalrat und dem Bundesrat ist binnen Jahresfrist ab Inkrafttreten ein Bericht zu übermitteln, der wesentliche Kennzahlen (z.B. über Anzahl und Dauer der Tätigkeit, spezielle Maßnahmen zur Schulung dieser Gruppen, gesund­heitliche Auswirkungen, etc.) über die Folgen dieser Neuregelung enthält.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 143

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schutz für Schwangere und Jugendliche vor Strahlenbelastung am Arbeitsplatz“ ist ord­nungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.‑Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.


17.05.34

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! So wie beim soeben diskutierten Biozidproduktegesetz ist auch beim Strahlen­schutz besonders klar, dass es konsequente Regelungen zum Schutz vor gefährlicher ionisierender Strahlung vulgo radioaktiver Strahlung braucht. Es gibt eigentlich gar nicht allzu viele Neuerungen in diesem Gesetz, es aber ist eine – das ist sehr wichtig und zu begrüßen – komplette Neufassung des Strahlenschutzgesetzes. Tatsächlich war das bis­herige Strahlenschutzgesetz beziehungsweise das noch gültige nicht mehr sehr über­sichtlich.

Die Grundlage dafür bildet wiederum eine Richtlinie auf europäischer Ebene, und zwar die Euratom-Richtlinie 59 aus 2013. Diese legt die Schutzstandards fest, die wiederum auf einer Empfehlung der Internationalen Strahlenschutzkommission basieren. Da geht es – das ist ja kurz erwähnt worden – um die Herstellung solcher radioaktiver Mate­rialien, um die Verarbeitung, Beseitigung, Lagerung und so weiter bis hin zu Notfallmaß­nahmen.

Der da einmal ausnahmsweise wünschenswerte Bezug auf Euratom ändert allerdings nichts daran, dass der Euratom-Vertrag insgesamt dringend überarbeitet gehört. So ist Euratom immer noch ein Instrument zum weiteren Ausbau der Atomkraft und zur Siche­rung der Privilegien der Atomkraft. Da wären viele Dinge zu ändern: eine klare Regelung über die Entsorgung und Lagerung von radioaktiven Abfällen, mehr Regelungen zum Strahlenschutz, Regelungen zur Sicherheit der Atomkraft, zum Rückbau von Atomkraft­werken, endlich einmal eine Fixierung von hinreichenden Rücklagen für die Abwrackung und Einführung einer Haftungspflicht. – Das wären so Dinge, die in den Euratom-Vertrag eigentlich hineingehörten; so weit ein kleiner Ausflug.

Eine wesentliche tatsächliche Neuerung im Strahlenschutzgesetz ist der Schutz vor ra­dioaktiven Radonstrahlungen. Radon kommt zwar natürlich in der Atmosphäre vor, auch im Boden, in der oberen Erdschicht, Erdkruste, allerdings kann Radon, wenn die Dosen entsprechend groß sind, Krebs auslösen – das ist erwiesen –; es kann dann vor allem zu Lungenkrebs führen. Wir haben in Österreich Gebiete, die davon besonders stark betroffen sind, das sind vor allem das Waldviertel und das Mühlviertel, da kommen er­höhte Konzentrationen vor. Das kann sich dann in Kellern von Gebäuden beispielsweise kumulieren.

Dieser Schutz soll wesentlich verbessert werden beziehungsweise wird er mit dem vor­liegenden Gesetzesbeschluss wesentlich verbessert. Es wird Messprogramme geben, Kartierungen, um die Radonstrahlung einmal umfassend festzustellen, zu dokumentie­ren und zu quantifizieren. Sollte es dann zu Belastungen kommen, die über den Grenz­werten liegen, gibt es Ermächtigungen, um Schutzmaßnahmen zu treffen. Solche Schutzmaßnahmen wären beispielsweise bauliche Maßnahmen an bestehenden Ge­bäuden – Nachrüstungen – und Adaptierungen bei Neubauten, damit solche Konzentra­tionen dann einfach nicht auftreten können, damit sie nicht gefährlich werden können.

Ein weiterer relevanter Punkt im Strahlenschutzgesetz ist, dass die Kontrolle über die nukleare Sicherheit, also der ganze Strahlenschutz sozusagen, in das BMK wandert und somit auch vom Wissenschaftsministerium getrennt wird, das Betreiberin eines


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 144

Forschungsreaktors in Österreich ist. Auch das, denke ich, ist eine wichtige Sache zur Trennung von Kontrolle und Betrieb und auch zur Transparenz. Insgesamt ist das somit sicher ein wichtiger Schritt zu einer besseren Verständlichkeit des Strahlenschutzge­setzes und zu mehr Sicherheit, und so soll es auch sein.

Ich möchte nur eine Anmerkung zu Frau Kollegin Gerdenitsch machen, was ihre Ausfüh­rungen betreffend Schutz von Schwangeren und jungen Leuten, Lehrlingen angeht. Wir haben das sehr wohl ernst genommen und haben uns noch einmal mit den zuständigen Leuten im Ministerium zusammengesetzt, weil wir wirklich sichergehen wollten – denn eines gibt es mit uns ganz bestimmt nicht, nämlich irgendeine Lockerung des Schutzes für Schwangere und junge Leute. Undenkbar! (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann.) Es ist einfach nicht so! Es ist tatsächlich schwierig herauszulesen – das gebe ich schon zu –, aber es gibt keinen reduzierten Schutz, vielmehr ist der Schutz jetzt prä­ziser gemacht worden.

Nur ein Beispiel: Viele von Ihnen werden Röntgenräume in Krankenhäusern kennen. Da gibt es ein Röntgengerät, und es gibt einen geschützten Raum mit Fenstern, wohin sich die Bediensteten zurückziehen, während eine Strahlenbelastung auftritt. Jetzt ist es möglich, dass auch Schwangere – wären da Schwangere – den Beruf weiter ausüben können. Denn was würden die sonst machen? Sie dürfen sich nur nicht in belasteten Zonen aufhalten, aber sehr wohl in nicht belasteten Zonen. Das Gleiche gilt für Lehrlinge, die somit eigentlich auch ihre Lehrausbildung besser absolvieren können.

Es ist, wie gesagt, nicht so, dass da eine Lockerung stattfindet. Gerade für schwangere Frauen ist es eigentlich eine Beschäftigungssicherung, weil sie nicht um ihren Job fürch­ten müssen, wenn sie ein Kind bekommen. Also darum haben wir uns gekümmert. Wie gesagt, könnte man es vielleicht besser formulieren, aber das war uns schon wichtig: Eine Lockerung des Schutzes ist es tatsächlich nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

17.11


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bundesrat.


17.11.54

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ausführungen des Kollegen Gross, der das sehr umfangreich und sehr detailreich gemacht hat, brauche ich nicht mehr sehr viel zu sagen.

Es wurde bereits betont, und auch ich glaube, der größte Gewinn bei diesem Gesetz ist es, dass es nach 50 Jahren in eine Neufassung gegossen wurde, also dass nicht nur eine Novellierung gemacht wurde, und dass sich dadurch die Übersichtlichkeit und die Lesbarkeit wesentlich verbessert haben.

Natürlich ist dieses Gesetz ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Das ist ein ganz zentrales Anliegen, und daher möchte ich auch auf die Behauptungen der Kollegin Gerdenitsch reagieren und sagen: Der Arbeitnehmerschutz steht bei diesem Gesetz im Mittelpunkt – auch die Expertin, die wir im Ausschuss gehört haben, hat nichts anderes gesagt –, so­dass die Schutzbestimmung natürlich in keiner Weise abgesenkt wird. Man will den Ar­beitnehmerschutz eher noch anheben.

Zum Thema Radon darf ich vielleicht noch eines ergänzen, weil ich da fast schon ein bisschen eine persönliche Betroffenheit habe – in unmittelbarer Nähe meines Wohnorts, in der Gemeinde Umhausen, ist ein richtiger Hotspot. Wen es interessiert – das stammt aus der Recherche zur Vorbereitung auf diese Rede –: Es gibt im Internet eine sehr gute Radonpotenzialkarte der Ages. Da kann man sich informieren, wie die Radonbelastung in der eigenen Gemeinde ausschaut.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 145

Die WHO spricht von einem kritischen Wert von 100 Becquerel pro Kubikmeter an Ra­donbelastung. In der Gemeinde Umhausen – damit man die Dimension versteht – wur­den 60 000 Becquerel gemessen. Also: 100 sagt die WHO, und 60 000 Becquerel pro Kubikmeter Luft wurden dort gemessen. Das hat man dann genauestens verfolgt, es wurde auch wissenschaftlich begleitet, und man konnte beziehungsweise musste leider erkennen, dass gerade in dieser Gemeinde die Häufigkeit von Lungenkrebs eklatant höher ist als in Nachbargemeinden, die sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.

Insgesamt sterben in Österreich – das möchte ich vielleicht auch noch sagen – jährlich rund 250 Personen an Lungenkrebs, ausgelöst durch erhöhte Radonbelastung. Das ist die zweitmeiste Ursache für Lungenkrebs nach dem Rauchen. Das ist schon eine sehr bedeutende Sache, und ich bin sehr froh, dass man aufgrund dieser beunruhigenden Zahlen reagiert hat und in diesem Strahlenschutzgesetz dementsprechend Antworten gesucht und auch Antworten gefunden hat.

Insgesamt, muss ich sagen, ist das Gesetz sehr, sehr wichtig, weil es uns in der österrei­chischen Gesundheitspolitik sicher wieder einen bedeutenden Schritt weiterbringt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.14


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.15.06

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Strahlenschutzge­setz 2020, dem wir zustimmen werden, soll die Bevölkerung bestmöglich vor den Ge­fahren durch ionisierende Strahlung schützen. Weiters geht es in diesem Gesetz um Maßnahmen zum Schutz von Personen durch Radon, die Gewährleistung eines hohen Maßes an nuklearer Sicherheit sowie die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen unter Berücksichtigung international anerkannter Sicherheitsstandards.

Seit jeher ist der Mensch ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die natürlich auftretende Strahlung kommt aus dem Weltraum und von natürlichen radioaktiven Stoffen in der Umwelt, vor allem in den Böden und Gesteinen der Erdkruste. Zu der natürlichen Strah­lung kommt seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine zusätzliche zivilisatorische Expo­sition. Mit der technischen Entwicklung hat sich der Mensch in zunehmendem Maße ionisierende Strahlung nutzbar gemacht. Diese Strahlung kann aber Mensch und Um­welt schädigen.

Smartphones, Tablets, PCs und stets verfügbares WLAN – in unserem Alltag sind wir einer hohen Strahlendosis ausgesetzt, die um ein Vielfaches höher ist als noch vor 40 Jahren. Für die Zukunft scheint kein Ende in Sicht zu sein, im Gegenteil: Die Strah­lung, die von technischen Geräten ausgeht, wird sich kontinuierlich erhöhen. Dabei ist bekannt, dass sie langfristig zu Gesundheitsschäden führt.

Der Hauptteil des radioaktiven Abfalls in Österreich stammt aus Anwendungen in Medi­zin, Industrie und Forschung. Beispiele für solche Anwendungen sind die Bestrahlung von Patienten zur Diagnose oder für Strahlentherapien sowie der Einsatz von radioak­tiven Stoffen in Messgeräten und bei Analysenverfahren. Pro Jahr fallen durchschnittlich 15 Tonnen radioaktiver Rohabfall aus Medizin, Industrie und Forschung an. Dazu kom­men noch kleinere Mengen aus der Dekontaminierung und dem Rückbau von Altanlagen und Einrichtungen.

Der gesamte radioaktive Abfall in Österreich wird als schwach- und mittelradioaktiv klassifiziert. Da in Österreich gemäß der verfassungsgesetzlichen Bestimmung keine


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 146

Kernkraftwerke betrieben werden, gibt es weder hochradioaktiven Abfall noch abge­brannte Brennelemente zu entsorgen.

Für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem in Österreich anfallenden radioaktiven Abfall gelten international festgelegte Grundsätze:

Ein Grundprinzip für die Entsorgung von radioaktivem Abfall ist die Vermeidung und Mi­nimierung. Dies ist aufgrund ökologischer und sicherheitsrelevanter Überlegungen sowie nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen anzustreben.

Menschen und Umwelt müssen nachhaltig vor radioaktivem Abfall geschützt werden. Die Sicherheitsmaßnahmen sind je nach Risikograd festzulegen. Bei allen Schritten der Entsorgung radioaktiver Abfälle kommt ein faktengestützter und dokumentierter Ent­scheidungsprozess zur Anwendung.

Die Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH, kurz NES genannt, ist von der Republik Österreich mit der Behandlung des in Österreich anfallenden radioaktiven Abfalls be­traut. Die Republik Österreich hat die Letztverantwortung für die sichere Entsorgung des anfallenden radioaktiven Abfalls.

Ein wesentlicher Teil des Strahlenschutzgesetzes beschäftigt sich mit dem Thema Schutz vor Radon. Da Radon beim radioaktiven Zerfall von Uran entsteht und Uran in nahezu allen Böden vorkommt, wird auch überall Radon gebildet. Als Gas kann es mit der Bodenluft durch Spalten und Risse im Fundament in die Raumluft gelangen. Unter ungünstigen Umständen können so in Gebäuden sehr hohe Radonkonzentrationen ent­stehen. Zum Schutz der Gesundheit jener Menschen, die sich in diesen Gebäuden auf­halten, sollte eine solche Situation durch Vorsorge oder Sanierung vermieden werden.

Da Radon nur dann zum Problem wird, wenn es zur Anreicherung in der Innenraumluft in Gebäuden kommt, handelt es sich um einen technologisch bedingten Innenraum­schadstoff. Im Freien kommt es im Allgemeinen zu einer stärkeren Verdünnung, sodass keine bedenklichen Radonkonzentrationen entstehen. Radon bildet den größten Beitrag zur durchschnittlichen Strahlenbelastung des Menschen und ist – Kollege Raggl hat es schon gesagt – nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs.

Die Neufassung des Strahlenschutzgesetzes bietet für die Bevölkerung einen besseren Schutz vor einer zu hohen Radonkonzentration und ist, gesamt gesehen, sehr gelungen und sachlich. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.19


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer weiteren Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner gemeldet. – Bitte schön, Herr Staatse­kretär.


17.19.41

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Bundesräte! Es sind nur zwei Punkte, die ich noch ansprechen möchte. Das eine ist der Schutz von Schwangeren, der heute schon öfters thematisiert worden ist. Ja, der ist natürlich extrem wichtig, und der ist uns auch in der Bundesregie­rung sehr wichtig und wird sehr, sehr ernst genommen. Mit der neuen Regelung ist auf jeden Fall das gleiche Schutzziel wie mit der alten Regelung gegeben. Das zeigt auch die Bedeutung für diesen Schutz von Schwangeren und übrigens auch von stillenden Frauen.

Die bisherige, derzeit geltende Regelung war ja so, dass für Schwangere und stillende Frauen in manchen Bereichen, in der Nuklearmedizin beispielsweise, Nachteile bestan­den haben und eigentlich ungerechtfertigte Diskriminierungen stattgefunden haben, die


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 147

auch zu beruflichen und finanziellen Nachteilen geführt haben. Das wollen wir mit diesem Gesetz ändern, ohne natürlich das Schutzziel für Schwangere und stillende Frauen ent­sprechend zu vernachlässigen. Das ist uns wichtig.

Eine Änderung, die noch nicht angesprochen worden ist, ist eine Änderung im Zustän­digkeitsbereich: Mit diesem Gesetz wird die Zuständigkeit vom Wissenschaftsressort auf das BMK übertragen – da gibt es natürlich auch internationale Vorgaben –, also die Zuständigkeit für die nukleare Sicherheit und auch für die behördliche Regulierung des Forschungsreaktors der TU Wien.

Ich glaube, dass das auch ein erster Schritt zu einer Vereinheitlichung und zu einer Bün­delung der aktuell noch sehr zersplitterten Zuständigkeiten im Strahlenschutzbereich auf Bundesebene ist. Das sind – auch die anderen Dinge, die von den Vorrednern ange­sprochen worden sind – durchaus sinnvolle Maßnahmen.

Die einzige Kritik, die ich gehört habe, ging in die Richtung, was die schwangeren Frauen betrifft: Ich glaube, das kann man auch mit ruhigem Gewissen hier beschließen, weil das Schutzziel, wie gesagt, das gleiche ist und auch viele Maßnahmen geschaffen werden, um der Diskriminierung von Frauen entgegenzutreten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.22

17.22.05


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schutz für Schwangere und Jugendliche vor Strahlenbelastung am Arbeitsplatz“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständ­lichen Entschließung ist daher angenommen. (300/E-BR/2020)

17.23.089. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2020 auf der Grundlage des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2019/2020 und des Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2020 EU-Jahresvorschau 2020 (III-714-BR/2020 d.B. sowie 10345/BR d.B.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


17.23.30

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie be­treffend EU-Jahresvorschau 2020 zur Kenntnis bringen.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 148

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2020 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Ich erteile es Ihnen, Herr Bun­desrat.


17.24.19

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Im Februar 2019 habe ich in einer Rede hier im Bundesrat Folgendes gesagt: „‚Das Ende des fossilen Zeitalters – Österreichs Position als Vorreiter bei erneuerbaren Energien ausbauen‘, ist sicher ein Thema, das uns in den nächsten Jahren noch viel beschäftigen wird“.

Die Hauptthemen: Klimaschutz mit Hausverstand konsequent vorantreiben; „verantwor­tungsvoller Umgang mit unserer Umwelt und deren Ressourcen; nationale Maßnahmen zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft; Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz; vollständiger Verzicht auf Kohlekraftwerke und Atomkraft; integrierte Klima- und Energiestrategie; Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit und in­novative Energiezukunft und saubere Mobilität.“

„Das Ziel, die Energieversorgung unseres Landes kontinuierlich durch erneuerbare Ener­gieträger aus eigener Produktion zu decken, macht uns nicht nur unabhängiger von Energieimporten, sondern gibt gleichzeitig einen großen Impuls für neue Investitionen und damit nationale Wertschöpfung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und zusätzliches Wirtschaftswachstum sind [...] weitere positive Folgen.“

„Für unsere Lebensqualität und unseren Wohlstand ist“ aber „die Mobilität von Personen und Gütern eine wesentliche Voraussetzung. Ein innovatives und funktionierendes Mobi­litäts- und Transportsystem ist nicht nur für das persönliche Wohlbefinden, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität als Standort entscheidend. [...] Wir müssen daher sicherstellen, dass Mobilität leistbar bleibt und dass die Menschen das Verkehrsmittel frei wählen können. Alternative umweltschonende Antriebsformen, die den CO2-Ausstoß im Verkehr reduzieren, sind zukunftsträchtige Mobilitätsangebote. Um diese Ziele zu erreichen, ist es notwendig, erneuerbare Energieformen zu forcieren und zu fördern, um einen guten Mix zu bekommen.“

Die von mir im Februar 2019 erwähnten und geforderten Maßnahmen sind im sogenann­ten Green Deal des zu beschließenden Berichts angeführt. Als heimatbewusster freiheit­licher Energiesprecher bin ich davon überzeugt, dass wir gegenüber unseren Kindern, Enkelkindern und nachfolgenden Generationen die Verantwortung haben, die soge­nannte Energiewende einzuleiten.

Nun, was ist in der Zwischenzeit passiert? Wie steht es eineinviertel Jahre später? – Derzeit gibt es noch eine Bundesregierung aus ÖVP und Grünen, die es nicht schafft, unser wunderschönes Heimatland aus einer aufgetretenen Gesundheitskrise herauszu­führen, die dadurch unsere heimische Wirtschaft nicht nur einer ungebremsten Gefahr aussetzt, sondern die – ich gehe noch einen Schritt weiter – zuerst durch ständige Pres­sekonferenzen, in denen sie Panik geschürt hat, dann durch überzogene Vorschriften, die erlassen wurden, durch mehr bürokratische Hemmnisse und Verzögerungen, anstatt


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auf rasche Hilfe zu setzen, den Wirtschaftskollaps sogar noch beschleunigt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Schweiz wurden zur Bewältigung der Coronakrise binnen 24 Stunden bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes unbürokratisch an die Unternehmer ausbezahlt, und zwar von den Finanzämtern, bei denen alle unternehmerrelevanten Daten und Fakten zusammenlaufen. In Österreich hingegen befassen sich die einzelnen Ministerien, die Finanzämter, das AWS, das AMS, die WKÖ, die Cofag, Hausbanken und noch weitere bürokratische Strukturen mit Anträgen, Gegenchecks, Gewährungen und irgendwann mit der Auszahlung. Mit dieser Ochsentour nimmt die Regierung bewusst Unternehmer­insolvenzen und Vernichtung von Arbeitsplätzen in Kauf. In verschiedensten Krisenstä­ben wird davon gesprochen, dass 30 Prozent der Unternehmen 2020 nicht überstehen werden.

Kurzarbeit: Die Inanspruchnahme von Kurzarbeit eignet sich grundsätzlich zur Abfede­rung der wirtschaftlichen Folgen des Coronashutdowns. Die Abwicklung kann man ein­fach, schnell und unbürokratisch gestalten – muss man aber nicht, hat sich unsere Re­gierung gedacht, Empfehlungen von Experten ignoriert und keinen Blick in die Schweiz gemacht. Mit einem einfachen Antrag wurden dort die Entschädigungszahlungen den Arbeitgebern vorgestreckt, ohne dass es dabei zu Liquiditätsengpässen bei den Unter­nehmen kommt.

Speed statt Slow Motion! Wir fordern daher einen Cut unter die sogenannte Kurz-Ar­beitsbürokratie und das Hinhalten bei den Auszahlungen der Hilfsgelder. Damit würde diese wirtschaftsvernichtende Regierung endlich den Unternehmern die Sorge einer sich anbahnenden Zahlungsunfähigkeit nehmen.

Mit der Rückkehr zur Normalität und einem griffigen Konjunkturprogramm ohne wirt­schaftliche Todsünden kann der Wirtschaftskreislauf so effizient angekurbelt werden, dass sich in absehbarer Zeit die Arbeitslosenzahlen wieder auf dem Vorcoronalevel ein­pendeln und weitere Insolvenzen verhindert werden.

Reine Antragsbewilligungen und Förderzusagen, ständige Nachbesserungen und An­kündigungen schaffen weder rechtliche Verbindlichkeit noch Liquidität oder Arbeitsplät­ze. Spätestens mit dem Stichtag 15.6.2020 müssen daher nicht nur die Maskenpflicht und alle Einschränkungen fallen, sondern auch die Unart des Hinauszögerns der effek­tiven Auszahlung aller zugesagten Gelder muss fallen.

Nun wieder zurück zum Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend die EU-Jahresvorschau 2020 und vorab zu einem wesentlichen Inhalt des Verhandlungsgegenstandes: Bei all diesen Berichten konnten die Auswirkungen der Covid-19-Krise noch nicht berücksichtigt werden, wo­durch sich deren tatsächliche Aussagekraft stellenweise stark relativiert.

Es ist ja seit den Budgetsitzungen im Nationalrat, in denen die Nationalräte über ein Budget abstimmen sollten, zu dem der Finanzminister mehrmals erklärt hat, dass er es wegen des Coronavirus schon in den Altpapiercontainer geschmissen hat, nichts mehr Neues, das aus diesem Bericht zur Abstimmung kommt – so wie im Budget Zahlen und Annahmen teilweise auch nicht passen.

Nun zu einigen Details des Berichts, der folgende Aufgabenstellung beinhaltet: „Eine Union, die mehr erreichen will“. Sie will den Übergang zu einem gerechten, klimaneu­tralen und digitalen Europa maßgeblich gestalten. „Diese Ziele sind die treibende Kraft hinter dem ersten jährlichen Arbeitsprogramm dieser Kommission. Darin werden sowohl die wichtigsten Initiativen vorgestellt, die die Kommission in ihrem ersten Amtsjahr ergrei­fen möchte, als auch die Nahziele für die ersten 100 Tage. Das Arbeitsprogramm ist schwerpunktmäßig auf die sechs übergreifenden Ziele aus den politischen Leitlinien von Präsidentin von der Leyen ausgerichtet und trägt den Hauptprioritäten des Europäischen


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Parlaments ebenso Rechnung wie die Kernzielen aus der strategischen Agenda des Europäischen Rates für den Zeitraum 2019-2024.“

Mein Resümee: Das gesetzte Nahziel für die ersten 100 Tage ist genauso wie das EU-Coronakrisenmanagement gescheitert.

Nun zur Umsetzung der sechs übergreifenden Ziele: „Ein europäischer Grüner Deal“, wie vorhin schon kurz angesprochen: „Im Mittelpunkt steht das erste europäische Klima­gesetz, das die Klimaneutralität bis 2050 zum verbindlichen Ziel macht. Die Kommission wird ein neues EU-Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 vor­schlagen [...].“

„Der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft wird dazu beitragen, die Produktions- und Verbrauchsmuster zu verändern, um den ökologischen Fußabdruck und die CO2-Bilanz zu reduzieren.“

Der europäische Grüne Deal zielt auch auf die Bewältigung des Verlustes an Biodiver­sität und gesunden Ökosystemen ab. Die Kommission wird daher eine neue EU-Biodi­versitätsstrategie bis 2030 vorschlagen, um die Umwelt zu erhalten und zu schützen, ebenso eine Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die sich über die gesamte Lebensmit­telkette erstreckt und die Landwirte dabei unterstützt, auf nachhaltige Weise hochwer­tige, nahrhafte, erschwingliche und sichere Lebensmittel zu erzeugen.

Dieser Ansatz der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, wie soeben erwähnt, ist eine lang­jährige Forderung von uns Freiheitlichen. Diesen Punkt sehe ich als einen der Lichtblicke in diesem Bericht. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zur Finanzierung der Maßnahmen: Anfang 2020 schlug die Kommission den Inves­titionsplan für den europäischen Grünen Deal vor, um für die nächsten zehn Jahre min­destens 1 Billion Euro an nachhaltigen Investitionen zu mobilisieren. – Zu diesem Punkt, wie zu einigen weiteren, habe ich im Zuge der Sitzung des Umweltausschusses am 2.6.2020 einige Fragen an die Experten gestellt. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich meine Fragen schriftlich zusammenfasse und sie per Mail an die zuständigen Experten zur Beantwortung sende. Vorab möchte ich mich für die für mich größtenteils ausführ­liche und ordnungsgemäße Beantwortung bedanken. Ich möchte aber auch festhalten, dass nicht alle Experten, die an unseren Bundesratsausschusssitzungen teilnehmen, unsere gestellten Fragen beantworten und so ernst nehmen, wie Sie das jetzt gemacht haben.

Ich möchte die Herren Experten des Landwirtschaftsministeriums, falls sie zuhören, im Zuge der heutigen Sitzung nochmals daran erinnern, dass sie meine im Ausschuss ge­stellten Fragen vom 11.2.2020 noch immer nicht beantwortet haben, obwohl es damals nur vier waren und das Verkehrsministerium sogar sieben hatte, und sie es geschafft haben.

Meine Fragestellung zu einem Punkt war: In welcher Höhe werden die Kosten für den Green Deal bis 2050 angenommen, wenn in diesem Bericht schon bis 2030 von einer unglaublichen Summe von 1 Billion Euro geschrieben wird? Wie viel Geld wird die EU zusätzlich benötigen, um die Coronakrise zu bewältigen? Wie soll dies finanziert werden und wer soll das Ihrer Meinung nach finanzieren? (Bundesrat Novak: ... ist schon vor­bei!)

Nur kurz angemerkt sei: Bei diesem Punkt möchte ich nochmals festhalten, dass im Aus­schuss mitgeteilt wurde, dass das EU-Budget mit Ende Mai von 1 Billion auf 1,3 Tril­lionen Euro aufgestockt worden ist, und Sie mir und uns erklärten, dass die Nettozahler, wie zum Beispiel Österreich, nicht mehr als 1 Prozent des BIPs zahlen werden. Hierzu stellt sich für mich die Frage, wie das rechnerisch umsetzbar ist. Ich bat um Erklärung, welches Land wie viel zu den 1,3 Trillionen Euro beiträgt, um die Einzelsummen addie­ren zu können.


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Als Antwort habe ich bekommen – Zitat –: Nach Rücksprache mit der zuständigen Mitar­beiterin hat diese mündlich geantwortet, dass das Budget auf 1,1 Billionen Euro aufge­stockt werde. Falls die Mitarbeiterin aus Versehen Trillionen gesagt hat, ergibt sich das aus der Übersetzung aus dem Englischen, 1 Trillion sind 1 Billion. – Zitatende.

So wurde meine Frage teilweise in schriftlicher Form von der stellvertretenden Kabinetts­chefin beantwortet, mit dem Zusatz, dass die meisten meiner Fragen sehr wenig Bezug zu TOP 3 der gestrigen Sitzung hätten. Meine Meinung dazu: Fragen zum Budget den Bezug zum Bericht abzusprechen, aus dem die Finanzierung des sogenannten Green Deal hervorgehen soll, das finde ich sehr merkwürdig.

Bei diesen Geldsummen – 1 Billion Euro, dann wieder 1,3 Trillionen Euro, jetzt anschei­nend 1,1 Billionen Euro – hört für Staatsbürger wie mich, und ich denke, es geht vielen österreichischen Staatsbürgern ebenso – in diesem Zusammenhang möchte ich anmer­ken, dass wir alle diese Beträge aus unseren abzuführenden Steuern finanzieren müs­sen –, die Vorstellungskraft auf. Da geht es nicht darum, ob wir beim Würstelstand eine Leberkäsesemmel, 1,1 Käsekrainer oder 1,1 Leberkäsesemmeln kaufen. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.)

In diesem Zuge möchte ich mich gleich bei allen Würstelstandbesitzern, allen Gastro­nomen, allen Unternehmen, aber auch bei allen Arbeitnehmern für ihr Durchhaltevermö­gen bedanken – das Durchhaltevermögen gegen den EU-Wahnsinn, den Coronawahn­sinn und den Wahnsinn, den uns die schwarz-grüne Bundesregierung aufs Auge drückt. (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich darf Sie bitten, zum Ende zu kom­men!


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Eines sei in das Regierungsstammbuch und in das ihres Leiters geschrieben: Wir Österreicher – jetzt spreche ich im Namen aller, die bis jetzt keine Unterstützung erhalten haben und unverschuldet in finanzielle Notsitua­tionen aufgrund Ihrer Ankündigungstaktik, Hinhaltetaktik im Zuge des Coronawahnsinns gekommen sind – sind nicht so dumm, unseren Namen zu schreiben, obwohl viele von uns nicht den Vorteil haben, dass er ziemlich kurz ist.

Wir Österreicher brauchen keine Heilanstalt gegen Vergesslichkeit oder einen Ohren­arzt, der uns zum Beispiel erklärt, dass wir uns beim Ostererlass alle verhört haben. Wir Österreicher brauchen uns nicht erklären zu lassen, dass der durchschnittliche Zuwan­derer von heute gebildeter als der durchschnittliche Österreicher ist. Die ersten Österrei­cher haben schon dieses Wochenende die Möglichkeit, bei der Wiederholung der Ge­meinderatswahlen in Niederösterreich ein Zeichen zu setzen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Kommen Sie bitte zum Schluss!


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Ich werde von meiner Seite aus die sieben gestellten Fragen an Frau Bachmann weiterschicken, sodass sie diese dann allen Bun­desräten zukommen lässt. Da geht es um all die Aufzeichnungen für die alternativen Kraftstoffe und so weiter.

Zum Schluss möchte ich sagen, als freiheitlicher heimatbewusster Energiesprecher bin ich – wie heute bereits erwähnt – davon überzeugt, dass wir auch die Verantwortung gegenüber unseren Kindern, Enkelkindern und nachfolgenden Generationen haben, die sogenannte Energiewende einzuleiten. Aufgrund dessen, dass aber wesentliche Punkte in diesem - -


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Den Schlusssatz bitte!


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): - - lehnen wir den Bericht in dieser Form ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.38



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Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


17.38.31

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Bevor ich beginne, kann ich mir eine Anmerkung nicht verkneifen: Also für die Österreicher, Herr Bernard, können Sie nicht sprechen. Hier herauszukommen und zu sagen: „Wir Österreicher“, das finde ich schon eine beeindruckende Anmaßung. Sie kön­nen vielleicht für sich sprechen, Sie können für die FPÖ sprechen, meinetwegen, aber sicher nicht für die Österreicher und Österreicherinnen. (Beifall bei den Grünen sowie der BundesrätInnen Bader und Neurauter.)

Wir beispielsweise – ich fühle mich übrigens auch als Österreicher – sehen die Dinge ziemlich anders, als Sie sie jetzt dargestellt haben. Wir reden vom Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 zum Thema Klimaschutz. Darin findet sich weit vorne ein Satz, den ich vorlesen möchte, weil er es so gut auf den Punkt bringt:

„Die dringendste Herausforderung und Verantwortung, aber zugleich auch Chance für Europa besteht darin, unseren Planeten und die Menschen gesund zu erhalten. Dies ist die entscheidende Aufgabe unserer Zeit. Die Erderwärmung, die Erschöpfung der na­türlichen Ressourcen und die immer weiter schwindende Biodiversität gefährden zusam­men mit Waldbränden, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen unsere Si­cherheit und unseren Wohlstand.“

Mit dieser Erkenntnis – ich finde das in einem europäischen Programm, das dermaßen pointiert formuliert ist, sehr erfreulich – geht es natürlich darum, Programme zu entwi­ckeln, zu lancieren, die genau dem entgegenarbeiten und zugleich – das ist wichtig – Perspektiven aufmachen, Wohlstand sichern im Sinne eines möglichst guten Lebens für alle. Der europäische Green Deal ist eine Reaktion darauf. „Er wird dazu beitragen,“ – heißt es da im Text – „Biodiversität, Naturerbe und Meere zu schützen und zu erhalten, die unserer Union so viel Wohlstand bringen.“ – Stimmt, auch das ist eine zentrale Ein­sicht. Es ist zwar banal, aber die Praxis, die letzten Jahrzehnte zeigen leider etwas an­deres. Ohne funktionierendes Ökosystem geht gar nichts und wird gar nichts gehen.

Gerade in Zeiten wie diesen sollte eigentlich klar werden, würde man meinen, dass wir ein geeintes Europa brauchen – ein Europa, das gemeinsame Ziele verfolgt, ein Europa, das solidarisch agiert, nicht Erbsen zählt, ein Europa, das sich bewusst ist, dass wir nur gemeinsam stark sind (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), ein Europa, das sich bewusst ist, dass wir aufeinander angewiesen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das gilt heute mehr denn je, denn die großen Aufgaben, vor denen wir stehen – und dazu gehört ein Weg aus dieser Krise, aber nach wie vor genauso das Jahrhundert­thema Klimaschutz –, können wir nur gemeinsam meistern, selbstverständlich ohne die eigene nationale, regionale und kommunale Verantwortung aufzulassen – das kann man nicht, sonst geht es auch nicht; das ist eine solidarische Haltung und gleichzeitig auch eine subsidiäre im besten Sinne.

Ein Kern des Green Deals ist ein europäisches Klimagesetz, das Klimaneutralität bis 2050 verbindlich zum Ziel macht oder machen will. Es ist eine wunderbare Sache und gleichzeitig eine gigantische Aufgabe, in maximal drei Jahrzehnten komplett aus der ge­samten fossilen Energiewirtschaft ausgestiegen zu sein – in 30 Jahren kein Brikett Koh­le, keinen Tropfen Öl mehr zu verbrennen, keinen Kubikmeter Gas mehr zu nutzen. Dazu wird es auch notwendig werden, die 2030-Ziele nachzujustieren und auf 50 bis 55 Pro­zent Absenkung anzuheben. (Bundesrat Schennach: Und das machts ihr alles mit der ÖVP ...!)

Das ist notwendig, um einerseits das 2050-Ziel zu erreichen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ich kann nur sagen, wofür wir stehen, Herr Kollege.


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(Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Es ist notwendig, um eine Chance zu haben, das
1,5-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten. Die SPÖ hätte die letzten Jahre Zeit und Gelegenheit gehabt, Klimaschutzpolitik zu machen, aber es gibt keine Klimaschutzpolitik bei der SPÖ – einmal nebenbei angemerkt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt ausschließlich Rhetorik. Sie hören mit Klimaschutzpolitik auf, sobald es ernst wird, und stellen das immer noch als sozialen Widerspruch dar. (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Mühlwerth und Rösch.) Für eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik haben Sie noch viel aufzuholen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Mit Zwischenru­fen erreicht man das jedenfalls nicht. (Ruf bei der SPÖ: Die SPÖ hat keine Glaubwürdig­keit, aber die Grünen ...! – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Der Grüne Deal setzt daher eine Reihe von Akzenten – es sind noch nicht alle fertig (Bundesrat Rösch: Ich glaub, die ÖVP hat ...!) –, beispielsweise sollen jährlich 260 Mil­liarden Euro an Klimainvestitionen ausgelöst werden. Mindestens ein Viertel des EU-Budgets soll klimaschutzrelevanten Aktivitäten gewidmet sein. – Wunderbar! Es sollen CO2-Zölle eingeführt werden, um die europäische energieintensive Industrie zu schüt­zen – auch das ist gut, wir wollen ja nicht, dass effiziente Betriebe wie beispielsweise die Voest zum Aufgeben gezwungen werden oder abwandern. (Zwischenruf des Bundesra­tes Rösch.) Es soll eine Welle von Gebäudesanierungen geben – auch das ist ein wich­tiger Punkt; das ist übrigens ein Punkt, der dann ganz direkt bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Rösch), nämlich um in der Folge geringe Energiekosten zu haben. Es soll eine Mobilitätswende geben mit emis­sionsfreien Fahrzeugen, Gütertransport auf der Schiene, Road Pricing und natürlich ei­nen massiven Ausbau des Ladenetzes für E-Fahrzeuge – auch das findet sich im Green Deal.

Es wird einen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft, für eine umfassende ökologische Trans­formation der Wirtschaft geben. 40 Prozent des Agrarbudgets sollen zum Klimaschutz beitragen. Damit sollen auch Abhängigkeiten vom Ausland, von anderen Regionen redu­ziert werden beziehungsweise soll die Abhängigkeit von Pestiziden und Düngemitteln reduziert werden. Vor ein paar Tagen – vielleicht haben Sie es gesehen – ist auch eine europäische Biodiversitätsstrategie präsentiert worden.

Das alles war vor einem halben Jahr. Bekanntlich haben wir jetzt eine andere Situation. Ich finde es aber sehr schön, wenn man das im Green Deal wieder liest und sieht, was da drinnen steht. Es hat nichts an Richtigkeit verloren. Ganz im Gegenteil: Ich muss nämlich sagen, es ist ein Glück, dass es dieses Konzept gibt – als etwas, auf das man jetzt zurückgreifen kann oder zurückgreifen muss, wie wir meinen –, denn gerade jetzt ist Gelegenheit, die Wiederbelebung der Wirtschaft, die jetzt bei uns losgehen wird, auf europäischer Ebene zu nutzen, um derartige Ziele umzusetzen und um wirklich struktu­relle Weichenstellungen vorzunehmen.

Natürlich gibt es auch Finanzierungen. „A roadmap for recovery“ führt aus, dass über größere eigene Ressourcen, über Digitalsteuer beispielsweise, CO2-Handel und viele solche Dinge, auch die Refinanzierung wieder erreicht werden könnte. Damit kann Kli­maschutz finanziert werden. Das Geld, das jetzt investiert wird, muss ökologisch und sozial investiert werden, in eine nachhaltige Entwicklung. Das darf man jetzt nicht ver­säumen. Es ist eine große Chance, die wir haben. Wenn wir jetzt in alte Strukturen inves­tieren, verspielen wir nicht nur die Chance, Klimaziele einzuhalten, sondern auch die Chance, einen technologischen Schub auszulösen, wir verspielen die Chance zur Ge­staltung einer Kreislaufwirtschaft und damit auch eine weitere Vorreiterrolle für Öster­reich auf dem ganzen Gebiet der Ökologie und des sozial gerechten Wirtschaftens.

Das vielleicht Wichtigste, um das es geht, sind die Zukunftschancen der heute jungen Leute, denn die sind mit Sicherheit nur mit einem ökologisch intakten Planeten intakt zu erhalten. Das Regierungsprogramm der jetzigen Bundesregierung setzt da sehr, sehr


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ambitionierte Akzente. Noch nie gab es ein solch ambitioniertes und ausführliches Klima­programm. Klimaneutralität bis 2040 ist festgeschrieben, und wir sehen das natürlich sehr wohl in intensiver Wechselwirkung mit der Europäischen Union, denn allein können wir es auch nicht schaffen. Das geht nur, wenn sich letztlich alle Mitgliedstaaten für das gleiche Ziel committen, das im Green Deal dargestellt ist.

Bei uns in Österreich wird es jetzt darum gehen, dass sich die Konjunkturpakete, an denen intensiv gearbeitet wird und die auch bald vorgestellt werden, an ökologischen Zielsetzungen und Zielsetzungen des Klimaschutzes und der Energiewende orientieren. Einen besseren Dienst kann man der Wirtschaft unserer Meinung nach nicht erweisen und ganz bestimmt nicht, wie gerade erwähnt, den heute jungen Leuten. (Beifall bei den Grünen.)

17.48


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


17.48.12

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den angesprochenen Jahresbe­richt des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie haben meine Vorredner schon sehr intensiv behandelt. Ich als Tiroler und als Vertreter der Landwirte erlaube mir jetzt, zwei ganz konkrete Maßnahmen he­rauszunehmen, die das oberste Ziel der Kommission, nämlich die Klimaneutralität bis 2050 mit einer massiven Verringerung der Treibhausgasemissionen, beschreiben.

Es sind zwei Maßnahmen, die vielleicht schon ganz gut auf dem Weg sind, bei denen es aber noch ganz dringend Anschub braucht, sodass diese Maßnahmen einen wesentli­chen Beitrag zur Zielerreichung leisten können. Es geht da um die Themen Verkehr und Landwirtschaft.

Beim Thema Verkehr steht im Bericht, dass eines der vorrangigen Ziele die Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene ist. Zudem soll mittelfristig bis hof­fentlich kurzfristig die Kostenwahrheit im Güterverkehr mehr zum Ausdruck kommen.

Da darf ich schon auf unsere größte Baustelle im Bundesland Tirol – eigentlich eine der größten Baustellen in ganz Europa – kommen, den Brennerbasistunnel, für den die Fer­tigstellung mittlerweile für 2030 in Aussicht gestellt wird. Der Bund, die EU und das Land Tirol investieren in diesem Bereich 9 Milliarden Euro mit dem Ziel, die stark vom Verkehr beeinträchtigte Bevölkerung in Tirol zu entlasten und natürlich einen wesentlichen Bei­trag zum Klimaschutz zu erreichen.

Dieses Ziel kann aber nur unter Beachtung des Folgenden erreicht werden – und das ist jetzt ein Anliegen in Richtung Ministerium, in Richtung Staatssekretär, aber vor allem auch in Richtung Bundesministerin –: Wir möchten mit dem Brennerbasistunnel den Fla­schenhals in Tirol, durch den derzeit alles über die Straße durch muss, beseitigen. Es darf nicht passieren, dass wir diesen Flaschenhals beseitigt haben und dann draufkom­men, dass in Deutschland und in Italien, auf den Zulaufstrecken, ein neuer Flaschenhals entsteht, und diese Investition von wahrscheinlich bis zu 10 Milliarden Euro nicht den Effekt bringt, den wir uns alle erhoffen. Im Ausschuss ist schon berichtet worden – auch vonseiten des Ministeriums –, man verhandle intensiv auf Ebene der EU, aber auch auf bilateraler Ebene mit Italien und Deutschland und mache massiven Druck. Trotzdem wissen wir: Im besten Falle kann Deutschland die Zulaufstrecke erst 2040 fertigstellen. Dies ergibt schon ein Delta von zehn Jahren, und jedes Jahr und jeder Zeitraum, der da verstreicht, ist natürlich ein massives Problem für das verkehrsgeplagte Tirol und auch für die angrenzenden Länder.


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Das zweite Thema, das ich mir aus diesem umfassenden Bereich herausgenommen habe, ist die Landwirtschaft. Es gibt einen Aktionsplan für eine nachhaltige Kreislaufwirt­schaft in diesem Bereich. Dazu möchte ich schon betonen: Die österreichische Landwirt­schaft hat in den letzten Wochen gezeigt, welch systemrelevante Aufgabe sie in Krisen­zeiten zu erfüllen hat und auch erfüllen kann. Es ist einfach nicht selbstverständlich, und das ist, glaube ich, der Bevölkerung in dieser Zeit bewusst geworden. Die Ware im Su­permarkt, die um die halbe Welt gekarrt wird, ist einfach nicht alles. Wir brauchen einen gewissen Grad an Selbstversorgung. Es ist wichtig, das zu unterstützen und zu fördern.

Die österreichische Landwirtschaft produziert bereits jetzt sehr nachhaltig unter Einhal­tung hoher Tierschutz- und Umweltstandards sowohl im biologischen als auch im kon­ventionellen Bereich. Bei uns – es ist schon fast sprichwörtlich, aber es stimmt – haben die Kühe nach wie vor Namen, und unseren Bauern und Bäuerinnen ist es sehr wichtig, dass ihr Land nachhaltig bewirtschaftet wird.

Wir denken und handeln nachhaltig. Für uns ist es wichtig, dass wir unseren Folgege­nerationen weiterhin Produktionsflächen sowie Nahrungs- und Futtermittel zur Verfü­gung stellen können, und das funktioniert nur, wenn wir auf unsere Natur und auf unsere Umwelt schauen. (Bundesrat Schennach: Ist das jetzt für Tirol oder für ganz Öster­reich?) – Ja, ich rede einmal als Vertreter von Tirol, und in großen Teilen gilt es für Öster­reich. (Bundesrat Schennach: Es gibt da ...!) Wir haben da einen sehr bewussten Um­gang mit Land und Natur und vor allem auch mit den Tieren.

Ich darf abschließen: Damit die Landwirtschaft das auch leisten kann, was wir da ange­kündigt haben, brauchen wir die Treue der Lebensmittelketten, der Gastronomie, aber vor allem auch der Konsumenten. Damit die Konsumenten das auch ausnützen können, brauchen wir auf jeden Fall eine transparente, einfache Herkunftskennzeichnung. Wir haben gestern den Fall gehabt, bei dem jeder, der 3 Minuten auf die Kennzeichnung von Kartoffeln schaut, meint: Das sind österreichische Kartoffeln mit Biozertifikat. Wenn man aber ganz genau hinschaut, sieht man, dass da Herkunftsland Ägypten steht. – Genau so stellen wir uns das nicht vor. Das ist aus meiner Sicht eine Konsumententäuschung. Daran, dass die Herkunftskennzeichnung in den nächsten Jahren wesentlich besser wird, in dem Sinne, dass der Konsument das Recht hat, zu erfahren, woher seine Le­bensmittel sind, müssen wir noch massiv arbeiten.

Wir sehen gerade jetzt nach dieser Covid-Krise eine große Bereitschaft, regional einzu­kaufen, regionale Speisen zu essen. Das sollten wir nutzen und dazu muss auch die Politik entsprechende Rahmenbedingungen geben. – Vielen Dank für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der ÖVP.)

17.54


Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gün­ther Novak. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.54.56

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon mehrfach gesagt, dass die EU-Kommission in ihrem ersten jährlichen Arbeitsprogramm schwerpunktmäßig sechs Ziele festgelegt hat. Das ist über Präsidentin von der Leyen in diese Richtung ange­stoßen worden.

Ich möchte sie noch einmal zusammenfassen und wiederholen: zum einen der europäi­sche Grüne Deal; das Zweite: ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist; eine Wirtschaft im Dienste der Menschen; ein stärkeres Europa in der Welt; die Förderung unserer europäischen Lebensweise – fünf; und neuer Schwung für die Demokratie in Europa.


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Beinhaltet das alles, was schon gesagt wurde? – Keine Frage. Wie Herr Bernard na­türlich richtig gesagt hat, war und ist das jetzt nicht auf die Covid-19-Krise abgestimmt. Das kann auch nicht so sein. Das haben wir uns und ich mir persönlich einfach dazu gedacht. Dazu würde ich jetzt noch einmal kommen: Tatsache ist – und das sollte man bei dieser Gelegenheit feststellen –: Jetzt, in dieser Zeit, haben wir die letzte Chance für ein soziales und klimaneutrales Europa. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Bravo!)

Ich glaube auch – und da bin ich nicht der Einzige –, wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt und auch die letzte, die dafür sorgen kann, dass etwas in diese Richtung passiert. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nicht etwas tun – das haben die Kollegen Bernard und Raggl in ihren Ausführungen schon festgestellt –, dann wird es insgesamt noch 80 Jahre brauchen, bis das Ganze umgesetzt werden kann. Das sollten wir auf eine Tafel schreiben und uns an die Wand hängen, damit wir wissen, was wir in Zukunft machen.

Ich werde versuchen, jetzt nicht von der hohen Politik zu sprechen, sondern das auf die Region herunterzubrechen und vielleicht das eine und das andere dazu zu sagen. Das geht auch in Richtung Dr. Raggl, der schon einiges festgestellt hat.

Wir sind zum Beispiel durch die Erderwärmung, die Erschöpfung der natürlichen Res­sourcen und die immer weiter schwindende Biodiversität gefährdet, zusammen mit im­mer häufiger auftretenden Naturkatastrophen. Schauen wir uns ein Beispiel an – das hat sicher nicht ganz Österreich betroffen –: Wir haben 2019 den Sturm Vaia gehabt, der über Oberkärnten, bis in das Gail- und Lesachtal und dann über Italien, Südtirol hinweg­gefegt ist. Ich habe es, glaube ich, im Umweltausschuss auch schon gesagt, da geht es nicht um Tausende Festmeter Holz, sondern um Millionen von Festmetern, die dort auf dem Boden gelegen sind. Im vorigen Jahr, 2019, haben wir bei uns weitere Unwetter gehabt, und dann sind aus dem, was aus dem Boden kam – dadurch, dass diese Bäume alle umgefallen sind –, Lawinen und Muren geworden, die teilweise Täler abgeschnitten und für Schaden in Millionenhöhe gesorgt haben.

Wenn wir das Thema Klima gerade in dieser Hinsicht nicht ernst nehmen, lacht vielleicht der eine oder andere heute noch darüber, er wird aber wahrscheinlich in der Zukunft selbst einmal ein Betroffener sein.

Ich möchte auch das Thema Energieversorgung und EU speziell auf unsere Region, das Mölltal, herunterbrechen, auch im Hinblick darauf, was Dr. Raggl gesagt hat. Es ist so, dass bei uns, in unserem Tal, vor allem das Wasser die Energie bringt. In Zukunft wird es natürlich heißen – da es über den Bund gefördert wird und auch das Land Kärnten 60 Prozent nur in der Fotovoltaik fördert –: raus aus dem Öl, rein in die erneuerbare Energie. Wir sind damit Spitzenreiter, weil wir in weiterer Folge jene Betriebe bezie­hungsweise Einzelhaushalte, die den Strom für ihren Bereich direkt verwenden, mit bis zu 11 000 Euro fördern werden. Das, glaube ich, ist der neue Weg in die erneuerbaren Energien. (Präsident Seeber übernimmt den Vorsitz.)

Der Verkehrssektor als solcher, wieder bezüglich Mölltal: Wir haben die Tauernbahn, die über die Tauernbahnstrecke fährt. Wir haben aber bis heute noch keinen barrierefreien Bahnhof gehabt. Das machen wir jetzt auch mit Geldern des Landes und der EU. Im Gegensatz zum Brennerbasistunnel ist es bei uns der Koralmtunnel, der hoffentlich dem­nächst, 2023, fertig wird. Wir haben hier herinnen auch schon darüber diskutiert, dass er aufgrund der Situation, dass es Wassereinbrüche gegeben hat und immer wieder gibt, hoffentlich 2026 oder 2028 fertig sein wird. Was bedeutet das für uns? – Es wird nicht alle 2 Stunden ein Zug fahren, sondern es wird dann einen Takt von 1 Stunde geben und die Güter werden auf die Züge ausgerichtet sein, um das dann in weiterer Folge umzusetzen; natürlich mit EU-Geld.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 157

Es geht so wie überall darum, den Verkehrsverbund auszubauen. Es wäre schon recht, wenn die Leute aus dem ländlichen Bereich irgendwann einmal damit in die Stadt und zu ihrer Arbeit kommen könnten. Auch dafür gibt es Konzepte, nicht nur betreffend Tourismus, sondern auch, damit der Busverkehr funktioniert, Wanderbusse und vor al­lem Busse, die in die richtige Richtung fahren, um dafür zu sorgen, dass ich zur Arbeit komme.

Ich bin ja im ländlichen Bereich zu Hause. Der europäische Grüne Deal befasst sich vor allem mit Strategien zur Verbesserung des Wegs vom Hof auf den Tisch. Wir stellen dabei Slow Food in den Vordergrund; da gibt es schon viele Orte, die sich beteiligen. Das kommt von Frankreich über Italien zu uns, erstreckt sich über die gesamte Lebens­mittellieferkette und unterstützt die Landwirtinnen und Landwirte dabei, auf nachhaltige Weise hochwertige, erschwingliche und sichere Lebensmittel zu erzeugen. Wir haben gerade in der Coronazeit gemerkt, als wir über Wochen von der Umwelt abgeschnitten waren, wie wertvoll die Landwirtschaft, der Bauer als solches ist, wenn es frische Milch gibt, wenn es Eier gibt und wenn es Fleisch gibt.

Wir diskutieren hier schon lange über Mercosur, diesen Vertrag, der abgeschlossen wer­den sollte. Wozu brauche ich ein argentinisches Steak, wenn ich einen Kärntner Alm­ochsen habe? Das muss ich bei dieser Gelegenheit wirklich einmal fragen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Erstens schmeckt es besser, zweitens wird es wahrscheinlich vom Preis her gar nicht so viel teurer sein, und wenn es teurer ist, dann hat sich das der Bauer oder die Bäuerin verdient, und dann ist es auch nicht – jetzt komme ich wieder dazu – mit Glyphosat und anderen Bioziden verseucht, die in diesen Ländern für das Futter der Kühe verwendet werden. Da rede ich noch gar nicht vom Käse, den wir von der Oberkärntner Molkerei bekommen – das habt ihr ja auch alle, Berglandmilch, die NÖM in Niederösterreich, im Zillertal und wo auch immer –, oder vom Honig.

Schlussendlich muss man noch feststellen: Wenn wir uns nicht darum kümmern, dann wird die gesamte Almwirtschaft irgendwann einmal verheerend enden. Bei uns im Na­tionalpark haben wir fleißige Bauern. Nicht alle sind Vollerwerbsbauern, viele sind Ne­benerwerbsbauern, die die Wiesen dort abmähen oder mittels Mutterkuhhaltung abgra­sen lassen, um in weiterer Folge diese Naturlandschaft bereitzustellen.

Das wäre es eigentlich zu den beiden Bereichen. Betreffend die Bestimmungen im Ver­kehrssektor und der fahrleistungsabhängigen Bemautung: Wir sind absolut dagegen.

Zu Covid-19 möchte ich zum Schluss noch eines feststellen: Wir haben einen mehrjähri­gen Finanzplan, der noch nicht beschlossen ist. Kann man den Herrn Bundeskanzler bitte auffordern, dass das demnächst irgendwann einmal passiert, denn die Streiterei ob 2,6 Prozent oder 3 Prozent muss ein Ende finden! Wir haben jetzt in dieser Situation ein Problem, und da braucht es eine mehrjährige Finanzierung. Dieser Finanzierungsplan soll ja über fünf bis sieben Jahre laufen. Wir wissen, dass es dazu in weiterer Folge auch einen Masterplan geben sollte.

Dann haben wir noch die Roadmap, die am 21. April vom Europäischen Rat veröffent­licht wurde. Sie haben sich darüber Gedanken gemacht, wie wir aus dieser Covid-19-Krise herauskommen, den Exit, den Ausstieg schaffen, wie wir uns in dem Bereich wie­der erholen und in weiterer Folge ein widerstandfähiges und nachhaltiges Europa schaf­fen können. Dabei geht es vor allen um den Wirtschaftsbereich, die Sozialpartnerschaft mit eingeschlossen, darum, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Der Binnenmarkt ist einfach das Wichtigste, denn da muss diese Kreislaufwirtschaft und das alles funktio­nieren, was bis jetzt funktioniert hat, bevor wir Covid-19 gehabt haben.

Zum Schluss möchte ich noch feststellen: Vom Gesamtvolumen des Aufbaufonds in der Höhe von 750 Milliarden Euro sollten 500 Milliarden Euro direkte Zuschüsse sein und


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250 Milliarden Euro über Kredite oder wie auch immer vergeben werden. Ich habe da einen wunderbaren Artikel gefunden. Da muss ich der ÖVP schon sagen: Ganz einig seid ihr euch in eurer Auslegung nicht. Im Newsletter von Herrn Othmar Karas steht: „Ein besonderer Applaus gebührt Ursula von der Leyen für das zusätzliche Aufbauvolumen von 750 Milliarden Euro, wovon 500 Milliarden Euro direkte Zuschüsse sind. Damit kann die Neuordnung Europas gelingen.“ – Damit widerspricht er auf jeden Fall dem Herrn Bundeskanzler und dem Finanzminister. (Bundesrat Schennach: Der Kanzler versteht das nicht!)

Abschließend stellt er dort fest: „Es geht nicht um Ausgaben oder Schulden, sondern um dringend benötigte Hilfen und Investitionen in unsere gemeinsame Zukunft.“ – Da hat er ja auch recht. – „Wer diesen Weg nicht unterstützt, schadet der Gemeinschaft und sich selbst.“ – Na hawidere, bei euch gehtʼs zu, das muss ich schon sagen! Othmar Karas sagt das, Schüssel hat das bestätigt und Präsident Leitl hat das auch bestätigt. (Ruf bei der SPÖ: Ja, aber das ist die ÖVP! – Widerspruch bei der ÖVP.)

Spielen wir also nicht einen Teil der geizigen Vier – wie wir gesagt haben, dafür bin ich von Herrn Preineder gerügt worden –, sprechen wir also nicht von den sparsamen Vier, sondern von dem Spruch, den der Herr Bundeskanzler anlässlich der Pandemie geprägt hat: „Koste es, was es wolle“! Vielleicht hat er sich das ja auch von Kreisky abgeschaut, dem ein paar Millionen österreichische Schilling mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiteten als 100 000 Arbeitslose. (Beifall bei der SPÖ.)

18.06


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm dieses.


18.06.13

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Mitglieder des Bundesrates! Lieber Kollege Novak, um die ÖVP musst du dir keine Sorgen machen. Ich bin froh, dass sich die SPÖ innerhalb Europas und inner­halb Österreichs so gut versteht. Das ist ein gutes Signal. Ich bin nur froh, dass ihr da keine Probleme habt.

Danke auch an Kollegen Bernard für das Lob für das BMK (sich zu den Bänken der Mitarbeiter wendend), ich gebe das gerne der Kollegin dort hinten weiter. Die Geschwin­digkeit und die Qualität sind wirklich gut. – Sie hört gerade nicht zu, aber ich werde ihr das nachher gerne weitergeben.

Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission ist sehr ambitioniert. Auch das wurde bereits festgestellt. Der Green Deal ist ein sehr breit angelegtes Programm. Es umfasst einen Fahrplan mit Strategien, auch mit diversen Maßnahmen, um den tiefgrei­fenden Wandel – einen Wandel, der in allen Sektoren wirklich erforderlich ist –, den wir alle schon verspüren, entsprechend herbeizuführen.

Österreich ist mit dem Regierungsprogramm Vorreiter. Das wird in der EU so gesehen, aber auch international. So wird das Regierungsprogramm beispielsweise an der Stan­ford University vorgestellt und dort mit den Studentinnen und Studenten auch diskutiert werden, wenn dann Reisen wieder möglich ist. Man sieht schon die Vorreiterrolle dieser Bundesregierung in der ganzen Welt, vor allem aber auch in Europa.

Über Mobilität und Landwirtschaft hat Kollege Dr. Raggl schon gesprochen. Wir unter­stützen natürlich den Brennerbasistunnel sehr stark. Die Ministerin und ich haben das sowohl bilateral in Deutschland und Italien als auch in Brüssel entsprechend deponiert. Da kannst du dir natürlich jeder Unterstützung sicher sein. Beim Koralmtunnel ist es ähnlich. Er ist selbstverständlich ein ganz wichtiges und entscheidendes Mobilitätspro­jekt auch dieser Bundesregierung.


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Vielleicht noch einen Satz zum Thema Resilienz der EU, weil wir das vorhin schon an­gesprochen haben: Die Covid-Krise hat gezeigt, dass gewisse Komponenten im Bereich erneuerbare Energietechnologie häufig außerhalb der Europäischen Union hergestellt werden. Wir müssen, so glaube ich, sicherstellen, dass gewisse Abhängigkeiten von globalen Wertschöpfungsketten unsere Dekarbonisierungsanstrengungen in Europa, aber auch in Österreich nicht gefährden. Die aktuelle Covid-Situation muss ein großer Anreiz für uns sein, die europäischen Wertschöpfungsketten entsprechend zu stärken. Das ist uns sehr wichtig. Die Chancen dieses Green Deal, die vorhin angesprochen wor­den sind, müssen und werden wir in den nächsten Jahren nützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.09

18.09.22


Präsident Robert Seeber: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.09.5210. Punkt

42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2018) (III-683-BR/2019 d.B. sowie 10340/BR d.B.)

11. Punkt

43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III-716-BR/2020 d.B. sowie 10341/BR d.B.)


Präsident Robert Seeber: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. – Ich bitte um die Berichte.


18.10.24

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 42. Bericht der Volksanwaltschaft, 1. Jänner bis 31. Dezember 2018, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 den Antrag, den 42. Bericht der Volksanwaltschaft, 1. Jänner bis 31. De­zember 2018, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf Ihnen auch den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 43. Bericht der Volksanwaltschaft, 1. Jänner bis 31. Dezember 2019, zur Kennt­nis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 2020 den Antrag, den 43. Bericht der Volksanwaltschaft, 1. Jänner bis 31. De­zember 2019, zur Kenntnis zu nehmen.



BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 160

Präsident Robert Seeber: Ich danke für den Bericht.

Ich darf die drei Volksanwälte Werner Amon, Dr. Walter Rosenkranz und Mag. Bernhard Achitz sehr herzlich im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr dieses.


18.12.28

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Volksanwaltschaft wurde einge­richtet, um Bürgerinnen und Bürger bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen, Defizite in der Verwaltung aufzuzeigen und nach Möglichkeit zu korrigieren. Weiters ist die Volksanwaltschaft für den Schutz der Menschenrechte in unserem Lande zuständig. Sie hat den Auftrag, Einrichtungen zu überprüfen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt werden.

Über ihre Arbeit in den Jahren 2018 und 2019 hat sie Berichte verfasst, die wir heute behandeln. Interessant ist, dass in beiden Jahren die Zahl der Beschwerden zurückge­gangen ist, was auf die geringere Zahl der Fälle in Asylangelegenheiten zurückzuführen ist. In beiden Jahren haben sich aber über 16 000 Menschen mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft gewandt.

Der Bericht für das Jahr 2018 ist nicht mehr ganz aktuell, aber doch sehr relevant. 2019 haben sich rund 29 Prozent aller Prüfverfahren auf den Bereich Arbeit, Soziales und Gesundheit bezogen. Den verfassungsrechtlichen Auftrag, die Einhaltung von Men­schenrechten zu schützen und zu fördern, hat die Volksanwaltschaft mit Kontrollen von öffentlichen und privaten Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt sind, wahrgenommen.

Als Seniorenvertreterin möchte ich mich näher auf diesen Berichtsteil einlassen, weil es da auch um Alten- und Pflegeheime geht. Die Expertenkommissionen haben 2019 505 Kontrollen durchgeführt. Bei 77 Prozent der präventiven Kontrollen sahen sich die Kommissionen veranlasst, die menschenrechtliche Situation zu beanstanden. Ergebnis dieser Prüftätigkeit sind zahlreiche Empfehlungen, die menschenrechtliche Standards in den Einrichtungen gewährleisten sollen. Viele Missstände und Gefährdungen konnten dadurch beseitigt werden.

Bei Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen geht es nicht nur darum, dass Menschen eingesperrt oder mithilfe medikamentöser Ruhigstellung ihrer Freiheit beraubt werden, sondern es geht vor allem darum, das Normalitätsprinzip zu beachten. Die Men­schen sollen in den Pflegeeinrichtungen möglichst ihre früheren Lebensgewohnheiten weiter fortsetzen können, also in Privatkleidung, mit privaten Gegenständen und mit Es­sens- und Schlafenszeiten leben, die ihrer Gewohnheit entsprechen, also beispielsweise nicht schon am späteren Nachmittag das Abendessen bekommen und bettfertig ge­macht werden. Selbstverständlich sollte es sein, dass Heimbewohner ins Freie gehen können und Privatsphäre haben. Sie müssen die Möglichkeit haben, persönliche Dinge zu versperren und natürlich hauptsächlich über Pflege und medizinische Betreuung mit­zubestimmen.

Dankenswerterweise wurden 2019 – so wie in früheren Jahren auch – viele Verbes­serungsvorschläge der Volksanwaltschaft umgesetzt. Leider sind viele Probleme im Per­sonalmangel begründet. Mehr Personal ist wahrscheinlich der Schlüssel für menschen­würdige Bedingungen. Dies gilt auch für das Thema Aggression und Gewalt. Die Erstel­lung und Umsetzung von Gewaltpräventionskonzepten sollte Voraussetzung dafür sein, dass Einrichtungen anerkannt und gefördert werden.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 161

Auf die übergroße Zahl von Medikamentenverschreibungen in den Heimen hat die Volks­anwaltschaft ebenfalls hingewiesen. Sie bezeichnet diese als gefährliche Medikamen­tencocktails, weil in vielen Fällen mehr als acht Dauermedikamente verschrieben wur­den. Das geriatrische Medikationsmanagement in stationären Einrichtungen sollte öster­reichweit umgesetzt werden. Bei Zusammenarbeit von Pflegepersonal, Ärzten und Apo­theken können Medikamente häufig abgesetzt werden, in diesem Fall wirklich zum Woh­le des Patienten. Ich selbst kann von einem Fall in meinem Umfeld berichten, in dem nach einschneidender Änderung der Medikamentengabe eine alte Dame wieder hell­wach und lebensfroh geworden ist.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch das Problem ansprechen, dass bestimmte Medi­kamente, Impfstoffe und Medizinprodukte in Österreich nicht mehr lieferbar sind – wir haben das heute auch schon von einem Kollegen gehört. Die Produktion wird aus Europa in andere Erdteile verlagert, meistens aus Kostengründen, und gerade in der Coronaviruskrise haben wir gesehen, wie wir darunter leiden. Deshalb danke ich dem Gesundheitsministerium, das mit der Verordnung vom 1. April dieses Jahres schon auf das Prüfverfahren der Volksanwaltschaft reagiert hat. Die Verordnung sieht Meldepflich­ten und auch Exportverbote als Möglichkeit vor. Frau Bundesminister Margarete Schram­böck bemüht sich auch, die Produktion in unserem Land zu halten und zu steigern.

Beide Jahresberichte, 2018 und 2019, sind umfangreich und detailliert, und es rentiert sich wirklich, sie zu lesen. Ich danke den Volksanwälten für diese ausführlichen Darstel­lungen.

Abschließend möchte ich den im letzten Jahr ausgeschiedenen Volksanwälten für ihre wertvolle Arbeit danken, denn durch ihr Wirken haben sie Fehlentwicklungen und Miss­stände aufgezeigt und Verbesserungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Dadurch ist es in vielen Fällen zu tatsächlichen Verbesserungen gekommen. Den neuen Volksanwälten wünsche ich für ihre Arbeit viel Erfolg und danke ebenfalls für ihr beharrliches Wirken. (Allgemeiner Beifall.)

18.19


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


18.19.22

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Meine Herren Volksan­wälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja schon in der Ausschusssitzung vor zwei Tagen die Expertise von Herrn Mag. Bernhard Achitz und von Herrn Dr. Walter Ro­senkranz hören dürfen. Die Berichte sind allen Fraktionen zugegangen, und es war sehr umfassend, was da berichtet wurde.

Die Volksanwaltschaft ist, und das hat Kollegin Klara Neurauter schon festgestellt, eine sehr wichtige Einrichtung. In den 1970er Jahren war es Bruno Kreisky, der sie ins Leben gerufen hat; seit 1978 gibt es die Volksanwaltschaft schon. Heute darf ich zu insgesamt 850 Seiten – für die Jahre 2018 und 2019 – ein bisschen etwas sagen. Lassen Sie mich auch noch den damaligen Volksanwälten, nämlich Frau Dr. Gertrude Brinek, Dr. Günther Kräuter und Dr. Peter Fichtenbauer, ein Dankeschön sagen für den Bericht 2018; auch Sie haben sehr, sehr tolle Arbeit gemacht. (Allgemeiner Beifall.)

Kollegin Klara Neurauter hat dazu bereits etwas gesagt, ich möchte einen Vergleich zwi­schen 2018 und 2019 bringen, damit es ein bisschen zeitökonomischer wird. 30 Prozent der Prüfverfahren betrafen 2018 den Bereich Arbeit und Soziales, 2019 waren es dann 29 Prozent – dieser Bereich steht also an der Spitze. Dann kommt der Bereich Innere Sicherheit, der circa 23 Prozent abdeckt, das sind in Zahlen 1 119 Fälle. Im Jahr darauf hatten wir ungefähr 1 000 Fälle, das sind knapp 20 Prozent. Im Bereich der Justiz gab es 2018 936 Prüfverfahren, 2019 hatten wir in diesem Bereich rund 22 Prozent.


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Ich möchte kurz auf die Bereiche der Kollegen von 2018, beispielsweise eben von Dr. Pe­ter Fichtenbauer eingehen. Was waren seine Schwerpunkte? – Die „schwer nachvoll­ziehbaren Formulierungen“ bei der Mathematikzentralmatura, das war einer der Kritik­punkte, die er angebracht hat. „Scheinanmeldungen“ machen Unterkunftseigentümern das Leben schwer – ich glaube, das war damals sogar Thema im der Fernsehsendung „Bürgeranwalt“. Ungenügender Brandschutz in Polizeianhaltezentren – das zieht sich dann schon durch –, auch die davor erwähnte Personalknappheit in Polizeiinspektionen und vor allem auch die bauliche Ausstattung von Polizeiinspektionen. – Das waren die Bereiche von Dr. Peter Fichtenbauer.

Dr. Günther Kräuter behandelte das Thema Heimopferrente und kritisierte die schlep­pende Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Er hat das, und das darf ich zitieren, so gesagt: „Personen, die als Kinder oder Jugendliche [...] in einem Heim, bei einer Pfle­gefamilie oder in einer Krankenanstalt Opfer eines Gewaltdeliktes wurden, können seit 1. Juli 2017 eine Zusatzrente in der Höhe von 306,60 Euro [...] erhalten.“ Wer „bereits eine pauschalierte Entschädigung erhalten“ hat, bekommt „die Rente ohne neuerliche Prüfung der Gewalterlebnisse. In allen übrigen Fällen beurteilt die Rentenkommission der VA den Sachverhalt.“

Seit 2017 bearbeitete diese Rentenkommission mehr als 1 000 Anträge. Im Jahr 2018 beschäftigte sich die Kommission mit insgesamt 342 Anträgen, und in 322 Fällen be­schloss das Kollegium der Volksanwaltschaft nach sorgfältiger Prüfung durch die Ren­tenkommission eine positive Empfehlung.

Kräuter schrieb damals aber auch: „Sehr kritisch ist anzumerken, dass Auskunftsersu­chen an die Katholische Kirche oftmals sehr schleppend und wenig motiviert bearbeitet wurden.“ Er hielt schon damals fest, dass das inakzeptabel ist – Zitat –: „Die ungebühr­lich lange Auskunftsdauer ist für die hochbetagten und schwer kranken Antragstellerin­nen und Antragsteller unerträglich.“ Als Vorsitzender der Rentenkommission hat Kräuter damals schon mit Kardinal Christoph Schönborn und Generalvikar Nikolaus Krasa Ge­spräche geführt. Schönborn versicherte damals, sich persönlich für eine bessere Zusam­menarbeit einzusetzen.

Dr. Gertrude Brinek hat 2018 Mängel im Strafvollzug aufgezeigt. Sie setzte sich elf Jahre als Volksanwältin dafür ein, diese Defizite im österreichischen Justizsystem zu beheben. Die geplante Reform des Straf- und Maßnahmenvollzugs lasse aber weiterhin auf sich warten, sagte sie damals. Bereits 2014 forderte die Volksanwaltschaft eine grundlegen­de und tief greifende Reform des Straf- und Maßnahmenvollzugs. Die Unterbringung sollte künftig in modernen forensisch-therapeutischen Zentren auf Behandlung und Be­treuung ausgerichtet erfolgen. Bis zum damaligen Zeitpunkt gab es jedoch noch keinen Entwurf dazu.

Ich darf jetzt zur Bilanz 2019 kommen, zum Bereich des Volksanwalts Werner Amon, der in der Nachfolge von Dr. Günther Kräuter auch Generalsekretär des International Ombudsman Institute geworden ist. Er hat sich in diesem Jahr aber auch hinsichtlich der baulichen Zustände und Infrastruktur in den Haftanstalten starkgemacht. Unter vielen andern Punkten kritisierte die Volksanwaltschaft im Bericht 2019 den baulichen Zustand und die Infrastruktur in einzelnen Haftanstalten. So sind beispielsweise viele Hafträume in einem völlig desolaten Zustand. Es sind enge, überbelegte Hafträume bei einer Ein­sperrdauer von 23 Stunden. In einigen Zellen gibt es Schimmelbefall. Sanitäranlagen sind nicht in Ordnung, nur notdürftig vom Haftraum getrennt und ohne Lüftung. Großteils ist das Mobiliar defekt. Diese Haftbedingungen unterschreiten deutlich jeden erwartba­ren Mindeststandard. Im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wurde diese Kritik angesichts der mit Fotos dokumentierten Missstände zur Kenntnis genommen, und man war ziemlich betroffen.


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Ich darf zum Bereich von Mag. Bernhard Achitz kommen. Mag. Bernhard Achitz hat sich im letzten Jahr für die Heimopferrenten eingesetzt. Menschen, die als Kinder oder Ju­gendliche in einem Heim, bei einer Pflegefamilie oder in einer Krankenanstalt Opfer eines Gewaltdeliktes wurden, können seit 2017 eine Zusatzrente in der Höhe von 314,60 Euro – das war eben der Wert 2019 – beantragen. Wer bereits einen pauscha­lierten Betrag erhalten hat, bekommt diese Rente ohne neuerliche Prüfung der Gewalter­lebnisse. In allen übrigen Fällen beurteilt die Rentenkommission der Volksanwaltschaft den Sachverhalt. Diese Kommission trat 2019 immerhin 15 Mal zusammen und befasste sich mit insgesamt 372 Anträgen. In 338 Fällen wurde empfohlen, dem Antrag stattzuge­ben, und in 29 Fällen, diesen abzulehnen. Fünf Anträge wurden zur weiteren Überprü­fung zurückgestellt.

Noch ein Thema, das sehr, sehr wichtig war, war das jahrelange Warten auf Kinderbe­treuungsgeld. Viele Familien wandten sich damals wegen Problemen mit dem Kinderbe­treuungsgeld, wenn ein Elternteil im EU-Ausland arbeitet, an die Volksanwaltschaft. Meistens handelt es sich um Familien, die mit ihren Kindern in Österreich leben. Oft sind sogar Alleinerziehende betroffen, und manche haben schon fünf Jahre auf eine Erledi­gung gewartet. Für Volksanwalt Achitz ist das untragbar.

Die Situation ist existenzbedrohend, vor allem für Alleinerziehende, bei denen das Geld ohnedies meist knapp ist und die nicht wissen, wie sie ohne dieses Kinderbetreuungs­geld überhaupt überleben sollen. Das Familienministerium geht auf juristische Argumen­te der Volksanwaltschaft nicht ein, sondern hält ohne rechtliche Begründung an seiner Vorgangsweise fest. Die Volksanwaltschaft drängt bereits seit 2008 auf eine Lösung, und jährlich kommen Dutzende neue Fälle dazu. Das Kollegium sah sich daher im Jän­ner 2020 veranlasst, sich in Form einer Missstandsfeststellung und einer Empfehlung an das zuständige Familienministerium zu wenden. Mittlerweile hat Bundesministerin Chris­tine Aschbacher geantwortet. Es werden zwar einige Anregungen aufgegriffen, die meis­ten Vorschläge werden aber leider weiterhin ignoriert.

Die Volksanwaltschaft verlangt vom Familienministerium, dass die Missstände umge­hend beseitigt werden. Bernhard Achitz dazu: „Die Verwaltung muss bürgerfreundlich und serviceorientiert handeln, statt Familien in existenzielle Krisen zu stürzen“.

Last, but not least zum Bereich von Dr. Walter Rosenkranz: Er hat sich, das hat er auch im Ausschuss schon thematisiert und das war sehr interessant, den Problemen nach der Ummeldung eines Kfz im Zusammenhang mit der Asfinag gewidmet. Sehr viele Be­schwerdeführer haben sich an die Volksanwaltschaft gewandt, weil sie bei der Fahrzeug­ummeldung auf die ebenfalls erforderliche Ummeldung der digitalen Autobahnvignette vergessen hatten. Sie erhielten daraufhin, obwohl sie eine Vignette gekauft hatten, eine Ersatzmautforderung der Asfinag. Diese Forderung traf erst mit Verspätungen von bis zu zwei Monaten ein, und Mehrfachstrafen von mehreren Hundert Euro, in einem Fall waren es sogar 600 Euro, waren die Folge.

Da die Asfinag als ausgegliedertes Unternehmen nicht der Prüfkompetenz der Volks­anwaltschaft unterliegt, regte Volksanwalt Dr. Rosenkranz gegenüber dem Verkehrsmi­nisterium Verbesserungen an. Schon beim Kauf im Internet oder im Geschäft sollte auf diese Problematik hingewiesen werden. Die Mautordnung wurde mittlerweile – Ende März 2020 – abgeändert. Wenn die Asfinag innerhalb von 30 Tagen Mehrfachverstöße gegen die Mautpflicht feststellt, wird sie für maximal drei Fälle die Ersatzmaut fordern.

Meine Damen und Herren, das waren die Berichte der Jahre 2018 und 2019 der Volks­anwaltschaft. – Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)


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18.30


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer. Ich erteile ihm dieses.


18.30.15

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen und auch etwaige Zuseher zu Hau­se! Ich möchte mich vorab für die freiheitliche Fraktion bei den drei Volksanwälten und natürlich auch bei den Vorgängern sowie allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Volksanwaltschaft für ihre umsichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit bedanken. (Bei­fall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich greife aus den Berichten der Jahre 2018 und 2019 zwei wichtige Themenbereiche auf, die auf unterschiedliche Weise einerseits die Notwendigkeit, aber andererseits auch die – sagen wir es jetzt einmal salopp – Strapazierfähigkeit dieses Kontrollorgans darle­gen. Diese zwei Themenkomplexe sind nicht nur mir persönlich ein Anliegen, sondern bei diesen zwei Themenkomplexen hat die FPÖ immer klar Position bezogen.

Zum Ersten: die schon vorhin angesprochene Heimopferrente und die Notwendigkeit einer dauerhaften Überprüfung durch die Volksanwaltschaft. Da möchte ich die Ausfüh­rungen meines Vorredners schon ergänzen, ich möchte nämlich nicht nur die kirchlichen Malversationen beleuchten, sondern vor allem auch das, was hier im rot-grünen Wien passiert ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das hat er geflissentlich ausge­lassen. 2017 wurde das Heimopferrentengesetz als Auffang- und Ergänzungstatbestand erlassen, um all denjenigen Personen – das haben wir ja schon gehört – eine Pension zuzuerkennen, die als Heim- oder Pflegekinder Misshandlungen, Missbrauch oder De­mütigungen ausgesetzt waren. Grund für dieses Gesetz war aber vor allem der Um­stand, dass sich die Bundesländer, in deren Wirkungsbereich ja die Jugendwohlfahrt fällt, einfach aus der Verantwortung geschlichen haben. Die Entschädigungsfonds der Länder wurden teilweise frühzeitig, wie in Wien, geschlossen oder waren unterdotiert, auch in Wien.

So möchte ich eben das rot-grüne Wien speziell herausnehmen, wo nach jahrzehnte­langem Totschweigen und Verharmlosen im Jahr 2011 doch die sogenannte Helige-Kommission zur historischen Aufarbeitung der Kindesmisshandlungen eingerichtet wor­den ist. In der Folge wurde zwar eine Entschädigung für die Opfer gewährt, diese ist aber als Einmalzahlung in Höhe von 5 000 bis – bei besonderen Härtefällen – maximal 20 000 Euro erfolgt. Das ist ein Hohn für jedes dieser Verbrechensopfer, wenn Sie ver­gleichen und sehen, dass die Stadt Wien für einen Asylberechtigten locker 12 000 Euro pro Jahr springen lässt. Da müssen wir schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass margina­lisierte Gruppen wie die Heimopfer, hinter denen eben keine NGO wie SOS Mitmensch steht, hinter denen keine Plattform wie Asyl in Not steht, hinter denen kein Verein wie Flüchtlinge willkommen steht, erbarmungslos im Regen stehen gelassen werden. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.)

Die Volksanwaltschaft legte glücklicherweise den Finger in die Wunde und steht all den Heimopfern, die von der Politik links liegen gelassen werden, weiterhin mit Rat und Tat zur Seite.

Zum Zweiten: das Asyl- und Fremdenwesen und die Strapazierfähigkeit der Volksanwalt­schaft. Die beiden Berichte zeigen auf, dass 2018 rund ein Viertel und 2019 rund ein Fünftel aller Prüfverfahren im Bereich Asyl- und Fremdenwesen eingeleitet worden sind. In absoluten Zahlen sprechen wir von rund 1 000 Personen beziehungsweise Prüffällen. Dabei ist schon auffallend, wie gesetzesprofund und sprachgewandt sich Asylwerber und Asylberechtigte in Österreich bewegen, dass sie sich zielsicher mit ihren Beschwer­den an die Volksanwaltschaft zu wenden vermögen. – Aber natürlich, wenn Schwarz, Rot, Grün Millionen für NGOs, Plattformen und Vereine zur Verfügung stellen, wird ei­nem bald klar, dass Dolmetscher und anwaltliche Vertretung keine Frage des Geldes mehr sind. Bedauerlicherweise kommen Heimopfer nicht in diesen Genuss. (Beifall bei


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der FPÖ.) Das heißt, wir sehen eine Trennung unter den marginalisierten Gesellschafts­gruppen und bedauerlicherweise auch unterschiedliche Bewertungen.

Das Gros der Beschwerden betrifft die Dauer der Asylverfahren – wirklich eine Kuriosität, wenn man sich vor Augen hält, dass sich die Verfahren gerade durch das Ausschöpfen jedes rechtlichen Schlupfwinkels automatisch in die Länge ziehen. Dies wird dann per­fide als Beschwerde eingereicht, alles natürlich begleitet von NGOs, Plattformen und Vereinen im Sinne der Menschenrechte. Bedauerlicherweise enden die Menschenrechte für diese hoch subventionierten Organisationen bei den Heimopfern.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur jetzigen Situation, da es ja auch noch einen Aus­blick auf 2020 gegeben hat: In einem Statusbericht wurde von den jetzigen Volksanwäl­ten festgehalten, dass die Fallzahlen besonders im Zusammenhang mit Covid-19-Rege­lungen steigen werden. Es werden Beschwerden zu Auszahlungen aus dem Härtefall­fonds und Beschwerden wegen Verwaltungsübertretungen in Bezug auf Covid-19-Res­triktionen kommen. Diesbezüglich hat die Volksanwaltschaft beispielsweise vom Innen­minister den Leitfaden der Polizei erbeten und vom Ressortchef die eigentümliche Ant­wort erhalten, dass eigentlich das Gesundheitsministerium dafür zuständig sei. Wir kön­nen dem nächstjährigen Bericht also mit besonderer Spannung entgegensehen.

Summa summarum noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Volksanwaltschaft, auch wenn in dem einen oder anderen Bereich bei den Mitarbeitern der Eindruck ent­stehen muss, einer Sisyphusarbeit nachzugehen, für die dieses Kontrollorgan eigentlich nicht gedacht war. (Beifall bei der FPÖ.)

18.36


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


18.36.18

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte meine Redezeit jetzt eigentlich nicht dazu benutzen, um auf meinen Vorredner einzugehen, aber vielleicht kann das jemand von den Herren Volks­anwälten dann feststellen: Ein Verwaltungsverfahren sollte in Österreich eigentlich bin­nen sechs Monaten abgeschlossen sein. Und Asylwerber wenden sich nicht an die Volksanwaltschaft, nachdem sie jedes Rechtsmittel ausgeschöpft haben, sondern genau dann, wenn diese sechs Monate überschritten werden (Zwischenruf des Bundesrates Saurer); also das war meiner Meinung nach ein bissel daneben.

Ja, ich möchte mich bei der Volksanwaltschaft für die umfassenden Jahresberichte und die vielfältigen Tätigkeiten bedanken. In den Berichten geht die Volksanwaltschaft auf viele Missstände ein, aber auch auf behobene Mängel. Wie schon von meiner Vorred­nerin gesagt worden ist: Insgesamt langen jährlich circa 16 000 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein.

Neben der Behandlung der Beschwerden ist aber eine der Hauptaufgaben der Volksan­waltschaft der präventive Schutz der Menschenrechte. Hierfür führt die Volksanwalt­schaft als nationaler Präventionsmechanismus, der umgangssprachlich auch als Kom­mission bezeichnet wird, Präventivbesuche in Einrichtungen durch, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt werden; das sind Justizanstalten und Polizeianhaltezentren, aber auch Alten- und Pflegeheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, psy­chiatrische Abteilungen von Krankenhäusern oder Jugendwohlfahrtseinrichtungen.

Im Jahre 2018 führte die Kommission der Volksanwaltschaft 520 solche Besuche durch; die meisten davon, nämlich 94 Prozent, waren nicht angekündigt. In 82 Prozent der Fälle sah sich die Kommission veranlasst, die menschenrechtliche Situation zu beanstanden.


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Dazu möchte ich auf den Bereich des am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen 2. Erwachse­nenschutz-Gesetzes näher eingehen, welches die ehemalige Sachwalterschaft refor­mierte. Jetzt wird der Selbstbestimmung, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen ist, tatsächlich auch Rechnung getragen. Unterstützung vor Stellvertretung lautet der Grundsatz, und dem tragen auch die vier Vertretungsmöglichkeiten Rechnung: Vorsorgevollmacht, gewählte Erwachsenenvertretung, gesetzliche Erwachsenenvertre­tung und gerichtliche Erwachsenenvertretung. (Bundesrat Steiner: ... unter freiheitlicher Ministerin! Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Entscheidend ist, dass die Rechte von Menschen mit psychischer Erkrankung oder intel­lektueller Beeinträchtigung nicht automatisch eingeschränkt werden. Das neue Gesetz sieht – im Gegenteil – vor, dass Menschen mit einer Erwachsenenvertretung ohne Zu­stimmung ihrer Vertreterin oder ihres Vertreters entscheiden können, ob sie nun mit ih­rem eigenen Geld neue Möbel anschaffen, einen Mietvertrag unterschreiben und vieles mehr.

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist noch am ehesten mit der ehemaligen Sach­walterschaft vergleichbar, aber auch da haben sich grundlegende Parameter verändert. Die Angelegenheiten, für welche eine Erwachsenenvertreterin beziehungsweise ein Er­wachsenenvertreter vom Gericht bestellt wird, müssen genau von diesen beschrieben sein. Eine Vertretung für alle Angelegenheiten, wie ehemals üblich, ist nicht mehr vor­gesehen. Hinzu kommt auch, dass die Vertretung auf drei Jahre beschränkt ist, danach wird neuerlich geprüft, ob die Erwachsenenvertretung nach wie vor in diesem Umfang nötig ist, oder ob sich in der Zwischenzeit neue Möglichkeiten aufgetan haben. Diese Überprüfung findet im Rahmen sogenannter Clearings statt.

Immer wenn es zu einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung kommt, erfolgt im Vorfeld zwingend eine Abklärung durch einen Erwachsenenschutzverein. In diesem Prozess gilt es sich ein Bild der zu vertretenden Personen sowie von ihrem Umfeld zu machen. Auf diese Weise soll geklärt werden, welche Angelegenheiten zu besorgen sind, wo Unter­stützung benötigt wird und welche Rolle das soziale Umfeld spielen kann. Ziel ist es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um für die Menschen eine passende Unterstützung oder Vertretung zu finden, und das muss nicht immer die gerichtliche Erwachsenenvertretung sein.

Dass das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz seine Wirkung entfaltet, zeigt sich auch im Be­richt der Volksanwaltschaft, in dem sich die Beschwerden zum Sachwalterrecht um rund ein Drittel reduzierten. Die Volksanwaltschaft wird die weitere Entwicklung in diesem Bereich genau verfolgen, ob Österreich der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon­vention insbesondere im Bereich der gerichtlichen Vertretung auch weiterhin gerecht wird.

Auch der Bereich der Pflege wird im Bericht der Volksanwaltschaft besprochen. Die Si­cherstellung menschenwürdiger Pflege war einer der Schwerpunkte, die sich die Volks­anwaltschaft für ihre Arbeit 2018 gesetzt hatte. Zur Verbesserung der Situation in den Pflegeheimen, für deren Betrieb die Bundesländer zuständig sind, wird neben einheitli­chen Standards auch die Bindung der Pflegefondsmittel – aktuell sind das 336 Millionen Euro – an Qualitätskriterien empfohlen.

Corona hat uns gezeigt, dass unser Pflegesystem der Krise in gewissen Bereichen nur schwer bis gar nicht standhalten konnte. In der Krise hat sich erneut die Abhängigkeit von ausländischen Betreuungskräften für die 24-Stunden-Betreuung gezeigt. Mehr Per­sonal in Österreich ist daher dringend notwendig, und es gilt, dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, denn der Bedarf an Pflegekräften wird laut einer Wifo-Studie bis ins Jahr 2050 um 80 000 Personen steigen. Zur Attraktivierung des Pflegebe­rufes, um Missstände resultierend aus Personalmangel zu unterbinden, brauche es aber


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verbesserte Rahmenbedingungen, wie gesundheitsfördernde Maßnahmen für das Per­sonal in Pflegeeinrichtungen.

Ganz aktuell möchte ich von meiner Seite auch noch sagen, dass die Idee der Einfüh­rung einer Pflegelehre, die es derzeit gibt, das Problem der fehlenden Pflegekräfte zwar in Diskussion bringt, aber noch viel weitreichender diskutiert werden muss. (Beifall der Bundesrätin Schumann.) Der Pflegebereich ist hochsensibel, eine Lösung der Pflege­problematik wird ein Zusammenspiel aus verschiedenen Komponenten sein müssen.

Lassen Sie mich vielleicht noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das speziell Ober­österreich betrifft und von der Volksanwaltschaft weitreichend bearbeitet wurde: die Wohnbeihilfe. In Oberösterreich ist die Wohnbeihilfe ein wichtiger Bestandteil zur Abde­ckung von Mietkosten. Mit der Wohnbeihilfe soll insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen, kinderreichen Familien, Studierenden und Lehrlingen, Alleinverdienerinnen und Alleinverdienern sowie Pensionistinnen und Pensionisten ein leistbares Wohnen ermöglicht werden.

Leider gab es schon in der Vergangenheit eine massive Ungleichbehandlung bei der Erlangung der Wohnbeihilfe von eigentlich mit ÖsterreicherInnen gleichzustellenden Asylberechtigten. Wie hinlänglich bekannt ist, ist der Wohnungsmarkt allgemein auf einem Preisniveau angelangt, bei dem Mietzahlungen einen Hauptteil des Einkommens verschlingen. Gemäß einer Verordnung wurden nun in Oberösterreich zusätzliche Hür­den geschaffen, die es bestimmten, meist schon vulnerablen Drittstaatsangehörigen nun fast unmöglich machen, Wohnbeihilfe zu erhalten. Die Volksanwaltschaft hat sich mit dieser Materie beschäftigt und festgestellt, dass eine Vielzahl von Beschwerden berech­tigt ist. Es geht sogar so weit, dass die Vergaberichtlinien für die Wohnbeihilfe in Oberös­terreich von der Volksanwaltschaft als teilweise EU-rechtswidrig einzustufen sind.

Aufgrund persönlicher Situationen sind diese Bedingungen – Erbringung des Nachwei­ses über entsprechende Deutschkenntnisse, Beschäftigungsnachweise – teilweise nicht erfüllbar. So besteht die Möglichkeit, durch ein amtsärztliches Gutachten den Beweis zu führen, dass von der Erbringung eines Nachweises zum Beispiel von Deutschkenntnis­sen abzusehen ist. Genau die Beauftragung dieser Gutachten durch das Land Oberöster­reich scheiterte aber vielmals, es kam zu nicht vertretbaren Zeitverzögerungen, die die Be­troffenen in existenzielle Schwierigkeiten brachten. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Beispielsweise sollte ein 77-jähriger Krebspatient nach über 40 Jahren Aufenthalt in Ös­terreich eine Deutschprüfung ablegen. Geboren 1941, war er seit 1972 ununterbrochen rechtmäßig in Österreich, Jahrzehnte als Arbeiter in der Industrie beschäftigt, seit 2009 in Alterspension, an Krebs leidend, Nierenentfernung, erkrankt an Parkinson, beidseiti­gem Tinnitus, Diabetes, Gastritis und Depression (Bundesrat Steiner: Ja aber nach 40 Jahren wird er wohl ..., sei mir nicht böse!), seine Frau hatte kein eigenes Einkom­men – die Wohnbeihilfe war bisher eine wichtige Unterstützung, um sich das Wohnen leisten zu können. Aufgrund der neuen Gesetzeslage musste Herr Y. nun eine Deutsch­prüfung nachweisen. Wegen seiner Erkrankung ist ihm ein Kursbesuch nicht möglich. Er bekommt keine Wohnbeihilfe mehr. (Bundesrat Steiner: Braucht er ... nach 40 Jahren!)

Oder Frau E.: Die Mutter von vier Kindern pflegte ihren Ehemann bis zu seinem Tod und kann nun die erforderlichen Einkommensnachweise nicht erbringen. Geboren 1973, spricht sie Deutsch auf B1-Niveau, ist seit 2004 ununterbrochen in Österreich, war bis 2015 als Arbeiterin beschäftigt; ab 2016 übernahm sie die Pflege ihres todkranken Ehe­mannes und konnte daher keiner zusätzlichen Erwerbstätigkeit nachgehen. (Bundesrat Steiner: Was glaubst, wie es einheimischen Familien geht?) Nach dem Tod des Ehe­mannes wurde die Gewährung der Wohnbeihilfe durch das Land Oberösterreich einge­stellt, weil sie die erforderlichen Einkommensnachweise in den vergangenen fünf Jahren nicht erbringen konnte. Frau E. bekommt keine Wohnbeihilfe mehr.


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Experten schätzen, dass rund 3 000 Haushalte von den neuen Beschränkungen der Wohnbeihilfe betroffen sind. Laut den Förderberichten des Amtes der Oberösterreichi­schen Landesregierung habe sich im Vergleich zu 2010 die Summe der ausbezahlten Wohnbeihilfen im Jahr 2018 um ein Drittel verringert. Die Anzahl der Beziehenden sei im gleichen Zeitraum um ein Viertel gesunken. Von den vom Beschwerde führenden Verein vorgebrachten vier Fällen erfolgte in drei Fällen keine amtsärztliche Zuweisung, in einem Fall erfolgte die Zuweisung erst nach sieben Monaten.

Zusammenfassend hat die Volksanwaltschaft in Bezug auf die Missstände bei der Ge­währung von Wohnbeihilfe Wesentliches festgestellt: Es wurde die Diskriminierung von Frauen nach der alten Rechtslage festgestellt; dabei geht es darum, dass den Frauen die Kinderbetreuungszeiten nicht auf die Zeiten der Erwerbstätigkeit angerechnet wer­den. Es liegen sogar mittlerweile – Stand Mai 2019 – drei zweitinstanzliche und rechts­kräftige Gerichtsentscheidungen vor, in welchen das Land Oberösterreich wegen Diskri­minierung aufgrund des Geschlechts bei der Wohnbeihilfe verurteilt wurde. (Bundesrat Steiner: Zeit ist aus!) Die Volksanwaltschaft stellt fest, dass die Nichtanrechnung von Kinderbetreuungszeiten nach alter Rechtslage bei der oberösterreichischen Wohnbeihil­fe eine nicht zulässige Diskriminierung darstellt und Schadenersatzpflichten des Landes auslöst. Die Volksanwaltschaft empfiehlt daher, alle gerichtsanhängigen Fälle streit­schlichtend beizulegen und die Betroffenen klaglos zu stellen. (Bundesrat Steiner: Zeit ist aus!) In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach den Erfah­rungen der Volksanwaltschaft generell nur wenige Betroffene den Gang zu Gericht auf sich nehmen, weshalb alle von dieser diskriminierenden Regelung betroffenen Frauen schadlos zu halten sind. (Bundesrat Steiner: Zeit ist aus!)

Eine sehr wichtige weitere Feststellung der Volksanwaltschaft betreffend diesen The­menbereich ist, dass die in Oberösterreich vorgesehenen Beschränkungen beim Zugang zur Wohnbeihilfe auch gegen EU-rechtliche Vorgaben verstoßen. (Bundesrat Steiner: Zeit ist immer noch aus!) In Artikel 11 der EU-Daueraufenthaltsrichtlinie steht nämlich geschrieben, dass langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige bei den Leis­tungen der sozialen Sicherheit, der Sozialhilfe und des Sozialschutzes den eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen sind.

Im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des EuGH sieht auch die Volksanwaltschaft besondere Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug der in Oberösterreich ausgezahlten Wohnbeihilfe für langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige und für Asylbe­rechtigte – also die Nichtauszahlung – als höchst bedenklich an. Der restriktive Vollzug der Härteklausel, mit dem gerade besonders schutzwürdige Gruppen ältere, kranke und behinderte Menschen – nachhaltig getroffen werden, trägt das Übrige dazu bei, dass diese unionsrechtlichen Bedenken nicht zerstreut werden, weil einzelfallbezogene Wür­digungen unterbleiben. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Diese Feststellung der Volksanwaltschaft und den damit geführten Beweis in der Sache selber sollte die oberösterreichische Landesregierung dringend zum Anlass nehmen, die Vergabekriterien für die Wohnbeihilfe zu verbessern. An diesen wenigen Beispielen, die ich genannt habe, zeigt sich, dass die Volksanwaltschaft eine mehr als wichtige Funktion ausübt. Sie sucht im Falle von Missständen intensiv nach Lösungen, bietet diese auch an, sodass durch die Empfehlung der Volksanwaltschaft an Verbesserungen gearbeitet werden kann. – Dafür an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank von meiner Seite. (Bei­fall bei den Grünen.)

18.50


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses.


18.50.24

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Volks­anwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher, die noch via Livestream dabei


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 169

sind! Gut, dass die Volksanwaltschaft auf Bundesebene im Jahr 1977 probeweise ein­geführt wurde. Gut, dass die Volksanwaltschaft im Jahr 1981 in der Bundesverfassung verankert wurde. Gut, dass die Volksanwaltschaft seit 2012 als nationaler Präventions­mechanismus auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig ist.

Gut, dass wir über die vorliegenden – und nun auch schon etwas in die Zeit gekomme­nen – Berichte 2018, 2019 diskutieren können und auch darüber abstimmen werden. Gut, und es spricht sicherlich für die Wertschätzung der anwesenden Volksanwälte, dass Sie auch dem fünften Redner zu diesem Thema noch Ihr Ohr schenken.

Was nimmt man wahr? – Wahr nimmt man eine Kernaufgabe der Volksanwaltschaft, und das ist die sogenannte nachprüfende Kontrolle. Das ist jene, die man am Samstag um 18 Uhr in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ erlebt: wenn irgendeine Behörde oder ein Verwaltungsorgan auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene nach Meinung eines Bürgers – gegendert natürlich auch –, einer Bürgerin einen Fehler begangen hat und er oder sie das als ungerecht erachtet. Für viele Menschen ist daher die Volksanwaltschaft die einzige Anlaufstelle, wenn sie im Kontakt mit den Behörden verzweifeln, etwa weil sie Entscheidungen der Verwaltung nicht nachvollziehen können oder auf Erledigung der Behörde unzumutbar lange warten müssen. In solchen Fällen können sich – und das ist ja der Sinn dieser großartigen Einrichtung – die Bürger kostenlos, kostenfrei – finde ich beinahe noch schöner – an die Volksanwaltschaft wenden.

Und jetzt kommt’s: Der Zugang zur Volksanwaltschaft ist ja ganz niederschwellig, man kann sich entweder telefonisch oder durch Ausfüllen eines Beschwerdeformulars zu ei­nem Sprechtag anmelden. Die Volksanwaltschaft geht ja auch hinaus in die Bundeslän­der, das ist auch für uns als Bundesländervertreter sehr wichtig. Sie wissen, Tirol und Vorarlberg haben eigene Landesvolksanwaltschaften, aber Sie (in Richtung Volksanwäl­te) führen ja trotzdem auch in diesen Ländern Ihre Arbeit zur Zufriedenheit aus. Es ist also ein wesentlicher Punkt, dass man sich diesen Kontakt nicht erarbeiten muss, son­dern ganz unbürokratisch unmittelbar, direkt und rasch sichern kann.

Die Zahlen wurden schon genannt; als fünfter, sechster Redner – wie gesagt, mehr gibt es in dem Fall eh nicht – wiederholt man die Zahlen klarerweise immer. Wiederholungen haben den Sinn, dass man sich das eine oder andere vielleicht doch merkt, denn gerade bei Zahlen verwischt vielleicht das eine oder andere etwas.

2018 waren es also rund 16 000 Menschen, 2019 in etwa gleich viele, die sich mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft gewandt haben, das waren im Jahr 2018 66 Be­schwerden pro Tag, 2019 waren es marginal – ein bissel – mehr, angeblich sind 67 Be­schwerden pro Arbeitstag eingelangt. In 48 Prozent aller Beschwerdefälle veranlasste die Volksanwaltschaft eine detaillierte Überprüfung; da wird ja nichts oberflächlich be­handelt. Bei 4 077 weiteren Beschwerden gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Missstand in der Verwaltung, bei 4 400 Beschwerden war die Volksanwaltschaft nicht zuständig, versuchte aber auch da, zu helfen – frei nach Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Rund 30 Prozent aller Prüfverfahren betrafen den Bereich Arbeit, Soziales und Gesund­heit, also eigentlich die ganz elementaren und lebensfundierten Bereiche unserer Mitbürger. Auf Landes- und Gemeindeebene ist ja schon seit mehreren Jahren das So­zialwesen das am meisten geprüfte Feld. So entfiel auch 2018 ein Großteil der Prü­fungsfälle – 29,9 Prozent, für alle, die sich sehr für Zahlen interessieren und sich sehr aufmerksam prozentmäßig damit beschäftigen – eben auf diesen Bereich, auf soziale Themen wie Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt und Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen. Bei den Prüfungsverfahren belegten die ersten drei Plätze im Län­derranking Wien, Niederösterreich und die Steiermark.


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Die Sicherstellung menschenwürdiger Pflege – das wurde heute schon von Kollegin Neurauter angesprochen – war einer der Schwerpunkte, die sich die Volksanwaltschaft für ihre Arbeit 2018 und natürlich auch 2019 gesetzt hat. Bei ihren Kontrollen in psy­chiatrischen Krankenanstalten wurde Etliches bemerkt, etwa dass die Räumlichkeiten zu eng waren, dass die Bettenkapazität zu gering, also die Anzahl der Patienten zu groß war, und oft wurden keine Rückzugsmöglichkeiten vorgefunden. Man hat also ganz wich­tige Dinge gesehen, und nicht nur gesehen, denn man schaut ja nicht nur hin und wieder weg, sondern versucht klarerweise, sofort etwas zu verändern, zu verbessern.

Das mit 1.7.2018 – auch schon erwähnt – in Kraft getretene 2. Erwachsenenschutz-Ge­setz, im Zuge dessen die Sachwalterschaft durch eine Erwachsenenvertretung ersetzt wurde, erfüllt die Erwartungen. Hauptziel des neuen Vertretungsmodells für in ihrer Ent­scheidungsfähigkeit eingeschränkte Personen war, den Betroffenen eine verbesserte Rechtsposition zu geben. Die Beschwerden zum Sachwalterrecht reduzierten sich bei der Volksanwaltschaft um rund ein Drittel.

Im Bereich Justiz litt der Straf- und Maßnahmenvollzug unter Personalnot. 936 Be­schwerden lagen vor, wobei ein Vielfaches aufgrund Zuständigkeit wieder an die unab­hängigen Gerichte weitergeleitet wurde.

2019 gab es, wie bereits angeführt, ungefähr gleich viele Beschwerden wie im Vorjahr, also rund 16 000 Beschwerden. Anlass zur Beschwerde gaben im Jahr 2019 besonders die Mängel in der Pflegegeldeinstufung sowie Probleme bei der Pensionszuerkennung und dem Arbeitslosengeld. Unverändert hoch ist das Beschwerdeaufkommen bei Men­schen mit Behinderung.

Auch auf die Altersdiskriminierung wurde großes Augenmerk gelegt, da es diese nicht nur 2018, 2019 gab, sondern auch heute nach wie vor gibt. Da muss sich einiges ent­sprechend verbessern, denn es kann nicht sein, dass Personen, nur weil sie altersmäßig in einem Bereich sind, wo sie vielleicht eben nicht mehr im Arbeitsprozess stehen, in verschiedenen Bereichen zurückgestellt werden, keine Versicherung oder überhaupt keinen Überziehungsrahmen bei Banken et cetera bekommen. Das kann es nicht sein, und die Volksanwaltschaft nimmt sich dieser Sache ganz vehement und stark an.

Seit 2017 ist die Volksanwaltschaft auch in der Polizeigrundausbildung mit einem eige­nen Ausbildungsmodul vertreten. Ziel ist es, den werdenden Polizistinnen und Polizisten die Aufgaben und die Arbeit der Volksanwaltschaft näherzubringen, um vor allem Ver­ständnis für diese Arbeit zu erzielen und entsprechend zu sensibilisieren. Kommissionen unterrichteten 2019 insgesamt 74 Klassen in elf Bildungszentren, von Wien, also der größten Stadt Österreichs, über Graz, Sankt Pölten, Linz, Feldkirchen, Traiskirchen, Ab­sam, Eisenstadt und Salzburg.

Auch Justizwachebeamtinnen und -beamte wurden seit 2017 im Zuge ihrer Ausbildung über die präventive Arbeit der Volksanwaltschaft unterrichtet. Gestatten Sie mir hier viel­leicht eine Anregung: Es sollte vielleicht angedacht werden, dieses Modul auch in die Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere des österreichischen Bundesheeres zu in­tegrieren; das wäre vielleicht nicht ganz verkehrt.

Bei den Polizeieinsätzen, die im Jahr 2019 beobachtet wurden, handelt es sich überwie­gend um Abschiebungen, Demonstrationen, polizeiliche Großaktionen, Razzien und Problemfußballspiele, die derzeit, da sie geisterhaft abgehalten werden, kein großes Problem darstellen dürften. Weiters geht es um 45 Beschwerdefälle im Bereich des Bun­desministeriums für Landesverteidigung, aber da lag der Schwerpunkt auf dienstrechtli­chen Angelegenheiten.

Also: In beiden Berichtsjahren, 2018 und 2019, konnte vielen Bürgerinnen und Bürgern professionell auf verschiedensten Ebenen geholfen werden, und es konnten zahlreiche Anregungen sowie Verbesserungen im Behördenbereich wahrgenommen werden.


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Ein großer Dank gebührt den Mitte 2019 ausgeschiedenen engagierten Volksanwälten – ich lasse jetzt die akademischen Titel weg, Sie gestatten mir das – Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer und den am 13.6.2019 vom Nationalrat neu gewählten und vom Bundespräsidenten angelobten Volksanwälten Werner Amon, Bern­hard Achitz und Walter Rosenkranz, die abgegrenzte Aufgabenstellungen überhaben – wir haben es ja heute schon gehört –, aber selbstverständlich alle Anliegen der Bürger aufnehmen und entsprechend ressortmäßig verteilen.

Großer Dank gebührt auch den rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und über 100 Expertinnen und Experten, die in den unterschiedlichsten Kommissionen tätig sind. Weiterhin viel Kraft, Freude, Erfolg und ein steirisches Glück auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.01


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Werner Amon. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Steiner: Nein, Moment noch!) – Pardon, das war ein Lapsus meinerseits.

Vorher gelangt noch Frau Kollegin Andrea Michaela Schartel zu Wort. – Bitte.


19.01.50

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Ich verzei­he Ihnen den Lapsus. (Heiterkeit der Rednerin.)

Meine Herren Volksanwälte! Werte Kollegen! Ich möchte in meiner Rede noch einmal auf die Erkenntnisse und Empfehlungen der Volksanwaltschaft betreffend die Jah­re 2018 und 2019 im gesamten Alten- und Pflegebereich eingehen, wobei ich ehrlich sagen muss: In meiner Vorbereitung hat mich das ein bisschen befremdet, dass die Volksanwaltschaft deshalb Alten- und Pflegeheime sozusagen überprüfen und kontrollieren darf, weil sie als potenzielle Orte des Freiheitsentzuges gelten. Das klingt für mich eigentlich sehr traurig, weil es ja eigentlich Orte des Wohlfühlens, der Betreu­ung, der Behütung sein sollten; aber wie dem auch sei, ich finde es sehr wichtig, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt.

Wie gesagt, es sind sehr, sehr viele Bereiche und Anregungen, die im Bericht vorkom­men, und vor allem eines ist ganz, ganz wichtig: Wie wahrscheinlich alle wissen, läuft der Pflegegeldfonds 2021 aus, und der wiederum ist die finanzielle Basis und Grund­stütze dafür, dass die Länder Gelder zur Verfügung bekommen, um die Aufwendungen im Zusammenhang mit der ganzen Thematik rund um die Alten- und Pflegeheime über­haupt finanzieren zu können.

Die Volksanwaltschaft hat einige Anregungen und bedauerlicherweise auch einige Män­gel in ihren Berichten aufgezeigt. Unter anderem sagt sie, dass es in diesem Bereich vermehrt zu einem vorzeitigen Berufsausstieg kommt, der sicherlich nicht damit zu tun hat, dass diese Menschen nach einer bestimmten Zeit auf einmal draufkommen, dass sie den falschen Beruf gewählt haben, sondern damit, dass die Rahmen- und Arbeits­bedingungen speziell in diesem Berufsfeld äußerst prekär und nach wie vor nicht dem Berufsfeld angepasst sind.

Deshalb wäre es wirklich ganz, ganz wichtig, dass in diesem Bereich auf alle Fälle end­lich pflegesensible Arbeitszeiten kommen, dass es eine allgemeine Wertschätzung durch die Gesellschaft für dieses Berufsbild gibt, und natürlich müssen wir auch eine dementsprechende ordentliche Bezahlung sicherstellen, was unter anderem schon eine sehr, sehr lange Forderung von uns ist.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat in ihren Ausführungen erwähnt, dass gerade in Coronazeiten das Pflegesystem als solches sozusagen nicht gut durch diese Krise ge­kommen ist. Ich bin überzeugt, dass es nicht um das System geht, sondern dass die


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Rahmenbedingungen rundherum dafür verantwortlich waren, dass gerade in diesem Be­reich in der Krise besonders klar wurde, wo unsere Mängel sind.

Für mich stellt sich immer wieder die Frage, warum es eigentlich bei uns in Österreich möglich ist, dass zum Beispiel Alten- und Pflegeheime als Investment angeboten wer­den, wobei man Investoren Renditen verspricht. Man muss sich das wirklich vor Augen führen, dass wir in Österreich solche Geschäftsmodelle haben! Da darf in einem der Bereiche mit der wichtigsten gesellschaftlichen Verantwortung spekuliert werden, man kann in diesen Bereich Investments tätigen!

Natürlich darf man sich dann nicht wundern, dass die Investoren, wenn ihnen Renditen von 5 Prozent, 6 Prozent oder gar 10 Prozent versprochen werden, dafür sorgen, dass die Verantwortlichen das so gewinnorientiert führen. Und wie kann man da am besten Gewinnorientierung umsetzen? – Natürlich indem man am Personal, an der Qualität und an vielen anderen Dingen spart. Deshalb würde ich mir persönlich wirklich wünschen, dass wir in Österreich endlich ein Gesetz haben, das solche Geschäftsmodelle verbietet, aus! Das wäre wirklich, wirklich wichtig! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt auch viele andere Möglichkeiten. Man kann auch städtisch, kommunal oder länd­lich geführte Institutionen nicht unbedingt gewinnorientiert, aber wirtschaftlich gut führen. Das zeigt zum Beispiel meine Heimatstadt Graz. Dort gibt es die Geriatrischen Gesund­heitszentren, und die können hinsichtlich der Qualitätssicherung und der Ausbildung der Mitarbeiter wirklich hervorragende Preise vorweisen. Es ist wirklich eine Vorzeigeklinik, die unter anderem eine sogenannte Mobilitätsklinik beheimatet.

Das heißt, wir müssen uns natürlich auch Gedanken darüber machen, was wir gemein­sam als Gesellschaft, als Politik für die Rahmenbedingungen tun können, damit Men­schen vielleicht nicht so schnell in die Obhut von Alten- und Pflegeheimen kommen müs­sen. Diese Mobilitätsklinik hat das Ziel, vor allem ältere Menschen, wenn sie aus irgend­einem Grund kurzfristig einen Pflegebedarf haben oder kurzfristig in ihrer Mobilität einge­schränkt sind – ein häufiger, ja klassischer Fall ist ab einem gewissen Alter der soge­nannte Oberschenkelhalsbruch, den sehr, sehr viele ältere Menschen erleiden, der die Mobilität stark einschränkt –, eine gewisse Zeit lang dahin gehend zu unterstützen, dass wieder ein selbstbestimmtes Leben zu Hause möglich ist. Das Traurige an der Ge­schichte ist: Das können sich leider nur Menschen mit guten Pensionen leisten, weil diese Kosten von den Krankenkassen bedauerlicherweise – ich sage es jetzt optimis­tisch – derzeit noch nicht übernommen werden.

Es gäbe also sehr, sehr viele Dinge.

Zum Abschluss möchte auch ich mich noch recht herzlich bei allen drei Volksanwälten bedanken. Besonders möchte ich die Qualität und die Aufbereitung ihrer Berichte her­vorheben und loben. Ich kenne sehr, sehr viele Berichte, aber dieser Bericht ist sehr übersichtlich und wirklich prägnant, man kann wirklich sehr vieles sehr gut herauslesen.

Auch wenn mir die Volksanwälte im Ausschuss leider bestätigen mussten, dass ihre Empfehlungen und Anregungen nicht die Durchschlagskraft haben, bin ich davon über­zeugt, dass wir alle, die wirklich bewusste Politiker sind, vielleicht doch zur Umsetzung der einen oder anderen dieser Empfehlungen und Anregungen beitragen können. (Bei­fall bei der FPÖ.)

19.08


Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Werner Amon. Ich erteile es ihm.


19.08.31

Volksanwalt Werner Amon, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für die


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sehr intensive Diskussion und Debatte über die Jahresberichte 2018 und 2019 sehr herzlich bedanken. Letztlich steht ja auch der Sonderbericht zur Situation von Menschen mit Behinderung und deren Integration in den Arbeitsmarkt auf der Tagesordnung.

Wir haben insbesondere für die beiden Berichte 2018 und 2019 von Ihrer Seite sehr viel Lob erfahren. Dafür möchte ich mich bedanken, wenngleich ich einschränkend hinzufü­gen möchte, dass das Lob zum überwiegenden Teil unseren Vorgängerinnen und Vor­gängern sozusagen geschuldet ist. Wir werden es selbstverständlich an sie weiterleiten. Wir zeichnen ja eigentlich nur für das zweite Halbjahr 2019 verantwortlich, also für ein Viertel der beiden Berichte.

Dennoch danke ich herzlich für die eigentlich sehr positive Kritik, die wir hier erfahren durften. Wir werden das selbstverständlich an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus der Volksanwaltschaft weitergeben. Ich möchte hinzufügen, dass wir – und da sind wir drei eines Sinnes, die Kollegen werden sich ja noch zu Wort melden – eine unglaubliche Expertise im Haus der Volksanwaltschaft vorgefunden haben, auf die wir zurückgreifen können. Das sind ganz, ganz tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sehr, sehr viel Erfahrung. (Allgemeiner Beifall.)

Wie Sie wissen – und ich glaube, Herr Bundesrat Schwindsackl hat das auch angespro­chen – ist der in der Öffentlichkeit bekannteste Teil, den die Volksanwaltschaft zu leisten hat, die sogenannte nachprüfende Kontrolle. Das ist das, was über die Sendung „Bürger­anwalt“ öffentlich wird.

Diese nachprüfende Kontrolle ist ein ganz wichtiges Element, weil wir eben auf allen Ebenen aller Gebietskörperschaften – Bundesebene, Landesebene und Gemeindeebe­ne – die Verwaltung kontrollieren. Wir versuchen – auch das ist in der Debatte angespro­chen worden – einen sehr niederschwelligen Zugang für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, damit sich eben, wenn sich jemand nicht gerecht behandelt fühlt, wenn eine Behörde zu langsam ist, wenn eine Behörde möglicherweise einen Fehler gemacht hat, tatsächlich jeder im Bundesgebiet Befindliche an die Volksanwaltschaft wenden kann.

Diese Beschwerden nehmen wir durch die Bank ernst. Wir haben in beiden Berichtsjah­ren – die Zahlen wurden vielfach genannt – jeweils rund 16 000 Beschwerden entgegen­genommen; das sind so zwischen 60 und 80 Beschwerden am Tag. Das klingt gar nicht so wenig, das ist eine ordentliche Anzahl. Natürlich müsste man diesen Zahlen, um sie zu objektivieren, alle Entscheidungen der Verwaltung, die im Laufe eines Jahres so ge­troffen werden, gegenüberstellen. Österreich ist ja ein sehr gut verwaltetes Land – man­che sagen, vielleicht auch überverwaltet. Jedenfalls müsste man die Beschwerden den ganzen Verwaltungsaktivitäten gegenüberstellen, um tatsächlich sagen zu können, wie gut die Verwaltung ist. Das ist statistisch gar nicht so einfach festzumachen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, auch das ist angesprochen worden, dass wir ja im Bereich der Landesverwaltung – außer für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg – auch die Landesvolksanwaltschaften sind; das ist im jeweiligen Landesverfassungsgesetz so geregelt. Deshalb freut es mich besonders, dass wir auch mit dem Bundesrat eine sehr enge Zusammenarbeit pflegen. Auch wenn wir mit dem Bericht 2018 etwas spät dran sind, sind wir dafür mit dem Bericht 2019 etwas früher dran. Im Nationalrat wurde der Bericht 2019 nämlich im Plenum noch nicht debattiert, er ist also sozusagen fast druck­frisch, und es freut mich, dass wir uns heute damit auseinandersetzen können.

Neben der nachprüfenden Kontrolle hat die Volksanwaltschaft ja noch eine Fülle weiterer Aufgaben. Es wurde der Nationale Präventionsmechanismus zum Schutz der Men­schenrechte angesprochen. Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit, dieses soge­nannte Opcat-Mandat, dieses Optional Protocol to the Convention against Torture, also das Fakultativprotokoll zum Schutz der Menschenrechte, das in Österreich im Verfas­sungsrang ratifiziert ist und es uns ermöglicht, mit unseren Kommissionen, sechs an der


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Zahl, die interdisziplinär besetzt sind, Orte nicht nur der Freiheitsentziehung, sondern auch Orte der Freiheitsbeschränkung – das ist nämlich der Unterschied, denn es gibt da natürlich unterschiedliche Graduierungen auch der Freiheitsbeschränkung –, und zwar öffentliche wie private Einrichtungen, zu überprüfen.

Das ist sehr entscheidend, weil natürlich gilt: Unabhängig davon, ob es sich um öffentli­che oder private Einrichtungen handelt, müssen sie sich selbstverständlich an die ge­setzlichen Vorschriften halten. Wir haben im Hinblick auf die Berichte die Möglichkeit, uns an die jeweiligen Aufsichtsbehörden zu wenden.

Es wurden auch der Bereich der Gemeindeverwaltung und der Bereich der Justiz ange­sprochen; beide Bereiche fallen in meinen Geschäftsbereich. Ich möchte hier auch ein wenig unser Amtsverständnis darstellen, das wir drei bei unserem Antritt deutlich ge­macht haben: Wir betrachten uns nicht als Gegner der Verwaltung, sondern vielmehr als Partner der Bürgerinnen und Bürger. Manche Fehler passieren – insbesondere auch auf der Gemeindeebene, wenn es um, ich weiß nicht, Fragen der Flächenwidmung oder der Raumordnung geht – ja nicht aus einer Bösartigkeit heraus, sondern weil einerseits die Rechtsmaterien mittlerweile sehr komplex geworden sind und andererseits insbeson­dere in kleineren Gemeinden nicht unmittelbar eine entsprechende juristische Expertise vorliegt. Wenn solche Fehler passieren, gibt es dann eben die Möglichkeit, im Rahmen der nachprüfenden Kontrolle solche Probleme auszumerzen. Ich möchte wirklich sagen, dass hier zumeist auch mit den Gemeinden ein gutes Einvernehmen herstellbar ist.

Insofern möchte ich sagen, dass unsere Arbeit nicht, wie angesprochen worden ist, eine Sisyphusarbeit ist – es geht also nicht nur um das Hinaufrollen von Steinen, die dann nicht liegen bleiben –, sondern ich würde das eher als Arbeit im Sinne von Max Weber sehen – so wie auch Ihre Arbeit –: Es ist ein „Bohren von harten Brettern“ im Versuch, die Verwaltung besser zu machen und Best-Practice-Modelle zu entwickeln.

Dazu dient auch die internationale Vernetzung. Wie Sie wissen, ist die österreichische Volksanwaltschaft auch Sitzstaat des International Ombudsman Institutes, jener globa­len Organisation, unter deren Dach sich mittlerweile über 200 Organisationen, parlamen­tarische Ombudseinrichtungen aus über 100 Staaten befinden, also einer ganz wesentli­chen Organisation. Etwa die Hälfte dieser Mitgliedsorganisationen nimmt auch im jewei­ligen Land das von mir schon angesprochene sogenannte Opcat-Mandat wahr.

Zur Justiz noch einen Satz: In der Tat ist es so, dass wir im Justizbereich tatsächlich eine sich zuspitzende Situation haben. Es ist dezidiert festgestellt worden, was wir auch bei unserem Pressegespräch dargestellt haben, dass teilweise die Unterbringung in den Gefängnissen unter jedem Maß von Mindeststandards, die man erwarten könnte, ange­siedelt ist. Das halten wir für problematisch und dem Klima in den Justizanstalten nicht zuträglich.

Wir haben uns entschieden, verstärkt Sprechtage in den Justizanstalten abzuhalten, weil in einer angespannten Situation – Personalmangel, bauliche Probleme – halt auch die Gefahrensituation zunimmt. Da ist es auch eine Aufgabe der Volksanwaltschaft, danach zu trachten, dass es in diesem Bereich zu Verbesserungen kommt. Das Justizressort hat jetzt auch angekündigt, dass es zu einer Renovierungsoffensive in den Anstalten kommen soll. Wir unterstützen das ausdrücklich, damit da sozusagen unserer Kritik Rechnung getragen wird.

Insgesamt möchte ich mich beim Parlament für die gute Zusammenarbeit sehr herzlich bedanken. Die Volksanwaltschaft ist eine parlamentarische Einrichtung, wir sind ein Hilfsorgan des Parlaments, daher sind wir natürlich auch offen für Ihre Anregungen. Wenn Sie meinen, dass wir bei unseren Berichten Dinge noch besser machen können, dann lassen Sie uns das bitte wissen. Umgekehrt hoffen wir natürlich auch auf Ihre Un­terstützung, wenn wir mit Vorschlägen wie etwa in der Frage der Prüfkompetenz an das Hohe Haus, an den Nationalrat, an den Bundesrat, herantreten.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 175

Damit komme ich zum Schluss. Es ist für uns entscheidend, dass wir im Bereich von ausgegliederten Einrichtungen insbesondere der Kommunen, aber auch der Länder die Möglichkeit erhalten, wenn sie zum überwiegenden Teil im Eigentum der Gebietskörper­schaft stehen und auch der Daseinsvorsorge dienlich sein sollen, eben zu prüfen. Das funktioniert derzeit zwar relativ gut, ist aber formalrechtlich nicht abgesichert. Wir würden uns sehr wünschen, dass es zu dieser formalrechtlichen Absicherung kommt. – Ich dan­ke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

19.19


Präsident Robert Seeber: Danke, Herr Volksanwalt.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz. Ich erteile ihm dieses.


19.19.45

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herr Präsident! Mitglieder des Bundesrates! Mei­ne Damen und Herren! Ich kann bei den Ausführungen meines Vorredners Werner Amon nahtlos anschließen.

Auch ich möchte mich sehr herzlich für das positive Feedback bedanken, vor allem dafür, dass Sie sich, wie man den Redebeiträgen entnehmen kann, sehr intensiv mit unseren Berichten auseinandergesetzt haben. Die Berichte der Volksanwaltschaft dienen ja nicht der Selbstdarstellung der Volksanwaltschaft, sondern haben das Ziel, dass wir gemein­sam durch die Erfahrungen, die wir machen, die Verwaltung bürgerInnenfreundlicher gestalten können und man diverse Probleme, die man, wenn man Gesetze beschließt, vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen kann, die erst in weiterer Folge auftreten, dann beheben kann.

In vielen Fällen gelingt es uns, in direkter Kommunikation mit den Behörden Probleme zu beseitigen. Die Behörden sind zum Großteil höchst kooperativ. BeschwerdeführerIn­nen wenden sich an uns, berichten uns über Fehler, Unfreundlichkeit, Unzulänglichkeit bei behördlichem Handeln. Wir machen die Behörde darauf aufmerksam. In vielen Fällen ist es so, dass die Behörde reagiert, indem sie sagt: Ja, wir nehmen die Kritik zur Kennt­nis, wir entschuldigen uns für unfreundliches Handeln. Wir beheben den Fehler. – Die Bürgerinnen und Bürger werden zufriedengestellt.

In manchen Fällen ist es allerdings so, dass die Behörde, wenn sie gesetzeskonform handelt, den Anliegen der BeschwerdeführerInnen, der BürgerInnen nicht nachkommen kann, weil die gesetzlichen Bestimmungen halt so sind, wie sie sind.

Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Beim Mutter-Kind-Pass ist es so, dass Untersu­chungen der werdenden Mutter und dann des neugeborenen Kindes gemacht werden müssen. Das hat natürlich gesundheitspolitischen Sinn. Diese Untersuchungen sind nach­zuweisen, und wenn man sie nicht nachweist, wird das sanktioniert, indem 1 300 Euro vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen werden.

Jetzt ist es in manchen Fällen so, dass junge Mütter all diese Untersuchungen machen und gemacht haben, nur den zweiten Nachweis vergessen, nicht rechtzeitig erbringen, manchmal sogar, obwohl sie darauf aufmerksam gemacht werden. Das ist dann sehr häufig der Fall, wenn ein zweites Kind kommt – man hat den Kopf woanders, denkt nicht daran. Die vollziehende Behörde ist die Krankenversicherung, ist der zuständige Kran­kenversicherungsträger, der vom Familienministerium mit der Durchführung beauftragt wurde. Dieser muss dann diesen jungen Müttern erklären, dass man ihnen 1 300 Euro vom Kinderbetreuungsgeld abzieht, obwohl der Krankenversicherungsträger weiß, dass alle Untersuchungen korrekt durchgeführt wurden, weil die Untersuchungen bei Ver­tragspartnern des Krankenversicherungsträgers durchgeführt und mit diesen verrechnet wurden. Trotzdem muss der Abzug stattfinden, weil im Gesetz der Abzug an den Nach­weis gebunden ist, und wenn der Nachweis der Untersuchungen nicht erbracht wird, dann treten diese finanziellen Folgen ein.


BundesratStenographisches Protokoll907. Sitzung, 907. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2020 / Seite 176

Vielleicht sehen Sie an diesem Beispiel: Auch wenn eine Verwaltungsbehörde alles korrekt macht, kann das bei den BürgerInnen schlecht ankommen, und jeder würde sagen: Na gut, das ist eigentlich nicht Sinn und Zweck der Regelung gewesen. Sinn und Zweck der Regelung war, dass die Untersuchungen durchgeführt werden, und nicht, dass man halt rechtzeitig einen Nachweis schickt. In solchen Fällen wird dann der Ge­setzgeber gebeten, Änderungen einzuleiten, und wir erlauben uns, auf so etwas auf­merksam zu machen.

Auch andere Dinge, die Sie heute in der Debatte angesprochen haben, lassen sich nur mithilfe des Gesetzgebers lösen. Sie haben das Normalitätsprinzip und überhaupt die Situation in der Pflege, in der Betreuung unserer Alten und Kranken angesprochen. Dabei ist die Erfahrung, die wir auch von unseren Kommissionen transportiert bekom­men, dass die Gefahr der Verletzung der Menschenrechte dort am höchsten ist, wo die Belastung des Personals am größten ist. Diese Belastung des Personals wiederum resultiert sehr oft aus Personalmangel und der Personalmangel sehr oft aus Mangel an finanziellen Ressourcen.

Dann passiert es halt, dass einem – nur weil man alt ist und weil man in einem Pflege­heim wohnt – gesagt wird, wann man aufstehen muss, wann man schlafen gehen muss, wann man mittagessen muss, wann man abendessen muss, wann man ins Freie gehen darf, und dass die Wahlfreiheit und die Selbstbestimmtheit und das Normalitätsprinzip eben nicht mehr gegeben sind. Insofern kann man dann auch nachvollziehen, warum diese Orte als potenzielle Orte der Freiheitsentziehung speziell kontrolliert werden. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das kann aber keine Entschuldigung sein!) – Nein, es kann keine Entschuldigung sein, aber wir als Politik müssen auch die entsprechenden Rahmenbe­dingungen dafür schaffen, dass solche Dinge nicht vorkommen und möglichst hintange­halten werden.

Es wurde auch öfter das Heimopferrentengesetz angesprochen, wonach eine Entschädi­gung für jene Menschen bezahlt wird, die als Kinder in Einrichtungen der Jugendwohl­fahrt misshandelt wurden. Was wir abwickeln, ist die Rentenleistung. Es gibt verschie­dene Entschädigungsfonds der Kirche, der Länder, die über Einmalzahlungen auch Schadenersatz leisten. Und alle diese Entschädigungsfonds haben trotz wiederholter Kritik leider noch immer gravierende Schwächen – alle, die der Kirche und die jedes einzelnen Landes.

Bei der Kirche – das wurde in der Debatte angesprochen – hat es oft sehr lange gedau­ert. Jetzt geht es schneller, dafür ist man bei der Frage, durch wen die Schädigung zuge­fügt wurde, sehr restriktiv. Die Kirche reagiert nur dann problemlos, wenn nachgewiesen wird, dass das durch Kirchenpersonal erfolgte. Wurde eine Misshandlung durch weltli­ches Personal durchgeführt, ist die Entschädigung dort schon ein größeres Problem.

Bei den Länderfonds ist es oft so, dass sie Vorfälle nicht entschädigen, die in Gemein­deeinrichtungen passiert sind, obwohl die Jugendwohlfahrt des Landes die Zuweisung in dieses Heim veranlasst hat. In anderen Bundesländern ist es der Fall, dass die Fonds geschlossen wurden, obwohl noch Bedarf besteht. Wir haben auf all