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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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27. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 17. Juni 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

27. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 17. Juni 2009

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 17. Juni 2009: 10.02 – 21.52 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleich­behandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007

2. Punkt: Bericht über den Antrag 652/A der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tele­kommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 656/A(E) der Abgeordneten Maximilian Linder, Heidrun Silhavy, Franz Hörl, Mag. Roman Haider, Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Tourismusförderungen sowie Prüfung der Erhö­hung der Mitgliedsbeiträge der Österreich Werbung

4. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kos­tenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungs­einrichtungen

5. Punkt: Bericht über den Antrag 525/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf kostenlosen Ganz­tagskinderbetreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr

6. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/1, Band 3 – WIEDERVORLAGE

7. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (GZ 093 Hv 23/09x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger

8. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (GZ 1 St 359/07k-31) um Zu­stimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer

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Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen, dem Aus­schuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 560/A(E) der Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Wohnungssicherheit und Prävention gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 7. Juli 2009 zu setzen                        39

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 154

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 157

Günter Kößl ............................................................................................................. ... 158

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 158

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ... 160

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................ ... 161

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 162

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 231 und 232 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung .......................................................................... 40

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 40

Antrag des Abgeordneten Wolfgang Zanger, den Bericht des Rechnungshof­ausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/1, Band 3 – WIEDERVORLAGE (III-18/178 d.B.), an den Rechnungshofausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ..................................  192, 222

Fragestunde (3.)

Europäische und internationale Angelegenheiten ................................................. 13

Mag. Elisabeth Grossmann (19/M); Dr. Wolfgang Schüssel, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Dr. Gerhard Kurzmann

Dr. Ursula Plassnik (15/M); Kurt List, Dr. Alexander Van der Bellen, Harald Vi­limsky, Hannes Weninger

Dr. Johannes Hübner (18/M); Mag. Christine Muttonen, Franz Glaser, Mag. Ewald Stadler, Mag. Ulrike Lunacek

Herbert Scheibner (21/M); Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Johannes Hübner, Petra Bayr, Werner Amon, MBA

Dr. Alexander Van der Bellen (17/M); Mag. Roman Haider, Anton Heinzl, Mag. Katharina Cortolezis-Schlager, Christoph Hagen

Mag. Gisela Wurm (20/M); Dr. Wolfgang Schüssel, Erich Tadler, Dr. Alexander Van der Bellen, DDr. Werner Königshofer

Wolfgang Großruck (16/M); Dr. Wolfgang Spadiut, Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Ger­hard Kurzmann, Marianne Hagenhofer


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 3

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend den dringend notwendigen ökologisch-sozialen Umbau Europas und die Unvereinbarkeit dieser Reformen mit einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidenten Barroso sowie mehr Transparenz in der österreichi­schen Europapolitik (2459/J) ........................................................................................ 106

Begründung: Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................. 110

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................. 115

Debatte:

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ... 120

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ... 123

Dr. Ursula Plassnik ................................................................................................. ... 126

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 128

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 130

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ... 132

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 135

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................ ... 137

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 139

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 140

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 142

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 143

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 144

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ... 146

Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................................................. 148

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 149

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 151

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 152

Bernhard Vock ............................................................................................................ 153

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kollegin-
nen und Kollegen betreffend Nominierung des Präsidenten der Europäischen Kommission durch den Europäischen Rat für die Amtsperiode 2009 bis 2014 – Ablehnung ..................  129, 153

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36/167 d.B.) ......................................................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................ ..... 41

Mag. Gisela Wurm .................................................................................................. ..... 43

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ..... 45

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ..... 48

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ..... 49


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 4

Martina Schenk ....................................................................................................... ..... 52

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ..... 53

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 57

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 59

Anna Höllerer .......................................................................................................... ..... 61

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ..... 62

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ..... 64

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ..... 65

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ..... 66

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ..... 68

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ..... 69

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ..... 70

Hermann Krist ......................................................................................................... ..... 71

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ..... 72

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ..... 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen – Ablehnung ..............  42, 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachvollziehbare transparente Einkommensstatistiken – Ablehnung ....................  46, 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Berücksichtigung von Kindererziehungszei­ten – Ablehnung ...................  51, 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend eine Gleichbehandlungs-Bilanz für Unternehmen – Ablehnung ..............................  56, 75

Kenntnisnahme des Berichtes III-36 d.B. ....................................................................... 74

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 652/A der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekom­munikationsgesetz 2003 (TKG 2003) geändert wird (212 d.B.)                     75

Redner/Rednerinnen:

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ..... 75

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................ ..... 76

Ing. Christian Höbart .................................................................................................... 78

Mag. Rainer Widmann ................................................................................................. 79

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ..... 82

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 83

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ..... 84

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ..... 85

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 86

Anna Franz .............................................................................................................. ..... 87

Johann Hell .............................................................................................................. ..... 88

Peter Mayer ............................................................................................................. ..... 89

Mag. Josef Auer ...................................................................................................... ..... 90

Johann Höfinger ..................................................................................................... ..... 91

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ..... 92

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ..... 92


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote (F & E) von 3 Prozent sowie der Mittel für den FWF und die FFG – Ablehnung                                                                                                                         81, 93

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 93

3. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 656/A(E) der Ab­geordneten Maximilian Linder, Heidrun Silhavy, Franz Hörl, Mag. Roman Haider, Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Touris­musförderungen sowie Prüfung der Erhöhung der Mitgliedsbeiträge der Öster­reich Werbung (226 d.B.) ........................................................................................................ 93

Redner/Rednerinnen:

Franz Hörl ................................................................................................................ ..... 94

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ..... 96

Mag. Roman Haider ..................................................................................................... 96

Maximilian Linder ......................................................................................................... 98

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 99

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 100

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 102

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ... 104

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ........................................................................... ... 105

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................ ... 105

Anna Franz .................................................................................................................. 162

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 163

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ... 164

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 165

Josef Jury .................................................................................................................... 166

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 226 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der Tourismusförderungen sowie Prüfung der Erhöhung der Mitgliedsbeiträge der Österreich Werbung (E 39) ............................................................................................................ 166

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (205 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbe­treuungseinrichtungen (210 d.B.) ........................................... 166

5. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 525/A(E) der Abge­ordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf kostenlosen Ganztagskinderbetreuungsplatz ab dem vollen­deten ersten Lebensjahr (211 d.B.) .........              167

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 167

Ridi Maria Steibl ......................................................................................................... 168

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ... 169

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 171

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 172

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 176

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 178

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 180

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 181

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 182

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 183

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 184


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 6

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 185

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 186

Mag. Gisela Wurm .................................................................................................. ... 187

Maximilian Linder ................................................................................................... ... 188

Peter Mayer ............................................................................................................. ... 189

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 190

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 190

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 191

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend den kostenlosen halbtägigen Kindergarten und die verpflich­tende Vorschule für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen – Ablehnung                                                                                           173, 191

Entschließungsantrag der Abgeordneten Martina Schenk, Kollegin und Kolle­gen betreffend unbefristete und wertgesicherte Abdeckung des Mehraufwandes der Länder und Gemeinden für den unentgeltlichen, verpflichtenden Besuch von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen – Ablehnung               177, 191

Genehmigung der Vereinbarung in 210 d.B. ................................................................ 191

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 211 d.B. ..................................................... 191

6. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rech­nungshofes, Reihe Bund 2009/1, Band 3 – WIEDERVORLAGE (III-18/178 d.B.)                                                 192

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 192

Mag. Christine Lapp ..........................................................................................  193, 222

Gerald Grosz ........................................................................................................... ... 194

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 197

Alois Gradauer ........................................................................................................... 198

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 199

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 202

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 203

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 205

Mag. Josef Lettenbichler ....................................................................................... ... 206

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 207

Johann Singer ......................................................................................................... ... 207

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 209

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 212

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 213

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 214

Christian Faul ............................................................................................................. 217

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 218

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 218

Kenntnisnahme des Berichtes III-18 d.B. ..................................................................... 222

7. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesge­richtes für Strafsachen Wien (GZ 093 Hv 23/09x) um Zustimmung zur behördli­chen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger (231 d.B.) ................................................................................................. 222

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 222

8. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Klagenfurt (GZ 1 St 359/07k-31) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer (232 d.B.) ............................................................................................................ 223


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Köfer ............................................................................................................. 223

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 224

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 225

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 225

Eingebracht wurden

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 38

Bürgerinitiative betreffend „Finanzielle Gleichstellung der Schulen in freier Trä­gerschaft mit den konfessionellen Privatschulen. GLEICHHEIT FÜR ALLE SCHULKINDER!“ (Ordnungsnummer 8)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 37

225: Universitätsrechts-Änderungsgesetz 2009

227: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Privatbahngesetz 2004 und das Eisenbahngesetz 1957 geändert werden

228: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Dominikanischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öf­fentlicher Urkunden von der Beglaubigung

229: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung der Liquidität von Unternehmen (Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz – ULSG) erlassen wird und das Interbankmarktstärkungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2009, das Bundesfinanzge­setz 2010 sowie das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmenge­setz 2009 bis 2012 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2010 bis 2013 erlassen werden, geändert werden

230: Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz und das Bundes­gesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 geändert werden

Bericht ........................................................................................................................... 39

III-77: Bericht gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträg­lichkeitsprüfung; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessord­nung 1975 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (671/A)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Offenlegung von Einstiegsgehältern (672/A)(E)

Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, die An­fechtungsordnung, die Ausgleichsordnung, das Außerstreitgesetz, das Ehegesetz, die Exekutionsordnung, das Gebührengesetz 1957, das Gerichtsgebührengesetz, die Ju­risdiktionsnorm, die Konkursordnung, das Notariatsaktsgesetz, die Notariatsordnung, das Privatstiftungsgesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Til­gungsgesetz 1972, das Unterhaltsvorschussgesetz 1985, das Urheberrechtsgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 – FamRÄG 2009) (673/A)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 8

Josef Muchitsch, Ridi Maria Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeitskräf­teüberlassungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (674/A)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende/elektromagneti­sche Strahlung (675/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der Tourismus­werbemittel der Österreich Werbung um 10 Millionen € (676/A)(E)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (677/A)

Dr. Peter Wittmann, Dr. Peter Sonnberger, Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, und das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, geändert werden (678/A)

Renate Csörgits, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpoli­tik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Sonderunterstützungsge­setz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957 und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpa­ket 2009) (679/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Gebührenge­setz 1957 geändert werden (680/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Umsetzung der OECD-Grundsätze der internationalen ab­gabenrechtlichen Amtshilfe (Amtshilfe-Durchführungsgesetz – ADG) (681/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bewertungsgesetz 1955 geändert wird – Bewertungs­gesetznovelle 2009 (682/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Atomkraftwerk in Nord­albanien (683/A)(E)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines Flugzeug­technik-Kompetenzzentrums samt Forschung und Entwicklung in Zeltweg (Region Aichfeld/Murboden) (684/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der „Aktion 500“ und Beibehaltung der Integrationsbeihilfe in voller Höhe (685/A)(E)

Dr. Martin Bartenstein, Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz geändert wird (686/A)

Fritz Grillitsch, Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Marktordnungs-Überleitungsge­setz, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Gesundheits- und Ernährungssi­cherheitsgesetz, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzgesetz 1995 und das Forstliche Vermehrungsgutgesetz 2002 geändert werden (Agrarrechtsänderungsge­setz 2009) (687/A)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 9

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Einführung eines Generationengel­des in Österreich (688/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend regelmäßige Kontrollen über die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte bei Mobilfunkanlagen (689/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend regelmäßige Kontrollen über die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte bei Mobilfunkanlagen (690/A)(E)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Fahrpreis-Ermä­ßigung auf Frühpensionistinnen und Frühpensionisten (691/A)(E)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entlastung und Besserstellung der Exekutive (692/A)(E)

Leopold Mayerhofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend bessere Entlohnung für Exekutivbedienstete in der polizeilichen Grundausbildung (693/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von Diensthunden in Justizanstalten (694/A)(E)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen im Asyl- und Fremdenwesen (695/A)(E)

Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz – BWG geändert wird (696/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den dringend notwendigen ökologisch-sozialen Umbau Europas und die Unvereinbarkeit dieser Reformen mit einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidenten Barroso so­wie mehr Transparenz in der österreichischen Europapolitik (2459/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Bildungskarenz (2460/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend allgemeine Unzufriedenheit mit den Maßnahmen und der Tätigkeit der AMA (2461/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Maßnahmen zur Reduzierung des Holzeinschlags in Österreich (2462/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Maßnahmen im Zuge des dramati­schen Preisverfalls bei Getreide (2463/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderung von „Energiewirten“ in der Landwirtschaft (2464/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend die Machenschaften der Diamant GmbH im Zusammenhang mit vorsätzlich nicht eingehaltenen Gewinnversprechen iSd § 5j KschG (2465/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Fort­setzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2466/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 10

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2467/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldver­nichtung in den Jahren 2009/2010 (2468/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernich­tung in den Jahren 2009/2010 (2469/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2470/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2471/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2472/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2473/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2474/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2475/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jah­ren 2009/2010 (2476/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jahren 2009/2010 (2477/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jah­ren 2009/2010 (2478/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend die Fortsetzung der rot/schwarzen Geldvernichtung in den Jah­ren 2009/2010 (2479/J)

Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend ASFINAG „Ombudsmann“ (2480/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Amtsmissbrauch und Nötigung bei der ASFINAG Maut Service GmbH (2481/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 11

Peter Stauber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend negative Folgen von Maisanbau in unmittelbarer Nähe von Wohnanlagen und Wohnhäusern (2482/J)

Peter Stauber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausweitung des Überprüfungs­intervalls bei hauseigenen Kläranlagen (2483/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend „Illegale Beschäftigung und Schattenwirt­schaft im Jahr 2008 – Entziehung von Gewerbeberechtigungen“ (2484/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Strafverfahren – Sozialbetrug (2485/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Kinder- und Jugendgesundheitsdatenerhebung und Mutter-Kind-Pass-Untersu­chungen in Österreich (2486/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Strafrechtliches Entschädigungsgesetz – Ergänzungsanfrage“ (2487/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Steirisches Kürbiskernöl? Kürbiskerne aus China und anderen fremden Ländern!“ (2488/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Überfälle auf BriefträgerInnen“ (2489/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten (2005/212/JI)“ (2490/J)

Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Preisvergleich der Mahngebühren im Telekom­sektor (2491/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Ungereimtheiten um die Hausdurchsuchungen in der Meinl Bank AG (2492/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Ungereimtheiten um die Hausdurchsuchungen in der Meinl Bank AG (2493/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1692/AB zu 1675/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1693/AB zu 1677/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1694/AB zu 1681/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1695/AB zu 1707/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 12

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1696/AB zu 1682/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (1697/AB zu 1690/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1698/AB zu 1706/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1699/AB zu 1709/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (1700/AB zu 1741/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen (1701/AB zu 1763/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (1702/AB zu 1790/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen (1703/AB zu 1687/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (1704/AB zu 1688/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (1705/AB zu 1691/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (1706/AB zu 1692/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1707/AB zu 1693/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen (1708/AB zu 1695/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolle­ginnen und Kollegen (1709/AB zu 1694/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1710/AB zu 1683/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Man­fred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen (1711/AB zu 1697/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen (1296/AB zu 1201/J) (Zu 1296/AB zu 1201/J)

*****

der Präsidentin des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Leopold Mayer­hofer, Kolleginnen und Kollegen (8/ABPR zu 8/JPR)


10.02.04


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Molterer, Pack, Praßl, Wöginger, Dr. Haimbuchner.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner wird durch den Bundes­minister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn vertreten.

Weiters gebe ich für diese Sitzung die Vertretung eines Mitgliedes der Bundesregie­rung, welches sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhält, wie folgt bekannt:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich wird durch die Frau Bundesministerin für Inneres Dr. Maria Theresia Fekter vertreten.

10.02.49Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Redner- und Rednerinnenpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller jeder Fraktion ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage durch den Herrn Bundesminister soll 2 Mi­nuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute betragen.

Ich werde wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit auf deren Ablauf auf­merksam machen, indem ich kurz läute.

Weiters teile ich mit, dass die Fragestunde vom ORF live übertragen wird.

Wir beginnen jetzt – um 10.03 Uhr – mit dem Aufruf der Fragen.

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 19/M, der Frau Ab­geordneten Mag. Grossmann an den Herrn Bundesminister. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die weltpolitische Si­tuation ist so instabil und so besorgniserregend wie lange nicht. Ein wesentlicher Hoff-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 14

nungsträger ist sicherlich der neue US-Präsident Barack Obama, der eine neue Ära der amerikanischen Außenpolitik eingeleitet hat, die mit der europäischen und österrei­chischen Außenpolitik sicherlich besser kompatibel ist als die vorhergehende. Nur hat die vielbeachtete Rede von Barack Obama in Kairo offensichtlich im offiziellen Israel wenig Eindruck hinterlassen. Deshalb stelle ich an Sie speziell die Frage:

19/M

„Welche Haltung vertritt Österreich angesichts der Ankündigung Israels, die Siedlungs­tätigkeit im Westjordanland fortzusetzen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Wir sehen diese Siedlungstätigkeit Israels sehr skeptisch und kritisch, denn die Voraussetzung für einen Nahostfrieden, den wir alle anstreben, ist, dass es von beiden Seiten Bewegung gibt. Und für die palästinensische Seite ist es inakzeptabel, dass Siedlungen, die an sich als völkerrechtswidrig eingestuft werden, fortgesetzt werden.

Wir haben uns daher beim Rat der Außenminister am Montag in Luxemburg auch wie­der darauf verständigt, die israelische Regierung aufzufordern, mit diesen Siedlungen keine Erweiterung vorzunehmen und bestehende Gebäude nicht fertigzustellen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass es insgesamt wieder zu einer Rückkehr in Richtung einer Roadmap für den Frieden im Nahen Osten kommen kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Minister, wie bewerten Sie speziell die Aussage des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, die Palästinenser müssten Israel als Staat des jüdischen Volkes anerkennen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Ich glaube, dass die Rede des Premierministers Netanjahu, die er als Antwort auch auf die Forderungen von Präsident Obama gehalten hat, in einer Rich­tung positiv zu sehen ist, in anderen Richtungen aber eher skeptisch zu betrachten ist.

Die positive Richtung war, dass er erstmals nach einem Wahlkampf und gewissen an­deren Fragen rund um den Friedensprozess von einem Palästinenserstaat gesprochen hat – das ist ein Fortschritt –, dass aber auf der anderen Seite viele Fragen offen ge­blieben sind – bezüglich der Siedlungen haben wir davon geredet – und die Frage des jüdischen Staates für die andere Seite in dieser speziellen Wortwahl sozusagen in­akzeptabel ist. Das müssen wir auch in dieser Richtung so betrachten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Schüssel, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Herr Bundesminister, Sie haben ja si­cherlich – wie wir alle – die beeindruckende Rede von Präsident Obama in Kairo ge­hört, wo er ja in Wahrheit die Positionen der Europäischen Union, unserer Außenpolitik übernommen hat: der Palästinenserstaat, der Siedlungsstopp, Gewaltverzicht bei Ha­mas etwa, der Verzicht auf die radikalen Elemente, die umfassende Lösung, Syrien einzubinden, den Libanon, im Iran den Verzicht zunächst auf jede militärische Aktion, sondern vielmehr das Primat der Diplomatie.

Wie bewerten Sie diese neue amerikanische Linie, die eigentlich sehr stark mit unserer europäischen und auch der österreichischen Außenpolitik übereinstimmt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 15

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich stimme Ihnen voll zu. Es gibt eigentlich keinen Unterschied mehr zwischen der amerikanischen und der europäi­schen und besonders der österreichischen Position, was die Beurteilungen im Nahen und Mittleren Osten anlangt. Und es ist gut so, denn wir brauchen auch die gemeinsa­me Anstrengung, etwas weiterzubringen.

Wir werden daher gemeinsam mit den amerikanischen Freunden versuchen, uns in die Richtung vorzutasten, dass auch in Israel eine neue Politik stattfindet. Das ist – wie ich glaube – die Voraussetzung dafür, dass wir etwas in die Zukunft bewegen können. So war es wohl auch von Präsident Obama gedacht, dass er eine Ankündigung macht, für die islamische Welt die Hand ausstreckt und auf der anderen Seite auch Reaktionen in positiver Richtung erfolgen.

Wir haben aus der arabischen Welt gehört, dass diese ausgestreckte Hand zwar noch nicht ergriffen wurde, aber sehr positive Zeichen in diese Richtung erkennbar sind.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Bundesminister! Die Welt schaut ge­bannt auf jede Handlung und jedes Wort von Präsident Obama. Heute konnten wir uns an dem Umstand ergötzen, dass der Herr Präsident der größten sicherheitspolitischen Macht bei einem Interview eine Fliege erschlägt.

Ich würde mir erwarten, dass es gerade im Nahostkonflikt eine stärkere, eine offensive­re Haltung und eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union gibt. Innerhalb der Europäischen Union würde ich mir erwarten, dass Österreich seine Stimme erhebt. Österreich hat ein gutes Standing in der arabischen Welt. Die Palästinenser streiten untereinander. Jetzt wäre es an der Zeit, dass man andere Länder, etwa Syrien, mit einbindet, um die offenen Konflikte, die es gibt, einer Regelung zuzuführen.

Herr Bundesminister, welche Position bezieht Österreich – auch innerhalb der Europäi­schen Union –, um diesen Friedensweg zwischen Israel und Syrien entsprechend zu unterstützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Erstens halten wir das auf der Ta­gesordnung. Es gibt kein Treffen der Außenminister, wo das nicht Thema ist. Zum Zweiten bemühen wir uns auch um diesen Gesprächskontakt mit beiden Seiten. Es war am Montag Außenminister Lieberman bei der Troika und hat gemeinsam mit der Europäischen Union diese Fragen besprochen. Es geht auch um die Frage einer Auf­wertung der Beziehungen zu Israel, die im Augenblick wohl wegen dieser besonderen Vorkommnisse noch nicht gegeben sein kann.

Wir bemühen uns daher, eine Rolle in diesem Nahost-Friedensprozess, die uns ent­spricht, einzunehmen, in der Richtung, diese Maßnahmen und vertrauensbildenden Möglichkeiten, die wir haben, auch auszunützen. Wir halten das auf der Tagesordnung und sehen mit unseren Partnern in Europa, dass wir einen Schritt nach vorne kommen können, der derzeit leider noch nicht absehbar ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Außenminister, die Rede von Ministerpräsident Netanjahu, was die Siedlungstätigkeit betrifft, wurde ja im Wes­ten überwiegend mit Bedauern und Skepsis aufgenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 16

Hat Österreich vor, im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Sicherheitsrat irgendwelche Initiativen zu setzen? Wie sehen Sie das?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Auch wir werden uns im Sicherheits­rat der Vereinten Nationen dem Thema weiterhin widmen. Es gab erst im vorigen Mo­nat unter dem Vorsitz Russlands ein Ministertreffen im Sicherheitsrat, an dem auch ich teilgenommen habe. So wie ich das einschätze, wird es weitere Ministertreffen geben müssen, damit wir tatsächlich einen Schritt nach vorne kommen.

Im Augenblick ist aber die israelische Position eine ziemlich festgefahrene, besonders was die Siedlungspolitik betrifft, was sehr bedauerlich ist, weil damit der nächste Schritt von der anderen Seite nicht zu erwarten ist. Dieser Schritt wäre, dass wir in Richtung Hamas und Fatah zu einer gemeinsamen Linie kommen können, damit es im nächsten Jänner auch entsprechende Wahlen in den Palästinensergebieten gibt, die einen Schritt nach vorne bringen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kurz­mann, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Bundesminister, das Westjordan­land ist seit 1967 von den Israelis besetzt, mittlerweile leben dort über 270 000 israeli­sche Siedler. Das widerspricht allen internationalen Vereinbarungen, auch dem Genfer Abkommen IV.

Wie lange, glauben Sie, wird die europäische Politik, die sehr stark abhängig von den US-Amerikanern ist, wie Sie gerade erwähnt haben, diese Appeasement-Politik noch weiter vorantreiben?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Ich glaube, dass es gerade ange­sichts der Probleme, die es mit der israelischen Regierung gibt, notwendig ist, im Nah­ost-Friedensprozess fortzuschreiten, dass alle beteiligten Kräfte, das heißt alle Partner des Nahost-Quartetts – das sind die USA, das ist die Europäische Union, das sind die Vereinten Nationen und das ist Russland – an einem Strang ziehen. Und es ist notwen­dig, dass wir uns gerade am Rande des Sicherheitsrates immer wieder in diesen Ge­sprächen auf eine Linie verständigen. Es wird nur dann etwas vorangehen, wenn alle, die im Nahost-Quartett vertreten sind, tatsächlich eine Sprache sprechen.

Das ist oft schwierig und nicht einfach zu bewerkstelligen, aber diese Schwierigkeiten muss man, wie ich meine, einfach sehen und trotzdem versuchen, mit einer Linie et­was zu erreichen, was für die Menschen, die dort leben, eine absolute Notwendigkeit darstellt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 2. Anfrage, 15/M, der Frau Abgeordneten Dr. Plassnik. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Ursula Plassnik (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Österreich ist seit sechs Monaten Mitglied des Sicherheitsrates. Herr Bun­desminister, Sie vertreten Österreich dort! Jetzt kommt die Phase der Vorbereitung
des österreichischen Vorsitzes in diesem obersten und wahrscheinlich zentralen Gre­mium der Vereinten Nationen auf uns zu. Die Schwerpunkte sind ja seit Langem fest­gelegt: Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Zivilgesellschaft, Menschenrechte; ganz wichti­ge Themen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 17

Wie sehen Sie die Möglichkeiten, die Chancen Österreichs, aber auch die themati­schen Herausforderungen, die auf uns zukommen? Ich frage Sie, Herr Minister:

15/M

„Was sind die wichtigsten Herausforderungen beziehungsweise Möglichkeiten für Ös­terreich in der Funktion als Mitglied des Sicherheitsrates der UNO, insbesondere wenn Österreich im Herbst den Vorsitz übernimmt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ja, Österreich hat in diesen sechs Mo­naten der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat bereits viele Herausforderungen zu be­wältigen gehabt. Wir haben an verschiedenen Ministertreffen, auch auf der Ebene des Sicherheitsrates, teilgenommen, aber wir sehen, dass die Tagesarbeit uns auch sehr beschäftigt. Es gab in dieser Zeit etwa 70 formelle Sitzungen und etwa gleich viele in­formelle Beratungen im Rahmen des Sicherheitsrates. Da sind unsere Leute, die in New York sind und die ihre Arbeit wirklich ausgezeichnet machen, tagtäglich neu ge­fordert.

Wir sind damit auch mit Fragen konfrontiert, die weit über das bisherige österreichische außenpolitische Profil hinausgehen. Vor allem sind etwas 60 Prozent der Fragen sol­che, die Afrika betreffen. Das hilft uns aber auch, auf diesem Kontinent mit unserer Außenpolitik neue Felder zu erkunden und dort auch Linien zu ziehen.

Entscheidend ist für uns, dass wir unseren Grundsätzen treu bleiben. Sie haben es ge­nannt: Rule of Law, also diese Herrschaft des Rechts hat unsere Kandidatur zum Si­cherheitsrat bereits bestimmt, und das werden wir auch in den Sitzungen, die wir im November zu leiten haben, wenn Österreich den Vorsitz im Sicherheitsrat führt, genau wieder zum Thema machen. Wir versuchen auch, die Bewahrung der Zivilbevölkerung, vor allem von Kindern und Frauen in bewaffneten Konflikten zum Thema zu machen.

Ich habe gestern bei einem Seminar des International Institute for Peace, das in Wien stattgefunden hat, darauf auch schon Bezug genommen. Unsere Vorbereitungen lau­fen in dieser Richtung in vollem Gange.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Ursula Plassnik (ÖVP): Herr Bundesminister, Österreich wird ja in dieser Zeit des Vorsitzes im Sicherheitsrat auch die einzige Stimme der kleineren und mittleren europäischen Länder im Sicherheitsrat sein. Wir haben hier eine Monopolstel­lung jetzt auch schon.

Wie gestalten Sie in der praktischen Realität diese besondere Rolle und Verantwortung Österreichs? 81 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen wünschen sich ja mehr Gemeinsamkeit gerade in der Außenpolitik. Das ist auch eine große Möglichkeit, aber auch Verantwortung, hier Flagge zu zeigen für die KMS, für die kleinen und mittle­ren Mitgliedstaaten. Wie stellt sich das für Sie im Alltag dar?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wir bemühen uns, dass wir die euro­päische Ratspräsidentschaft informiert halten. Von jedem Ministertreffen aus habe ich immer den Ratspräsidenten verständigt, ihn auch über die laufende Diskussion infor­miert. Das ist, wie ich meine, notwendig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 18

Wir haben aber auch gesehen, dass es europäische Gemeinsamkeiten gibt. Beim letz­ten Ministertreffen im UNO-Sicherheitsrat gab es eine gemeinsame Linie mit Frank­reich und Großbritannien als den beiden ständigen Mitgliedern aus der Europäischen Union. Wir haben uns zum Thema Sri Lanka vorweg abgesprochen. Wir haben ge­meinsam mit den NGOs eine Sitzung gehabt, und wir haben gemeinsam im Sicher­heitsrat agiert. Ich hoffe, dass das eine gute Grundlage für eine zukünftige gemeinsa­me europäische Kooperation auch im UNO-Sicherheitsrat sein wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter List.

 


Abgeordneter Kurt List (BZÖ): Herr Bundesminister! Österreich hat sich im Rahmen seines Einsatzes im Sicherheitsrat etwas vorgenommen, nämlich dass die Bürger be­sonders geschützt werden. Die Zivilbevölkerung soll besonders geschützt werden.

Meine Frage an Sie: Welche konkreten Aktivitäten haben Sie zum Schutze der Zivilbe­völkerung bereits geplant?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben bei dem von mir schon er­wähnten Seminar, das gestern mit hoher internationaler Beteiligung stattgefunden hat, genau diese Vorbereitungsarbeiten für unseren Vorsitz im November in Angriff genom­men. Wir haben dort versucht, auch auf der Grundlage einer Bewertung der bisherigen Aktivitäten der Vereinten Nationen etwas herauszubringen, wo wir sehen, dass wir stärker werden müssen. Es geht vor allem darum, dass man bei Konfliktfällen versucht, die nichtstaatlichen Organisationen zu diesen Verpflichtungen heranzuziehen.

Das wird die wesentliche Aufgabe für uns sein, im November Vorschläge auf den Tisch zu legen, wo die österreichische Handschrift sichtbar wird, wie man im Rahmen der Vereinten Nationen da vorankommen kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundesminister, Präsi­dent Obama hat ja in seiner Rede in Prag, wenn ich mich richtig erinnere, durch seine Vision einer atomwaffenfreien Welt Aufsehen erregt.

Gibt es in dieser Hinsicht im Sicherheitsrat schon Erörterungen, beziehungsweise gibt es Ideen, wie Österreich den Vorsitz im Sicherheitsrat nutzen könnte und wie man die­se Idee, die wir zweifellos unterstützen – wie ich annehme –, vorantreiben könnte?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Jawohl, wir werden diese Idee nicht nur aufgreifen, sondern versuchen, diese Idee mit Leben zu erfüllen. Ich habe gleich bei diesem Treffen in Prag die Gelegenheit genutzt, mit der US-Außenministerin Hillary Clinton bezüglich der Frage eines Beitritts der USA zu diesem Atomwaffen-Teststopp-Vertrag ein konkretes Zeichen zu setzen. Sie hat mir zugesichert, dass sie sich sehr bemühen werde, dass der Senat in den Vereinigten Staaten, der eine Zweidrittelmehr­heit dazu geben muss, dieses Ziel auch umsetzen wird.

Wir sind ja gerade bei dieser Organisation CTBTO gemeinsam mit Costa Rica Vorsit­zender des „Artikel-14-Komitees“ und haben gemeinsam mit dem costaricanischen Außenminister bereits Hillary Clinton für September eingeladen, uns zu diesem Thema in New York im Rahmen der Vereinten Nationen zu berichten. Ich hoffe, dass sie uns dort bereits mit konkreten Maßnahmen auch Hoffnung geben kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Vilimsky, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 19

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Bundesminister, können Sie beziffern, wie hoch ungefähr die Kosten für den österreichischen Sitz im Sicherheitsrat sind, und zwar über den Bereich der Sonderbudgetierung hinaus, also insbesondere die laufen­den Kosten, Personalaufwendungen inklusive zusätzlicher Aufwendungen? Können Sie das in einer Zeit der doch sehr angespannten sozialen Lage als Prestigeprojekt für Österreich wirklich vertreten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter, eine genaue Bezifferung ist des­halb nicht möglich, weil wir nach sechs Monaten jetzt noch keine Rechnung dahin ge­hend angestellt haben, was der zusätzliche Aufwand in New York tatsächlich aus­macht.

Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: Personell haben wir Vorsorge getroffen, dass wir durch Umschichtungen mehr Personal in unserer Mission in New York haben können, aber das ist nicht ein Mehr an Personal, das dem Außenministerium insgesamt zur Verfügung steht, sondern wir haben aus anderen Bereichen Mitarbeiter abgezogen und nach New York geschickt.

Das heißt, die Mehrkosten, die entstehen, werden sich sehr gering halten und werden sich im Wesentlichen aus den Auslandsgebühren zusammensetzen, die wir unseren Mitarbeitern zu bezahlen haben, und vielleicht aus wenigen Repräsentationskosten, die durch Tätigkeiten in New York zusätzlich anfallen.

Ich glaube, dass man diese Möglichkeit, im Sicherheitsrat für zwei Jahre mitzubestim­men, durchaus in Rechnung stellen und sagen kann, dieser geringe Mehraufwand wird sich aber auf der anderen Seite der Bilanz, nämlich dabei, dass Österreich auch eine Drehscheibe für den Frieden werden kann, durchaus zu Buche schlagen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Weninger, bitte.

 


Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Die Mitgliedschaft Österreichs im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist natürlich eine große Chance für Österreich, an Zeiten erfolgreicher und anerkannter österreichischer Außenpolitik anzuknüpfen.

Meine Frage an Sie, Herr Minister: Welche Maßnahmen und Initiativen werden Sie set­zen, um das österreichische Parlament und die österreichische Öffentlichkeit vor allem während der Zeit der Vorsitzführung im Sicherheitsrat verstärkt zu informieren und ein­zubinden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es ist meine große Intention, natür­lich auch das österreichische Parlament, den Nationalrat in unsere Zielsetzungen mit einzubeziehen. Wir sind jetzt gerade dabei, für den November Vorschläge zu erarbei­ten, wie wir unsere Vorsitzführung konkret gestalten können.

Wir werden jetzt vor dem Sommer noch Gelegenheit haben, im außenpolitischen Aus­schuss auch darüber zu reden. Und ich habe auch vor, unsere Klubvorsitzenden und die Sprecher mit einzubeziehen und sie über aktuelle Entwicklungen jeweils ganz kon­kret informiert zu halten. Das ist, glaube ich, notwendig, um eine gemeinsame österrei­chische Linie im Rahmen unseres Engagements in den Vereinten Nationen sicherzu­stellen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 18/M, des Herrn Abgeordneten Dr. Hübner. – Herr Abgeordneter, bitte die Frage.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 20

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Außenminister! Die führenden Ex­ponenten Ihres Koalitionspartners haben klargemacht, dass sie einen Türkei-Beitritt nicht wollen, Klubobmann Cap erst heute im Hauptausschuss, der Spitzenkandidat Swoboda im Wahlkampf. Sie selbst haben gesagt: Beitritt nein, privilegierte Partner­schaft ja. Der Spitzenkandidat Ihrer Partei bei der EU-Wahl, Strasser, hat gemeint, die Verhandlungen wären abzubrechen, weil die Geschäftsgrundlage für derartige Ver­handlungen fehle.

Jetzt gehen aber diese Verhandlungen formal munter weiter, wenngleich in vielen Ka­piteln auf die temporäre Stopptaste gedrückt wurde. Der Außenminister der Türkei hat bei seinem Besuch in Deutschland gestern erst gesagt, die Türkei werde von der Voll­mitgliedschaft keine Abstriche machen, Ziel der Verhandlungen sei die Vollmitgliedschaft.

Daher meine Frage an Sie, Herr Außenminister:

18/M

„Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Euro­päischen Union endgültig beendet werden, zumal der Spitzenkandidat der ÖVP, Dr. Ernst Strasser, im Zuge des EU-Wahlkampfes äußerte, dass die Beitrittsverhand­lungen der Europäischen Union mit der Republik Türkei zu beenden seien, weil diesen die Geschäftsgrundlage fehle?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, um die Position noch einmal klarzu­legen – ich habe das heute schon im Hauptausschuss getan –: Wir haben in unserem Regierungsprogramm bestimmt, dass Österreich das Ziel verfolgt, eine maßgeschnei­derte Partnerschaft mit der Türkei anzustreben. Das, wie ich meine, aus gutem Grund, denn wir brauchen auch eine Kooperation mit der Türkei in vielen Fragen. Die Türkei ist eine wichtige Energiedrehscheibe. Sie ist sicherlich ein gewisser Sicherheitspolster auch in Richtung Naher und Mittlerer Osten, und sie ist für viele auch ein Zukunfts­markt, auch für österreichische Unternehmen.

Darum sehen wir als ein Ziel der österreichischen Außenpolitik, einer maßgeschneider­ten Partnerschaft einen Schritt näherzukommen.

Sie haben recht, dass die Verhandlungen de facto auf Eis liegen, weil bei acht Kapi­teln, die sehr starke Implikationen in Richtung Freizügigkeit der Europäischen Union haben, derzeit keine Bewegung in der Türkei sichtbar ist.

Wir erwarten im Herbst dieses Jahres einen neuen Fortschrittsbericht seitens der Kom­mission, aber ich kann Ihnen sagen, dass eigentlich niemand in der Europäischen Uni­on erwartet, dass in diesen acht zentralen Fragen eine Bewegung seitens der Türkei stattfinden wird.

Es ist die Frage, wie sich das in der Zukunft gestaltet. Darum müssen wir hier auch be­hutsam vorgehen, behutsam in dem Sinn, dass wir die zentralen Interessen Zukunfts­markt, Energiedrehscheibe, auch Sicherheitsfragen berücksichtigen und irgendwann einmal zu einer gemeinsamen Partnerschaft bringen. Und das ist, glaube ich, auch das Ziel der österreichischen Außenpolitik.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Eine persönliche Frage an Sie, auch als Mensch. (Abg. Großruck: Als was denn sonst?) Jetzt hat der türkische Außenminis­ter, wie zitiert, noch einmal klargestellt, dass er nicht an einer privilegierten Partner­schaft interessiert ist, sondern die Vollmitgliedschaft wünscht und davon keine Abstri­che machen wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 21

Halten Sie es nicht für problematisch – ganz persönlich gesprochen –, mit jemandem über etwas zu verhandeln, das man ihm gar nicht geben will, nämlich die Vollmitglied­schaft? Und halten Sie es nicht für notwendig, dass auf europäischer Ebene jetzt ein Beschluss herbeigeführt wird, ob man die Verhandlungen in Richtung Vollmitglied­schaft fortsetzt oder beendet und in Verhandlungen über eine privilegierte Partner­schaft überführt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich sage das als Außenminister und als Mensch, in beiderlei Richtung, und da gibt es nichts, was mich da in irgendeiner Weise von meiner Funktion trennt. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass man die Ziele, die sich vor allem Österreich in Richtung dieser maßgeschneiderten Partner­schaft gesetzt hat, auch bilateral immer betont. Und ich darf Ihnen sagen, bei meinen Gesprächen mit dem türkischen Außenminister wurde da auch kein Zweifel daran ge­lassen, das wissen auch unsere Partner.

Man darf nur eine Partnerschaft nicht so beginnen, dass man dem anderen jeweils mit einem Prügel in der Hand begegnet, sondern eine Partnerschaft kann nur etwas sein, worauf man sich gemeinsam einmal irgendwann in der Zukunft einigt.

Darum halte ich nichts davon, jetzt von Abbruch zu sprechen und irgendwelche strikte Maßnahmen zu verordnen, sondern es geht darum, in vielen Jahren – vielleicht in zehn, fünfzehn Jahren – zu einem Ergebnis zu kommen, das auch den Intentionen Ös­terreichs entspricht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Muttonen.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Außenminister! Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy haben sich ja im Mai dieses Jahres gegen einen Beitritt der Türkei zur EU ausgesprochen und sind stattdes­sen für die sofortige Aufnahme von Verhandlungen in Richtung einer privilegierten Partnerschaft eingetreten, nachzulesen in „Le Monde“ vom 16.5.2009. Werden Sie die­se Initiativen Deutschlands und Frankreichs unterstützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich darf genau bei dem bleiben, was ich schon gesagt habe: Entscheidend für uns ist, dass wir im Herbst dieses Jahres einen Fortschrittsbericht seitens der Kommission sehen. Dort wird genau auf die acht ganz relevanten Kapitel, was die Freizügigkeit betrifft, Bezug genommen. Und solange die Türkei nicht akzeptiert, dass es eine Bewegung von ihrer Seite geben muss, wird es auch keine Veränderung in diesem Status geben. Das heißt, es bleibt auf Eis ge­legt.

Wenn es wirklich eine Veränderung in dieser Richtung gibt, wird sich die Frage stellen, ob man zu einem anderen Schritt kommt. Dazu ist die Türkei aber derzeit nicht bereit, und wir werden sehen, welche Initiativen daher von diesem Zustandsbericht der Kom­mission ausgehen werden.

Ich kenne aber keine konkrete Initiative im Außenministerrat von deutscher oder fran­zösischer Seite, die dem, was Sie zitiert haben, Leben einhauchen würde.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Glaser, bitte.

 


Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Außenminister! ÖVP-Europa­politiker wie der ehemalige Bundeskanzler Schüssel oder die ehemalige Außenministe­rin Plassnik waren Vorreiter und haben auch erreicht, dass der Verhandlungsprozess


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 22

mit der Türkei an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Gleichzeitig hat sich die Ös­terreichische Volkspartei auch immer für eine verpflichtende Volksabstimmung einge­setzt.

Klar ist auch, dass jetzt das Thema EU und Türkei in der Bevölkerung sehr emotional diskutiert wird. Und Sie haben als Außenminister mit Ihrer EU-Zuhörtour eine neue Be­gegnungsform begonnen.

Meine Frage an Sie wäre: Wie und in welcher Form ist Ihnen dieses Thema EU und Türkei begegnet, und in welcher Form haben Sie die Bevölkerung diesbezüglich kon­taktiert?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ja, das war bei vielen Gesprächen und Begegnungen ein Thema, wenngleich es nicht im Vordergrund stand – um das auch offen auszusprechen.

Im Vordergrund standen eher Fragen wie: Worüber können wir uns derzeit in der Euro­päischen Union noch verständigen? Was macht das insgesamt für einen Sinn? Und wie kann man österreichische Interessen tatsächlich vertreten, wenn man nach der Europaratswahl nur 17 Abgeordnete im Europäischen Parlament haben wird?

Aber auf diese Frage habe ich dasselbe geantwortet wie hier: Wir wollen eine maßge­schneiderte Partnerschaft mit der Türkei. Und das ist auch etwas, wo viele Österreicher mitgehen.

Ich glaube daher, dass es notwendig sein wird, in diesem Prozess auch die Öffentlich­keit ständig zu informieren. Ich habe vor, im Herbst eine Dialogtour durch Österreich zu Fragen der Europäischen Union zu veranstalten, wo ich auch diese Frage mitnehmen werde.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Stad­ler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Bundesminister, ich beziehe mich auf die Ausführungen der Kollegin Muttonen. Sie hat nicht nur regionale und lokale Größen zitiert, die gegen den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union sind, sondern auch in­ternationale Größen, nämlich Merkel und Sarkozy. Jeder Staat hat in der Europäischen Union die Möglichkeit, initiativ zu werden, um den Abbruch der Verhandlungen herbei­zuführen. So könnte das auch Österreich machen, und zwar im Alleingang.

Daher meine Frage: Welche Gründe liegen nun für Sie genau vor – und nicht nur diese allgemeinen, die Sie bisher genannt haben –, nicht für den sofortigen Abbruch der Bei­trittsverhandlungen mit der Türkei einzutreten, nachdem, wie bereits gesagt, sowohl Staatspräsident Sarkozy als auch die deutsche Kanzlerin Merkel klargestellt haben, dass ein Beitritt für sie nicht in Frage kommt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich darf das auch noch einmal kon­kret erläutern. Wenn jemand eine Initiative setzen will, ist er frei, eine solche Initiative zu setzen. Es gibt aber keine solche Initiative (Abg. Mag. Stadler: Aber du kannst es machen!), weder von Frankreich noch von Deutschland. Ich darf daher darauf verwei­sen, dass ein Abbruch der Verhandlungen auch eines einstimmigen Beschlusses be­dürfte. Offensichtlich wissen alle, die so etwas vielleicht gedanklich vorhaben, dass eine solche Einstimmigkeit auch nicht zustande kommen würde.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 23

Ich darf nur darauf hinweisen, dass es, wenn man eine Partnerschaft anstrebt, außen­politisch auch gefährlich wäre, auf der anderen Seite einen solch einseitigen Schritt zu setzen. Daher bin ich dafür, dass wir nach wie vor bei dem bleiben. Wir wollen diese maßgeschneiderte Partnerschaft. Wir werden uns in den Sachfragen, nämlich was den Zukunftsmarkt anlangt, was die Energie betrifft – jetzt mit „Nabucco“, einem Vertrag, der noch im Juni unterzeichnet werden soll, damit es durch die Türkei eine Gasleitung geben kann –, mit der Türkei auch konkret auseinandersetzen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister, ich bin ja froh, dass Sie nicht für einen Abbruch der Verhandlungen plädieren, denn dieser wäre tatsächlich ein Schlag in das Gesicht all jener Organisationen in der Türkei – Menschenrechtsorgani­sationen, Frauenorganisationen, auch Organisationen der Kurden und Kurdinnen –, die sich seit Jahren für Reformen einsetzen und die die Beitrittsbemühungen der Türkei und auch die Option des Vollbeitritts für sich als Möglichkeit sehen, diese Reformen tatsächlich auch durchzusetzen. Sie haben aber zuerst gemeint, die Intention Öster­reichs ist eine Partnerschaft. Die Intention der Europäischen Union ist sehr wohl weiter­hin der Vollbeitritt.

Herr Minister, Sie haben heute im Hauptausschuss gesagt, man könne nicht mit der Keule auf die Türkei einschlagen, man müsse Positives befördern. Und Sie haben jetzt gerade gesagt, man könne nicht mit dem Prügel in der Hand vorgehen. Da stimme ich ja überein. Aber wie wollen Sie jenen Organisationen in der Türkei – Zivilgesellschafts­organisationen, Frauenorganisationen, Menschenrechtlern, Journalisten und Journalis­tinnen –, die um Medienfreiheit kämpfen, klarmachen, dass Österreich das unterstützt, wenn Sie nicht gleichzeitig weiter das Ziel des Vollbeitritts verfolgen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geschätzte Frau Abgeordnete, es ist nicht meine Aufgabe, in der Türkei NGOs zu überzeugen. Meine Aufgabe ist es, österreichische Interessen zu vertreten – und das tue ich voll und ganz.

Unser Interesse ist, mit der Türkei eine Partnerschaft einzugehen, die durchaus auch österreichische Interessen befördert. Wir haben etwa im Bereich der Energie eine gan­ze Reihe von Organisationen, die daran interessiert sind, zukünftig in der Türkei zu lan­den. Wir haben in der Nordtürkei ein großes Interesse von Unternehmen, dort auch zu investieren und Handel zu treiben. Genau dort werden wir uns hinbegeben.

Ich glaube daher, dass wir diese Frage von der Frage trennen sollten, ob es bei Bei­trittsverhandlungen formell einen Fortschritt gibt. Den sehe ich nicht. Dazu zählt eben auch die Einhaltung von türkischer Seite – gerade in Menschenrechtsfragen –, die der­zeit nicht gegeben ist. Daher gehen wir weiter in Richtung einer besonderen Partner­schaft mit der Türkei und lassen uns nicht irritieren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage: Herr Abgeord­neter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die Bundesregierung hat ja leider in einigen Ressorts massive Einsparungen verordnet, nämlich gerade dort, wo es eigentlich notwendig gewesen wäre, gewisse Maßnahmen für die Bevölkerung zu setzen, wie zum Beispiel für die Sicherheit im Innenressort oder im Landesverteidigungsressort.

Auch im Außenministerium wurden Einsparungen verordnet. Sie sehen sich jetzt ge­zwungen – ich bedaure das –, eine Botschaft zu schließen, und zwar in Oman, einem


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 24

arabischen Land, das stabil ist, zu dem es gute österreichische Beziehungen gibt, etwa im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich. Die Universität Wien hat dort eine gute Initiative in Richtung einer Kooperation gesetzt. Dieses Land hat uns auch sehr bei der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat unterstützt. Jetzt wird diese Botschaft geschlossen, statt dass man bei den österreichischen Vertretungen in der Europäischen Union Ein­sparungen vornimmt. Dort, glaube ich, könnte man das eher machen, ohne außenpoli­tischen Schaden zu erleiden.

Daher meine Frage, Herr Außenminister:

21/M

„Welche personellen und infrastrukturellen Einsparungspotenziale sehen Sie bei den österreichischen Vertretungen in den EU-Mitgliedsländern?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ja, wir müssen sparen, auch wir sind davon betroffen und wissen, dass wir mit diesem Budget nicht alles wie in der Vergan­genheit aufrechterhalten können.

Zu Ihrer konkreten Frage, was wir im Bereich der Europäischen Union, bei den Bot­schaften, die wir dort unterhalten, tun: Wir haben in Botschaften wie in Paris, in Lai­bach und auch jetzt in Budapest unser Personal reduziert. Das heißt, wir werden dort nicht in vollem Umfang alles so aufrechterhalten können wie in der Vergangenheit. Zum Zweiten versuchen wir auch bei den baulichen Gegebenheiten und beim Raum, der zur Verfügung steht, wesentlich zu sparen. Wir werden etwa in Budapest das Ge­bäude, in dem wir derzeit sind, verkaufen und in ein kleineres umziehen, was uns auch eine Reduktion von Kosten bringen wird.

Was ich aber auf der anderen Seite nicht aufgeben kann, ist die Betreuung in diesen Staaten der Europäischen Union, denn viele Auslandsösterreicher wohnen genau in diesen Ländern. In Deutschland leben etwa 280 000 Österreicher. Ich kann daher dort nicht Generalkonsulate oder Botschaften schließen. Wir brauchen auf der anderen Sei­te auch eine Betreuung für Österreicher, die in diese Länder auf Urlaub fahren. Das sind eben sehr oft die Mittelmeeranrainerstaaten, die Mitglieder der Europäischen Uni­on sind, und auch dort bedarf es der Unterstützung von Österreichern, die ein Problem haben, weil ihnen das Auto gestohlen wurde, sie den Reisepass nicht mehr haben oder sie kein Geld mehr haben, weil es ihnen gestohlen wurde. Darum darf ich auch nicht davon ausgehen, dass wir diese Länder aus dem Fokus lassen. Und daher bleiben wir auch in der Europäischen Union vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Ja, es ist ja keine Frage, dass man diese Vertretungen aufrechterhalten soll. Bei all den Dingen, die Sie angesprochen haben, stellt sich dann allerdings schon die Frage nach dem Nutzen der Mitgliedschaft Öster­reichs. Wir sind alle EU-Bürger und haben deshalb wohl auch in den EU-Mitgliedslän­dern durch die dortigen offiziellen Stellen die entsprechende Unterstützung zu bekom­men. Ich glaube trotzdem, dass es in diesen österreichischen Botschaften in den EU-Mitgliedsländern noch weitere Einsparungspotentiale gäbe, um dadurch zu verhindern, dass man eine Botschaft in einem sensiblen Bereich, in einem befreundeten Land schließen muss.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 25

Deshalb noch einmal meine konkrete Frage: Sind Sie bereit, unter Einbeziehung all dieser möglichen Einsparungspotentiale diese Botschaftsschließung noch einmal zu überdenken oder zumindest zu verschieben?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich darf auch auf eines noch verwei­sen, weil Sie das offenbar anders sehen: Wir haben auch ein außenpolitisches Inter­esse, in den anderen Mitgliedsländern der Union vertreten zu sein, denn viele unserer Interessen, die wir in Europa durchbringen wollen, bedürfen der Unterstützung durch unsere Botschaften in den Mitgliedsländern, in den nationalen Regierungen. Das ist uns auch gelungen. Zum Beispiel beim Verbot betreffend Maisanbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen haben wir nur dadurch, dass wir entsprechendes Lobbying ge­macht haben, erreichen können, dass dieses Verbot tatsächlich aufrechterhalten wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten darf ich auch noch darauf verweisen, dass wir eine Entscheidung getrof­fen haben, was die Botschaft in Maskat betrifft. Das ist nicht erfreulich, aber es ist so. Wir werden auch Generalkonsulate in anderen Teilen der Welt schließen. Das muss leider sein. Dazu habe ich keine Alternative.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister und auch Herr Kollege Scheibner, ich halte gar nichts davon, zu sagen, wir müssten innerhalb der EU die Zahl der Vertretungen reduzieren, dafür hätten wir dann mehr Personal in anderen Staaten der Welt. Ich halte es für problematisch, dass in den letzten Jahren, auch schon als die jetzige Kommissarin Benita Ferrero-Waldner Außenministerin war, der Personalstand im Außenministerium sehr stark gekürzt wurde und dass es deshalb insgesamt jetzt schon, gerade in den Botschaften, einen sehr niedrigen Personalstand gibt, auch im Außenministerium selbst. Sie wissen das selbst, Herr Minister.

Meine Frage geht daher in die Richtung: Was tun Sie, um jetzt nicht eine Botschaft zu schließen, ein Konsulat zu schließen, dann vielleicht von einer Botschaft, die drei Leute hat, noch jemanden abzuziehen, sondern tatsächlich dafür zu sorgen, dass die öster­reichischen Vertretungen in der EU und auch außerhalb der EU personell so besetzt sind, dass sie ihre Aufgaben auch wirklich wahrnehmen können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Was ich nicht bewerkstelligen kann, ist, dass eine Wirtschaftskrise von Österreich abgewendet wird. Das würde ich gerne, dann würden wir auch budgetär besser dastehen. Aber es ist eben einfach so, dass al­le Ressorts sparen müssen, auch das Außenministerium.

Was wir aber tun können für die Zukunft – da bin ich sehr stark dabei –, ist, mit allen Nachbarländern Synergien auszuloten, dass wir uns etwa in einer Region, wo einer vertreten ist, eine gemeinsame Botschaft leisten, wo dann nur ein Mitarbeiter dieses Landes tätig ist, dass wir uns gemeinsam in der Richtung von Visa-Erteilung auch Er­leichterungen verschaffen, indem wir kooperieren, indem der eine für den anderen auch in einer sensibleren Region etwas übernimmt, in der dieses Land nicht vertreten ist. Von solchen Kooperationen halte ich viel, und das wird uns auch Synergien für die Zukunft bringen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Hübner, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 26

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Außenminister, Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung an den Kollegen Scheibner den Zweck der österreichischen Ver­tretungen in der EU hauptsächlich damit gerechtfertigt, dass es um die Betreuung kon­sularischer Natur der Auslandsösterreicher und um Lobbying für eigene Anliegen bei den anderen Mitgliedstaaten geht.

Meine Frage daher: Halten Sie angesichts dieser neuen Aufgabenstellung das diplo­matische System, wie es in Europa weiterhin existiert, mit all seinen Privilegien, seinem Aufwand, seinem Zeremoniell aus dem 18. und 19. Jahrhundert überhaupt noch für an­gemessen oder sind Sie der Meinung, dass das diplomatische Wesen und seine Struk­tur generell überarbeitet und überdacht gehören?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich darf gleich vorweg feststellen: Wir haben keine Diplomaten im Ausland, deren Zweck es ist, Champagner zu trinken und bei Empfängen dabei zu sein, sondern wir haben Diplomaten im Ausland, die österreichische Interessen vertreten. Das ist gut und richtig so, und dazu stehe ich auch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Worauf wir uns einzustellen haben, ist, dass es heute viel stärker darauf ankommt, im Miteinander in bestimmten Regionen der Welt auch gemeinsame Ziele zu verfolgen. Das betrifft alle Botschaften der Europäischen Union, auch die österreichische. Das hat sich sehr stark gewandelt, auch gegenüber den letzten Jahren. Heute ist es sehr stark notwendig, dass man sehr rasch nach einer Entscheidung interveniert. Etwa bei diesen Fragen rund um die Finanzkrise, wo auch Österreich in Mitleidenschaft gezogen wur­de, haben unsere Botschaften hervorragende Dienste geleistet, nämlich sofort einen Gegenpol zu setzen, aufzuklären, in die Ministerien der anderen Länder zu gehen und zu zeigen, dass Österreich kein Bananenstaat ist, sondern, ganz im Gegenteil, ein aus­gezeichneter Finanzplatz, der eine gute Struktur hat und auch in der Zukunft verlässli­cher Partner sein wird. Und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Bayr.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Sie haben es schon angedeutet: Durch das Sparen bei österreichischen Vertretungsbehörden ist es unter anderem auch durch Budgetumschichtungen gelungen, Geld woandershin zu schaufeln, um zum Beispiel zu verhindern, dass das Geld in der bilateralen Entwick­lungszusammenarbeit ins Bodenlose fällt, sondern dort wenigstens gleich bleibt.

Zu eben jener Entwicklungszusammenarbeit gibt es einen sehr kritischen Peer Group Review von der OECD, der unter anderem kritisiert, dass eine mangelnde Kohärenz da ist und eine große Fragmentierung dieser Entwicklungszusammenarbeit, der sagt, dass die finanzielle Ausstattung natürlich nicht genügend ist und die Vorhersagbarkeit schwierig ist, wie er auch die schleppende Umsetzung der Empfehlungen des Berich­tes von 2004 kritisiert.

Welche Konsequenzen werden Sie als zuständiger Bundesminister aus diesem Bericht ziehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, es ist gut, dass Sie diese Frage an­sprechen, weil die offizielle Stellungnahme der OECD eine andere ist. Das war eine Stimme aus dem Bereich der Mitarbeiter der OECD, doch mittlerweile ist klargestellt,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 27

dass die Fragen der Anrechnung, die hier problematisiert wurden, all dem entsprechen, was die OECD an Standards vorgibt. Das heißt, wir haben uns hier auch nichts vorzu­werfen, dass wir etwas in diese Anrechnung hineingegeben hätten, was dort eigentlich keinen Platz hat.

Zum Zweiten bemühen wir uns, dass wir genau mit dem frischen Geld, das für Entwick­lungsprojekte notwendig ist, auch unseren Schwerpunkten entsprechen können. Das heißt, dass wir über die ADA, unser Instrument für die Abwicklung von Projekten, auch unseren Schwerpunktsetzungen – Hilfe zur Selbsthilfe, Schutz von Frauen, Unterstüt­zung von Frauenprojekten – nachkommen können und wir uns hier im Rahmen der in­ternationalen Entwicklungszusammenarbeit bewegen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Amon.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! In Anlehnung an das Thema Effizienzsteigerung: Ich glaube, dass man bei der Frage der Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat nicht die Fra­ge der Kosten in den Mittelpunkt stellen soll. Österreich soll stolz darauf sein, dass wir Mitglied im Sicherheitsrat sind und im November sogar den Vorsitz führen. Ich glaube, der Kollege Vilimsky hat bei dem, was er hier sagt, hier nicht die Effizienzsteigerung im Hinterkopf. Seien wir stolz darauf, Mitglied des UNO-Sicherheitsrates zu sein!

Aber zur Effizienzsteigerung: Können Sie uns Auskunft darüber geben, Herr Bundes­minister, wie es mit der Entwicklung des europäischen diplomatischen Dienstes aus­sieht? Wie sind die Vorbereitungsarbeiten? Welche Möglichkeiten werden österreichi­sche Diplomaten in diesem europäischen auswärtigen Dienst haben? Wie schaut das konsularische Service in Zukunft aus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, der europäische diplomatische Dienst ist ein Vorhaben, wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist. Sollte es in Irland ein positives Referendum geben, dann werden wir uns intensiv mit dieser Fra­ge zu beschäftigen haben.

Wir haben auch vorgesehen, dass Österreicher in diesem europäischen diplomati­schen Dienst einen Platz haben. Die Vorraussetzung dafür ist aber, dass sie in Öster­reich ausgebildet sind und erst als ausgebildete Diplomaten in diesen europäischen Dienst einsteigen.

Wenn es irgendwann einmal wirklich so weit ist, dass wir eine gemeinsame Vertretung der Europäischen Union in bestimmten Regionen sicherstellen können, werden sich auch Synergien einstellen. Dann wird es nicht notwendig sein, dass alle Mitgliedslän­der dort auch mit eigenen Botschaften vertreten sind.

Aber das ist ein langfristiges Vorhaben, und die genaue Art, wie man das bewerk­stelligt, wer dann weisungsbefugt ist für solche europäischen Botschaften, das sind noch Fragen, die jetzt vor einem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zu klären sind.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 5. Anfrage. – Bitte, Herr Abge­ordneter Dr. Alexander Van der Bellen.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundesminister, die Bür­ger und Bürgerinnen aus Staaten, die früher in Jugoslawien zusammengefasst waren, beschweren sich ja immer wieder darüber, dass sie früher frei reisen konnten, jetzt aber der Visa-Pflicht unterliegen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 28

Meine Frage lautet daher:

17/M

„Wie werden Sie sich im Rahmen der EU und innerhalb der Regierung für eine mög­lichst rasche Gewährung der Visa-Freiheit für die Staaten Südosteuropas einsetzen?“

Es gibt ja hier neue Entwicklungen, wie Sie im Hauptausschuss angedeutet haben. Vielleicht könnten Sie das für alle Länder des Balkans beantworten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, da gibt es Neuerungen, das ist ganz richtig. Diese Visa-Liberalisierung ist für die Westbalkanstaaten ein ganz wesentlicher Punkt. Bei jedem bilateralen Besuch wurde ich darauf angesprochen. Das rührt daher, wie Sie richtig gesagt haben, dass im früheren Jugoslawien keine Visa-Pflicht gegen­über Europa bestand und jetzt eine solche Visa-Pflicht Vorraussetzung ist, aus dem Land auszureisen und in irgendein europäisches Land zu kommen.

Wir haben ganz konkret einen Bericht der Kommission, der besagt, dass drei Länder dieser Westbalkanstaaten sehr weit sind in den Sicherheitsvorkehrungen, damit man ihnen eine Visa-Liberalisierung gewähren kann. Es handelt sich um Mazedonien, das am weitesten vorangeschritten ist, aber auch um Serbien und Montenegro.

Das, was wir gerne gewährleisten wollen, ist, dass bei Einhaltung der Sicherheitskrite­rien – das heißt, dass etwa die Voraussetzungen erfüllt sind, dass der Reisepass nach bestimmten Kriterien Merkmale enthält, die zur Sicherung beitragen –etwa zu Jahres­ende auch eine Visa-Liberalisierung, zumindest für diese drei Länder, stattfinden kann.

Wir stehen dafür, wir setzen uns dafür ein, wir brauchen aber auch den Sicherheitsge­winn für die Länder, etwa dadurch, dass diese Länder dann auch sichere Drittstaaten – zum Beispiel in einem Asylverfahren – sein werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundesminister! Öster­reich verlangt ja saftige Gebühren für diese Visa – für ein schlichtes Flughafentransitvi­sum 35 €, für ein längeres Aufenthaltsvisum 75 € –, und jetzt wurde ich darauf auf­merksam gemacht, dass man für eine schlichte Telefonauskunft an der österreichi­schen Botschaft in Belgrad eine Gebühr von 12,45 € zu zahlen hat, wenn man sie mit einer Visakarte bezahlt, oder 15,50 €, wenn man sie über eine Raiffeisenbank bezahlt.

Halten Sie das für richtig, für einen schlichten Anruf bei einem Call-Center 15,50 € zu verlangen – die Visagebühren kommen ja noch dazu –, und das in einem Land, wo das Pro-Kopf-Einkommen wahrscheinlich, ich weiß nicht, ein Fünftel, ein Zehntel des öster­reichischen ausmacht?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das lässt sich leicht aufklären. Es handelt sich dabei nicht darum, dass ich dann, wenn ich an der Botschaft anrufe und eine Auskunft allgemeiner Natur erhalten will, eine Gebühr zu bezahlen habe. Ich habe dann, wenn ich das freiwillig so tun will, ein Call-Center anzurufen, wenn ich es mir er­sparen will, mich für ein Visum anzustellen, sondern über diesen Weg einen speziellen Termin für meine Visumausstellung erreichen will.

Das ist ein Service, das wir jenen anbieten, die sich nicht gerne stundenlang bei der Botschaft anstellen wollen, sondern zu einem speziellen Termin ihr Anliegen betreffend


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 29

Visum erledigen wollen. Es machen davon sehr viele Gebrauch, aber das hindert nie­manden, sich ganz normal zur Botschaft zu begeben, sich halt in die Reihe zu stellen und dort sein Visum zu bekommen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Haider.

 


Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Die Einführung einer Visa-Freiheit oder Visa-Liberalisierung kann nur in Abstimmung mit den österreichischen Sicherheitsbehörden erfolgen.

Daher die Frage: Welche gemeinsamen Planungen gibt es Ihrerseits und seitens der Frau Innenminister, um ähnliche Zustände, wie wir sie gegenwärtig beim Kriminaltou­rismus aus den EU-Oststaaten erleben müssen, bei der Einführung der Visa-Freiheit oder Visa-Liberalisierung für die Staaten Südosteuropas hintanzuhalten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich bin in dieser Frage voll abge­stimmt mit der Frau Innenministerin, weil ja verschiedene Voraussetzungen, dass es eine Visa-Liberalisierung geben kann, von den betroffenen Ländern erfüllt sein müs­sen. Das ist etwa die Dokumentensicherheit, das sind aber viele andere Fragen auch, wie etwa, dass es eine Rückübernahme geben muss in Form eines Abkommens, damit dann, wenn jemand aus diesen Ländern nach Österreich kommt, eben auch zurück­gestellt werden kann.

Erst dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können wir überhaupt von der Li­beralisierung reden. Aber wir sind eben bei den drei Ländern fast so weit, im Fall von Mazedonien schon so weit, dass es auch Platz greifen kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Heinzl.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte Sie fra­gen: Welche Schritte setzt Österreich, um sich für die Umsetzung des EU-Abkommens für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Serbien einzusetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir tun das bei jeder Ratssitzung, denn das ist jedes Mal auch ein Thema. Es gibt manche Länder in der Europäischen Union, die hier nicht eine volle Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichts­hof von der serbischen Seite akzeptieren. Wir haben dazu erst am Montag in Luxem­burg ein Treffen mit dem Chefankläger Brammertz gehabt und haben mit ihm diese Fragen detailliert erörtert, und ich glaube, dass man heute sagen kann, dass es kei-
nen Grund dafür gibt, davon auszugehen, dass es keine volle Zusammenarbeit geben würde.

Ich hoffe daher sehr, dass die betroffenen Länder in der EU, die dieses Interimsabkom­men noch blockieren, auch überzeugt werden. Wir werden am Donnerstagabend wie­der darüber reden, dass Serbien dieses Interimsabkommen jetzt auch in Kraft setzen kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager.

 


Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die Donau-Region und das Schwarzmeer gehören zu den dyna-


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mischsten Regionen Europas und der Nachbarschaftsländer. Sie haben auch einen außenpolitischen Schwerpunkt hier im Hohen Haus und in der Öffentlichkeit in der Zwischenzeit zahlreiche Aktivitäten gesetzt. Serbien ist eines der wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Gebiete, Österreich ist der größte Auslandsinvestor in Serbien.

Wie schaut der Fortschritt der Annäherung Serbiens an die Europäische Union aus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Aus meiner Sicht sieht das von der serbischen Seite sehr positiv aus. Es gab sehr viele Fortschritte, es gab auch jetzt we­gen der finanziellen Schwierigkeiten mit dem Internationalen Währungsfonds ein Ab­kommen, damit Geld zur Verfügung gestellt werden kann, das auf der anderen Seite eine Fülle von Voraussetzungen zur Folge hat, die Serbien zu erbringen hat, aber auch dort gibt es gewaltige Fortschritte.

Ich meine daher, dass wir Österreicher uns stark für Serbien einsetzen sollen. Wir wer­den das auch tun. Ich habe gerade erwähnt, beim Interimsabkommen gibt es eigentlich nur mehr ganz wenige, die dem entgegenstehen, und ich hoffe sehr, dass wir das de­blockieren können.

Wir glauben aber insgesamt, dass wir Serbien ermutigen müssen auf diesem Weg in Richtung Europa, denn auch dort gibt es Kräfte, die diese europäische Annäherung nicht sehen, aber wir wollen diejenigen sein, die die Pro-Europa-Kräfte unterstützen, damit Serbien auch irgendwann einmal Mitglied der Europäischen Union sein kann. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hagen.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, vor eini­ger Zeit geriet Österreich in ein relativ schales Licht. Betroffen war der Visa-Handel, ein sehr unrühmliches Kapitel in der österreichischen Diplomatie beziehungsweise Vertre­tung.

Meine Frage daher: Wie überprüfen beziehungsweise überwachen Sie die einzelnen österreichischen Konsulate und Botschaften im Zusammenhang mit dem Verdacht des Visa-Handels?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, bereits nach den Vorfällen, die es gegeben hat, die bedauerlich sind, die aber auch strafrechtlich verfolgt wurden und zu einem Urteil geführt haben, haben wir eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen ge­setzt. Meine Amtsvorgängerin hat dazu bereits ein System etabliert, das ein Vier-Augen-Prinzip für die Erteilung eines Visums vorsieht, eine strikte Einhaltung von Rechtsvorschriften, die auch überprüft werden.

Ich kann Ihnen sagen, immer dann, wenn es irgendeinen Verdachtsfall gibt, wird sofort unser Generalinspektorat dorthin entsendet, und wir überprüfen vor Ort, ob es wirklich Unregelmäßigkeiten gibt. Es gab dazu eine Reihe von Hinweisen, die aber in keinem einzigen Fall seit dieser damaligen Visa-Affäre zu einem positiven Ergebnis im Sinne einer strafrechtlichen Handlung geführt hätten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 6. Anfrage. – Bitte, Frau Ab­geordnete Mag. Wurm.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Letz­ten Samstag fanden im Iran die Präsidentschaftswahlen statt. Im Anschluss daran, als


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das Wahlergebnis verkündet wurde, kam es zu spontanen Massendemonstrationen, die auch sehr gewalttätig verliefen. Auch die Ankündigung des geistlichen Führers Khamenei, dass verschiedene Wahlbezirke neu ausgezählt werden sollten, hat jetzt nicht wirklich zur Beruhigung der Lage geführt.

Meine Frage an Sie: Wie beurteilen Sie die Lage im Iran und die Stellung Österreichs dazu?

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 20/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen im Iran?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wir Österreicher sehen das mit großer Besorgnis, aber Europa insgesamt sieht das mit großer Besorgnis, und das wohl zu Recht. Offensichtlich sind die Vorwürfe von Wahlmanipulation nicht ausgeräumt.

Ich bin daher froh, dass jetzt auch der Religionsführer Khamenei angeordnet hat, dass es eine Überprüfung dieser Situation gibt. Das verschafft zumindest den Eindruck, dass man sich bemüht, diese Bedenken und die Vorwürfe auszuräumen, aber die Lage ist weniger stabil, als wir das vielleicht annehmen. Wir haben von unserer Botschaft auch Berichte, dass es tagtäglich Demonstrationen gibt, die nicht immer ganz friedlich verlaufen. Es gab bei dieser ersten Demonstration auch Opfer, nämlich getötete Men­schen, es gab im Zuge dieser Auseinandersetzungen im Iran bisher in etwa sieben bis zwanzig Tote.

Mir ist daher wichtig, dass wir diese Vorwürfe zunächst einmal ausgeräumt bekommen, bevor man tatsächlich von einem Wahlergebnis im Iran sprechen kann.

Was die österreichische Seite anlangt: Wir sind in Kontakt mit den Österreichern, die im Iran und besonders in Teheran leben. Wir haben derzeit keine besonderen Sicher­heitsbedenken, aber wir beobachten die Situation stündlich, und unser Botschafter be­richtet uns auch jeden Tag mehrmals, damit wir auch unsere entsprechenden Vorkeh­rungen treffen können. Ich sehe im Augenblick keinen Grund zur Besorgnis für Öster­reicher, aber wir müssen diese Situation auch im Hinblick auf diese gewaltsamen Aus­einandersetzungen ständig beobachten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister, gerade gestern und auch heute in der Früh wurde wieder bekannt, dass die Visa für die offiziellen Bericht­erstatter nicht verlängert werden, sei es nun der österreichischen, wie zum Beispiel Barbara Ladinser, die die Verlängerung des Visums nicht bekommen hat, aber das trifft ja auch alle anderen Reporter im gleichen Ausmaß. Demokratie kann aber nur funktio­nieren, wenn die entsprechende Transparenz dessen, was in einem Land vor sich geht, gegeben ist.

Wie verhält sich Österreich diesbezüglich? Gibt es von Ihrer Seite aus diesbezüglich Protestnoten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich habe bereits am Montag bei unse­rem Rat in Luxemburg einen entsprechenden Protest auch öffentlich bekundet. Wir ha­ben das auch in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister für die Europäische Union getan. Wir haben aber auch gestern mit dem iranischen Botschafter in Öster­reich ein diesbezügliches Gespräch geführt, weil uns die Situation in Richtung Men-


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schenrechte, in Richtung freier Meinungsäußerung und auch in Richtung freier Bericht­erstattung gar nicht gefällt. Ich meine daher, dass wir, wie ich gesagt habe, diese Si­tuation täglich unter neuer Beobachtung halten müssen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schüssel.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Herr Minister! Die Informationen, die von der iranischen Opposition und zum Teil auch aus den Quellen aus dem iranischen Innenministerium kommen, weisen auf massiven Wahlbetrug hin. Es sind Millionen Stimmzettel mehr gedruckt worden, als es Wahlbürger gegeben hat. Nach zwei unab­hängigen Quellen hat der zweite Kandidat Mussavi deutlich mehr Stimmen bekom­men – 57 Prozent, doppelt so viel wie Ahmadinejad. Es hat massive Einschüchterun­gen gegeben, und es sind Wahlbeobachter nicht zugelassen worden.

Wie werden Sie darauf reagieren? Wird das beim Europäischen Rat ein Thema sein? Und ist allenfalls an Sanktionen gedacht, wenn nicht die Neuauszählung ein ehrliches und faires Ergebnis bringt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, jawohl, ich glaube, das muss ein Thema beim Europäischen Rat sein, weil man das als Europäische Union nicht zur Kenntnis nehmen kann. Es stehen massive Vorwürfe in Richtung Wahlbetrug im Raum, die noch nicht geklärt sind. Es gibt noch keine offizielle Antwort, aber wir müs­sen natürlich auch abwarten, was für ein Ergebnis dieser neue Auftrag von Religions­führer Khamenei bringt.

Allerdings muss man, glaube ich, alles in Erwägung ziehen, und man darf, wenn das, was wir unter demokratiepolitischen Grundsätzen verstehen, nicht eingehalten wird, auch Sanktionen erwägen. Im Augenblick gibt es aber keine Vorarbeiten. Ich schätze daher, dass wir das am Donnerstag beim Europäischen Rat auch unter den Außenmi­nistern noch einmal erörtern werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Tadler.

 


Abgeordneter Erich Tadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Welche Rolle haben die traditionell guten österreichisch-iranischen Beziehungen bei der jüngst erfolgten Ausreise der US-Journalistin Roxana Saberi aus dem Iran gespielt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das war ein lang gehegtes Vorha­ben, und da hat Österreich vor allem auch mit unserem Botschafter Postl, der im Iran eine ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und bei dem ich mich ausdrücklich bedanken möchte, auch ein positives Zeichen gesetzt, nämlich dass diese Ausreise möglich war und dass wir das auch in einer Art und Weise durchgeführt haben, wo nicht im Zentrum stand, dass wir einen großen Erfolg gelandet haben, sondern dass die betroffene Per­son in Freiheit gelangt ist, und das war wichtig für uns. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Minister, die bisherige Reaktion der EU und, ich muss leider sagen, auch von Österreich scheint mir viel zu schwach. Inzwischen sind Belege nicht nur über einzelne Unregelmäßigkeiten bei die-


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ser Wahl, sondern tatsächlich über massiven Wahlbetrug vorhanden. Der Staatssekre­tär im deutschen Außenministerium hat gestern dazu in der ARD eindeutig Stellung be­zogen.

Wenn jetzt einzelne Ergebnisse überprüft werden sollen, der Revolutionsrat aber gleichzeitig sagt, Neuwahlen kommen nicht in Frage, dann wird das eine Farce wer­den, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Europa nur durch eine Erklärung reagiert.

Ist es denkbar, dass die Mitgliedsländer der EU zum Beispiel ihre Botschafter zur Kon­sultation zurückbeordern und dem Iran angesichts dieser Entwicklung entsprechende Sanktionen in Aussicht stellen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wie Sie selbst sagen, sind diese Ent­wicklungen und diese neuen Tatsachen erst jetzt aufgekommen. Wir haben am Montag unsere letzte Sitzung gehabt, zu diesem Zeitpunkt war das alles noch nicht in dieser Dimension bekannt. Ich sehe daher dem entgegen, was wir jetzt am Donnerstag und am Freitag beim Europäischen Rat zu besprechen haben. Wir werden auch das mitbe­rücksichtigen müssen, aber ich will hier keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehen. Das muss im Rahmen der europäischen Außenminister sorgfältig geprüft werden. Ich schließe aber auch keine Maßnahme aus, denn es bedarf schon eines deutlichen Zei­chens, dass man solche Entwicklungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Königshofer, bitte.

 


Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Bundesminister, die Präsiden­tenwahlen im Iran sind gelaufen. Ein Ergebnis liegt vor. Ich warne jedoch ausdrücklich davor, voreilig dem Iran, den iranischen Behörden und der iranischen Regierung Wahl­betrug und Wahlverfälschung vorzuwerfen, bevor nicht handfeste Beweismittel vorlie­gen. Wir haben das auch im Jahr 2000 bei den USA nicht so gehandhabt, obwohl in Florida massive Hin- und Herverschiebungen von Stimmen stattgefunden haben, bis der Präsident dann letztendlich ermittelt wurde. (Hallo-Rufe bei der ÖVP. Abg. Dr. Schüssel: Bitte, bitte! Abg. Großruck: Frage!)

Herr Bundesminister, ich glaube, in Bezug auf den Iran sollten wir Zukunftsfragen stel­len, und zwar in der Richtung, welche wirtschaftspolitischen und energiepolitischen Fragen und Probleme in Hinkunft anstehen, die von der Republik Österreich einerseits und von der Islamischen Republik Iran andererseits besprochen und einer Lösung zu­geführt werden sollen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Das ist zwar jetzt nicht wirklich eine Frage, aber eine implizite Frage, und der Herr Bundesminister kann sie sicher beantworten.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Herr Abgeordneter, ich darf zunächst noch einmal festhal­ten: Wenn jetzt so massive Vorwürfe in Richtung Wahlbetrug im Raum stehen, muss man dem schon nachgehen, und da darf man nicht darüber hinwegsehen, denn demo­kratiepolitische Grundsätze müssen von allen Ländern eingehalten werden – auch vom Iran, darauf werden wir bestehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Frage einer Zusammenarbeit auf dem Energiesektor ist im Augenblick nicht rele­vant, denn wir haben das Projekt „Nabucco“, das einmal etwas in die Richtung des Iran vorgesehen hat, noch nicht einmal unterzeichnet. Es wird im Laufe des Juni zu unter­zeichnen sein, und dann werden wir auch sehen, aus welchen Regionen wir Gas ent­sprechend fördern können. Da sind ja auch ganz andere Länder in Betracht gezogen


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worden, und wir werden sehen, wie das weitergeht. Im Augenblick sehe ich aber keine Möglichkeit, mit dem Iran Verträge abzuschließen, denn bei diesen Grundfragen, die nicht geklärt sind, wäre es jetzt auch ein falsches Signal, sich mit dem Iran auf eine in­haltliche Kooperation in Richtung Energie einzulassen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Öl­linger: Türkei nein, Iran ja, das ist die Meinung der FPÖ!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur letzten Anfrage, zur An­frage 16/M des Herrn Abgeordneten Großruck. Ich verlängere die Fragestunde exakt um diese eine Anfrage. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Im heutigen „Kurier“ ist zu lesen:

„Donau-Strategie – Österreich hat es geschafft: In der Schlusserklärung des Gipfels, die dem KURIER vorliegt, wird die Kommission beauftragt, für die bessere wirtschaftli­che und politische Kooperation der Donau-Anrainer-Staaten bis 2010 ein Konzept vor­zulegen.“

Herr Bundesminister, ich weiß, dass Sie Schwerpunkte in der Donauregion gesetzt ha­ben, aber auch in der Schwarzmeer-Region. Was werden Sie, was wird die österreichi­sche Außenpolitik konkret auf diesem Sektor machen, um diesen erfreulichen Be­schluss der Kommission zu verstärken und zu transportieren? Konkret:

16/M

„Was kann Österreich unternehmen, um die Länder der Donau-Achse, diesen europäi­schen Zukunfts- und Wachstumsraum, und für die Schwarzmeer-Region zu einem Schwerpunkt nicht nur für Österreich, sondern auch für die europäische Nachbar­schaftspolitik zu machen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben diese Donau-Strategie im Jänner dieses Jahres angeregt. Wir haben dazu gemeinsam mit Rumänien bei der Kommission viele Gespräche geführt, wir haben die Anrainer-Staaten überzeugt und letztlich auch die Mitglieder der Europäischen Union. Ich bin daher sehr froh, dass die­se Initiative jetzt auch den Erfolg hat, dass in den Schlussfolgerungen des Europäi­schen Rates die Donau-Strategie vorgesehen wird. Das ist für uns ein großes Vorha­ben, und es ist jetzt eine große Hürde übersprungen worden.

Was werden wir konkret tun? Wir werden Anfang Juli gemeinsam mit der Wirtschafts­kammer und der Industriellenvereinigung Unternehmen, die an diesem Raum – dem Donau-Raum und der Schwarzmeerregion – interessiert sind, einladen, ihre Interessen auf den Tisch zu legen, damit wir als Außenpolitiker vorbereiten können, welche Struk­turen wir schaffen, damit wir dann, wenn dieser Raum zu einer neuen Blüte kommt – und das wird nach der Krise von Wirtschaftsforschern durchaus so gesehen –, dort rechtzeitig unsere Schwerpunkte setzen können. Da bin ich sehr froh, dass sich alle daran beteiligen und dass das ein Erfolg der österreichischen Außenpolitik werden wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Bundesminister, nach dem Zerfall des Kommunismus ist es erfreulicherweise so, dass viele Nachfolgestaaten zu Demo­kratien geworden sind – nicht alle, das geht nicht von heute auf morgen, aber sie arbei­ten sehr schwer daran. So finden beispielsweise am Sonntag in einer Woche Wahlen in Albanien statt. Albanien hat auch den Stabilitätspakt mit der Europäischen Union un­terzeichnet.


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Wie sehen Sie konkret die Perspektive für die Balkanländer, aber auch für Länder wie beispielsweise die Ukraine oder Belarus im Hinblick auf eine möglicherweise in der Zu­kunft schwebende Mitgliedschaft in der Europäischen Union? Ist das eine Perspektive? Welche konkreten Schritte werden seitens der Europäischen Union unternommen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich glaube, dass für die Westbalkan­länder die Perspektive Europa offen sein muss. Wir haben uns als Österreicher immer auch als Anwalt dieser Region verstanden, und wir haben jetzt beim Treffen der regio­nalen Partnerschaft gesehen, dass das unsere Freunde und Nachbarn genauso sehen. Darum bleiben wir auf dem Gebiet drauf.

Sie haben Albanien erwähnt. Dort finden demnächst Wahlen statt, dort gibt es aber auch bereits einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Wir werden auch mit dazu beitragen, dass es bald einen Auftrag an die Kommission gibt, einen Avis für Albanien zu erstellen.

Ich glaube daher, dass diese Länder in einer guten Richtung unterwegs sind, dass sie aber auch Ermutigungssignale von uns brauchen. Anders sieht die Situation aus, was die Länder, die Sie genannt haben – Ukraine, Weißrussland –, anlangt. Dort geht es eigentlich nicht in Richtung einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union, sondern wir haben mit der Östlichen Partnerschaft eine spezielle Partnerschaft angesprochen, die auch richtig so ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Spadiut.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Minister! Am 26. Februar dieses Jahres haben Sie die Botschafter der Schwarzmeerregion zu einem Gedankenaus­tausch ins Ministerium geladen. Ist es Ihnen seit diesem Treffen gelungen, die Bezie­hung zwischen der Schwarzmeerregion und Österreich in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Sicherheit und Energieversorgung zu stärken?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, nach diesem Treffen mit den Bot­schaftern, das – bis auf eine Ausnahme – positiv verlaufen ist, haben wir versucht, die nächsten Schritte zu setzen. Wir haben vor, gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Landesmuseums in Niederösterreich, der gute Beziehungen in die Region hat, einen Plan für eine Zusammenarbeit auf kultureller Ebene zu erstellen. Wir haben auch für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Prof. Karner bereits erste Schritte gesetzt, sodass ich jetzt, bei dieser neuerlich einberufenen Konferenz mit unseren Botschaf­tern, unseren Handelsdelegierten und unseren Unternehmern bereits einiges vorlegen kann. Das haben wir getan, und wir werden voranschreiten.

Der nächste Schritt wird dann sein, dass wir uns gemeinsam in diese Regionen bege­ben, um dort vor Ort einen Konnex zwischen österreichischen Interessen – bezogen auf Wirtschaft und Kultur – und den Betroffenen in dieser Region herzustellen, und ich stehe dem sehr positiv gegenüber. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Lunacek.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister, ich finde es grundsätzlich sinnvoll, die Beziehungen mit der Donau- und der Schwarzmeerregion zu verstärken, aber ein bisschen habe ich schon den Eindruck, dass Sie jetzt als neuer Minister ein-


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fach auch einen neuen Schwerpunkt setzen wollen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ja nicht schlecht!) Bei Ministerin Ferrero-Waldner war es damals die regionale Partner­schaft. Dann entstand, gegen Ende des letzten Jahres, der Eindruck, dass Georgien beziehungsweise die Region des Kaukasuskonfliktes – auch wegen des Projektes „Nabucco“-Pipeline – vielleicht ein neuer Schwerpunkt werden sollte. Sie haben selbst entschieden, dass es in Aserbaidschan, in Baku, eine neue Botschaft geben soll.

Das halte ich durchaus für sinnvoll, aber es kommt mir schon etwas planlos vor, jetzt wieder die Schwarzmeerregion in den Mittelpunkt zu stellen. Ich sehe schon ein, dass es auch Sinn macht, die Wirtschaftsbeziehungen dorthin zu verstärken, aber wo liegt für die österreichische Außenpolitik und die österreichische Europapolitik der Mehrwert, den Schwerpunkt jetzt auf diese Region zu setzen und wieder etwas Neues anzufan­gen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, es ist ein langfristiges Ziel, in der Schwarzmeerregion zu landen, und das gehört auch langfristig vorbereitet. Es ist daher nichts, wo wir morgen tatsächlich mit neuen Initiativen vor Ort präsent sein werden, aber ich halte viel davon, langfristige Ziele für die österreichische Außenpolitik zu set­zen und sie beharrlich zu verfolgen. Das steht auch im Zusammenhang mit Europa. Auch die Europäische Union hat für die Schwarzmeerregion eine Initiative entwickelt, und wir werden da Hand in Hand gehen, wir werden uns als Österreicher gemeinsam mit den europäischen Partnern abstimmen.

Ich lege aber auch Wert darauf und möchte betonen, dass der Balkan und die regiona­le Partnerschaft unsere Ziele bleiben – die Entscheidung dazu haben wir in der Ver­gangenheit getroffen. Diese Ziele verfolgen wir, aber sie werden irgendwann erreicht sein, und wir brauchen einen nächsten Schritt. Außenpolitik ist dazu da, auch langfris­tig Schwerpunkte zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann.

 


Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Bundesminister! Wir Freiheitlichen begrüßen diese Initiative, weil wir davon überzeugt sind, dass mitteleuropäische Inter­essen von der österreichischen Außenpolitik zuerst wahrgenommen und gefördert wer­den sollten.

Unsere Frage an Sie lautet – die Bundesrepublik Deutschland ist doch unser wich­tigster Handelspartner –: Was sagt die deutsche Diplomatie zu dieser Initiative? Vor al­lem fragen wir uns, wenn Ihnen das ein so wichtiges Anliegen ist, warum es in der Öf­fentlichkeit bisher so wenig transportiert wird. Wie nehmen Sie die geringe Wahrneh­mung Ihrer Idee in den österreichischen Medien auf?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst darf ich darauf verweisen, dass wir da mit Deutschland an einem Strang ziehen. Ich habe mit dem deutschen Außenminister nicht nur darüber geredet, wir haben auch in schriftlicher Form volle Un­terstützung für die Donauraumstrategie, und ich freue mich, dass der Herr Botschafter heute da ist, der das sicherlich bestätigen kann. (Beifall für den auf der Galerie sitzen­den deutschen Botschafter Dr. Westdickenberg.)

Zum Zweiten darf ich darauf verweisen, dass ich nicht mit außenpolitischen Vorhaben antrete und sie dann daran messe, wie stark sie in den österreichischen Medien vertre­ten sind, aber ich kann mich auch nicht beschweren. Es finden diese Strategien und


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Initiativen durchaus Beachtung, soweit Außenpolitik in Österreich eben Interesse er­regt. Aber es kann ja mehr werden, und wenn Sie das unterstützen, wird das sicher ein guter Weg sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Hagen­hofer.

 


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Die Do­nauraumstrategie ist ein wichtiger Schwerpunkt. Meine Frage ist aber: Wird sich Öster­reich auch für die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und dem mediterranen Raum einsetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wir unterstützen alles, was europaweit beschlossen wurde. Es gibt eine mittlerweile intensive Zusammenarbeit der Europäi­schen Union mit den Mittelmeer-Anrainerstaaten, dies steht auch außer Zweifel, nur sind wir kein Mittelmeer-Anrainerstaat. Daher würde ich diese Region auch nicht als einen Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik bezeichnen, sondern als einen Schwerpunkt der europäischen Außenpolitik – und das ist gut und richtig so. Wir wol­len ja mit diesen Ländern, die um das Mittelmeer gelegen sind, nicht nur gute Bezie­hungen haben, sondern auch erreichen, dass keine großen Migrationsströme von dort nach Europa gelangen. Wir wollen durch eine gute und ausgewogene Politik auch hel­fen, die eigenen Entwicklungen voranzutreiben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Die Fragestunde ist somit beendet.

11.16.16Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1692/AB bis 1711/AB;

Ergänzung bzw. Berichtigung zur Anfragebeantwortung: Zu 1296/AB;

Anfragebeantwortung (Präsidentin des Nationalrates): 8/ABPR;

2. Regierungsvorlagen:

Universitätsrechts-Änderungsgesetz 2009 (225 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Privatbahngesetz 2004 und das Eisenbahngesetz 1957 geändert werden (227 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung der Liquidität von Unterneh­men (Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz - ULSG) erlassen wird und das Inter­bankmarktstärkungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz, das Bundeshaushaltsge­setz, das Bundesfinanzgesetz 2009, das Bundesfinanzgesetz 2010 sowie das Bundes­gesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2009 bis 2012 und das Bundesfi­nanzrahmengesetz 2010 bis 2013 erlassen werden, geändert werden (229 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz und das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 geändert werden (230 d.B.).


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B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 8 betreffend „Finanzielle Gleichstellung der Schulen in freier Träger­schaft mit den konfessionellen Privatschulen. GLEICHHEIT FÜR ALLE SCHUL­KINDER!“;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Dominika­nischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung (228 d.B.);

Finanzausschuss:

Antrag 666/A(E) der Abgeordneten Leopold Mayerhofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Besteuerung von Waisenrenten;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 659/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschädigung für Contergan-Opfer,

Antrag 668/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Öffnung der Ausschlussfrist und Einrichtung eines Unterstützungsfonds für ös­terreichische Contergangeschädigte,

Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Errichtung eines Präventionsfonds für Jugendgesundheit;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung erlassen wird (219 d.B.);

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Antrag 661/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Gütesiegel für Finanzprodukte;

Kulturausschuss:

Antrag 660/A der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Silvia Fuhrmann, Mag. Hei­demarie Unterreiner, Stefan Petzner, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern geändert wird;

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 665/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Möglichkeit zur Aussetzung der Auszahlung von Mitteln nach dem Bundes-Sportförde­rungsgesetz;

Umweltausschuss:

Bundesgesetz zur Reduktion der Emissionen fluorierter Treibhausgase (Fluorierte Treibhausgase-Gesetz 2009) (222 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der REACH-Verordnung erlassen und das Chemikaliengesetz 1996 geändert wird (224 d.B.),


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Antrag 667/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Forcierung gentechnikfreier Futtermittel und Versicherung für Lizenzgeber von GT-Futtermittel;

Verfassungsausschuss:

Antrag 670/A der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Otto Pendl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956, das Vertrags­bedienstetengesetz 1948, das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespen­sionskasse AG und das Pensionskassengesetz geändert werden (1. Dienstrechts-No­velle 2009);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (31. KFG-Novelle) (220 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (13. FSG-Novelle) und die Straßen­verkehrsordnung 1960 geändert werden (221 d.B.),

Antrag 662/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Gerechtigkeit bei der Bundes-Mitfinanzierung von Öffi-Infrastruktur durch ein „Bundesgesetz zur Finanzierung von ÖPNV-Infrastruktur in städtischen Großräumen“;

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Betrieb von Dampfkesseln und Wärmekraftmaschinen (Dampfkesselbetriebsgesetz – DKBG) geändert wird (223 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuss:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprü­fung (III-77 d.B.).

*****

11.16.29Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 2459/J der Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den dringend notwendigen ökologisch-sozialen Umbau Europas und die Unvereinbarkeit dieser Reformen mit einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidenten Barroso sowie mehr Transparenz in der öster­reichischen Europapolitik dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

11.17.12Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich wei­ters mit, dass Herr Abgeordneter Gerald Grosz beantragt hat, dem Ausschuss für inne­re Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 560/A(E) der Abgeordneten Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wohnungssicher­heit und Prävention eine Frist bis 7. Juli 2009 zu setzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 40

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzu­führen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte erfol­gen.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung er­forderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzuse­hen.

Bei den Punkten 7 und 8 handelt es sich um die Berichte des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichts für Strafsachen Wien um Zustimmung zur be­hördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger (231 der Beila­gen) und das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer (232 der Beila­gen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. –Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wie­ner Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 95 Minuten, Freiheitliche 84 Minuten sowie BZÖ und Grüne je 74 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

11.19.421. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36/167 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 41

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Unterreiner mit 5 Minuten ge­wünschter Redezeit. – Bitte.

 


11.20.14

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Plenum! Es ist selbstverständlich, dass niemand aufgrund des Ge­schlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf. Einige der Strategien jedoch, die vorgesehen sind, diese Vorgaben zu erreichen, sind aus Sicht der Freiheit­lichen langfristig gesehen untauglich und daher abzulehnen.

Allein was die Frage des Geschlechts angeht, muss man auf eine Gegenfrage gefasst sein: Was meint man eigentlich damit? Meint man das biologische Geschlecht, oder meint man das sozial konstruierte?, denn die Theorie, dass das Geschlecht ein bloß anerzogenes Konstrukt sei, dass man zu Mann und Frau erst gemacht werde – durch Erziehung –, hat in die gesellschaftspolitischen Strategien bereits Eingang gefunden.

Die EU hat Gender Mainstreaming im Amsterdamer Vertrag aus dem Jahr 1999 zum rechtlich verbindlichen Prinzip erhoben, welches nach dem Top-Down-Prinzip von oben nach unten durchgezogen werden soll. Das bedeutet, dass alle staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen und alle Entscheidungen einer von der Spitze vorgege­benen Maxime unterworfen werden, womit eigentlich ein gänzlich undemokratisches Vorgehen gewählt wird.

Ich möchte noch einmal auf die semantische Entwicklung des Begriffs „Gender“ einge­hen (Abg. Öllinger: Bitte!), weil viele überhaupt nicht wissen, was Gender Main­streaming heißt. (Abg. Mag. Schwentner: Sie wissen’s nicht!) Man hat absichtlich ein englisches Wort – „Gender“ – gewählt, einen Begriff aus der Linguistik, der die drei grammatikalischen Klassen „männlich“, „weiblich“, „sächlich“ bezeichnet. Man hat ge­dacht – als man begonnen hat, die Situation zu diskutieren, also bereits in den sech­ziger Jahren und noch früher –, dass man damit ein Instrument gefunden hat, um das biologische Geschlecht vom anerzogenen Geschlecht unterscheiden zu können.

Innerhalb der Frauenforschung und den Gender Studies gehört diese These, dass das Geschlecht eine soziale und kulturelle Konstruktion sei, inzwischen zu den unange­fochtenen Grundüberzeugungen. Da wurde, wie schon gesagt, eine gesellschaftspoli­tische Theorie zu einer politischen Maxime geformt. Wenn man sich damit näher be­fasst, muss man sich fragen, ob es überhaupt möglich ist, dass diese These der Gleichberechtigung der Geschlechter dient.

Unserer Meinung nach gilt es, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern an­zuerkennen, ohne davon Rechte und Privilegien abzuleiten. (Beifall bei der FPÖ.) Es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die jedoch nicht zu einer Begründung von Positionen, Privilegien und Hierarchien missbraucht werden dürfen. (Abg. Öllin­ger: Mars und Venus!)

Unsere Einstellung fußt auf der Idee von der Partnerschaft von Männern und Frauen, im privaten wie im beruflichen Bereich, für uns haben Ehe und Familie, das Leben mit Kindern in der Familie einen besonderen Stellenwert – das soll geschützt und gefördert werden –, und ich denke, dass erfolgreiche Weiblichkeit und Mütterlichkeit einander nicht ausschließen sollen.

Meine beiden Kolleginnen Carmen Gartelgruber und Anneliese Kitzmüller werden zu diesem Thema heute noch Stellung nehmen. Ich möchte daher ganz zum Schluss ein Problem diskutieren, das meiner Meinung nach von großer Bedeutung ist, nämlich den Mangel an Männern im Lehrberuf. Mehrere Studien beweisen, dass im Unterricht nicht mehr die Mädchen benachteiligt sind, sondern die Buben. Eine amerikanische Pädago-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 42

gikprofessorin, Christina Hoff Sommers, sagt in ihrem Werk sogar: „The War Against Boys: How Misguided Feminism Is Harming Our Young Men“ – also dass ein fehlgelei­teter Feminismus die Männlichkeit insgeheim abwerte.

Ich denke, man sollte darüber nachdenken, warum es so ist, dass Buben im Unterricht mehr Probleme haben, und aus diesem Grund haben wir folgenden Antrag vorbereitet, den ich hiermit einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Unterreiner, Gartelgruber, Kitzmüller und weiterer Abgeordne­ter betreffend Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle in Frage kommenden Maßnahmen einzu­leiten, die geeignet sind, den Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen ange­messen zu erhöhen.

*****

Wir sind der Meinung, dass Mädchen und Buben auch das männliche Vorbild notwen­dig haben – bei der Erziehung und auch im Unterricht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Unterreiner, Gartelgruber, Kitzmüller und weiterer Abgeordne­ter betreffend Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Gleich­behandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36/167 d.B.) (214 d.B.) in der 27. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2009

Eine Analyse der Print- und Online-Medien aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) der letzten drei Jahre ergibt: Männer in der Grund­schule sind ein Thema. In zahlreichen Artikeln über die im Schulsystem "benachteilig­ten Buben" werden die "Feminisierung" der Schule und das Fehlen von Lehrern als hauptsächliche Begründungen für die problematische Jungensituation und das Schei­tern der Schüler angeführt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung z. B. berichtete am 28. September 2003, dass sich zu dieser Frage einige Kultusminister dahingehend geäußert hätten, dass eine 'Femini­sierung' der Schule stattfinde, denn 70 bis 80 Prozent der Grundschullehrer seien weiblich und so würden den Jungen männliche Vorbilder fehlen. Diese Vermutung äußerten auch Lehrerinnen, die sich an Untersuchungen beteiligt hatten, nachdem ih­nen die Ergebnisse vorgestellt worden waren.

In Österreich sind nach den Zahlen des BMUKK im Schuljahr 2006/07 an den Allgemein­bildenden Pflichtschulen von 71.803 Lehrern 56.880 Frauen gewesen, also fast 80 Pro­zent! An den Volksschulen sind von 31.679 insgesamt 28.393 Frauen, das sind fast 90 Prozent und an den Hauptschulen sind von 31.700 Lehrern 22.008 oder immer noch nahezu 70 Prozent.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 43

Die Bildungspolitik sollte dieser umfassenden 'Feminisierung' der frühen Sozialisation durch eine mittlerweile fast ausschließlich weibliche Besetzung des Erzieher- und Grundschullehrerberufes entgegensteuern, indem gezielt Männer für diese Berufe als Nachwuchs geworben werden. Dazu müssen die gesellschaftlichen Investitionen in die frühkindliche und kindliche Erziehung im Vorschul- und Grundschulalter entschieden erhöht werden.

Die Ausbildung der Erzieher und Pflichtschullehrer sollte an Universitäten erfolgen, die pädagogische Ausbildung ist eine universitäre Ausbildung, die Bezahlung entspre­chend angepasst und das Image dieser Berufe deutlich aufgewertet werden. Dies ent­spricht auch den Erkenntnissen aus PISA und anderen internationalen Schulleistungs­studien der letzten Jahre.

Die Vorteile von mehr Männern im Lehrpersonal kann unter anderem aus drei Perspek­tiven gesehen werden:

aus der Schülerperspektive: Lehrer sind männliche Vorbilder;

aus der Frauenperspektive: Frauen und Männer profitieren, wenn ein Arbeitsplatz ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis aufweist. Außerdem würden die Löhne vermut­lich steigen, wenn mehr Männer Lehrer werden würden;

aus der Arbeitsmilieuperspektive: Arbeitsplatzuntersuchungen haben ergeben, dass Personen auf einem Arbeitsplatz mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis weniger oft/kürzer in Krankenstand sind und das Wohlbefinden und damit die erbrachte Leis­tung steigen.

Kinder bzw. Schüler brauchen sowohl weibliche als auch männliche Vorbilder, was eine einigermaßen ausgeglichene Verteilung von Männern und Frauen im Lehrperso­nal, wie auch in der Zusammensetzung der Bevölkerung völlig natürlich gegeben, er­fordert.

Um das zu erreichen werden Veränderungen in der Rekrutierung und in der Ausbil­dung stattfinden müssen.

Im Hinblick darauf stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle in Frage kommenden Maßnahmen einzu­leiten, die geeignet sind, den Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen ange­messen zu erhöhen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm mit gewünschten 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.25.26

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Unterreiner! Sie haben darauf hingewiesen, dass besonderes Augenmerk auf die Benachteiligung von Bur­schen zu legen wäre. – Selbstverständlich: Gleichbehandlung muss das Ziel sein, nur: Es ist leider nach wie vor so, dass vor allen Dingen die Frauen in unserer Gesellschaft die benachteiligteren Rollen haben! (Abg. Dr. Fichtenbauer: Aber nicht in der Volks­schule! Lehrerinnen!) Herr Dr. Fichtenbauer, glauben Sie mir das! Es ist nach wie vor so, dass Frauen größere Nachteile in unserer Gesellschaft haben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 44

Frauenwahlrecht und Zugang zu höherer Bildung gibt es noch nicht einmal 100 Jahre. In der Elterngeneration wurden die Rollenzuschreibungen oft so gemacht: die Frau im Haushalt, der Mann in der Arbeitswelt – und das ist selbstverständlich in den Köpfen teilweise noch vorhanden.

Gleichbehandlung ist das Ziel – selbstverständlich –, und daher diskutieren wir auch diesen Gleichbehandlungsbericht. Wir haben Fortschritte gemacht und können eines mit Sicherheit sagen, nämlich dass es nicht mehr als normal gilt, dass es nicht mehr als schick gilt, wenn Frauen in unserer Gesellschaft benachteiligt werden.

Kurz zum Bericht: Senat I befasst sich mit den Benachteiligungen, mit Diskriminierung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Haupttatbestand in Bezug auf diese Dis­kriminierungen stellt nach wie vor die sexuelle Belästigung dar, aber es gibt auch ande­re Benachteiligungen. 86 Prozent der AntragstellerInnen sind Frauen –das sagt schon einiges aus. Welche Benachteiligungen werden neben der sexuellen Belästigung vor allen Dingen angeklagt, worüber wird Beschwerde geführt? – Das sind zum Beispiel: Übergehen bei Jobvorrückungen, undurchsichtige Entlohnungsschemata und auch Ausbildungen, die nicht im gleichen Ausmaß wie für die männlichen Kollegen durchge­führt werden können.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein großes Thema für sehr viele Frauen. Dazu möchte ich schon sagen: Komplimente, Umarmungen, Blumensträuße sind grundsätzlich etwas Schönes, im Normalfall freut man sich darüber, aber nicht am Ar­beitsplatz und nicht, wenn sie unerwünscht sind.

Bezüglich sexueller Belästigung zeigt die Erfahrung des Senats, dass sehr häufig hier­archische Arbeitsverhältnisse damit verbunden sind. Das Opfer hat daher – verbunden mit den sexuellen Übergriffen – mit der Angst zu kämpfen, den Arbeitsplatz zu verlie­ren. Die Opfer berichten häufig von negativen Veränderungen ihrer Position am Ar­beitsplatz, nachdem sie zum Beispiel sexuelle Anträge von Vorgesetzten zurückgewie­sen haben. Plötzlich entspricht dann die Arbeitsleistung nicht mehr, es folgen Be­schimpfungen und Kündigungsandrohungen. Der Bericht zeigt auch Fälle unbegründe­ter und nicht auf die Arbeit bezogener MitarbeiterInnengespräche, unerwünschte Frei­zeiteinladungen, Fragen zum Sexualleben, Bemerkungen über den Körper und die Be­kleidung der Arbeitnehmerin – also des Opfers –, unerwünschte Berührungen, sexisti­sche Witze und Bilder nackter Frauen am Arbeitsplatz der Kollegen. Das ist alles eine Belästigung, wie man sie nicht haben will.

Ältere Frauen werden in Bewerbungsgesprächen mit der Aussage konfrontiert, man habe ein großes Büro und hätte doch lieber etwas Jüngeres in der Nähe, etwas Hüb­scheres zum Anschauen. – Auf die Gegenfrage, ob nicht die Leistung von Bedeutung wäre, wird dann der Telefonhörer aufgelegt; auch das ist nachzulesen im Bericht.

Frauen bekommen Absagen auf ihre Bewerbungen mit der Begründung, der Kollege, mit dem sie zusammenarbeiten würden, möge keine Frauen, oder sie würden ins Ar­beitsumfeld oder überhaupt in den Betrieb nicht hineinpassen.

Es gibt vereinzelt auch Diskriminierungen dieser Art, die Männer betreffen. Wir haben einen Fall nachzulesen gehabt, dass ein Bäckereiverkäufer nicht eingestellt wurde, weil er ein Mann war und das ein weiblicher Beruf sei.

In Senat II wird vor allen Dingen die Frage der ethnischen Zugehörigkeit besprochen. Die Frage der Ethnie ist eben das Hauptproblem, der Hauptgrund dafür, dass sich die Menschen an diesen Senat wenden und Beschwerde führen.

Grundsätzlich ist zu diesem Bericht zu sagen: Das Gesetz schafft den Rahmen und sagt – und das sagt es in Österreich sehr eindeutig –, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechtes oder Alters, ihrer Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung in keiner


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 45

Weise benachteiligt, belästigt, beschimpft, herabgewürdigt, also diskriminiert werden dürfen. An uns allen, sehr geehrte Damen und Herren, liegt es, diese Gesetzeslage weiter bekannt zu machen, deren Vollzug zu beobachten und weitere Verbesserungen anzudenken.

Wir alle sind gefordert! Der Gleichbehandlungsbericht zeigt uns, Österreich ist gut – aber nichts soll uns daran hindern, noch besser zu werden! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Gartelgruber für 5 Minuten zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.31.11

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Es ist völlig inakzeptabel, dass wir in Österreich noch immer so eine große Einkommensschere vorfinden, wird die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Nationalratspräsidentin Barbara Prammer nicht müde, uns zu erklären; so erst kürzlich im Rahmen des 16. ÖGB-Frauenkongresses. Sie nennt die verteufelte Teilzeit als einen der Hauptgründe für die Gehaltsunterschiede bei Frauen und Männern. Ihr Schluss daraus ist, dass es absolut notwendig ist, dass die Verein­barkeit von Beruf und Familie endlich möglich sein muss – dem ist grundsätzlich zuzu­stimmen –, sie sagt aber auch, es müssen mehr Frauen in Vollzeit arbeiten, auch Frauen mit kleinen Kindern, und dies – so hat man den Eindruck – ob sie wollen oder nicht. – Das ist mit unserem Verständnis von der Wahlfreiheit nicht zu vereinbaren! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird immer deutlicher, dass die Einkom­mensunterschiede zwischen Frauen und Männern weniger auf die Diskriminierung durch den Arbeitgeber, sondern auf die unzulänglichen Berechnungsmethoden der Statistik Austria zurückzuführen sind. Die Berechnungsmethoden der Statistik Austria können in Wirklichkeit die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern gar nicht eindeutig festlegen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Hören Sie bitte zu, dann lernen Sie vielleicht noch etwas! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Silhavy.)

Zur Berechnung werden nämlich Einkommensdaten von Österreichern und Österrei­cherinnen von den Finanzämtern übernommen, sprich Lohn- und Einkommensteuer­daten. (Abg. Gradauer – in Richtung der Abg. Silhavy –: Wo sind denn eure Männer?) Aus diesem Jahreseinkommen werden Statistiken errechnet, die mit den Ausführungen über die Diskriminierung beim Entgelt im Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft kaum zusammenpassen, denn darin werden bei 3,7 Millionen unselbständig Beschäf­tigten für das Jahr 2006 gerade einmal 175 und für das Jahr 2007 179 Beratungsfälle ausgewiesen, also 0,5 Promille.

Jeder kennt die bizarren Zahlen über die Einkommensdisparität bei Frauen und Män­nern, aber kaum jemand kennt auch eine Firma, die dermaßen diskriminierend ent­lohnt – bei gleicher Ausbildung, bei gleicher Einstufung und bei gleicher Leistung. (Abg. Mag. Schwentner: Sie haben den Bericht nicht gelesen!) – Eine Rückfrage bei der Statistik Austria bringt Klärung. Man darf und kann mangels gesetzlicher Ermächtigung gar nicht genauer rechnen. Man bekommt nicht alle Daten für eine genauere Berech­nung, obwohl diese in den Firmen vorhanden sind.

Was zum Beispiel bei der Statistik Austria nicht erhoben werden kann, ist die tatsächli­che Tätigkeit im Betrieb, die Einstufung in die Gehaltstafel, Beschäftigungsgruppe und Anzahl der Berufsjahre. Die Statistik Austria lässt uns darüber hinaus noch wissen, dass auch in Zukunft im Rahmen der allgemeinen Einkommensberichte nicht vorgese­hen ist, Kollektivverträge oder Berufsjahre in die Analyse miteinzubeziehen. Ist das nun


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 46

Absicht oder ein Versehen? – Ich weiß es nicht. Die Lösung ist einfach komplex. Überspitzt dargestellt wirft man Männer und Frauen in einen Topf, berechnet die Da­ten, die vorhanden sind, aber nicht die, die man eigentlich braucht, um die Einkom­mensschere genau zu berechnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von den Freiheitlichen wollen, dass Frau­en für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen. Wir wollen, dass jede Diskri­minierung bekämpft wird, und sind natürlich auch dafür, dass Frauen alle Berufsmög­lichkeiten offenstehen. Aber wenn diese Berechnungsmethoden als Rechtfertigung für milliardenteure Transferleistungen zwischen den Geschlechtern herangezogen wer­den, ohne auch nur ansatzweise familienpolitische Aspekte zu berücksichtigen, so ist das nicht in Ordnung. (Beifall bei der FPÖ.)

Sieht man sich an, wie sich linke Politikerinnen an diese fiktiven Einkommensunter­schiede klammern, um Frauenförderungen politisch zu argumentieren und Wählerin­nen halten zu können, so ist offensichtlich mit Widerstand zu rechnen. Sie haben daher die Möglichkeit, uns im Interesse der Frauen in Österreich und im Interesse einer trans­parenten korrekten Einkommensstatistik vom Gegenteil zu überzeugen.

Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

 Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachvollziehbare transparente Einkommensstatistiken

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die eine gesetzliche Ermächtigung für die Statistik Austria beinhaltet, Mindest­gliederungen, wie etwa die tatsächliche Tätigkeit im Betrieb, Anzahl der Berufsjahre, etwaige Zusatzqualifikationen et cetera, in einer Studie zu erheben und, bei Vorliegen der Ergebnisse, diese dann auch zukünftig als Grundlage für die Einkommenserhe­bung in den Einkommensbericht einfließen zu lassen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gartelgruber, Mag. Unterreiner, Mühlberghuber und weiterer Abge­ordneter betreffend nachvollziehbare transparente Einkommensstatistiken

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1,

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36/167 d.B.) (214 d.B.) in der 27. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2009

Es wird immer deutlicher, dass die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern weniger auf Diskriminierung durch Arbeitgeber sondern auf Grund unzulänglicher Be­rechnungsmethoden der Statistik Austria und die traditionelle Berufswahl von Mädchen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 47

und Burschen zurückzuführen ist. Unter Gebrauch des Schlagwortes „Gender-Bud­geting“ stellen sich nun einige neue Fragen.

Das Schlagwort in diesem Zusammenhang lautet: „Frauen verdienen nach wie vor, selbst bei gleicher Ausbildung und Qualifikation, weniger als Männer.“ Gleiche Ausbil­dung bezieht sich aber nur auf die den Sozialversicherungsträgern bekannte höchste Ausbildungsstufe.

Die Berechnungsmethoden der Statistik Austria können das aber so gar nicht eindeutig feststellen. Zur Berechnung werden die Einkommensdaten der Bürger von den Lohn- und Einkommensteuerdaten der Finanzämter übernommen. Dort werden die tatsäch­lich ausgeübten Berufe nur rudimentär angeführt. Die Ausbildung (Qualifikation) zur Berechnung wird aus der Datensammlung der Sozialversicherungsträger entnommen (ungelernter Arbeiter, Facharbeiterprüfung, Matura-Niveau, akademischer Grad, ).

Aus der höchsten bekannten Ausbildung und dem Jahreseinkommen werden dann Statistiken errechnet, die mit den Berichten der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Be­reich „Diskriminierung beim Entgelt“ kaum zusammenpassen, werden dort bei 3,7 Mil­lionen unselbstständig Erwerbstätigen für 2006 175 und für 2007 179 Beratungsfälle, also 0,05 Promille(!) ausgewiesen.

Was von der Statistik Austria nicht erhoben werden kann (exemplarisch):

die tatsächliche Tätigkeit im Betrieb (etwa IT-Fachkraft im KV-Handel)

Einstufung in die Gehaltstafel, Beschäftigungsgruppe und Berufsjahr (Seniorität) des jeweiligen Kollektivvertrages

die Anzahl der Berufsjahre in den Branchen in denen der Arbeitnehmer früher tätig war (Berufsjahrlimit bei Branchenwechsel)

Zusatzqualifikationen die im aktuellen Betrieb erworben wurden

Zusatzqualifikationen die in Vordienstzeiten erworben wurden

Zusatzqualifikationen die privat erworben wurden

private Engagements die ins betriebliche einfließt (etwa berufsspezifische Hobbys wie Elektronik bei Elektrikern, Barmixerkurs bei Köchen, Computerführerschein bei Lager­arbeitern, Kinderbetreuung in der Wohngemeinde ) sofern im Lebenslauf angege­ben.

Zu beachten wäre auch, dass auf Grund von Einkommen und sozialer Stellung des Partners Personalistinnen und Personalisten die Überlegung anstellen, wer denn bei Elternschaft in Karenz geht oder die Kinderbetreuung im Krankheitsfall übernimmt.

Zum Thema Kollektivvertrag sei hier exemplarisch der Handels-Kollektivvertrag ange­führt, da sich dort die Überzahlung in Grenzen hält. Bereits zwischen der Gruppe A (Allgemeiner Groß- und Kleinhandel) und der Gruppe F (Warenhäuser) besteht eine (legale) Einkommensdifferenz von bis zu 11 Prozent, ohne dass dies von der Statistik Austria erfasst werden könnte. So kann auch nicht zwischen Billa- und Gerngross-Ver­käuferin/Verkäufer unterschieden werden, die so alleine für 11 Prozent Einkommens­unterschied stehen.

Der Handels-Kollektivvertrag umfasst insgesamt 8 Gehaltstafeln (A-H) die in bis zu 6 Be­schäftigungsgruppen (exkl. Lehrlinge) und diese in bis zu 9 Berufsjahrgruppen un­terteilt sind. Weiters gibt es noch zwei Gehaltsgebiete, B für Salzburg und Vorarlberg und A für die anderen Bundesländer, die wiederum bis zu 3,6 Prozent Einkommensun­terschied ausmachen, auch wenn die verglichenen Arbeitnehmer in exakt derselben KV-Einstufung stehen.

Einer Anfragebeantwortung der Statistik Austria vom August 2008 ist zu entnehmen:


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„Im Rahmen des Allgemeinen Einkommensberichts ist es auch in Zukunft nicht vorge­sehen, Kollektivvertrag oder die Berufsjahre in die Analyse mit einzubeziehen, da einerseits die genannten Kriterien keine gesetzlichen Gliederungsmerkmale des Art. 1 § 8 des Bezügebegrenzungsgesetzes sind, auf dem die Erstellung des Allgemeinen Einkommensberichts beruht und andererseits in den verwendeten Datenquellen (Lohn­steuerdaten, Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger und Daten des Mikrozensus) keine Informationen zu den kollektivvertraglichen Regelungen bereitste­hen.“

Im Hinblick darauf stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die eine gesetzliche Ermächtigung für die Statistik Austria beinhaltet, Mindest­gliederungen, wie etwa die tatsächliche Tätigkeit im Betrieb, Anzahl der Berufsjahre, etwaige Zusatzqualifikationen etc., in einer Studie zu erheben und, bei Vorliegen der Ergebnisse, diese dann auch zukünftig als Grundlage für die Einkommenserhebung in den Einkommensbericht einfließen zu lassen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schitten­helm für 5 Minuten. – Bitte.

 


11.36.59

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zu meiner Vorrednerin: Die Sta­tistik Austria braucht sich eigentlich nur an die Gebietskrankenkassen zu wenden. Dort liegt all das auf – ist nicht nur einsehbar, sondern auch abrufbar –, was Sie in Ihrem Antrag einfordern. – Das nur der Ordnung halber.

Hohes Haus! Uns liegt der Bundes-Gleichbehandlungsbericht vor, der aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil informiert über den Stand der Verwirklichung von Gleichbehand­lung, und der zweite Teil berichtet über die Tätigkeit der Bundes-Gleichbehandlungs­kommission im Zeitraum März 2006 bis März 2008. Erfasst wurden dabei selbstver­ständlich nicht nur die einzelnen Ressorts, sondern auch der Rechnungshof, Höchstge­richte, Volksanwaltschaft, Präsidentschaftskanzlei, Parlamentsdirektion und auch das AMS.

Dieser heutigen Debatte sind mehrere Presseaussendungen vorangegangen, auch seitens unserer Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek, und ich möchte jetzt ganz kurz darauf eingehen. Frau Bundesministerin, Sie meinen in einer APA-Aussendung, dass Sie alles daransetzen werden, Vollzeitarbeit für Frauen durch bessere Betreuungs­möglichkeiten zu erreichen, und lehnen Teilzeitarbeit mehr oder weniger ab.

Dazu möchte ich ganz klar Position beziehen. Sie sagen, Teilzeitarbeit kann eine Falle sein. – Alles im Leben kann eine Falle sein, wenn man das so sieht! Ich breche heute eine Lanze für die Teilzeitarbeit, weil Teilzeitarbeit den Frauen die Möglichkeit eröffnet, sowohl im Beruf zu verbleiben, den Anschluss nicht zu verlieren, als gleichzeitig auch das zu tun, was sie von Herzen wollen – Frauen und Männer –, nämlich: sich der Fa­milie und den Kindern zu widmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)


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Meine Damen und Herren, ich habe mir die Mühe gemacht herauszuarbeiten, wer denn nun die AlleinerzieherInnen sind. Wir haben in Österreich insgesamt 2 325 800 Familien; darin inkludiert auch Mütter mit Kindern und Väter mit Kindern. Wir haben 295 700 Alleinerzieher, davon 44 700 Männer. Diese Alleinerzieherinnen/Alleinerzie­her – natürlich vermehrt die Frauen – teilen sich wieder auf: Ledige und Verwitwete sind 50 Prozent der alleinerziehenden Väter und Mütter. 70 000 Personen sind ledig, 80 000 sind verwitwet, 32 000 Alleinerzieherinnen und -erzieher sind zwar verheiratet, leben aber getrennt und 113 000 Alleinerzieherinnen und -erzieher sind geschieden. Das sind einmal die Fakten.

Ich meine schon auch, dass es unsere Aufgabe ist – nicht nur im Hohen Haus, sondern auf allen Ebenen, im Land oder in der Gemeinde –, alles dafür zu tun, dass die Rah­menbedingungen für die Kinder optimal sind. Dafür haben nicht nur Mutter und Vater zu sorgen, sondern auch wir Politikerinnen und Politiker. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich lade Sie sehr herzlich in meine Gemeinde ein. Dort gibt es natürlich für die Einein­halb- bis Zweieinhalbjährigen eine Kleinkindergruppe, namens „Winnie Pooh“. (De­monstrativer Beifall des Abg. Hörl.) Wir haben dort ein großes Wohnzimmer. Die Eltern sollen nicht arbeiten gehen müssen, sie sollen auch arbeiten wollen – beides, und das aufgrund ihrer guten Ausbildung und Bildung, die sie ja dann auch einbringen. Sie wol­len auch ohne schlechtes Gewissen am Arbeitsplatz sein. Das bedeutet beste Be­treuung vor Ort. Da gilt es – da bin ich ganz bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesminis­ter –, diese Betreuungseinrichtungen zu verbessern, und zwar nicht nur von der Anzahl her, sondern auch von der Qualität her. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin überzeugt davon, dass das Wesentliche ist, dass wir, vor allem als Frauenpoliti­kerinnen, zur Kenntnis nehmen, dass die Frauen in Österreich selbstbewusst sind, dass sie selbst entscheiden wollen, welche Form der Partnerschaft sie haben wollen, dass sie selbst entscheiden wollen, ob sie Kinder wollen oder nicht. Und es darf auch da keine Diskriminierung geben.

Ich glaube auch und bin zutiefst davon überzeugt, dass es in Zukunft Phasen intensi­ver und weniger intensiver Erwerbstätigkeit mit einem einmal höheren und einem ein­mal geringeren Einkommen geben wird. Es wird aber auch viele Phasen der Weiterbil­dung – und die sind schon angezeigt – geben müssen, auch wenn man schon mehrere Jahre in Beschäftigung ist. Und es wird viel mehr Phasen zur Ausübung der Betreu­ungspflichten in der Familie – diese werden auch so kommen – geben müssen. Es wird auch verstärkt Phasen einer Auszeit für Männer und Frauen geben müssen, sonst wer­den wir das Bild Familie, den Inhalt Familie nicht mehr mit jenen Werten füllen können, wie wir uns das für eine funktionierende soziale Gesellschaft vorstellen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich fordere allerdings ein verstärktes Mitarbeiten der Män­ner, vor allem der Väter, im Privatbereich, im Familienbereich, aber auch im Berufsbe­reich im Sinne von mehr Gerechtigkeit für die Frauen ein, sodass die Frauen auch in die Lage versetzt werden, für sich persönlich gerechtere Chancen am Arbeitsmarkt und für sich persönlich eine bessere Ausbildung zu haben, um dann auch im Beruf besser bestehen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

11.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller mit 5 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


11.43.04

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehr­te Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Werte Kollegen! Hohes Haus! Das, was unser Pensionssystem leistet, ist nicht


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 50

von familienpolitischen Rahmenbedingungen und schon gar nicht von der Stärkung der Stellung der Frau als Mutter zu trennen. Eine ausreichende Berücksichtigung der Kin­derzahl im Steuer- und Pensionsrecht und auch die Direktzahlungen sind keine Almo­sen und kein selbstloses Geschenk, das der Staat macht, sondern der gerechtfertigte Ausgleich, der den Eltern für die enorme und unersetzliche Leistung zusteht, die sie er­bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nur durch die Kinder sowie die damit verbundene Betreuung und Erziehungsarbeit, die die Mütter leisten, sind die Pensionen auch für die Zukunft gesichert. Schon heute, meine Damen und Herren, wandern rund 7 Milliarden € von den Mehrkinderfamilien zu den kinderlosen und auch zu den Einkind-Familien. Die Vernachlässigung des system­notwendigen generativen Beitrags des Pensionsvertrags muss im Interesse aller aller­dings korrigiert werden.

Im Durchschnitt bedeutet jedes Kind für die Mütter einen Pensionsverlust von rund 10 Prozent, umgerecht ungefähr 70 € pro Monat. Mütter kinderreicher Familien erhal­ten in vielen Fällen überhaupt keine Pension und mit der Pensionsreform 2003, meine Damen und Herren, im Zuge derer die Durchrechnung auf die Lebensarbeitszeit einge­führt wurde, ist die Situation in vielen Fällen noch schlimmer geworden, weil natürlich dadurch den Müttern die Kindererziehungszeiten fehlen, was dann die Pensionszeiten betrifft.

Es ist daher notwendig, den Wert der Kindererziehungszeiten im Pensionsrecht zu ver­doppeln. Das würde bedeuten, dass diese 70 € pro Monat wieder den Familien und den Müttern zugute kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Erziehung und die Betreuung von Kindern müssen in einem gerechten Pensions­system sowohl von der Beitragsseite als auch in der Pensionshöhe entsprechend aner­kannt werden. (Beifall bei der FPÖ

Daher, meine Damen und Herren, stellen die Abgeordneten Kitzmüller, Gartelgruber, Mag. Unterreiner und weitere Abgeordnete folgenden Antrag:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 51

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller, Gartelgruber, Mag. Unterreiner und weiterer Abgeordne­ter betreffend gerechte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Wert der Kindererziehungszeiten im Pensions­recht zu verdoppeln sowie einen Entwurf für ein Pensionsmodell vorzulegen, das so­wohl bei der Bemessung der Höhe der Beitragszahlungen als auch der Alterspensio­nen die Kinderzahl in angemessener Weise berücksichtigt. Weiters wird die Bundesre­gierung ersucht, jenen Pensionistinnen, welche heute aufgrund von Kindererziehungs­zeiten keinen oder nur einen geringen Pensionsanspruch erworben haben, aus den Mitteln der öffentlichen Hand eine angemessene finanzielle Anerkennung für ihre Leis­tungen zuzuerkennen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

11.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller, Gartelgruber, Mag. Unterreiner und weiterer Abgeordne­ter betreffend gerechte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Gleich­behandlungsausschusses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36/167 d.B.) (214 d.B.) in der 27. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2009

Die Leistungsfähigkeit unseres Pensionssystems steht in direktem Zusammenhang mit familienpolitischen Rahmenbedingungen und einer Stärkung der Stellung der Frau als Mutter. Eine ausreichende Berücksichtigung der Kinderzahl im Steuer- und Pensions­recht sowie durch Direktzahlungen ist kein selbstloses Geschenk des Staates, sondern ein den Eltern zustehender Ausgleich für die unersetzlichen Leistungen, die sie mit der Betreuung ihrer Kinder für die Allgemeinheit erbringen. Dieser Leistungsausgleich darf sich nicht auf Eltern mit geringen Einkommen beschränken, sondern muss auch Fami­lien des Mittelstandes ermöglichen, sich ohne drastische Einbußen im Lebensstandard für eine größere Kinderzahl zu entscheiden.

Vor allem durch das Pensionssystem werden österreichische Frauen grob benachtei­ligt, indem der Beitrag der Frauen für den Fortbestand eben dieses Pensionssystems heute im Pensionsrecht nur völlig unzureichend berücksichtigt wird. In unserem Pen­sionssystem, nach dem so genannten "Umlageverfahren", werden die eingezahlten Beiträge nämlich zur Zahlung der Pension der Eltern der heute Erwerbstätigen verwen­det. Nur durch das Aufziehen von Kindern sichern die heutigen Beitragszahler, dass auch ihre Pensionen in Zukunft finanziert werden können. Schon heute wandern im Pensionssystem jährlich etwa 7 Mrd. Euro von Mehrkindfamilien zu Kinderlosen und Einkindfamilien. Die Vernachlässigung dieses systemnotwendigen "generativen" Bei­trags in der Konstruktion des Pensionssystems hat wesentlich zu seiner Krise beigetra­gen und muss im Interesse aller endlich korrigiert werden.

Ungeachtet des Beitrags, den Eltern durch das Aufziehen von Kindern leisten, müssen sie die gleichen Sozialversicherungsbeiträge leisten wie kinderlose Versicherte und er­halten trotz ihres damit höheren Beitrags zum Pensionssystem geringere Pensionen als diese. Denn im Durchschnitt bedeutet jedes Kind für die Mutter einen Pensionsver­lust von etwa 10 Prozent oder rund 70 Euro pro Monat. Mütter kinderreicher Familien erhalten in vielen Fällen überhaupt keine Pension. Mit der Pensionsreform 2003 hat sich diese Benachteiligung der Eltern, die ihre Erwerbsbiographie zugunsten der Kin­dererziehung unterbrechen, durch die Durchrechnung auf Lebensarbeitszeit sogar noch verschärft.

Daher ist es notwendig, den Wert der so genannten Kindererziehungszeiten im Pen­sionsrecht zu verdoppeln. Dies würde für erziehende Elternteile zu einer Pensionserhö­hung von etwa 70 Euro pro Kind und Monat führen und wenigstens die Verluste durch die kürzeren Beitragszeiten im Durchschnitt ausgleichen. Mittelfristig wird es allerdings notwendig sein, den Beitrag der Eltern zum Erhalt unseres Pensionssystems in voller Höhe zu berücksichtigen.

Die Erhaltung unseres "Humanvermögens" durch das Aufziehen von Kindern muss in einem gerechten Pensionssystem außerdem sowohl bei den Beiträgen (geringere Bei­träge mit steigender Kinderzahl) als auch bei der Pensionshöhe entsprechend aner­kannt werden. Die Einführung dieses "demographischen Faktors" ist nicht nur ein Ge­bot der Gerechtigkeit, sondern auch geeignet, das Pensionssystem zu stabilisieren.

Im Hinblick darauf stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 52

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Wert der Kinderziehungszeiten im Pensions­recht zu verdoppeln sowie einen Entwurf für ein Pensionsmodell vorzulegen, das so­wohl bei der Bemessung der Höhe der Beitragszahlungen als auch der Alterspensio­nen die Kinderzahl in angemessener Weise berücksichtigt. Weiters wird die Bundesre­gierung ersucht, jenen Pensionistinnen, welche heute aufgrund von Kindererziehungs­zeiten keinen oder nur einen geringen Pensionsanspruch erworben haben, aus den Mitteln der öffentlichen Hand eine angemessene finanzielle Anerkennung für ihre Leis­tungen zuzuerkennen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk mit einer gewünschten Redezeit von 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Schenk begibt sich zum Rednerpult und stellt dort einen roten Papiersack ab.)

 


11.46.53

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der gegenständliche Be­richt wurde schon von meinen Vorrednerinnen angesprochen, ausführlich diskutiert, und es wurden auch dessen Details erwähnt. Ich möchte die heutige Diskussion dazu nutzen, um die von der SPÖ viel gelobte gesetzlich verpflichtende Frauenquote und die weit auseinanderklaffende Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern anzuspre­chen.

Es ist mir ein Anliegen, mit dem Quotenklischee aufzuräumen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das Wort „Quote“ hat nicht nur für mich, sondern auch für viele an­dere einen bitteren Beigeschmack. Die Quote ist kein Allheilmittel für Frauen in der Po­litik, in der Wirtschaft und in Führungspositionen. Ich darf Ihnen nun in diesem Zusam­menhang einige Zitate zur Kenntnis bringen, die nicht von mir stammen, aber sehr in­teressant sind.

Frau Dr. Sigrid Jalkotzy-Deger zum Beispiel, die erste Frau im Präsidium der Akademie der Wissenschaften, ist überzeugt davon, dass der Frauenanteil in der Akademie in Zu­kunft steigen wird. Von einer Frauenquote hält sie jedoch nichts. – Dies ist nachzule­sen in der „Wiener Zeitung“ vom 12. Mai dieses Jahres.

„Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid spricht sich gegen Quotenfrauen und Gender-Lösungen aus. Sie will selbst nicht fördern, nur weil jemand eine Frau ist. – Dies sagte sie anlässlich einer Diskussion im März dieses Jahres.

Frau Dr. Theresa Jordis von der Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis antworte­te im Magazin „FORMAT“ im April dieses Jahres auf die Frage: Was halten Sie als Frau, die in vielen Aufsichtsräten sitzt, von einer Frauenquote in Aufsichtsräten?, Fol­gendes: Gar nichts. Es geht um Qualifikation und nicht um die Quote. Eine Quote schadet eher qualifizierten Frauen. – Zitatende. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Und auch Ihr Generalsekretär, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, hat sich im März dieses Jahres anlässlich des Rücktritts dreier hochrangiger Tiroler Politi­kerinnen, die aus Protest aus der Partei ausgetreten sind, gegen eine Frauenquote ausgesprochen. Er hat in diesem Zusammenhang erwähnt, dass es zwar einen gewis­sen Bedarf an engagierten Frauen gebe, er aber eine verpflichtende Quote ablehne. (Abg. Hörl: Die sind freiwillig ausgeschieden!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 53

Diese Zitatenreihe ließe sich noch beliebig fortführen. Ich habe noch viele dieser Zitate hier, die wir auch im Herbst bei unserer Enquete vorbringen werden.

Ich möchte nun kurz auf die Ausführungen von Frau Präsidentin Prammer eingehen, die in einer Presseaussendung vom 2. Juni erwähnt hat, dass vor allem die FPÖ und das BZÖ keine Frauen in der Politik haben wollen. – Für das BZÖ möchte ich diese Unterstellung schon auf das Schärfste zurückweisen! (Beifall beim BZÖ.)

Wir wollen Frauen in der Politik, wir wollen vermehrt Frauen in der Politik, aber abseits von Zwang und Quote. Und wir haben hervorragende Frauen in unseren Reihen, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Hörl: Zwei! – Zwi­schenruf der Abg. Silhavy.)

Im März dieses Jahres gab es eine Eurobarometer-Umfrage im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament. Aus dieser Umfrage geht Folgendes hervor: Fast die Hälfte der befragten Frauen wünscht sich einen 50-prozentigen oder höheren Frauen­anteil unter den Abgeordneten im Europäischen Parlament. Dennoch sind nur 10 Pro­zent für eine verpflichtende Frauenquote. (Zwischenrufe der Abg. Mag. Rudas.) Viel­mehr wollen 53 Prozent der weiblichen Befragten, dass Frauen vermehrt zu einem Ein­stieg in die Politik ermutigt werden.

Und genau das ist der richtige Weg: Frauen zum Einstieg in die Politik zu ermutigen, Frauen zu fördern und sie zu Führungspositionen zu ermutigen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Mit der Ankündigungspolitik, meine sehr geehrten Damen von der SPÖ, die Sie hier so lautstark Zwischenrufe von sich geben, muss endlich Schluss sein! Mit der Ankündigungspolitik werden Sie die weit auseinanderklaffende Gehaltsschere zwi­schen Frauen und Männern nicht schließen. Die Gehaltsschere muss verringert und geschlossen werden. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Hörl.)

Der Rechnungshof schlägt Alarm. Österreich liegt da im EU-Vergleich an vorletzter Stelle vor Estland. Ich lese in jeder Presseaussendung nur von Vorschlägen und von Vorhaben. Reden Sie nicht, handeln Sie! Sie sind in der Regierung und Sie müssen das umsetzen, was Sie hier versprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist mit dieser Ankündigungspolitik auf dem besten Weg, weltweit und vor allem europaweit Schlusslicht zu werden. Die Einkommensunterschiede sind evident, sind groß wie nie zuvor. Wenn diese Ankündi­gungspolitik fortgesetzt wird, wird Österreich tatsächlich Schlusslicht werden. Und da­mit das nicht passiert, darf ich Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, diese Laterne über­reichen, die daran erinnern soll, dass wir nicht Schlusslicht werden. (Die Rednerin überreicht Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek eine rote Laterne. – Bundesministe­rin Heinisch-Hosek: Wir sind ja Vorletzte und nicht Letzte!) – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

11.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner mit 8 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


11.52.01

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher! Der Weg zur Gleichstellung von Frauen ist ein bisschen wie ein Hürdenlauf, auf dem mit un­glaublicher Ausdauer einige Spitzensportlerinnen und ganz wenige Spitzensportler un­terwegs sind. Diese rennen immer wieder für die Sache, stoßen manchmal an und fal­len hin. Sie kämpfen aber für die gleichen Chancen von Frauen und Männern in unse­rer Gesellschaft und für deren gleiche Entfaltungsmöglichkeiten.

Auch wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ein großes Problem mit dem Wort „Gender“ zu haben scheinen – daran allein kann man sich nicht stoßen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 54

Auch an Ihnen ist wohl die Emanzipierung der Frauen nicht vorübergegangen. Immer­hin haben Sie ein paar Frauen in Ihren Reihen, manchmal dürfen sie sogar reden.

Und was das Wort „Quote“ anlangt, ist zu sagen: Man muss auch mit der Quote kein Problem haben. Ist es so, dass Sie nicht genügend qualifizierte Frauen haben? – Gera­de die fehlen bei Ihnen. Wenn Sie meinen, gerade die Qualifizierung von Frauen sei ausschlaggebend für eine Teilhabe von Frauen in Ihren Parteien (in Richtung FPÖ und BZÖ), dann schaut es ein bisschen schlimm aus bei Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

Dass noch viele Hürden zu überwinden sind, zeigt auch der vorliegende Bericht. Des­wegen ist es auch zu befürworten, dass wir diesen Bericht hier im Plenum ausreichend diskutieren, denn die Diskriminierung von Frauen gehört nach wie vor zum Alltag. Es gehört leider auch zum Alltag, dass Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörig­keit, ihrer Religion, ihres Alters, ihrer sexuellen Zugehörigkeit diskriminiert werden. (Abg. Dr. Rosenkranz: Und wegen ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit!) – Das ist Ihr Problem. Wir tun das nicht. Nein. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht immer weiß die eine oder der andere allerdings, dass das ihr oder ihm widerfah­rene Unrecht einklagbar ist. Da gibt es in Bezug auf das Gleichbehandlungsgesetz und auf die Gleichbehandlungsanwaltschaften doch noch einige Hürden. Eine ist nämlich das Gesetz selber. Das Gesetz ist dermaßen unübersichtlich, und zwar dadurch, dass es mehrmals renoviert, erneuert und ergänzt wurde, dass es einfach nicht mehr lesbar und ganz schwer verständlich ist – selbst mit den entsprechenden juridischen Kennt­nissen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.– Das ist eine schwierige Sprache, und das sollte ein Gesetz sein, das für alle Menschen, in dem eben Menschenrechte verbrieft sind, zugänglich und lesbar sein sollte.

Da hilft auch eine ÖVP Leichter-Lesen-Broschüre nichts, in der das Gesetz in Groß­buchstaben geschrieben ist. (Abg. Hornek: Das ist Ihr Problem!) Man versteht es trotz­dem nicht! Das ist das Problem. Es soll aber zugänglich sein, nämlich nicht nur für Seh­schwache, sondern für alle Menschen. Und diese Unzumutbarkeit der Judikatur sollte man ändern. (Beifall bei den Grünen.)

Mehr als eigenartig ist es auch, dass die einzelnen Diskriminierungsgründe nach dem Gesetz ungleich behandelt werden. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum Ge­schlecht oder ethnische Zugehörigkeit mitunter besser geschützt sind als Alter oder se­xuelle Orientierung. Wenn ein lesbisches oder schwules Paar eine Wohnung sucht und diese nicht bekommt, weil es lesbisch oder schwul ist, so hat es keine Möglichkeit, sein Recht einzuklagen. Wenn ein Paar afrikanischer Herkunft eine Wohnung nicht be­kommt, so hat es immerhin die Möglichkeit, zur Gleichbehandlungsanwaltschaft zu ge­hen. Das muss dringend geändert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist auch nicht so, dass die Menschen in Wien, in der Steiermark, in Oberösterreich und in Tirol so viel selbstbewusster, so viel schlauer sind und ihre Rechte gescheiter einfordern, es ist nur so, dass in diesen Bundesländern Beratungsstellen vorhanden sind und in den anderen nicht. Das heißt, wenn jemand aus Jennersdorf kommt, dann hat sie oder er ganz schwer die Möglichkeit, irgendwo zu einer Gleichbehandlungsan­wältin hinzufahren; in der Steiermark hingegen gibt es diese Möglichkeit schon. Das schlägt sich dann auch in den Zahlen nieder: 28 Prozent der Beratungsfälle kommen jeweils aus Wien und der Steiermark, nur ein Prozent aus dem Burgenland.

Das heißt, wir bräuchten für jedes Bundesland eine Gleichbehandlungsanwaltschaft, die es ermöglicht, den Leuten Zugang zu ihrem Recht zu verschaffen, und zwar für je­den Diskriminierungsgrund. Das ist nämlich auch noch unterschiedlich. (Beifall bei den Grünen.)

Das Regierungsprogramm 2008 verspricht uns das, das hat uns auch das Regierungs­programm 2007 versprochen. Aber leider ist eine Verbesserung der personellen und fi-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 55

nanziellen Ausstattung, so wie es versprochen wurde, nicht in Sicht. Das haben Sie lei­der auch im Ausschuss angekündigt. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hei­nisch-Hosek.) – Zwei mehr in Wien, aber leider nicht in den Regionen. Und die Regio­nen gehören einfach besser aufgestellt. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Drei Bun­desländer!) – Drei Bundesländer, aber auch noch nicht die richtigen, wo es nämlich niemanden gibt. Das heißt, es besteht noch immer Bedarf, würde ich meinen.

Einer der großen Schwerpunkte in der Beratung ist auch das Einkommen. Über die Einkommensschere haben wir schon gesprochen, und es ist schon erwähnt worden, dass diese immer weiter aufgeht. Das wird seit Wochen, seit Monaten, ja seit Jahren ausgiebig diskutiert. Dass Frauen aber nicht nur schlechter verdienen, sondern in den gleichen Jobs oft weniger verdienen als Männer – auch wenn Sie von der FPÖ das manchmal bestreiten –, dass sie prinzipiell schlechtere Aufstiegschancen haben, dass sie seltener zu Gehaltserhöhungen kommen, dass sie tatsächlich öfter in Teilzeit arbei­ten, weil sie die Familienarbeit übernehmen – das sind viele verschiedene Gründe, wa­rum es zu dieser Einkommensschere kommt. Und es gibt nicht nur den einen Grund und die eine Maßnahme, die man setzen kann, sondern das Ganze ist sehr komplex.

Daher ist es auch nicht ganz so einfach, von der Statistik Austria einzufordern, dass sie etwas in ihrer Statistik ändert, und dann würde sich alles ändern. Das ist nicht wahr, denn die Probleme sind zu komplex!

Deswegen ist Ihr Vorstoß, Frau Ministerin, zur Offenlegung der Einstiegsgehälter im In­ternet absolut zu befürworten. Wir Grüne würden noch weitergehen. Es ist allgemein bekannt, dass es im Verlauf eines Berufslebens zu Veränderungen kommt, vor allem dann, wenn Frauen wieder in den Beruf zurückkehren, da dann die Ungleichbehand­lung erst beginnt beziehungsweise die Einkommensschere auseinandergeht. Man müsste diese Transparenz für den gesamten Berufsverlauf über alle Gehälter drüber­ziehen beziehungsweise auch in Stellenausschreibungen das Bruttomonatsgehalt an­geben. Das wäre ein Selbständiger Antrag von uns, der in der nächsten Ausschusssit­zung zu behandeln wäre.

Ein weiterer Antrag von uns – da die Probleme dermaßen komplex sind – ist, dass man die Unternehmer nicht nur dazu bringen sollte, die Transparenz der Gehälter auszuwei­sen, sondern auch mit umfassenden Gleichstellungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass Beschäftigung, Aufstiegsmöglichkeiten und Einkommensgerechtigkeit gewährleis­tet sind.

Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Gleichbe­handlungs-Bilanz für Unternehmen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage be­treffend die Verpflichtung zur Erstellung einer betrieblichen Gleichbehandlungs-Bilanz für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeiterinnen vorzulegen.“

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend einer Gleichbe­handlungs-Bilanz für Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gleichbehandlungsausschus­ses über den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungs­gesetzes gemäß § 24 GBK/GAW-Gesetz für die Jahre 2006 und 2007 (III-36 der Beila­gen) (167 d.B.)

Österreich gehört zu jenen Staaten in der EU, die das Potential von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und damit für die Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahren zuneh­mend weniger ausschöpfen. Die Beschäftigungsquote von Frauen liegt zwar in Öster­reich geringfügig über dem EU-Schnitt, im Unterschied zur Entwicklung in der EU sank sie aber in Österreich Mitte der 90er Jahre und stagniert. Rechnet man die Frauenbeschäftigung um in Vollzeitjobs, so ist sie in Österreich als einzigem der EU-15-Staaten in den letzten Jahren sogar rückläufig gewesen. Auch der Anteil der Manage­rinnen in Österreich ist rückläufig. Von 2000 auf 2005 ist die Zahl der weiblichen Füh­rungskräfte von 30,3 Prozent auf 27 Prozent gesunken (EU-Genderbericht 2008).

Im EU-Genderbericht 2008 wird festgestellt, dass die Einkommensschere rasant auf­geht. So lag die Einkommensdifferenz beim Bruttostundenverdienst im Jahr 2007 bei 25,5 Prozent. Im EU-Durchschnitt sind die Einkommensunterschiede bei den Brutto­stundenlöhnen mit 17,4 Prozent deutlich geringer. Nur in Estland ist der Einkommens­unterschied zwischen Frauen und Männern noch größer.

Die bisherigen Bemühungen, die Arbeitsmarktintegration von Frauen zu verbessern und die Einkommensschere zu schließen, müssen als zuwenig weit reichend und teil­weise gescheitert beurteilt werden. Frauenförderpolitik beschränkte sich in Österreich – durchaus im Unterschied zu anderen Staaten – bislang auf „weiche“ Maßnahmen wie Aufklärungsarbeit, Informations- und Schulungsangebote für Betriebe und das Erlas­sen von Frauenförderplänen. Allein das Beispiel Frauenförderpläne belegt, wie unter­schiedlich diese Maßnahmen in ihrer Qualität und ihrer Wirksamkeit ausfallen können: Frauenförderpläne können eine knappest gehaltene Pflichtübung sein, ein ausgefeiltes aber völlig unverbindliches Dokument ohne Durchsetzbarkeit im Betrieb oder ein tat­sächlich wirkungsvolles Instrument, mit dem Betriebe klar definierte Gleichstellungszie­le umsetzen.

Die Grünen halten verbesserte Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt und ein Schließen der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen für ein Gebot der Gerechtigkeit und Fairness, aber auch für eine Notwendigkeit im Interesse der wirt­schaftlichen Entwicklung Österreichs. Als einen Schritt in diese Richtung schlagen die Grünen daher vor, von Betrieben ab einer bestimmten Größenordnung das jährliche Vorlegen einer Gleichbehandlungs-Bilanz zu verlangen.

Dadurch sollen die Unternehmen angehalten werden, sich mit Fragen der Gleichstel­lung in ihrem Betrieb im Status Quo wie in Gleichstellungsmaßnahmen für die Zukunft auseinanderzusetzen. Österreich könnte mit dieser vergleichsweise einfachen Maß­nahme einen wichtigen Schritt zur Erreichung von EU-Gender Mainstreaming Zielen setzen. Ziel der Gleichbehandlungs-Bilanz ist es, Frauen im Betrieb in den Bereichen Beschäftigung, Aufstiegsmöglichkeiten und Einkommensgerechtigkeit zu fördern und betriebliche Gleichbehandlung einfach und transparent zu messen.

Das Modell einer Gleichbehandlungs-Bilanz hat jedenfalls geschlechtsspezifisch aufge­schlüsselte Daten zum Gesamtpersonalstand, zur Repräsentation der Geschlechter in


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 57

den Hierarchieebenen des Unternehmens sowie zu den Einkommen, jeweils über einen Zeitraum von drei Jahren, zu enthalten. Die Bewertung dieser Daten, sowie die Bewertung der Unternehmensentwicklung über den Zeitraum der letzten drei Jahre, sollte durch ein Punktesystem mit einem Schwellenwert erfolgen. Der sich daraus er­gebende Wert sollte das Ausmaß an betrieblicher Gleichbehandlung von Männern und Frauen deutlich machen.

In Schweden sind bereits jetzt alle Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten ver­pflichtet einen betrieblichen Gleichbehandlungsplan zu erstellen, der unter anderem die Erfassung und Auswertung der betrieblichen Einkommensdaten beinhaltet. Auf diese Art und Weise wird Gleichbehandlung zu einem Thema für die Unternehmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage be­treffend die Verpflichtung zur Erstellung einer betrieblichen Gleichbehandlungs-Bilanz für Unternehmen mit mehr als zehn MitarbeiterInnen vorzulegen.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Bundesministerin Hei­nisch-Hosek. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.59.07

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Hundstorfer! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich finde es wirklich prominent und wichtig, dass der erste Tagesordnungspunkt heute der Gleichbehandlung gewid­met ist. Das hatten wir in der Form eigentlich noch nie. Meistens werden solche The­men erst um 22 Uhr oder später behandelt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das heißt, über Gleichstellung zu reden ist eine gute Sache, aber ich glaube, dass wir uns auch einig sind, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir, wenn wir heute über diese beiden Berichte sprechen, immer auch meinen, dass es um ökonomische Unab­hängigkeit von Frauen geht, weil sich immer mehr Frauen an die Gleichbehandlungs­anwaltschaft, an die Gleichbehandlungskommission wenden, dass es um sexuelle Selbstbestimmung von Frauen geht, dass immer mehr Frauen es nicht wollen, am Ar­beitsplatz irgendwie sexuell belästigt zu werden – das ist auch einer der Hauptgründe, warum sich Frauen bei der Kommission, bei der Anwaltschaft beschweren –, und dass es in einem weiteren Schritt um das Recht auf ein gewaltfreies Leben geht.

Ich möchte auf die Berichte zurückkommen – wobei es für mich sehr verlockend wäre, auf die allgemeinen Statements, die ich für sehr wichtig und auch diskussionswürdig halte, einzugehen – und kurz auf den Gleichbehandlungsbericht 2006 und 2007 einge­hen, seinerzeit jedes Jahr zu legen, seit 2004 alle zwei Jahre. Es ist unser gemeinsa­mer Bericht. Wie Sie alle wissen, gibt es die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Die Gleichbehandlungskommission prüft, ob das Gleichbehandlungsgebot eingehalten wird oder nicht, und die Gleichbehandlungsan­waltschaft informiert und berät. Und es waren immerhin 138 Personen, die sich an die­se Gleichbehandlungskommission gewandt haben. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)


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Die Gleichbehandlungskommission kann dann Gutachten erstellen. Wenn jemand den Weg zu Gericht beschreitet, kann dieses Gutachten vorgelagert sein, hat aber keine mitbestimmende Wirkung. Es hilft aber vielleicht, wenn Frauen sich trauen, diesen Weg zu beschreiten, dass es für sie dann leichter ist, diesen Schritt zu gehen. Wir wissen nämlich auch, dass viele sich dann zurückziehen, weil sie oft nicht wissen, wie das vor Gericht ausgeht und ob sie überhaupt eine Chance haben, das vor Gericht auch zu be­weisen – wobei wir Gott sei Dank ja auch schon die Beweislastumkehr haben.

Es waren, wie schon gesagt, 138 Fälle; die zwei Hauptgründe waren sexuelle Belästi­gung am Arbeitsplatz und Diskriminierungen beim Entgelt.

Und da sind wir bei der Gehaltsschere. Diesbezüglich bin ich natürlich nicht stolz auf Österreich, das können Sie mir glauben! Die „Rote Laterne“ haben wir nicht verdient, weil wir nicht Letzte sind, aber wir sind ziemlich weit hinten, was das anbelangt, letzt­endlich auch, weil die Berechnungen der EU anders geworden sind. Aber das soll kei­ne Ausrede sein – wir haben hier Handlungsbedarf und etwas zu tun.

Immerhin: Das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft gibt es heuer 30 Jah­re, und in 30 Jahren ist diese Schere natürlich nicht zusammengegangen, sondern, im Gegenteil, eher weiter auseinandergegangen.

Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Einer dieser Gründe ist, dass fast jede zweite Frau in Österreich in einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis ist. Ich sehe Teil­zeit in einer großen Bandbreite und nicht einseitig, das können Sie mir glauben. Teilzeit selbst gewählt und freiwillig für einige Zeit – dagegen habe ich überhaupt nichts. Meine Aufgabe ist es nur, zu sagen: Achtung! Die Kindererziehungszeiten werden auch einige Zeit gut angerechnet, aber wenn das darüber hinaus ist, kann das pensionsmindernd wirken, was die Höhe der Pension anbelangt.

Nicht freiwillig gewählte Teilzeit kann eine Falle sein, weil man oft nicht mehr daraus herausfindet und weil Teilzeit in Österreich oft sehr schlecht bewertet ist. Ich sehe nicht ein, warum ein Teilzeitstundenlohn für die gleiche Arbeit geringer bewertet ist als ein Vollzeitstundenlohn.

Da gäbe es noch viel zu sagen. Ich will damit aber nur ausdrücken, dass Teilzeit von – bis gesehen werden kann: freiwillig, wenn ich das wähle, für eine Zeit lang gut, und auch Männer sollten vermehrt in Teilzeit gehen können. Ich glaube, dass es wichtig wäre, auch hier zu motivieren und Anregung zu geben. Und bei nicht freiwillig gewähl­ter Teilzeit sollten wir die Frauen ermutigen, dass sie so schnell wie möglich in eine Er­werbstätigkeit kommen, von der sie dann, wenn sie noch alleinstehend oder alleiner­ziehend sind, auch leben können. Das habe ich mit ökonomischer Unabhängigkeit ge­meint.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat 2006 mehr als 4 000 Personen beraten: 3 200 Frauen, 1 100 Männer, 2007 auch etwa in dieser Kategorie. Und ich möchte an dieser Stelle allen – und es sind rund 80 Perso­nen, die für die Männer und Frauen tätig sind, die dort Rat und Hilfe suchen oder sich an die Gleichbehandlungskommissionen in den Senaten I, II oder III wenden – sehr, sehr herzlich danken. Dass sie sicher nicht überbesetzt sind, was die Personalsituation anlangt, gebe ich offen und ehrlich zu; es könnte immer mehr sein, aber das gilt wahr­scheinlich für jeden Bereich. Jedenfalls wird dort hervorragende Arbeit geleistet, und an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – wir haben auch Männer dabei – sehr, sehr herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, wir stehen vor einer weiteren Veränderung, was das Gleichbehandlungsgesetz an­belangt, dem sogenannten Levelling Up, das heißt: Gründe, Alter, sexuelle Orientie­rung außerhalb der Arbeitswelt sind zu ergänzen. Es ist wichtig, dass auch hier Diskri-


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minierungstatbestände ins Gesetz kommen, damit wir das vielleicht einen Schritt vor der EU – wir sind gerade bei der Ausarbeitung – hinbekommen. Wir müssen uns an­schauen, wie viele Fälle kommen und ob es personell auch da Konsequenzen geben muss, ob es bewältigbar ist. Aber das haben wir vor, das ist in Arbeit.

Zu zwei Dingen, die heute oft angesprochen wurden: Wann fangen Sie denn endlich an? Wann tun Sie denn endlich was? – So einfach, wie manche heute hier die Dinge darstellen, sind diese nämlich nicht, sonst hätten wir in gewissen Bereichen schon so manches umgesetzt. Aber wir haben in mehreren Runden vorbereitet, dass wir in das Gleichbehandlungsgesetz die Gehaltstransparenz hineinschreiben können. Wir wer­den das nicht für alle veröffentlichen, weil ich glaube, dass das im Hinblick auf den Da­tenschutz problematisch sein kann.

Wir werden uns die Betriebsgrößen sehr genau anschauen, weil das nicht für alle gel­ten wird können. Aber es in einem ersten Schritt, betriebsintern, in einem Betriebs-In­tranet, so vorhanden, offenzulegen oder es in einer Firma anzuschlagen, wenn kein betriebsinternes Internet vorhanden ist, sehen wir schon als eine Möglichkeit, in gewis­sen Verwendungsgruppen die Kollektivvertragsverwendungen öffentlich zu machen, und das getrennt nach Geschlechtern – nicht Frau Müller und Herr Huber als Perso­nen, sondern als Gruppen in Abteilungen und in welcher Einstufung sich jemand befin­det.

Wir begleiten diesen Prozess und schauen uns nach zwei Jahren an – vielleicht wissen manche gar nicht, dass sie diskriminieren; das soll ja auch vorkommen –, wie es läuft. Wir beraten in diesen zwei Jahren, und erst dann sollten wir uns überlegen: Soll es Sanktionen geben, wenn sich nichts verändert, wenn Frauen diskriminiert werden, nur weil sie Frauen sind?

Das haben wir gemeinsam vor, und ich bin überzeugt, dass es gelingen wird, das als ersten Schritt in Richtung Gehaltstransparenz in das Gesetz zu schreiben.

Ein zweiter Schritt, der heute auch angesprochen wurde und der mir auch sehr gut ge­fällt: Einstiegsgehälter. – Ja, auch ich bin dafür, dass wir bei Stellenausschreibungen die Art des Kollektivvertrages und die Bandbreite, wie ein Bruttolohn ausschauen kann, mit veröffentlichen, damit Männer und Frauen gleich wissen, wenn sie sich wo bewer­ben, was in dieser Branche, in diesem Bereich in etwa bezahlt wird. Da sind wir noch in Verhandlung.

Ich denke, Gleichstellungspolitik ist eine Politik der kleinen Schritte, weil hier alle mit­spielen müssen, weil die Arbeitgeberseite zum Teil andere Interessen hat als die Ar­beitnehmerInnenvertretung; das ist ganz klar. Die Frauenministerin hat das zu koordi­nieren, die Legistik obliegt dem Herrn Sozial- und Arbeitsminister, und ich bin über­zeugt, dass wir es gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister auch schaffen werden, hier Schritt für Schritt Verbesserungen ins Gesetz zu schreiben, damit Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, was eines meiner Kernthemen ist, Wirklichkeit werden kann. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.07


Präsident Fritz Neugebauer: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


12.08.00

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundes­minister! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich möchte mich auch gleich dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gleichbehandlungskommission und der Gleichbehandlungsanwaltschaft anschließen. Sie leisten ganz hervorragende Ar­beit, und sie geben uns so viel Hilfestellung, dass wir auch im Bereich der ÖGB-Frauen


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immer wieder auch gemeinsam mit den Kolleginnen in der AK überlegen können, wie wir eine Weiterentwicklung auch des Gleichbehandlungsgesetzes unterstützen und fortschreiben können. – Das einmal vorweg. Herzlichen Dank!

Es ist schon des Öfteren angeschnitten worden, dass die Einkommensschere nach wie vor weit geöffnet ist. Die Sozialpartner sind aber auch da nicht untätig gewesen. Ich darf berichten, dass sich bereits im März 2005 die europäischen Sozialpartner darauf geeinigt haben, sich vier Themenbereiche ganz besonders vorzunehmen, die auch einen ganz wichtigen Beitrag dazu leisten werden, dass sich die Einkommensschere etwas mehr schließt.

Hier ist ein Bereich, nämlich das Rollenverständnis von Männern und Frauen in der Ar­beitswelt, was das Wählen von traditionellen Berufen anlangt, ebenso davon betroffen wie das endlich noch stärkere Motivieren von Vätern, auch ihre Verantwortung in den Familien zu übernehmen.

Darüber hinaus ist es auch ein Anliegen der europäischen Sozialpartner, alles daran­zusetzen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Beseitigung der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen gewidmet.

Auch unsere Sozialpartner in Österreich haben Ende vergangenen Jahres ein dement­sprechendes Positionspapier gemeinsam ausgearbeitet, nicht nur ausgearbeitet, son­dern auch unterschrieben, und sie leben auch danach, und zwar alle vier Interessen­verbände der ArbeitgeberInnen und der ArbeitnehmerInnen, inklusive der Industriellen­vereinigung. – Ich betone das deshalb so, weil das schon etwas Besonderes ist, dass sich wirklich alle Interessenverbände dazu bekennen.

Auch hier ist ein Schwerpunkt, dass man alles daransetzen muss, endlich ein Heraus­brechen aus den traditionellen Berufssegmenten für Männer und Frauen zu schaffen. Es sind hier alle aufgefordert, auch junge Frauen aufzunehmen, die bereit sind, eine andere Berufsausbildung als eine traditionelle zu wählen.

Was mir ebenfalls ganz wichtig erscheint, ist, dass man sich in diesem Papier dazu be­kannt hat, dass man auch in den Betrieben dafür Sorge tragen muss, dass es Wieder­einsteigerinnen und Wiedereinsteigern nach einer Babypause leichter gelingt, im Be­trieb wieder Fuß zu fassen, weil gerade auch diese Babypausen ein ganz gravierender Bestandteil dessen sind, dass die Einkommensunterschiede so ausschauen, wie sie ausschauen. Das muss man auf den Punkt bringen.

Ein gutes Papier also, und ich freue mich auch, dass dieses Papier in den Nationalen Aktionsplan zur Gleichstellung, den Sie, Frau Bundesministerin, gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister jetzt angehen, mit einfließen wird. Ich bin davon überzeugt, dass Sie mit Dynamik diesen Nationalen Aktionsplan zur Gleichstellung durchkämpfen wer­den, weiß aber auch, dass Sie einen guten Verbündeten in der Person des Herrn Bun­desministers Rudolf Hundstorfer haben.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Quote. Quoten sind vielleicht nicht elegant, sie sind aber ein gutes Werkzeug. Ich würde alle Kolleginnen und Kollegen, die hier in die­sem Hohen Haus sitzen, bitten, auch einmal zu überlegen, ob sie nicht vielleicht auch Quotenmänner oder ‑frauen sind – Quoten, indem sie ein Bundesland vertreten, Quo­ten, indem sie vielleicht einen Angestellten- oder Arbeiterbund, einen Unternehmer­bund vertreten. Also: Quoten sind ein Werkzeug und sind notwendig und richtig, damit Frauen in allen Bereichen dementsprechend stärker vertreten sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. – Bitte.

 



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12.12.43

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte BesucherInnen auf der Galerie! Ich möchte auch ganz herzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegezentrums Scheibbs begrüßen, die heute auf der Galerie sitzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Pflegezentren sind ganz wichtige Arbeitgeber im ländlichen Raum, und insbesondere im Pflegebereich geht es um Frauenarbeitsplätze. Daher ist es auch sehr wichtig, dass wir über diese Pflegeheime verfügen und die Pflegezentren auch zusätzlich aus­gebaut werden.

Frauenarbeitsplätze im ländlichen Raum – das ist ein ganz spezifisches Thema. Den Frauen wird immer wieder nachgesagt, dass sie Qualifikationsdefizite hätten. Sie legen angeblich eine zu hohe Passivität an den Tag, wenn es darum geht, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, und auch wenn es um Gehaltsverhandlungen geht, seien sie zu passiv, hört man oft. Auch wenn es um die Mobilität geht, sagt man den Frauen im ländlichen Raum nach, dass sie nicht mobil genug seien, um Arbeitsplätze auch errei­chen zu können.

Diese Beschreibung wird den Frauen im ländlichen Raum nicht gerecht, denn die Frau­en sind sehr mobil und vor allem auch höchst qualifiziert, meist deutlich besser, als es die Männer im ländlichen Raum sind. Das wird auch aufgrund der Volkszählung 2001 deutlich: 30 bis 40 Prozent der berufstätigen Frauen im ländlichen Raum zwischen 25 und 35 haben einen Maturaabschluss; gerade in den ländlichen Gebieten sind sie also besser ausgebildet als die jungen Männer.

Allerdings gibt es ein Problem beim Finden eines adäquaten Arbeitsplatzes. Das ist ein Frauenproblem, das insbesondere bei der Familiengründung dann noch zusätzlich ver­stärkt wird. Dazu kommt noch, dass die wenigen Arbeitsplätze, die es vor Ort gibt und die auch der Ausbildung der Frauen entsprechen würden, oft an Männer vergeben wer­den, die diese Qualifikation oft gar nicht vorweisen können.

Für uns ist das auch eine Ignoranz der regionalen Entwicklungspotentiale, da hier an der größten Bevölkerungsgruppe im ländlichen Raum, an den Frauen, vorbeigewirt­schaftet wird. Dort liegen Ressourcen und Potentiale brach, die es aufzubereiten gilt.

Natürlich stellen die Frauen Ansprüche. Es geht darum, die Einkommensschere zu schließen, es geht auch darum, adäquate Arbeitsplätze zu finden – Teilzeitarbeitplätze und Vollzeitarbeitplätze. Selbstverständlich ist für uns die Wahlfreiheit wichtig. Es soll den jungen Müttern auch die Möglichkeit gegeben werden, eine Zeit lang bei ihren Kin­dern zu verbleiben, aber sie dürfen natürlich diesen Sprung ins Berufsleben nicht ver­säumen.

Wir möchten auch zu dem Entschließungsantrag der Grünen, der heute eingebracht wurde, Stellung nehmen. Er scheint uns undurchdacht zu sein und ist unserer Meinung nach auch kontraproduktiv, denn es wird darin verlangt, dass kleine und mittlere Be­triebe eine neue bürokratische Auflage bekommen sollen. Es wird damit kein einziger Frauenarbeitsplatz geschaffen, sondern ganz im Gegenteil: Man wird die Betriebe über Gebühr belasten und gerade einen sehr sensiblen Bereich, wenn es um Arbeitsplätze im ländlichen Raum geht, eher konterkarieren. Daher ist das auch abzulehnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen Maßnahmen, die es möglich machen, dass Familie und Beruf besser vereinbar werden. Ich danke an dieser Stelle auch Frau Staatssekretärin Christine Ma­rek, die im Sinne der Frauen auch die familienpolitischen Maßnahmen weiterentwickelt. Wir brauchen die gute Einbindung der Väter, der Männer in die unbezahlte Haus- und Familienarbeit, denn im Durchschnitt aller erwerbstätigen Frauen wird pro entlohnter Frauenarbeitsstunde ein großer Anteil an nicht entlohnter Arbeit aufgerechnet: Bei


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Frauen sind das 51 Minuten an unbezahlter Familien- und Hausarbeit, bei den Männer hingegen sind es lediglich 11 Minuten.

Wir wissen also, dass Frauen mehr arbeiten als Männer. Wir wissen, dass sie in vielen Bereichen auf der Überholspur sind. Wir wissen aber auch, dass sie noch eine Unter­stützung brauchen, eine politische Unterstützung brauchen, damit sie im Sinne der Gleichbehandlung auch wirklich gleichgestellt sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP so­wie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


12.17.28

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren, die uns im Plenum zuschauen! Das ist der erste Gleichbehandlungsbericht, den wir hier im Parlament behandeln, wo es nicht nur um die Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern geht, sondern wo es auch um Antidiskriminierung geht und um Gleichbehandlung, egal, welche ethni­sche Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, welches Alter oder welche sexuelle Orientierung jemand hat.

Im Jahre 2004 hat es eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes gegeben. Diese musste unter anderem deshalb gemacht werden, weil die EU mit zwei Antidiskriminie­rungsrichtlinien vorgeschrieben hat, dass Diskriminierung in der Arbeitswelt aus den genannten Gründen nicht akzeptabel ist und auch geahndet und verfolgt werden muss und dass Diskriminierung und Ungleichbehandlung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit auch in anderen Bereichen – sprich bei Dienstleistungen und beim Zugang zu Gütern – inakzeptabel sind und geahndet werden müssen.

Eines der Probleme, die wir haben, ist, dass wir eine minimale bis minimalste Umset­zung dieser zwei EU-Richtlinien haben. Meine Kollegin Judith Schwentner hat schon das große Problem angesprochen, dass bei bestimmten Diskriminierungstatbeständen der Schutz vor Diskriminierung weiter geht, wie zum Beispiel bei ethnischer Zugehörig­keit, und bei anderen Diskriminierungstatbeständen, beispielsweise Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, nicht so viel Schutz gegeben ist wie bei der erst­genannten Gruppe.

Das ist auf jeden Fall nicht akzeptabel. Wenn wir als Gesellschaft sagen, dass Diskri­minierung kein Kavaliersdelikt ist und dass Diskriminierung nicht geduldet werden darf, Diskriminierung aus welchem Grund auch immer, dann ist es auch nicht verständlich und nicht einzusehen, warum bestimmte Opfergruppen oder bestimmte von Diskrimi­nierung betroffene Gruppen besser oder anders gestellt werden sollen als andere Op­fergruppen. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb haben die Grünen auch sowohl im Jahr 2004 gesagt, dass das repariert wer­den muss, dass der Diskriminierungsschutz für alle Gruppen gleich gelten muss, und das sagen wir auch bis heute, und wir sehen diesen Änderungsbedarf auch bis heute.

Ein zweites großes Problem, das wir bei der Bekämpfung von Diskriminierungen in un­serem Land haben, ist die krasse personelle Unterbesetzung der Gleichbehandlungs­anwaltschaft. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat im Jahr 2004 neue Aufgaben be­kommen, ganz viele, nämlich Diskriminierung zu bekämpfen aus Gründen der ethni­schen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung. Allerdings wurde das Personal und wurden die Ressourcen der Gleichbe­handlungsanwaltschaft kaum aufgestockt. Das heißt, fast die gleiche Gleichbe­handlungsanwaltschaft muss jetzt wesentlich mehr Aufgaben bewältigen. Und das wird zum großen Problem: dass Opfer und Betroffene von Diskriminierung, Menschen, die


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sagen, ich sehe nicht ein, warum ich diskriminiert werde, ich suche meine Rechte, ich möchte mein Recht durchsetzen, in sehr vielen Fällen leider aufgrund der personell knappen Ressourcen nicht beraten werden können und leider im Stich gelassen wer­den.

Ein dritter großer Problembereich ist, dass die Opfer von Diskriminierung mit dem Pro­zess- und dem Kostenrisiko weitgehend alleingelassen sind. Wenn jemand sagt: Ich gehe zu Gericht und will mein Recht einklagen!, und nicht sehr begütert ist und sich einen Anwalt oder eine Anwältin nicht leisten kann und den Prozess vor Gericht dann auch verliert, dann hat diese Person nicht nur die Prozesskosten von sich selbst, son­dern auch die Prozesskosten der Gegenseite zu tragen. Und Sie können sich vorstel­len, dass das in sehr vielen Fällen dazu führt, dass Opfer von Diskriminierung sagen: Nein, dieses Risiko gehe ich lieber nicht ein, denn das könnte mich sehr teuer zu ste­hen kommen! – Das heißt, zur erlittenen Schmach und zur Diskriminierung kommt dann auch noch die Angst, finanziell selbst haften zu müssen.

Wenn wir als Gesetzgeber unserer Republik sagen, Diskriminierung darf nicht erlaubt werden, Diskriminierung ist inakzeptabel, dann sollten wir auch konsequent genug sein, jene Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind – egal, ob sie Frauen, Männer, ältere Menschen, Menschen mit anderer sexueller Orientierung, Minderheiten­angehörige sind –, mit Ressourcen zu unterstützen, damit sie ihr Recht auch wirklich durchsetzen können. Das ist leider noch immer nicht der Fall. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend möchte ich drei kurze Beispiele aus dem Bericht erwähnen, damit wir al­le wissen, um welche ganz konkreten Fälle im Alltag es geht:

Eine 48-jährige Frau bewirbt sich um einen Servierjob. Das Vorstellungsgespräch wird abgebrochen, nachdem sie die Frage nach ihrem Alter korrekt beantwortet hat, nämlich dass sie 48 Jahre alt ist. Der Grund, der genannt wird, ist: Die Geschäftsführung hat die Vorgabe, niemanden, der älter als 35 Jahre ist, einzustellen.

Wie kommt eine Frau – oder natürlich auch ein Mann – dazu, nur aufgrund seines oder ihres Alters von einer Bewerbung oder von einem Job ausgeschlossen zu werden?

Zweites Beispiel: Eine Österreicherin ruft für ihren Mann wegen eines Jobs bei der örtli­chen Müllabfuhr an. Auf Nachfrage, aus welchem Land ihr Mann komme, antwortete sie wahrheitsgemäß: aus Afrika. – Die Antwort, die sie bekommt, ist – ich zitiere –: Das brauchen wir hier nicht!, und die Dame am Telefon legt schon auf.

Ich frage uns alle: Wie kommt ein Mensch, der ganz legal hier lebt und hier arbeiten darf, dazu, nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch zugelassen zu werden, nur aufgrund seiner Hautfarbe? (Beifall bei den Grünen.)

Drittes Beispiel: Ein Mann arbeitet als Verkäufer in einem Schuhgeschäft und outet sich an seinem Arbeitsplatz als Homosexueller. Nach einem Jahr wird ihm von der Fi­lialleitung mitgeteilt, das Unternehmen möchte ihn kündigen, da er – Zitat – „zu extra­vagant“ sei. – Selbstverständlich ist das genauso eine Diskriminierung und genauso abzulehnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es sollte nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Wenn wir schon sagen, Diskriminierung ist inakzeptabel, wir kämpfen als Gesellschaft für Gleichbehandlung von allen Menschen, die in diesem Land leben, dann sollten wir auch die Konsequenzen ziehen, das Gleichbehandlungsgesetz verbessern und die Gleichbehandlungsanwaltschaften auch mit Mitteln ausstatten, damit sie Diskriminierte wirklich auch unterstützen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.25


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 



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12.25.10

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren heute den Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes in den Jahren 2006 und 2007, und dennoch ist der Bericht aktuell, wie wir aus den Fallschilderungen meiner Vorrednerin erkannt haben.

Warum ist es so wichtig, diesen Bericht hier zu diskutieren? – Wenn ich auf die Galerie schaue, so sehe ich viele Menschen, auch sehr viele junge Menschen, die uns zuhö­ren. Und genau darum geht es: dass die Menschen, unabhängig vom Geschlecht, un­abhängig vom Alter, von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, von ihrer sexuellen Orientie­rung, Gleichbehandlung erfahren, gerecht behandelt werden in diesem Land, in dem wir alle miteinander leben.

Ich denke – und das sei vor allem zu den KollegInnen von FPÖ und BZÖ gesagt –, wenn Sie den Bericht wirklich gelesen haben, werte KollegInnen, dann erkennen Sie aufgrund der Fallschilderungen die verschiedenen Formen der Diskriminierung, der Menschen heute in unserem Land noch ausgesetzt sind. Wenn Sie sich so dagegen verwahren, dass wir schon Maßnahmen ergriffen haben und weitere Maßnahmen for­dern, die zu einer besseren Gleichstellung und zu einer besseren Gleichbehandlung führen, dann muss ich Ihnen sagen: Wie soll denn sonst Ihr Lippenbekenntnis zu einer Gleichbehandlung, zu einer Nichtübervorteilung eines Geschlechts, wie es etwa in Ih­rem Beispiel zum Ausdruck gebracht wurde, tatsächlich umgesetzt werden? Wie soll das erfolgen, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen? Sollen wir noch tausend Jahre warten, bis Frauen vielleicht einmal ein Fünkchen weiter gleichgestellt sind?

Das wollen wir nicht. Und wir wären heute noch nicht da, wo wir sind, wenn wir nicht in den siebziger Jahren mit einer Frauenministerin Dohnal Maßnahmen ergriffen hätten, damit wir wenigstens diese Schritte, die wir bis jetzt gesetzt haben, setzen konnten. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)

Einen Punkt darf ich Ihnen noch sagen, wenn Sie schon dazwischen sprechen: Quote bedingt Qualität! Das ist nämlich genau Ihr Irrtum. Quote ist nicht gegen Qualität, son­dern Quote bedingt Qualität! Nur, wenn wir Qualität haben, können wir auch über Quo­ten reden. Das ist es! Und darum trauen wir uns auch, Quoten zu fordern, meine Da­men und Herren! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Auffällig in dem Bericht ist auch, dass wir immer stärker Mehrfachdiskriminierungen feststellen müssen, was einerseits die Befindlichkeit der Betroffenen noch viel massiver beeinträchtigt, auf der anderen Seite aber die Beratung und die Bearbeitung noch kom­plexer macht und vor allem von den Beraterinnen und Beratern multidisziplinäre Kennt­nisse erfordert.

Deutlich wird das auch durch die Entwicklung der Gleichbehandlungsanwaltschaft – das ist ja auch von meiner Vorrednerin schon zum Ausdruck gebracht worden –, die ja vorher einmal ausschließlich auf Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter spe­zialisiert war und die nun eine umfassende Antidiskriminierungseinrichtung geworden ist – was eine große Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, die aber wirklich eine sorgsame, sensible, hoch professionelle und kompetente Arbeit leis­ten. – Frau Bundesministerin, ich bitte Sie, den Kolleginnen und Kollegen in der Gleich­behandlungsanwaltschaft auch den Dank der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion zu übermitteln.

Wenn Sie den Bericht gelesen haben, meine Damen und Herren, dann haben Sie auch gesehen, dass von den rund 8 000 Fällen, die bearbeitet worden sind, ein Viertel der Fälle Männer betraf. Ich denke mir, dass diese Entwicklung der Inanspruchnahme der Gleichbehandlungsanwaltschaft durch Männer und Frauen vor allem durch die letzte Novelle, die bestimmt, dass ein Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts


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beim Zugang zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen besteht, interessant für uns sein wird.

Aber vor allem eines macht mich sehr betroffen – denn ich denke mir, wenn wir es ehr­lich meinen, dann sind vor allem wir als gesetzgebende Körperschaft auch hier gefor­dert –: wenn Sie den Gender-Aspekt so sehr ablehnen. Ich möchte Sie darauf hinwei­sen: Es gibt wunderbare Leitfäden zu Gender-Mainstreaming in der Legistik. Wir soll­ten diese hier in diesem Haus auch selbst zur Anwendung bringen und diesen Aspekt viel stärker als bisher beachten.

Einen Fortschritt in der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit von allen Menschen werden wir nur dann erzielen, wenn wir auch hier in diesem Haus – aber insgesamt – gesellschaftlich einen Grundkonsens in diesem Land darüber erzielen, wie wichtig diese Gleichbehandlung und Gleichstellung der Menschen in Österreich für eine chancengerechtere Zukunft dieses Landes ist.

Hilfsmittel und Leitfäden dafür stehen zur Verfügung. Auch ein vorliegender Bericht ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis und vor allem auch für uns zu Überlegungen, was wir weiter in Richtung mehr Gleichstellung machen können. Ich fordere Sie auf: Machen Sie alle mit!, und ich bedanke mich auch beim Herrn Bundesminister für die­sen wirklich hoch qualitativen Bericht und ersuche ihn, diesen Dank an die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter weiterzuleiten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Mag. Korun und Obernosterer.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

 


12.30.14

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Es freut mich, dass nach zwölf Frauen als Rednerinnen einmal ein Mann am Rednerpult steht (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Mag. Korun) und zu diesem Gleichbehandlungsbericht auch seine Meinung sagen kann. (Abg. Silhavy: ... gleichwertig!) – Genau deshalb bin ich da.

Ich glaube – ich muss das dazusagen, wenn es auch nicht immer so rüberkommt –, das Thema Gleichbehandlung ist ernster zu nehmen, als viele vielleicht glauben. Ös­terreich ist eines der reichsten Länder der Welt, und es muss in einem Wohlfahrtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein, dass Gleichberechtigung lebt und dass gleiche Leis­tungen auch immer gleich abgegolten werden. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Wenn ich mir aber die Ausführungen jetzt angehört habe, dann muss ich zum Teil dazu sagen: Man sollte nicht den Boden der Realität verlieren, und man sollte Gesetze nicht nur nach dem Papier beurteilen, sondern man sollte Gesetze und Vorschriften so ma­chen, dass sie im alltäglichen Leben, in der Praxis draußen ordentlich umzusetzen sind, dass sie den Unternehmerinnen und Unternehmern sowie den Mitarbeitern behilf­lich sind – und nicht, wie es manchmal scheint, eher dem normalen Ablauf im Wege sind und der Bevölkerung, zumindest den Arbeitnehmern, nicht helfen.

Ich selbst bin Unternehmer, ich habe 50 Mitarbeiter. Wir haben 4 Abteilungsleiter, da­von sind drei Frauen und einer ist ein Mann. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Ich möchte jetzt nur aus der Praxis heraus reden.

Wir haben eine Oberkellnerin und einen Oberkellner. Bei uns ist es so, dass die Ober­kellnerin mehr verdient als der Oberkellner (Bravoruf des Abg. Hörl – Abg. Zanger: ... nicht einmal ein Trinkgeld!) – nicht weil sie älter ist oder besser ausgebildet ist, son­dern ganz einfach weil sie tüchtiger ist!


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Bei uns in der Rezeption verdient die Rezeptionistin mehr als der Rezeptionist. Wa­rum? – Weil sie wesentlich stärker in der Abwicklung ist. Und es ist in der Privatwirt­schaft draußen eine Selbstverständlichkeit, dass unsere Mitarbeiter, ob Mann oder Frau, nach Leistung und nicht nach Geschlecht bezahlt werden! Das möchte ich hier einmal ganz klar sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir von der ÖVP stehen ganz klar dafür ein: Gleichbehandlung muss für alle gelten, und bezahlt werden muss nach Leistung! Das Leben draußen in den Betrieben funktio­niert anders, und jetzt meine ich gerade Sie hier herinnen von der grünen Fraktion: Ich habe gestern eine Presseaussendung von Frau Schatz gelesen, die zum Beispiel sagt, im Tourismus verdient man im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 9 737 €. Hier sind wir wieder bei der Statistik, die zum Teil verfälscht wird. Wir können nichts dafür, dass in der Tourismusbranche sehr viele Saisonbeschäftigte sind, aber man kann damit auch nicht sagen, dass im Tourismus weniger verdient wird als in anderen Branchen. (Abg. Öllinger: Na sicher!)

Wir sind bei der Lehrlingsausbildung, bei der Abgeltung unter den Top Zehn! Es gibt bei den Kollektivverträgen in der Tourismusbranche keinen Kollektivvertrag der ausge­bildeten Touristiker unter 1 200 €. (Abg. Hörl: 1 300!) Vor Kurzem haben wir hier noch über einen Mindestlohn gesprochen, der weit darunter liegt. – Im Tourismus wird über dem Kollektivvertrag gezahlt! Und im Tourismus sind die meisten Führungskräfte Frau­en, weil sie tüchtiger sind in dieser Branche und damit auch mehr verdienen als die Männer.

Ich sage es Ihnen aufseiten der grünen Fraktion nochmals: Von der Privatwirtschaft her wird nicht nach Geschlecht gezahlt, sondern nach Leistung! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Mag. Schwentner: Lesen Sie den Gleichbehandlungsbe­richt!) Denn: Die Privatwirtschaft kann es sich nicht leisten, weniger Lohn für mehr Leistung zu zahlen! Durch das Zusammenfügen von tüchtigen Frauen und Männern ist dieser Staat nämlich zu einem Wohlfahrtsstaat geworden – und durch die Abgeltung mit ordentlichen finanziellen Mitteln, durch eine ordentliche Leistung haben wir das Leistungsprinzip. Und da gibt es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen! (Abg. Mag. Lunacek: Sie haben den Bericht nicht gelesen! – Abg. Mag. Schwentner: Das geht an der Realität vorbei, was Sie sagen!)

Was diesen Antrag von euch betrifft, dass man ab 10 Mitarbeitern auf eine Tafel hi­naufschauen und sehen kann, wie viel die Männer und wie viel die Frauen verdienen, so sage ich euch: In einem ordentlichen Betrieb weiß jeder, was er verdient. In einem ordentlichen Betriebsklima weiß jeder, was der eine verdient und was der andere ver­dient! – Machen wir doch nicht Gesetze, um Missgunst, Neid und Unfrieden in die Be­triebe hineinzutragen (Abg. Mag. Schwentner: Um Missgunst und Neid zu verhin­dern!), sondern machen wir Gesetze, um den Leuten zu helfen und draußen in der Wirtschaft, in der Privatwirtschaft alles einfacher zu machen, und nicht komplizierter. Dafür steht die ÖVP! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Windbüchler-Sou­schill. – Bitte.

 


12.36.53

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! 14 Pro­zent aller Beratungsfälle hatten als Thema sexuelle Belästigung, und im Ranking der Themen der Beratungsfälle war das der Platz zwei. Sexuelle Belästigung kommt oft vor, auch in den wahrscheinlich so genannten ordentlichen Betrieben, von denen wir gerade gehört haben – und bei denen ich mir auch sicher bin, dass nicht jeder Mitar-


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beiter und jede Mitarbeiterin weiß, was das Gegenüber verdient. Davon gehe ich aus. (Ruf bei der ÖVP: ... haben Sie schon gearbeitet?)

Die Palette der Beispiele der sexuellen Belästigungen ist breit: angefangen von Mails über obszöne Äußerungen bis hin zu aggressiven Bedrängungen und wirklich auch Be­grabschungen. Dieses Verhalten ist ganz klar Gewalt, dieses Verhalten ist ganz klar Ausübung von Macht, Ausnützung einer Machtposition, und dieses Verhalten heißt auch, eine Abhängigkeitsspirale zu erzeugen, aus der gerade Frauen sehr schwer he­rauskommen, weil es um Jobs geht, weil es um die Existenzsicherung geht und weil es um Drohungen dahin gehend geht, dass sie ihren Job verlieren, wenn sie es aufzeigen.

Diese Gewaltspirale muss ganz klar durchbrochen werden. Es ist einfach unglaublich, unfassbar, dass wir im 21. Jahrhundert noch immer das Problem haben, dass Frauen sich nicht trauen, sexuelle Belästigung aufzuzeigen, aus Angst um ihren Job. Das muss geändert werden! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Es braucht ganz klare Konsequenzen im Betrieb, am Arbeitsplatz, und die Verantwor­tung darf nicht den Opfern aufgestülpt werden. Die Verantwortung müssen die Täter tragen und nicht die Opfer! Im Kampf gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz braucht es eine starke Partnerschaft, und da können sich auch die Männer nicht der Verantwortung entziehen, da müssen gerade die Männer mitarbeiten, um das aufzuzei­gen, das auch herauszuschreien, den Kampf dagegen zu unterstützen und auch als Vorbild zu wirken in ihrem Verhalten, ihrem gleichberechtigten Verhalten gegenüber Frauen am Arbeitsplatz.

Ein klares Zeichen zu setzen ist wichtig, und das muss auch die Politik machen. Die Politik ist, wie wir alle wissen, für Rahmenbedingungen zuständig. Die Politik hat die Verantwortung, zu verändern, nämlich ins Positive. Und der Kampf gegen sexuelle Be­lästigung braucht noch einiges – das zeigt auch dieser sehr, sehr gute Bericht, über den wir jetzt gerade diskutieren.

Erstens: Information schützt die Opfer. Wir wissen aus NGOs, die mit Frauen arbeiten, wir wissen aus der Frauenbewegung, aus der Frauenhausbewegung, dass gerade In­formation Unabhängigkeit heißt. Wenn ich Informationen habe, weiß ich, wohin ich mich wenden kann, weiß ich, was Recht ist, weiß ich, was Unrecht ist, und kann es auch mit Unterstützung der Organisationen einklagen. Das heißt: Mehr Informationen an die Opfer!

Zweitens: Die ganz klare Forcierung von Best-Practice-Beispielen. Gerade in männer­dominierten Berufen haben es weibliche Lehrlinge schwer – das wissen wir –, durchzu­kommen, standzuhalten, den Anforderungen zu entsprechen. Da braucht es auch von­seiten des Ministeriums für Frauen Unterstützung, was Schulungen in den Betrieben anbelangt, was Bekleidung von weiblichen Lehrlingen anbelangt. Auch die lobenswer­ten Initiativen, die auch im Bericht dargestellt werden, gilt es mehr zu forcieren und mehr in die Betriebe zu bringen, und vielleicht wäre auch die Unterstützung der weibli­chen Lehrlinge als Begleitungsorganisation mehr zu forcieren.

Drittens: Verkürzung der Verfahrensdauer vor den Senaten der Gleichbehandlungs­kommission bei sexueller Belästigung.

Oft dauert die Wartezeit ein ganzes Jahr lang – das ist eine sehr, sehr lange Zeit. Wir wissen, dass gerade Frauen in dieser Zeit um ihre Jobs bangen müssen, auch Angst davor haben, Repressionen im Betrieb zu erfahren, oder sie sind schon ausgestiegen und trauen sich erst dann Klagen einzubringen. Diese Zeit ist einfach zu lang! Es geht dann nämlich auch um die Glaubwürdigkeit und um die Beweiswürdigung, und deshalb müssen diese Verfahren verkürzt werden.

Ich finde, dass dieser Bericht ein klarer Auftrag an die Frauenministerin ist, da Maß­nahmen zu setzen, mehr hinzusehen, noch mehr zu unterstützen, damit die Zahl der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 68

Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz kleiner wird und die Täter rasch und konsequent zur Verantwortung gezogen werden. (Beifall bei den Grünen.)

12.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Binder-Maier. – Bitte.

 


12.41.20

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschau­er! Schülerinnen und Schüler aus Fohnsdorf, hallo! Ich freue mich, dass ihr da seid. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, zunächst ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen mei­ner Vorrednerinnen.

Zur Kollegin Gartelgruber: Ich hätte gerne gewusst, in welchem Budgetposten sich die milliardenteuren Transferleistungen zum Ausgleich zwischen den Geschlechtern befin­den. Es würde mich wirklich interessieren, wo das drinnen steht.

Und was das Thema „Teilzeit“ betrifft, meine ich: Es ist an der Zeit, dass wir daran den­ken, dass, wenn es um die Betreuungspflichten in ihren vielfältigsten Formen geht, die Reduzierung der Arbeitszeit für beide Geschlechter Gültigkeit haben kann beziehungs­weise eine Möglichkeit sein kann.

Zur Kollegin Schenk: Ich verstehe, dass Sie als junge Frau Wert darauf legen, dass Sie Qualitäten haben beziehungsweise qualifiziert sind, aber ich vertrete auch die Meinung, dass Quote und Qualität einander nicht ausschließen. (Beifall der Abg. Mag. Wurm.)

Meine Damen und Herren, wir behandeln den ersten Bericht, der die Themen Gleich­behandlung, Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und auch Antirassis­mus zum Inhalt hat – ein Aufgabengebiet, das sehr, sehr groß ist. Dieser Bericht ist sehr umfassend. Seit 2004 enthält das Gleichbehandlungsgesetz auch verpönte Diskri­minierungsgründe, die den gesamten Bereich der Arbeitswelt umfassen.

Bei der Beschäftigung mit dem Inhalt dieses Berichtes fällt auf, wie vielfältig die Fallbei­spiele sind. In diesen Beispielen geht es um Würde, um Respekt und um Menschen­rechte, vor allem auch um Frauenrechte.

Vielfach wird in diesem Bericht auch aufgezeigt, welch unerträglichen Situationen manchmal Frauen, Menschen, ausgesetzt sind und wie Machtpositionen schamlos ausgenützt werden. Umso wichtiger ist die Einrichtung der Gleichbehandlungskommis­sion, die Einrichtung der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Der weitere Ausbau beziehungsweise die Zurverfügungstellung von weiteren Ressour­cen ist ein wichtiger Aspekt, dem noch mehr Augenmerk zugewendet werden muss. Ich weiß mich da im Einklang und im Einverständnis mit der Frauenministerin.

Interessant sind auch die Vorschläge, die im Bericht beinhaltet sind: zum einen, dass angemessene und verbindliche Fristen gefordert werden, und zum anderen, dass die Dauer der Verfahren sehr genau und sehr kritisch betrachtet werden muss.

Das heißt, das Gleichbehandlungsgesetz muss immer wieder auf seine Effizienz hin überprüft werden, es muss weiter aus- und umgebaut werden. Rechte, Menschen­rechte, Frauenrechte stehen im Vordergrund, Ungleichbehandlung können und dürfen wir nicht zulassen. Es geht aber auch um den gleichberechtigten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen und um die gleichberechtigte Versorgung mit denselben.

Meine Damen und Herren! Wir feiern am 1. Juli den 30. Geburtstag des Gleichbehand­lungsgesetzes, das als Grundlage für das österreichische Arbeitsrecht und für dessen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 69

Ausbau dient. Es war wichtig und notwendig, dass wir ein solches Gesetz geschaffen haben. Es dient dazu beziehungsweise trägt dazu bei, dass Diskriminierung in allen gesellschaftlichen und politischen Diskussionen zum Thema gemacht wird.

In diesem Sinne ist dieses Gleichbehandlungsgesetz, ist diese Gleichbehandlungsan­waltschaft sehr, sehr wichtig. Mein Dank gilt allen, die am Zustandekommen beteiligt waren.

Abschließend danke ich Ministerin Heinisch-Hosek für ihre Beharrlichkeit, für ihre Standfestigkeit im Bemühen um Gleichbehandlung, um Gleichberechtigung der Men­schen und vor allen Dingen für den Einsatz für die Frauen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nun erteile ich Herrn Bundesminister Hundstorfer das Wort. – Bitte.

 


12.46.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu ein paar Punkten Stellung nehmen.

In der Frage der Einkommenstransparenz sei es mir gestattet, eine sehr persönliche Bemerkung hier zu machen: Wir alle, wie wir hier als Politiker sitzen, haben überhaupt kein Problem damit, dass unser Einkommen in jeder Hinsicht sehr transparent ist. Warum haben wir dann Angst davor, es in den Betrieben transparent zu machen?
Das ist meine Frage! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dolinschek.)

Im öffentlichen Sektor, woher ich ursächlich komme, ist zum Beispiel die Frage der Ein­kommensunterschiede bei gleicher Beschäftigung und gleicher Einstufung kein Thema. Aber auch im öffentlichen Sektor haben wir Unterschiede. Warum haben wir Unter­schiede? Weil es eben unterschiedliche Karriereverläufe gibt. Das sind Dinge, an de­nen wir ständig arbeiten müssen und arbeiten sollen.

Wir werden im Gleichbehandlungsgesetz den Begriff der Diskriminierung erweitern um solche Fälle, wie sie Frau Abgeordnete Korun hier geschildert hat, und werden diese zu Tatbeständen machen. Wir haben das bereits in anderen Gesetzen gemacht. Wa­rum soll also nicht auch im Gleichbehandlungsgesetz der Begriff der Diskriminierung auf weitere Fälle ausgedehnt werden? – Das ist eines unserer Projekte. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Weiters haben wir gemeinsam mit den Sozialpartnern sozusagen ein Lieblingsprojekt in Arbeit, das, wie ich offen zugebe, etwas dauert, aber gut Ding braucht Weile. Wir werden einen sogenannten Gehaltsrechner entwickeln, wo es darum geht – und das gilt vor allem für die jungen Damen und Herren, die hier oben sitzen –, dass Berufsein­steigerinnen und Berufseinsteiger die Chance haben, sich zu erkundigen: Was an Lohn ist denn überhaupt üblich in dieser Branche, was wird denn in diesen Branchen be­zahlt?, damit man dann, wenn man in den Beruf einsteigt oder wenn man einen Berufs­wechsel macht, eine Ahnung davon hat, was das übliche Gehaltsniveau dort ist.

Nun zum Kollegen Obernosterer: Ja, in der Gastronomie wird in der Regel gleich viel bezahlt. Das ist nicht das Thema. (Zwischenruf bei den Grünen.) – In der Regel, Frau Abgeordnete! Ich habe das absichtlich so gesagt. (Abg. Weinzinger: Bei den Wirt­schaftstreuhändern auch!) Aber es ist trotzdem notwendig, dass wir an die Menschen die Information geben – so wie wir das hinsichtlich der Kollektivverträge tun –, was in einer Branche in einer bestimmten Bandbreite bezahlt wird.


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Wir entwickeln diesen sogenannten Gehaltsrechner gemeinsam mit den Sozialpart­nern. Wir hoffen, dass wir mit dieser Arbeit im Herbst so weit kommen, dass wir dann im Frühjahr nächsten Jahres der Öffentlichkeit die Möglichkeit bieten können, zu erfah­ren – und ich glaube, das schadet nicht –, was an Gehaltszahlung in welcher Bandbrei­te in einer Branche üblich ist. Dann kann sich nämlich jeder, der in diese Branche ein­steigt, von Haus aus ein Bild davon machen und weiß, wo er steht. Das ist auch ein Aspekt, der dazu dient, bei den Einkommensdifferenzen einen Schritt weiterzukom­men. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kopf.)

12.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fuhrmann. – Bitte.

 


12.49.52

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tatsache, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft doch von sehr vie­len Männern, aber vor allem von Frauen kontaktiert wurde, zeigt, dass es tatsächlich noch sehr, sehr viele Fälle gibt, wo Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeiten passie­ren.

Ich denke aber, dass die Tatsache, dass in den Jahren 2006 und 2007 die Gleichbe­handlungsanwaltschaft so oft kontaktiert wurde, wiederum ein Zeichen dafür ist, dass auch ein Schritt dahin gehend gesetzt wird, Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Wir leben zwar in einer aufgeklärten Gesellschaft, aber trotzdem besteht oft ein Hemmnis bei vie­len Betroffenen, vor allem bei vielen Frauen, einen so großen Schritt zu tun und tat­sächlich Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Deshalb denke ich, dass die Tätigkeiten der Gleichbehandlungsanwaltschaft durchaus als großer Erfolg verbucht werden können.

Die Bundesarbeiterkammer machte darauf aufmerksam, dass die Gleichbehandlungs­anwaltschaft personell und ressourcenmäßig sehr eingeschränkt arbeitet, und hat an­geregt, eine umfassende Infokampagne zu den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu machen, um die Arbeit effizienter zu gestalten.

Wir haben in den vorhergehenden Debattenbeiträgen zum Thema Ungerechtigkeiten, die es zwischen Männern und Frauen gibt, mehrfach gehört, dass die wunschgemäße gleichberechtigte Partnerschaft im Bereich der Familie und vor allem die Gleichberech­tigung in der Berufs- und Arbeitswelt von großer Bedeutung sind.

Es ist auch schon gesagt worden – aber umso mehr möchte ich auch darauf hinwei­sen –, dass 85 Prozent der Beratungen im Tätigkeitsbereich der Anwälte zur Gleichbe­handlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt Frauen betroffen haben. Das heißt, es ist tatsächlich der Fall, dass es viele Frauen gibt, die ungerecht behandelt werden. Die Einkommensschere ist ein Thema, das auch in Zukunft weiterdiskutiert werden muss.

Faktum ist, dass EU-weit Frauen um 17 Prozent weniger verdienen als Männer. Sie ar­beiten vielfach in Teilzeitarbeitsverhältnissen, und das, obwohl jährlich mehr als die Hälfte der Uni-Absolventen Frauen sind. Da frage ich mich schon: Wo kommen unsere gut ausgebildeten Frauen, die nicht nur auf der Uni inskribieren, sondern ihr Studium auch erfolgreich abschließen, auf dem Arbeitsmarkt hin? Warum findet man die dort nicht?

Ich meine, dass man daher schon gezielt in der Jugendförderung ansetzen muss, vor allem wenn es darum geht, junge Mädchen dafür zu interessieren, welche Lehrberufe sie wählen können. Es ist nämlich noch immer so, dass sich junge Mädchen für tradi­tionelle Frauenberufe entscheiden, und zwar für Berufe wie Einzelhandelskauffrau, Fri­seurin und Bankkauffrau. Das sind Tätigkeitsbereiche, wo das Lohnniveau üblicherwei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 71

se etwas niedriger ist. In diesem Bereich ist also noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Aber es ist auch in jenen Bereichen noch viel zu tun, wo es nach wie vor Ungerechtig­keiten gibt. Dazu gehören der Familienbereich und der Einkommensbereich. Hier hat die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Frau Bundesminister Heinisch-Hosek hat sich viel vorgenommen. Wir werden sie dabei unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesministe­rin Heinisch-Hosek: Danke schön!)

12.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krist. – Bitte.

 


12.53.34

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Sie sehen und hören noch einen beherzten Sprecher für die Sache der Frauen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Gleichbehandlungsbericht 2006/2007 zeichnet nicht nur zur Situation der Gleich­behandlung der Geschlechter ein ganz klares Bild, sondern auch zum Thema Antidis­kriminierung und Antirassismus.

Dass Hilfe- und Beratungsbedarf besteht, zeigt die konstant auf hohem Niveau gelege­ne Zahl der Anfragen mit über 4 000 Fällen jährlich. Der Großteil der Beratungen mit über 70 Prozent bezieht sich auf die Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Diesem hohen Bedarf sollte durch ausreichende personelle und mate­rielle Ressourcen in der Gleichbehandlungskommission und der Gleichbehandlungsan­waltschaft entsprochen werden, wie schon meine Kollegin Gabi Binder-Maier erwähnt hat, denn politischer Wille, gesellschaftlicher Rückhalt, rechtliche Rahmenbedingungen und institutionelle Strukturen sind eine Sache, aber die ausreichenden Ressourcen da­für sind eine andere.

Wie der Gleichbehandlungsbericht zeigt, ist auch der Beratungsbedarf im Bereich der Antidiskriminierung und des Antirassismus beachtlich. Dazu stellt der Bericht Folgen­des fest – ich zitiere –:

„In diesem sehr weiten Bereich des täglichen Lebens werden nach wie vor viele Men­schen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Sprache oder ihrer Kultur zum Beispiel vom Zugang zu einer Bar, einer Diskothek, einem Fitnessstudio, einer Bank oder auch von der Miete einer Wohnung ausgeschlossen. In der überwiegenden Zahl dieser Fälle war die Dienstleistungsverweigerung zusätzlich mit verbalen rassistischen Belästigungen verbunden.“ – Zitatende.

Obwohl Integration auf der politischen Agenda weit oben steht, fühlen sich Einwande­rer und Angehörige ethnischer Minderheiten massiver Diskriminierung ausgesetzt – lei­der nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa –, wie eine Umfrage der Europäi­schen Agentur für Grundrechte aus 2009 bestätigte.

Meine Damen und Herren, das ist auch kein Wunder, denn es wird, wie wir alle wissen, gegen diese Gruppen oft gezielt und vorsätzlich Stimmung gemacht. Diffuse Ängste werden geschürt, fremdenfeindliche Aussagen ganz offen plakatiert, wie zum Beispiel auch im letzten EU-Wahlkampf. Aber das hat ja bekannterweise ganz besonders in Wien zu einer ordentlichen „Watschen“, wenn ich es so sagen darf, für diese Plakatie­rer und Werbetexter geführt, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ. –Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Aber angesichts der negativen Stimmung, die einige wenige konsequent erzeugen und provozieren, wundern die Ergebnisse der Wertewandel-Studie für Österreich aus 2008


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 72

wenig, wo es heißt: autoritätsgläubig statt liberal, ausländerfeindlich statt weltoffen. – Das ist kein erfreuliches Bild für unsere Republik!

Um ein Auseinanderfallen der Gesellschaft zu verhindern, werden wir uns wohl oder übel verstärkt dem Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung noch intensiver mit verschiedensten politischen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen widmen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Der Wähler wird es euch danken!)

Zur Gleichstellung von Frauen und Männern selbst umreißt ein Bericht der Europäi­schen Kommission die wesentlichsten Aktionsfelder für die nächsten Jahre. Ich zitiere:

„Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist kein Selbstzweck, sondern die Vo­raussetzung für die Verwirklichung der allgemeinen Ziele der EU: Wachstum, Beschäf­tigung und sozialer Zusammenhalt. Eine höhere Beteiligung der Frauen am Arbeits­markt gewährleistet nicht nur deren wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern trägt auch wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Tragfähigkeit der Sozialversiche­rungssysteme bei. Da Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen mit befristeten Arbeits­verträgen überrepräsentiert sind, werden sie aller Voraussicht nach stärker von den Auswirkungen des Konjunkturrückgangs auf den Arbeitsmarkt betroffen sein. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Gender-Mainstreaming-Ansatz bei den arbeits- und sozialpolitischen Maßnahmen weiterhin ausgebaut wird und dass die Bemühungen zur Beseitigung von Hindernissen für eine uneingeschränkte Beteiligung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt fortgesetzt werden.“ – Zitatende.

Mit unserer Ministerin Heinisch-Hosek und unserem Sozialminister Hundstorfer haben wir engagierte KämpferInnen, und wir SozialdemokratInnen werden sie kräftig unter­stützen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Wie hat denn die SPÖ in deiner Ge­meinde abgeschnitten?)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


12.57.50

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Schüle­rinnen und Schüler aus der Steiermark! Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung des qualitativ hochwertigen Gleichbehandlungs­berichtes beteiligt waren.

Wir haben in Österreich seit 1979 ein Gleichbehandlungsgesetz. Dieses hat zur Ver­besserung der damals extrem schlechten arbeitsrechtlichen Behandlung von Frauen beigetragen und geholfen, die Gleichstellung im Arbeitsprozess voranzutreiben. In klei­nen Schritten wurde dieses Gesetz durch Richtlinien ergänzt und durch einen Ministe­rialbeschluss verbessert. Dass dieses Gesetz jedoch einer größeren Novellierung un­terzogen werden muss, darüber sind wir uns alle einig, denn innerhalb der vergange­nen 30 Jahre hat sich nicht nur die Arbeitswelt, sondern die gesamte Gesellschaftspoli­tik verändert. Die Frauen haben sich in dieser Zeitspanne zu selbstbewussten Persön­lichkeiten entwickelt, die nun speziell im Arbeitsleben einen wesentlichen Beitrag leis­ten.

Das ist auch der Grund, warum ich nun zum zweiten Teil des gemeinsamen Berichtes über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes Stellung nehme, wo ich als The­menschwerpunkt die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt wählte. Bereits die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche beziehungsweise gleich­wertige Arbeit lässt sich oft schwer überprüfen, da natürlich die Arbeitnehmerinnen und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 73

Arbeitnehmer in den seltensten Fällen über das Einkommen des anderen genau Be­scheid wissen. Sollte dies, wie meistens, jedoch zufällig der Fall sein, ist kaum jemand bereit, eine Anzeige zu erstatten.

Was die Stellenausschreibungen betrifft: Diese erfolgen zwar von vielen Firmen bereits geschlechterneutral, das heißt aber noch lange nicht, dass auch bei den Aufnahmever­fahren Neutralität angewandt wird.

Auch bei Beförderungen wird, wie die unausgewogene Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen beweist, sehr oft Männern der Vorzug gegeben.

Dass in manchen Bereichen Frauen kaum oder nur vereinzelt vertreten sind, hängt aber auch teilweise mit der Berufswahl zusammen. So werden bestimmte Berufsgrup­pen nach wie vor als typisch weiblich und andere als typisch männlich angesehen. Hier sehe ich es als Aufgabe von uns allen – Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen, Lehr­beauftragte und so weiter –, die Jugendlichen besser zu informieren, damit diese sich bei der Berufswahl nicht auf ihr Geschlecht, sondern auf ihr Talent berufen.

Abschließend stelle ich als Frau fest: Wir wollen nicht bevorzugt, sondern nur gleich behandelt werden – und dies nicht nur auf dem Papier.

Weiters fordere ich Sie alle, werte Kolleginnen und Kollegen, auf, für das Ziel der Gleichbehandlung von Frauen und Männern nicht nur in der Arbeitswelt, sondern in je­dem Bereich vehement einzutreten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


13.01.18

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Herr Minister! Lassen Sie mich zum Schluss auf einige Ausführungen hier eingehen – jetzt ist aber leider Frau Unterreiner nicht mehr da. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Ich sage es ihr!) Ich möchte darauf eingehen, weil das ja in mancher Hinsicht auch von anderen Rednern gekommen ist, dass festgehalten werden muss – noch einmal und vielleicht anhand von einigen Beispielen nachvollziehbar gemacht –: Frauen werden benachteiligt, weil sie Frauen sind, und da gibt es ganz klare ... (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: ... aber nicht!) – Dann erzähle ich es Ihnen, hören Sie einfach ein­mal zu: Warum ist es zum Beispiel so, dass überwiegend dort, wo Frauen arbeiten, die Löhne am geringsten sind, und überall dort, wo die meisten Männer arbeiten, die Löh­ne am höchsten sind? (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.)

Das hat eine gewisse Logik und ist im Übrigen auch historisch begründet (Abg. Wein­zinger: ... Gewerkschaft!): Überall dort, wo sich im Beruf eine Männermehrheit ent­wickelt, steigen Löhne schneller, und umgekehrt dort, wo in der Geschichte mehr Frau­en in einen Beruf kommen, steigen die Löhne langsamer an. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Im Übrigen hat es die amerikanische Wissenschaftlerin Frances Gabe einmal so for­muliert: „Vor ein paar Jahrhunderten haben die Männer beschlossen, dass jede Arbeit, die ihnen zuwider ist, Frauenarbeit ist.“ (Abg. Großruck: Sind die Gewerkschaften stär­ker, sind die Gehälter gleich!) – Das ist etwas flapsig, das gebe ich zu, aber es hat je­denfalls eine historische Begründung dafür, dass das, was Frauen leisten, geringer be­wertet wird als das, was Männer leisten. (Abg. Großruck: Im öffentlichen Dienst sind die Gehälter gleich!)

Noch etwas, was ein klares Beispiel dafür ist, warum Frauen als Frauen benachteiligt werden: Wenn man weiß, dass mittlerweile viel mehr Frauen als Männer ein Erststudi-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 74

um abschließen, ist es doch erstaunlich, warum so wenige Frauen in Führungspositio­nen sind. Und wenn man sich alle Frauen und Männer jeweils in Führungspositionen anschaut, stellt sich heraus, dass alle Frauen in den Führungspositionen insgesamt sehr hohe Qualifikationen haben, bei Männern in Führungspositionen ist die Qualifika­tion sehr unterschiedlich. – Das heißt, Männern wird einfach aufgrund der Tatsache, dass sie Männer sind, mehr zugetraut; Frauen müssen nach wie vor zweimal, dreimal so gut sein, dass sie in diese Positionen kommen. (Abg. Weinzinger: ..., warum es viele Frauen auch ablehnen! – Zwischenruf des Abg. Dolinschek.) Da kann man den Kopf schütteln, aber das ist in Zahlen gegossene Benachteiligung.

Oder warum ist es zum Beispiel so, dass die meisten Opfer von Gewalt in Familien Frauen sind? Ist das nicht etwas, was Frauen benachteiligt? – Ich glaube, darüber kann man überhaupt nicht mehr streiten, das ist unbestreitbar klar.

Frau Schenk, zum Schluss: Immer, wenn es im Zusammenhang mit Quote um Frauen geht, kommt das Qualitätsargument. Ich glaube, Sie sind zu zweit im BZÖ: Sie können doch nicht behaupten, dass es im BZÖ nur zwei für den Nationalrat qualifizierte Frauen gibt. Kann es nicht damit zusammenhängen ... (Abg. Schenk: Ich kann meine ...! – Zwischenruf des Abg. Weinzinger.) – Ja, das habe ich ja auch nie bestritten, natürlich haben wir das! Wir arbeiten ja daran, aber wir verheimlichen es nicht. Sie haben zwei Frauen, und das würde heißen, es gäbe nur zwei Frauen, die für den Nationalrat quali­fiziert sind. Könnte es nicht auch damit zusammenhängen, dass die Männerquote im BZÖ extrem hoch ist?

Apropos Männerquote: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ursachen für Einkommens­ungerechtigkeit auch damit zusammenhängen, dass zu viele Männer in entsprechen­den Macht- und Entscheidungspositionen sitzen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wären Frauen entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in Macht- und Entscheidungsposi­tionen vertreten, ich bin mir ziemlich sicher: Einkommensungerechtigkeit wäre mittler­weile Geschichte. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schittenhelm.)

13.04

13.04.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-36 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Männeranteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen.

Wenn Sie für den Entschließungsantrag sind, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Er findet keine Mehrheit, er ist abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachvollziehbare transparen­te Einkommensstatistiken.

Ich bitte Sie um ein positives Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 75

Wenn Sie dafür sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet kei­ne Mehrheit, er ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Gleichbehand­lungs-Bilanz für Unternehmen.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich, dem zuzustimmen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.06.182. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 652/A der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Kurt Gartlehner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunika­tionsgesetz 2003 (TKG 2003) geändert wird (212 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Mag. Hakl das Wort. – Bitte.

 


13.06.51

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich freue mich wirklich, dass wir heute eine Novelle zum TKG vorlegen können, von der das „FORMAT“ geschrieben hat: Ein kleines Gesetz, ein großer Wurf.

In diesem Gesetz sehen wir vor, dass in Zukunft sämtliche Telekommunikationsleitun­gen von allen Telekommunikationsdiensteanbietern mitbenutzt werden können, dass Leitungsrechte gewährt werden, die es möglich machen, dass ein Telekom-Unterneh­men in jedem privaten Haus, über öffentlichem Grund, überall in Österreich seine Lei­tungen verlegen kann.

Was heißt das? – Man darf endlich hinein in leer stehende Schächte, in Leerrohre, man darf Glasfasern, die bereits verlegt sind, zum Beispiel von einem Energieunter­nehmen, und die nicht ausgelastet sind, auch für Telekommunikationsdienstleistungen nutzen. Jene Elektrizitätsunternehmen oder kleinen Telekom-Anbieter, die bis jetzt kei­ne große Flächendeckung erreicht haben, können auf die Netze derer gehen, die eine große Flächendeckung haben, und ihre Produkte anbieten.

Wir kommen auf diese Art und Weise schnell zu einem großen und flächendeckenden, leistungsfähigen Netz, und das war überfällig. Wir sind nämlich ganz besonders im Ausbau von Glasfaser sehr weit hinten. Breitband ist schon lange nicht mehr Breit­band! Angenommen es hat jemand einen 2-Megabit-Anschluss, das eine Kind spielt, jemand möchte vielleicht über den Computer fernsehen oder YouTube aufrufen, und der Vater möchte noch E-Mails versenden – das kann man nicht mehr mit 2 Megabit, da braucht man leistungsfähigere, größere Bandbreiten. Und dieses Gesetz macht es möglich, dass die notwendigen Investitionen effizient und schnell möglich sind.

Wir haben auch die Verfahrenszeiten um die Hälfte gekürzt. Das heißt, die Entschei­dung, etwas auszubauen, zieht unmittelbar auch die Möglichkeit, die Investition tat­sächlich zu tätigen, nach sich, und ich glaube wirklich, das ist ein großer Wurf, den wir sehr dringend brauchen.

Wir dürfen damit nicht Schluss machen, wir haben im ländlichen Bereich immer noch Regionen, die noch überhaupt nicht mit Breitband versorgt sind – nicht mehr allzu vie­le, aber immerhin –, und wir brauchen uns nicht der Illusion hinzugeben, zu glauben,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 76

dass diese Glasfaserinvestitionen jetzt in ganz kurzer Zeit bis an die Grenzen, bis in den hintersten Winkel Österreichs voranschreiten werden. – Da brauchen wir andere Lösungen.

Da wäre es zum Beispiel volkswirtschaftlich wichtig und sinnvoll, die sogenannte Digi­tale Dividende dem Mobilfunk zuzuteilen. Die Digitale Dividende ist jener Frequenzbe­reich, der durch das Umstellen des Fernsehens von analog auf digital frei geworden ist. Digitales Fernsehen braucht jetzt viel weniger Bandbreite, und dieses Volksvermögen an bestehenden Frequenzen könnte man ausschreiben und dem Mobilfunk geben.

Das hätte den Vorteil, dass man auch das Mobilfunknetz wesentlich effizienter – mit weniger Masten, mit einer größeren Reichweite, mit größerer Durchdringungswirkung – ausbauen könnte, sodass auch im mobilen Bereich überall in Österreich wirklich nen­nenswerte Bandbreiten innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung stehen würden.

Ich weiß, dass das nicht einfach ist. In diesem Frequenzbereich senden zum Beispiel die Funkmikrofone der Bregenzer Festspiele. Da muss man Lösungen finden, mit de­nen eine Umstellung finanziert werden könnte, aber ich kann mir vorstellen, dass das aus den Versteigerungserlösen dieser Frequenzen ohne gröbere Probleme möglich wäre.

Man muss sich auch noch andere Rahmenbedingungen überlegen, aber ich glaube, wir sollten damit nicht bis 2015 warten, sondern ich bitte Sie, Frau Bundesministerin, möglichst bald einen Runden Tisch mit allen Betroffenen einzuberufen, um möglichst rasch zu Lösungen zu kommen. Andere, wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, wie Frankreich, wie Großbritannien, haben diese Entscheidung bereits getroffen und werden diese Frequenzen aus genau den von mir genannten Gründen – aufgrund des großen volkswirtschaftlichen Nutzens, der entsteht, denn Information fließt heute nicht mehr nur noch und auch nicht mehr überwiegend über Fernsehen und Radio, sondern ganz wesentlich über das Internet – dem Mobilfunk widmen.

Diese Novelle beinhaltet aber neben der Mitbenutzung von Leitungen und der Einfüh­rung von Leitungsrechten auch noch andere wichtige Maßnahmen im Bereich des Wettbewerbs: Es ist gesetzlich festgeschrieben worden, wie Märkte neu definiert wer­den können, weil es klar ist, dass sich bei der Telefonie der Wettbewerb nicht mehr nur im Festnetzbereich abspielt. Wenn ich bei 10 Prozent Festnetzkunden irgendwann im­mer noch der Marktführer bin, weil alle anderen längst mobil telefonieren, dann heißt das, dass Märkte längst neu zu definieren sind. Das wurde in der Vergangenheit be­reits gemacht, die gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen schaffen wir mehr oder weniger im Nachhinein. Auch das, so glaube ich, war wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Herbst steht uns eine neue Novelle ins Haus, mit der neue Rahmenbedingungen für den Wettbewerb geschaffen werden – die Frau Bundesministerin wird diesbezüglich eine Regierungsvorlage vorstellen. Wir haben in diesem gemeinsamen Initiativantrag mehr oder weniger Punkte vorgezogen, die jetzt, da die Krise auf dem Höhepunkt ist, schnelle Investitionen ermöglichen. Wir werden uns also in diese Themen im Herbst weiter vertiefen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


13.13.13

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Kollegin Karin Hakl hat schon sehr prägnant und um­fangreich über die Veränderungen dieser TKG-Novelle berichtet, ich erlaube mir daher, ein bisschen rund um dieses Thema herum zu sprechen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 77

Wir haben bei dieser Novellierung alle Player, alle Interessierten, aber auch alle betrof­fenen Gruppen in diesen Prozess integriert, wodurch es erst möglich war, hier eine wirklich, wie ich glaube, sehr zukunftsfeste Novellierung des TKGs vorzunehmen.

Wir haben einen gleichberechtigten Zugang zur Infrastruktur geschaffen. Das ist, wie ich meine, gleichfalls ganz wichtig für alle, die am Markt tätig sind, insbesondere weil es doch Stärkere und Schwächere gibt. In dieser Novellierung sind sozusagen auch Potenziale für die Schwächeren mit berücksichtigt.

Wir haben die Nutzung der bestehenden Netze für alle ermöglicht. Das ist, denke ich, ein wirklich großer Fortschritt. Das führt einerseits zu einer Effizienzsteigerung der Be­standsnetze, das führt aber auch zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten beim Aus­bau, und es wird letztendlich die Ausbaukosten des Glasfasernetzes in Österreich ins­gesamt reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Investoren erhöhen. Das heißt also, wir können in nächster Zeit damit rechnen, dass – nachdem diese sozusa­gen geschlossenen Märkte jetzt geöffnet werden – wir auch über einen Katasterplan für die Glasfaserwirtschaft in Österreich sprechen können. Ich ersuche die Frau Bun­desministerin, ihre Bemühungen in diese Richtung fortzuführen.

Ich kann nur Folgendes berichten: Die ersten Reaktionen aus der Branche waren durch die Bank eigentlich sehr positiv, und daher, glaube ich, ist uns ein gutes Werk gelungen.

Warum brauchen wir Glasfaser? – Die Kollegin ist schon darauf eingegangen: Wir brauchen eine neue Standortqualität in Österreich. Österreich hatte diesbezüglich in den letzten sechs, sieben Jahren eigentlich einen Stillstand zu verzeichnen, auch auf­grund der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die bisher geherrscht haben.

Wir brauchen die Glasfaser auch für den ländlichen Raum, das ist klar. Es wird nicht überall reichen, aber es ist ganz notwendig, auch regionale Zentren zu erschließen.

Und wir brauchen es einfach auch deshalb, weil die technologischen Entwicklungen bei den Endgeräten und die Möglichkeiten der Endgeräte eine Leistungssteigerung der Netze erfordern. So gibt es Experten, die heute sagen, wir werden in fünf, sechs Jah­ren in einem Haushalt zirka 80 bis 100 Megabit Upload-Kapazität benötigen, weil das digitale Fernsehen über die Glasfaser möglich sein wird, weil man einen leistungsfähi­gen PC-Anschluss braucht und vielleicht auch über diesen spielt und telefoniert.

Die TKG-Novelle ist wirklich ein Start für eine dynamische Entwicklung in diesem Seg­ment, aber wir brauchen natürlich weitere Aktivitäten. Ich möchte darüber hinaus da­rauf verweisen, dass die Digitale Dividende natürlich eine kosteneffiziente Möglichkeit wäre, in entlegenen Regionen eine leistungsfähige Infrastruktur herzustellen.

Wir brauchen für die Entwicklung des Contents, des Marktes, der Nutzung dieser Infra­struktur dringend eine Anpassung des Urheberrechts an diese neuen Entwicklungen, und wir brauchen eine forcierte Aktivität im Bereich der E-Dienste, der öffentlichen Ver­waltungen, des Gesundheitswesens. Da ist es natürlich notwendig, dass Einzelinteres­sen von großen Gruppen da und dort zurückgedrängt werden, damit hier wirklich aus­geholt werden kann, weil die Produkte zum Teil doch schon vorhanden wären.

Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Legisten des BMVIT und beim Kabinett und insbesondere bei der Frau Bundesministerin, die dieses Projekt sehr kraftvoll unterstützt hat, sehr herzlich bedanken. Danke auch allen Playern, die sich in der Diskussionsphase eingebracht haben. Und ich möchte auch Kollegin Hakl einen ganz besonderen Dank aussprechen, die mit ihrer juristischen Kompetenz wirk­lich sehr wertvolle Mitarbeit geleistet hat.

Letztendlich freut es mich, wenn heute hier alle Fraktionen dieser Novelle zustimmen. Das ist auch ein Zeichen für ihre Qualität. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.18



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 78

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Höbart. – Bitte.

 


13.18.06

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin Bures! Hohes Haus! Der Prozess der Durchdringung aller Lebensbereiche mit Informations- und Kommunikationstechnologien, durch die sich ja letztendlich auch die sogenannte Informationsgesellschaft entwickelt hat, schreitet weiter voran.

Ich möchte hier jetzt ein bisschen die achtziger Jahre in Erinnerung rufen, in denen vie­les begonnen hat: Man hat damals begonnen, die Fernsprechnetze zu digitalisieren, es wurden erstmals Teletextsysteme entwickelt, um Informationen zu übermitteln, und es gab auch erste dedizierte Datennetze, die damals entwickelt wurden – ich möchte in diesem Zusammenhang Datex-L und Datex-P in Erinnerung rufen. Es ist ganz interes­sant, wenn man daran zurückdenkt.

Kaum leistbare Groß- und Bürorechner wurden erstmals zum Einsatz gebracht – auch heute noch setzen Unternehmen auf Großrechner, die aber vielfach durch dezentrale kleinere Rechensysteme ersetzt werden.

Über all die Jahre entstanden immer mehr neuartige Technologien. So ist jedem in die­sem Hause und auch darüber hinaus – vor allem den jungen Menschen auf der Gale­rie – das Internet ein Begriff, das weltweite Netz. Ich möchte aber auch auf Rechneran­wendungen im Geschäftsumfeld hinweisen; diese Dinge sind ja letztendlich aus unse­rer heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.

All die Weiterentwicklungen in diesem Umfeld haben in den letzten Jahren zu einem intensiven und starken Wirtschaftswachstum geführt – zum einen in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien selbst, aber natürlich auch darüber hinaus.

In Banken, in Industrieunternehmen bestehen heute vielfach sehr große EDV-Abteilun­gen, wodurch natürlich auch sehr viele Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Weiters hat das auch – das ist meine persönliche Überzeugung – einen nicht unerheb­lichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung geleistet. Wir konnten erleben, dass die Durchdringung der Gesellschaft, der Unternehmen durch die Informations- und Kommunikationstechnologien Produktionsformen verändert hat. Es sind neuartige Branchen entstanden, es wurden Unternehmen gegründet, und auch Gewerke wurden ins Leben gerufen.

Anmerken möchte ich aber auch – und dessen sollten wir uns auch immer bewusst sein –, dass wir bei aller Liebe zu diesen modernen Technologien nicht auf die klassi­schen Kommunikationsgrundrechte vergessen dürfen. Es ist wichtig, dass heute jeder von uns auf diese Informationen eine Zugangsfreiheit hat, aber natürlich dürfen wir auch nicht auf den Datenschutz verzichten.

Es entstehen heute ja oftmals Probleme damit, wo überall Daten gespeichert werden. In jeder Datenbank werden irgendwelche Fingerabdrücke, Augapfelgrößen, Kopfgrö­ßen, Finger- und Handgrößen gespeichert. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein­deutig festhalten, dass wir, was den Datenschutz betrifft, immer mit Argusaugen da­nach trachten müssen, dass die Freiheit des Einzelnen hier sozusagen unangetastet bleibt. (Beifall bei der FPÖ.)

All die von mir vorher erwähnten Punkte führen dazu, dass wir heute mit den bestehen­den Leitungsnetzen nicht mehr zurande kommen. Es wurde bereits von meiner Vorred­nerin und von meinem Vorredner gesagt, dass vielfach noch Kupferleitungen bestehen und dass diese veralteten Leitungen durch moderne Glasfaserleitungen ersetzt werden sollen, sukzessive und kontinuierlich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 79

Die Freiheitliche Partei unterstützt selbstverständlich jede Initiative, die in diese Rich­tung geht und wird daher auch dieser Novelle hier im Plenum zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


13.22.12

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Hohes Haus! Das Telekommunikationsgesetz ist an sich, wie es vorliegt, unterstützenswert und wird auch seitens des BZÖ unterstützt. Die gesamte Debatte, nämlich gerade auch über die alten Kupferleitungen, ist aber Sinnbild dafür, wie es mit der Forschungs- und Entwicklungspolitik in vielen Bereichen Österreichs all­gemein ausschaut. Ich werde das in weiterer Folge auch begründen.

Aber nun zum Telekommunikationsgesetz: Die alten Leitungen werden durch moderne Glasfaserkabel ersetzt, um den Anschluss in der Technik, im Hightech-Bereich zu ge­währleisten und den Wirtschaftsstandort Österreich auszubauen und zu attraktivieren.

Es ist die gemeinsame Nutzung von Kanälen, von Verrohrungen möglich. In Zukunft werden Glasfaserkabel gemeinsam genützt werden, und die Errichtungskosten sollen aufgeteilt und abgedeckt werden. Und in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass jene, die bereits Vorarbeiten geleistet haben, diese Kosten auch abgegolten bekom­men.

Die Behördenverfahren sollen vereinfacht werden. – Eine Sache, die längst überfällig ist, aber, und jetzt komme ich zum Punkt, im Ausschussbericht ist zu lesen:

„Ein rascher Ausbau in Zeiten der Wirtschaftkrise hat darüber hinaus stark beschäfti­gungsstimulierende Wirkung.“ – Das steht im Ausschussbericht.

Ja, das ist richtig, aber Sie brauchen auch die Mittel dazu, und das ist der Punkt. Denn in Österreich werden die Mittel dazu fehlen, da sie von der Wirtschaft nicht in dem Um­fang bereitgestellt werden können, wie dies notwendig wäre. So sagt beispielsweise die Telekom selbst, dass man in Österreich eine Milliarde bräuchte, um das Glasfaser­netz, das Breitbandnetz wirklich flächendeckend optimal auszubauen.

Da Sie vielleicht sagen, die Telekom sei ein Mitbewerber und habe daher vielleicht eine einseitige Meinung dazu, ziehen wir den OECD-Bericht heran. Die OECD sagt, dass wir in Österreich je 100 Einwohner 21,6 Breitbandanschlüsse haben, dass der Durch­schnitt der OECD bei 22,6 liegt – das ist schon ein Anschluss mehr – und dass Deutschland 27,4 Breitband-Anschlüsse je 100 Einwohner hat.

Die große Gefahr, die ich daher sehe, ist, dass wir zwar hinsichtlich des Breitbandnet­zes in den Städten, in den Zentren eine ordentliche Verkabelung haben, auch mittels Hightech-Kabel, Glasfaserkabel, dass es aber letztlich zu einem sogenannten digitalen Gap kommen wird in Bezug auf die Randgebiete, auf die Regionen, auf den ländlichen Bereich.

Ich denke, es müsste gerade auch die ÖVP interessieren, dass wirklich mehr Geld in die Hand genommen wird, um den ländlichen Bereich von dieser modernen Technik nicht abzuschneiden. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn die Bundesregierung im Konjunkturpaket gerade einmal 10 Millionen € für eine Breitbandinitiative vorsieht, dann weiß man, wie viel das Gesetz wert ist, das hier be­schlossen wird. Es genügt nicht, ein gutes Gesetz zu machen, sondern Sie müssen auch die Mittel für seine Umsetzung bereitstellen, denn ohne Mittel nützt Ihnen das Ge­setz nichts. (Zwischenruf des Abg. Weinzinger.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 80

Das heißt, das wird ein leeres Papier bleiben. Die Breitbandinitiative wird ins Stocken geraten, sie wird nicht stattfinden. Es werden auch nicht die Arbeitsplätze, die im Aus­schussbericht angesprochen werden, geschaffen werden können, weil diese Regie­rung dafür gerade einmal 10 Millionen € ausgibt, obwohl seitens der EU 44 Millionen € abholbereit wären; die werden dann in Brüssel liegen bleiben.

Im letzten Budget war dafür noch mehr vorgesehen, jetzt sind es nur noch 10 Millio­nen €. Das heißt, es wird zwar viel davon gesprochen, dass wir einen Hightech-Aus­bau, Breitbandausbau, das Gesetz dafür machen, aber auf die budgetäre Vorsorge dafür wird vergessen, wodurch das letztlich zum Scheitern verurteilt ist, und das ist schade.

Das heißt, Österreich verpasst damit den Anschluss im Hightech-Bereich. Und das ha­be ich gemeint, als ich zu Beginn gesagt habe, dass die alten Kupferkabel Sinnbild für die veraltete, verkrustete Forschungs- und Entwicklungspolitik dieser Bundesregierung sind. Denn die Art, wie man seitens der Regierung mit Forschungsmitteln umgeht, ist nicht gerade erfolgversprechend.

Nur ein Beispiel: Wir erwarten einen Rückgang von 5 Prozent bei den F&E-Ausgaben der Wirtschaft – und die Bundesregierung kürzt die F&E-Ausgaben! Sie kürzt sie beim FWF und bei der FFG im Allgemeinen, obwohl man sie dort eigentlich erhöhen müsste.

Ein Beispiel dazu: Baden-Württemberg – das ist vergleichbar mit Österreich – hat 10,7 Millionen Einwohner, also um fast ein Drittel sogar mehr, und gibt 4,2 Prozent des BIP für F & E aus. Österreich schafft nicht einmal die 3-Prozent-Quote.

Die Systemevaluierung der österreichischen Forschungsförderung, die frisch auf dem Tisch liegt, sagt aber auch, dass man in Krisenzeiten die Forschungsausgaben von staatlicher Seite erhöhen und auch in Hightech investieren sollte. Diese Regierung macht jedoch das Gegenteil.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 81

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Widmann, Dr. Strutz, Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen be­treffend eine Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote (F&E) von 3 Prozent sowie der Mittel für den FWF und die FFG

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie und der Bundesminis­ter für Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dem Nationalrat schnellst­möglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, durch welchen sichergestellt ist, dass die angekündigte 3%-ige F&E Quote auch tatsächlich erreicht wird und zudem sicherge­stellt wird, dass dem FWF und der FFG tatsächlich jeweils 10 % mehr Mittel als 2008 zur Verfügung stehen“.

*****

Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

13.27


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Antrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Widmann, Dr. Strutz, Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen be­treffend eine Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote (F&E) von 3 % sowie der Mittel für den FWF und die FFG

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Forschung, In­novation und Technologie über den Antrag 652/A der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) geändert wird

Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, sind die ausreichende Sicherung sowie der Ausbau des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Österreich von elementarer Bedeutung. Die zur Beschlussfassung anstehende Änderung des Telekommunika­tionsgesetzes 2003 ermöglicht österreichischen Unternehmen genau in der Zeit der Krise wichtige Investitionen in innovativen neuen Bereichen (z.B. Voice over IP) durch­zuführen und hier auch zusätzlich Arbeitsplätze zu schaffen.

Dazu ist es auch geboten, genügend F&E-Mittel zur Verfügung stellen. Experten gehen derzeit, als Folge der internationalen Wirtschaftskrise, von einem Fünf-Prozent-Minus der F&E Ausgaben der Wirtschaft aus. Das bedeutet, dass die in der F&E Beilage des Finanzministeriums zum Bundesbudget vorgelegte 3%-ige Entwicklungsquote mit einem Bundesanteil von rund 30 Prozent nicht eingehalten werden kann. Im Vergleich dazu gibt das Land Baden-Württemberg 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für For­schung und Entwicklung aus. Maßnahmen wie die oben genannte Gesetzesänderung oder steuerliche Anreize für Wirtschaftstreibende sind hier dringend erforderlich um dieses Ziel zu erreichen.

Im Lichte der am 20.05.2009 präsentierten Systemevaluierung der österreichischen Forschungsförderung und -finanzierung wird dringend empfohlen, gerade in der Krise, die Forschungsausgaben von staatlicher Seite weiter zu erhöhen sowie steigende An­teile in Hochtechnologiebereiche zu investieren. Daher ist es notwendig, dass den für die Grundlagen- und angewandte Forschung wichtigen Einrichtungen FWF und FFG gegenüber dem Jahr 2008 auch tatsächlich mehr Mittel - unter Berücksichtigung klarer strategischer Vorgaben - zur Verfügung gestellt werden. Dies steht wiederum im Kon­text zu der oben genannten Erreichung der 3%-igen F&E-Quote, zu der sich die Bun­desregierung im Regierungsprogramm bekannt hat.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie und der Bundesminis­ter für Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dem Nationalrat schnellst­möglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, durch welchen sichergestellt ist, dass die angekündigte 3%-ige F&E Quote auch tatsächlich erreicht wird und zudem sicherge­stellt wird, dass dem FWF und der FFG tatsächlich jeweils 10 % mehr Mittel als 2008 zur Verfügung stehen“.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 82

13.27.48

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Meine Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Telekommunika­tion benützt fast jede/fast jeder täglich. Wir haben seit drei Jahren, Frau Ministerin, so etwas wie einen Masterplan zur Verbesserung der Telekommunikations-Situation in Österreich, und wir haben ungefähr zweieinhalb Jahre lang eine Koalitionsregierung, die als erstes Teilgebiet dieses Masterplans – das steht also schon seit drei Jahren an – jetzt das Telekommunikationsgesetz dahin gehend novelliert, dass es zu einer Öffnung kommt, dass es zu mehr Wettbewerb kommt, dass das Verlegen von Glasfa­serleitungen und das Benützen der bestehenden Infrastruktur erleichtert wird.

Aus diesen technischen und wirtschaftlichen Gründen sind wir durchaus dafür, obwohl es für mich persönlich auch einen Wermutstropfen gibt: Des einen Freud, des anderen Leid – zur Freude der Betreiber geht es jetzt schneller, aber die Menschen, die Grund und Boden zur Verfügung stellen, in deren Grund Leitungen eingegraben werden, ha­ben in Zukunft verkürzte Fristen.

Ich habe mich extra noch einmal erkundigt, ob das nicht ein zu starker Eingriff in das Eigentumsrecht ist, und habe bei den Fristverkürzungen schon meine Bedenken. Wir müssen das sorgfältig beobachten, denn es geht um Grundrechte; das Eigentumsrecht ist – ich sage das gerade in Richtung ÖVP, in Richtung der Bürgermeister – ein Grundrecht. (Abg. Großruck: Richtig!)

Ein anderes Grundrecht dürfen wir auch nicht übersehen – und in dieser Richtung sind wir im Telekommunikationsbereich wirklich weit im Hintertreffen –, nämlich das Grund­recht auf Gesundheit. Ich habe gar nichts dagegen – und daher stimme ich dem An­trag zu –, dass wir das Leitungssystem verbessern, dass wir die Glasfaserversorgung auch in den ländlichen Regionen verbessern, aber ich habe gesundheitliche Bedenken in die Richtung, die Kollege Gartlehner und Kollegin Hakl angedeutet haben. Wir brau­chen, haben sie formuliert, mehr Frequenzen für mobile Telekommunikationsdienste.

Gestern war in der „Zeit im Bild 2“ ein Bericht über eine Studie aus Belgien zu sehen. Wissenschafter haben in Belgien das Ergebnis ihrer Arbeit präsentiert. Versuche an Ratten haben gezeigt, dass die Tumorrate steigt, wenn die Ratten verstärkt Handy­strahlung ausgesetzt sind. – Das vermute ich schon lange; und ich habe auch schon öfter hier im Nationalrat, seit dem Jahr 1997, argumentiert: Vorsicht beim Handytelefo­nieren, Vorsicht auch hinsichtlich der Strahlungsintensität oder Leistungsstärke bei Handymasten!

Deshalb ist es mir lieber, wir verlegen Glasfaserinfrastruktur, wir verstärken die Versor­gung im Boden – das Festnetz, auf gut Deutsch, hat ja auch viel mehr Leistungen. Herr Kollege Gartlehner, diesbezüglich sind wir ja einer Meinung. Auf der anderen Seite aber Vorsicht bei den mobilen, bei den frequenzbedienten, sozusagen bei den Leis­tungsträgern, wo, schlicht gesprochen, über die Atmosphäre weitergeleitet wird.

Frau Ministerin, Sie müssen jetzt das ausbaden, was die Vorgänger nicht geklärt ha­ben, nämlich die Kompetenzstreiterei. Ich bin es ja schon leid, denn ich werde mit mei­nen Anfragen, wenn es um gesundheitliche Vorsorge im Zusammenhang mit dem Be­reich Telekommunikation geht, von einem zum anderen geschickt, nämlich von Ihnen und Herrn Minister Stöger.

Gestern habe ich mit Herrn Minister Stöger darüber diskutiert, denn der schiebt ja Din­ge, die sich mit Kennzeichnungspflichten an Handys, SAR-Wert, beschäftigen, wieder in den Telekommunikationsbereich hinüber, zu Ihnen, Frau Minister. Und ich weiß, dass Ihr Vorgänger, Herr Minister Faymann damals, jetzt Bundeskanzler, den rein technischen Bereich betreuen und das Gesundheitliche bei Kdolsky, der Gesundheits­ministerin, ansiedeln wollte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 83

Bitte, Frau Ministerin, sorgen Sie dafür – ich weiß, Ihr Ressort arbeitet an dieser Kom­petenzklärung –, dass endlich Klarheit herrscht, an wen wir uns wenden müssen, wenn es um die Gesundheit der Menschen in Verbindung mit dem Telekommunikationsbe­reich geht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des BZÖ.)

Das Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst ist hier eingeschaltet. Die Technik ent­wickelt sich täglich weiter, das Leben geht weiter, und wir hören in der Sendung „Zeit im Bild“, dass andere Staaten die Grenzwerte massiv senken – in Österreich verlangt das der Oberste Sanitätsrat schon lange. Und in Österreich besteht erstens kein Ge­setz, sondern es gibt nur eine Ö-Norm, und zweitens ist die Kompetenz überhaupt nicht geklärt.

Deshalb mein Appell: Denken wir im Zusammenhang mit diesem Gesetz, das die rein technische Angelegenheit behandelt, die Kabel im Boden, auch daran, im Telekommunikationsbereich in gesundheitlicher Hinsicht auf die Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, Anrainerrechte gesetzlich zu normieren.

Ich bin – abschließend – dafür, dass die Investitionen im Breitbandbereich, im Kabelbe­reich vonseiten der Bundesregierung insgesamt in größerem Umfang betrieben wer­den. Die 10 Millionen € sind ein Klacks.

Frau Ministerin, Sie haben im Infrastrukturbereich Schiene-Straße 20 Milliarden € – be­denken Sie das! – auf die Reise geschickt; die budgetäre Deckung ist mit 13 Fragezei­chen zu versehen. Nehmen Sie aber zumindest etwas mehr Millionen für Technologie und Forschung und für den Breitbandausbau in die Hand, denn das ist eine Infrastruk­tur, die wir auch aus ökologischen Gründen sehr gerne mittragen. – Danke. (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

13.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Bures zu Wort. – Bitte.

 


13.33.56

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, dass auf parlamentarischer Ebene eine wirklich konstruktive Diskussion über ein neues Tele­kommunikationsgesetz geführt wurde. Das hat dazu geführt, dass wir – ich meine, das ist aus den bisherigen Ausführungen hervorgegangen – einen breiten Konsens in einer ganz wesentlichen Frage, nämlich in der Frage der Modernisierung einer sehr wichti­gen österreichischen Technologieinfrastruktur, erreichen konnten.

Ich möchte mich ausdrücklich bei Frau Abgeordneter Hakl und bei Herrn Abgeordne­tem Gartlehner dafür bedanken, denn ich glaube, dass es wichtig ist, in dieser Materie gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wenn wir heute einen Rahmen beschließen können, der uns die Chance gibt, dass so etwas wie eine Technologieoffensive ent­steht, dann ist der Erfolg auch davon geprägt, ob das eine gemeinsame Kraftanstren­gung ist. Und ich bin sehr froh, dass das gelungen ist.

Ich meine, dass es aus vielen Gründen wichtig ist, diesen gesetzlichen Rahmen jetzt zu schaffen.

Erstens darf man nicht unterschätzen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen solch eine Investitionsoffensive hat, gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Wir wissen, dass 30 bis 45 Prozent des Produktionszuwachses in den EU-Staaten auf In­formations- und Kommunikationstechnologien zurückzuführen sind, wir wissen aus Wif­o-Studien, dass Investitionen in der Höhe von 100 Millionen € in diese modernen Kom­munikationstechnologien 1 300 Arbeitsplätze und damit Beschäftigte als Effekt nach sich ziehen, und deshalb ist es, denke ich, besonders wichtig, auch vor dem Hinter-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 84

grund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation, dass wir nicht nur das Schlagwort lie­fern: Aus der Krise eine Chance!, sondern wirklich mit einer gesetzlichen Regelung die Rahmenbedingungen für solch einen Entwicklungsschub schaffen.

Der zweite Grund dafür, warum diese Initiative wichtig ist – viele Rednerinnen und Redner haben das angesprochen –, ist der, dass sich der technische Lebenszyklus der Kupferrohre und Verkabelungen in Wirklichkeit dem Ende zuneigt und dass „auf der Höhe des technologischen Standards zu sein“ bedeutet, dass wir auf Glasfaser umrüs­ten sollten.

Mir ist dabei wichtig, dass wir Anstoßfinanzierungen sicherstellen, dass wir den gesetz­lichen Rahmen sicherstellen, dass sich solche Investitionen irgendwann für Telekom­munikationsunternehmen auch rechnen. Ich bin aber auch der Auffassung, dass das, wenn wir es ernst meinen mit der Erreichung der F&E-Quote – und ich kann Ihnen sa­gen, ich habe mit großem Engagement, tiefer Überzeugung und Leidenschaft für mehr Forschungsmittel gekämpft; wir haben auch ein Plus im Bereich der angewandten For­schung und Investitionen in diesem Bereich –, nicht nur von der öffentlichen Hand fi­nanziert werden kann; das sagt auch die Evaluierung im Forschungsbericht. Wir kön­nen da nur erfolgreich sein, wenn es ein Zusammenspiel zwischen der Wirtschaft, die Investitionen tätigt, und der öffentlichen Hand, die die Anreize und die gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft, gibt.

Dieser Entwurf, diese Initiative, die auf dem Tisch liegt und heute beschlossen werden soll, ist solch ein gesetzlicher Rahmen, der diese Investitionen mit Unterstützung der Wirtschaft bewirken soll.

Die Punkte, die in dieser Novelle enthalten sind, wurden bereits angesprochen. Es geht uns, wie gesagt, darum, Investitionsanreize zu schaffen, auch durch Berücksichtigung der möglichen Refinanzierungen und Risken bei diesen Infrastrukturinvestitionen, und die Verfahren zu beschleunigen.

Frau Abgeordnete Moser, ich weiß, da gibt es immer Für und Wider, aber ich denke, dass es wichtig ist, dass man schnell reagiert, dass nicht wieder viel Zeit ins Land zieht, weshalb mein Ressort höchste Anstrengungen unternimmt, um vor allem bei den Verwaltungsabläufen Beschleunigungen, Verfahrensbeschleunigungen, und eine Er­weiterung der Leitungs- und Mitbenützungsrechte zu erreichen.

Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die daran mitgewirkt haben. Wir haben mit dieser Novelle, wie gesagt, wirklich die große Chance, eine Technologieoffensive in einem wesentlichen Bereich zu starten, der für den Wirtschaftsstandort und für die Be­schäftigung in unserer Heimat wichtig ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.38


Präsident Fritz Neugebauer: Danke, Frau Bundesministerin.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fuhrmann. – Bitte.

 


13.39.02

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Nach 125 Jahren Kupfernetz bedeutet die Umstellung auf Glasfaser einerseits eine nachhal­tige technologische Änderung – das haben wir jetzt hinlänglich diskutiert und bespro­chen –, andererseits sollen aber auch Kosten gesenkt werden, und das ist ebenso wichtig, denn das eingesparte Geld können wir im Bereich der Forschung und Entwick­lung, in der Telekommunikation gut einsetzen, nämlich wenn es um eine Änderung der gängigen Praxis geht, dass oft mehrere Leitungen von unterschiedlichen Anbietern ne­beneinander gelegt werden, was jetzt ein Ende haben wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 85

Der Bundesregierung vorzuwerfen, sie würde für Forschung und Entwicklung kein Geld in die Hand nehmen und diesbezüglich auch keine Initiativen setzen, ist nicht ange­bracht, weil gerade die Diskussionen der letzten Zeit auch gezeigt haben, dass dieser Bereich von beiden Regierungsparteien sehr wohl in den Mittelpunkt gestellt worden ist.

Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu einer Zunahme des BIP; auch das ist Ihnen allen bekannt. Aus diesem Grund ist das auch eine Initiative, die im Endeffekt für mehr Beschäftigung und mehr Wohlstand in Österreich sorgt und auch deshalb von großer Bedeutung ist.

Der ländliche Raum ist ebenfalls bereits angesprochen worden. Ja, es stimmt, genau dieser liegt der ÖVP auch sehr am Herzen! Uns ist es wichtig, gerade den ländlichen Raum mit leistungsfähigen Bandbreiten zu versorgen, vor allem auch, wenn es darum geht, dadurch Investitionsanreize zu schaffen und positive Signale zu setzen für dezen­trale kleine und mittlere Unternehmen. Wie Sie wissen, ist ein hochwertiges Angebot an Kommunikationsinfrastruktur die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und auch für Wettbewerbsorientierung. Wenn wir wollen, dass kleinere und mittlere Betriebe auch im ländlichen Bereich Fuß fassen und ihren Standort halten können, ist dieser Ausbau von großer Bedeutung.

Ich möchte auch noch einmal auf Folgendes hinweisen – Kollegin Hakl hat dies bereits eingangs getan –: Wenn wir in Österreich von einer potenziellen Netzabdeckung von 98 Prozent sprechen, muss uns klar sein, dass der größte Teil davon die Bezeichnung „Breitband“ eigentlich nicht verdient, wenn wir wissen, dass ein durchschnittlicher ös­terreichischer Haushalt in etwa 20 Megabit benötigt und das Datenvolumen sich pro Jahr mittlerweile verdoppelt hat.

Daher gilt es hier durchaus, Politik mit Weitblick zu machen und zu überlegen, welche nachhaltigen Möglichkeiten wir in Zukunft schaffen werden. Ich denke, den Ausbau des leistungsfähigen Breitbandes zu diskutieren und als Notwendigkeit zu sehen, ist uns al­len bewusst. Welche Möglichkeiten dafür die sinnvolleren und die besten sind, wird sich in den Diskussionen zeigen.

Ich glaube, dass diese Novelle, die ja von allen Parteien mitgetragen wird, eine sehr gute ist. Dementsprechend gilt es, im Sinne der neuen Kommunikationstechnologien und auch zu deren Zukunftssicherung konstruktiv daran weiterzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


13.42.46

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Mit der heutigen Novelle zum Telekommunikationsgesetz ermöglichen wir einen Schub in Richtung Ausbau einer leistungsfähigeren, schnelleren und kostengünstige­ren Breitbandinfrastruktur. „Fiber to the home“ sollte auch in Österreich eine Zielset­zung sein. Wenn wir den Zielsetzungen der Informations- und Kommunikationsgesell­schaft nachkommen wollen, dann müssen wir der Notwendigkeit einer flächendecken­den, qualitativ hochwertigen Infrastruktur in diesem Bereich Rechnung tragen.

Im mobilen Breitband liegen wir an und für sich europaweit ziemlich an der Spitze. Wir alle wissen aber auch aus eigenem Gebrauch, dass das mobile Breitband vor allem dann, wenn es tatsächlich mobil in Verwendung ist – das heißt, wenn ich mich von A nach B bewege –, noch enorme Schwächen hat und tatsächlich einer qualitativen Ver­besserung unterzogen werden muss.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 86

Da sind, Kollegin Moser, meiner Ansicht nach nicht nur die Funkfrequenzen ein The­ma, sondern natürlich auch der gesundheitliche Aspekt, aber auch der Leistungsas­pekt, nämlich was die Kapazität, die Übertragungskapazität und die Übertragungsge­schwindigkeit anbelangt, und vor allem die Löcher, die wir überall noch immer finden.

Vor allem für Gebiete, in denen eine Wirtschaftlichkeit im Glasfaserbereich nicht gege­ben ist, werden wir auf diese Technologie trotzdem nicht ganz verzichten können. Wir werden da eine hoch qualitative Leistung benötigen. (Abg. Dr. Moser: Na, was ist Ih­nen lieber, ein Breitbandanschluss oder ein gesunder Schlaf?) Mir ist beides lieb, Frau Kollegin Moser! (Abg. Dr. Moser: Das geht nicht ...!) Daher muss man schauen, dass man die technologischen Möglichkeiten auch zur Risikominimierung nützt. Das werden wohl auch Sie verstehen, davon gehe ich aus.

Das gilt vor allem auch für die Chancengleichheit im ländlichen Raum. Darüber muss man sich schon Gedanken machen. Sie sind ja selbst Tourismussprecherin, Frau Kol­legin Moser. (Abg. Dr. Moser: Gerade für den Tourismus ...!) Der Tourismus spielt sich eben oft nicht in den Ballungszentren ab – da gibt es den Städtetourismus –, aber wir leben in einer wunderschönen Gegend, und der Tourismus lebt auch davon, dass wir in einer wunderschönen Gegend leben.

Für den Tourismus sind die Internet-Angebote immer wichtiger. Wir wissen, dass man heute einen entsprechenden Internet-Auftritt braucht, wenn man sich international prä­sentieren will. Man muss entsprechende Web-Packages machen, man braucht Ser­viceleistungen, Freizeitleistungen, die alle oder von denen viele heute Internet-basiert sind.

Daher begrüßen wir diese Novelle und hoffen, dass damit auch ein wichtiger Impuls in Richtung Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationsgesellschaft erfol­gen wird (Abg. Weinzinger: Ob das so gut ist?), zum Wohle der hier lebenden Men­schen und zum Wohle der Wirtschaft, damit auch die Menschen in Österreich an der wirtschaftlichen Weiterentwicklung positiv teilhaben können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Weinzinger: Ob das so gut ist?)

13.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dei­mek. – Bitte.

 


13.45.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir leben, wie heute schon öfters angemerkt, in der Zeit eines Technologiewechsels. Wir erleben live das Ende eines Lebenszyklus, nämlich je­nes der alten Technologie der Kupferkabel, und den vermehrten Einsatz von Breitband über Glasfaser. Das Ganze ist aus unserer Sicht volkswirtschaftlich unbedingt sinnvoll, und man sollte in diesem ganzen Technologiewechsel einen raschen Umstieg ermögli­chen.

Natürlich ist es erforderlich – und da folgen wir im Prinzip der Funktechnologie –, mög­lichst rasch Wege-, Leitungs- oder Nutzrechte mitbenutzen zu lassen. Dass das Ganze auch innerhalb und außerhalb des Telekommunikationssektors geschehen muss, ist klar, und zwar insofern, als wir uns mit digitalen Werten beschäftigen. Da ist alles – egal, ob ein Wert eine Datei, ein Bild oder was immer ist –, sobald es digitalisiert ist, ein Datum und kann dort rasch übermittelt werden.

Der Weg, wie wir all das halbwegs in sinnvolle Bahnen leiten wollen, ist die Regulie­rungsbehörde. Diese hat dort, wo es Probleme gibt, gemeinsam mit den beteiligten Partnern zu prüfen, ob etwas technisch machbar ist, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist und wie die ganze Situation zu bewerten ist.


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Zu beachten ist dabei aber vor allem, dass bei bereits getätigten Investitionen, die zum Beispiel in verschiedenen Gebieten von den Gemeinden durchgeführt wurden, auf je­den Fall auf den Werterhalt dieser Investitionen geachtet werden muss und dass man es, sozusagen als Gegenpol, gleichzeitig vermeiden muss, eine Marktmachtzentrie­rung zu erhalten und damit der Spekulation Tür und Tor zu öffnen.

Ich möchte in meiner Rede ein bisschen auch den kritischen Teil des Gesetzes be­trachten, und zwar frei nach Fichtenbauer: Es ist die edelste Pflicht der Opposition, Kri­tik zu üben.

Ein Teil, der das Procedere anlangt, ist, dass das Ganze nicht als Regierungsvorlage, sondern als Initiativantrag gekommen ist. Damit hat man sich, bewusst oder unbe­wusst, eine längere Begutachtungsperiode erspart. Es gibt auch zum Beispiel von der ISPA, den Internet-Providern, eine etwas kritischere Stellungnahme.

Des Weiteren ist diese Thematik nicht unbedingt so neu. Kollege Gartlehner hat in einer Presseaussendung selbst gesagt: Das bestehende Gesetz ist alt und längst über­holt, und es war dringender Handlungsbedarf gegeben. – Gut, wenn es so alt ist, dann hätte man verschiedene andere Sachen gleich noch mit einfließen lassen können, und die Begutachtung wäre dann nur das tolle Add-on gewesen.

Wünschen würden wir uns zusätzlich noch zum Beispiel Bürgerrechte, wie sie vor al­lem im Bereich der Funkanlagen abgehen.

Zusammenfassend sei gesagt: Wirklich rasch und günstig ist es, wenn wir diesen Technologiewechsel schaffen. Hoffen wir, dass es ein Schub für die neuen Technolo­gien ist, hoffen wir, dass es ein Schub für weitere, zusätzliche Arbeitsplätze ist! – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


13.49.16

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Im Telekommunikationsbereich müssen nachhaltige technologische Ände­rungen vorgenommen werden, um dem ständig steigenden Bedarf an schneller Über­tragung großer Datenmengen gerecht zu werden. Die EU-Kommission, die mit finan­ziellen Anreizen für große Telekommunikationsfirmen den Ausbau von Glasfasernet­zen fördert, möchte für einheitliche Vorschriften zur Telekommunikation in allen 27 Mit­gliedstaaten sorgen.

Gerade für unseren Wirtschaftsstandort Österreich ist es sehr wichtig, eine leistungsfä­hige Infrastruktur für den Telekommunikationsbereich zu haben. Der Ausbau der Breit­bandnetze ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, auch in Zukunft im Wettbe­werb mit in- und ausländischen Unternehmen bestehen zu können.

Zahlreiche Internet-Anwendungen verlangen eine immer größere Bandbreite. Da den­ke ich nicht nur an spezielle Firmen, die riesige Datenmengen verschicken, sondern auch an die Oma, die mit ihren weit entfernt wohnenden Enkelkindern am Bildschirm über Skype kommuniziert. Der Durchschnittsverbraucher hat einen Internet-Zugang mit 2 Megabit pro Sekunde, der den heutigen Anforderungen bei Weitem nicht mehr ge­recht wird.

Im internationalen Vergleich hinkt Österreich bei schnellen Internet-Anschlüssen noch hinterher. Außerdem gibt es noch immer weiße Flecken in unserem Land, die nicht mit Breitband versorgt sind. Das gilt vor allem für den ländlichen Bereich. Gerade dieser ländliche Raum muss heute ein wettbewerbsfähiger Lebens-, Arbeits- und Wirtschafts­standort sein. Um diesen Status weiterhin zu erhalten beziehungsweise zu forcieren, ist eine hoch entwickelte Technologie notwendig. Vorrangig ist eben der Ausbau von neuen Glasfasernetzen samt IP-Technologie bis in die einzelnen Haushalte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 88

In den letzten Jahren wurden bereits erhebliche Vorleistungen erbracht, damit Öster­reich ein modernes Breitband-Glasfaser-Basisnetz aufbauen kann. Ich möchte ein Bei­spiel aus Vorarlberg nennen. Die Gemeinde Blons, eine Kleingemeinde im Walsertal, hat schon im Jahr 2000 auf eigene Kosten Leerverrohrungen verlegt, um dann für die gesamte Siedlung Glasfasern einzublasen – ein Modell beziehungsweise ein Projekt, das Nachahmer finden sollte!

Ich denke, gerade die Vorteile im ländlichen Raum liegen auf der Hand. Der Arbeits­markt hat größere Einzugsgebiete, es gibt eine Zeitersparnis, es gibt die Vermeidung von Verkehr, es gibt einen Standortvorteil, beziehungsweise der Standortnachteil im ländlichen Bereich wird dadurch wettgemacht.

Österreichweit muss nun das Breitband-Glasfaser-Netz ausgebaut werden. Die Glasfa­ser-Technologie ist mit Abstand das leistungsstärkste und schnellste System. Aufgra­ben und zuschütten, und das immer wieder, macht volkswirtschaftlich tatsächlich kei­nen Sinn. Deshalb ist dieses Gesetz zu begrüßen, da es unbürokratische Möglichkei­ten zur Leitungsnutzung schafft. (Beifall bei der ÖVP.)

13.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


13.53.00

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Geschätzte Damen und Herren! Digitale Medien erfordern robustes Breitband. Die vollständige Digitalisierung der Medienlandschaft setzt nachhaltige Investitionen in die bestehende Breitbandinfrastruktur voraus. Vor allem moderne Internetdienste wie Video-on-Demand oder TV-Streaming in HD-Qualität führen dazu, dass das durch­schnittliche Download-Volumen stark steigen wird.

Diese Dienste werden die Netze ungleich stärker auslasten. Studien sprechen derzeit davon, dass in Zukunft für einen Internet-Haushalt Übertragsraten von 80 Megabit pro Sekunde bereitgestellt werden müssen. Da so enorme Bedürfnisse leistungsfähige Breitbandleitungen voraussetzen, kann dies nur mit neuen Technologien, etwa der Ver­legung von Glasfasernetzen, wie heute schon des Öfteren erwähnt wurde, bewerkstel­ligt werden.

Österreich hat im internationalen Vergleich, wie bereits meine Vorredner ausgeführt haben und wie auch ein EU-Vergleich zeigt, beim Festnetz-Breitband-Internet den An­schluss verloren und liegt somit unter dem OECD-Durchschnitt. Die bestehenden Kup­fernetze sind am Ende ihres technischen und wirtschaftlichen Lebenszyklus. Ein Aus- und Umbau mit neuen Technologien ist daher rasch umzusetzen.

Hochgeschwindigkeits-Breitband ist eine grundlegende Voraussetzung für innovative Internet-Technologie, schafft Wertschöpfung und ist daher ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Entwicklung. Zusätzlich vermindert die flächendeckende Versorgung mit Breitbandinfrastruktur die Spaltung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten und ermöglicht es Betrieben im ländlichen Bereich, Anschluss an die globale Wirtschaft zu erlangen.

Geschätzte Damen und Herren! Der Frau Bundesministerin ist es gelungen, eine No­velle des Telekommunikationsgesetzes vorzubereiten, die auch von den Fachleuten und Netzbetreibern als zukunftsweisender, positiver Kompromiss anerkannt wird. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass vor allem auch der Ausbau in den ländlichen Regionen weiter forciert wird.

Die Investitionen ins Breitband bringen laut Wifo-Berechnungen eine deutliche Konjunk­turbelebung mit sich. Laut Arbeiterkammer könnten mit einer Investition von 100 Millio­nen € rund 1 300 Menschen in Beschäftigung gehalten werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 89

Meine Damen und Herren, das Informationsaufkommen und analog dazu der Daten­transfer wachsen unaufhörlich. Wirtschaft, Werbetreibende, wirtschaftliche und private User fordern höhere Bandbreiten und höhere Geschwindigkeiten im Internet. Mit dieser Novelle sind die Grundlagen dafür geschaffen.

Ich darf abschließend folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hakl, Ing. Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 652/A der Abgeordneten Mag. Karin Hakl, Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) geändert wird (212 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem oben genannten Bericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geän­dert:

1. Nach Z 4 wird nachstehende Z 4a eingefügt:

„4a. In § 5 Abs. 4 Z 2 lit. c wird nach dem Ausdruck „§ 8 Abs. 1“ der Ausdruck „oder § 8 Abs. 1a“ eingefügt.“

2. In Z 20 lautet der vorletzte Satz des § 42 Abs. 2:

„Die Regulierungsbehörde kann von einem Unternehmen mit beträchtlicher Markt­macht die umfassende Rechtfertigung seiner Entgelte verlangen und gegebenenfalls deren Anpassung anordnen.“

Begründung:

Diese Abänderung führt zur Schließung einer unsachlichen Lücke und zu einer redak­tionellen Änderung (einfügen eines fehlenden Verbs).

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.57


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Abänderungsantrag wird mit verhan­delt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


13.57.45

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Leistungsfähiges Breitband-Internet ist nicht nur etwas für die Ballungsräume. Gerade im ländlichen Raum ist der Ausbau und die Investition in diese leistungsfähige Kommunikationsschiene enorm wichtig, um konkurrenzfähig zu sein und um als Stand­ort für Betriebe und Firmen attraktiv zu sein.

Das benötigte Datenvolumen summiert sich sogar in einem ganz normalen Haushalt rasant. Allein wenn man den Bedarf für E-Mail, für Online-Portale, für Fernsehen, für YouTube und dergleichen heranzieht, wird man schnell feststellen, dass die vorhande­ne Kupferverkabelung an ihrer Leistungsgrenze angekommen ist. Selbst ich muss mir von meinem elfjährigen Sohn erklären lassen, dass sowieso und überhaupt alles viel zu langsam geht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)


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Glasfasernetze sind um ein Vielfaches leistungsfähiger und sollen so schnell wie mög­lich installiert werden. Die Novelle soll den volkswirtschaftlich so wichtigen Ausbau des Glasfasernetzes beschleunigen und die Mittel, die zur Verfügung stehen, optimal ein­setzen.

Vorhandene Infrastruktur soll, was Kanäle, Schächte und Verrohrungen betrifft, genutzt werden dürfen, um einerseits Kosten zu sparen, aber auch, um die Ausbaugeschwin­digkeit zu erhöhen. Das heißt, endlich ist auch Schluss mit dem unsinnigen Grabungs­wahnsinn! Wir kennen die Situation, dass ganze Straßenzüge oft mehrmals auf- und zugegraben worden sind, um neue Leitungen zu verlegen, und das, obwohl vielleicht nebenan ein Leerrohr verlaufen ist.

Hat eine Gemeinde auf diesem Gebiet bereits Vorleistungen erbracht, so sollen auch diese abgegolten werden. Für sinnvoll halte ich auch die Straffung der notwendigen Verfahren, wenn es um die Einräumung von Nutzungs- und Mitnutzungsrechten geht, wobei sich die mögliche Einspruchsdauer für die Belasteten nicht geändert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Regelungen für die gemeinsamen Nutzungs­rechte und Pflichten für Netzbetreiber und Inhaber waren schon lange überfällig und werden jetzt in diesem Bundesgesetz klar geregelt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Auer. – Bitte. (Abg. Mag. Josef Auer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Jawohl, Josef Auer, nicht Jakob! Ich weiß nicht, ob wir verwandt sind!)

 


14.00.15

Abgeordneter Mag. Josef Auer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Minis­ter! Geschätzte Damen und Herren, auch auf den Rängen! Ich denke, die heute zu be­schließende Novelle des Telekommunikationsgesetzes kann man, wenn man sich an­gehört hat, was im Ausschuss und auch heute im Plenum gesagt wurde, auch in politi­scher Hinsicht sicherlich als Breitbandlösung bezeichnen. (Präsident Dr. Graf über­nimmt den Vorsitz.)

Frau Minister, ich denke, man kann aufgrund dieser Akzeptanz in Summe sagen, dass es sich dabei um ein pures – beziehungsweise Bures – breites Band an Vorteilen han­delt. Es ist insgesamt – trotz der hohen Geschwindigkeit, die von der Opposition natür­lich bekrittelt wurde – ein sehr gut kommuniziertes Telekommunikationsgesetz.

Diese rasche Umsetzung der Novelle ist natürlich aus mehreren Gesichtspunkten not­wendig. Zum Teil sind schon Zahlen angeklungen. Wenn man sich anschaut, wie wir im EU-Durchschnitt liegen, wird einem klar, dass wir auf alle Fälle absoluten Aufholbe­darf haben, was zum Beispiel die Breitbandanschlüsse bezogen auf die Bevölkerungs­anzahl anbelangt. Wir liegen mit 21,5 Prozent sogar knapp unter dem EU-Durch­schnitt und weit hinter dem Spitzenreiter Dänemark, der einen Prozentsatz von 37 Pro­zent aufweist.

Ich denke, das Argument Wirtschaftskrise muss man in diesem Zusammenhang auf al­le Fälle erwähnen. Wir alle wissen, dass wir die Weltwirtschaftskrise noch überhaupt nicht überstanden haben; und unsere Frau Minister weiß, dass eine gute Hilfe nur dann gegeben ist, wenn es eben eine rasche Hilfe ist.

Unsere Partei, die SPÖ, hat sich immer dazu bekannt, dass wir eine Politik machen, die letzten Endes der Schaffung von Arbeitsplätzen dient. In den Budgetverhandlungen hat unsere Frau Minister Bures einen klaren Schwerpunkt auf Investitionen in die Zu­kunft und in die Stärkung des Wissensstandortes gelegt. Jetzt ist sie eben dabei, das abzuarbeiten und heute ist ein Mosaikstein in diese Richtung gegeben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 91

Wir alle wissen, dass wir in Österreich sowohl mittelfristig als auch vor allem langfristig Arbeitsplätze nur dann fördern und schaffen können, wenn wir auch ganz stark in wis­sensorientierte Arbeitsplätze investieren. Denn schon heute ist es so, dass die Gefahr, arbeitslos zu werden, natürlich viel größer ist, wenn man einen niedrigen Ausbildungs­grad hat, als wenn man einen höheren Ausbildungsgrad hat.

Das wird sich in Zukunft noch verstärken, so wie sich auch die Weiterleitung, was Kom­munikation beziehungsweise den Datentransfer anbelangt, in Zukunft verstärken wird.

Unter dem Strich möchte ich mich bei dir, liebe Frau Minister, ganz, ganz herzlich be­danken. Wir alle haben nicht nur das Gefühl, sondern wir wissen, dass du auf dem richtigen Weg bist, dass du auf Schiene bist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Steibl. – Abg. Mag. Josef Auer dreht sich zur Regierungsbank um und reicht Bundesministerin Bures die Hand.)

14.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Höfinger. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.03.48

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Geschätzter Herr Bundesminister auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von der öffentlichen Hand sind natürlich ständig gefordert, Ent­wicklungen voranzutreiben und die Infrastruktur auszubauen. Dazu gehört auch ein funktionierendes Datennetz. Dieses muss in Zeiten wie diesen über hohe Kapazitäten verfügen und mit modernen Technologien wie Netz- und Glasfaserkabeln, aber natür­lich auch den dazugehörigen Relais- und Digitalstationen ausgestattet sein.

In diesem Gesetz geht es darum, dass diese neuen Technologien verstärkt genutzt und eingesetzt werden können – auch in bestehenden Verrohrungen beziehungsweise in Leerverrohrungen – und dass der Zugang und die Mitbenutzung von allen Telekom­munikationsanbietern leichter und besser möglich sein wird.

Denn: Wir wollen und müssen auch für die Zukunft Chancen geben. Dabei geht es ers­tens um Chancen für den Einzelnen, wenn es darum geht, Wissen zu transportieren. Der Transport von Wissen dient dazu, sich weiterzubilden und Informationen zu erhal­ten, aber natürlich auch dem Unterhaltungs- und Kommunikationssektor.

Zweitens geht es auch darum, unseren Betrieben beziehungsweise Firmen Chancen zu geben  natürlich verstärkt in Ballungsräumen, das ist klar, aber auch in den ländli­chen Regionen, in jenen Räumen, wo wir noch keine Infrastruktur im diesem Sinne ha­ben. Daher muss es auch für diese Betriebe, für diese Firmen, oft kleinere und mittlere Unternehmen, diese Chancen geben, um ihre Arbeitsplätze zu sichern und diesen Wirtschaftsstandort auch in Zukunft halten zu können! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke vor allem den Bürgermeistern aus den ländlichen Regionen, die jetzt ge­klatscht haben; Sie wissen, wovon ich spreche. (Beifall des Abg. Dr. Bartenstein.) Ich denke, sehr geehrte Damen und Herren, es ist höchste Zeit, dass wir gemeinsam die­sen Schritt setzen. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Telekommunikationsgesetz ein wesentlicher Beitrag dazu sein wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Bartenstein: Die Bürgermeister sind die besten Politiker! – Abg. Mag. Gaßner: In Niederösterreich seid ihr nicht so erfolgreich gewesen!)

14.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kirchgatterer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 92

14.06.03

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Bundesminis­ter! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Wirtschaftsimpulse zu setzen, ist gut; Wirt­schaftsimpulse in dieser Zeit zu setzen, ist doppelt gut – noch dazu, wenn es sich um kein Strohfeuer handelt, sondern der Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig verbes­sert, gestärkt und international attraktiver gestaltet wird.

Laut Prognosen soll die von dieser vorliegenden Novelle ausgehende Ankurbelung der Beschäftigung beachtlich sein und – das ist besonders hervorzuheben – breit gestreut im ganzen Bundesgebiet erfolgen. Neue Glasfasernetze und die Umrüstung der beste­henden Kupfernetze entsprechen absehbaren Entwicklungen.

Die Nutzung der vorhandenen Rohrleitungen und Verkabelungen bewirkt eine Beschleu­nigung der Verfahren, kürzere Fristen werden umgesetzt. Das bringt große Vorteile und wird sich positiv auswirken. Der Breitbandkataster wurde schon angesprochen.
Die neuen Regelungen sind wettbewerbskonform, ermöglichen allen Anbietern neue Chancen.

Erinnern möchte ich an die Internetoffensive des Bundeskanzleramtes 2008. Meine Damen und Herren, als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt meiner Fraktion möchte ich unserer Bundesministerin, aber auch der Abgeordneten Mag. Karin Hakl und Ing. Kurt Gartlehner für ihr dafür eingebrachtes Engagement danken. (Abg. Mag. Gaßner: Sind beide nicht da!)

Die aktive Wirtschaftspolitik in den Regionen, aber auch im Bund, sind uns ein wichti­ges Anliegen. Zukunftsorientierte Infrastrukturinvestitionen schaffen die Voraussetzun­gen für eine positive Weiterentwicklung.

Ich möchte noch ein Wort zur Diskussion anbringen. Ich bin sehr erfreut darüber, dass sich Kollege Ing. Höbart klar für einen modernen Datenschutz ausspricht. Auch darü­ber wird man in Zukunft reden müssen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.08.35

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das neue Telekommunikationsgesetz soll eine bessere, schnellere und kostengünstigere Breitbandinfrastruktur ermöglichen. Bereits bestehende Infrastruktureinrichtungen sol­len anderen Nutzern im Bereich der Telekommunikation zur Verfügung stehen.

Für diese Nutzung ist eine angemessene Abgeltung vorgesehen. Im Falle der Nicht­einigung zwischen Bewerber und Inhaber ist die Regulierungsbehörde zur Entschei­dung berufen. Gerade in Krisenzeiten ist es notwendig, in die Infrastruktur für Unter­nehmen und Private zu investieren. Investitionen in die Telekommunikation sind Zu­kunftsinvestitionen, die den Arbeitsplatzstandort Österreich attraktiv erhalten.

Die Anzahl der Breitbandanschlüsse bezogen auf die Bevölkerungsanzahl liegt in Ös­terreich leider unter dem EU-Durchschnitt. Es besteht daher Handlungsbedarf. Wir ha­ben vor allem im ländlichen Raum große Defizite: Hier führen hohe Anlagekosten in Bezug auf niedrigere Einwohnerzahlen – gegenüber Ballungszentren – natürlich zu De­fiziten bei den Betreibern.

Das neue Telekommunikationsgesetz ermöglicht es, dass sowohl Wirtschaft als auch Haushalte mit einem leistungsfähigeren, schnelleren, kostengünstigeren Breitbandnetz versorgt werden. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz werden Errichtungsver-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 93

fahren beschleunigt, Synergien durch Nutzung schon bestehender Verkabelungen be­ziehungsweise Verrohrungen generell und damit Anreize zum Investieren geschaffen.

Es macht besondere Freude, sozusagen intelligente Gesetze zu beschließen, die auch bei der Bevölkerung ankommen. In Zukunft wird diese verstärkte Mitbenützung bereits bestehender Verrohrungen die sinnlose Graberei eindämmen. Es wird nicht mehr eine Firma Verlegearbeiten durchführen und danach, wenn die Straße wieder geschlossen ist, die nächste Firma kommen und diese wieder aufgraben.

Wir haben aber auch Zustimmung bei den Anbieterfirmen. Die geplante Novelle zum Telekommunikationsgesetz stößt sowohl bei der Telekom Austria als auch bei den Mit­bewerbern auf starke Zustimmung. Man werde noch heuer die ersten Glasfaserpilot­projekte in Betrieb nehmen, heißt es vonseiten der Telekom Austria. Die Interessenver­einigung ISPA – Internet Service Providers Austria – begrüßt ebenfalls den erleichter­ten Infrastrukturzugang als Schritt in die richtige Richtung.

Nun gilt es, diese Erfolge weiterzuentwickeln und als nächstes Ziel – die Nutzung der digitalen Dividende, in Anlehnung an das erfolgreiche deutsche Modell – den Breit­bandausbau vor allem im ländlichen Raum zu entwickeln und voranzutreiben, um hier Gleichberechtigung der Regionen herzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit der be­nachteiligten Gebiete entscheidend zu verbessern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Matznetter.)

14.11

14.11.30

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 212 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Hakl, Ing. Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen vor, der sich auf die Einführung einer neuen Z 4a sowie auf eine Änderung der Z 20 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Hakl, Ing. Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Be­jahung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Erhöhung der For­schungs- und Entwicklungsquote von 3 Prozent sowie der Mittel für den FWF und die FFG.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

14.13.253. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 656/A(E) der Abgeordneten Maximilian Linder, Heidrun Silhavy, Franz Hörl, Mag. Roman Haider, Dr. Gabriela


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 94

Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Tourismusförde­rungen sowie Prüfung der Erhöhung der Mitgliedsbeiträge der Österreich Wer­bung (226 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nunmehr zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hörl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.14.05

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Hohes Haus! „Nichts bleibt, wie es war“, sagt der Tourismusforscher Peter Zellmann und behauptet, dass sich die Tourismusexperten einig sind, dass „der Tourismus den möglichen Rückgang noch vor sich hat“ und dass „das Ausmaß dieses wahrscheinlichen Einbruchs niemand wirklich voraussagen“ kann.

Alleine die Verwendung der Beiwörter „wahrscheinlich“ und „möglich“ zeigt, dass die sogenannten Experten ähnlich den Finanzexperten nicht wissen oder jedenfalls erst dann etwas genau sagen können, wenn es bereits passiert ist – dies dann allerdings besser begründen können.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Als ein über drei Jahrzehnte lang erfahrener Wirt, Unternehmer und Bürgermeister ist mir klar, dass die dramatischen Auswirkungen dieser Weltwirtschaftskrise auch am Tourismus nicht spurlos vorübergehen werden. Beispielsweise können Sie heute der Zeitung „Die Presse“ entnehmen, dass laut Kar­masin Motivforschung 58 Prozent ihr Reiseverhalten ändern werden und dass die Ös­terreichische Hoteliervereinigung für 70 Prozent der Betriebe mit Rückgängen rechnet.

In den Städten spüren wir das ja bereits, aber anders als viele Experten starre ich nicht in die Augen der Schlange und warte auf das Unfassbare, sondern freue mich über das Erreichte – und das ist gewaltig.

Die Tourismuswirtschaft ist bis heute einer der wichtigsten und wachstumsstärksten Wirtschaftszweige und damit eine bedeutende Haupteinnahmequelle für Österreich. Im Jahr 2008 wurde mit 32,6 Millionen Ankünften ein noch nie erreichter Höchstwert mar­kiert. Ferner wurden 126,7 Millionen Nächtigungen erzielt. Der Wertschöpfungsanteil am BIP betrug 9 beziehungsweise 16,1 Prozent. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft spiegelt sich auch in den Beschäftigungseffekten wider: Der direkte und indirekte Beitrag des Tourismus zur Gesamtbeschäftigung lag bei 12,1 Prozent aller Erwerbstätigen.

Die Entwicklung der Tourismuszahlen war in den letzten Jahren durchaus positiv. Im vergangenen Sommer gab es 17,3 Millionen Ankünfte, ein Plus von 3,8. Bei den Som­merumsätzen gab es laut Wifo ein Rekordergebnis, eine Steigerung von 6,1 auf sagen­hafte 10,55 Milliarden €. Der vergangene Winter war immerhin der zweitbeste nach Nächtigungen und Ankünften und der beste nach Tourismusumsätzen in der Ge­schichte Österreichs – wie überhaupt der Tourismus jene Branche ist, die die größte Wohlstandsverteilung in die Landschaft Österreichs bringt. Jeder Euro, der im Touris­mus verdient wird, bringt weitere drei in der lokalen Wirtschaft. So kann man mit Fug und Recht jeden fünften Arbeitsplatz dem Tourismus zuordnen.

Im Tourismus sind, wie wir ja auf dem vorgestrigen Arbeitsmarktgipfel von Bundesmi­nister Hundstorfer wieder erfahren haben, 181 000 Männer – und hauptsächlich Frau­en beschäftigt. Er leistet für den Berufseinstieg mit 11 Prozent aller Lehrlinge Gewalti­ges. 14 000, fast 15 000 junge Menschen werden hier in das Berufsleben eingeführt. Darüber hinaus sind unsere Tourismusschulen international anerkannt.

Insgesamt sind hier aber noch 400 Lehrstellen unbesetzt. Vorgestern wurde wieder be­stätigt, dass bei den beim AMS am stärksten nachgefragten Berufen der Tourismus un-


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ter den Top Ten liegt. Auf einen Koch kommen eineinhalb offene Stellen, bei Kellnern sind es sogar zweieinhalb. Mit Qualifizierungsmaßnahmen und der Attraktivierung der Arbeitsplätze, etwa durch den Bau moderner Unterkünfte, wird hier gegengesteuert.

Wir kommen aber trotz der Krise am Arbeitsmarkt nicht umhin, Arbeitskräfte aus ande­ren Ländern hereinzuholen. Ein arbeitslos gewordener Industriearbeiter ist eben nicht sofort willens, im Tourismus zu arbeiten. Dass er nicht in die Küche gehen will, verste­he ich sogar, aber dass zum Beispiel Betriebselektriker aus Industrieunternehmungen im Inntal, die arbeitslos geworden sind, im vergangenen Winter nicht bereit waren, in Bergstationen unserer Seilbahnen – mit einem herrlichen Panorama der Zillertaler Ber­ge – zu arbeiten, löst bei mir nur verwunderndes Kopfschütteln aus.

Wenn Sie, Frau Abgeordnete Schatz – sie ist nicht hier –, zum wiederholten Male die schlechte Bezahlung aufzeigen – Kollege Obernosterer ist heute schon darauf einge­gangen – und von einem geringen Bruttojahreseinkommen von 9 737 € sprechen, dann leben Sie entweder in einer anderen, wohl gift-rot-grünen Welt oder haben in Rechnen einen Fünfer. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Langsam! – Heiterkeit.)

In meiner Welt haben Küchenchefs 6 000 € brutto, Lehrlinge im 4. Lehrjahr 778 €, dort gibt es einen Mindestlohn von 1 300 € im Tourismus. Wir brauchen also auch Mitarbei­ter aus Drittländern. In den tourismusintensiven Zentren des Landes schaffen sie die Anforderung der Saisonarbeit mit der geringen Bevölkerung nicht! Beispielsweise brauchen wir auch für Skischulen, für 300 000 Nächtigungen mit russischen Gästen russischsprachige Skilehrer – eigentlich einleuchtend. In der letzten Wintersaison blie­ben alleine in Tirol 1 200 Arbeitsplätze unbesetzt.

Noch ein Exkurs zu Arbeitsplätzen und Investitionen: In der Seilbahnbehörde im Ver­kehrsministerium liegen derzeit – ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen – 31 Projekte im Gegenwert von 10 Millionen € pro Projekt, also rund 300 Millionen €, die sofort losgetreten würden und beschäftigungsrelevant wären, wenn wir dort die Behör­de ordentlich besetzen und zwei Juristen mehr anstellen könnten.

Wir stehen auf einem guten Fundament und haben aus meiner Sicht für die kommende Entwicklung, soweit es dem Staat möglich ist, gut vorgesorgt. Die Maßnahmen der Konjunkturpakete helfen ja auch Betrieben in dieser Branche. Mit der Steuerreform ha­ben wir einerseits die Familien gestärkt und damit Kaufkraft geschaffen, die auch Ur­laubsentscheidungen erleichtern wird, und andererseits den viel kleineren Personenbe­trieben die große Steuerlast erleichtert.

In der letzten Sitzung des Tourismusausschusses haben wir auch von den Erfolgen der hervorragend arbeitenden Förderbanken gehört. Da freue ich mich, dass die Förderan­suchen nicht zurückgegangen sind – ein deutliches Zeichen: es wird gebaut.

Natürlich müssen wir international und national um Marktanteile, um jeden Gast kämp­fen. Eine Erhöhung der Finanzmittel für die Österreich Werbung ist ebenso notwendig und wünschenswert wie die Bündelung dieser über Länder, Tourismusverbände und Betriebe verstreuten Werbegelder. Auch hier wurde mit der Österreich-Initiative und den verstärkten Anstrengungen in den Nahmärkten, insbesondere in Deutschland, ein richtiges Zeichen gesetzt. Wichtig ist auch, dass inzwischen die neun Bundesländer und die Österreich Werbung, die sogenannte „Allianz der Zehn“ an einem Strang zie­hen und gemeinsam Österreich bewerben.

Wir sind gut aufgestellt, und ich denke, wir sollten in dieser Zeit unsere Schwächen analysieren und versuchen, diese zu beseitigen oder zu reduzieren. Wir sollten unsere Stärken betonen und ausbauen und vor allem mit Mut, Tatkraft und Freude den He­rausforderungen dieser Zeit entgegenkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.20



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 96

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sil­havy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


14.20.41

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Auswir­kungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Tourismusbranche haben wir in der letzten Ausschusssitzung ausführlich beraten. Kollege Hörl hat recht, wenn er von Wahrscheinlichkeiten redet, weil die Entwicklung des Arbeitsmarktes, die Entwicklung der Einkommen und die Entwicklung der Arbeitsmärkte in den Nachbarländern einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Tourismus in Österreich haben, und daher sind viele unsichere Faktoren vorhanden.

Deshalb war es ein wesentlicher Schritt, dass in der ersten Phase bereits eine Steuer­entlastung für die heimische Bevölkerung erfolgt ist – das Familienpaket –, das auch dazu beiträgt, dass sich Familien hoffentlich auch weiterhin einen Urlaub, und vor allem einen Urlaub in unserem schönen Österreich, leisten können und wollen.

Die Bedeutung der Branche ist aber auch gerade für die Beschäftigungslage ein we­sentlicher Faktor. Wir haben derzeit in Österreich die gute Situation, dass die Beschäf­tigungslage stabil ist. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise 11 Prozent aller in Österreich ausgebildeten Lehrlinge in der Tourismus- und Freizeitbranche ausgebildet.

Trotz alledem, das war auch das Thema der Ausschussberatungen, müssen wir uns bewusst sein, dass zeitversetzt, aber dennoch die Branche nicht ganz von den negati­ven Auswirkungen der Krise verschont bleibt. Daher haben wir auch festgestellt, dass es notwendig ist, weitere Maßnahmen zu setzen.

Herr Bundesminister Mitterlehner – ich habe mich bei ihm schon letztes Mal bedankt – hat sehr schnell reagiert, indem er die langjährige Forderung nach Aufstockung der Ös­terreich Werbung zwar nicht um den Betrag, der gefordert wurde, aber trotzdem um 4 Millionen € rechtzeitig und frühzeitig in Angriff genommen hat, und dadurch die Ös­terreich Werbung die Möglichkeit bekommen hat, vor allem auf Nahmärkten intensiv zu werben, was alle, wenn sie Plakate anschauen, auch wahrnehmen können.

Wichtig erscheint mir auch – und das ist ein Punkt, mit dem wir uns weiterhin befassen müssen –, dass trotz einer positiven Entwicklung der Eigenkapitalausstattung die Eigenkapitalausstattung der Betriebe in diesem Bereich auf einem sehr niedrigen Ni­veau ist. Das heißt, auch hier sind wir gefordert, aktiv weitere Überlegungen anzustel­len, damit diese Eigenkapitalausstattung tatsächlich besser wird.

In diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung der ÖHT sehr wichtig, wenn wir uns überlegen, dass 60 Prozent der Fördermittel dem heimischen Gewerbe in der näheren Umgebung zugute kommen und 96 Prozent der Förderfälle in Wirklichkeit Kleinbetriebe sind. Das bedeutet, die Möglichkeiten, die wir in dieser Branche finden, sind Möglich­keiten, die vor allem der regionalen Wirtschaft, vor allem auch der Wirtschaft vor Ort zugute kommen und die natürlich dem ländlichen Raum, der ländlichen Entwicklung eine neue Perspektive geben. Eine Perspektive, die oftmals besonders dadurch ge­kennzeichnet ist, dass andere Arbeitsplätze in diesen Regionen nicht vorhanden sind, und daher dort die Tourismus- und Freizeitwirtschaft eine ganz besondere Bedeutung für die Lebensqualität der Menschen hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Haider. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.24.03

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Fast wäre man versucht, wenn man sich diesen Entschlie-


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ßungsantrag anschaut, zu sagen: Berge haben gekreißt und ein Mäuslein ward gebo­ren, denn von der Grundintention dieses Antrages ist dank der ÖVP, lieber Kollege Hörl, nicht viel übrig geblieben. Jetzt haben wir uns zumindest darauf geeinigt, dass der Herr Minister aufgefordert wird, zu überprüfen, ob es vielleicht notwendig wäre, dass man die Österreich Werbung und überhaupt den Tourismus ein bisschen mehr fördert. Aktuelle Zahlen gibt es aber auch jetzt schon, da brauche ich nicht bis zum Herbst zu warten, um zu überprüfen.

Wie notwendig die stärkere Bewerbung Österreichs ist, zeigen genau die aktuellen Zahlen, Franz Hörl, die du vorhin schon genannt hast – die Karmasin-Umfrage: 6 Pro­zent der Österreicher und 7 Prozent der Deutschen wollen ihren Urlaub streichen. – 6 Prozent Rückgang ist in der Realwirtschaft eine Katastrophe!

12 Prozent der Deutschen und 15 Prozent der Österreicher wollen den Urlaub kürzen, 29 Prozent der Österreicher und 21 Prozent der Deutschen wollen verstärkt Billigange­bote nützen, 20 Prozent der Österreicher und 16 Prozent der Deutschen suchen über­haupt billigere Unterkünfte. Es ist notwendig, dass wir eine Werbeoffensive für unseren österreichischen Tourismus starten!

Diese Rückgänge in der Tourismuswirtschaft wirken sich natürlich auch auf die Investi­tionstätigkeit aus. 46 Prozent der Hoteliers wollen Investitionen kürzen oder streichen. Das Problem dabei ist, dass 80 Prozent dieser Investitionen in der Region verbleiben würden. Das heißt, jeder Arbeitsplatz im Tourismus erhält zwei Arbeitsplätze in der restlichen Gesamtwirtschaft.

Wenn im Tourismus die Investitionen um 46 Prozent zurückgehen, dann sind das er­schreckende Zahlen für die Gesamtwirtschaft. Da ist es wirklich ganz besonders not­wendig, Herr Bundesminister – jetzt spreche ich das Bankenpaket an –, dass man die Banken anhält, Kredite an jene Betriebe, die noch investieren wollen, auch wirklich zu vergeben. Denn wir wissen seit spätestens voriger Woche aus dem Tourismus-Aus­schuss, in dem die Geschäftsführer der Tourismusbank uns die Information gegeben haben, dass sie 40 Prozent Anstieg bei den Haftungsübernahmen haben. Das heißt, jetzt zitiere ich Herrn Dr. Hartl von der Tourismusbank wörtlich: Die Banken ziehen sich wärmer an. Die Banken verlangen mehr Sicherheiten, verlangen mehr Haftungsüber­nahmen. – Wie gesagt, Tourismusbank 40 Prozent Steigerungen. Das verteuert die Kredite!

Herr Bundesminister, ich sage es jetzt zum wiederholten Male: Es wäre mehr als eine äußerst notwendige Maßnahme, dass Sie in Brüssel zu erreichen versuchten, zu­mindest Basel II für zwei Jahre auszusetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Dr. Moser.)

Es stimmt, die Krise hat den Tourismus noch nicht voll erwischt, wir haben „nur“ 14 Prozent Anstieg bei der Zahl der Arbeitslosen im Tourismus, in der Gesamtwirt­schaft 30 Prozent, aber es gibt auch so genügend Baustellen beim Thema Tourismus. Ich denke da etwa an diese unsägliche Aushilfenregelung, bei der es inzwischen schon so ist, dass sich erwachsene Söhne und Töchter von Wirten oder auch Eltern, die in Pension sind, strafbar machen, wenn sie einmal aushelfen, ohne vorher angemeldet worden zu sein. Das kann es wirklich nicht sein, da muss man wirklich aufpassen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Franz, du weißt es ganz genau, die Fälle gibt es, die ken­nen wir. (Abg. Obernosterer: Das ist nicht wahr!) – Gabriel, gerade du aus Kärnten sagst das! Du weißt, in Kärnten wurden Kinder, Söhne, Töchter, Eltern angezeigt, ma­chen sich strafbar. Da können wir noch einiges an Baustellen vor dem echten Baustel­lensommer beseitigen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lin­der. Ebenfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 98

14.28.14

Abgeordneter Maximilian Linder (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismus ist krisenfest, der Winter hat es uns bewiesen. Vom Tourismus im Sommer wissen wir es nicht ganz genau, ob er wirk­lich so krisenfest bleiben wird, ob die Forscher recht haben werden oder ob die 188 000 Mitarbeiter und Unternehmer in dieser Branche nur keine Zeit haben zum Jammern und zum Betreiben von Lobbying, weil sie arbeiten, weil sie sich intensiv um den Tourismus kümmern und weil sie das bevorstehende Minus durch Fleiß, Arbeit und Engagement ausgleichen wollen.

Auf alle Fälle ist eines klar: Die Österreich Werbung hat seit über zehn Jahren keine Erhöhung der Werbemittel mehr bekommen, das beträgt inflationsberechnet 5 Millio­nen € jährlich. In der gleichen Zeit hat die Schweiz heuer ihre Mittel um 10 Millionen er­höht. Es war sehr wohl Geld der Bundesregierung da für die Verschrottungsprämie von 22,5 Millionen €. Für die Österreich Werbung hat man einmalig von Seiten der Bundes­regierung 3 Millionen € zur Verfügung gestellt und eine Million € von der Wirtschafts­kammer.

Wenn der Minister sagt: Was hätten wir tun sollen, Deutschland hat die Verschrot­tungsprämie eingeführt und wir mussten nachziehen?, so sage ich: Was sollen wir tun? – Schweiz hat die Mittel um 10 Millionen erhöht, auch da werden wir nachziehen müssen. (Abg. Hörl: Die haben weniger Nächtigungen!) – Aber, lieber Kollege, viel, viel mehr Werbemittel trotz weniger Nächtigungen.

Ich möchte es mit einem ÖVP-Abgeordneten halten und ihm recht geben, als er vor Kurzem gesagt hat: Das Geld ist vorhanden, es ist nur die Frage der Verteilung.

Liebe Kollegen, wenn uns der Tourismus nicht mehr wert ist, dann ist es so, dass das die Verteilung ist. Wenn ich dann einen Schritt weitergehe, dann muss ich darauf hin­weisen, dass vom Minister in der Budgetrede betont wurde, dass die Mittel für die Top­tourismuswerbung um 20 Prozent erhöht werden. Sogar die Direktoren der ÖHT beto­nen: 20 Prozent mehr. – Bis heute, Herr Minister, konnte das noch nicht nachgewiesen werden. Im Budget sind die 20 Prozent nicht verankert und auch sonst nirgends.

Ich glaube, man sollte das aufklären, ehrlich sein und sagen, wie hoch die Erhöhung ist, und sich nicht mit irgendwelchen Zahlen rühmen, die hinten und vorne nicht stim­men. (Beifall beim BZÖ.)

Solange uns das niemand nachweisen kann, gibt es diese Erhöhung nicht! Ich finde es eigentlich schade, dass die Wirte und die Unternehmer hinters Licht geführt werden.

Wenn ich angesichts dieser Entwicklungen höre, wie die Kollegen im Ausschuss, spe­ziell die Kollegen von der ÖVP, nahezu Lobhudelei betreiben und betonen, wie gut der Tourismus gefördert wird, wie viel für den Tourismus getan wird, um nicht fast zu sa­gen, wir brauchen eigentlich gar kein Geld im Tourismus, es geht so gut, dann sage ich, liebe Kollegen: Das kann es nicht sein! Wenn wir den Tourismus weiter fördern wollen, dann machen wir es! (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Wir brauchen nicht Geld hinauszuschmeißen, es muss überall gespart werden. Aber wenn wir es wollen, dann fordern wir es und geben wir es nicht in andere Bereiche! (Beifall beim BZÖ.)

Der gemeinsame Fünf-Parteien-Antrag, den wir heute beschließen werden, war wirk­lich der kleinste gemeinsame Nenner, den wir gefunden haben. Das Einzige, das uns von den Oppositionsparteien motiviert hat mitzustimmen, ist die Tatsache, dass es mehr ist, als im Regierungsprogramm verankert ist, und dass es mehr ist, als der Mi­nister im Budget vorgesehen hat. Wir hoffen aber auch, dass dieser Antrag nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt wird, dass man in Zukunft darangeht, die Gel­der zur Verfügung zu stellen, die Werbemittel aufzustocken und auch die Toptouris­musförderung zu erhöhen.


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Für die zukünftige Arbeit im Ausschuss denke ich mir, wenn wir es nicht ernst nehmen mit dem Tourismus, dann soll man weiter evaluieren, überprüfen, kontrollieren und im Prinzip verwässern. Wenn es uns aber darum geht, dass wir den Tourismus fördern, dass wir die Arbeit ernst nehmen, dann müssen wir umsetzen und zustimmen, liebe Kollegen von den Regierungsparteien. Wir haben einige Themen, sei es die gemeinsa­me Vermarktung der Naturparks, sei es das Schaffen von Kinderbetreuungsmöglich­keiten für die Mitarbeiter im Tourismus, damit wir unsere eigenen Leute halten können, oder sei es die Umsetzung der Wintersportwochen, der Schulsportwochen im Winter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir es so wie unsere fleißigen Kollegen im Tourismus. Halten wir uns an die drei Buchstaben: T U M – tun wir es, setzen wir es um und machen wir es! (Beifall beim BZÖ.)

14.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.33.18

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ja, wir haben wirklich einen Minimalstkonsens gefunden, weil der Herr Fi­nanzminister und auch Sie, Herr Wirtschaftsminister, anscheinend der Ansicht sind, die Österreich Werbung ist ausreichend dotiert, die zusätzlichen 3 Millionen €, die Sie ein­malig aus dem Budget zur Verfügung gestellt haben, plus der einen Million, die die Wirtschaftskammer noch als zusätzlicher Inhaber der Österreich Werbung in die Kasse bringt, reichen aus in einer Situation, in der wir einerseits sehen, dass die Tourismus­branche bis jetzt relativ stabil die Krise „bewältigt hat“ – unter Anführungszeichen – oder „durchgestanden hat“, aber in der wir andererseits auch wissen – wir waren am Montag bei einer Tagung bezüglich Arbeitsmarktsituation im Tourismusbereich –, dass das Potential des Tourismus betreffend die Aufnahme von Arbeit suchenden Men­schen in Zukunft noch viel, viel größer sein wird. Wir haben dort offene Lehrstellen, wir haben dort Arbeitsmärkte, wo Menschen, die sich aus dem industriellen Bereich teil­weise umorientieren müssen, auch wieder Arbeit finden können.

Gerade deshalb, weil der Tourismus sich angesichts der jetzigen Situation als Wirt­schaftssparte zeigt, die durchaus Expansionsmöglichkeiten hat, müssen wir diese Ex­pansionsmöglichkeiten im Sinne unserer Beschäftigungssituation nützen und das bis­serl Geld, das die Österreich Werbung rein inflationsmäßig verdient, ihr endlich geben, diese 10 Millionen €. (Beifall bei den Grünen.)

Es gab darüber schon einen Konsens im Tourismusausschuss 2006. Es war einer der ersten Punkte, über den wir beraten haben, dass aufgestockt werden muss. Seit da­mals wird in unseren Anträgen eigentlich nur mehr verwässert. Ich trage sie heute noch mit, diese Evaluierungs-, Prüfungs- und sonstigen Beauftragungen der Bundesregie­rung oder Ihres Ressorts, weil zumindest das Wort „spätestens“ bis zum nächsten Bud­get eingefügt worden ist. Sonst wäre das Ganze überhaupt eine Farce. Und ich trage es nur mit, weil ich auch die Hoffnung habe, dass Sie, Herr Minister, angesichts der jet­zigen Situation im Herbst zur Erkenntnis kommen werden, dass wir im Zuge eines drit­ten Konjunkturpakets der Österreich Werbung sowieso zusätzliche Mittel geben wer­den müssen, weil das einfach eine gute Investition für den Arbeitsmarkt, für die Be­schäftigung und auch für Österreich als Land international ist.

Es geht ja auch um Image. Jede Österreich-Werbung ist auch Imagewerbung für Ös­terreich, die den anderen Wirtschaftssparten nützt. Die Tourismuswerbung ist nicht nur auf das heimische Hotelgewerbe, auf das heimische Nächtigungsgewerbe sozusagen zweck- und maßgeschneidert, sondern sie ist auch Imageträger auf der ganzen Welt.


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Ich selbst habe in Südafrika eine ausgezeichnete in diese Richtung ausgerichtete Ver­anstaltung gesehen. Es waren dort nicht nur wichtige Reisebüroagenten vertreten, son­dern auch Mitglieder und Manager von wichtigen Firmen anwesend, die ein Bild von Österreich bekommen haben. Dieses Bild von Österreich hat sie auch bewogen, Kon­takt aufzunehmen.

Man muss bedenken, dass die Aufstockung der Mittel für die Österreich Werbung ins­gesamt eine Wirtschaftsförderung auch für andere Betriebe bedeutet, deshalb mein Plädoyer. Es liegt auf der Hand, dass wir im Tourismusausschuss, wo wir immer wie­der versuchen, gemeinsame Anträge voranzutreiben, noch sehr viel abarbeiten müs­sen.

Ich muss persönlich Kollegin Silhavy danken. Es ist ihrem Einsatz zu verdanken, dass es diese Gemeinsamkeit noch gibt. Wir wären schon längst aufgestanden und hätten gesagt: Nein, jetzt wollen wir wirklich einmal die 10 Millionen €! Aber Sie haben es dank Ihrer Erfahrung und Ihrer Persönlichkeit geschafft, uns noch einmal zurückzu­bringen. Insofern haben Sie auch dem Herrn Minister einen gewissen Dienst erwiesen.

Ich hoffe, dass dieses Entgegenkommen unsererseits dazu führt, dass wir die anderen Dinge im Tourismusausschuss auch besser weiterbringen, sprich uns den Masterplan einmal konkret stufenweise anschauen und auch den Aspekt Arbeitsmarkt im Master­plan genau abarbeiten, diese Lehrstellenproblematik uns genauer vornehmen, dass wir weiterhin – das hat Kollege Linder ohnehin schon gesagt – die Frage des Tourismus im Nationalpark durch verbesserte Kommunikations- und Kooperationsstrukturen irgend­wie vorantreiben.

Ich bin auch dafür, Herr Minister, dass Sie insgesamt dafür sorgen, dass im Bankwe­sen Bedingungen herrschen, die Investitionen – das gilt nicht nur für den Tourismusbe­reich – im Produktionsbereich attraktiv machen. Ich habe Kontakt mit verschiedenen Herrschaften aus der Finanzwelt, und die greifen sich teilweise selber an den Kopf, dass derzeit schon wieder mit 8-prozentigen Investitionsanteilen geworben wird – ich nenne jetzt absichtlich keine Institute, ich kenne sie aber. Im Produktivsektor sind maxi­mal Anleihen mit 4 Prozent sinnvoll, denn dies muss erarbeitet werden. Die 8 Prozent sind nur im Spekulationsbereich zu bekommen.

Herr Minister, tragen Sie auch dafür Sorge, dass die österreichischen Investitionen, das österreichische Sparkapital wieder in den produktiven Bereich fließt und nicht in den Spekulationsbereich. Diese 8 Prozent-Geschichten schaden unserer Wirtschaft insgesamt und auch dem Tourismus.

Das wäre sozusagen noch der Metablick bei dieser Diskussion. Wie gesagt, wir haben noch im Herbst ein hartes Stück Arbeit vor uns, denn es soll weiter konsensuale Be­schlüsse geben, und ich appelliere in dem Sinn vor allem auch an die ÖVP, denn dort sitzt ja der Finanzminister. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminis­ter Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.39.37

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann anknüpfend an die Ausführungen von Frau Kollegin Moser bestätigen, dass die letzte Sitzung des Tou­rismusausschusses auch aus meiner Sicht sehr sachlich und konstruktiv war und einerseits auch das wiedergegeben hat, was sich im Bereich des Tourismus wirtschaft­lich entwickelt hat.


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Wir haben alle mitverfolgt, dass sich in den letzten Monaten eine Krise mit einer Dyna­mik aufgebaut und entwickelt hat, die wir alle nicht erwartet haben. Und dass sich in dieser Phase einige Sektoren als besonders resistent erwiesen haben, ist aus meiner Sicht sehr erfreulich: Dazu gehört der Handel, dazu gehört aber vor allem der Touris­mus.

Ich finde es beachtlich, wenn es gelungen ist, im vergangenen Winter die beste Winter­saison aller Zeiten zu schreiben, trotz der Tatsache, dass die Krise in den Monaten De­zember bis April in allen anderen Bereichen schon deutlich zu spüren war. Es gab eine Steigerung im Umsatzbereich um 0,6 Prozent auf 12,19 Milliarden € im Tourismus. Das ist der beste Winter aller Zeiten! Auch was die Nächtigungen anbelangt, gab es nur einen leichten Einbruch.

Das ist einerseits darauf zurückzuführen, dass der Konsument durchaus Mittel hat, auch in Zeiten wie diesen Urlaub macht und dass vor allem die entsprechenden Besu­cher aus den Nahmärkten und aus Österreich wieder stark zu uns kommen. – Das ist der eine Aspekt.

Der zweite Aspekt ist der, dass wir gerade in Zeiten der Krise entsprechende Rahmen­bedingungen zur Verfügung stellen müssen und sollen. In diesem Zusammenhang wa­ren im Tourismusausschuss Vertreter der ÖHT, die anhand der konkreten Fallbeispiele dargestellt haben, dass im Bereich des Tourismus eine bedarfsgerechte Abdeckung vorhanden ist.

Wie Sie wissen, haben wir uns auch bemüht – die Kreditsituation ist von Frau Kollegin Moser schon angesprochen worden –, für alle Unternehmen eine Palette anzubieten, was staatliche Absicherungen durch Haftungen anbelangt, die vom Kleinbetrieb bis zum Großbetrieb reicht, wenn auch das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz jetzt endgültig beschlossen ist. Mit den Haftungen, die der Staat gibt, ist eben für die Unter­nehmen trotz dieser schwierigen Situation eine relativ günstige Refinanzierung mög­lich.

In diesem Zusammenhang hat sich herausgestellt, dass es nicht richtig ist, dass wir im Tourismusbereich Einschränkungen verzeichnen, was die Investitionsbereitschaft an­belangt, sondern ganz im Gegenteil: Die ÖHT konnte in diesem Zeitraum – nämlich von Jänner bis Mai 2009 – mit 714 Ansuchen, die behandelt und erledigt wurden, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, in dem es 613 Ansuchen gegeben hat, um 16,5 Prozent verzeichnen. – Das ist beachtlich, das ist erfreulich!

Man muss das allerdings mit der Einschränkung feststellen, dass Großprojekte eher zurückgestellt worden sind. Es ist also nicht durchgängig so, dass antizyklisch und da­mit richtig in allen Bereichen investiert wird, aber es ist unrichtig, dass in diesem Be­reich, gerade was Mittelbetriebe und Kleinbetriebe anbelangt, ein Rückgang zu ver­zeichnen wäre.

Aus der Darstellung der ÖHT geht auch hervor, dass die ganze Abdeckung, was die Mittel anbelangt, vermutlich durchaus richtig angelegt ist. Daher ist es nicht nur kein Problem, sondern auch wünschenswert, wenn hier ein Entschließungsantrag vorliegt, der uns den Auftrag erteilt, eine entsprechende Überprüfung durchzuführen, was das nächste Jahr anbelangt, wie die Auswirkungen der Förderungsmaßnahmen im Touris­musbereich objektiv tatsächlich aussehen. Es ist auch eine entsprechende Beauftra­gung in diesem Sinne an die KMU-Forschung ergangen, die nunmehr durch die Fest­schreibungen, wie sie im Entschließungsantrag stehen, ergänzt wird.

Was den dritten Punkt anbelangt, führe ich eine Ergänzung zu den Ausführungen des Kollegen Linder an, weil im Budgetausschuss, aber auch im Tourismusausschuss und im Plenum schon mehrmals die scheinbar nicht richtige Darstellung, was die TOP-Tou­rismusförderung anbelangt, nämlich das Nachvollziehen der Erhöhung von 20 Prozent, angesprochen wurde.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 102

Ich gebe zu, dass das eine etwas sperrige Formulierung war, dass es durch eine Um­stellung im Budgetsystem, indem Vorbelastungen weggekommen sind, eine klare Dar­stellung gibt, dass die 20 Prozent erfüllt sind. Da wir alle Schwierigkeiten gehabt ha­ben, das nachzuvollziehen, habe ich eine schriftliche Darstellung in Auftrag gegeben. Diese werden wir den Ausschussmitgliedern zugehen lassen.

Im Wesentlichen geht es darum, dass der Auszahlungsmodus der Zinsenzuschüsse verändert worden ist. Davor gab es eine Vorbelastung durch die jeweiligen Zahlungen über mehrere Jahre. Jetzt gibt es die Umstellung des Systems auf abgezinste Einmal­beträge, was uns Vorteile verschafft. Diese Vorteile sind auch zahlenmäßig dargestellt. Daraus ergibt sich auch die 20-prozentige Steigerung.

Was nun den dritten Punkt des Antrags anbelangt, nämlich die Erhöhung der Werbe­mittel für die Österreich Werbung, könnte man die These vertreten, da Sie gesehen ha­ben, dass die Werbemittel im Wesentlichen in all den Jahren nicht wirklich deutlich er­höht worden sind, dass der Erfolg des Tourismus nicht unbedingt in Relation zur Höhe der Werbemittel steht, die die Österreich Werbung zur Verfügung hat, sondern dass es der Tüchtigkeit der Unternehmen zuzuschreiben ist, den Erfolg sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist aber klar, dass gerade in Zeiten der Krise die Anstrengungen erhöht werden müssen. Daher sind wir selbst bemüht, die Mittel entsprechend aufzustocken. Da ein Partner vorhanden war – nämlich die Wirtschaftskammer Österreich –, die nicht gerne sozusagen ohne Einbeziehung über Regierungsprogramm oder Parlamentsbeschluss eine Erhöhung der Mittel gehabt hätte, sind wir diesbezüglich in Verhandlungen. Ich meine, es ist aber zumindest für die momentane Situation zufriedenstellend gewesen, dass wir eine Sonderaktion im Ausmaß eben von 4 Milliarden € auf andere Art und Weise, nämlich über ein Sonderbudget, zustande gebracht haben.

Das ist eine Ergänzung zu dem, was ohnehin getan wird, denn Sie wissen: Mit einem Sonderbudget von 4 Millionen € allein werden Sie die Welt nicht bewegen!

Das gilt auch für die Zukunft: Wenn weitere Notwendigkeiten bestehen, wenn das eine oder andere auftritt, was wir nicht einschätzen können, werden wir uns bemühen, auch in Zeiten wie diesen, in denen das Budget schon beschlossen ist, noch eine Sonderak­tion zustande zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist aber kein Anspruch, der sofort und ganz sicher so und so ist, wo mir dann jeder nur mehr mitzuteilen braucht: Es ist tatsächlich dieser Anspruch da, und wir brauchen das!, sondern das müssen wir natürlich diskutieren, und dann werden wir versuchen, die notwendigen Maßnahmen zu setzen.

Summa summarum – und damit zum Schluss kommend – darf ich mich noch einmal bei den im Tourismus Beschäftigten und allen Verantwortlichen bedanken, dass alle diese Branchenvertreter mit ihren Mitarbeitern dazu beitragen, dass wir in der Krise im Konsumbereich, was das letzte Quartal anbelangt, keinen Rückgang hatten. Wir ha­ben die 40-Prozent-Marke in dem Bereich gehalten. Lediglich der Exportbereich war von der Krise betroffen. Das ist den Unternehmen und ihren Mitarbeitern zu verdanken. Dafür herzlichen Dank! – Und ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

14.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Obernosterer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.47.40

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Ga-


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lerie! Zum Thema Tourismus: Es gibt eigentlich für mich nichts Schöneres, als in die­sem Haus zum Thema Tourismus zu sprechen. Bei einem komme ich heute aber nicht ganz mit, Frau Moser: Wenn es um die Erhöhung der 10 Millionen € für die Österreich Werbung geht, wurde auch von meinen Vorrednern eigentlich die ÖVP dafür verant­wortlich gemacht, dass es zu dieser Erhöhung von 10 Millionen € noch keine Zustim­mung gibt.

Sonst heißt es immer, die ÖVP sei nur für die Wirtschaft da, für die Wirtschaft sei im­mer Geld da und für einen anderen Bereich fehle immer das Geld! (Abg. Dr. Moser: Jetzt stimmt nicht einmal mehr das!) Jetzt zeigt sich eigentlich genau das andere Bild. Ich möchte Ihnen dazu etwas sagen: Die ÖVP will mit Geld vernünftig umgehen, egal, um welchen Bereich es geht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Eurofighter!)

Die einzige Idee des Tourismusausschusses ist es (Abg. Mag. Kogler: Da kostet eine Flugstunde im Eurofighter mehr als ... Tourismus!), zu sagen: Wir wollen eine Erhö­hung von 10 Millionen € für die Österreich Werbung! Und damit ist die Arbeit für die Parlamentarier getan. – Nein, sie ist damit nicht getan! (Abg. Dr. Moser: Das habe ich ja gesagt!)

Die Österreich Werbung hat ein Budget von 50 Millionen €. Die Kärnten Werbung hat ein Budget von 19 Millionen €, die Tirol Werbung hat ein Budget von 14 Millionen €. In Summe sind über 100 Millionen € österreichweit für die Bewerbung der Bundsländer vorhanden. Der Herr Bundesminister hat es schon gesagt: Geld alleine ist nicht aus­schlaggebend dafür, dass der österreichische Tourismus eine Erfolgsgeschichte ist.

Ich werde Ihnen jetzt drei Zahlen aus drei verschiedenen Bundesländern nennen: 13 Millionen Nächtigungen, 19 Millionen € zur Verfügung für die Bewerbung. 23 Millio­nen Nächtigungen, 14 Millionen € zur Verfügung für die Bewerbung. 43 Millionen Näch­tigungen, 14 Millionen € zur Verfügung für die Bewerbung.

Wissen Sie, wer das größte Plus geschrieben hat? (Abg. Dr. Moser: Kärnten! – Abg. Hörl: Tirol!) – Nicht das Bundesland, wo am meisten Geld eingesetzt wurde, sondern das Bundesland, wo am wenigsten Geld, dieses dafür aber effizient eingesetzt wurde.

Das muss auch das Ziel der Österreich Werbung sein, und diese ist auf dem besten Weg dorthin. In diesem Zusammenhang erwähne ich nur die Koordination mit den Län­dern, damit nicht doppelt‑ und dreigleisig gefahren wird; und in den Ländern wiederum die Koordination mit den Regionen, damit auch da nicht doppelt‑ und dreigleisig gefah­ren wird.

Das Geld, das für Werbung ausgegeben wird, muss ja wieder verdient werden. Des­halb ist es uns wichtig, dass es auch da zu einer Evaluierung kommt, dass geschaut wird, wo es freie Ressourcen gibt, wo man Geld einsparen kann, um neue Märkte ver­stärkt bewerben zu können.

Ich bin stolz darauf – nicht nur von meinem Beruf her als Touristiker –, dass in der Ge­schichte Österreichs der Tourismus – natürlich neben anderen Dingen – als große Er­folgsgeschichte bezeichnet werden kann und dass der Tourismus in unserem Lande auch in Zeiten einer Wirtschaftskrise ein stabiler Faktor, wie sich ja jetzt zeigt, ist. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Diese Stabilität zeigt sich nicht nur in den Nächtigungszahlen, sondern auch in der Wertschöpfung insgesamt sowie auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt. Ich glaube, da­rauf können wir alle stolz sein.

Ganz wichtig bezüglich Arbeitsmarkt ist auch, dass da der Bereich Tourismus immer interessanter wird. Was die Lehrlinge betrifft, so sind unter den sieben erstgereihten Berufen drei Tourismusberufe, und was die finanzielle Abgeltung anlangt, sind Touris­musberufe unter den zehn bestbezahlten Berufen zu finden. Darauf können wir wirklich stolz sein.


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Noch etwas: In Österreich mit seiner ländlichen Struktur, seinen Regionen und der Vielzahl an Infrastruktur, die auch den Einheimischen zur Verfügung steht, ist das alles nur finanzierbar über den Tourismus. Nochmals: Infrastruktur, Arbeitsplätze in den Re­gionen und damit Wertschöpfung, das alles verdanken wir sozusagen dem Tourismus.

Daher muss es in unser aller Interesse sein, die besten Ressourcen zu nützen, die Landwirtschaft, die Nationalparks, die Österreich Werbung, Werbung für Bundesländer und Regionen zusammenzubringen und einen Masterplan aufzustellen, was wofür zur Verfügung steht, damit sozusagen neues Geld freigeschaufelt werden kann und damit die Werbung für Österreich mit den wenigsten Mitteln die beste Wirkung zeitigt. Ein Garant dafür, weil er selbst aus der Wirtschaft kommt, ist unser Bundesminister Mitter­lehner, der ja auch für den Bereich Tourismus zuständig ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Hakel. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


14.52.45

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Minister! Hohes Haus! Die Freizeit- und Tourismuswirtschaft in Österreich hat sich als bedeutende und wichtige Säule unserer Volkswirtschaft etabliert. Über 31 Millionen BesucherInnen aus anderen Ländern kom­men jährlich in unser Land. Mit rund 16 Prozent Anteil am BIP zählt dieser Wirtschafts­zweig zu einem sehr wichtigen, vor allem wenn es um die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen geht.

Die derzeitige Wirtschaftskrise verschont natürlich auch diesen Sektor nicht, sodass – wenn auch ein bisschen zeitverzögert – die heimische Tourismus- und Freizeitbranche den realwirtschaftlichen Rückgang ziemlich sicher zu spüren bekommen wird. Ein Aus­bau der Österreich Werbung ist daher ein wichtiger Schritt, um so erneut Arbeitsplätze zu sichern und gerade Regionen, die von diesem touristischen Wirtschaftszweig sehr abhängig sind, zu stärken.

Der Anteil der deutschsprachigen Gäste in unserem Lande liegt bei über 40 Prozent, und es wird daher eine große Aufgabe sein, gerade deutsche, aber auch österreichi­sche Gäste zu uns zu holen beziehungsweise bei uns zu halten.

Mit den Konjunkturpaketen wurde bereits dafür gesorgt, dass heimische Unternehmen auch in neue Projekte für Tourismus und Wirtschaft investieren können; es bedarf je­doch eines umfassenden Konzeptes, in welche Tourismusprojekte investiert werden soll. Ich glaube, da braucht es vor allem eine starke und enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Städten und vor allem auch mit den touristischen Regionen – egal, ob es sich dabei um Investitionen in die Freizeitwirtschaft handelt, zum Beispiel Sanierung von Sportstätten oder Hallenbädern oder Neubauten von Hotels, aber auch und ganz besonders um Investitionen in den öffentlichen Verkehr.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Gesäuse-Eisenbahnstrecke erwähnen, die vor der Schließung durch die steirische Verkehrslandesrätin steht. Das stellt uns natür­lich vor ein großes touristisches Problem, denn diese Bahn führt durch den National­park Gesäuse. Daher wäre es sehr wichtig, diese Eisenbahn zu erhalten, denn nur so können Touristen und Schülergruppen, die jährlich zahlreich zu uns kommen, auch weiterhin durch den Nationalpark geführt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Fürntrath-Moretti. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 105

14.55.05

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben es schon angesprochen, der österreichi­sche Tourismus ist sehr resistent, was diese Krise anlangt. Und warum ist das so? – Weil wir sehr viele kleinstrukturierte Unternehmen haben. Daher auch von meiner Seite ein großer Dank an diese Unternehmerinnen – sehr viele Frauen sind Chefinnen eines Tourismusbetriebes – und Unternehmer. (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstverständlich gehören zu diesem Erfolg auch unsere bestens ausgebildeten Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Lehrlingsausbildung – das ist ja hier bereits gesagt worden – wird bei uns sehr groß geschrieben.

Worum es mir aber in erster Linie geht, ist: Mehr Geld muss nicht unbedingt mehr Ef­fizienz heißen. Man muss schon auch darauf schauen, wo und wie die Österreich Wer­bung wirbt. Ich denke da beispielsweise an die Steiermark. Wir haben in der Steier­mark nächste Woche ein sehr großes Event – ich glaube, da zahlt die Österreich Wer­bung gar nichts dazu –, nämlich die AirPower in Zeltweg. Diese findet am 26. und 27. Juni statt, wobei da auch das Bundesheer sehr viel macht, wofür ich mich auch herzlich bei den Verantwortlichen bedanke, weil das für diese unsere Region wirklich sehr viel bringt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zanger.)

Im Zusammenhang mit der AirPower 09 sind unsere Betriebe, und zwar bis nach Graz hin, ausgebucht, was die Übernachtungen anlangt; es werden – ich hoffe, das Wetter wird schön – 250 000 Gäste und Gästinnen, das wird die Grünen freuen, erwartet. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Ein nächster Punkt, der meiner Überzeugung nach ganz wichtig ist: Wir sollten wesent­lich mehr Geld in die Hand nehmen, um in den Qualitätstourismus zu investieren, also nicht in die breite Masse, sondern für Qualität werben. Schauen wir doch, was Touris­ten, wenn sie zu uns kommen, an Geld dalassen: Das meiste Geld lassen Gäste, las­sen Touristinnen und Touristen da, wenn sie hochkulturelle Dinge in Anspruch neh­men, so beispielsweise Opern- und Festspielbesuche. Das ist die Richtung, in die wir gehen sollten; also nicht in die Breite, keine Billigprodukte, sondern Qualität.

Zum nächsten Punkt – Frau Abgeordnete Moser hat das bereits richtigerweise ge­sagt –, zum Image. In der Steiermark, darf ich Ihnen sagen, geschieht auch diesbezüg­lich sehr viel. Unser Landeshauptmann Schützenhöfer investiert in die Cinestyria. In Graz, ja in der ganzen Steiermark werden Fernsehsendungen gedreht und aufgenom­men, und das ist dann im deutschsprachigen Raum ein Multiplikator sowohl für Graz als auch für die Steiermark insgesamt. (Beifall bei der ÖVP.)

Da kann man wirklich nur sagen: Die Österreich Werbung alleine ist zu wenig, denn auch die Länder müssen etwas tun. Und auch eine Kulturministerin kann da auf jeden Fall mitmachen, damit noch mehr Touristinnen und Touristen nach Österreich kom­men. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Ing. Mag. Kuzdas. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


14.58.09

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie wichtig die Tourismus- und Freizeitwirt­schaft für Österreich ist, wurde ja bereits mehrmals von Vorrednerinnen und Vorred­nern erwähnt. Ich möchte aber auch Folgendes klarstellen: Mehr Geld für die Touris­muswerbung ist nicht die Lösung aller Probleme in der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft; und das Ausspielen von Branchen bringt, glaube ich, auch nicht die Lösung, die wir brauchen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 106

Wenn man nachdenkt, wie man der Freizeit- und Tourismuswirtschaft wirklich helfen kann, wird man draufkommen, dass wir dieser Branche durch Investitionen in die Infra­struktur wesentlich mehr helfen können als lediglich mit einer Aufstockung des Geldes für die Tourismuswerbung. Solche Investitionen erfolgen zum Beispiel durch Konjunk­turprogramme von Bund und Ländern; das geschieht vor allem aber auch durch Inves­titionen in den Gemeinden und durch die Kommunen, weil dadurch jene Destinatio­nen – Hallenbäder, Thermen, Golfplätze, Sportplätze und so weiter – errichtet werden, die es erst möglich machen, all das zu bewerben.

Meine Damen und Herren, vergessen wir nicht, es gibt auch so etwas wie Umwegren­tabilität. Wenn wir Werte schaffen, sichern wir Beschäftigung in Österreich. Das hält die Kaufkraft hoch und das ermöglicht den Menschen, Urlaub zu machen – und davon pro­fitieren die Freizeit- und Tourismuswirtschaft sowie deren Betriebe; von einer Erhöhung der Werbemittel für die Österreich Werbung haben diese Betriebe unmittelbar nicht so viel. Zweifelsohne ist es aber notwendig, die Mittel zu erhöhen. Mit diesem Fünf-Par­teien-Antrag wird das eingeleitet; ein Sonderbudget in Höhe von 4 Millionen € ist ein erster Schritt.

Gerade in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist es aber auch notwendig, vernetzt zu denken: Der Zusammenhang mit Kultur, mit Sport, all das hilft der Tourismus- und Freizeitwirtschaft und hat auch Umwegrentabilität.

Es ist nicht nur notwendig, die Toptourismusregionen zu berücksichtigen, wo es ohne­dies einen Zwei-Saisonen-Betrieb gibt, sondern auch touristische Hoffnungs- und Ent­wicklungsgebiete, weil da oft mit geringem Aufwand ein sehr hoher Effekt erzielt wer­den kann.

Abschließend ein Danke an den Herrn Bundesminister für das Engagement für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den 3. Punkt der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen An­frage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.34Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend den dringend notwendigen ökologisch-sozialen Umbau Europas und die Unvereinbarkeit dieser Reformen mit einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidenten Barroso sowie mehr Transparenz in der österrei­chischen Europapolitik (2459/J)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 2459/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Im Juli endet die Amtsperiode der Europäischen Kommission unter dem derzeitigen Präsidenten José Manuel Barroso. Beim Abendessen des Europäischen Rates am 18. Juni soll laut Protokoll des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 11. Juni 2009 die Nominierung von José Manuel Barroso für die nächste Amtszeit erfolgen. Dafür ist die qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat notwendig.

„EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll laut Außenminister Spindelegger noch im Juli offiziell für eine zweite Amtszeit nominiert werden. Der EU-Gipfel am Don-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 107

nerstag und Freitag spricht Barroso das Vertrauen aus, die nächste Kommission zu führen. Anschließend konsultiert der Rat die Fraktionschefs des neu gewählten EU-Parlaments. Zeichnet sich dabei eine Zustimmung für Barroso ab, soll der Rat den Por­tugiesen formell nominieren, bevor er dann vom Parlament bestätigt wird. Für die No­minierung Barrosos sei aber ein Rundlaufverfahren ausreichend, sagte Spindelegger“, (FOCUS, 15.06.2009)

Kommissionspräsident Barroso hat als verlängerter Arm des Europäischen Rates

mit der Unterstützung einer Renaissance der Atomkraft und der Verteidigung von Gen­technik in der Landwirtschaft

mit der Vernachlässigung des Klimawandels und der Umweltgefährdung

mit seinem passiven Zugang zur Finanz- und Wirtschaftskrise

mit rücksichtsloser Deregulierung auf Kosten der Sozialpolitik

mit Wettbewerb und Liberalisierung auf Kosten von Solidarität und Entwicklung

und mit dem Fehlschlag bei der Demokratisierung und dem Schutz der Grundrechte

eindrucksvoll belegt, dass seine politischen Vorstellungen in keiner Weise geeignet sind, die Europäische Union vor dem Hintergrund von Wirtschafts- und Klimakrise in eine sozial gerechte, ökologische, demokratische und krisensichere Zukunft zu führen.

Der Kandidat José Manuel Barroso hält einer genauen Überprüfung nicht stand. Zu oft hat er sich seiner Verantwortung entzogen und die Kommission von der "Hüterin der Verträge" zum Instrument der dominantesten Mitgliedstaaten und der einflussreichsten Industrien degradiert. Seine Maßnahmen waren verspätete Reaktionen auf die Finanz- und Wirtschaftskrise, zu der er zuvor selbst beigetragen hat. Immer wieder hat die Kommission den Interessen des uneingeschränkten Handels und des Big Business Vorrang vor Umwelt, sozialen Fragen und den BürgerInnen Europas gewährt.

Europa braucht jetzt keinen „Weiter-wie-bisher“-Kommissionspräsidenten. Europa braucht eine/n Kommissionspräsidenten/in und eine Kommission mit Mut und Weit­blick, die zentrale Reformprojekte entschlossen in Angriff nehmen:

einen großangelegten, grundlegenden Umbau des europäischen Wirtschaftssystems: Milliardeninvestitionen in Ökojobs und Klimaschutz

die Schaffung einer europäischen Sozialunion: europaweit einheitliche, hohe Sozial­standards

Barrosos Nominierung für eine weitere Amtszeit als Präsident der Europäischen Kom­mission wurde bereits von der politischen Familie der Europäischen Volkspartei und von verschiedenen Regierungschefs unterstützt. Im Europäischen Parlament formiert sich unterdessen aussichtsreicher Widerstand gegen eine weitere Amtszeit Barrosos. Nicht nur Daniel Cohn-Bendit, Fraktionschef der Grünen im EP, auch der Spitzenkandi­dat der SPÖ Hannes Swoboda, haben sich mehrfach klar gegen eine zweite Amtszeit von Barroso als Kommissionspräsident ausgesprochen. Daniel Cohn-Bendit wie auch Martin Schulz, Fraktionschef der SozialdemokratInnen im EP,und Graham Watson, Fraktionschef der Liberalen im EP, treten gegen eine Entscheidung im Juli und für eine Entscheidung in Sachen Kommissionspräsident erst nach dem irischen Referendum über den Lissabon-Vertrag ein. Dies würde die demokratische Glaubwürdigkeit der Union in den Augen der BürgerInnen stärken, da das Europaparlament durch den Lis­sabon-Vertrag eine stärkere Rolle bei der Bestellung von KommissionspräsidentIn und Kommission erhält.

Wie wenig Bedeutung Bundeskanzler Faymann hingegen der Rolle des Präsidenten der Europäischen Kommission beimisst, zeigen seine Aussagen vom 10.06.2009 in der ORF-Sendung ZIB 2:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 108

„Der Kommissionspräsident und auch der Kommissar ist vergleichbar unserer Verwal­tung, die politischen Entscheidungen treffen die Regierungschefs oder Minister bei den Ratssitzungen oder eben das EU-Parlament. () Und daher finde ich diese Frage, wer wird Kommissionspräsident, die ist nicht so wichtig wie die Frage, wer verbietet die Spekulation mit Wasser, wer verbietet die Spekulation mit Energie, wer sorgt dafür, dass wir nicht dasselbe wieder aufbauen, was gerade in der Wirtschaft zusammenge­brochen ist?“

Der Bundeskanzler hat offenbar Europa bis heute nicht verstanden.

Die Kommission überwacht die Einhaltung des EU-Rechts und gilt damit als "Hüterin der Verträge", und sie ist wichtige Akteurin im Gesetzgebungsverfahren. Damit über­haupt ein Rechtsakt auf europäischer Ebene zustande kommt, bedarf es eines Vor­schlags der Kommission: Insofern ist die Kommission auch entscheidend für die euro­päischen Antworten auf die von Faymann genannten Themen. Die Wahl des/der Kom­missionspräsidentIn ist also ohne Zweifel die wichtigste europapolitische Personalent­scheidung, die die breitestmögliche politische Legitimationsbasis dringend benötigt.

Auch in der Frage des/der österreichischen EU-Kommissars/in prägen Desinteresse und Intransparenz die Vorgangsweise der Bundesregierung.

Im Europäischen Parlament haben sich die Mitglieder der EU-Kommission vor ihrer Be­stätigung einem Hearing und einem Zustimmungsvotum zu stellen. Ein ähnlich trans­parenter und nachvollziehbarer Entscheidungsprozess und eine echte parlamentari­sche Mitwirkung sollten auch auf nationaler Ebene eine Selbstverständlichkeit sein. Das sehen die österreichischen Regierungsparteien offenbar anders. Obwohl etwa SPÖ-Klubobmann Josef Cap in der ORF-Sendung im Zentrum vor wenigen Tagen sig­nalisierte, dass ein Hearing möglicher KandidatInnen für den Posten des österreichi­schen Kommissars auch für die SPÖ vorstellbar sei, will sich die Bundesregierung of­fenbar hinter verschlossenen Türen nach nicht nachvollziehbaren großkoalitionären Kriterien auf eine/n KandidatIn für den/die österreichischen KommissarIn einigen und diese/n dann im Hauptausschuss „abnicken“ lassen. Diese intransparente Vorgangs­weise ist wenig geeignet, das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die EU-Insti­tutionen zu stärken.

Ein Trauerspiel ist schließlich das Verhalten von SPÖ und ÖVP in Sachen Rederecht von EU-Abgeordneten im Plenum des österreichischen Nationalrats. Im Wahlkampf von den Spitzenkandidaten Swoboda und Strasser wie auch von Otmar Karas noch vollmundig eingefordert und schließlich von SPÖ und ÖVP zugesagt, fallen die Regie­rungsparteien wenige Tage nach der EU-Wahl um und wollen nichts mehr davon wis­sen. SPÖ und ÖVP wollen offenbar keine lebendigen europäischen Debatten durch ein Rederecht für EU-Abgeordnete und EU-KommissarInnen ins Plenum des österreichi­schen Parlamentes hereinholen.

Daher richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

Anfrage

1. Werden Sie als österreichischer Vertreter im europäischen Rat trotz der politisch vollkommen unzulänglichen Performance des derzeit amtierenden Kommissionspräsi­denten und trotz der riesigen Herausforderungen, vor denen Europa steht, beim bevor­stehenden Europäischen Rat José Manuel Barroso für eine weitere Amtsperiode unter­stützen?

2. Werden Sie Barroso als österreichischer Vertreter im europäischen Rat auch gegen den Willen der sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament unterstützen?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 109

3. Werden Sie Barroso als österreichischer Vertreter im europäischen Rat unterstüt­zen, obwohl er hauptverantwortlich die Renaissance der Atomkraft, den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und Deregulierung auf Kosten der Sozialpolitik unter­stützt?

4. Können Sie sich eine politische Alternative vorstellen – z.B. in Person Poul N. Ras­mussens, Jean Claude Junckhers oder Guy Verhofstadts – die auch den notwendigen sozialen und ökologischen Umbau der Europäischen Wirtschaft ermöglicht?

5. Was haben Sie – angesichts dessen, dass die Kommission der Europäischen Union die Hüterin der Verträge und die wichtigste Gemeinschaftsinstitution ist – im ZiB 2-In­terview am 10.06.2009 damit gemeint, dass der Kommissionspräsident eine gar nicht so wichtige Rolle einnimmt?

6. Der Lissabon-Vertrag brächte eine demokratiepolitisch wichtige Stärkung des Euro­päischen Parlamentes, auch in Hinblick auf die Wahl des/der KommissionspräsidentIn und der Kommission. Wie stehen Sie daher zum Vorschlag des Co-Vorsitzenden der Grünen Fraktion im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, den/die Kommissionspräsi­dentIn erst zu nominieren, nachdem im Herbst klar sein wird, ob der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt oder nicht?

7. Werden Sie dafür sorgen, dass seitens der Bundesregierung dem Hauptausschuss des Nationalrates mehrere Persönlichkeiten als KandidatInnen für den/die österreichi­sche KommissarIn vorgeschlagen werden, die auch alle bereit sind, sich einem Hea­ring im Hauptausschuss des Nationalrates zu stellen?

8. Werden Sie einem Vorschlag zustimmen, in dem ausschließlich Persönlichkeiten Ih­res Koalitionspartners enthalten sind?

9. Werden Sie  – im Sinne der Transparenz der österreichischen Positionierungen in Brüssel – dafür Sorge tragen, dass in Zukunft das geplante Abstimmungsverhalten der österreichischen Mitglieder in den EU-Räten vor den jeweiligen Ratssitzungen in den „EU-Vorlagen“ an den Nationalrat bekanntgegeben wird?

10. Werden Sie  – im Sinne der Transparenz der österreichischen Positionierungen in Brüssel – dafür Sorge tragen, dass in Zukunft das tatsächliche Abstimmungsverhalten der österreichischen Mitglieder in den EU-Räten nach den jeweiligen Ratssitzungen dem Nationalrat bzw. dem Hauptausschuss bekanntgegeben wird?

11. Werden Sie – entsprechend dem jüngst im Ministerrat gefassten Beschluss, die europapolitische Information zu verbreitern – dafür Sorge tragen, dass sich alle Mitglie­der der österreichischen Bundesregierung der von Außenminister Spindelegger ange­kündigten Vorgangsweise anschließen und ihr Abstimmungsverhalten auf Europäi­scher Ebene in kurzen Videos auf den jeweiligen Homepages ihrer Ministerien der in­teressierten Öffentlichkeit vorstellen?

12. Die Klubobleute von SPÖ und ÖVP sowie deren Spitzenkandidaten zur Europa­wahl sind während des Wahlkampfes für das Rederecht von Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrates eingetreten. Kurz nach der EU-Wahl, im Geschäftsord­nungs-Komitee vom 15.6.09, haben die VertreterInnen von SPÖ und ÖVP jedoch ent­gegen den vorherigen Ankündigungen das Rederecht von Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrates abgelehnt: EU-Abgeordnete sollen sich weiterhin nur im EU-Hauptausschuss zu Wort melden dürfen (was sie mit beratender Stimme schon bislang konnten). Halten Sie als Bundeskanzler einen derartigen Zickzack-Kurs für geeignet, um das Vertrauen der Bevölkerung in die österreichische EU-Politik zu heben?

13. Halten Sie als Bundeskanzler es im Sinne der Belebung der europapolitischen De­batten und der breiteren Information der Bevölkerung für sinnvoll, dass österreichi-


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schen Europa-Parlamentariern sowie hochrangigen VertreterInnen von EU-Institutio­nen bei den im Rahmen der Geschäftsordnungsreform geplanten europapolitischen Debatten das Rederecht zugestanden werden kann?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs.1 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Lunacek als ers­ter Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

 


15.01.03

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Der Herr Bundeskanzler ist auch schon eingetroffen, was mich sehr freut. Aber zuerst einmal zurück ... (Beifall und Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Es freut mich, dass er kommt und nicht seinen Staatssekretär schickt, denn schließlich wird ja er morgen beim Rat in Brüssel sein und nicht der Herr Staatssekretär. Aber es freut mich, wenn der Bundeskanzler, ein Minister und ein Staatssekretär anwesend sind und somit die Regierung das Thema „Europa“ wichtig nimmt.

Aber zunächst zurück zum Vormittag des heutigen Plenartages: Als die Präsidentin un­sere Dringliche Anfrage angekündigt hat, gab es aus fast allen Reihen dieses Hauses, außer aus unseren, massive Missfallensbezeugungen. Ich habe sogar Worte gehört, gerade von dieser Seite (die Rednerin blickt nach rechts), wie „der Europawahlkampf ist schon vorbei“. – Ja, meine Damen und Herren, der Europawahlkampf ist vorbei, aber offensichtlich haben Sie auch noch nicht verstanden, dass Europapolitik auch In­nenpolitik ist und dass es genau deswegen auch wichtig ist, wichtige Entscheidungen auch hier im Plenum des Nationalrates zu diskutieren. Und wir werden das auch wei­terhin machen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist nämlich genau der eine Punkt. Sie haben noch immer nicht verstanden, wie wichtig die europäische Ebene auch für die Innenpolitik ist. Das ist jetzt Thema. (Abg. Hornek: Der Wähler hat Sie auch nicht verstanden!) Er hat Sie auch nicht verstanden, auch Sie haben verloren, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP.

Aber um das geht es nicht. Es geht darum, wie wichtig Sie Europapolitik in diesem Na­tionalrat nehmen. Und da kann ich nur feststellen, dass wir anscheinend die Einzigen sind, die dafür plädieren, die Europapolitik auch im Nationalratsplenum zu thematisie­ren, und dies auch machen. Und wir werden das auch weiterhin tun, auch wenn es bei Ihnen Missfallenskundgebungen auslöst.

Genau Ihre Reaktionen zeigen, warum diese Dringliche heute so nötig ist. Es geht da­rum, welche Richtung diese Europäische Union, von der Österreich ein wichtiger Teil ist, in den nächsten Jahren einschlagen wird. Wird es weitergehen mit unregulierten Spekulationen, mit einer halbherzigen Finanzmarktaufsicht, mit zwar Wortspenden zur Finanztransaktionssteuer, aber nichts Konkretem? Wird es weitergehen mit Deregulie­rung in allen Bereichen, die vor allem die soziale Stabilität auf diesem Kontinent verun­sichert? Wird es weitergehen mit einer halbherzigen Klimapolitik, die auch nicht wirklich viel weiterbringt? Wird es weitergehen mit einer Pro-Atomkraft-Politik und Pro-Gen­technik-Politik? – Um das geht es hier und heute!

Ich bin ja schon gespannt auf Ihre Redebeiträge und sehr wohl auch auf die Ausfüh­rungen des Herrn Bundeskanzlers. Diese Dringliche ist heute deswegen so notwendig, weil nämlich geklärt werden soll, warum Bundeskanzler Faymann tatsächlich vorhat – das hat er ja schon in der Vergangenheit gesagt und auch heute Früh im Hauptaus-


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schuss –, morgen beim Europäischen Rat zu sagen, dass er dafür ist, dass Kommis­sionspräsident Barroso eine weitere Amtszeit bekommt.

Das ist für alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wirklich unvorstellbar, auch für seine eigene Fraktion im Europaparlament, auch für seinen Spitzenkandidaten Swoboda, die alle gesagt haben: Barroso – keine weitere Amtszeit, denn er steht für die Krise, in der sich diese Europäische Union befindet, und dafür, dass er keine Lö­sungen vorbereitet hat. Er ist Erfüllungsgehilfe jener Regierungen, die Druck machen, und Erfüllungsgehilfe der einflussreichen Industrien. Dafür steht Barroso, meine Da­men und Herren, und für nichts anderes! (Beifall bei den Grünen.)

Ein ökologischer und sozialer Umbau dieser Europäischen Union wird mit Barroso nicht gelingen. Ich weiß schon, die von der ÖVP sagen, er ist einer von uns, also wer­den wir ihm zustimmen, alle anderen tun das auch, er hat seine Arbeit ja wunderbar gemacht, kein Problem. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Barroso ist nicht der Beste. Herr Kollege Bartenstein, Sie wissen ganz genau, vor fünf Jahren war eigentlich daran gedacht, dass Verhofstadt Kommissionspräsident wird. Er wurde es dann nicht, weil die Länder Polen, Großbritannien, die damals für den Irak-Krieg waren, gefunden haben, Verhofstadt nehmen wir nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Dann wurde sozusagen Barroso aus dem Hut gezaubert. Er ist aus dem Hut gezaubert worden und hat mit seiner Art und Weise des Agierens bewiesen, dass er der Falsche auf diesem Platz ist. Das heißt, mehr Ökologie, ökologische Umsteuerung der Politik, auch eine sozialere Politik – Ihre Worte, das geht vor allem in Richtung SPÖ – hat es mit Barroso nicht gegeben und wird es mit ihm auch nicht geben.

Der Grund dafür, warum so viele Regierungen und wahrscheinlich auch Sie, Herr Fay­mann, und andere Barroso weiterhin wollen, liegt darin, dass Sie weiterhin Ihre natio­nale Interessenpolitik betreiben und das europäische Projekt weiterhin den nationalen Interessen preisgeben wollen. Das ist es, warum Sie anscheinend dafür sind, Barroso für eine weitere Periode zu nominieren.

Aber was es braucht, ist ein groß angelegter grundlegender Umbau des europäischen Wirtschaftssystems: Milliardeninvestitionen in Ökojobs und Klimaschutz (Zwischenruf des Abg. Grillitsch) – ich erkläre es Ihnen gerade; im Wahlkampf kam ja von Ihrer Sei­te nichts in diese Richtung –, genau die Milliardeninvestitionen im Rahmen eines grü­nen New Deal, die dieses Europa braucht, in neue Jobs und in Klimaschutz, die Schaf­fung einer europäischen Sozialunion. Das geht jetzt mehr in Richtung der Sozialdemo­kraten. Davon reden Sie die ganze Zeit, davon war auch im Wahlkampf immer die Re­de. Europaweit einheitliche, hohe Sozialstandards, das braucht es, und beinharte Re­geln für die Finanzmärkte. Barroso hat dafür gesorgt, dass es in der Vergangenheit zu diesen Dingen, wenn überhaupt, dann nur zaghafte Vorschläge gab. Er ist daran ge­scheitert. (Beifall bei den Grünen.)

Um das noch klarer zu machen: Lesen Sie zum Beispiel das! Ich zitiere meinen künfti­gen Fraktionsvorsitzenden Daniel Cohn-Bendit, der in Frankreich einen großartigen Wahlkampf mit unseren gemeinsamen europäischen Themen geführt hat. Der hat in einem Interview mit der „Welt“ (Zwischenrufe bei der ÖVP) – hören Sie mir zu! – ge­meint, man solle doch das Buch des früheren französischen Europastaatssekretärs Jean-Pierre Jouyet „Sechs Monate Präsidentschaft“ lesen, der über Barroso geschrie­ben hat: „Barroso gibt immer dem Recht, der zuletzt mit ihm gesprochen hat. Das heißt, wenn Sie mit ihm gesprochen und eine Vereinbarung erzielt haben, können sie nicht wissen, ob er sie hält, wenn nach ihnen noch jemand kommt.“

Barroso ist ein Opportunist. (Abg. Amon: Oi!) Er macht das, was die, die am stärksten Druck machen, dann tun. Das ist nicht im Sinne eines gemeinsamen Europa, das tat-


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sächlich in diese Richtung weitergeht, meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg, und das wissen Sie ganz genau! (Beifall bei den Grünen.) Sie tun nur so, weil Sie froh sind, Ihre nationale Politik weitermachen zu können, und ohnehin nichts Europäi­sches machen wollen.

Aber nun zu Ihnen, Herr Bundeskanzler. Es war ja heute schon im Hauptausschuss sehr erstaunlich, wie Sie einfach argumentiert haben, na ja, der Kommissionspräsident soll sich ausschließlich an die Beschlüsse des Rates halten – so als ob er einzig und allein der Verwalter dieser Europäischen Union wäre.

Herr Bundeskanzler, Sie haben das auch in einem Interview in der „ZiB 2“ am 10. Juni ausgeführt. Sie haben gemeint – ich zitiere –, der Kommissionspräsident und auch der Kommissar – Sie meinten den österreichischen – oder vielleicht auch die Kommissarin ist vergleichbar unserer Verwaltung. Die politischen Entscheidungen treffen die Regie­rungschefs oder Minister bei den Ratssitzungen oder eben das EU-Parlament. – Das stimmt schon!

Aber dann haben Sie gesagt: Und daher finde ich die Frage, wer Kommissionspräsi­dent wird, für nicht so wichtig wie die Frage, wer verbietet die Spekulation mit Wasser, wer verbietet die Spekulation mit Energie, wer sorgt dafür, dass wir nicht dasselbe wie­der aufbauen, was gerade in der Wirtschaft zusammengebrochen ist. – Genau, Herr Bundeskanzler, darum geht es nämlich auch morgen beim Abendessen der Regie­rungschefs.

Wenn Sie tatsächlich vorhaben, Barroso wieder zu nominieren oder auch nur zu desig­nieren oder zu sagen, er soll das machen, dann fördern Sie genau das, was Sie hier kritisiert haben: weitere Deregulierungen, Spekulationen. Er wird wieder dafür sorgen, dass die Wirtschaft nicht wieder aufgebaut wird. Das heißt, diesen Widerspruch – des­wegen auch diese Anfrage hier – müssen Sie heute noch erklären. Diese Widersprü­che können Sie nicht aufklären.

Ich habe den Eindruck, Sie haben Europa und diese Europäische Union bis heute nicht verstanden. Sie haben nicht verstanden, dass es darum geht, dass die Kommission Hüterin der Verträge ist und auch tatsächlich europäisch denken muss, anstatt immer nur eigene nationale Interessen voranzubringen.

Das Ende von Spekulation, der Schutz auch von Wasser, von Energie – natürlich sind das europäische Aufgaben. Aber Barroso hat dafür gesorgt, dass das nicht wahrge­nommen wurde. Und ich werde Ihnen jetzt einige dieser Punkte aufzählen, warum er das nicht wahrgenommen hat, wo er versagt hat.

Was die Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft: Schon vor zwei Jahren hat das Europa­parlament die Kommission aufgefordert, doch Maßnahmen und Einschränkungen ge­gen Hedgefonds durchzusetzen. – Nichts hat er getan! Das wurde ignoriert. Er hat auch jahrelang Anträge, dass Ersparnisse durch eine Überarbeitung des Einlagensi­cherungssystems besser zu schützen wären, abgelehnt und ist erst aktiv geworden, als man schon mitten in der Krise war.

Zur rücksichtslosen Deregulierung auf Kosten der Sozialpolitik – das gerade an Sie, Herr Bundeskanzler Faymann, der immer sagt, er will ein soziales Europa. Die Kom­mission, Herr Barroso hat es abgelehnt, eine eigene Richtlinie für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, also Bildung, Gesundheit et cetera, erstellen zu lassen – genau das, was auch die Gewerkschaften gefordert haben, genau das, was die Bürgerinnen und Bürger und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen wollen, dass die Dienstleis­tungen von allgemeinem Interesse nicht nur den Kräften und Regeln des Marktes un­terworfen sind. – Barroso hat es abgelehnt! Von wegen soziales Europa.

Herr Barroso hat es auch abgelehnt, Maßnahmen zu setzen, um Wettbewerb und Libe­ralisierung auf Kosten von Entwicklung und Solidarität einzudämmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 113

Ein ganz konkretes Beispiel, wo meine Kollegin Eva Lichtenberger massiv aufgetreten ist. Barroso war dafür, dass die Arbeitszeit von selbständigen Lkw-Fahrern nicht regle­mentiert wird, dass diese sozusagen fahren dürfen, solange sie wollen, egal, wie müde sie sind et cetera, dass es also für diese keine Regeln gibt. Das hat Barroso auch un­terstützt. Die Grünen haben durchgesetzt, dass das nicht mehr gilt, dass auch selb­ständige Lkw-Fahrer Arbeitszeitregeln haben. Das ist wohl im Dienste der Sicherheit auf den Straßen. Barroso war dagegen und hat in diesem Fall nichts getan.

Ein Punkt aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und des internationalen Handels. Barroso ist dafür eingetreten, dass es bei Verhandlungen mit den AKP-Staa­ten, Afrika, Karibik und Pazifik, über neue Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ledig­lich darum geht, europäische Firmen dahin gehend zu unterstützen, dass sie in jene Länder stärker exportieren können, aber nicht die Wirtschaft in den Entwicklungslän­dern zu stützen. Auch das hat Barroso vorangetrieben – von wegen internationale Soli­darität und soziales Gewissen.

Im Oktober 2008, mitten in der finanziellen Kernschmelze, hat die EU-Kommission ein Handelsabkommen mit 14 karibischen Staaten abgeschlossen, darunter acht Staaten, die von der OECD als Steuerparadiese aufgelistet werden – das in der Zeit, in der man dann begonnen hat, zu sagen, die Steuerparadiese, die Steueroasen gehören ge­schlossen. Zur selben Zeit macht er das noch! Wo bleibt da das gemeinsame europäi­sche Interesse am Verhindern von weiteren Spekulationen, am Verhindern von weite­rer Schädigung der Finanzmärkte? Nichts hat er getan! Das ist ein weiterer Grund, wa­rum Barroso nicht für eine weitere Amtszeit vorgeschlagen werden soll. (Beifall bei den Grünen.)

Und der gesamte Bereich des Klimawandels, des Niedergangs der Umwelt: Die Kom­mission von Barroso hat sogar entgegen den Vorschlägen des eigenen Umweltkom­missars nichts getan, dass verbindliche Ziele für Pkw-CO2-Emissionen festgelegt wur­den, nämlich mit nur 120 Gramm pro Kilometer bis 2012. Nein, er hat nachgegeben, als die Autoindustrie gekommen ist und gesagt hat, wir brauchen aber mehr, wir kön­nen das noch nicht, das geht sich nicht aus. Er hat nachgegeben – so wie immer, wenn jemand von Seiten der Industrie gekommen ist und gesagt hat, wir wollen mehr, des­wegen machen wir das.

Gentechnik, das beste Beispiel. Da hat Barroso drei Mal versucht, den Anbau von gen­technikverändertem Mais zu erzwingen, auch in Österreich. Zum Glück ist das nicht gelungen, weil die Grünen, die NGOs und dann auch die Umweltminister und –ministe­rin sich geweigert haben. Barroso hat es immer wieder versucht. Auch das ein Beispiel, wo ich nicht verstehen kann, wie sich eine österreichische Bundesregierung, ein Bun­deskanzler und auch ein Außenminister schon im Vorfeld darauf verständigen können, dass ein Kommissionspräsident, der das vorantreibt, auch weiterhin Kommissionsprä­sident sein soll. Das ist gegen die Interessen der österreichischen Bürgerinnen und Bürger, Herr Bundeskanzler! Das sage ich Ihnen ganz deutlich und ganz klar. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiteres Beispiel: Barroso war der erste Kommissionspräsident, der sich deklariert hat, für die weitere Nutzung der Atomenergie zu sein, für weitere Atomkraftwerke, der auch die Renaissance der Atomkraft, die die Atomlobby vorantreibt, unterstützt. Ich weiß schon, es wird wohl auch andere Kommissionspräsidenten vorher gegeben ha­ben, die auch selbst für die Atomkraft eingetreten sind. Aber sie haben sich verschwie­gen. Sie haben sich als Kommissionspräsidenten neutral verhalten und gesagt: Nein, wir stehen dazu, dass wir das nicht selbst befürworten. Barroso ist der Erste, der das vorantreibt, der auch in diesem Fall dem Druck der Lobby gewichen ist. Und den wol­len Sie, Herr Bundeskanzler, erneut zum Kommissionspräsidenten machen, ein zwei-


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tes Mal? Weitere fünf Jahre genau wieder mit dieser Ausrichtung weiter für den Atom­kraftwerksbau?

Herr Bundeskanzler, auch das ist nicht im Interesse Österreichs und schon gar nicht im Interesse der österreichischen Bürgerinnen und Bürger, auch nicht der europäischen! (Beifall bei den Grünen.)

Auch andere Punkte sind hier noch zu nennen, gerade was den Umweltbereich betrifft. Das Europaparlament hat viele Vorschläge gemacht, zum Beispiel, wenn es darum geht, den Luftverkehr und die Stickstoffoxidemissionen einzuschränken und den Luft­verkehr in die Gesetze über das Emissionshandelssystem einzuschließen. Das Euro­päische Parlament wollte das. Barroso hat gesagt: Nein, das wollen wir nicht. Und der Rat natürlich immer dahinter.

Barroso und die Kommission sind jene, die natürlich europäische Vorschläge machen müssten, die in Richtung Klimaschutz gehen. Er hat es verhindert, er hat es nicht ge­macht. Deshalb ist er für eine weitere Amtszeit ungeeignet. (Beifall bei den Grünen.) Und das sagen nicht nur die Grünen, sondern das sagen auch die meisten Sozialde­mokraten, ausgenommen der Herr Bundeskanzler. Es gibt durchaus im konservativen Bereich auch einige, die finden, dass es andere gäbe, die das besser machen könnten, zum Beispiel ein Jean-Claude Juncker. Der wäre sicher besser, weil er auch ein stär­keres soziales Gewissen hat. (Abg. Dr. Bartenstein: Haben Sie keine Grünen?)

Wir haben sicher auch Grüne, Herr Kollege Bartenstein. Aber so weit bin ich auch Rea­listin, dass ich weiß, dass in diesem Aushandeln von Maßnahmen und von Personen ein grüner Daniel Cohn-Bendit oder ein Joschka Fischer nicht wirklich eine Chance hätte. Aber wenn Sie einen vorschlagen wollen und die ÖVP dafür ist, freut mich das sehr. Wenn Sie Daniel Cohn-Bendit wollen und wir das im Europaparlament verhan­deln, machen wir es gerne. Keine Frage. (Beifall bei den Grünen.)

Das weiß ich, dass Sie den nicht wollen. Deswegen nehme ich den Vorschlag des Herrn Bartenstein auch nicht wirklich ernst, weil er nicht ernst zu nehmen ist.

Noch etwas anderes, die REACH-Richtlinie, die schwierig zu erreichen war, weil die Chemieindustrie massiv forciert hat, dass es keine Kriterien gibt, wonach die beson­ders besorgniserregenden Substanzen, die als krebserregend gelten, mutagen, erbgut­schädigend, bioakkumulativ und toxisch, genau genannt werden müssen. 800 Stoffe enthält REACH, enthält diese Liste.

Wissen Sie, wie viele die Liste enthält, die von der Kommission verabschiedet wird, die tatsächlich dann auch überprüft werden? – 15! Nicht mehr 800, reine 15! Auch in die­sem Fall ist Barroso dem Druck der chemischen Industrie gewichen und hat gesagt, machen wir halt das Mindeste, machen wir halt ein bisserl etwas, aber, bitte, nicht mehr.

Das ist diese Haltung, die auch zum Defizit bei der Überzeugung der Bürgerinnen und Bürger in Europa beigetragen hat, diese Haltung, wir machen ein bisserl etwas, aber ja nicht mehr, damit es ja niemandem weh tut. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bür­ger nicht hören wollen. Diese wollen starke ökologische Kriterien, die wollen wissen, welche Chemikalien sie verwenden, was da drinnen ist, auch im Rahmen des Konsu­mentenschutzes.

Also in all diesen Punkten hat Barroso versagt, auch im Bereich Demokratie und Men­schenrechte. Es ist wichtig, dass es die EU-Grundrechtsagentur, die in Wien eingerich­tet wurde, gibt. Aber die Kommission hat verhindert, dass sie auch den Auftrag hat, die Menschenrechte in den Mitgliedstaaten zu beachten, und nicht nur jene in anderen Staaten. Als auch in diesem Fall hat er nicht die richtigen Maßnahmen getroffen.


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Es gibt noch eine zweite Begründung, warum es Sinn macht, Barroso morgen nicht zu nominieren, eine demokratiepolitische. Und da gibt es schon Unterstützung von vielen Seiten. Ich habe gerade heute auch gehört, dass Parlamentspräsident Pöttering von Seiten der Europäischen Volkspartei nicht mehr der Überzeugung ist, dass Barroso am 15. Juli im Europaparlament tatsächlich eine Mehrheit haben wird und dass er das vo­raussichtlich morgen dem Rat auch mitteilen wird.

Das heißt, die zweite Forderung von grüner Seite ist eine Verschiebung auf Herbst, wenn klar ist, ob der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt – was ich sehr hoffe.

Wenn das wirklich gelingt, dann kann ich nur sagen, dass die Initiative, die die gestärk­ten Grünen im Europa-Parlament mit Daniel Cohn-Bendit ergriffen haben, tatsächlich etwas für eine stärkere Europapolitik in diesem Europa bringen wird. (Beifall bei den Grünen.)

In dieser Anfrage sind aber auch noch andere Punkte enthalten, die wir von Ihnen wis­sen wollen, nämlich unter anderem die Frage, wie es mit dem oder der nächsten öster­reichischen KommissarIn ausschaut.

Herr Bundeskanzler, Sie haben ja schon darauf verzichtet, dass die Sozialdemokraten sagen, wen sie als KommissarIn haben wollen. (Abg. Huber:  möchtet wahrschein­lich ihr Grünen!) Unsere Forderung ist immer noch, dass es ein Hearing im Nationalrat geben muss.

Die Frage an Sie ist: Sind Sie bereit, gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner mehrere Personen vorzuschlagen, die sich dann auch einem Hearing im Nationalrat stellen? Sind Sie bereit dazu? Und sind Sie bereit dazu, dass das vielleicht nicht nur Vertreter und Vertreterinnen der Volkspartei sind, sondern auch andere Personen, vielleicht auch Persönlichkeiten, Europäerinnen und Europäer, die nicht unbedingt einer Partei nahestehen? Das wäre sinnvoll! (Beifall bei den Grünen.)

Mein Appell an Sie mit dieser Anfrage ist also: Sagen Sie morgen Nein zu Barroso! Nehmen Sie Ihre eigene Forderung nach einem sozialeren Europa ernst! Verschieben Sie die Debatte und dann auch die Entscheidung in den Herbst, wenn klar ist, dass es den Lissabon-Vertrag gibt. Geben Sie diesem europäischen Projekt, das ein ökologi­sches, soziales und demokratisches ist, wirklich eine Chance – und die gibt es nur oh­ne Barroso! (Beifall bei den Grünen.)

15.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundes­kanzler Faymann zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte.

 


15.21.51

Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Präsident! Werter Herr Kollege! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte zuerst zu der personellen Frage hinsicht­lich Barroso Stellung nehmen, obwohl ich persönlich davon überzeugt bin, dass wir als Bundesregierung – und auch ich als Bundeskanzler nicht daran gemessen werden, ob wir in der Europäischen Union zur Vertretung der Interessen Österreichs personelle Fragen in den Vordergrund stellen, sondern wir werden daran gemessen, ob wir euro­paweit in der Lage sind, Finanzmärkte in Ordnung zu bringen, diese in Zukunft massiv zu kontrollieren, Konsequenzen aus der Wirtschaftskrise zu ziehen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und auf der anderen Seite dem sozialen Ausgleich den nötigen Stellenwert zu geben.

Mit verzettelten Diskussionen um Personen werden wir das auch symbolisch nicht er­reichen, sondern wir werden erreichen, dass die Leute glauben, wir streiten über Per­sonen lieber als über Inhalte. Daher möchte ich festhalten, dass meine persönliche


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Haltung ganz klar ist. Ich fahre morgen zu den anderen Vertretern jener Nationalstaa­ten, die der Europäischen Union angehören, um dort die politischen Fragen der Be­völkerung in den Vordergrund zu stellen, und das werde ich auch mit allem Einsatz tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Moser, ich habe Sie als sachliche Politikerin kennengelernt! (Abg. Dr. Moser: Uns geht es auch um die Sache!) Ich frage Sie: Wieso, glauben Sie, unter­stützen Merkel, Sarkozy, Brown, Zapatero, Sócrates und viele mehr eine Kandidatur, eine Designierung, eine politische Vorfestlegung von Präsidentem Barroso? Weil die alle seiner politischen Meinung sind?! (Abg. Dr. Königshofer: Kleinster gemeinsamer Nenner!) Weil Merkel, Sarkozy, Brown, Zapatero, Sócrates und all die anderen, die Barroso öffentlich vorgeschlagen haben, glauben, dass alles, was Präsident Barroso politisch und persönlich vertritt, genau dem entspricht, was sie vertreten? – Natürlich nicht.

Warum ist Barroso, glauben Sie, der einzige offizielle Kandidat im Kreis der Regie­rungschefs? Jetzt können Sie sagen, mehr Mut! Ich könnte als Einziger einen anderen suchen und könnte Juncker, der gar nicht kandidiert, versuchen zu überzeugen, dass wir uns besonders gegen Steuervorteile einsetzen. Ich könnte viele dieser Punkte he­rausgreifen, die Sie erwähnt haben. Ich halte das jedoch nicht für ernsthaft, und zwar deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass wir der Bevölkerung auch die Funktion des Kommissionspräsidenten nicht falsch erklären sollten.

Es ist jeder wichtig. Es ist jeder Kommissar von Bedeutung, und es ist der Kommis­sionspräsident von Bedeutung. Es ist der Europäische Gerichtshof von besonderer Be­deutung. Es sind all die Verantwortlichen in der Europäischen Union von Bedeutung, und mit dem Lissabon-Vertrag kommen sogar noch Ratspräsidenten, der Außenbeauf­tragte et cetera dazu. (Abg. Mag. Kogler: Aber alle sind nichts gegen Zwischen­ruf des Abg. Dolinschek.) Aber Sie können uns nicht einreden, dass die größten und wichtigsten Entscheidungen vom Kommissionspräsidenten getroffen werden. (Abg. Dr. Pirklhuber: Vorschlagsrecht! Die Vorschläge kommen von der Kommission!)

Die Entscheidungen in der Europäischen Union werden von den Nationalstaaten ge­troffen, damit vom Europäischen Rat, und vom Europäischen Parlament, und wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt, dann noch stärker vom Europäischen Parlament, aber sehr wesentlich weiterhin von den Nationalstaaten.

Nun ist die Kommission in der oft sehr schwierigen Situation, dort einen Ausgleich zu schaffen, wo die Europäische Union zu keiner punktgenauen Einigung kommt. – Pro­fessor Van der Bellen hat heute im Hauptausschuss sehr richtig angemerkt, dass sie in den Schlussfolgerungen – so wie wir Österreicherinnen und Österreicher uns das wün­schen würden – präziser, konkreter sein könnte. Es kommt oft etwas nicht zustande und es werden Allgemeinplätze in Schlussfolgerungen eingefügt, statt dass eine wirk­lich punktgenaue Forderung oder eine punktgenaue Maßnahme vorgelegt oder be­schlossen wird.

Diese Uneinigkeit, wie man es manchmal bezeichnen könnte, in der Europäischen Uni­on ist natürlich für die Bevölkerung in Europa oft spürbar – sehr zum Missfallen vieler. Diese Uneinigkeit im Europäischen Rat über punktgenaue Forderungen, wie wir sie uns vorstellen, über sehr präzise Beschlüsse, über wesentliche Sozial- und Wirt­schaftsfragen im Parlament fördert nicht das Vertrauen der europäischen Bevölkerung.

Der Kommissionspräsident kann aber nicht anstelle des Europäischen Rates und auch nicht anstelle des Europäischen Parlaments eine Einigkeit dort herstellen, wo es ekla­tante, deutliche und tiefgreifende Unterschiede gibt – manchmal sogar quer durch die Par­teien und ohne wirkliche Berücksichtigung von Parteizugehörigkeit.


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Es sind zum Beispiel die britischen Freunde, die derzeit Zweifel daran haben, ob der ohnehin noch nicht sehr scharf formulierte Entwurf zur Finanzmarktkontrolle überhaupt beschließbar ist, weil zum Beispiel von der britischen Regierung und deren Vertretern eine andere Meinung zur Finanzmarktkontrolle vorherrscht, als etwa wir das haben wollen.

Bei der Finanztransaktionssteuer ist es nicht Barroso, der sie verhindert, sondern es gibt kaum eine andere Regierung im Rat, die das so sieht wie wir, und auch keine Mehrheit dazu im Europäischen Parlament.

Bei Fragen der Kernenergie ist es noch viel extremer. Da würde selbstverständlich je­der Kommissionspräsident, ja jede Kommission – auch was das initiative Vorschlags­recht oder die Einhaltung von Verträgen betrifft; alles wichtige Funktionen – die Linie gegen Kernenergie umsetzen, gäbe es sie in der Europäischen Union. Tatsache ist, dass wir gerade bei der Kernenergie mit unserer Haltung im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament besonders einsam und unterlegen sind.

Nun heißt das nicht, dass wir nicht mutig voranzuschreiten haben, im Gegenteil: Wir haben von der Finanztransaktionssteuer bis zur Finanzmarktkontrolle, von der Gen­technologie bis zur Atomenergie unseren Standpunkt hart und deutlich zu vertreten. Tun wir aber nicht so, als würde mit einem anderen Kommissionspräsidenten auch nur eine dieser Fragen anders entschieden!

Die Entscheidung, ob die 27 Nationalstaaten sich einigen – sei es im Europäischen Parlament oder sei es im Europäischen Rat –, das ist die wirkliche Entscheidung über die Zukunft Europas, und es wird sich jeder Kommissionspräsident an diese Entschei­dungen halten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Prinz.)

Ich möchte daher nur noch darauf verweisen, dass die Kommission bei all ihrer Bedeu­tung nicht die einzige Entscheidungsträgerin ist. Wir haben sehr oft eine sehr enge Be­ziehung, auch in der Abstimmung österreichischer Interessen, und wir haben oft auch sehr widersprüchliche konkrete Detailfragen mit der Kommission, mit den Kommissa­ren abzuklären. Aber vergessen wir nicht, dass die Kommission ein Kollegialorgan ist! Das heißt, nicht einmal dort ist die Entscheidung eines Einzelnen mächtig genug, die anderen auszuschalten, ganz im Gegenteil.

Daher ist der Kommissionspräsident jemand, der besonders für den Ausgleich verant­wortlich ist, der sich an die Beschlüsse des Parlaments hält, der das Parlament respek­tiert und achtet, der sich an die Beschlüsse des Rates hält, sie respektiert, achtet, um­setzt und mit eigenen Initiativen, Anträgen in der gewollten politischen Richtung weiter voranschreitet.

Daher hat Kommissionspräsident Barroso eine so große Unterstützung – und nicht für seine Haltung zur Frage der Atomenergie.

Ich möchte aufgrund der aufgeworfenen Fragen – in denen Sie sich so ausführlich mit der Person Barrosos beschäftigen – nochmals auf die grundsätzlichen Bemerkungen, die ich am Anfang in aller Offenheit machen wollte, verweisen. Gerade die Fragen 1 bis 4 beschäftigen sich ja nahezu ausschließlich mit der Person Barrosos und mit mög­lichen Alternativen.

Die klaren Spielregeln der Finanzmärkte, die zukunftsorientierte Ausrichtung des nächsten EU-Budgets, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die Klima- und Umweltfragen werden wir dort auszustreiten haben, wo die Beschlüsse fallen werden, nämlich im Rat und im Parlament.

Zur Frage 5:

Ich habe zur Beantwortung dieser Frage bereits einleitend versucht, die Rolle der Euro­päischen Kommission weder über- noch unterzubewerten und sie jetzt nicht in einer öf-


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fentlichen Diskussion über den Unmut in Europa zum Blitzableiter werden zu lassen, sondern sie so darzustellen, wie sie tatsächlich analytisch darzustellen ist, denn eine falsche Analyse wäre der erste Weg zu falschen Maßnahmen.

Zur Frage 6:

Bezüglich des zeitlichen Fahrplans der Bestellung der Europäischen Kommission kann ich Ihnen zur Stunde nicht sagen, wie die Diskussion verlaufen wird und zu welchem Zeitpunkt eine Designierung – und keine formelle Wahl – beschlossen werden kann.

Formell ist natürlich dann abzustimmen, wenn auf Basis eines neuen Vertrages, näm­lich des Lissabon-Vertrages – nach einem möglichen irischen Referendum, und diese Entscheidung ist ausschließlich Sache des irischen Volkes! –, eine Kommission zu be­stimmen und auch die Entscheidungen für weitere Funktionen in der Europäischen Union zu beschließen sein sollten. Da gilt natürlich die formelle Beschlussfassung.

Aber die wichtige politische Frage ist, ob man jetzt designieren und eine politische Übereinkunft treffen soll, ob man im Parlament einen konkreten Beschluss zur Un­terstützung von Kommissionspräsidentem Barroso für eine weitere Periode fassen soll oder nicht.

Der Europäische Rat hat, soweit ich das übersehe, eine sehr einheitliche Meinung, und auch ich bin der Meinung, dass es in Krisenzeiten und in Zeiten eines möglichen Übergangs von einer Rechtsbasis – der Vereinbarungen von Nizza – hin zu einer mög­lichen neuen Rechtsbasis – zum Lissabon-Vertrag – durchaus gut ist, ein politisches Signal der Einigkeit zu setzen und einen Kommissionspräsidenten damit zu beauftra­gen, dies vor allem angesichts der Sorgen und Nöte der Bevölkerung, der zusätzlichen 2 Millionen Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und auch der wirtschaft­lich notwendigen Maßnahmen, die so dringend zu setzen sind.

Es wird sich aber erst entscheiden, wie mit dem Parlament umgegangen und ob dieses in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Das Europäische Parlament hat schon klar signalisiert, auch über viele Grenzen der Parteizugehörigkeit hinweg, dass es in die Frage der politischen Programmatik und in die weiteren Diskussionen über den Vorschlag des Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten eingebunden sein will.

Das heißt, es wird im Anschluss an die eher informelle Abstimmung und an den in der Folge möglicherweise beschlossenen Vorschlag für Präsidenten Barroso seitens der Europäischen Kommission sehr wohl noch ein eigener, respektvoller und auch davon unabhängiger formeller Prozess der Abstimmung mit dem Europäischen Parlament zu erfolgen haben. (Abg. Dr. Pirklhuber: Enthalten Sie sich wenigstens der Stimme!)

Dort werden viele politische Fragen zu klären sein. Dort werden die konkreten Punkte, die Sie, Frau Kollegin Lunacek, heute auch teilweise genannt haben, gefragt und dis­kutiert werden. Dort wird über viele generelle politische Fragen abzustimmen sein. Ich kann Ihnen zur Stunde nicht sagen, ob der konkrete Beschlusstermin im Parlament jetzt im Juli, im August, Anfang September oder wann auch immer sein soll. Dies ge­hört zum respektvollen Umgang mit dem Europäischen Parlament. Jedenfalls wird nach der morgigen grundsätzlichen Diskussion im Europäischen Rat und nach einem möglichen Vorschlag das Europäische Parlament damit dementsprechend eigenstän­dig befasst werden.

Es geht also darum, den Prozess der Neubestellung in der Europäischen Kommission in Gang zu setzen.

Zu den Fragen 7 und 8:

Dazu möchte ich festhalten, dass die Befugnisse im österreichischen Parlament betref­fend sowohl die Besetzung von wichtigen Positionen in der Europäischen Union als


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auch die Ausrichtung der österreichischen EU-Politik sicher zu den am weitestreichen­den in der Europäischen Union zählen.

Sie kennen die klaren Spielregeln zur Nominierung des österreichischen Mitglieds in der Europäischen Kommission, die uns die Bundesverfassung vorschreibt, wie auch zur Bestellung des österreichischen Mitglieds des Europäischen Gerichtshofs – eine Entscheidung, die wir ja in Person von Maria Berger erst unlängst getroffen haben.

Politische Meinungsbildung im Rahmen der Bundesregierung, informelle Konsultatio­nen mit politischen Parteien im Nationalrat – und zwar vor dem Beschluss der Bundes­regierung –, Beschluss der Bundesregierung und schließlich die Herstellung des Ein­vernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrats sind die Schritte des Verfah­rens, an das wir uns selbstverständlich auch mit aller politischen Überzeugung halten werden; wir werden das nicht einfach nur abwickeln.

Die Frage, ob Sie im Parlament beschließen, ein Hearing abzuhalten oder nicht, ob Sie die Fragen und Antworten, auf die jeder Abgeordnete im Rahmen des Hauptausschus­ses ein Recht hat, an mich, an den Kandidaten, an den Außenminister oder an wen auch immer stellen, wird sicher in Ihrer Präsidiale und aufgrund Ihrer eigenen Spielre­geln im Parlament noch diskutiert werden. (Abg. Brosz: Das war nicht die Frage! Abg. Mag. Lunacek: Das war nicht die Frage an Sie! Das ist nicht die Frage!)

Zu den Fragen 9 und 10:

Das ist eine Frage der Spielregeln. Ich bin heute auch öffentlich öfters gefragt worden, ob bei einer Wahl nicht mehrere Personen zur Auswahl stehen sollten. Natürlich gibt es Wahlen, bei denen mehrere Personen zur Auswahl stehen. Aber es gibt – das wissen Sie auch, ich erinnere nur an die letzte bezüglich des österreichischen Mitglieds zum Europäischen Gerichtshof – auch Wahlen, bei denen man sich darauf einigt, dass je­mand so etwas wie ein gemeinsamer Kandidat ist.

Ich bin auch bei Maria Berger davon überzeugt, dass das, wofür sie politisch eintritt, nicht in jedem Detail von jedem Abgeordneten, der für sie gestimmt hat, geteilt wird. (Abg. Dr. Bartenstein: Da können Sie recht haben!) Ich bin auch nicht auf der Suche nach Unterschieden, sondern nach Gemeinsamkeiten. Daher bin ich davon über­zeugt, dass es für eine Wahl sehr wohl einen Kandidaten geben kann, für den nach einem Diskussionsprozess und aufgrund der Suche nach Gemeinsamkeiten gestimmt wurde.

Zur Frage 11:

Die Bundesregierung steht natürlich hinter dem Beschluss, der am 9. Mai über den An­trag des Herrn Außenministers gefasst wurde. Dort wurde unter anderem beschlossen, dass die Mitglieder der Bundesregierung, die am EU-Rat teilnehmen, nach einer Rats­tagung im Internet möglichst umgehend über die Beschlüsse und ihr Abstimmungsver­halten zu informieren haben.

Zu den Fragen 12 und 13:

Diese die parlamentarische Geschäftsordnung betreffenden Angelegenheiten sind, wie ich schon ausgeführt habe, von den Fraktionen des Parlaments gesondert zu beraten; anschließend sind Vorschläge zu machen.

Ich achte diese Rechte und habe mich in diese nie im Detail eingemischt (Abg. Dr. Pirklhuber: Meinungslos!), sondern ich habe immer versucht, meine grundsätzli­che Haltung zum Ausdruck zu bringen, wie ich überhaupt der Meinung bin, dass nach diesem Wahlergebnis und nach dieser niedrigen Wahlbeteiligung – und ich sage auch, dass dies für uns Sozialdemokraten ein schmerzliches Ergebnis ist – die Antwort nicht sein sollte, zu versuchen, die Europäische Union der Bevölkerung über ihre Funktio-


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nen, ihre Funktionsträger und Postenbesetzungen zu erklären (Abg. Grosz: Das haben Sie bei der Frau Berger schon bewiesen! Sie ist die größte Fehlbesetzung!), sondern wir sollten das tun, was die Europäische Union wirklich stärken würde, nämlich den Gedanken der Europäischen Union – die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Stär­kung der Wirtschaft, der Umwelt und des Friedensprojekts – als inhaltlich vorrangig be­handeln. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Grosz: Sie sind die größten Postenschacherer! Ruf bei den Grünen: Der ORF !)

15.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


15.39.09

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Abgeordnete! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben das jetzt zwar irgendwie irrsinnig nett versucht, aber „des geht ned eine“ – uns weismachen zu wollen, dass Postenbesetzungen in der Politik überhaupt nichts mit Politik zu tun haben!

Okay, dann tauschen Sie doch einfach mit Vizekanzler und Finanzminister Pröll das Amt! Sie verwalten ja sowieso nur, der Vizekanzler legt auch kein Budget vor, er hat ja noch viel weniger zu reden als ein Kommissionspräsident. Bitte, dann seien Sie doch ein bisschen lockerer und machen Sie diese reine Verwaltungstätigkeit in der Regie­rung auch ein bisschen so!

Es ist doch völlig „wurscht“, wer Bundeskanzler ist (Abg. Dr. Königshofer: Tauschen Sie mit dem Herrn Ostermayer!), der verwaltet nur, der hat nicht einmal Initiativrecht – die Kommission sehr wohl. Also, würde ich das von jemand anderem hören, würde ich wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass es offen zur Schau getragene Inkompe­tenz ist.

Aber das kann ich bei Ihnen nicht annehmen, das mache ich auch nicht. Das war der Versuch, der Bevölkerung ordentlich Sand in die Augen zu streuen, völlig zu verschlei­ern, worum es geht. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben sich in den letzten Monaten immer lautstark dafür aus­gesprochen, dass Europa sozialer werden muss. Eine Erklärung, was das genau sein soll, sind Sie uns zwar schuldig geblieben, aber was zumindest klar geworden ist, ist, dass Sie mit der jetzigen Politik – und da gehört die Politik der Kommission dazu – of­fensichtlich nicht einverstanden waren. Gleich nach der Wahl haben Sie auch ange­kündigt, die Sozialdemokratie müsse noch kritischer werden. Jetzt würde mich schon interessieren, wem gegenüber Sie denn kritischer werden wollen, wenn die Kommis­sion ohnehin egal ist! Wollen Sie vielleicht dem Europaparlament kritischer gegenüber­stehen oder Kollegem Sarkozy oder Kollegin Merkel? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was meinen Sie denn eigentlich damit, wenn diese Frage, wie die zukünftige Kommis­sion zusammengesetzt ist, wer Kommissionspräsident ist, völlig nebensächlich ist und ein reines Postenbesetzungstheater?

Das hätte mich schon interessiert, und Sie haben darauf keine Antwort gegeben. Für welche Politik steht die Kommission inhaltlich? Was wird sie in den nächsten fünf Jah­ren angehen? Was sind ihre Richtlinienvorschläge? Was sind generell ihre Vorschläge zur Frage, wie sich die Union weiterentwickeln wird? Das sind extrem relevante Fra-


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gen, und in den nächsten fünf Jahren wird in vielen Bereichen ein extrem wichtiger Bo­gen gespannt und auch entschieden werden, in welche Richtung sich Europa – und damit auch Österreich – weiterentwickelt.

Viele der Gesetze, die wir hier beschließen, fallen nicht vom Himmel, kommen nicht vom lieben Gott oder von sonst wem, sondern das sind Richtlinien, deren Umsetzung wir ausschließlich deswegen hier im Haus beschließen – beschließen müssen, be­schließen wollen –, weil sie die Kommission irgendwann einmal erfunden hat. Dieses große Recht, dieses Initiativrecht – das Herzstück, das eigentlich ausschließlich einem Parlament zustehen sollte – steht im Moment ausschließlich der Kommission zu. Die Kommission hat eine sehr, sehr große Machtposition, und es bedeutet eine inhaltliche Entscheidung über Politik – vor allem auch in Österreich –, wer diese Kommission in Zukunft führt, wer ihre Besetzung vorgibt, wer dem Europaparlament den Vorschlag macht. Diese Entscheidung sparen Sie völlig aus.

Was Sie auch aussparen – und das ist mittlerweile ein Faden, der sich durch alle euro­papolitischen Debatten durchzieht: Was ist eigentlich Ihre Meinung, was ist Ihre Vi­sion? Was wollen Sie denn von Europa? Wie soll sich denn das weiterentwickeln?

Ich habe jetzt nur vernommen, dass dieses Europa der Reichsfürsten – also die Rats­versammlungen, die Treffen der Minister aus den Mitgliedsländern – so bleiben soll, wie es ist, dass Sie damit zufrieden und glücklich sind, dass weiterhin 27 Länder ihre angeblich – angeblich! – nationalen Interessen ausverhandeln – die im Übrigen nichts oder oft nichts mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu tun haben –, dass Ih­nen das reicht, dass Sie damit zufrieden sind. Sie wollen sich ja nicht einmal dazu be­kennen, dass es vielleicht gut und auch für eine Debatte bereichernd wäre, hier im ös­terreichischen Nationalrat unter anderem auch europäische Politiker reden zu hören. Nicht einmal zu dieser Meinung können Sie sich hinreißen lassen.

Ich fasse es einmal so zusammen: Wer Kommissionspräsident wird, ist Ihnen egal, ob die Sozialdemokratie im Europaparlament diese Entscheidung ablehnt, ist Ihnen auch egal – die Abgeordneten werden sicher keine guten Gründe haben. Herr Bundeskanz­ler, Sie haben gesagt, Sarkozy und Merkel werden schon Gründe haben, Barroso vor­zuschlagen und zu unterstützen. Schulz, Swoboda – die haben wahrscheinlich keine Gründe, Barroso abzulehnen.

Also was ist wirklich Ihr europapolitisches Programm, wofür stehen Sie und was wollen Sie von Europa? – Diese Antworten sind Sie zu 100 Prozent schuldig geblieben mit diesen Versuchen. (Beifall bei den Grünen.)

Auch viele in der ÖVP waren mit der Politik der Kommission sehr unglücklich. Ich kann mich gut erinnern an den tosenden Applaus im Umweltausschuss, als Umweltminister Berlakovich gemeinsam mit vielen, vielen Grün-Bewegungen in Europa, mit den NGOs das Gentechnikverbot in Österreich – unter Anführungszeichen – „gerettet“ hat. (Abg. Rädler: Zu Recht! Zu Recht!)

Ja, wer hat denn das überhaupt angegriffen, dieses Gentechnikverbot? Drei Mal hinter­einander in völlig unverschämter Art und Weise, völlig unverständlich, gegen 80 Pro­zent des Willens der europäischen Bevölkerung im Übrigen! – Das war die Kommis­sion, drei Mal hintereinander! Ist es nicht auch für Sie ein bisschen relevant – oder für den Umweltminister –, wer in Zukunft darüber entscheidet, ob es in Österreich weiter­hin ein Gentechnikverbot geben darf oder nicht?! (Abg. Rädler: Barroso! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Hornek.) Ist es Ihnen egal? Kollege Amon sagt, ja (Abg. Amon: Nein!) – Ihre Zwischenrufe vorhin habe ich gehört –, das ist der beste Mann und so weiter. Ist Ihnen völlig egal, welche Positionen er inhaltlich vertritt? – Offensichtlich schon! Eine reine – ich weiß nicht – Pappfigur, die der Kommission vorsteht, oder wie meinen Sie das, das sei egal? (Abg. Amon: Ich weiß nicht, warum Sie ihn so be­schimpfen!)


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Sie sollten sich nach inhaltlichen Kriterien entscheiden, die Sie selbst aufgestellt ha­ben, und eines der großen Kriterien – wie ich die ÖVP immer verstanden habe – ist: Gentechnikfreiheit in Österreich ist wichtig! Dann ziehen Sie aber auch die Konse­quenz und sagen: Alle, die diese Politik weiter machen wollen – nämlich die Gentech­nik der Bevölkerung aufs Aug’ zu drücken –, unterstützen wir in Zukunft nicht mehr. Dann dürfen Sie aber Barroso nicht unterstützen; das ist ganz logisch. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amon: Hätten Sie den Voggenhuber besser unterstützt, Frau Kolle­gin!)

Beim Kollegen Bartenstein ist das vielleicht ein bisschen anders. Kollege Bartenstein hat die Kommission aus anderen Gründen sehr kritisch gesehen – als Energieminister. Wenn dort gute Vorschläge zur Energieeffizienz oder zum Klimaschutz gekommen sind, war Ihr Ressort unter Ihrer Führung damals kritisch (Abg. Amon: Voggenhuber war sehr anerkannt! Den haben Sie in die Wüste geschickt!), obwohl die ÖVP – offen­bar nach außen hin – immer das Klimaschutzmäntelchen getragen hat. Also bei Ihnen verstehe ich, dass Sie Barroso weiterhin unterstützen, aber okay, das ist ein anderes Thema.

Ein drittes Thema noch: Die ganze Frage der Atomenergie in Europa ist schwierig ge­nug, das wissen wir alle, und Sie werden in Europa wenige für diese Position finden, die überhaupt nicht für Atomkraft sind. Aber muss man es sich daher so schlimm ma­chen, wie nur irgendwie möglich? Barroso war der erste Kommissionspräsident, der sich offen geoutet hat, der diese – unter Anführungszeichen – „angebliche“ Neutralität der Kommission (Abg. Rädler: Das haben die Grünen in Deutschland ...!) erstmals ver­lassen hat und sich offen pro Atomkraft ausgesprochen hat.

Was glauben Sie, was das in Europa auslöst, welche Investitionsentscheidungen das auslöst? Glauben Sie, es ist völlig irrelevant, wie sich ein Kommissionspräsident in die­ser Frage positioniert? Wenn Sie konsequent gegen Atomenergie auftreten (Ruf bei der ÖVP: Wie in Deutschland ...!), dann darf das nicht bei der österreichischen Grenze aufhören, und schon gar nicht bei der deutschen Grenze, weil Kollegin Merkel im Übri­gen unter Umständen auch keine Atomkraftgegnerin ist, die auf unserer Seite kämpft, oder vielleicht auch auf Ihrer; das weiß ich nicht. (Abg. Neubauer: Aber in Deutschland haben sie mit Hilfe der Grünen die Atomkraft verlängert!)

Wenn Sie konsequent sagen, wir sind gegen Atomenergie, wir wollen einen europawei­ten Atomenergieausstieg, dann müssen Sie Nein zu Barroso sagen. Alles andere ist völlig unsinnig und unlogisch. – Erklären Sie mir das Gegenteil! (Beifall bei den Grü­nen.)

Das reicht natürlich nicht für die Frage einer europäischen Kommissionsbesetzung aus, obwohl es sicher ein wichtiges Argument ist. Aber ich glaube, auch Sie waren un­glücklich damit, wie die Wirtschaftskrise, die Finanzkrise von den europäischen Institu­tionen gehandlet worden ist. Da gibt es sicher einiges zu verbessern. Viele Vorschläge des Europaparlaments, viele Kontrollvorschläge, viel Unbehagen gegenüber Hedge­fonds et cetera – schon sehr früh formuliert – hat die Kommission – und auch Barro­so – im Übrigen weitgehend ignoriert – schon Jahre vorher.

Bundeskanzler Faymann hat so ein rosig-rosarotes Bild gezeichnet von der Kommis­sion, die immer „hupft“, wenn das Europaparlament etwas sagt: Eine der wichtigsten Fragen für die Bevölkerung ist die Frage, wie sich Lobbyinteressen in Europa durchset­zen können. Das Europaparlament hat über Jahre versucht, ein sehr deklariertes, offe­nes Lobbyverzeichnis dieser Interessenvertretungen anzulegen, bei dem man ganz klar deklarieren muss, für wen man arbeitet, für wen man spricht und von wem man be­zahlt wird.

Die Kommission hat diesen ganz, ganz wichtigen Vorschlag nicht nur verwässert und nicht umgesetzt, sondern über Jahre hinweg auch ignoriert. Sie sollten Ihr Bild über


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Europa ein bisschen korrigieren und vielleicht zugeben, dass Personalentscheidungen schon auch – ein bisschen zumindest – politische Entscheidungen sind, Herr Bundes­kanzler – oder vielleicht auch nächste Woche Vizekanzler, vielleicht tauschen Sie ja ein bisschen herum. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Klubob­mann Dr. Cap. Eingestellte Redezeit: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Es wäre aber auch herrlich gewesen, ein paar Worte über Johannes Voggenhuber zu hören!)

 


15.48.47

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte gleich eingangs zwei Richtigstellungen vornehmen. In der Dringlichen Anfrage der Grünen werde ich zweimal zitiert – ich möchte daher gleich einmal präzisieren, was ich gemeint habe.

Punkt eins: Ich bin für eine Aufwertung des EU-Hauptausschusses. Ich bin dafür, dass dort die Redemöglichkeit der Mitglieder des Europaparlaments ausgeweitet wird; ich bin dafür, dass dort auch über eine entsprechende – auch mediale – Transparenz nachgedacht wird, und denke, dass das der richtige Ort ist. Für jedes andere Modell gibt es im Moment in Europa kein vergleichbares Modell – und daher bin ich dafür, dass man das im Hauptausschuss ansiedelt und dort die Möglichkeiten ausbaut.

Zweiter Punkt: Ich bin dafür, dass der Kandidat oder die Kandidatin, den oder die die Regierung für die EU-Kommission ausgewählt hat, sich vor der Einvernahme im Haupt­ausschuss einer Diskussion im Hauptausschuss stellt und seine Pläne, Themensetzun­gen, Schwerpunktsetzungen präsentiert. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Ich halte das für einen demokratischen Vorgang, glaube, dass das sehr sinnvoll ist. Alles andere hat keine Rechtsgrundlage, denn die Regierung muss den Vorschlag machen. Es gibt keine Rechtsgrundlage für ein Hearing mit mehreren Kandidaten. Das würde bedeuten, der Hauptausschuss sucht aus. Die Wahrheit ist, die Regierung schlägt vor, und wir können Ja oder Nein sagen.

Daher wäre es, glaube ich, sinnvoll, würde es diese Diskussion mit dem Kandidaten oder der Kandidatin im Hauptausschuss geben. Ich bin auch überzeugt davon – allein aufgrund der Namen, die hier kursieren –, dass der Kandidat/die Kandidatin, wer auch immer das werden mag, selbstverständlich gerne von sich aus die Möglichkeit in An­spruch nehmen wird, sich gegenüber dem Hohen Haus zu äußern. – Das ist das eine.

Das andere: Ich habe mir heute die Diskussion im Hauptausschuss und jetzt die Dis­kussion hier sehr genau angehört und muss sagen, teilweise wiederholt sich das alles, es wird aber deswegen nicht besser. Frau Abgeordnete Lunacek, Sie ordnen dem Kommissionspräsidenten Rechte zu, die maximal der französische Staatspräsident hat; dieser sitzt der Regierung vor, ist ein Regierungschef und bestimmt das. Ich würde sa­gen, man soll sich ganz einfach auf die Rechtsgrundlage der Kommission besinnen. Wir brauchen sie weder hochzuheben noch herunterzusetzen, sondern schlicht und einfach nur auf sie einzugehen.

Da steht eindeutig, dass die Kommission im Wesentlichen Initiativ-, Kontroll- und Exe­kutivrechte hat.

„Der Schwerpunkt der Kommissionstätigkeit liegt in der Planung und Ausarbeitung von Vorschlägen für Rechtsakte des Rates“ – die von Rat und EP zu beschließen sind –, „im Erlaß von Durchführungsmaßnahmen sowie in der Ausführung des Haushaltspla­nes.“

Oder unter 4.4.2.1., Kapitel institutionelles System, Grundlagen: „Da der Rat nur weni­ge Beschlüsse autonom treffen kann, in aller Regel dagegen zum Erlaß eines Rechts-


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aktes auf einen Entwurf der Kommission angewiesen ist, kommt (...) der Initiativrolle der Kommission entscheidende Funktion zu.“

Daher wird die Kommission mitunter auch als Motor der Gemeinschaft bezeichnet.

Aber – steht im gleichen Absatz – das alles ist natürlich nur auf Basis des möglich Durchsetzbaren im Rat auch realistisch. – Das heißt, das Europaparlament, der Rat und die Kommission werden als die drei wesentlichen Elemente des Entscheidungs­prozesses in der Europäischen Union beschrieben. Es wird aufgezeigt, dass es auf die wirklich sinnvolle und kluge Balancierung ankommt.

Aber, und das ist entscheidend, der Kommissionspräsident muss sich dem Europapar­lament stellen und wird sich dort natürlich auch den Themen, Fragen und Schwer­punktsetzungen, die von den einzelnen Fraktionen und Abgeordneten geäußert wer­den, stellen müssen, sich dazu äußern müssen. Er muss dort auch bestätigt werden, und wenn er nicht bestätigt wird, dann ist er es nicht. – Das möchte ich schon einmal festhalten, dass es da eine demokratische Legitimation geben muss, und ich bin sehr froh, dass das dort stattfindet.

Ich höre zum Beispiel von der Europäischen Volkspartei, dass diese Erweiterungsphi­losophie, diese Erweiterungseuphorie, die allerorts zu beobachten ist, angesprochen werden soll. Das ist ein interessanter Diskussionsprozess, und ich bin auch schon längst der Meinung, dass es da irgendwann einmal einen klaren Meinungsbildungspro­zess geben muss. Ich denke da zum Beispiel an die Diskussion: Wo ist Europa zu defi­nieren? – Darauf kann es nie eine g’scheite Antwort geben, wenn im Endeffekt immer nur ein Schwall an unterschiedlichen Einschätzungen und Meinungen übrig bleibt.

Ich sage zum Beispiel, die Türkei soll nicht Mitglied in der Europäischen Union werden. Ich meine, auch die Ukraine nicht. Man kann die Prozesse im Westbalkan noch zum Abschluss bringen, aber dann soll man über andere Formen der Zusammenarbeit nachdenken. Wenn man dann für eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei ist, ist das de facto nicht mehr die Fortsetzung eines Verhandlungsprozesses in Richtung einer Mitgliedschaft, sondern das hat eine andere Zielsetzung. Die Franzosen haben schon durchgesetzt, dass das Wort „Beitritt“ in den Schlussfolgerungen gar nicht mehr vorkommt. Frau Merkel und Herr Sarkozy haben sich schon sehr deutlich dazu ge­äußert – das wurde auch medial kommuniziert –, dass dieser Prozess in Richtung einer privilegierten Partnerschaft gehen soll.

Sarkozy hat eine Art Mittelmeer-Union vorgeschlagen, in die all die Länder im Mittel­meerraum, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, eingefügt werden können. Er hat gemeint, unter französischer Patronanz, und das war natürlich nicht sehr attrak­tiv für die anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union, daher wird die Europäi­sche Union darüber nachzudenken haben, inwieweit man diesen Raum einbeziehen kann.

Das Sinnvolle dabei ist, dass mit dem Nachdenken über diese spezielle Assoziierung mit diesen Ländern auch darüber nachgedacht werden kann, wie sich dort die wirt­schaftliche Struktur verbessern kann, damit Beschäftigung geschaffen werden kann, damit es keinen Immigrationsdruck gibt, sondern damit zum Beispiel in Nordafrika oder im östlichen Bereich des Mittelmeeres auch die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden können.

Ich glaube, dass diesbezüglich eine interessante Debatte im Rahmen des Europäi­schen Parlaments zu erwarten ist. Österreich wird seinen Beitrag dazu leisten, Öster­reich wird einen Kommissar oder eine Kommissarin stellen, aber Österreich wird ganz maßgeblich auf die Politik der Europäischen Union Einfluss zu nehmen versuchen, na­türlich primär über die Vertretung in den Räten und im Europäischen Parlament und dann auch in Kommunikation mit dem/der entsprechenden Ansprechpartner/in in der


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Kommission, aber auch mit anderen Kommissaren. Die Ressortaufteilung ist ja keine nationale Ressortaufteilung, dass man sagen kann: Liebe Österreicher, was interes­siert euch? – Okay, das ist euer Ressort!

Es wird im Übrigen auch interessant sein, was der designierte Kommissionspräsident von sich geben wird, wenn es um die Ressortaufteilung geht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Plassnik.) Das ist ja eine europäische und keine nationale Einrichtung. Es ist eine europäische Einrichtung, und daher wird man versuchen müssen, mit allen Kommissa­ren zusammenzuarbeiten.

Dass es auch mir lieber gewesen wäre, es hätte ein anderes Wahlergebnis gegeben, das brauche ich nicht zu verheimlichen. Es wäre mir auch lieber gewesen, es hätten mehr als 50 Prozent der Bevölkerung Europas und auch Österreichs an den Europa­wahlen teilgenommen. Mir wäre es lieber gewesen, die alternativen Kräfte zu dem bis­herigen neoliberalen Kurs hätten mehr Stimmen und mehr Unterstützung bekommen. Wir müssen eben darüber nachdenken, wie wir das nächste Mal ein besseres Ergebnis erzielen können. Auf jeden Fall ist es so, dass das Wahlergebnis diejenigen gestärkt hat, die auch bisher hauptverantwortlich für diesen Kurs gewesen sind.

Was interessiert die Menschen? – Die Menschen interessiert, ob die Europäische Uni­on in ihrer Koordinationsfunktion auch einen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung, für Wirtschaftswachstum und für die Beschäftigung leistet – Beschäftigung gehört näm­lich auch zum Aufgabenbereich der Europäischen Union –, ob sie imstande ist, Kon­trollstrukturen, Regelungsstrukturen aufzubauen, eine europäische Finanzmarktauf­sicht, ob sie wirklich dem Treiben der Hedgefonds Regeln entgegensetzen kann – was bisher nämlich in den Vorschlägen nicht geschehen ist –, Rating-Agenturen, Transpa­renz – alles Dinge, womit man Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen kann.

Weiters: Wie geht die Europäische Union mit der Frage der Kriminalität um? Bessere Koordination? – Sie ist auf dem Weg dazu. Wie sichert sie die Schengen-Grenzen opti­mal ab? Wie kann sie ihren Beitrag zu den Bereichen Klimaschutz, Klimawandel und CO2 leisten? – Das sind die Dinge, die wirklich interessieren.

Wie können wir als Europäische Union einen Friedensbeitrag leisten? – Indem wir mit gemeinsamer Stimme im Nahost-Konflikt auftreten! Mittlerweile ist das, was die Euro­päische Union diesbezüglich gesagt hat, auch der Standpunkt Obamas und der Ver­einigten Staaten. Ich glaube, es gibt eine Fülle an Aufgaben – das sind die Inhalte.

Was die Menschen nicht mögen, ist, dass wir uns tage- und wochenlang den Kopf da­rüber zerbrechen, welche Person wo was macht. Es ist schon richtig, Frau Abgeordne­te Lunacek, eine Person steht auch für eine bestimmte Politik, aber diese Person muss sich auch an Mehrheitsbeschlüsse halten, und diese Person muss auch eine Legitima­tion haben. Das darf man dabei nicht vergessen, denn das ist auch eine gewisse Ba­lance. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Ich kann mir auch einen Besseren vorstellen als Barroso, aber Sie müssen trotzdem einen Zugang haben, der letztlich realistisch ist, der letztlich auch eine Umsetzungs­perspektive hat und der letztlich auch mithilft, die Frage zu beantworten: Was ist für Österreich das Beste? (Abg. Öllinger: Barroso?!), denn auch das sollten wir tun. (Abg. Mag. Kogler: Sie kommen vor lauter Umsetzung in die Perspektivenlosigkeit!)

Österreich ist Teil der Europäischen Union, wir haben darüber nachzudenken, wie sich die Europäische Union weiter entwickelt, aber wir haben den Österreicherinnen und Österreichern auch mitzuteilen, was letztlich in der Weiterentwicklung der Europäi­schen Union auch für sie eine Weiterentwicklung ist. Wenn wir das nicht zustande brin­gen, dann wird es weiterhin dieses wachsende Misstrauen geben, noch weniger Wahl­beteiligung geben, und Ihnen wird dann unterstellt, Sie hätten in Brüssel nur irgendwel-


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che G’schichten jenseits dessen, was die Österreicherinnen und Österreicher wollen, im Kopf. Das wäre falsch. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.)

Es geht um die Synthese zwischen beiden – Österreich und Europa –, denn das ist eine Gemeinsamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Dr. Plassnik. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


15.59.04

Abgeordnete Dr. Ursula Plassnik (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir eine Europa-Debatte führen, auch durchaus im Nationalrat. Ich bin sehr dafür. Eine Warnung möchte ich aber schon an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen ergehen lassen: Den Frust über den Ausgang der EU-Wahlen, die vielleicht nach Ihrem Geschmack nicht ganz so verlaufen sind, wie Sie sich das vorgestellt haben, in eine Jagd nach Sünden­böcken umzumünzen, das, glaube ich, ist es nicht, was die Akzeptanz Europas in un­serem Land verstärkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Personalisierung dieser Art ist ältester Politik-Stil, das überzeugt niemanden. Ich möch­te Ihnen auch sagen: Feindbilder zu schaffen, statt sich Partner auf europäischer Ebe­ne zu suchen, auch beim Kommissionspräsidenten, halte ich grundsätzlich für keine sehr kluge Politik.

Wichtiger wäre – da gebe ich Herrn Klubobmann Cap durchaus recht – eine inhaltliche Positionierung. Wir brauchen eine europäische Zukunftsoffensive. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist da. An der Themenstellung für die Hausaufgaben im außenpolitischen Bereich und im institutionellen Bereich ändert sich gar nichts, wenn Sie versuchen, Jo­sé Manuel Barroso schlechtzumachen und ihm ein Sündenregister vorzuhalten. Das ist eine außerordentlich einseitige Betrachtungsweise! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich bin durchaus dafür, dass wir uns hier mit der Funktion und den Aufgaben des Kom­missionspräsidenten beschäftigen. Wir haben das heute auch schon im Rahmen des Hauptausschusses diskutiert. Dazu möchte ich eine Bemerkung machen, und diese geht auch in Ihre Richtung, Herr Bundeskanzler, denn Sie haben gesagt: Welche Funk­tion hat denn der Kommissionspräsident in der Tat? – Darauf erwidere ich: Es ist eine gewichtige Funktion. Ich meine, wir sollten mit den Füßen auf dem Boden bleiben und diese Funktion nicht kleinreden, denn der Kommissionspräsident und die Kommission sind im institutionellen Gefüge der Europäischen Union natürlich ganz gewichtige Fak­toren!

Zunächst möchte ich festhalten, dass die Kommission vertraglich zu Unabhängigkeit und dem europäischen Gemeinwohl verpflichtet ist. Meine Damen und Herren, die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft. Daher ist es wichtig, was die Rechts­regeln, die unser aller Rechtsregeln sind, festhalten.

Das Initiativmonopol der Kommission in der Rechtsetzung ist ein umstrittenes und sehr bestrittenes, vom Europäischen Parlament immer wieder angenagtes Thema. Die Kommission hat dieses Monopol, ob wir das wollen oder nicht. Das sehen wir jetzt aus aktuellem Anlass bei der Finanzaufsicht. Daher haben wir allen Grund zu hoffen, dass es zu entsprechend starken Vorschlägen von Seiten der Kommission kommt. (Präsi­dentin Mag. Prammer übernimmt wider den Vorsitz.)

Die ganz konkrete Ausgestaltung im Alltag der gemeinsamen europäischen Politiken, ob das die gemeinsame Agrarpolitik oder die gemeinsame Außenhandelspolitik ist, auf die Martin Bartenstein später eingehen wird, liegt in den Händen der Kommission: Die


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Kommission verhandelt für die europäischen Mitgliedstaaten, und hier ist ein ganz neues institutionelles Gleichgewicht entstanden, weshalb wir auch Interesse daran ha­ben, in der Kommission und vor allem auch mit dem Kommissionspräsidenten auf die Dauer einen Partner zu haben.

Die Kommission verwaltet und vergibt einen ganz großen Teil der europäischen Res­sourcen. Die Kommission hat über die europäischen Mittel für Projekte, die auch hier in Österreich zum Einsatz gebracht werden, in weiten Bereichen ein Verfügungs- und Planungsrecht. Auch die personellen Ressourcen und die Infrastruktur, die es in die­sem Zusammenhang gibt, sind der Kommission im Augenblick zugeordnet.

Meine Damen und Herren, bei der Öffentlichkeitsarbeit gäbe es viel zu verbessern. Größere Ressourcen auch für die Kommission – ich hätte mir das zum Beispiel für die Vizepräsidentin Wallström gewünscht – sind durchaus vorstellbar.

Herr Klubobmann Cap, Artikel 217 regelt die interne Organisation der Kommission. Das macht der Kommissionspräsident. Er legt die Dossiers fest, das heißt letzten En­des auch, welches Dossier für Österreich da sein wird. Die Grünen haben sich immer für die kleinen und mittleren Staaten eingesetzt. Die Kommission ist die Wächterin über die Verträge und der Motor der europäischen Integration, und daher von besonderer Wichtigkeit.

Herr Bundeskanzler, wir wollen nicht eine Art „EU-Sektionschef“ Barroso. Das ent­spricht nicht seiner Funktion. Es wäre ein Fehler, das so darzustellen. Wir wollen aber auch nicht einen Premierminister oder einen Ministerpräsidenten Europas mit Namen Barroso, das ist ganz klar.

Wir wollen auch nicht – das sage ich jetzt wiederum in Richtung der Grünen – einen Generalsekretär eines Direktoriums der Großen. Dafür wird Österreich ganz sicher nicht eintreten!

Nur zur Erinnerung: José Manuel Barroso war derjenige, der im Klimaschutz eine Vor­reiterrolle in der Kommission und im Institutionengefüge eingenommen hat. Er hat sich für die erneuerbaren Energien stärker eingesetzt als viele andere, das erkennen auch Greenpeace und der WWF an. Er hat großen Konzernen – siehe Microsoft – mit der Kommission und dem Wettbewerbsrecht die Stirn geboten, und Wettbewerbsrecht ist auch Konsumentenschutz.

Weiters sind die Wegekostenrichtlinie, die Balkanarbeit, der Uni-Zugang sowie das Europäische Institut für Technologie Themenbereiche, die José Manuel Barroso bear­beitet hat. Diese liegen auch im österreichischen Interesse, und wir haben uns dafür massiv gemeinsam mit ihm eingesetzt.

Auch das Verfahren, nach dem die Bestellung des nächsten Kommissionsmitgliedes erfolgen wird, ist bekannt. Auch diesbezüglich haben wir in der Vergangenheit mit José Manuel Barroso gut gearbeitet. Er hat aus den ihm vorgeschlagenen Personen – das waren ja bekanntlich mehrere – jemanden ausgesucht, der mit großer Qualität für Europa und für Österreich gearbeitet hat, nämlich Benita Ferrero-Waldner.

Auch ihr Vorgänger, Franz Fischler, ist ein bemerkenswerter und weitblickender Euro­päer, der gezeigt hat, dass wir Österreicher entsprechende Beiträge leisten können, wenn wir uns das vornehmen. Wir haben also durchaus Grund zu mehr Selbstbewusst­sein!

Zum Rederecht der Abgeordneten zum Europäischen Parlament gibt es von meiner Seite uneingeschränkte Unterstützung. Alles andere wäre eigentlich unverständlich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 128

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner mit 7 Minuten gewünschter Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


16.05.58

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Kollegin Lunacek hat uns bei der Begründung ihrer Anfrage – soweit ich richtig mitgezählt habe – acht Mal erklärt, dass wir etwas nicht verstehen, dass etwas jeder weiß, dass wir das endgültig verstehen sollten, dass wir es alle verstehen sollten oder dass wir endlich einmal nachlesen sollten.

Was immer sie da alles versteht, will ich jetzt nicht hinterfragen! Einen Punkt verstehe ich allerdings bei dieser Debatte tatsächlich nicht, nämlich warum sich ÖVP und SPÖ in seltener Einigkeit um eine Debatte zur Person des Kommissionspräsidenten „schrauben“. Noch weniger verstehe ich die Argumentation dazu.

Herr Klubobmann Cap hat uns gesagt, er könnte sich einen Besseren als Barroso vor­stellen. – Wenn ich mir allerdings einen Besseren vorstellen kann, dann versuche ich auch eine Diskussion darüber zu führen, wer besser ist! – Begründet hat er das damit, dass man nicht darüber reden darf, weil man auf der einen Seite die Probleme nicht personalisieren soll und auf der anderen Seite der Kommissionspräsident eigentlich ganz unwichtig wäre.

Kollegin Plassnik hat zur Frage einer Wahl überhaupt gemeint, dass man bei einer Wahl nicht Feindbilder suchen, sondern, ich glaube, das Verbindende herstellen solle. (Zwischenruf der Abg. Dr. Plassnik.) – Ich meine, es ist im Wesentlichen nicht Charak­ter einer Wahl, dass man verhindert, Feindbilder zu suchen, um das Verbindende her­zustellen! – Bei einer Wahl besteht normalerweise eine Auswahl zwischen mehreren Personen und Kandidaten, und man trifft dann diese Auswahl. Man kann aber doch eine Wahl nicht schon deswegen abblocken, weil es keine Feindbilder geben darf!

Die Kommission ist natürlich – um das Cap-Beispiel zu zitieren – in Wirklichkeit mächti­ger als der französische Staatspräsident. (Abg. Großruck: Sarkozy ist wahrscheinlich nicht Ihrer Meinung!) Nicht der Präsident ad personam, aber die Kommission an sich hat bedeutend weitere Kompetenzen als der französische Staatspräsident, der dieses exklusive Initiativrecht in Gesetzesfragen zum Beispiel nicht hat und der in hohem Aus­maß auf das Parlament angewiesen ist. Es gibt zwar diese Kohabitationsbeispiele, das ist jedoch eine sehr wackelige Angelegenheit. Die Stellung des französischen Parla­ments ist viel stärker als die des Europäischen Parlaments.

Ich gebe aber durchaus zu – das ist ein richtiger Ansatz des Herrn Bundeskanzlers –, dass in der Verfassungswirklichkeit kein Kommissionspräsident gegen die mächtigen Staaten regieren kann, vor allem, wenn er an eine Wiederwahl auch nur zu denken glaubt.

Insoweit steckt schon ein Körnchen Wahrheit darin, dass der Kommissionspräsident die Staaten beachten muss, aber die Kommission ist von ihrem Verfassungsaufbau – im Vergleich zu vergleichbaren Verfassungen einzelner europäischer Nationalstaaten – beispielloser Weise mächtig und vom Parlament unabhängig, und deswegen ist auch die Person, die die Kommission nach außen vertritt und personalisiert, wichtig.

Deswegen sollten wir selbstverständlich eine Diskussion über diese Person führen. Wir sollten als kleines Österreich den kleinen Beitrag, den wir leisten können, tatsächlich leisten, und jenen vorschlagen, den wir als Bestgeeigneten sehen, und nicht irgendje­manden, um Feindbilder zu vermeiden, indem wir sagen: Wählen wir halt Barroso, das ist eh nicht so wichtig! – Das ist nämlich sicherlich nicht der Fall!

Zur Person Barroso: Es gibt einige Gründe, ihn nicht wiederzubestellen, keine Frage. Wir haben dafür vielleicht etwas andere Gründe als die Grünen, ihn nicht als den Bes­ten anzusehen. In einigen Dingen sind wir uns alle einig, etwa betreffend sein Eintreten


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 129

für die Gentechnik oder für die Atomenergie. Das sind für ihn offensichtlich persönliche Anliegen, die er sehr vehement nach außen vertritt. Er tritt auch offen und persönlich für den Türkeibeitritt ein. Außerdem hat er auch die Asylrichtlinie mit zu verantworten, die für uns besonders schmerzlich ist und die eigentlich für jeden schmerzlich sein soll­te, der die Interessen der österreichischen Bürger, des Sozialstaates und der Exekutive auch nur irgendwie im Sinne hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen haben wir im Rahmen dieser grünen Anfrage einen eigenen Entschlie­ßungsantrag eingebracht, den ich hiermit verlesen und stellen darf:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden aufgefor­dert, auf europäischer Ebene, insbesondere am Europäischen Rat am 18. und 19. Ju­ni 2009, einer Nominierung für den Präsidenten der Europäischen Kommission nur zu­zustimmen, wenn die nominierte Person sich als Präsident der EU-Kommission für einen grundlegenden Richtungswechsel der Politik der EU unter den Gesichtspunkten der Neuverhandlung des EU-Reformvertrages von Lissabon und eines sofortigen Ab­bruchs der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetzt.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der eingebrachte Entschließungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Hübner und weiterer Abgeordneter betreffend Nominierung des Präsidenten der Europäischen Kommission durch den Europäischen Rat für die Amts­periode 2009 bis 2014

eingebracht im Zuge der Debatte im Zuge über die „Dringliche Anfrage der Abgeordne­ten Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler betreffend den dringend notwendigen ökologisch-sozialen Umbau Europas und die Unvereinbarkeit dieser Reformen mit einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsident Barroso sowie mehr Transparenz in der österreichischen Europapolitik“ in der 27. Sitzung des Natio­nalrates, XXIV. GP, am 17. Juni 2009

Da im Zuge des Europäischen Rates am 18. und 19. Juni 2009 unter anderem auch die Nominierung des neuen Präsidenten der Europäischen Kommission (EK) erfolgen soll, und die Zeichen dahin gehend stehen, dass der scheidende Kommissions-Präsi­dent José Manuel Barroso auch der neue Präsident werden soll, darf man sich die be­rechtigte Frage stellen, ob unter einer Neuauflage der EK-Präsidentschaft Barrosos der dringend nötige Richtungswechsel in der Politik der Europäischen Union erfolgen wird.

Denn Barroso hatte bereits die Gelegenheit, in den letzten fünf Jahren zu zeigen, dass er keineswegs in irgendeiner Form andere Wege zu beschreiten gedenkt – was er wohl in Zukunft auch nicht tun wird. Einhergehend mit einem nicht vorhandenen Willen – vor allem seitens der Konservativen – des europäischen Establishments, einen echten


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Kurswechsel – nicht zuletzt, aber auch als Lehre aus der Krise – zu vollziehen, steht zu befürchten, dass mit Barroso am Steuer der Kommission eben auch keine Kurswech­sel der EU-Politiken vollzogen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden aufgefor­dert, auf europäischer Ebene, insbesondere am Europäischen Rat am 18. und 19. Ju-
ni 2009, einer Nominierung für den Präsidenten der Europäischen Kommission nur zu­zustimmen, wenn die nominierte Person sich als Präsident der EU-Kommission für einen grundlegenden Richtungswechsel der Politik der EU unter den Gesichtspunkten der Neuverhandlung des EU-Reformvertrages von Lissabon und eines sofortigen Ab­bruchs der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetzt.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler mit gewünschten 8 Minuten. – Bitte.

 


16.10.53

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Ho­hes Haus! Zunächst möchte ich den Herrn Bundeskanzler wirklich in seinem Versuch unterstützen, eine Klarstellung zu treffen, was tatsächlich die Rolle der Europäischen Kommission ist.

Die Rolle der EU-Kommission ist nicht ein abgehobenes politisches Perpetuum mobile, das machen kann, was es will. Das hätten einige Leute zwar gerne, nämlich diese gan­zen Apologeten der Beseitigung der Nationalstaaten, aber das wollen wir nicht. Ich bin froh, dass jetzt endlich einmal ein Bundeskanzler dieses Land als Regierungschef führt, der zumindest den Herrn Kommissionspräsidenten von einer italienischen Wein­flasche unterscheiden kann. Das konnte sein Vorgänger nämlich nicht immer! (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, der jetzige Bundeskanzler weiß offenbar auch, dass diese Kommission letztlich an den Willen der Nationalstaaten gebunden ist, und das ist auch wichtig im Interesse der Stärkung kleiner Staaten in der Europäischen Union! Kleine Staaten können nämlich niemals Interesse daran haben, dass es einen Kommissions­präsidenten gibt, der nur auf Zupfiff der großen Staaten arbeitet, und das ist leider einer der berechtigten Vorwürfe, die man Herrn Barroso machen muss.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich auf Herrn Barroso eingehe, komme ich noch zur Frage des Bestellungsmodus in Österreich hinsichtlich des Kommissions­mitgliedes aus Österreich.

Herr Bundeskanzler, es war ziemlich verräterisch, wie sehr und wie deutlich Sie – im Gegensatz zur Einleitungsrede der Kollegin Lunacek – dauernd im Zusammenhang mit der Bestellung eines Kommissionsmitgliedes die Bestellung der Richterin des Europäi­schen Gerichtshofes ins Spiel gebracht haben. Angeblich gibt es ja keinen Zusammen­hang zwischen der Bestellung von Frau Dr. Berger zum Europäischen Gerichtshof und der Benennung eines Kommissionsmitgliedes für die Europäische Kommission!

Allerdings hat der Herr Bundeskanzler dauernd einen Zusammenhang hergestellt, und das lässt doch darauf schließen, dass es hier tatsächlich einen parteipolitischen Ab-


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tausch gegeben hat: rote Maria Berger für den Gerichtshof, schwarzer Willi Molterer für die Kommission. Ist doch so, oder? Wo ist Molterer denn heute? Bereitet er sich schon vor? Lernt er schon? Vielleicht studiert er schon die Speisekarte des Abendessens des Rates! (Abg. Dr. Bartenstein: Das war jetzt aber schon ein bisschen tief, Herr Kolle­ge!) Es geht noch tiefer, wenn es sein muss! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Bartenstein, tief ist es, wenn Sie uns hier im Haus wider besseres Wissen weismachen wollen, dass hinter der Entscheidung betreffend das Kommissionsmitglied aus Österreich eine von jedem parteipolitischen Abtausch losgelöste Sachentschei­dung stehe! Das bedeutet uns alle für dumm verkaufen. Das ist tief, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! (Beifall beim BZÖ.)

Und das wollen Sie, nebenbei bemerkt, nicht nur mit uns hier herinnen, die wir es alle besser wissen, sondern auch in der Öffentlichkeit draußen tun! Sie haben es fertigge­bracht – und das war schwergewichtig ein Anliegen der Österreichischen Volkspartei, denn darin sind Sie Meister –, den unseligen österreichischen parteipolitischen Proporz auch auf die europäische Ebene zu heben. Das ist die Verantwortung, die Sie zu tra­gen haben. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat heute unfreiwillig als Zeuge fungiert. Das war auch tief. (Zwischenruf des Abg. Hornek. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wenn Sie glauben, dass Sie einen sensationellen Wahlerfolg eingefahren haben, dann täuschen Sie sich! Sie haben genau drei Zehntelprozent von jenen vier von zehn Österreichern bekom­men, die überhaupt noch zur Wahl gegangen sind! Darauf brauchen Sie sich nichts einzubilden, das kann ich Ihnen gleich sagen! (Beifall beim BZÖ. – Rufe und Gegen­rufe bei ÖVP und BZÖ.)

Es gab nur ein mühsam von Ihnen inszeniertes Vorzugsstimmenschauspiel zwischen Herrn Karas und Herrn Strasser! Für Herrn Strasser haben Sie gerade noch Ihre eige­ne Stammwählerschaft hingebracht, vom Bauernbund bis zum Wirtschaftsbund, und dann hört es sich schon auf! Das war die Leistung der Österreichischen Volkspartei! Mehr ist nicht dahinter! (Beifall beim BZÖ.)

Aber freuen Sie sich darüber! Schauen Sie: Der Osterhase kommt auch jedes Jahr! Sie sollen diesen Wahlerfolg gerne haben! Wenn Sie glauben, dass das ein Erfolg ist, dann sei’s drum! Ich freue mich, dass ich Ihnen erhalten bleibe, das ist für mich die wesent­lich größere Freude, glauben Sie mir das, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Intention der Schwarzen aus Frankreich, der Schwarzen aus Deutschland und der Schwarzen aus Österreich ist, einen schwachen Kommissionspräsidenten zu haben, mit dem die großen Staaten machen können, was sie wollen. Und da spielen Sie mit, Herr Bundeskanzler? Da spielen Sie mit, Herr Kollege Cap? – Das ist nämlich das Pro­blem!

Ich weiß nicht, wie lange Sie sich noch an parteipolitische Abmachungen mit der ÖVP gebunden fühlen wollen! Die Österreichische Volkspartei hätte keinen Genierer, diese Abmachungen sofort zu brechen! Die ÖVP hätte jetzt gesagt: Clausula rebus sic stanti­bus. – Die Dinge haben sich geändert! Die Mehrheit im EU-Parlament ist leider nicht für Herrn Barroso zu haben.

Sie werden sehen, Herr Bundeskanzler, das ist eine Warnung an Sie: Hängen Sie sich bitte für Herrn Barroso nicht allzu weit hinaus! Sie sind heute schon viel zu sehr über den Balkon darüber gehangen, denn so wie es ausschaut, ist die Mehrheit im Parla-


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ment für Herrn Barroso mehr als zweifelhaft! Man weiß bei den Liberalen zwar nie ge­nau, in welche Richtung sie fallen. Ich bin aber der felsenfesten Überzeugung, dass ein paar vernünftige Kräfte im Europäischen Parlament erkennen werden, dass Herr Bar­roso der Falsche ist, um diese Kommission zu leiten. Daher bin ich eher optimistisch, dass es diesmal vielleicht sogar gelingen könnte, einen schwachen Kommissionspräsi­denten, wie es Herr Barroso zweifellos war, zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Barroso ist nicht nur schwach, weil er nach der Pfeife der Frau Merkel und des Herrn Sarkozy tanzt, sondern er ist auch deswegen schwach, weil er für die wichtigen Dinge, die die Kommission zu erledigen hätte, nicht einmal ein Sen­sorium hat.

Meine Damen und Herren, ich bringe Ihnen ein Beispiel: Basel II einzuführen und es damit den kleinen Banken unmöglich zu machen, Kredite zu vergeben, und es den klei­nen Unternehmen unmöglich zu machen, Liquidität herzustellen, und gleichzeitig zuzu­schauen, wie die Großspekulanten auf Kosten der Steuerzahler ihre Haftungen für das, was sie vorher verbrochen haben, abwälzen, und dafür nicht einen Finger zu rühren, meine Damen und Herren, obwohl er die Kompetenz dafür hätte, das ist Barroso, und das ist der Grund, warum wir ihn ablehnen! (Beifall beim BZÖ.)

Alle anderen Gründe, etwa die Asylrichtlinie, und die Gründe, die auch in der Dringli­chen Anfrage der Grünen genannt werden, kommen zum Teil jedenfalls dazu. Es ist vieles von dem, was Sie geschrieben haben, wahr, nicht gänzlich alles, aber wir unter­stützen das meiste in der Intention, Barroso zu verhindern, weil er in Wirklichkeit eine schwache Figur darstellt. In dieser Intention sind wir heute mit Ihnen einer Meinung.

Es gibt bis heute keine wirklich tauglichen Vorschläge, wie man gegen Spekulanten und zweifelhafte Finanzprodukte vorgehen könnte. Das wäre seine Aufgabe gewesen! Längst ist bekannt, meine Damen und Herren, dass die Finanzkrise noch nicht durch­gestanden ist, aber Herr Barroso hat nichts anderes zu tun, als an seine Wiederbestel­lung zu denken. Das ist ihm das Allerwichtigste! Was dann aus der Finanzkrise wird, ist für ihn sekundär. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.) Ja, das habe ich mir ge­dacht! Das ist deswegen zweckmäßig, weil ein nicht handelnder Kommissionspräsident möglichst rasch wieder bestellt wird! Das ist die Zweckmäßigkeit Marke Martin Barten­stein!

Es wäre wesentlich zweckmäßiger, Sie würden sich einmal Gedanken machen, ob Sie in Ihren eigenen Reihen, innerhalb der EVP, nicht einen Kandidaten haben, der auch willens und fähig ist, gegen die Krise zu handeln, anstatt sie, wie Herr Barroso, ein­fach zu verschlafen, meine Damen und Herren!

Mein Appell an Sie: Wenn es Ihnen mit einer Verbesserung des Image der Europäi­schen Union wirklich ernst ist, dann zeigen Sie, dass Sie das Signal der Abstimmung mit den Füßen, nämlich die Verweigerung der Abstimmungsteilnahme bei den Wahlen, verstanden haben und sorgen Sie dafür, dass ein anderer Kommissionspräsident diese Kommission in Zukunft führt! (Beifall beim BZÖ.)

16.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen mit seiner gesamten zur Verfügung stehenden Zeit von 10 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


16.19.10

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Es ist ein ganz ungewohntes Gefühl, mit Herrn Stadler über weite Strecken einer Meinung zu sein. (Abg. Dr. Bartenstein: Das müsste Ihnen zu denken geben!) Aber es soll so sein, wenn wir uns wenigstens in einigen Punkten einig sind.


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Zunächst ein Wort zu Frau Plassnik: Frau Plassnik, wir werben seit drei Monaten ge­gen die Wiederwahl von Barroso. Es kann also gar keine Rede davon sein, dass uns das jetzt einfällt. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, dass Sie das bisher nicht re­gistriert haben.

Cap war diesmal aber wieder einmal interessant. Du kommst mir vor wie der Barroso von Herrn Faymann. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Wenn man dir, Josef Cap, zuhört, dann stellt man fest, dass du für alles eine Begründung findest. – Bundeskanzler Faymann, Parteivorsitzender, sagt: Barroso ist ganz unwichtig. Der Kommissionspräsident ist ja eine nebensächliche Figur, er darf of­fiziell fast gar nichts tun, und so soll es auch bleiben, er ist ohnehin ein guter Mode­rator.

Josef Cap sagt dasselbe. (Abg. Dr. Cap: Ich habe aber zitiert!) Wenn man dir zuhört, dann muss man zu der Auffassung gelangen, der Bundeskanzler der Republik Öster­reich ist überhaupt der unwichtigste Minister von allen – der unwichtigste! (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

Rein offiziell, vom Gesetz her, ist er ein Minister wie jeder andere. Der österreichische Bundeskanzler hat kein Dirimierungsrecht. Er hat nicht einmal das Recht wie der deut­sche Bundeskanzler – die Bundeskanzlerin derzeit –, irgendwelche Leitlinien vorzuge­ben. Er hat ein winzig kleines Ressort. Wenn man dir, Josef Cap, folgt, ist jeder Ver­kehrsminister, jeder Wirtschaftsminister, jeder Sozialminister hundertmal wichtiger als der österreichische Bundeskanzler, denn die haben Tausende von Personalstellen zu vergeben, die haben Milliarden von Euro zu vergeben.

Was darf der Bundeskanzler offiziell? – Sich über den ORF den Kopf zerbrechen. Ist eh wichtig. Die Personalagenden wandern in jeder Legislaturperiode hin und her. Und? Ist das die Realität? – Bitte, halt’ uns nicht für dümmer, als wir vielleicht sind – zugege­ben. (Abg. Dr. Cap zuckt mit den Schultern.) – Aber das war stark. (Heiterkeit und Bei­fall bei Grünen und BZÖ.)

Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen sorgfältig zugehört. Ich glaube, ich weiß jetzt, was der Unterschied zwischen uns beiden ist. Sie haben sehr korrekt den derzeitigen Zu­stand der Union geschildert, die heterogenen Interessen. Der Europäische Rat tut sich jetzt extrem schwer, sich auf irgendetwas zu einigen. Die Schlussfolgerungen des Rats sind in der Regel zum Krenreiben, zumindest für den Außenstehenden. Zugegeben: Das ist der traurige Zustand der Union.

Wo wir uns unterscheiden, das ist der Soll-Zustand der Union. Herr Bundeskanzler, Sie wünschen sich so wie bisher einen freundlichen Moderator, der zu allen nett ist, je­dem recht gibt, der mit ihm spricht. Derjenige, der zuletzt mit ihm spricht, hat dann am „rechtesten“. Das ist typisch Barroso. Das wünschen Sie sich weiterhin.

Was Sie sich nicht wünschen, ist eine starke Persönlichkeit an der Spitze der Europäi­schen Kommission. Das wünschen Sie sich ausdrücklich nicht!

Heute Früh im Hauptausschuss haben Sie en passant gesagt: Na ja, was wollt ihr denn? Der Präsident der Kommission ist ja nicht der europäische Ministerpräsident. – Stimmt. – Und Sie haben hinzugefügt: aus Ihrer Sicht soll er es auch nicht sein.

Das genau ist aber der Knackpunkt. Was ist denn derzeit der Nukleus, der Kern, wenn Sie so wollen, einer europäischen Regierung? – Das ist nur die Europäische Kommis­sion, die verpflichtet ist, europäische Interessen zu vertreten und nicht nationale und sich im Einzelfall gegen nationale Interessen durchzusetzen, wie es zum Beispiel typi­scherweise bei der Binnenmarktkommissarin/beim Binnenmarktkommissar der Fall ist, die laufend Konflikte mit den Nationalstaaten auszutragen haben. Das wollen Sie ge­nau nicht!


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Was ist dann Ihre Vision von Europa? – Weitermachen so wie bisher, weiter so?! Das ist alles?

Ich zitiere einen völlig unverdächtigen Journalisten, Paul Schulmeister, der, glaube ich, noch nie im Geruch stand, ein Grüner zu sein. In der „Presse“ vom Montag schreibt er:

„Niemand sollte sich täuschen über die schleichende Aushöhlung der Union. Jedes ,Weiter so!‘ verbietet sich. Doch gerade Barrosos Wiederbestellung wäre dieses Sig­nal. Für allzu viele Bürger sind die EU-Kommissare abgehobene Funktionäre ohne Strahlkraft“ (Ruf bei der ÖVP: Auch Lunacek!) – ein Symbol für den Erschöpfungszu­stand der Union. Barroso war nicht der Mann, dieses Image zu ändern.“ – Und so wei­ter.

Na ja, aber das ist das, was unser Bundeskanzler will, nämlich an diesem Zustand nichts ändern. Ich glaube, wir glauben, die Grünen glauben, dass gerade im jetzigen Zustand in der kommenden Fünfjahresperiode der Union die Kommission eine wichti­gere Rolle denn je hat – auch der Rat, auch das Parlament. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber in diesem Machtdreieck zwischen Europäischem Parlament, Europäi­schem Rat und Europäischer Kommission darf die Kommission als die Vertreterin europäischer Interessen nicht untergehen. Ich glaube, wir brauchen hier keinen Politi­ker vom Typus eines Barroso. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was wir für die Europäische Kommission bräuchten, wäre jemand vom Typus eines Jacques Delors. Mit Sicherheit wäre ich in vielen Punkten mit Jacques Delors nicht einverstanden gewesen, aber dass er eine Führungspersönlichkeit war, ein Mann mit einer Vision von Europa, jemand, der auch imstande war, den Bürgern zu vermit­teln, was dieses Ding denn eines Tages sein könnte – das war er wohl. Das ist Barroso eindeutig nicht!

Herr Bundeskanzler, im Übrigen glaube ich, Ihr Delegationschef im Europäischen Par­lament hat Ihnen schon ausgerichtet, dass die Entscheidung über Barrosos Wieder­wahl oder Nicht-Wiederwahl nicht die Regierungen treffen, sondern die Mitglieder des Europäischen Parlaments. So habe ich Swoboda jedenfalls in Erinnerung.

Auch der derzeitige Fraktionschef der Sozialdemokraten im EP, Martin Schulz, hat sich eindeutig in mehreren Interviews geäußert. Sie brauchen ja nur im „profil“ von Montag nachzulesen. Frage: „Soll José-Manuel Barroso Kommissionspräsident bleiben?“ – Antwort Schulz: „Aus meiner Sicht nein. Er steht genau für die Politik, die gescheitert ist.“

Wer setzt sich jetzt durch? – Der Europäische Rat in Gestalt von auch mehreren so­zialdemokratischen Ministerpräsidenten – gibt es fallweise immer noch – oder die Frak­tion im Europäischen Parlament?

Was der Europäische Rat will, das ist etwas ganz anderes. Die wollen Zeit gewinnen, die wollen ein bisschen designieren, aber doch nicht sehr, jetzt informell einmal sagen, wir wollen Barroso, und in der Zwischenzeit mit ihm ihre üblichen Spielchen machen. – Das ist ja offenkundig.

Im „Handelsblatt“ von heute wird schon berichtet, wie sich einzelne Regierungen ver­halten, also unter anderem jetzt noch nicht genau nominieren, schon gar nicht jetzt das Parlament einschalten, sondern später.

Es heißt hier: „Für eine Verzögerung sprechen auch taktische Gründe. Je länger die EU-Chefs“ – der Europäische Rat ist gemeint – „Barroso hinhalten, desto mehr Druck können sie auf ihn ausüben.“


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Weiters: „Berlin und Paris haben bereits Ansprüche angemeldet. Beide Regierungen fordern einen wirtschaftspolitischen Schlüsselposten ...“ – Zum Beispiel Wettbewerb, Binnenmarkt oder Industrie.

Jetzt geht das schon wieder los. Die großen Nationen fordern ihre Posten, und Barro­so, der Held, wird dem widerstehen. Es ist auch kein Wunder, dass sich schon kleine­re – so klein auch wieder nicht – Staaten melden. Auch Polen erhebt Anspruch auf einen wirtschaftspolitischen Schlüsselposten. Das macht Barroso in der Regel nicht un­geschickt, das auszugleichen, auszutarieren, zu sagen, du bekommst das, du bekommst jenes – und zum Schluss soll eine Mehrheit für ihn herauskommen.

Das ist nicht das, was wir brauchen, unabhängig fast von den Positionen, die wir sonst von der Vision von Europa vertreten. Aber was wir nicht brauchen, ist jemand, der sich dem Druck der großen Mitgliedstaaten in dieser Weise nicht verweigert, sondern, je nachdem, dieses Spiel mitspielt. (Abg. Mag. Stadler: Das ist der Punkt! Er richtet sich sogar danach!)

Hoffen wir, dass wenigstens die Auswahl des österreichischen EU-Kommissars in ir­gendeiner Weise vertretbar vonstatten geht! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Ist eh wurscht, ist eh nur Verwaltung!) Fischler war ein ausgezeichneter Kommissar. Bei der ÖVP fallen mir sofort einige Namen ein, wo ich denke, je nach Ressort – es passt nicht jede und jeder in jedes Ressort –, aber im Einzelnen könnten natürlich Plassnik, Molte­rer, Schüssel, was weiß ich, eine gute Figur machen.

Wer fällt mir bei der SPÖ ein? Ist ja kein Wunder, dass Sie keinen eigenen Kandidaten präsentieren! Es ist auch nicht meine Sache, das zu forcieren. Wenn Sie keinen roten Kommissar in der Kommission wollen, einen europäischen Kommissar, so ist das Ihre Sache. Der Einzige, der mir momentan einfällt, ist Gusenbauer. Aber der wurde ja von der SPÖ in seinem hoffnungsvollen Posten als Bundeskanzler abgesägt. Aber als Kommissar? Dass er einmal eine Flasche verwechselt hat, wie das ... (Abg. Mag. Stadler: Die Flasche hat er nicht verwechselt! Die Flasche hat er getrunken! – Ruf: Den Inhalt!) – Die Flasche hat er nicht verwechselt. Ja. Das wäre noch kein hin­reichender Grund, nicht auch an ihn zu denken. Aber das soll nicht meine Sorge sein. Hoffen wir, dass das gut geht!

Aber zumindest das Rederecht im Parlament wäre zu gewähren. Josef Cap, ich meine, was soll das? – Hier soll ein Kommissar stehen und europäische Politik vertreten, nicht nur im Hauptausschuss, dort ist es auch noch nicht möglich. Hier im Plenum soll er europäische Politik vertreten. Das wäre wirklich sehr spannend – abgesehen von unse­ren Abgeordneten im EP, dass die hier Rederecht haben sollen. Aber ich will es auch für die hohen und höchsten Funktionäre der Union. Hier sollen sie stehen und sich ver­antworten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann mit gewünschten 5 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


16.29.17

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Van der Bellen, ich bewundere ja Ihren Humor, aber ... (Heiterkeit des Abg. Dr. Van der Bellen.) – Jetzt kommt das Aber: Das Lachen vergeht einem, wenn man sich vor Augen führt, dass wir uns in der tiefgreifendsten und weitreichendsten wirtschaftlichen Krise befinden, an die wir uns, vor allem die Ältesten unter uns, erinnern können. (Zwi­schenruf des Abg. Öllinger.)

Millionen von Menschen haben ihre Arbeitsplätze verloren. Existenzen wurden vernich­tet. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Von wem? Barroso?) Viele, die sich einen be-


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scheidenen Wohlstand erarbeitet haben, leben jetzt plötzlich in akuter Armut und wis­sen nicht, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollen. Meine Damen und Herren! Das sind die Probleme, die wir derzeit in Europa haben; damit müssen wir uns und auch die Institutionen der Europäischen Union beschäftigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hornek.)

Das erwarten sich auch  zu Recht – die Menschen von einer Gemeinschaft, die nüt­zen und schützen soll. Und das ist auch die Bewährungsprobe für alle europapolitisch handelnden Menschen, um das Vertrauen in das europäische Einigungswerk wieder­zugewinnen. Frau Kollegin Lunacek, da sollten auch Sie zuhören, denn Sie werden jetzt sozusagen einen Karrieresprung vornehmen.

Viel zu oft, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben die Bürgerinnen und Bür­ger den Eindruck gewinnen müssen, diese Union beschäftigt sich nur mit sich selbst: Wer wird was? Welche Posten sind zu vergeben? Wie wird die Macht verteilt? Wie können Pfründe gesichert werden? (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Lunacek und Brosz.) Und da ist es schon – und das sage ich jetzt speziell in Ihre Richtung – sehr bedenklich, ja enttäuschend, dass genau diese Nebenschauplätze, die für die Be­völkerung null Bedeutung haben, für die Grünen so dringlich sind, dass sie diese zum Aufhänger für eine Dringliche Anfrage machen. (Abg. Mag. Lunacek: Die Wahl des Kommissionspräsidenten ist ein „Nebenschauplatz“?)

Die Menschen erwarten sich eine Lösung ihrer Probleme und keine Personaldebatten. Bei Personalbestellungen muss man natürlich die geschaffenen und bestätigten Mehr­heitsverhältnisse in den Gremien zur Kenntnis nehmen. Da haben leider die Konserva­tiven die Mehrheit erzielt, zwar nicht wirklich verdient, sondern dem Umstand verdan­kend, dass die Anhängerschaft der anderen Fraktionen den Wahlurnen leider fernge­blieben ist. (Abg. Mag. Stadler: Und warum?)

Aber wie auch immer: Dieses Ergebnis ist zur Kenntnis zu nehmen und findet auch in der Besetzung der Gremien seinen Niederschlag. Das heißt, es wird den Sozialdemo­kraten und Sozialdemokratinnen bedauerlicherweise auch nicht möglich sein, einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin durchzubringen beziehungsweise einen Konservativen zu verhindern. Etwas anderes zu glauben wäre eine pure Illusion. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Was wir aber tun können und werden, ist, inhaltliche Forderungen zu stellen, wenn ein Kandidat Wert auf breite Zustimmung legt. Damit ist den Menschen, denen wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten uns besonders verpflichtet fühlen, wohl mehr gedient, nämlich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Konsumentinnen und Konsumenten, jenen, die unter Arbeitslosigkeit und Armut leiden, der Jugend, die die besten Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden soll, den Pensionistinnen und Pensionis­ten, die einen würdigen Lebensabend verbringen sollen. (Abg. Öllinger: Wie schaut es aus mit der Mindestsicherung?)

All diese Menschen haben sehr, sehr wenig davon, wenn jetzt aus Prestigegründen ein Gegenkandidat hochgezogen wird, der dann aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ohne­hin zum Scheitern verurteilt ist. Aber sie haben etwas davon, wenn trotz neoliberaler und konservativer Mehrheiten ihre Anliegen nicht den Bedürfnissen des freien Marktes geopfert werden, denn darüber werden wir wachen, auch – und das sage ich dazu – wenn es immer schwieriger wird, so dezimiert wir – das muss man eingestehen – euro­paweit leider wurden.

Aber es gibt ja nicht nur die Kommission, die sich nach einer Eigendefinition als Exeku­tivorgan der EU sieht, die die Interessen ganz Europas vertritt und verteidigt, sondern es gibt vor allem auch den Rat als Gesetzgebungsorgan neben dem Parlament und es gibt den Europäischen Rat, wo Österreich die Politik der Union mitgestalten kann und


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auch immer wieder erfolgreich mitgestaltet. Und vieles hängt dabei am Schmieden von Allianzen, am Suchen von Verbündeten für Anliegen zu bestimmten Themen, und zwar über die parteipolitischen Grenzen hinweg. Wenn es darum geht, ein bestimmtes Anlie­gen durchzubringen, so muss man die parteipolitische Brille sehr oft abnehmen und nach sachorientierten Lösungen suchen.

Wir haben in Österreich sehr viele Herzensangelegenheiten, die leider in anderen Län­dern oft auf sehr wenig Verständnis stoßen, wie etwa die Ablehnung der Atomkraft oder der Gentechnik oder auch eine Finanztransaktionssteuer. Da sind wir sehr oft auf weiter Flur alleine. Hier aber den Kommissionspräsidenten gewissermaßen als Euro-Supermann hinzustellen, der alles schaffen beziehungsweise alles verhindern kann, das ist – ich möchte jetzt nicht sagen, naiv, vielleicht doch – naiv und verkennt jeden­falls die Realität.

Im Übrigen bin ich dem Herrn Bundeskanzler als Leiter des Exekutivorgans Bundesre­gierung wirklich sehr dankbar dafür, dass er sich nicht in die ureigensten Aufgaben der Legislative einmischt. (Abg. Brosz: Dass Sie keine Gesetze beschließen, ist wurscht?!) Das ist nämlich wirklich gelebter Respekt vor dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung. Der Herr Bundeskanzler respektiert das – Sie offensichtlich nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein mit einer gewünschten Redezeit von 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


16.35.14

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Dringliche Anfrage der Grünen lässt Barroso in einem Licht erscheinen, in dem er aussieht wie der verlängerte Arm der Mitgliedstaa­ten, eine Marionette gewissermaßen, ein Lobbyist der Wirtschaft sowieso. Wie schaut es denn nun aus, wenn man anhand der Punkte, die die Grünen hier anführen – ein halbes Dutzend sind es –, diese Vorwürfe ein bisschen auch auf ihren sachlichen Wahrheitsgehalt überprüft?

Vernachlässigung des Klimaschutzes wird José Manuel Barroso vorgeworfen und da­bei völlig übersehen – Sie haben es auch nicht argumentiert, Frau Lunacek –, dass die Europäische Union selbstverständlich weltweit haushoch führend ist in Sachen Klima­schutz. Die Vorschläge minus 20, minus 30 Prozent, jetzt in Bonn, haben auch gezeigt, wie weit führend da die Europäische Union ist. Und gerade in Richtung der Amerikaner ist zu sagen, das, was Obama politisch da oder dort gesagt hat, hat sich in Bonn, in der Vorkonferenz zu Kopenhagen, keinesfalls in einem Angebot der Amerikaner widerge­spiegelt. Sie sind das einmal mehr schuldig geblieben.

Nehmen Sie nicht mich, nehmen Sie die „Neue Zürcher Zeitung“ von heute! Nehmen Sie die Kommission, die von der „Neuen Zürcher Zeitung“ zitiert wird! Hier heißt es un­ter anderem:

EU-Kommission übt sanfte Kritik an den Mitgliedstaaten. Klima und Internet kommen der Kommission zu kurz. Zu wenig grün, was die Konjunkturpakete der europäischen Mitgliedstaaten anbelangt. Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, das verlange eine stärkere Betonung. – „NZZ“, Europäische Kommission.

Also sehr weit her kann es mit der Kommission und Barroso am Gängelband der Mit­gliedstaaten nicht sein!

Auch was die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise anbelangt, ist Folgendes zu sagen: Schon im Dezember letzten Jahres hat die Kommission gemeinsam mit den


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Mitgliedstaaten ein Konjunkturpaket im Gegenwert von nicht weniger als 600 Milliar­den € – 5 Prozent des BIP sind das – geschnürt. Es ist allgemein gesagt worden, auch hier im Hohen Haus, dass es dazu keine Alternativen gebe. – Inhaltlich und in der Sa­che also seitens der Kommission die richtigen Schritte.

Was die Bewältigung der Finanzkrise langfristig anbelangt, so hat die Kommission ge­meinsam mit den Mitgliedstaaten mittlerweile eine Einigung zur Eigenkapitalrichtlinie erreicht, hat eine Verordnung betreffend Rating-Agenturen erlassen. Hinsichtlich der Aufsicht in Sachen Finanzmarkt ist der Kommissionsvorschlag so schlecht nicht – für manche könnte er auf Basis der Jacques-de-Larosière-Gruppe weiter reichen –, aber das, was die Kommission diesbezüglich vorgeschlagen hat, wird schwer genug durch­zubringen sein, zum Beispiel bei den Engländern. Wir Österreicher unterstützen das im Prinzip.

Also so gesehen ist die Kommission bei der Reaktion auf die Finanz- und Wirtschafts­krise und bei deren Bewältigung alles andere als säumig und Barroso natürlich haupt­verantwortlich für die Aktivitäten der Kommission.

In Sachen Wettbewerb verstehe ich Ihre Kritik sowieso nicht, weil aktive Wettbewerbs­politik, meine Damen und Herren von den Grünen, ja im Regelfall zugunsten der Kon­sumentinnen und Konsumenten ausgeht oder ausgehen sollte. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Haben Sie das Lob überhört?) Oder wie anders sind die Milliardenstrafen von Nellie Kroes in Richtung Microsoft, in Richtung Google oder die Strafen in einer Größenordnung von Hunderten Millionen Euro in Richtung des europäischen Aufzug­herstellerkartells zu verstehen? Sie sind ja von der Kommission gewissermaßen auch geschnappt und gestraft worden.

Weiters werfen Sie der Kommission schrankenlose Liberalisierung vor, Barroso zuvor­derst. Wir Österreicher, ich selbst, wir haben die Dienstleistungsrichtlinie vor ziemlich genau drei Jahren verabschiedet. Und falls Sie es vergessen haben: Das war im Kon­sens mit dem Europäischen Gewerkschaftsverband, der war mit an Bord. Es war eine maßvolle Liberalisierung im Interesse der europäischen Konsumenten, im Interesse der europäischen Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich das Revue passieren lasse, dann sehe ich weder, wo Barroso und die Kommission am Gängelband der Mitgliedstaaten hängen, noch, wo sie als Lobbyisten der Wirtschaft agieren. – Nein, sie tun das Richti­ge. Und da bin ich beim Bundeskanzler. Natürlich: Im Gesamtbild muss der Kandidat passen. Nicht jeder einzelne Punkt kann ideal für uns Österreicher sein.

All das so zusammenfassend ist Barroso der beste Mann für den Job. Er soll ihn weiter machen, er genießt unser Vertrauen. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten ihn auch jetzt nominieren, denn einige Monate zuzuwarten hieße nichts an­deres als ein Interregnum zu signalisieren, hieße nichts anderes als Europa und letzt­lich auch der Welt zu sagen, wir Europäer wissen nicht, was wir wollen – und das in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise. Das wäre wohl das falsche Signal.

Also: Barroso im Juli und nicht erst im September! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ein letztes Wort und zwei Bitten: Wenn Sie schon Name dropping betreiben, meine Damen und Herren von den Grünen, einmal in Richtung EU-Kommissionspräsident, und dann, Herr Professor Van der Bellen, lassen Sie auch gleich einige Namen hier Anwesender und nicht Anwesen­der fallen, wer denn aus Ihrer Sicht als Kommissar geeignet wäre – interessanterweise fällt Ihnen kein grüner Kandidat ein –, dann hätte ich eine herzliche Bitte: Schreiben Sie zumindest den Namen von Jean-Claude Juncker richtig – er schreibt sich ohne „h“. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Mit oder ohne „h“ – besser als Barroso!)


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Und eine Bitte an den Herrn Bundeskanzler: Sprechen Sie vom Europa der Mitglied­staaten, nicht vom Europa der Nationalstaaten. Die Europäische Union ist dazu da, die Nationalstaatlichkeit Europas zu überwinden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer mit gewünschten 7 Minuten. – Bitte.

 


16.40.58

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die letzte Bemerkung des wohl auch kommissionsministrablen Kollegen Dr. Bartenstein lässt mich gleich wie das berühmte Kavalleriepferd, das das Signal hört, hochfahren. Das ist nicht die Kon­zeption, die Verdrängung der Nationalstaaten oder gar deren Beseitigung (Beifall bei der FPÖ), denn diese Schimäre, den europäischen Einheitsbrei durch Beseitigung der Mitgliedstaaten, die derzeit durchaus Nationalstaaten sind, zu verändern, ist eine auf die durchgehende Beseitigung des Schutzmechanismus der Bürgerrechte gerichtete Option. In der Realität sind es nämlich nach wie vor die Nationalstaaten, und nur diese, die die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger schützen und rechtsstaatlich als Schutz­mechanismus befürworten oder bewahren, nicht die Europäische Union! (Beifall bei der FPÖ.)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich das Licht auf eine Institution der EU werfen, die eigentlich im Schatten existiert, die aber nach meinem Dafürhalten – unter Hinweis auch auf die Absenkung der Machtaspekte, die der Kommission zuzumessen sind, die der Herr Bundeskanzler meines Erachtens nicht ganz richtig zum Ausdruck gebracht hat – die mächtigste Institution ist: Es handelt sich um den Europäischen Gerichtshof.

Der Europäische Gerichtshof, der natürlich nicht im Scheinwerferlicht der Betrachter der EU-Institutionen steht, ist – ich habe das schon im Hauptausschuss anlässlich der Frage der Bestellung von Frau Dr. Berger gesagt – in Wahrheit die mächtigste und am wenigsten kontrollierte Institution. Und ich verweise auf die sehr richtige kritische Äuße­rung, die der ehemalige Bundeskanzler Dr. Schüssel vor vier Jahren gemacht hat, wo­für er ungerechtfertigt gescholten worden ist, und die äußerst fundierte Kritik, die der ehemalige Bundespräsident Dr. Herzog in der „Frankfurter Allgemeinen“ im Septem­ber 2008 geäußert hat.

Der EuGH ist die Verkörperung des Abganges, sage ich jetzt einmal, vom Prinzip der Rechtsherrschaft hinüber zum Richterrecht. Und ich empfehle allen, die darüber reflek­tieren mögen, dass dadurch kein rechtsstaatlich inkohärenter Zustand bestünde, eine leider anstrengende vertiefte Betrachtung rechtsphilosophischer Prinzipien, denn Rich­terrecht ist losgelöst vom gesatzten Recht, existiert unkontrolliert und ist eine Herr­schaftsform, die außerhalb des Verfassungsbogens – ich zitiere Khol – steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Rechtsprechungstätigkeit des EuGH löst sich de facto vom Wortlaut der EU-Ver­tragsrechtslage, ist in nachvollziehbarer Weise vielfältig ein – verzeihen Sie dieses Vo­kabel – Follow-up-Instrument von mächtigen Lobbys, die nur hinter den Kulissen agie­ren, erzeugt neue Rechtslagen, die von der Vertragslage nicht gedeckt sind, und inter­pretiert auf unkontrollierte Weise Richtlinien, an die die Rechtsprechung der Mitglied­staaten gebunden ist.

Und das ist ein extrem bedenklicher Zustand (Beifall bei der FPÖ), ein Zustand, der ab­seits der EU-Vertragsrechtslage erzeugt wird, dem es schon längst entgegenzutreten gilt!

Ceterum censeo: Wir sind gegen Barroso – aus mehreren Gründen, die nicht immer deckungsgleich sein müssen mit jenen, die den heutigen Antrag untermalen. Es genügt


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der Hinweis, dass er ein absoluter Befürworter des Beitritts der Türkei ist, ohne Wenn und Aber.

Abschließend: Es mag und soll und darf niemand bestreiten, dass die Tatsache des Verfolgens eines großen politischen Programms, und das ist die EU zweifellos, und zur EU steht auch die Freiheitliche Partei – die Freiheitliche Partei war die erste und einzi­ge Partei, Jahre vor allen anderen Parteien, die die europäische Einigung als unab­dingbaren Teil ihres Parteiprogramms inkludiert hatte, lange bevor die anderen Par­teien darauf gekommen sind! (Beifall bei der FPÖ – Widerspruch bei der ÖVP) –, aner­kennenswert ist, aber wir haben ein anderes vereinigtes Europa als Modell. Wir haben nicht die Auslöschung der Mitgliedstaaten als Existenzen der Nationalstaaten vor Augen, sondern das Europa der Vaterländer. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich an eine Führungsfigur denke – eine Führungsfigur ist Barroso bei Gott nicht; denken Sie daran, dass man drei Monate oder länger gebraucht hat, um ihn aus dem portugiesischen Hinterhofzimmer einer verträumten politischen Abseitsklasse hervorzu­holen (Abg. Dr. Bartenstein: Wie bitte?!) –, dann denke ich an große Figuren: Hall­stein, Delors, Santer. Barroso war das kleinste gemeinsame Vielfache – niemand woll­te Barroso, nur fand sich niemand anderer! Das ist die Realität seiner Bestellung! (Iro­nische Heiterkeit bei den Abgeordneten Dr. Plassnik und Dr. Bartenstein.) – Wenn Sie darüber lachen, seien Sie herzlich eingeladen; ich bin nur ein humorvoller Mensch.

Es ist ja ein Faktum, dass Sie es ausgepackelt haben, und egal, ob das heute schon in den Zeitungen steht: Sie können doch nicht behaupten, dass Barroso die Lichtgestalt der Weiterentwicklung und Fortentwicklung der Europäischen Union ist! Wenn Sie sich wieder zu einem Modell des kleinsten gemeinsamen Vielfachen entschließen, und die Mehrheitsverhältnisse mögen Ihnen dazu vielleicht die Macht an die Hand geben, sage ich: Bartenstein wäre mir lieber. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

16.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.47.30

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wenn ich mir diesen Antrag der Grünen an­schaue (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Anfrage!) – entschuldigen Sie diesen kleinen Ausrutscher! –, wenn ich mir also diese Anfrage anschaue, dann muss ich feststellen, dass hier steht:„ökologisch-sozialer Umbau Europas“. Auch das ist ein Thema.

Was ich aber nicht ganz verstehe, ist, dass sich die Grünen um dieses Thema anschei­nend überhaupt nicht annehmen. Ich habe noch nicht viel gehört, was diesen ökologi­schen Umbau Europas betrifft, und deshalb würde ich jetzt gerne ein bisschen darauf eingehen, statt mich hier in Personaldebatten zu ergehen.

Wie sieht es aus mit diesem ökologischen Umbau in Europa? – Wenn die Energie­autarkie in Europa ein Haus wäre, dann hätten wir noch nicht einmal mit der Planung begonnen, geschweige denn mit dem Rohbau. Das heißt, es passiert überhaupt nichts in Europa! Wir hängen an den fossilen Energien und damit an den Importen wie ein Fi­xer an der Nadel. Wir werden von den internationalen Konzernen wie ein Fixer an der Nadel gehalten, und diese Konzerne haben überhaupt kein Interesse daran, uns je­mals in die Energieautarkie freizugeben, weil sie unwahrscheinlich viel Geld damit ver­dienen, uns in Abhängigkeit zu halten.

Auf der anderen Seite gibt es unzählige Studien, die besagen, dass wir in Europa und ganz besonders in Österreich energieautark werden können. Wir können uns also aus


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dieser Umklammerung befreien und all die Energie, die wir im Land brauchen, auch selbst produzieren.

Wir haben hier in Österreich gewaltiges Potential – egal, ob das die Biomasse ist, die Windenergie, die Geothermie oder auch die Solarenergie. Gerade wenn ich mir die So­larenergie anschaue, muss ich sagen, hier gibt es ein gewaltiges Potential. Auch ande­re europäische Staaten haben ein gewaltiges Potential an Solarenergie. Und was ma­chen wir hier in Europa? – Statt dieses Potential auszuschöpfen, soll, wie ich heute ge­lesen habe, um 400 Milliarden € ein Projekt in Afrika verwirklicht werden. Das heißt, es gibt hier einen Konzern beziehungsweise mehrere Konzerne, die sich zusammentun und um 400 Milliarden € ein Solarkraftwerk in Afrika bauen wollen, um dann eine Lei­tung nach Europa zu legen, um in Europa energieautark zu werden beziehungsweise 50 Prozent des Gesamtstroms zu substituieren.

Das muss man sich einmal vorstellen! Was könnte man mit so viel Geld machen? Ich habe mir das einmal angeschaut auf Österreich bezogen: Wir bräuchten nur 30 Milliar­den €, um von Atomstromimporten komplett unabhängig zu werden! Das heißt, wir könnten unseren Energiebedarf, unseren Bedarf an elektrischer Energie in Österreich bei einem Aufwand von 30 Milliarden zu 100 Prozent selbst decken, wir wären unab­hängig von allen Importen. Und diese 30 Milliarden müssten wir nicht einmal selbst in die Hand nehmen, sondern das würde die Industrie übernehmen. (Abg. Krainer: Aber das ist doch nicht die Frage! Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass in der Sa­hara viel mehr die Sonne scheint als in Tirol?) – Genau, auf diesen Punkt komme ich gleich. Sie haben es angesprochen, aber das wäre genau mein nächster Punkt gewe­sen.

Warum plant man solche Wahnsinnsprojekte? Vordergründig ist das richtig: In der Sa­hara gibt es doppelt so viele Sonnenstunden als in Österreich. Doppelt so viele! Nur: Wenn man sich das Projekt genau anschaut, dann sieht man, dass man dort nur 15 bis 20 Prozent Effektivität erreichen kann auf Grund der nicht möglichen Kraft-Wärme-Aus­kopplung. Das ist dort nicht möglich. In der Sahara besteht ja nicht die Möglichkeit, bei der Stromgewinnung auch die Wärme sinnvoll zu nutzen, was man in Österreich mit einer Kraft-Wärme-Kopplung schon kann.

Und wenn man in Österreich diese Kraft-Wärme-Kopplung macht, dann ist man bei einem Wirkungsgrad von 40 Prozent. Das heißt, man kann den Standortnachteil zu 100 Prozent ausgleichen. Zu 100 Prozent! Und da spreche ich noch nicht von den 5 000 km langen Leitungen und den Verlusten, die dadurch entstehen, sondern allein davon, dass ich durch eine sinnvolle Kraft-Wärme-Kopplung in Österreich den Wir­kungsgrad so verbessern kann, dass ich mit dem Projekt in Afrika locker gleichziehen kann. (Abg. Krainer: Ja dann machen Sie es!)

Warum gehen internationale Konzerne nach Afrika?– Dafür gibt es mehrere Gründe:

Erstens: In Österreich, in Deutschland und in anderen Ländern sind die Genehmigun­gen für Großprojekte schwierig. Das wissen wir auch hier in Österreich. Da gehört drin­gend etwas gemacht!

Das Zweite ist: Internationale Energiekonzerne haben natürlich sehr wohl ein Interesse daran, dass wir weiter abhängig vom Ausland bleiben, in diesem Fall dann von Afrika.

Wenn die EU Zukunftsprojekte angehen will, dann ist die Energiefrage das Zukunfts­projekt, um das sie nicht herumkommen wird. Das heißt, wenn wir die EU brauchen, dann brauchen wir sie auch dafür, dass sie die Energiefrage löst. Und deshalb müssen wir nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass diese Energiefrage jetzt endlich angegangen wird, dass dieses Haus nicht schon in der Planungsphase steckenbleibt, sondern dass endlich fertig gebaut wird.


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Wir müssen den CO2-Ausstoss reduzieren, um die Klimakatastrophe dementsprechend abzumildern – verhindern können wir sie ohnehin nicht mehr –, und wir müssen endlich diese unsägliche Abhängigkeit beseitigen.

Diese Abhängigkeit – wir haben in der Gaskrise gesehen, wo das hinführt – muss ein Ende haben! Wir haben in Österreich alles, was wir dafür brauchen, und deshalb brau­chen wir das Geld für sinnvolle Projekte hier im Land – und nicht für Investitionen in Afrika! (Beifall beim BZÖ.)

16.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger für gewünschte 5 Minuten. – Bitte.

 


16.53.32

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wenn der Personalvorschlag des Kollegen Fich­tenbauer ein Signal an Barroso-Skeptiker in der Sozialdemokratie war, indem er Kolle­gen Bartenstein als Kommissionspräsidenten vorschlägt, dann ist das ein weiteres Ar­gument, dass wir uns dem Vorschlag unseres Bundeskanzlers annähern können und uns Kommissionspräsidenten Barroso auch für eine weitere Amtsperiode vorstellen können. (Abg. Dr. Bartenstein: So war es gemeint! – Abg. Strache: Weder das noch das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auf der einen Seite eine sehr rechtstheoretische und auf der anderen Seite eine personalpolitische Debatte geführt. Kollegin Grossmann hat aber bereits festgestellt, dass eine Woche nach der Wahl zum Europäischen Parlament die Reduzierung der Europa-Diskussion auf personalpoliti­sche Fragen in der Öffentlichkeit wahrscheinlich das Kontraproduktivste ist, etwas, was die Wählerinnen und Wähler am wenigsten erwarten.

Ich sehe natürlich auch die inhaltliche Komponente in der personellen und parteipoliti­schen Zusammensetzung der zukünftigen europäischen Gremien. Aber auch die De­batte hier im Hohen Haus hat gezeigt, wie breit, wie vielfältig die Ansprüche an die neue Kommission, an die neue politische Ausrichtung auch des Europäischen Parla­ments sind.

Da kommt von der einen Seite der sehr massive Wunsch, die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise betroffenen europäischen Bürgerinnen und Bürger durch sozialpoliti­sche Maßnahmen, durch klare Vereinbarungen zur Regulierung der Finanzmärkte von der Betroffenheit durch diese Wirtschaftskrise zu erlösen.

Auf der anderen Seite kommt der Wunsch, den Vertrag von Lissabon auszusetzen und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu stoppen. Dieser Blumenstrauß, der auch hier in dieser Debatte heute gebunden wird, dieser enorm hohe Anspruch an die Euro­päische Union ist auch ein Zeichen dafür, was die Bürgerinnen und Bürger, die unter­schiedlichen politischen Fraktionen in Europa von der Kommission erwarten.

Die Frage, ob die vorhandene Vielfalt in Europa schützenswert ist oder ob wir in Rich­tung eines starken, einheitlichen Europas auch im Zusammenhang mit dem Stellenwert Europas in der Welt gehen, diese Frage ist längst nicht ausdiskutiert – weder hier noch in den europäischen Gremien. Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird die europapolitische Diskussion auch in diesem Haus, so wie in allen anderen Mit­gliedstaaten, weiterzuführen sein, unter der Prämisse, dass die Bürgerinnen und Bür­ger an dieses europäische Projekt näher herangeführt werden.

Was war die Ursache dafür, dass sich so wenige Bürgerinnen und Bürger mit den durchwegs erfolgreichen Projekten der Europäischen Union identifizieren konnten, mit der Geschichte, mit dem Friedensprojekt, mit dem Sozialprojekt Europäische Union


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identifizieren konnten? – Das war auf der einen Seite die Angst vor der Bürokratie in der Europäischen Union, die nach wie vor in den Köpfen der Menschen ist. Es haben auch Politikerinnen und Politiker und auch Medien in Österreich und eigentlich in allen Mitgliedstaaten dazu beigetragen, dass es diese Europa-Skepsis gibt. (Abg. Strache: Das ist ja nicht nur in den Köpfen, sondern auch in der Realität da, oder?)

Meine Damen und Herren, es ist gerade in einer wirtschaftlich sehr, sehr schwierigen Zeit, in einer Zeit, in der wir auch soziale Unruhen befürchten müssen, ein wichtiges Signal der Staats- und Regierungschefs, Kontinuität und Stabilität zu zeigen. Es wäre ein Interregnum, eine Führungsschwäche der Europäischen Kommission gerade in die­ser Zeit ein Schwächezeichen, das auch wirtschaftliche und soziale Auswirkungen ha­ben könnte.

Deshalb halte ich es für sehr verantwortungsvoll, wenn sich die Staats- und Regie­rungschefs relativ rasch auf eine gemeinsame Führung innerhalb der Europäischen Union einigen (Abg. Öllinger: Staats- und Regierungschefs? Na Mahlzeit!), unter der Voraussetzung, dass die gemeinsam formulierten Inhalte – die Bekämpfung der Wirt­schaftskrise, der soziale Ausgleich in Europa, der Vorrang für Umweltaktivitäten der Europäischen Kommission, die Bürgernähe, der Konsumentenschutz – in einer zukünf­tigen europäischen Politik von allen Gremien, vom Parlament, von der Kommission und von den Räten, eine höhere Bedeutung zugemessen bekommen, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Dafür steht die Sozialdemokratie, und wir werden versuchen, diese Interessen auch auf europäischer Ebene umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Schittenhelm mit gewünschten 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


16.59.01

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Am 7. Juni sind die Würfel für die Europäi­sche Union neu gefallen. Ich freue mich natürlich, dass meine Partei, die Österreichi­sche Volkspartei, den ersten Platz errungen hat. Das war für uns natürlich Auftrieb und Motivation. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Petzner: Ihr habt über 3 Prozent verloren!)

Es ist auch kein Wunder, dass wir diesen ersten Platz errungen haben, denn wir, die Österreichische Volkspartei, haben nie – zu keiner Zeit! – diese Europäische Union, unsere Europäische Union, zum Spielball von Wahlen gemacht, weder bei der Natio­nalratswahl 2008 noch bei der Europawahl am 7. Juni, meine Damen und Herren. Und das wissen die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl zu beurteilen und zu unterscheiden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns aber auch nicht dem Druck eines Kleinformates gebeugt. Wir, die Öster­reichische Volkspartei, sind immer, vom ersten Tag an, überzeugte Europäerinnen und Europäer gewesen, und wir bleiben das auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf hier in Erinnerung rufen: Damals, im Jahr 1989, dem Jahr der Entscheidungen, hat Österreich den Beitrittsantrag durch Alois Mock eingebracht. 1994 haben 66 Pro­zent der Österreicherinnen und Österreicher diesem Friedensprojekt Europa ihre Zu­stimmung gegeben. Heute, müssen wir zu unserer Schande gestehen – und wir haben es erlebt –, gehen maximal 46 Prozent zur Wahl. Was ist da passiert? 1995 waren wir stolze Österreicherinnen und Österreicher im Herzen dieses Europas!

Seit 14 Jahren ist Österreich also Mitglied dieser Europäischen Union, seit 14 Jahren engagieren sich tüchtige Abgeordnete, Frauen wie Männer, aller Parteien, verschiede­ner Parteien in diesem Europa für die Österreicherinnen und Österreicher, für uns an


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der Spitze Othmar Karas, der ein fulminantes Vorzugsstimmenergebnis hingelegt hat (Abg. Brosz: „An der Spitze“?!), Ursula Stenzel, Agnes Schierhuber für den ländlichen Raum. (Abg. Brosz: Strasser?) – Na selbstverständlich! Ernst Strasser wird Sie alle in den Schatten stellen! (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten von FPÖ, BZÖ, Grünen und SPÖ. – Abg. Grosz: Auch den Herrn Karas! – Eigentlich ist das Wahlschwindelei, was da passiert ist, Wahlbetrug!)

Wir haben uns in der Vergangenheit mit Franz Fischler, aber vor allem auch mit Benita Ferrero-Waldner natürlich nicht nur in Europa Anerkennung und Respekt der Mitglied­staaten und der Freundesstaaten erworben, sondern in der ganzen Welt.

Und wir haben – ich möchte das auch in Erinnerung rufen, denn es wird so gerne zur Seite geschoben – im Rahmen unserer Präsidentschaft im Frühjahr 2006 durch den EU-Ratspräsidenten, den damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, und unsere Außenministerin Ursula Plassnik hervorragende Arbeit geleistet (Beifall bei der ÖVP), die nicht nur in Europa, sondern weltweit unser Land präsentiert und vor allem auch positioniert hat! Und ich glaube, dass es absolut notwendig ist, sich auch zu positio­nieren – aber sich dabei nicht an Zeitungsartikeln, nicht an Wetterumschwüngen zu ori­entieren, sondern (Ruf: An Erwin Pröll!) ganz einfach an Grundwerten und dann auch dazu zu stehen.

Heute ist es unser Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll, dem es gelungen ist, die Großen dieser Europäischen Union davon zu überzeugen, dass nur eine gemeinsame und geschlossene Europäische Union in der Lage ist – und das zeichnet sich ab, und das wissen wir alle –, die Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen, zu meistern.

Wir haben heute im Hauptausschuss auch miterleben können, dass sich unser Außen­minister Michael Spindelegger in einer wirklich sachkundigen, konstruktiven Art nicht nur im Hauptausschuss präsentiert, sondern international bereits Respekt eingefahren hat – und das unter schwierigsten Bedingungen, denn es ist nicht so leicht, draußen zu erklären, warum in Österreich im Rahmen einer Europawahl 16-Bogen-Plakate geklebt werden, auf denen steht: Europa ist eine Mafia. – Das ist alles nicht so einfach. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dieser Wahl am 7. Juni beginnt aber nicht nur die neue Legislaturperiode der Euro­päischen Union, es beginnt überhaupt eine Ära, die wir erstmals erleben: In einer der schwierigsten wirtschaftlichen und finanziellen Situationen Europas muss sich diese Europäische Union unter schwierigsten Bedingungen beweisen, muss auch hier die Bevölkerung für sich gewinnen – was wir bis jetzt nicht zustande gebracht haben, was auch kein Wunder ist. Wir müssen dafür Sorge tragen – und da sind alle aufgerufen, auch die Oppositionsparteien –, die soziale Balance und Sicherheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu gewährleisten. Das ist ein Nonplusultra! Aber vor allem ist es auch oberste Priorität, die Menschen im europäischen Raum verstärkt vor Terror, vor Kriminalität zu schützen. Und eines ist mir ganz wichtig, wenn man sich die Weltland­schaft ansieht: Es gilt vor allem alles zu tun, um demokratische Instabilität in Europa zu verhindern. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Europa, meine Damen und Herren, ist ein Friedenseuropa, und dieses Europa gilt es für unsere Jungen, für die nächsten Generationen auch als friedvolles Europa zu erhalten. Das ist unsere Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP.)

17.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Königshofer mit einer gewünschten Redezeit von 7 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


17.04.31

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Die Frau Kollegin von der ÖVP, die vor mir gesprochen hat, hat vom


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Schatten des Herrn Strasser gesprochen. – Dazu fällt mir ein: Am Abend, wenn die Sonne tief steht, werfen auch die Zwerge lange Schatten. – In diesem Sinne möchte ich das verstehen, Frau Kollegin Schittenhelm. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, aus dieser Dringlichen Anfrage der Grünen möchte ich einen Satz zitieren, der mir besonders gut gefällt und den ich unterstreichen kann:

„Europa braucht jetzt keinen ,Weiter-wie-bisher‘-Kommissionspräsidenten. Europa braucht eine/n Kommissionspräsidenten/in und eine Kommission mit Mut und Weit­blick, ...“

Das, meine Damen und Herren, kann ich nur unterstreichen. Europa braucht einen Kommissionspräsidenten, der das Wesen Europas wieder begreift!

Meine Damen und Herren! Europa ist die Summe der Völker, der Kulturen, der Spra­chen, der Landschaften, der Lebensweisen und damit auch die Summe der Staaten, die Europa bilden. Europa ist aber nicht ein anonymer Bundesstaat mit Einheitsnormen für EU-Bürger, die letztlich nur noch brave Konsumenten und Produzenten sein sollen, so wie das schon in der Sowjetunion die Sowjetbürger waren: brave Konsumenten und Produzenten.

Meine Damen und Herren! Barroso ist so ein normierungssüchtiger Einheitseuropäer, der Europa in die falsche Zukunft führt. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner der großen Staaten und ein Spielball der Lobbyisten.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen noch ein paar der europäischen, der EU-Fehler aus der Vergangenheit darlegen und zeigen, dass Barroso da mitgetan und Europa in die falsche Richtung geleitet hat.

Über 50 Prozent des Budgets der EU gehören zum Agrarbudget. Hier wiederum macht ein Großteil die Förderung für Agrarbetriebe aus, und weil es um die Flächenförderung geht, bekommen die größten Betriebe auch die größten Förderungen. Ich erinnere nur daran, dass auch die englische Königin, die niederländische Königin bis hin zu den Großgrundbesitzern im Osten Österreichs die größten Förderungen kassieren und dass über die AMA auch Großbetriebe, Industriebetriebe wie Rauch Fruchtsäfte oder Red Bull Millionen an Förderungen kassieren, während kleine Betriebe, kleine Land­wirtschaften ein paar tausend Euro bekommen. – So stellen wir uns die EU-Förderung und die EU-Wirtschaftspolitik nicht vor!

Ich möchte aber auch ein ganz besonderes Thema ansprechen, das viel Leid auf die­ser Welt hervorruft: Die EU fördert auch den Export von Gütern aus Überproduktion. Ich nenne dazu das Beispiel der spanischen Überproduktion bei Gemüse. Der Export dieser Überproduktion nach Westafrika wird mit EU-Mitteln gefördert. Das bedeutet, dass die EU-Exporte in Westafrika die dortige Landwirtschaft, die Gemüseproduktion ruinieren. Das heißt, die Bauern in Westafrika, Senegal und Umgebung verlieren ihre Lebensexistenz. Dann müssen diese armen Menschen hergehen und Dollar um Dollar sammeln, damit einer aus ihrer Familie oder Sippe, ein junger Bursche auf ein Boot ge­hen kann, um vielleicht in Europa eine Zukunft zu finden. Die Hälfte dieser Menschen ertrinkt im Atlantik, und die andere Hälfte findet in Europa ein menschenunwürdiges Leben. – Das stellen wir uns nicht unter EU-Politik vor! (Beifall bei der FPÖ.)

Im Anschluss daran noch ein kurzes Beispiel: die Anhebung der Milchquoten. Es ist doch verrückt, dass die EU immer höhere Milchquoten, bis hin zur Freigabe, zulässt! Das bedeutet, dass die großen Milchproduzenten jetzt mehr produzieren, damit die Preise drücken und die kleinen Familienbetriebe in der Milchproduktion ruinieren. Da­durch wird die Selbstversorgungsfähigkeit der Staaten und Länder untergraben, zer­stört. Und wer die Selbstversorgungsfähigkeit zerstört, der zerstört die Lebensgrundla­ge von Völkern und Staaten und damit auch die Zukunft. – Auch das hat Barroso unter­stützt, und das lehnen wir ab! (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Nächste: der Liberalisierungswahn, dargestellt am Beispiel der Post. Hier werden Infrastrukturen der Staaten zerstört! Es haben in Österreich schon Hunderte Postämter zugesperrt, und es werden, wie mir berichtet worden ist, bis 14. August weitere 300 Postämter in Österreich geschlossen. – Herr Bundeskanzler Faymann, Sie waren Infrastrukturminister, Sie werden das wissen. Ich habe ein internes E-Mail, das darauf hinweist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen zum Thema Post und Postmarktgesetz noch die Stellungnahme eines ÖVP-Politikers zukommen lassen, der schreibt – ich zi­tiere –:

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Entwurf des Postmarktgesetzes vor al­lem unter der Prämisse der vollständigen Liberalisierung der Postdienste in Österreich zu sehen ist. Österreich ist an diese Vorgabe gebunden, unabhängig davon, ob dies für Österreich sinnvoll oder zweckmäßig ist. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, wir sind so weit gekommen, dass wir hier in Österreich Ge­setze beschließen müssen, die für unser Land sinnlos und unzweckmäßig sind (Ruf beim BZÖ: Schädlich!), nur weil eine EU-Richtlinie das vorgibt! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, dieser ÖVP-ler, den ich jetzt zitiert habe, ist niemand Gerin­gerer als der Arbeiterkammerpräsident von Tirol.

Des Weiteren können kritisiert werden: der europäische Transitverkehr; die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, wo Österreich hineingezwungen wird, wodurch die Neutra­lität ad absurdum geführt wird. Es wird von sogenannten Battle-Groups – „Schlacht­gruppen“ – gesprochen, das muss man sich einmal vorstellen!

Zusammenfassend: Die EU sollte sich durch ihre Politiker wieder auf ihre Wurzeln be­sinnen und eine Politik für die Völker und Staaten Europas machen. Und eine solche Politik trauen wir José Manuel Barroso nicht zu, und deshalb lehnen wir ihn ab. (Beifall bei der FPÖ.)

17.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Widmann mit einer gewünschten Redezeit von 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


17.11.39

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Eines haben wir heute schon gehört: Dieses Haus wählt nicht den Kommissionspräsidenten. Es ist das Europäische Parlament, das ihn letztlich absegnen wird. Aber die Anfrage der Grünen beinhaltet sehr viele – zum Teil sehr viele richtige – Kritikpunkte, die das System Barroso manifestieren, bestens beschreiben. Folgendes möchte ich auch in Richtung ÖVP festhalten: Wir wollen kei­nen europäischen Superstaat! Wir vom BZÖ wollen einen Staatenbund im Sinne der Subsidiarität, dass jeder Staat das regeln kann, was er am besten kann, und nur das oben geregelt wird, was wirklich notwendig ist. (Beifall beim BZÖ.)

Nur: Die Bürger in diesem Europa, aber auch in Österreich haben zunehmend den Ein­druck, dass diese EU undurchschaubar ist, undemokratisch ist, zentralistisch ist. Eigentlich weiß keiner so recht, was in vielen Bereichen passiert. Europa braucht mehr Bürgernähe, braucht mehr Transparenz, braucht mehr Kontrolle, braucht einen ver­stärkten Kampf gegen die Korruption, einen verstärkten Kampf gegen die Steuergeld­verschwendung – der Europäische Rechnungshof gibt genügend Aufschluss darüber, wo man das machen könnte –, einen Kampf gegen Privilegien und einen Kampf für Ar­beitsplätze. Und ich frage mich, ob Barroso der Richtige ist, um das umzusetzen, denn Barroso steht, wie gesagt, für das System, das wir derzeit in Europa vorfinden. Er ist


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eigentlich ein Einbetonierer. Er ist kein Visionär, er ist kein Mensch, der die Menschen in Europa abholt, der ein Europa der starken Regionen und der Nationen vertritt. Das ist er nicht!

Es ist gesagt worden, dass es die Aufgabe des Parlaments wäre – laut Klubobmann Cap –, der Kommission, den Kommissaren, den Ministern unsere österreichischen An­liegen nach Europa mitzugeben. Und ich frage mich jetzt: Wo hat denn diese Regie­rung unsere Anliegen, die Anliegen Österreichs, bisher in Brüssel effektiv vertreten und durchgesetzt, umgesetzt? – Ich denke an das Beispiel EURATOM: Da wird argumen­tiert, dass wir jährlich rund 40 Millionen Steuer-Euro in die Atomlobby-Industrie der Europäischen Union investieren, damit man mitreden kann. Ich frage Sie: Wo haben wir da mitgeredet? Was haben wir bewirkt? – Es gibt bis dato dazu keine Antworten. Wenn Sie seitens der SPÖ und auch der ÖVP sich hier herstellen und sagen, Sie ge­stalten Europa mit, dann sagen Sie uns, wo Sie das getan haben! Bisher erkennt das in Österreich nämlich niemand. (Beifall beim BZÖ.)

Es gäbe in diesem gemeinsamen Haus Europa viel zu tun: Die Energiewende ist ange­sprochen worden, die Abhängigkeit vom Gas und vom Erdöl, der Ausbau der erneuer­baren Energien – was dringend notwendig wäre –, auch die Versorgungssicherheit ist angesprochen worden, an der Europa erst kürzlich, vor einem halben Jahr, kläglich ge­scheitert ist. Stattdessen setzt man auf die Atomkraft, auf die Renaissance der Atom­kraft, und man kümmert sich um die Regulierung von Gurkenradien, von Kondomgrö­ßen, von Traktorsitzen und verbietet uns sogar die Brettljause. – Das kann nicht die Regulierungsgewalt Europas sein, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es geht vielmehr darum, dass Europa sicher wird, sicherer wird. Es geht darum, dass die Schengen-Grenzen endlich auch außen überwacht werden, wo sie überwacht wer­den sollten. Es geht um die Bekämpfung der Kriminalität, die mehr als notwendig ist, und nicht darum, eine Asylrichtlinie durchzusetzen, den Mitgliedsländern auf die Nase zu drücken, die einiges aufweicht.

Es gilt – Kollege Stadler hat es angesprochen –, die Wirtschaft zukunftsfit zu machen, diese sinnlosen Basel-II-Richtlinien wenn schon nicht abzuschaffen, so zumindest in der Krise auszusetzen, um den Unternehmen Kapital zu geben. Es geht um mehr De­mokratie, um mehr Mitbestimmung. Es geht darum, auch diesen derzeit zur Diskussion stehenden Lissabon-Vertrag in dieser Form nicht zu beschließen, weil er letztlich die Rechte der nationalen Länder aushöhlt, weil er letztlich dafür sorgt, dass Konzerne, Lobbys, große Nationen über uns – auch über Österreich mehrheitlich drüberfahren können. Es geht um den Stopp der Verschwendung von Steuergeld.

Es geht letztlich auch darum, Europa zu begrenzen – räumlich, kulturell –, Nein zu sa­gen zu einem Beitritt der Türkei oder auch anderer Länder. Es geht auch darum, in Europa endlich klare Umwelt- und Sozialstandards umzusetzen, die aber nicht bewir­ken, dass unsere Industrie in Europa nicht mehr wettbewerbsfähig ist – da muss man für den Gleichklang sorgen –, und es geht darum, in diesem Europa endlich auch Schutzzölle gegen Lohndumping und gegen Kinderarbeit einzuführen. – Das wären die Aufgaben, die ein Kommissar oder ein Minister in Europa vertreten sollte! Aber davon höre ich nichts. (Beifall beim BZÖ.)

Daher – zusammengefasst – steht Barroso nicht für ein neues Europa; er kann es nicht gestalten. Barroso steht für ein Europa der Konzerne, der Atomlobby, der Gen­lobbys, der Großparteien. Er verwaltet Europa bestenfalls, aber gestaltet es nicht.

Wir brauchen aber einen Kommissionspräsidenten, der die Menschen in der Region abholt, der auch eine gewisse Nähe zu und auch – ich sage es einmal bewusst – Liebe für Europa entwickeln lässt, der starke Regionen zulässt, der Mitsprache zulässt, der den Menschen Sicherheit gibt, auch im sozialen Bereich, in den Umweltstandards, und sie nicht im Regen stehen lässt.


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Dafür ersuche ich auch diese Regierung, sich in Zukunft starkzumachen. Und haben Sie auch den Mut, zumindest – und da ist Europa etwas weiter als wir – den zukünfti­gen Kommissar dazu zu verpflichten, sich einem Hearing hier im Parlament zu stellen!

Die EU macht das ja: Bevor die Kommissare bestellt werden, gibt es ein Hearing. In Österreich gibt es das nicht – das Parteibuch lässt grüßen. Sie bestellen im Alleingang, im stillen Kämmerlein, ÖVP und SPÖ, wie es halt üblich ist, wie vor 30 Jahren, den Kommissar, schicken ihn nach Brüssel hinaus, nachdem ihn vorher der Hauptaus­schuss abgenickt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, das ist zu wenig, das ist nicht die Zukunft! (Beifall beim BZÖ.)

17.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karl zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. Die Gesamtrestredezeit, Frau Abgeordnete, beträgt 8 Minuten. – Bitte.

 


17.17.54

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, allein schon Punkt 12 der gegenständlichen Dringlichen Anfrage ist ein Beleg dafür, wie unseriös diese Anfrage ist. Hier wird nämlich behauptet, dass die VertreterInnen von SPÖ und ÖVP im Geschäftsordnungskomitee vom 15. Juni 2009 „entgegen den vorherigen An­kündigungen das Rederecht von Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrates abgelehnt“ haben.

Vonseiten der ÖVP ist das Rederecht der österreichischen Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrates jedoch keineswegs abgelehnt worden. Ich habe im Ge­schäftsordnungskomitee darauf hingewiesen, dass dieses Rederecht für uns sehr wohl vorstellbar ist und wie es konkret ausgestaltet werden sollte. Folgende drei Punkte gilt es unseres Erachtens zu berücksichtigen:

Erstens soll es dieses Rederecht nur bei den Aktuellen Europastunden und nicht auch bei den Debatten zu den Europaerklärungen von Regierungsmitgliedern geben.

Zweitens muss die Gleichbehandlung aller österreichischen Europaabgeordneten si­chergestellt sein. Das heißt, es müssen nicht nur die von den Klubs entsandten Red­ner, sondern auch die von einer wahlwerbenden Partei gemäß der Europawahlordnung namhaft gemachten Abgeordneten entsprechend berücksichtigt werden. Andernfalls hätten nämlich alle österreichischen Europaabgeordneten im EU-Hauptausschuss und dem dazugehörigen Unterausschuss ein Rederecht, im Plenum hätten aber nur jene EU-Abgeordneten ein Rederecht, die einem Klub angehören. Das würde natürlich be­deuten, dass die Vertreter der Liste Martin im Plenum kein Rederecht hätten. Gegen eine solche sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung haben wir uns im Ge­schäftsordnungskomitee ganz klar ausgesprochen.

Drittens treten wir auch dafür ein, dass Stellungnahmen von EU-Kommissaren und sonstigen EU-Repräsentanten weiterhin nur im EU-Hauptausschuss und in informellen Plenarsitzungen möglich sein sollen. Da gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass die Kommissare dem Europaparlament und nicht den nationalen Parlamenten verantwort­lich sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie ja wissen und wie es üblich ist, sol­len Geschäftsordnungsänderungen im Parlament von einer breiten Basis mitgetragen werden. Diese breite Basis war im letzten Geschäftsordnungskomitee nicht in Sicht, und daher haben wir dem von Frau Präsidentin Prammer vorgeschlagenen Kompro­miss zugestimmt.


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Sollte ein breiter Konsens doch noch möglich sein, sind wir aber gerne dazu bereit, der Einführung eines Rederechts aller österreichischen EU-Abgeordneten im Rahmen von „Aktuellen Europastunden“ zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Petzner. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. Restredezeit der Fraktion: 6 Minuten. – Bitte.

 


17.21.21

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Angesichts der heutigen Debatte wundert es mich nicht, warum wir auch bei dieser EU-Wahl eine so niedrige Wahlbeteiligung hatten, die für alle eigentlich erschreckend sein sollte. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Die Debatte war gar nicht so schlecht!)

Die heutige Debatte, die sich ausschließlich um Personalfragen dreht, zeigt klar, wa­rum die Wahlbeteiligung sinkt: weil nicht Europa im Mittelpunkt steht, weil nicht die Fra­ge: Was wird aus Europa?, im Mittelpunkt steht, sondern weil Sie alle die Frage stellen: Wer wird was in Europa? – Das ist genau das Problem, das die Menschen draußen mit Wahlverweigerung beantworten!

Die Grünen sprechen sich gegen den Herrn Barroso aus – in der Hoffnung, dass der Kin­derschänder Daniel Cohn-Bendit Kommissionspräsident wird. (Abg. Dr. Van der Bellen: Was?)

Die SPÖ hat sich vor dem Wahlkampf und nach dem Wahlkampf anstatt mit Europa ausschließlich mit dem Herrn Graf beschäftigt.

Auch die FPÖ hat sich im Wahlkampf ausschließlich mit dem Herrn Graf und, in die­sem Fall, mit dem Herrn Muzicant beschäftigen müssen, weil ihr diese Debatte von der SPÖ aufgezwungen wurde. (Abg. Strache: Ihr seid doch die absoluten Wahlloser!)

Die Grünen waren mit dem Listenplatzstreit zwischen Lunacek und Voggenhuber be­schäftigt.

Und auch die ÖVP hat sich im ganzen EU-Wahlkampf nicht mit Europa beschäftigt, nicht damit beschäftigt, was die Menschen wirklich bewegt, was ihnen Sorgen macht, wie die Frage der Arbeitsplätze und die Frage der Wirtschaftskrise gelöst werden sol­len, sondern sie hat sich ausschließlich damit beschäftigt, den Listenplatz-Streit zwi­schen Karas und Strasser zu schlichten. – Ich sehe da Kopfnicken in der letzten ÖVP-Reihe, Sie geben mir also recht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Ungeheuerliche, das Sie sich aber mit diesem Listenplatz-Streit geleistet haben, ist eigentlich Folgendes: dass Sie damit einen beispiellosen Wahlbetrug, einmalig in der Geschichte der Zweiten Republik, begangen haben – das muss ich Ihnen hier ganz offen vorwerfen –, weil Sie mit diesem inszenierten Listenplatz-Streit zwischen Karas und Strasser nur versucht haben, Ihre eigenen Wähler zu mobilisieren, Ihnen aber Europa völlig egal war.

Europa war Ihnen völlig egal! Ihnen ist es nur darum gegangen, den ersten Platz zu si­chern. Und das Beste dabei ist, dass Sie dann diesen ersten Platz mit einem Minus von 3 Prozent – Sie haben 3 Prozent verloren, meine Damen und Herren von der ÖVP! – als großen Wahlsieg gefeiert haben. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Es ist dem Wahlkampfmanager Petzner nichts eingefallen!)

Sie von der ÖVP haben sich im Wahlkampf nicht mit Europa beschäftigt, am Wahl­abend nicht mit Europa beschäftigt, und auch jetzt beschäftigen Sie sich nicht mit Euro­pa, sondern es geht Ihnen wiederum ausschließlich um Personalfragen und um die Si-


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cherung von Posten. Während Sie im Wahlkampf gestritten haben, wer Delegationslei­ter in Brüssel wird, ist am Wahlabend entschieden worden, dass es der Herr Strasser wird. Die 100 000 Vorzugsstimmen für den Herrn Karas sind alle für den Hugo – das ist der Wählerbetrug, den ich meine! Das sind ja fast iranische Verhältnisse.

Der Herr Pröll hat am Wahlabend nichts zu Europa erklärt. Das Einzige, was er erklärt hat, ist: Fix ist, dass damit die ÖVP auch den Anspruch auf das Kommissionsmitglied seitens Österreichs hat! Er hat gleich gesagt, das soll Willi Molterer werden, und hat dann noch dazugesagt, überhaupt sei für ihn dieses Wahlergebnis eine erste Etappe auf dem Weg ins Bundeskanzleramt.

Es geht Ihnen von der ÖVP also nur um Personalfragen und Postenfragen, detto den Damen und Herren der anderen Parteien, und damit ist auch die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung bei diesen Wahlen zu begründen. (Die Abgeordneten Dr. Cap und Mag. Gaßner stehen, mit dem Rücken zum Redner, vor den ÖVP-Bänken und spre­chen mit Abg. Kopf. – Abg. Ing. Westenthaler – auf diesen Umstand hinweisend –: Frau Präsidentin, bitte!)

Damit ist zu begründen, dass die Menschen Europa wegschieben, sich ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Petzner, ich unterbreche Sie jetzt auf Hinweis, auch wenn Sie ein wenig aus dem Fluss kommen werden.

Ich ersuche die beiden Herren vor der ersten Reihe, dem Redner nicht den Rücken zu zeigen!

Herr Petzner, bei dieser Gelegenheit ersuche ich Sie, ein wenig Ihre Wortwahl zu be­achten, denn das Wort „Kinderschänder“ und das Wort „Wahlbetrug“, mehrmals ver­wendet, sind inakzeptabel.

Bitte, setzen Sie fort!

 


Abgeordneter Stefan Petzner (fortsetzend): Ich nehme das zur Kenntnis und sage zu den Herren: Auch ein hübscher Rücken kann entzücken! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Jetzt haben Sie mich wirklich ein bisschen aus der Fassung gebracht. (Neuer­liche ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Faktum ist – und das ist auch das Problem; damit komme ich zurück zum eigentlichen Thema –, dass Sie sich nur mit Posten und Personal beschäftigen und nicht mit Euro­pa. Das ist das Problem!

Das BZÖ ist die einzige Partei, die sich vor dem Wahlkampf, im Wahlkampf und auch nach dem Wahlkampf mit den Fragen, die die Menschen und die Europa bewegen, be­schäftigt hat, wie zum Beispiel

mit der Aussetzung von Basel II, das von Amerika erfunden wurde, uns aufgezwungen wurde und in Europa gilt, aber in Amerika nicht;

mit der Frage des EU-Beitrittes der Türkei, wo SPÖ und ÖVP hier im Hohen Haus für den Beitritt der Türkei gestimmt haben;

mit der Einführung der Spekulationssteuer;

mit der Frage von verpflichtenden Volksabstimmungen über EU-Verträge;

mit der Wiedereinführung der Grenzkontrollen als entscheidende wichtige Antwort auf die dramatisch steigende Kriminalität,

mit einem klaren Nein zur EU-Asylrichtlinie, für die Sie, meine Damen und Herren von der Europäischen Volkspartei, im Europaparlament gestimmt haben;

oder auch mit der Frage der Einführung von Schutzzöllen, die wir vor dem Hintergrund der Billigimporte aus Fernost als notwendig erachten, um die Arbeitsplätze in Öster­reich und Europa zu erhalten und zu sichern.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 151

Das sind die Fragen, die die Menschen bewegen! Dem müssen wir uns widmen! Nur so können wir Europa verändern und weiterentwickeln!

Es sind nicht die Fragen der Personalpolitik, die Europa in eine gute Zukunft führen. Das haben Sie mit der heutigen Debatte hoffentlich auch einmal verstanden oder das sollte Sie zumindest dazu bewegen, einmal darüber nachzudenken. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

17.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber mit der gesamten Restredezeit der Fraktion von 6 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


17.27.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundeskanzler! Mei­ne Damen und Herren! Frau Präsidentin! Eines ist schon interessant und durchaus auch anerkennenswert: Die Bekenntnisse zu einem sozialen Europa sind hier sehr, sehr stark ausgeprägt, zumindest in den Wortspenden. Ich finde, das ist ein Punkt, Herr Bundeskanzler, wo man schon anknüpfen könnte und wo man auch die österrei­chische Position, was die Frage der inhaltlichen Weichenstellung betrifft, in den nächs­ten Jahren voranbringen könnte. In diesem Punkt bin ich auch bei Ihnen.

Aber wir sollten, wenn wir diese personalpolitischen Diskussionen führen – und diese sind ja nicht morgen beendet, sie beginnen jetzt und ziehen sich bis in den Herbst hi­nein –, eines bedenken: Das ist auch ein bestimmtes Regelwerk der europäischen Öf­fentlichkeit. Es ist eine Chance für Europa, für die Bürgerinnen und Bürger, sich hier auch aktiv einzubringen, weil hinter Personen politische Programme stehen, politische Bekenntnisse, politische Diskurse und Interessengruppen. Das ist uns als Politikerin­nen und Politiker doch klar. Und das ist ja auch die Herausforderung.

Wenn hier die Kolleginnen und Kollegen zu Recht meinen: Was ist denn eigentlich die Kernfrage, was sind denn eigentlich die Erwartungen der Menschen in Europa?, dann sage ich aus grüner Sicht: Es gibt doch ein eklatantes Legitimationsproblem!

Wir als klare Bekennerinnen und Bekenner mit der Vision, dass die Lösung für die Pro­bleme nur eine europäische sein kann, müssen auch feststellen, dass es auf demokra­tiepolitischer Ebene massive Defizite gibt. Und die Kernfrage beim neuen Präsidenten ist doch die: Versteht er sich als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger? Wird er so wahr­genommen? Ist er eine unabhängige Instanz?

Er hat das Vorschlagsrecht. Er ist kein Verwalter, Herr Bundeskanzler. Er ist kein Ad­ministrator, sondern er gibt Linie vor, sofern er bereit dazu ist, Linie vorzugeben. Er kann Diskurse wesentlich beeinflussen. Und wir wollen doch eine soziale und ökologi­sche Neuorientierung.

Wenn wir das wollen, Herr Bundeskanzler, warum streiten Sie nicht, warum kämpfen Sie nicht für eine Allianz jenseits einer neoliberalen Lobbyistenpolitik, einer opportunis­tischen Politik (Beifall bei den Grünen), die uns in eine Sackgasse geführt hat, die bei der Bevölkerung keine Anerkennung oder zu wenig Interesse, zu wenig Empathie und keine Mitwirkung findet?! Das ist die Herausforderung!

Es besteht sehr wohl eine Möglichkeit, im Europaparlament eine andere Allianz zu schmieden. Sie könnten zumindest im Rat die Position Österreichs in inhaltlichen Fra­gen so weit damit verbinden, dass Sie auch klarmachen, dass die Frage die sein wird, ob der neue Kommissionspräsident bereit ist, die Herausforderung, vor der wir stehen, und die Zeichen der Krise, die eine länger anhaltende sein wird, zu erkennen und Lö­sungen dafür vorzuschlagen.

Wenn es nämlich nicht um Personalpolitik geht, dann dürfen Sie sich jetzt erst recht nicht hinter Barroso stellen. Das ist nicht konsistent, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 152

Exemplarisch möchte ich nun ein Beispiel bringen, das klar zeigt, dass Barroso wirklich Aktionen tätigt, die einfach nur Misstrauen erzeugen können.

Barroso hat während der französischen Ratspräsidentschaft, in derselben Zeit, als un­sere Umweltminister und Agrarminister daran gearbeitet haben, strengere Richtlinien für Gentechnikpflanzen einzuführen, und als sie versucht haben, sich für gentechnik­freie Regionen stark zu machen – das hat Bundeskanzler Gusenbauer damals zur Chef­sache gemacht, muss ich sagen, und mit Sarkozy dazu auch Gespräche geführt –, auf Zuruf der Gentechnik-Futtermittelindustrie eine Ratsarbeitsgruppe auf höchster Ebene, auf Regierungschefebene einberufen, und dies gegen 80 Prozent der BürgerInnen in diesem Land, gegen 80 Prozent der Mitgliedstaaten und gegen den Agrar- und Um­weltministerrat. Und in welchem Interesse? – Im Interesse der Importfuttermittelindus­trie, die durch amerikanische Konzerne in Europa dominiert ist.

Ist das eine europäische Politik, die wir begrüßen können? Ist das nicht eine Politik, die wir ablehnen müssen, wenn ein Kommissar nicht hinter der Bevölkerung steht, sondern auf der ganz anderen Seite?

Nun zur Frage der Kommissare und zum Rederecht. – Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als im Jahre 2005 Franz Fischler versucht hat, diesem Parlament Rede und Antwort zu stehen über seine Agrarreform. Er hat sich hereinreklamieren müssen: Er selbst hat den Vorschlag gemacht, den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen, und er hat das glänzend gemacht. Ich weiß das, denn ich war bei diesem Gespräch dabei. Er war wirklich ein Politiker auf europäischer Ebene, der versucht hat, ökologi­sche und soziale Standards auch auf WTO-Ebene und auch in den internationalen Ver­handlungen einzubringen. Doch er hat keine Rückendeckung, keine Unterstützung be­kommen, zumindest viel zu wenig.

Genau das wäre die Chance! Wenn wir mehr sprächen mit den Akteuren, mit den euro­päischen Kommissaren zu spezifischen Fragen und Herausforderungen europäischer und internationaler Politik, dann würde das Diskussionsklima hier besser werden, kon­kreter werden, effizienter werden. Das wäre ein Gewinn für uns alle, die wir viel Zeit hier verbringen müssen.

Das, meine Damen und Herren, ist für uns schon auch ein Anlass, das noch einmal hervorzuheben. Mein Kollege Van der Bellen hat klar gesagt: Da muss es doch einen Schulterschluss geben! Und wenn wir die Ersten in Europa sind – ja, warum denn nicht, bitte schön?! Es ist doch unsere freie Entscheidung, hier zu sagen: Ja, wir wollen über Europa diskutieren, und wir wollen darüber mit den zuständigen Leuten diskutie­ren!

Abschließend zu den Freunden von der ÖVP: Jean-Claude Juncker ist eine Alternati­ve, er ist einer ökosozialen Marktwirtschaft meilenweit näher als José Manuel Barroso.

Daher: Europa braucht einen neuen Präsidenten! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die dies­bezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


17.33.52

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Karl hat in ihrer Rede gemeint, sie hätte im Geschäftsordnungskomitee den Vorschlag der ÖVP eingebracht, dass unter drei Bedingungen ein Rederecht auch im Nationalrat einge­räumt werden kann.

Das ist unrichtig! Ich zitiere dazu aus dem Protokoll des Geschäftsordnungskomitees; da geht es um die aktuelle Reform der Geschäftsordnung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 153

„Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP) bezeichnet die Idee, in einem ersten Schritt den EU-Hauptausschuss auszuweiten, als eine sehr gute. Man sollte sich ansehen, wie diese Möglichkeit im EU-Hauptausschuss von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments angenommen werde. Wenn es in einem zweiten Schritt auch zu einem Re­derecht der Abgeordneten zum Europäischen Parlament im Plenum des Nationalrates kommen sollte, müssten nach Meinung der ÖVP drei Punkte sichergestellt sein: ...“ – Und dann kommen die drei Punkte.

Damit ist klar: In der aktuellen Reform der Geschäftsordnung tritt die ÖVP gegen ein Rederecht der Abgeordneten zum Europäischen Parlament im österreichischen Natio­nalrat ein. Das ergibt diese Wortmeldung ganz eindeutig! (Beifall bei den Grünen.)

17.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Vock. Gesamtrestredezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


17.35.00

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von den Grünen, ich muss sagen: Ich bin schon etwas überrascht. Ich bin am 10. April des Vorjahres hier im Hohen Haus erstmalig angelobt worden und habe daher am 9. April die Diskussionen über den Ver­trag von Lissabon genau verfolgt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass eine Frau Mag. Lunacek Feuer und Flamme für den Vertrag von Lissabon war. Man hat damals gegen die auch vom BZÖ unterstützten Intentionen der FPÖ, eine Volksabstimmung darüber zu machen, gestimmt.

Es hat mich schon sehr gewundert, dass die Grünen gegen direkte Demokratie ge­stimmt haben, aber es ist noch viel schlimmer, denn beim Vertrag von Lissabon heißt es im Artikel 4 der Schlussbestimmungen unter Punkt 1: Das diesem Vertrag beigefüg­te Protokoll Nr. 1 enthält unter anderem die Änderung der Protokolle zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, was so viel heißt, dass die Gründung der Europäi­schen Atomgemeinschaft Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist. (Abg. Dr. Gla­wischnig-Piesczek: Die war 1957!) Und wenn Sie diesen Vertrag hier mitbeschlossen haben, dann haben Sie nicht für eine Änderung der Atompolitik gestimmt. Also wenn Sie dem Vertrag von Lissabon in der geltenden Form zugestimmt haben, dann haben Sie der Atompolitik Europas zugestimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie von den Grünen können sich jetzt herauszureden versuchen, wie Sie wollen, klar ist: Sie haben beim Vertrag von Lissabon in zwei Punkten mit Ihrer bisherigen Linie ge­brochen: Sie von den Grünen haben sich erstmalig gegen die direkte Demokratie, nämlich gegen den Volksentscheid, gegen die Volksabstimmung, gewendet, und Sie haben zweitens für die Atompolitik gestimmt. (Abg. Dr. Van der Bellen schüttelt vernei­nend den Kopf!)

Wenn Sie hier heute herauskommen und sagen, Frau Mag. Lunacek, dass der Herr Barroso eine falsche Atompolitik macht, dann kann ich nur sagen: Sie im Parlament haben es falsch vorgelebt! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

17.37

17.37.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Dr. Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nominierung des Präsidenten
der Europäischen Kommission durch den Europäischen Rat für die Amtsperiode 2009 bis 2014.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 154

17.37.25Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Gerald Grosz, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 560/A(E) betreffend Wohnungssicherheit und Prävention eine Frist bis 7. Juli 2009 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung keine Rednerin/kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf und der Erstredner zur Be­gründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Hagen. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.38.32

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin Fekter ist das Thema Sicherheit offensichtlich nicht wichtig, denn die ist noch nicht zu sichten. Ich hätte ihr nämlich gerne etwas mitgegeben. So will ich es dem Hohen Haus mitteilen, und ich ersuche die ÖVP-Fraktion, dass sie es an die Frau Ministerin weiterleitet, der anscheinend die Sicherheit in Österreich, wie gesagt, überhaupt nicht wichtig ist. (Abg. Prinz: Sie wird in der Ausschusssitzung da sein!)

Meine Damen und Herren! 77 Prozent der befragten Österreicher sehen bei der Krimi­nalität einen Anstieg. Die morgige Ausgabe der „Kronen Zeitung“ titelt: „Jeder Zweite schon Opfer einer Straftat.“

Auf Seite vier steht: „Schon jeder zweite Österreicher ist Opfer einer Straftat geworden. IMAS-Umfrage:

Wien: Fast jeder zweite Österreicher ist bereits Opfer einer Straftat geworden. Und die Mehrheit der Bevölkerung ist besorgt, von einer Zunahme der Kriminalität überzeugt und bringt diese in unmittelbaren Zusammenhang mit der Zuwanderung. Das ergibt eine Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts IMAS.“ – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Die Sicherheitslage in Österreich verkehrte sich in den letz­ten Monaten dramatisch ins Negative. Von Jänner bis April 2009 wurden 195 849 Straf­anzeigen erstattet. Dies bedeutet gegenüber dem Vergleichszeitraum des vergange­nen Jahres eine Steigerung von 5,9 Prozent oder um 10 980 Anzeigen mehr.

Am stärksten betroffen ist die Bundeshauptstadt Wien. Hier ist nicht nur ein Gesamtan­stieg der Kriminalität von 14,5 Prozent festzuhalten, sondern insbesondere die Zahl der Wohnungseinbrüche, welche um 17 Prozent, und die Zahl der Einbrüche in Einfami­lienhäuser, die um unfassbare 65 Prozent gestiegen ist.

Meine Damen und Herren, das stimmt mich bedenklich – und dann keine Frau Innen­minister, die das hören möchte oder die das interessiert. (Abg. Grosz: Wo ist die In­nenministerin?) Es ist wirklich beschämend für dieses Haus, dass hier ein Antrag be­sprochen wird, die Sicherheitspolitik im Argen liegt und die Frau Innenminister nicht auftaucht. Das ist es ihr nicht wert. (Abg. Ing. Westenthaler: Parlamentarischer Usus!)

Ich möchte hier auch klar sagen, dass die Frau Innenminister immer davon gesprochen hat, dass Wien die sicherste Stadt ist. – Ich hätte sie gerne gefragt, ob sie das wirklich glaubt, denn das glaubt ihr kein Mensch mehr, das nimmt ihr kein Mensch mehr ab. Oder glauben Sie das, meine Damen und Herren?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 155

Ich habe gestern in die Zeitung geschaut, habe kurz in der U-Bahn die Zeitung „Heute“ gelesen. Schlagen wir sie einmal auf und lesen wir eine Überschrift nach der anderen:

„Einbrecher geriet in den Stromkreis“ (Abg. Großruck: Na?!); „Razzia: Schüsse auf Polizisten“ (Abg. Großruck: Soll vorkommen!); „6 Millionen € erbeutet: Diebesbande verhaftet“, „acht Esten (20 bis 36 Jahre alt) in Tallinn (Estland) gefasst“ – die waren in ganz Europa unterwegs!

Schauen wir weiter:

„Gaspistolen-Schuss auf Supermarkt-Mitarbeiter“, ein Räuber in Wien; „Bei einer Ver­kehrskontrolle: Kripo stellt Serieneinbrecher“ (Abg. Großruck – auf eine gleichlautende Überschrift in der „Kronen Zeitung“ zeigend –: Willkommen in der Nova-Rock-City!); „vier verdächtige Polen“, „das Quartett (...) wird (...) in Wien und in Deutschland ge­sucht“, es hat in ganz Europa Einbrüche verübt.

Wenn das Sicherheit ist, meine Damen und Herren, dann leben wir in einer traurigen Gesellschaft!

Dringend notwendig ist deshalb – und das wird von uns massivst und immer wieder ge­fordert – die Wiedereinführung der Grenzkontrollen zu den ehemaligen Oststaaten. Meine Damen und Herren, nur so kann die Sicherheit wiederhergestellt werden! Hier­mit kann der Kriminaltourismus bekämpft werden! (Beifall beim BZÖ.)

Wenn Frau Innenminister Fekter etwas von Sicherheit verstehen würde, dann würde sie uns recht geben. Sie weiß, dass bei der WM 2006 und bei der EURO 2008, als wie­der Sicherheitskontrollen an den Grenzen durchgeführt wurden, dort dicke Fische ins Netz gegangen sind und dass diese Grenzkontrollen wichtig und gut waren und zur Si­cherheit der Bevölkerung beigetragen haben! (Beifall beim BZÖ.)

Da nützt es auch nichts, wenn die Frau Innenminister nach unserer Diskussion über das Budget, wo der Kollege Ewald Stadler die Wiedereinführung dieser Grenzkontrol­len gefordert hat, am Abend noch einen Offizier in die „ZiB“ schickt, der dann sagt, er sei für die Grenzkontrollen zuständig und das sei nicht notwendig. – Meine Damen und Herren, diese Beispiele sagen etwas anderes, und wenn Sie mit Sicherheitsfachleuten sprechen, die nicht aus dem Ministerium kommen, dann werden diese Ihnen das be­stätigen! (Beifall beim BZÖ.)

Im Bundesland Vorarlberg stieg die Zahl der Anzeigen bei Hauseinbrüchen von Jänner bis April 2009 überhaupt um 148 Prozent. Das ist alarmierend, meine Damen und Her­ren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Großruck: ... werden die Grenzen zur Schweiz dicht machen!)

In diesem Zusammenhang ist die Tatsache zu sehen, dass die Polizei vor allem in Wien personell völlig ausgehungert wurde und nicht mehr Herr der Lage ist – und das liegt nicht an den Polizisten, sondern an deren Überlastung, am fehlenden Personal –, was sich dann auch wieder in der Aufklärungsquote niederschlägt: Lediglich 3 Prozent der Wohnungseinbrüche, und das ist ein deutliches Zeichen, konnten in Wien aufge­klärt werden.

Wenn dann der Herr Bundeskanzler, der jetzt leider auch nicht mehr da ist, 2 000 Poli­zisten mehr fordert, dann ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es geht nicht ... (Abg. Silhavy: Es geht um eine Fristsetzung!) – Ja, Sie kennen sich aus in der Sicherheitspolitik, garantiert! – Es geht hier um einen Tropfen auf den heißen Stein, da­mit ist nur ein Teil der Problematik gelöst. Das Problem sind wirklich die offenen Gren­zen, und hier können wir, wenn wir den Schengen-Vertrag zeitmäßig aussetzen, dem entgegenwirken, meine Damen und Herren, und nur so würde es funktionieren. (Beifall beim BZÖ.)


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Das Ganze hat auch einen Rattenschwanz an Konsequenzen, wenn das Personal bei der Exekutive fehlt: Weniger Polizisten heißt automatisch mehr Straftaten, es gibt weni­ger Prävention, und jene Polizisten, die noch im Dienst sind, sind überlastet, haben sehr viel mit Bürokratie zu kämpfen und haben keine Möglichkeit, die Strafdelikte auf­zuklären – sie haben einfach nicht die Zeit dazu. Und das verkörpert alles andere als Sicherheit!

Es muss also in die Prävention investiert werden, es muss in die Nachforschung inves­tiert werden, hier muss Geld und Personal zur Verfügung gestellt werden: Nur so kann man eine vernünftige Sicherheitspolitik machen und die Bevölkerung vor diesen Indivi­duen schützen! (Beifall beim BZÖ.)

Ich möchte auch jeden auffordern, sich einmal in die Lage eines Geschädigten eines Einbruchs zu versetzen. Wir haben jetzt von Fällen gehört, bei denen Personen sogar im selben Zimmer waren, bei denen die Einbrecher vor dem Bett gestanden sind, bei denen man Einbruchsopfern eine Pistole an den Kopf gehalten hat. Stellen Sie sich das einmal vor: das Eindringen eines Fremden in Ihre Wohnung! Er räumt Ihnen die Wohnung aus, den Wohnbereich, lässt es sich dort vielleicht noch gut gehen. Wir ha­ben Fälle gehabt, wo die Wohnung noch zusätzlich verwüstet wurde, damit die Spuren verwischt werden. Stellen Sie sich einmal vor, welche Folgen das für diese Personen hat!

Ich möchte hier im Speziellen die physischen Folgen eines Einbruchs ansprechen, denn damit befasst sich ja auch kein Mensch. Es wird zwar immer der Opferschutz ne­ben dem Täterschutz hervorgehoben, aber der Opferschutz ist etwas, was immer ein wenig hinten ansteht, dem wird das Budget gekürzt. Aber denken wir an die physi­schen Folgen für ein Einbruchsopfer: das beeinträchtigte Sicherheitsgefühl – und es geht nicht nur darum! (Abg. Großruck: Das sind die psychischen, nicht die „physi­schen“!) Schlagartig ändert sich im Leben des Opfers etwas, und zwar zum Negativen, und das wirkt sich aus in Überempfindlichkeit bei Geräuschen, Angst vor dem Allein­sein zu Hause, Schlafstörungen. – Reden Sie einmal mit Leuten, die betroffen waren! Wenn Sie selbst schon betroffen waren, können Sie das sicher nachfühlen. (Abg. Großruck: Das sind psychische Störungen!) – Das sind nicht nur psychische Störun­gen, das sind physische und psychische Störungen, selbstverständlich, beides ist hier gegeben! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Großruck.) Wenn Sie sich in diese Men­schen hineinfühlen, dann werden Sie verstehen, warum es dringend notwendig ist, diesbezüglich Maßnahmen zu ergreifen.

Im Regierungsprogramm der XXIII. GP ist noch ein ordentlicher Maßnahmenkatalog vorgegeben worden, der zum Beispiel Verkehrserziehung, Kinderpolizei, sichere Ge­meinden, Ausbau der Maßnahmen im Bereich Gewaltschutz, Drogenprävention, For­cieren des Einbaues von Sicherheitsanlagen beim Um- und Neubau und so weiter um­fasst hat.

Im Regierungsprogramm der XXIV. GP, Ihrer Regierung (der Redner dreht sich zur Re­gierungsbank um) – es ist niemand da –, das muss man ganz klar sagen, steht nur noch der lapidare Satz: Präventionsarbeit ausbauen und ausweiten, was auch immer das heißen mag.

Frau Minister – es tut mir leid, ich kann Sie nur so ansprechen, auch wenn Sie nicht da sind –, eines ist klar: Die Bevölkerung hat bereits erkannt, dass das Sicherheitssystem in Österreich im Argen liegt; Sie und diese Regierung leider nicht. Wenn Sie nicht han­deln, dann handeln wir eben! (Beifall beim BZÖ.)

17.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Da es hier vonseiten des Redners, aber auch vonseiten der Zwischenrufer gelautet hat, die Ministerin sei


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nicht da, Folgendes (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt aber!) – ich habe auch noch in aller Eile versucht, mich kundig zu machen –: Bei Fristsetzungsanträgen war es bis­her nicht üblich, dass die Minister und Ministerinnen anwesend sind. Das wäre eine vollkommen neue Praxis, die bislang nicht eingeführt ist, und daher, so glaube ich, er­übrigt sich das Ganze.

Es ist dies eine Debatte über eine innere Angelegenheit des Nationalrates, wie wir uns organisieren, und keine Debatte über Inhalte betreffend die Ministerin. Das wollte ich an dieser Stelle nur klargestellt haben. – Wenn es andere Auffassungen gibt, steht es den Klubvorsitzenden natürlich frei, das auch in der nächsten Präsidiale zu thematisie­ren. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber die Feststellung war richtig!)

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten 5 Minuten beträgt. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Feststellung war rich­tig!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


17.49.18

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Ein bisschen, meine Damen und Herren, wundere ich mich schon – im inneren Bereich ist es bekannt, aber alle hier im Haus können es nicht wis­sen –: Am 2. Juli gibt es eine Sitzung des Innenausschusses, und der vorgetragene Punkt ist auf der Tagesordnung. Wozu da jetzt eine Fristsetzung machen?! – Aber las­sen wir das einmal. (Abg. Jury hält dem Redner ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „Jeder Zweite schon Opfer einer Straftat“ entgegen.)

Kollege Hagen, wenn Sie sich hier herstellen (Zwischenruf des Abg. Grosz) – und eini­ge in diesem Haus wissen das ja auswendig –, bedenken Sie, dass unter Ihrer Regie­rungsbeteiligung 3 000 Planstellen eingespart wurden! Merkt euch das und nehmt das einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.) Nehmt das ein­mal zur Kenntnis! Es wird nicht besser, wenn ihr es noch so oft wiederholt.

Diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Faymann, Vizekanzler Pröll bis hin zu al­len MinisterInnen und StaatssekretärInnen hat sich trotz Finanz- und Wirtschaftskrise – ganz im Wissen, wie problematisch, wie wichtig das für unsere Bürgerinnen und Bürger ist – zu einem erhöhten Budget des Bundesministeriums für Inneres, und zwar für 2009 und 2010, aber auch zu mehr Planstellen durchgerungen. Und, meine geschätzten Da­men und Herren, das ist ja nicht irgendetwas (Abg. Grosz: Eben! Da muss man sich bedanken!), wenn wir bereits im Budget 1 000 Planstellen mehr vorgesehen haben
und der Regierungschef darüber hinaus – das kann man ja nur gemeinsam unterstüt­zen (Abg. Grosz: Und danken soll man auch!) – weiteres Personal und noch einmal 1 000 Planstellen mehr fordert.

Und Sie stellen sich hierher – im Wissen, dass wir bereits einen Sitzungstermin mit die­sem Thema haben – und fangen an, alles, was wir hier vor 14 Tagen, glaube ich, ge­meinsam diskutiert haben, zu wiederholen. (Abg. Ing. Westenthaler – auf ein Exem­plar besagter „Kronen Zeitung“ zeigend –: Herr Kollege Pendl!)

Ich sage – und das in aller Deutlichkeit –, dieser Bundesregierung und uns ist die öf­fentliche Sicherheit in diesem Land ein großes Anliegen! Wir wissen, was die Österrei­cherinnen und Österreicher von uns erwarten. (Beifall bei der SPÖ.) Aber mit Polemik, meine geschätzten Damen und Herren, erreichen wir nichts, und die Sicherheit erhö­hen wir schon gar nicht damit! (Abg. Ing. Westenthaler – neuerlich auf ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ zeigend –: Herr Kollege Pendl! Otto!)

Ich lade alle ein, die das ernst nehmen, im Interesse der Heimat, im Interesse der Ös­terreicherinnen und Österreicher: Verunsichern wir die Menschen nicht, polemisieren


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wir nicht, sondern setzen wir diese Maßnahmen, die sich die Regierung vorgenommen hat, gemeinsam um! (Einige Abgeordnete des BZÖ halten dem Redner ihre Exemplare mit besagter „Kronen Zeitung“-Schlagzeile entgegen.) Dazu lade ich Sie sehr herzlich ein. – Da könnt ihr noch so mit den Zeitungen wacheln. Beim nächsten Innenaus­schuss können wir ja darüber debattieren. Ich glaube, mehr ist zu eurem Antrag heute nicht zu sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

17.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Kößl für 5 Minu­ten zu Wort. – Bitte.

 


17.52.13

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es ist tatsächlich so, dass wir am 2. Juli eine Sitzung des Innenausschusses haben und diesen Fristsetzungsantrag am 2. Juli natürlich dort auch behandeln werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Bis zum 2. Juli sind schon wieder 10 000 ...!)

Die Bekämpfung der Kriminalität und die Präventionsmaßnahmen durch die Polizei sind die eine Seite, die Vorkehrungen, die jeder Einzelne treffen kann, sind die andere Seite. Der Staat ist sicher kein Allrisiko-Versicherer; jeder muss natürlich auch nach seinen Möglichkeiten trachten und schauen, wie er für sich selbst dementsprechend für Sicherheit sorgen kann. (Ruf: Es rette sich, wer kann! – Abg. Mag. Stadler: Es rette sich, wer es sich leisten kann!)

Es ist klar, dass sich der Staat sicherlich nicht von der Verantwortung für die Sicherheit verabschieden kann, überhaupt keine Frage, aber betreffend diesen Antrag, den Sie jetzt eingebracht haben, möchte ich schon eines sagen: Ich bin bei Ihnen, dass wir einiges in diesem Bereich machen müssen, und zwar für die eigene Sicherheit zu Hau­se, das heißt in Wohnung und Haus (Abg. Mag. Stadler: Es rette sich, wer es sich leis­ten kann!), aber eines muss klar sein: Das ist keine Aufgabe des Bundes, da durch den Finanzausgleich die Wohnbaugelder an die Länder gegangen sind, und in den Ländern gibt es auch dementsprechende Fördermöglichkeiten.

Ich möchte hier nur die Fördermöglichkeiten des Landes Niederösterreich anführen: Das geht von der Sicherheitstür über die Alarmanlage und die Videoüberwachung bis dorthin, dass das Abrichten eines Schutzhundes ebenfalls gefördert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Also eines ist klar: Das sind die Förderungen und die Möglichkeiten, die es auf Landes­ebene gibt, und betreffend diesen Antrag, liebe Kollegen des BZÖ, wäre es natürlich sinnvoll, wenn Sie diesen im Landtag in Kärnten einbringen würden (Abg. Mag. Stad­ler: Der Schutzhund!), dort wäre er angebracht.

Alles andere werden wir natürlich am 2. Juli diskutieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Dann bin ich auch dafür, dass das Innenministerium von einem Schutz­hund geleitet wird! – Abg. Ing. Westenthaler – neuerlich auf ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „Jeder Zweite schon Opfer einer Straftat“ zeigend –: Mehr Schutzhunde für das Innenministerium!)

17.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Her­bert zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.54.35

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Also wenn Herr Kollege Pendl hier von Pole-


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mik spricht und diese den anderen Fraktionen unterstellt, dann würde ich ihm schon ra­ten: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür! Den Unterschied zwischen 1 000 Planstellen und 1 000 Arbeitsplätzen sollten Sie als Sicherheitssprecher nämlich schon kennen, denke ich mir.

Und wenn Sie hier vorhergehenden Regierungen unterstellen, diese hätten Personal abgebaut: Ihre Fraktion war es in der vorigen Bundesregierung – gemeinsam mit der ÖVP –, die ebenfalls 400 Planstellen bei der Exekutive eingespart hat. Also tun Sie nicht so, als wären nur andere Fraktionen schuld am Abbau der Sicherheit in Öster­reich, und kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kößl! – Wo ist Kollege Kößl? (Abg. Kößl: Ich bin eh da!) Ah, da ist er! – Den Staat aus seiner sicherheitspolizeilichen Verantwortung zu entlassen (Beifall bei der FPÖ – Abg. Kößl: Na dann hast du nicht zugehört!) – ich habe genau aufgepasst, ich habe genau aufgepasst! – und zu sagen, es wäre nicht die primäre Aufgabe des Staates, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen (Abg. Kößl: Das stimmt ja nicht!), das ist ja der Ausverkauf der heimischen Sicherheitspolitik! Da könnten wir ja die Polizei gleich ab­schaffen, wenn wir nach diesem Grundsatz vorgehen würden! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke daher, das ist genau diese Art von Märchen-Polizeipolitik, von sicherheitspo­lizeilichem Dilettantismus, der hier seit einigen Jahren vorherrscht (Abg. Kößl: Das ist ja eine unerhörte Unterstellung!), durch den man es nicht zuwege bringt, einerseits rechtzeitig für die erforderlichen Ausbildungsressourcen bei der Polizei vorzusorgen und zum anderen jene budgetären Mittel sicherzustellen, die es der Polizei ermögli­chen, ihre Arbeit auch wirkungsvoll und effektiv zu machen. Das ist es, was uns fehlt, und das ist auch jener Fehler aus der Vergangenheit – insbesondere der vorigen Bun­desregierung und auch dieser Bundesregierung, die beim Budget wieder säumig war und wieder zu wenig Ausbildungsplätze sichergestellt hat –, den ich Ihnen hier an die­ser Stelle vorwerfe.

Wie recht ich mit dieser Feststellung habe, beweist einmal mehr, dass – ein paar Tage nach dem Beschluss des Budgets in diesem Haus, in dem 1 000 Ausbildungsplätze von der Bundesregierung festgehalten wurden – Bundeskanzler Faymann via Presse gesagt hat, es sind 2 000 Ausbildungsplätze für die Polizei notwendig, um das Sicher­heitsmanko in Österreich, das Sicherheitsloch, wegen dem sich die Bevölkerung zu Recht Sorgen macht, endlich schließen zu können.

Jetzt frage ich mich schon: Warum erst im Nachhinein? Warum macht man das nicht vorher? Warum macht man hier nicht Nägel mit Köpfen, sondern beschließt eine kleine Polizeigabe, eine kleine Zugabe für die Polizei, anstatt gleich für die zukünftige Sicher­heit in den nächsten Jahren entsprechend Vorsorge zu treffen?

Ich denke, eine der wichtigsten Problemstellungen ist es insbesondere, den Polizeibe­ruf und auch den Beruf des Polizeischülers attraktiv zu machen. Auch wenn versucht wird, die nötigen Polizeischüler zu bekommen, werden Sie mit Einstiegsgehältern von 800 € netto für einen Polizeischüler wohl kaum geeignete und vor allem fachlich befä­higte Personen, Menschen in unserem Land finden, die sich bereit erklären, diesen aufwendigen und verantwortungsvollen, aber teilweise auch gefährlichen Job auf sich nehmen zu wollen.

Ich denke daher, hier ist dringender Handlungsbedarf, genauso, wie es gilt, die Sicher­heitsbeamten dort einzusetzen, wo sie auch benötigt werden. Wenn ich bedenke, dass in Wien über 40 Prozent aller strafbaren Handlungen in Österreich begangen werden und aliquot nur genauso viel Personal zugeteilt wird – auch bei den kommenden Aus­musterungen und bei den kommenden Personalzuteilungen –, wie es auch alle ande­ren Bundesländer bekommen, dann muss ich Ihnen sagen, da läuft doch etwas schief, das kann es doch nicht sein!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 160

Daher sage ich: Sorgen Sie für genügend Polizei dort, wo sie benötigt wird, und sorgen Sie dafür, dass die erforderlichen Ausbildungsplätze auch entsprechend aufgestockt werden!

Herr Bundeskanzler Faymann, nun bin ich bei Ihnen: Die 2 000 sind eine gute Zahl – mehr könnten es natürlich auch sein; vielleicht ergibt sich das ja noch. Sorgen wir da­für, dass die Polizei die erforderliche Ausstattung und Ausrüstung bekommt und dass sie endlich in modernen und aufgabengerechten Dienststellen ihren aufwendigen und schweren Dienst versehen kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Widmann zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.59.38

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Ausschussvorsitzender Pendl, es ist schön, wenn das BZÖ einen Fristsetzungsantrag für eine wichtige und richtige Maßnahme einbringt und das Pendel bei der SPÖ sofort in die Richtung ausschlägt, dass das auf die Tagesordnung des Innenausschusses kommt. (Abg. Grosz: Wohin hat der Pendl geschlagen?) Die derzeit gültige Tagesordnung sieht das nämlich nicht vor, Kollege Pendl, aber es freut mich, dass unser Fristsetzungsantrag dazu geführt hat, dass wir diesen Punkt behandeln werden. Ich sage Danke dafür! (Beifall beim BZÖ.)

Nur der Ordnung halber: Nur deshalb, weil das auf der Tagesordnung steht, heißt das noch lange nicht, dass es auch endgültig behandelt wird. Daher bleibt dieser Fristset­zungsantrag auf jeden Fall aufrecht und gültig und ist heute zu beschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zahl der Wohnungseinbrüche – das wur­de schon gesagt – steigt massiv; auch die Zahl der Autodiebstähle. Ein Kollege hat aufgezeigt, dass die Zahl der Autodiebstähle während der EURO 2008 massiv zurück­gegangen war. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Nur ein Beispiel: In Oberösterreich gab es während der EURO 2008 Grenzkontrollen. Nach der EURO stieg die Zahl der Autodiebstähle im Pkw-Bereich um 70 Prozent, im Lkw-Bereich um 80 Prozent. Und dann stellt sich jemand hier ans Rednerpult und sagt, dass es die Grenzkontrollen nicht „bringen“! – Ich verstehe das nicht. Das heißt, die Grenzkontrollen sind sofort wieder einzuführen, um für mehr Sicherheit im Land zu sor­gen!

In Oberösterreich gab es allein im Mai 2009 30 000 Anzeigen. 30 000 Anzeigen! Wenn Sie das hochrechnen, dann hat jeder Oberösterreicher und jede Oberösterreicherin die Chance, innerhalb der nächsten fünf Jahre Opfer eines Kriminaldeliktes zu werden – ich hoffe, ich werde es nicht.

Zu den Aufklärungsquoten: In Oberösterreich ist sie mit 50 Prozent noch relativ gut, in anderen Ländern beträgt sie 40 Prozent, 30 Prozent, bei Wohnungseinbrüchen in Wien liegt sie bei 3 Prozent – und SPÖ und ÖVP sagen: Es ist alles bestens!

Ich denke, bei dieser Zahl an Delikten ist der Plafond bereits erreicht, und daher ist eine Steigerung kaum mehr möglich. Oder doch? – Die morgige Ausgabe von „News“ enthält einen Halbjahresvergleich 2009: Gesamtkriminalität plus 5,9 Prozent, in Wien plus 14,5 Prozent. Sie brauchen nur nachzulesen, dann wissen Sie, was in diesem Land passiert, und sagen Sie nicht, dass das eine ordentliche Sicherheitspolitik ist! (Bei­fall beim BZÖ.)

Ich sage auch, was der falsche Weg ist. Es ist der falsche Weg, wenn in Oberöster­reich die ÖVP gemeinsam mit der SPÖ und dem grünen Beiwagerl zum Beispiel illegal


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eingereisten Asylwerbern wie der Familie Zogaj die Mauer macht, Uni-Gutachten in Auftrag gibt, finanziert aus Steuergeldern; oder wenn dieselbe Regierung in Oberöster­reich beschließt, dass das strengere Fremdenrecht eigentlich nicht verschärft, sondern aufgeweicht gehört – das ist in Oberösterreich geschehen! Und dann sagt dieselbe ÖVP, dass sie für mehr Sicherheit ist (Beifall der Abg. Haubner), und plakatiert: 400 Polizis­ten mehr!

Ich habe den Herrn Landeshauptmann dann gefragt: Hast du auch die Leute wegge­rechnet, die in Pension gehen?, und so ist er nach drei Wochen draufgekommen und hat gesagt: Eigentlich hat der Widmann recht! (Ruf bei der ÖVP: Das hat er nicht ge­sagt!) Und er hat dann in der „Amtlichen Linzer Zeitung“ geschrieben, dass es nur 200 sind.

Meine lieben Freunde, im Zuge der Budgetdebatte ist die Zahl noch weiter gesunken. Ihre Innenministerin, die vielleicht die Schotterkörner in ihrer Schottergrube genau zäh­len kann, aber längst nicht mehr alle Asylanten in Österreich, hat uns nämlich gesagt – ich zitiere –: Es „kann zurzeit keine definitive Aussage über die bis zum Jahr 2011 beim LPK Oberösterreich zusätzlich Dienst verrichtenden Exekutivbediensteten getroffen werden.“ – Das heißt, sie weiß selbst nicht, um wie viele Polizisten mehr in Oberöster­reich sein werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Stand der Dinge, und das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen.

Wir wollen aber auch eine bessere Ausrüstung, wir wollen mehr Grenzkontrollen – das wurde bereits diskutiert –, und wir wollen bei der Wohnbauförderung Maßnahmen set­zen. Einfache Maßnahmen, sagt jede Sicherheitsdirektion, Sicherheitstüren, Sicher­heitsfenster, kosten nicht viel, das kann man einbauen, mit 30 Prozent Förderung könnte man das machen. So könnten wir den Menschen wirklich rasch und effizient mehr Sicherheit geben. Es gibt ja auch sonst Vorschreibungen im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung, im Energiebereich, für ein behindertengerechtes Ausbauen, warum also nicht auch im Sicherheitsbereich, und das bundesweit? (Beifall beim BZÖ.)

Zu guter Letzt: Liebe Kollegen von der ÖVP, nehmen Sie Ihr Wort ernst und sorgen Sie endlich auch dafür, dass schwer kriminelle Ausländer die Staatsbürgerschaft verlieren und letztlich auch abgeschoben werden! (Abg. Großruck: Aber wenn er Staatsbürger ist, kann er kein Ausländer mehr sein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das hat Ihre Innenministerin zugesagt, setzen Sie das um! – Darüber muss man nachdenken, das geht in anderen Ländern.

Tun Sie etwas und reden Sie nicht nur von Sicherheit! (Beifall beim BZÖ.)

18.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


18.04.35

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherheitsexperten des BZÖ sind monatelang zusammengesessen (Abg. Steibl: Wa­rum haben Sie Ihre Gage nicht offengelegt?), um einen „bahnbrechenden“ Text zu ver­fassen, den ich jetzt in seiner Gesamtheit verlesen und dann entsprechend würdigen möchte.

Der gesamte Text des BZÖ, dem eine Frist gesetzt werden soll, lautet – ich zitiere wörtlich –:

„Der Bundesminister für Inneres“ – ich nehme an, Sie denken an Herrn Fekter (Heiter­keit bei den Grünen) – „wird ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesvor­schlag zu übermitteln, der die umfassende Förderung präventiver wohnungssichernder Maßnahmen vorsieht.“ – Punkt. Fertig. (Heiterkeit bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 162

Das ist ein Hinweis, was sicherheitspolitisch zu geschehen hat. Da steckt „Expertise“ dahinter! Da merkt man, bei Ihnen ist schon einige Male eingebrochen worden, und Sie haben sich wirklich den Kopf zerbrochen.

Bleiben wir beim Schlüsselbegriff „präventive wohnungssichernde Maßnahmen“. Was ist eine „präventive wohnungssichernde Maßnahme“ etwa in Kärnten? – Ich würde sa­gen: der Beitritt zum BZÖ! (Heiterkeit bei den Grünen.) Wer dem BZÖ beitritt, kann sich sicherlich präventiv eine Wohnung sichern. Wollen wir wirklich derartige „präventive wohnungssichernde Maßnahmen“ im Innenausschuss und hier im Plenum des Natio­nalrates diskutieren und dem auch eine Frist setzen? Oder wollen wir die Möglichkeit, eine Wohnung in Kärnten nur dann zu bekommen, wenn man dem BZÖ beitritt, nicht doch eher fristlos verstreichen lassen?

Ich schlage Ihnen vor: Wenn Sie uns einen ernsthaften Antrag vorlegen, bin ich gerne bereit, diesen Antrag auch ernsthaft zu diskutieren. Bis dahin bin ich eher dafür – ich nehme an, dafür wird sich eine Mehrheit finden –, dass wir die Frist verstreichen lassen und uns eher gemeinsam überlegen, wie eine präventive antragssichernde Maßnahme dieses Nationalrates in Bezug auf BZÖ-Anträge ausschauen könnte, ohne den Geist und Buchstaben der Geschäftsordnung zu verletzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.07

18.07.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gerald Grosz, Kol­leginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstat­tung über den Entschließungsantrag 560/A(E) eine Frist bis 7. Juli 2009 zu setzen.

Jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, bitte ich um ein Zei­chen. – Der Antrag ist abgelehnt.

18.07.37Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die Verhandlungen über Punkt 3 der Tages­ordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


18.07.45

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kehren wir zurück zur Tourismusförderung. Unbestritten ist: Der Tourismus spielt in der öster­reichischen Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Wenn man bedenkt, dass 70 Prozent aller Nächtigungen auf Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern entfallen, wird klar, dass der Tourismus gerade im ländlichen Raum einer der wesentlichen Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung ist. Lange Zeit wurde die Bedeutung gerade der klei­nen Gemeinden für den Tourismus unterschätzt.

Wir alle wissen, dass die Einnahmen nicht nur direkt der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft zugutekommen, sondern auch indirekt den Handelsbetrieben, den Gewerbebe­trieben. Daneben ist der Tourismus ein unvergleichlicher Jobmotor und deshalb in Zei­ten von Arbeitslosigkeit besonders wichtig. So waren im Jahr 2007 mehr als 700 000 Ar­beitsplätze mit dem Bereich Tourismus direkt oder indirekt verbunden.

Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise geht nicht unbemerkt an uns vorüber. Des­halb ist es wichtig und notwendig, der heimischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft die nötige Unterstützung zur Bewältigung dieser Krise zu gewähren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 163

Es wurde seitens der „Österreich Werbung“ bereits eine sehr gelungene Kampagne gestartet, die das attraktive Urlaubsangebot im Inland, sozusagen vor der Haustüre, schmackhaft macht. Hoffentlich gelingt es damit, dass die Österreicherinnen und Ös­terreicher ihren Urlaub im eigenen Land genießen und Österreich langfristig als ihr Ur­laubsziel wählen. Das wäre gut für die Beschäftigung, für die wirtschaftliche Entwick­lung insgesamt und auch von großer Bedeutung für den ländlichen Raum, in dem sehr viel Tourismus stattfindet.

Ziel muss es auf jeden Fall sein, dass Marktanteile gewonnen werden – dazu ist ver­stärktes Marketing notwendig –, aber auch, dass Investitionen getätigt werden. In die­sem Zusammenhang muss man den Tourismusverantwortlichen gratulieren, denn wir haben gehört, dass da sehr viel geschieht. Beispielsweise in meiner Gemeinde inves­tieren zwei von drei Vier-Sterne-Betrieben gerade 13 Millionen € – das sind auch zwei Unternehmerinnen, alle Achtung! Ich denke, man muss allen Verantwortlichen danken, die in diesen Zeiten diesen Schwung, diese Kraft mitbringen und so viel für den Touris­mus tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Fünf-Parteien-Antrag wird die große Bedeutung des Tourismus in Öster­reich hervorgehoben und auch darauf aufmerksam gemacht, dass wir eine zielgenaue und effiziente Tourismusförderung brauchen. Der Tourismus braucht unsere Wert­schätzung und unsere besondere Unterstützung, weshalb ich froh bin und mich freue, dass alle Parteien diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. – Bitte.

 


18.11.05

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Mei­ne Damen und Herren! Auf die Bedeutung des Tourismus für die österreichische Volks­wirtschaft wurde schon mehrfach hingewiesen. Experten gehen ja davon aus, dass die Tourismuswirtschaft heuer einen Rückgang zu erwarten hat. Das Ausmaß des wahr­scheinlichen Einbruchs ist noch nicht genau vorauszuberechnen.

Derzeit hängt jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Tourismus- und Frei­zeitwirtschaft ab. Positiv ist, dass die Beschäftigungszahlen in dieser Branche nach wie vor stabil sind. Und wenn Arbeitsmarkt- und Tourismuspolitik zusammenarbeiten, kann hier auch das große Wachstumspotenzial genutzt werden.

Insbesondere für den ländlichen Raum ist der Tourismus eine Chance, Infrastruktur und Arbeitsplätze zu erhalten und neu zu schaffen. Umso mehr sind die beiden zentra­len Forderungen des vorliegenden gemeinsamen Antrages aller Fraktionen im Touris­musausschuss zu begrüßen, denn wollen wir, dass Österreich als Gastgeberland zu­mindest teilweise als Gewinner aus der Krise hervorgeht, so müssen wir die Wettbe­werbsfähigkeit des österreichischen Tourismus nachhaltig absichern.

Deshalb ist die im Antrag geforderte Erhöhung des Budgets für die „Österreich Wer­bung“ eine wichtige Maßnahme. Die Mittel sind ja seit dem Jahr 2000 der Preisentwick­lung nicht angepasst worden, und diese strukturelle Schwäche darf gerade in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise meiner Meinung nach nicht festgeschrieben werden.

Die einmalige Erhöhung des Budgets von 4 Millionen € hilft, erste negative Auswirkun­gen des Konjunkturrückgangs auf den österreichischen Tourismus einzudämmen. Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer effizienten Tourismusstrategie ist die Zu­sammenarbeit im Rahmen der „Allianz der 10“ zwischen der „Österreich Werbung“ und den neun Landestourismusorganisationen. So ist ein gemeinsamer Auftritt der Marke Österreich deutlicher und besser möglich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 164

Im vorliegenden Antrag wird auch eine Zwischenevaluierung der Förderungen einge­fordert. Ich meine, es ist notwendig, das System der Tourismusförderung auf seine Effi­zienz und Zielgenauigkeit hin zu überprüfen, um auch für die Zeit nach der Krise aus­reichend Förderinstrumente zur Verfügung zu haben.

Und: Ich wünsche mir weiterhin eine konstruktive Diskussion in den Ausschusssitzun­gen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schön­egger. – Bitte.

 


18.13.56

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Allen oppositionellen Unkenrufen zum Trotz ist der österreichische Tourismus, ist die österreichische Touris­muswirtschaft gut aufgestellt, auch in Zeiten wie diesen.

Der Tourismus ist unbestritten einer jener Wirtschaftszweige, die sich auch in Zeiten einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise gut entwickeln konnten – noch gut entwi­ckeln konnten. Wir blicken beispielsweise auf das Jahr 2008 zurück, das dem heimi­schen Tourismus, der heimischen Tourismuswirtschaft höchst erfreuliche Zahlen be­schert hat, aber auch auf die vergangene Wintersaison 2008/2009 – also schon in der Krise –, in der es einen rekordverdächtigen, nein, nicht nur einen verdächtigen, son­dern wirklich einen Rekordumsatz im heimischen Wintertourismus gegeben hat.

Die Steiermark zum Beispiel, mit nicht so luxuriösen Tourismusmitteln ausgestattet, konnte unter umsichtiger Führung des steirischen Tourismusreferenten Hermann Schützenhöfer ein Plus von 2,2 Prozent erreichen, zu Ostern sogar 30 Prozent. Man sieht, die Tourismuswirtschaft setzt sich erfolgreich in der Krise durch. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein wesentlicher Grund dafür sind unsere touristischen Wettbewerbsvorteile, unsere Stärkefelder. Ich nenne Kultur, Wellness, Wintersport, ich nenne vor allem die Quali­tätsoffensiven der österreichischen Beherbergungsbetriebe, aber auch die Nähe zu den Quellmärkten mit hoher Reiseintensität. Das heißt, ich glaube fest daran, dass Ös­terreich im Bereich des Tourismus gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird, dass wir mittelfristig Marktanteile dazugewinnen können. Diese auszubauen und zu erhalten wird die große Aufgabe der gesamten Tourismuswirtschaft, aber auch der „Österreich Werbung“ im Speziellen sein.

Damit die heimischen Tourismusbetriebe weiterhin investieren und ausbauen können, hat diese Bundesregierung schon Förderungs- und Maßnahmenpakete verabschiedet, die bereits zu wirken beginnen. Zusätzliche Kreditmittel beziehungsweise Haftungs­übernahmen für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft werden dazu beitragen, dass die Tourismuswirtschaft wettbewerbsfähig bleibt, aber auch Impulse in der regionalen Wirt­schaft setzen. Mit diesen Investitionen bleiben wir im Rennen. Immerhin sind bereits 564 Förderansuchen genehmigt worden, was ein Kredit- und Haftungsvolumen von 33,6 Millionen € bedeutet und eine Investitionssumme von sage und schreibe etwa 240 Millionen € hervorrufen wird.

So stellen wir sicher, dass Österreichs Tourismus weiterhin mit Qualität gegenüber an­deren Destinationen punkten kann und es nicht aufgrund der Wirtschaftskrise zu Still­stand, Stagnation oder Einbußen kommen wird.

Die „Österreich Werbung“ trägt einen wesentlichen Teil dazu bei, sie ist ein Vorzeige­projekt unseres Landes, das seinesgleichen sucht, ein Erfolg, der uns in diesem Be­reich recht gibt, und wir werden auch weiterhin voll auf diesen Trumpf setzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 165

Natürlich macht es Sinn, laufend zu evaluieren. Was hindert uns daran, täglich besser zu werden? – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmuckenschla­ger. – Bitte.

 


18.17.33

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Alle Branchen und sozialen Gruppierungen fordern ständig höhere Unterstützung, doch dürfen wir nicht voreilig Versprechungen machen, die später einmal jemand bezahlen muss.

Unsere Aufgabe ist es nicht, an alle Förderungen auszuschütten, nein, wir müssen alle eingesetzten Gelder hinterfragen, jeden Cent zweimal umdrehen, bevor wir ihn ausge­ben.

Daher ist dieser Antrag der richtige Weg, nämlich die Tourismusförderung und die Mit­gliedsbeiträge der „Österreich Werbung“ zu evaluieren und nicht einfach nur zu erhö­hen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht um das Erheben von Ressourcen und das Ausarbeiten, wo Förderungen vor­handen sind, die in ihrer weiteren Folge dem Tourismus zugutekommen, obwohl sie primär in anderen Bereichen budgetiert sind. Und da gibt es einiges an Potenzial, wo wir vieles weiterentwickeln können. Ein Beispiel dafür sind die Förderungen des öster­reichischen Films, Formate wie „Winzerkönig“, „Kommissar Rex“, „Soko Kitzbühel“, di­verse Berichte et cetera. Aber auch die Unterstützung internationaler Produktionen hat einen erheblichen Wert für unser Land, seien es „James Bond“-Dreharbeiten in Bre­genz oder Produktionen in Salzburg. Diese Schiene hat einen sehr starken unmittelba­ren Wert für die Tourismusbetriebe in den einzelnen Regionen.

Der größte Faktor für den österreichischen Tourismus ist sicherlich – da werden Sie mir alle zustimmen – unsere einzigartige Landschaft. In diesem Zusammenhang geht es um die Unterstützung für die Nationalparks oder die Unterstützung der Instandhal­tung der einzigartigen Steinmauern der Terrassenweingärten in der Wachau (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), die eine unglaubliche Anziehungskraft auf deutsche Urlauber ausüben, oder um den Kanal- und Kläranlagenbau in den österreichischen Seen-Ge­bieten, der unerlässlich für die hohe Wasserqualität unserer heimischen Seen ist und damit die Urlauber in unserem Land sichert.

Last but not least braucht es für unsere wunderschöne Landschaft auch jemanden, der sie pflegt und erhält. Wer könnte das besser als jene Menschen, die das seit jeher tun und ihr Wissen über Generationen stets weiterentwickelt haben, nämlich unsere Bäu­erinnen und Bauern? (Beifall bei der ÖVP.)

Einerseits sind es unsere Produkte, die als Imageträger weltweit anerkannt sind. Ich denke da vor allem an den österreichischen Wein, der von New York bis Tokio als Bot­schafter österreichischer Geselligkeit und Lebenslust gilt. Zahlreiche weitere Produkte ließen sich außerdem anführen.

Andererseits geht es um die Pflege und Gestaltung der Landschaft. Doch es ist mir sehr wichtig, festzuhalten, dass sich die österreichischen Bäuerinnen und Bauern nicht als Landschaftsgärtner verstehen. Verstanden wissen wollen wir uns als Produzenten hochwertiger Lebensmittel, und den Nebeneffekt der Landschaftspflege liefern wir mit. Um die Offenhaltung der Landschaft jedoch auch in Zukunft zu garantieren, braucht es gerade bei unserer anspruchsvollen Topographie weiterhin Unterstützung.

An diesen Beispielen sieht man, dass der Tourismus und die Tourismuswerbung von sehr vielen Faktoren abhängig ist und man immer die Gesamtheit und die Vernetzung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 166

aller Projekte betrachten muss, um zu erkennen, wovon die Tourismuswirtschaft wirk­lich profitiert. Folgendes soll man sich aber, bitte, beim Durchlesen, Durchblättern und Betrachten der Bilder, der Prospekte unserer Österreich-Werbung immer wieder vor Augen führen: Landschaft lässt sich nicht importieren, und gerade durch die touristi­sche Nutzung erkennt man ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jury. – Bitte.

 


18.21.37

Abgeordneter Josef Jury (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In all die Lobhudelei in dieser Tourismusdebatte, vor allem vonsei­ten der ÖVP, kann ich mich nicht ganz einreihen. Natürlich ist der Tourismus für die ös­terreichische Identität, für die österreichische Wirtschaft ein ganz wichtiger Punkt. Ich möchte aber kurz eine Stärken-Schwächen-Analyse des Tourismus in Österreich durch­führen.

Wenn man sich als Stärken die 32 Millionen Ankünfte, die 127 Millionen Übernachtun­gen, die 12,1 Prozent an Beschäftigten, gemessen an der Gesamt-Beschäftigtenstatis­tik der österreichischen Bevölkerung, und die tolle Winterentwicklung zu Gemüte führt, muss man sich auch die Schwächen, die negative Seite anschauen. Es schrillen für mich die Alarmglocken, wenn das Jahr 2008 das erste Jahr gewesen ist – lassen Sie, meine Damen und Herren, sich das vor Augen führen –, in dem die Türkei Österreich als beliebtestes Urlaubsland der Deutschen abgelöst hat! Das ist für mich ein Alarmzei­chen. Wenn wir da nicht tätig werden, werden wir am Ende des Tages noch eine böse Überraschung erleben! (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Herr Kollege Hörl, ich bin sehr froh darüber, dass du der gleichen Meinung bist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie unterschätzen diese Dimension, dass wir am Kernmarkt des Tourismus, am Kernmarkt der Deutschen, nicht mehr die Num­mer eins sind. Das resultiert daraus, dass man natürlich eine tolle Winterentwicklung hat, aber auf den Sommer vergessen hat oder den Sommer falsch bewirbt, indem man einfach zur Internationalisierung der Gäste übergegangen ist und den Kernmarkt Deutschland sträflichst vernachlässigt hat. Das gehört schleunigst geändert!

Ich fordere den Wirtschaftsminister auf, gescheite Tourismuspolitik für uns Österreicher zu gestalten, damit wir diese positive Geschichte der Tourismuswirtschaft in Österreich weiterschreiben können. (Beifall beim BZÖ.)

18.24

18.24.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 226 der Beilagen ange­schlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist angenommen. (E 39.)

18.25.094. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (205 d.B.): Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrich­tungen (210 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 167

5. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 525/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsan­spruch auf kostenlosen Ganztagskinderbetreuungsplatz ab dem vollendeten ers­ten Lebensjahr (211 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zu den Punkten 4 und 5 der Tagesord­nung, die unter einem behandelt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 


18.25.57

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Die Einführung des kostenlosen, des Gratis-Kindergartens mit dem Jahr 2009 hat für mich in mehrfacher Hinsicht nicht nur positive Auswirkungen. So stellt sich für mich auch die Frage des Bedarfes, haben doch im Kindergartenjahr 2007/2008 laut APA-Bericht 94,7 Prozent aller Kinder einen Kindergarten besucht.

Die Begründung, dass Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten oder in vergleichbaren Einrichtungen unter­repräsentiert sein sollen, wurde leider nicht mit Zahlen untermauert. Auch die Annah­me, dass nur ein Jahr Kindergartenbesuch zur sprachlichen und sozialen Förderung sowie auch zur Erreichung der Schulfähigkeit beiträgt, basiert auf Mutmaßungen.

Der einzig zielführende Weg, rechtzeitigen Spracherwerb zu erreichen, bevor es zur Einschulung kommt, ist ein verpflichtendes Vorschuljahr für fünfjährige Kinder mit man­gelnden Deutschkenntnissen. In der Vorschule kann der Spracherwerb durch den Leh­rer durch sprachschulähnliche Strukturen erfolgen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein großes Manko sehe ich auch darin, dass diese neuen Angebote einen weiteren Schritt einer Politik darstellen, die einzig und allein auf die Förderung außerfamiliärer Kinderbetreuung ausgerichtet ist. Anstatt auf die tat­sächlichen Wünsche und Bedürfnisse von Familien einzugehen, werden hier fiktive Ziele vorgegeben, die kaum zu erfüllen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Insofern ist es erfreulich, dass es bei der Tiroler Landesregierung diesbezüglich ein Umdenken gegeben hat. Ab September 2009 wird in Tirol der Besuch des Kindergar­tens schon für vier- und fünfjährige Kinder gratis angeboten. Zur Vermeidung der Dop­pelförderung wird in der Folge das Tiroler „Kindergeld plus“ auf zwei- und dreijährige Kinder vorgezogen. Bisher wurden diese Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt gefördert. Gemeinsam mit dem Kinderbetreuungsgeld des Bundes kann hier eine durchgehende Kinderbetreuungsförderung zur Abdeckung der Kosten sicher­gestellt werden.

Neu ist auch, dass die Auszahlung des „Kindergeldes plus“ nicht an den Nachweis eines Betreuungsplatzes geknüpft ist. Dadurch ist gewährleistet, dass für Kinder bis zu vier Jahren auch von den Eltern entschieden werden kann, in welcher Form sie betreut werden sollen. Das Land fördert sowohl die häusliche als auch die private Betreuung.

Die Höhe des „Kindergeldes plus“ beträgt 400 € pro Jahr und Kind. (Abg. Steibl: Was soll man denn mit 400 € anfangen ...?) Wenngleich sich die Höhe des „Kindergeldes plus“ auch bescheiden ausnimmt und dies eher als Alibiaktion gelten muss, ist der da­hinter stehende Grundgedanke auch für die Familienförderung des Bundes vorbildhaft: Schluss mit der Wertung zwischen Familien mit Doppel- und Alleinverdienereinkom­men und Schluss mit der Abwertung innerfamiliärer Kinderbetreuung! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 168

Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


18.29.46

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs, Frau Kollegin Gartelgruber: Sie leben fern der Realität! – Aber nun zurück zum Inhalt. (Abg. Grosz: Tut’s nicht streiten! – Abg. Neubauer: Sie wohnt in Wörgl!)

Wir beschließen heute mit der vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung – nach der 13. Familienbeihilfe und der Steuerreform, insbesondere der steuerlichen Absetzbar­keit von Kinderbetreuungskosten – einen weiteren Puzzleteil, mit dem sich Beruf und Familie wieder besser vereinbaren lassen: die Einführung des halbtags verpflichtenden Gratis-Kindergartenjahres für alle Fünfjährigen in Österreich! Vor allem setzen wir da­mit auch einen wichtigen Schritt für unsere Kinder, um sie mit den besten Start- und Bildungsmöglichkeiten für später zu rüsten. Dazu trägt ja der Kindergarten auch bei. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Einführung ist, soweit ich mich erinnern kann, auf Initiative auch von Christine Marek, unserer Staatssekretärin, in die Regierungsverhandlungen eingeflossen – da sage ich wirklich danke dafür, dass auch der Regierungspartner mitgegangen ist –, aber auch die Steiermark ist hier federführend. Unser Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer hat den Gratiskindergarten in Modellregionen umgesetzt und auch die Ausweitung dieser in einem „Familienmanifest“ gefordert, und die Landesrätin von der SPÖ hat das dann umgesetzt – mit Steuergeldern, muss man auch sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Umsetzung dieses Gratis-Kindergartenjahres für die Fünfjährigen werden vom Bund jeweils 70 Millionen € zur Verfügung gestellt. Das ist auch bis 2013 fixiert.

Ich habe schon Frau Staatssekretärin Christine Marek erwähnt. Ich möchte ihr wirklich danken. Ich möchte aber an dieser Stelle auch allen KindergartenpädagogInnen für ih­ren exzellenten Einsatz und die Betreuung auch in der Bildungsarbeit meinen Dank aussprechen, und auch den Tageseltern, weil das ein wichtiger Bereich ist, insbeson­dere für die Kleinstkinder mit einem oder zwei Jahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Die Statistik – das wurde angesprochen – zeigt auf, dass die Betreuungsquote außer­häuslich bei den Fünfjährigen schon jetzt 96,3 Prozent beträgt und sozusagen der Rest, das sind in Zahlen ausgedrückt 2 500 Fünfjährige, zu Hause betreut werden. Es ist aber natürlich dennoch äußerst wichtig, dieses verpflichtende Kindergartenjahr, das ja als entscheidende Maßnahme kostenlos ist, einzuführen, weil das ja auch ein Ge­samtpaket ist. Insofern ist es für mich schon ein bisschen verwunderlich, wenn seitens der Grünen und der Interessenvertreter von einigen jetzt wegen untragbarer Arbeitsbe­dingungen für die Kindergartenpädagogen der Aufstand geprobt wird; ja es wird heute in einer sehr billigen Zeitung sogar von Streik gesprochen! (Ruf bei der ÖVP: Was ist mit den Kindern?) – Genau, was ist mit den Kindern?!

Werte Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, die Sorge von Berufs­gruppen ernst zu nehmen und Lösungen zu finden. Letztlich hat das aber immer mit Maß und Ziel zu geschehen, auch in Hinblick auf die Steuerzahler und Steuerzahlerin­nen.

Es ist aber auch unsere Aufgabe – jetzt komme ich zu den Kindergärten und den Kin­dergartenpädagogInnen zurück –, einmal hinzuschauen, ob es nicht auch immer mehr Schwierigkeiten in der Erziehungsarbeit innerhalb der Familie gibt. Glücklicherweise le­ben wir in einem Land, das europaweit im Spitzenfeld liegt, was Transferleistungen an


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Familien angeht. Aber das allein reicht nicht. Eben weil wir viel erreicht haben, müssen wir mehr denn je – ich hoffe, dass wir dazu den Mut haben, und hier wird ja einiges ge­tan, auch im Sinne der Bewusstseinsbildung – Stütze sein und Stützen in der Erzie­hungsarbeit innerhalb der Familie zum Wohle der Kinder geben. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Klar ist, dass Kindergarten und Schule die Familie nicht ersetzen können, aber dort wichtige, notwendige Bildung und soziale Kompetenz vermittelt werden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zu dem Ansinnen der FPÖ sagen, dass man dieser Artikel-15a-Vereinbarung nicht zustimmen will: Es ist sehr schade, dass Sie eine so wichtige Maßnahme und Unterstützung für unsere Familien ablehnen.

Zu Ihrer Aussage, dass der Gratis-Kindergarten nur für Österreicher gelten soll – außerdem wollen Sie ja die Verpflichtung nicht, stattdessen wieder ein verpflichtendes Deutsch-Vorschuljahr –: Integration ist uns sehr wichtig! Integration erfolgt natürlich auch im Kindergarten, sie erfolgt und funktioniert dort über Sprache und über das Um­feld. Verschließen wir uns aber nicht der Realität: Kinder – und nicht nur österreichi­sche Kinder – sind unsere Zukunft, und jede Investition und Unterstützung für Familien kann nur richtig sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


18.35.03

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte BesucherInnen auf den Galerien! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir be­raten und stimmen heute ab über die Artikel-15a-Vereinbarung, die den Gratis-Kinder­garten und das verpflichtende Kindergartenjahr normiert. Das ist ein erster wichtiger Schritt, und vor allem ist es eine Forderung, die wir Grünen seit Jahren erheben, näm­lich einerseits den Gratis-Kindergarten, andererseits ein verpflichtendes Kindergarten­jahr, aber nicht nur ein Jahr, sondern zwei Jahre vor Schuleintritt. Vor diesem Hinter­grund werden wir zustimmen – aber es gibt sehr viele Einschränkungen, die wir hier diskutieren wollen und die hier zu debattieren sind.

Einerseits ist der Gratis-Kindergarten, auch beitragsfreier Kindergarten genannt, eine Mogelpackung, und zwar deshalb, weil wir jetzt schon von diversen Trägern beispiels­weise in Wien hören, dass sie zwar keine Beiträge mehr einheben werden, weil ihnen das ja aufgrund der Vereinbarung und diverser Verträge mit der Gemeinde Wien unter­sagt ist. Aber da sie mit dem, was ihnen an Geldern zur Verfügung steht, nicht aus­kommen werden, werden sie weiterhin Geld von den Eltern eintreiben, das sie eben in anderen Beiträgen verstecken müssen, zum Beispiel in Materialkostenbeiträgen, in Es­sensbeiträgen oder vielem mehr.

Das führt zu der absurden Situation, dass es sogar Personen gibt, die jetzt weniger zahlen, als sie ab Herbst zahlen werden, obwohl alle anderen Rahmenbedingungen, nämlich die Kinder, der Kindergarten und vieles mehr, gleich geblieben sind. Da von einem Gratis-Kindergarten oder von der Errungenschaft eines beitragsfreien Kindergar­tens zu sprechen, ist zynisch! Das auch noch abzufeiern und sich in sämtlichen Medien dafür feiern zu lassen – sei das jetzt die SPÖ Wien oder sei das die Bundes-ÖVP –, halten wir für nicht angebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Aber nicht nur das, auch die Rahmenbedingungen, sowohl für den Gratis-Kindergarten als auch für das verpflichtende Kindergartenjahr, sind nicht gegeben. Das wissen wir, und das wissen Sie seit Jahren! Wir wissen, dass Tausende Plätze fehlen, vor allem auch solche, die mit ganztägiger Berufstätigkeit vereinbar sind. Wir wissen, dass es an KindergartenpädagogInnen fehlt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 170

Bezüglich der Plätze haben wir, habe ich schon seit Oktober mehrfach darauf hinge­wiesen. Sie haben es trotzdem vorgezogen, im Rahmen der Steuerreform in ein Famili­enrechtspaket zu investieren, das wiederum gut und besser verdienenden Familien zu­gutekommt, wissend, dass das Geld für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen ab­gehen wird.

Es fehlt außerdem an KindergartenpädagogInnen. Die Ursache dafür ist recht leicht erklärt, aber Sie haben, obwohl Sie diese Ursachen seit Jahren kennen oder kennen müssten, keine Antwort darauf.

Wir wissen, dass viele der ausgebildeten KindergartenpädagogInnen entweder gar nicht in diesen Beruf gehen oder ihn nach wenigen Jahren wieder verlassen, weil ers­tens die Bezahlung schlecht ist und weil dort andererseits die Arbeitsbedingungen un­möglich sind: zu große Gruppen, zu kleine Räume, zu wenig Flexibilität in der Dienst­einteilung, nur wenige Möglichkeiten, einander dort zu vertreten. Wir wissen auch, dass gerade unter KindergartenpädagogInnen die Anzahl jener, die irgendwann einmal ins Burnout geraten und deshalb dem Arbeitsprozess nicht mehr nachkommen können, ein sehr hoher ist.

Der Unmut der Betroffenen ist schon lange groß. Jetzt aber ist ihnen offensichtlich das Fass übergelaufen, und sie haben begonnen – ich sage: endlich begonnen –, sich zu organisieren. So haben sich einige Initiativen gebildet, unter anderem die Initiative „Kin­dergartenaufstand“, von der auch Sie, Kollegin Steibl, offensichtlich gesprochen haben. Diese Initiative ist bereit, sehr weit zu gehen; sie ist nämlich auch bereit, so weit zu ge­hen, dass sie, die LehrerInnen nachahmend, in den Streik geht.

Es ist schon sehr bezeichnend für Ihr demokratiepolitisches Verständnis, wenn Sie hier das demokratische Recht des Streikens in Frage stellen, indem Sie mit dem Wohl der Kinder kommen. Ja, es gibt Berufe, in denen Leute dafür verantwortlich sind, andere zu betreuen, seien es jetzt Pflegeberufe, seien es Gesundheitsberufe, seien es Kinderbe­treuungsberufe. Aber das kann doch nicht das Argument sein, dass man diesen Men­schen, diesen ArbeitnehmerInnen das Recht nimmt, auch bis zum äußersten Arbeits­kampf zu gehen und in den Streik zu gehen! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Staatssekretärin Marek, Sie sind sehr gut beraten, da nicht einfach drüberzufah­ren, sondern dies sehr ernst zu nehmen.

Ich erwarte schon mit einer gewissen Häufigkeit Ihre Antwort: Na ja, für die Rahmenbe­dingungen sind nicht wir zuständig, sondern die Länder. Jedes Mal, wenn man hier die Arbeitsbedingungen, die Rahmenbedingungen für die Bildungseinrichtung Kindergar­ten anprangert oder thematisiert – sei es, dass man mit den Ländern darüber spricht, sei es, dass man mit dem Bund darüber spricht –, wird die heiße Kartoffel hin und her geworfen. Das kann es nicht sein!

Jedes Kind in Österreich, sei es in Wien, sei es im Zillertal oder sei es im Waldviertel, hat das gleiche Recht auf eine qualitativ hochwertige Bildungseinrichtung Kindergarten. Deswegen haben wir das Bundesrahmengesetz eingebracht. Sie sind so damit umge­gangen, dass Sie es im Ausschuss vertagt haben. Deswegen debattieren wir hier heu­te auch nicht darüber. Und jetzt müssen Sie sich irgendwann auch dazu bekennen. Die Vertagungen kennen wir schon. Wenn Sie sich nicht entscheiden wollen, vertagen Sie.

Wir haben aber Ihrerseits unterschiedliche Signale dazu bekommen. Kollegin Schön­pass von der SPÖ, Bürgermeisterin, also mit der Materie durchaus vertraut, hat gesagt, sie sei sich nicht ganz sicher, wo denn die Kompetenz für Kinderbetreuung besser auf­gehoben wäre. Auch Ihre Kollegin Riha, Landtagsabgeordnete der ÖVP in Wien, hat ein Bundesrahmengesetz, so wie wir es vorgeschlagen und gefordert haben, schon öf­ters gefordert.


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Sie, Frau Staatssekretärin, sagen, das werde nicht gehen. – Ja, es wird realpolitisch nicht gehen, weil der ÖVP-Finanzminister offensichtlich nicht bereit ist, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen – und weil er offensichtlich auch nicht bereit ist, Ihre Län­derchefs zu diesem Thema auf eine Linie zu bringen und gleiche Chancen für alle Kin­der in Österreich – eine wichtige Angelegenheit – zu gewährleisten.

Wir werden Sie nicht aus der Verantwortung lassen, Frau Staatssekretärin, und auch nicht Ihre Regierungskollegen und Regierungskolleginnen, weder den Bundeskanzler, noch den Vizekanzler! Wir fordern gleiche Mindeststandards für alle Kinder; wir fordern einen höheren Bundeszuschuss für den weiteren Ausbau, denn wenn wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir alle die gleichen Chancen für die Kinder nicht erle­ben; und wir fordern weiters eine bessere Bezahlung für alle PädagogInnen und besse­re Rahmenbedingungen für ihre Arbeit.

Wir werden Sie nicht aus der Verantwortung lassen und werden auch Ihre Arbeit daran messen! (Beifall bei den Grünen.)

18.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Binder-Maier. – Bitte.

 


18.42.44

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zu meinen Vorrednerinnen: Zum einen werde ich mich nicht auf einen Urheberstreit darüber einlassen, wer die Idee des Gratis-Kindergartens geboren hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Ja, ja!) Zum anderen, Frau Kollegin Gartelgruber, finde ich es schamlos, schon bei den Kindern Ausgren­zungspolitik zu betreiben! Und zum dritten: Frau Kollegin Musiol, Sie waren sehr kri­tisch, aber ich erinnere Sie daran, dass die Grünen in Oberösterreich daran beteiligt waren, als das Gratismittagessen in Kindergärten abgelehnt wurde! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Also lassen wir die Kirche im Dorf!

Die Vereinbarung zwischen den Bundesländern und dem Bund wurde am 5. Mai von den Landeshauptleuten unterschrieben: Das Gratis-Kindergartenjahr wird ab dem fünf­ten Lebensjahr verpflichtend sein. Ich denke, dies ist ein wichtiger und stabiler Grund­stein für die Verbesserung der Chancen der Kinder. Der Start in die Schulzeit kann da­durch erleichtert werden und das Sprungbrett für die Kinder in das Leben wurde da­durch höher gestellt.

Ich freue mich sehr über diese Vereinbarung beziehungsweise über diesen Beschluss und kann mir vorstellen, dass es sicherlich nicht einfach war, neun unterschiedliche Bundesländerinteressen unter einen Hut zu bringen. Gratulation an Sie, Frau Staatsse­kretärin! Natürlich gilt mein Dank auch unserer Frauenministerin, die tatkräftig mitge­wirkt hat und uns Unterstützung und Beistand zu diesem Beschluss leistete. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fürntrath-Moretti.)

Meine Damen und Herren, der Kindergarten – und ich habe dieses Wort sehr, sehr gern –ist auch schon jetzt eine Bildungseinrichtung für unsere Kinder. Wichtige Fähig­keiten, Fertigkeiten können im Kindergarten entwickelt werden, wobei auch die Per­sönlichkeit geformt wird. Angefangen von der Förderung der Fein- und Grobmotorik bis hin zum Sozialverhalten: Wissen wird vermittelt, die Sprache wird gefördert, Kreativität wird zugelassen, musische Begabungen werden erkannt und gefördert.

Es ist eine der bedeutendsten und wichtigsten Zeiten im Leben eines Menschen, in der die Grundsteine und Grundlagen für die weitere Entwicklung gelegt werden. Deshalb brauchen unsere Kinder bestmögliche Förderung, Unterstützung und Bedingungen – und diese müssen auch zur Verfügung gestellt werden! An einem Rahmenbildungspro-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 172

gramm wird gearbeitet. Er ist laut Frau Staatssekretärin in Ausarbeitung und dient als Grundlage für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Betreuungseinrichtungen.

Die außerfamiliäre Betreuung, meine Damen und Herren, hat hohe Akzeptanz – bei den Eltern wie auch bei den Kindern. Bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen haben wir jedoch noch Lücken. Auch die Akzeptanz ist noch nicht so gegeben, wie wir sie uns wünschen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter, die Kindergärtnerinnen und Kindergärtner in den Betreuungseinrichtungen hervor­ragende Arbeit leisten.

Diese MitarbeiterInnen brauchen Bedingungen, die es zulassen, dass unsere Kinder die optimale Betreuung erfahren, sodass Eltern ihre Kinder sorgenlos in den Kindergär­ten unterbringen können und wissen, dass die Kinder dort gut betreut sind, dass sie glücklich sind und dass es ihnen wohl ergeht. Das ist einer der wichtigsten Punkte, nämlich nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu garantieren, sondern dass unsere Kinder die bestmögliche Betreuung, Förderung und Zuwendung erfahren.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch Folgendes zu sagen: Ich war selbst lange Kinder­gärtnerin. Ich weiß, dass Kinder Kinder lieben, dass Kinder ihren Kindergarten lieben und dass Kinder Beständigkeit, Vertrauen und vor allen Dingen Respekt brauchen. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


18.47.23

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Werte Kolle­gen! Hohes Haus! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich mich ganz herzlich be­danken und Sie, Frau Staatssekretär, zu der Einführung des Gratiskindergartens be­glückwünschen. Ich muss mit ganz besonderer Freude feststellen, dass er durchge­gangen ist beziehungsweise durchgehen wird, denn das ist ja schon seit Jahren eine freiheitliche Forderung. Mit einigen Jahren Verspätung, aber doch, werden freiheitliche Forderungen angenommen und umgesetzt. – Vielen Dank! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt allerdings, meine Damen und Herren, komme ich zu dem Aber an der ganzen schönen Geschichte. Im Zusammenhang damit möchte ich Ihnen gleich einmal meinen Entschließungsantrag vorstellen und ihn einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Ländern in Verhandlung zu treten und dem Nationalrat entsprechende Regierungsvorlagen zuzuleiten, welche unter anderem folgende Punkte beinhaltet:

1. Die Einführung des bundesweiten halbtägigen kostenlosen Kindergartens für öster­reichische Staatsbürger und EU-Bürger ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt.

2. Die Einführung einer verpflichtenden Vorschule für Kinder mit Wohnsitz in Österreich im letzten Jahr vor der Einschulung, wenn diese die deutsche Sprache für eine ordent­liche Teilnahme am Volksschulunterricht nicht ausreichend beherrschen.“

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 173

Meine Damen und Herren, es ist unbestritten, wie wichtig und wertvoll der Kindergarten für die soziale und kulturelle Entwicklung der Kinder ist. Daher ist es auch sehr positiv, dass er gratis sein soll.

Andererseits, meine Damen und Herren, erfolgt bei uns in Österreich die Ausbildung der Kindergartenpädagogen auf einem sehr hohen Niveau. Sie sind ausgesprochen gut ausgebildet und haben eine fundierte und wirklich hochwertige Ausbildung.

Dennoch hat sich herausgestellt, meine Damen und Herren, dass diese Pädagoginnen mit diesem neuen Auftrag, den sie haben werden, nämlich den Kindern die deutsche Sprache zu lehren, doch überfordert sind. Weil sie schlecht ausgebildet sind? Nein, ganz im Gegenteil! Aber ihre Ausbildung ging in eine andere Richtung. Sie wurden zu Kindergartenpädagogen ausgebildet – und diese Ausbildung zielt eben nicht auf den Bereich der Vermittlung der deutschen Sprache in einer Art Schule ab.

Für die Aufgabe, den Kindern die deutsche Sprache beizubringen, damit sie dem Schulunterricht folgen und den Schulalltag ganz normal bewältigen können (Zwischen­ruf der Abg. Silhavy), meine Damen und Herren, sind eben Volksschullehrer notwen­dig, die eine entsprechende Ausbildung bekommen haben und dafür entsprechend gut ausgebildet sind.

Aus einer Studie geht hervor, dass der Kindergarten allein nicht helfen kann, die sprachliche Kompetenz zu verbessern. Es wurde festgestellt, dass bei Kindern türki­scher Herkunft, die in den Kindergarten gehen, trotz alledem ein Förderbedarf von 80,2 Prozent besteht. Bei Kindern aus Ex-Jugoslawien besteht ein Förderbedarf von 50 bis 60 Prozent, bei Kindern mit deutscher Erstsprache liegt der Förderbedarf hinge­gen bei nur 10 Prozent.

Meine Damen und Herren, Sie sehen daher, dass es nicht das letzte Jahr des Kinder­gartens sein kann, in dem die deutsche Sprache vermittelt wird, sondern dass dazu eben eine Vorschule notwendig ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, der Kindergarten ist nun einmal keine Bildungseinrichtung; das ist Aufgabe der Schule! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Zum Abschluss möchte ich noch erwähnen, dass im morgigen „Kurier“ ein Artikel er­scheinen wird, nämlich: „Fehlt das Kind, droht Geldstrafe“. Dabei geht es um die Kin­dergartenpflicht. Wie wenig diese Verpflichtung tatsächlich bringt, haben wir ja in eini­gen Studien schon gesehen, meine Damen und Herren. Die Verwirrung, die durch die­se Verpflichtung entsteht, sieht man anhand dieses Zeitungsartikels. Jeder weitere Kommentar dazu erübrigt sich! (Beifall bei der FPÖ.)

18.52


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller und weiterer Abgeordneter betreffend den kostenlosen halbtägigen Kindergarten und die verpflichtende Vorschule für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Famili­enausschusses über die Regierungsvorlage (205 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förde­rung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (210 d.B.), in der 27. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2009


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 174

Der Besuch des Kindergartens stellt einen wichtigen Beitrag zur sozialen und kulturel­len Entwicklung der Kinder dar. Der kostenlose Kindergartenbesuch ist daher absolut zu befürworten.

Der verpflichtende Kindergartenbesuch für 5-Jährige stellt jedoch einen massiven Ein­griff in die Gestaltungsfreiheit des Familienlebens dar, der allein unter der Begründung, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die kaum oder gar nicht deutsch sprechen da­durch besser auf die Schule vorbereitet werden könnten, nicht gerechtfertigt erscheint.

Die Ergebnisse der Studie zur „Frühkindlichen Sprachstandsfeststellung im Kindergar­ten“, welche im Frühjahr dieses Jahres vom „bifie“ (Bundesinstitut für Bildungsfor­schung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens) herausgegeben wurde, lässt auch Schlüsse auf die Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die Fort­entwicklung der Sprachkenntnisse nach und während des Kindergartenbesuchs zu.

Bei der Studie wurde in mehreren Bundesländern der Sprachstand der Kindergarten­kinder und der damit einhergehende Förderbedarf ermittelt. So haben beispielsweise in Kärnten 93,1% der türkischen Kinder im Kindergarten einen Förderbedarf. In Salzburg sind es 92,8%, in der Steiermark 72,9%. In Wien, wo sich bekanntlich nur ein Teil der Migrantenkinder überhaupt in Kinderbetreuung befinden und man bei diesen durchaus von einer positiven Auslese sprechen kann, weil nur Eltern, die der Integration grund­sätzlich positiv gegenüberstehen, ihre Kinder in den Kindergarten geben, wurde trotz aller Integrationsbemühungen mit zusätzlichen Betreuern, etc. ein Förderbedarfsanteil von 80,2% bei Wiener Kindergartenkindern mit türkischer Herkunft ermittelt. Bei Kin­dergartenkindern aus Ex-Jugoslawien wurden Anteile beim Förderbedarf zwischen 50 und 60% erreicht. Kinder mit deutscher Erstsprache kommen auf etwa 10% Förderan­teil. Dabei handelt es sich um Kinder, die bereits jetzt einen Kindergarten besuchen. Wenn nun jene Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder derzeit noch nicht im Kindergarten untergebracht haben, diese durch die beschlossene Verpflichtung in den Kindergarten geben, wird sich dadurch die soziale und sprachliche Entwicklung der jetzigen Kindergartenkinder erschweren.

Mit folgenden weiteren Auswirkungen ist durch die Einführung der Kindergartenpflicht zu rechnen:

Die Auswirkungen in ländlichen Gemeinden, wo ohnehin schon fast jedes 5-Jährige Kind den Kindergarten besucht, werden sich in Grenzen halten. In den Ballungszentren mit höheren Migrantenanteilen wird es jedoch zu Problemen kommen. Dazu muss kurz ausgeholt werden. Der Erwerb der deutschen Sprache kann in Kindergartengruppen gut funktionieren, wenn das Kind mit fremder Muttersprache in einer Gruppe mit mög­lichst wenigen oder keinen anderen Kindern aus dem gleichen Sprachraum zusam­mentrifft, es also mehr oder weniger gezwungen ist, sich mit den Kindern in der deut­schen Landessprache auszutauschen. Anders sieht es aus, wenn mehrere Kinder oder gar eine Mehrheit aus dem gleichen fremdsprachigen Sprachraum stammen. Dann funktioniert der Spracherwerb ohne ein mehr oder weniger verschultes System nur schwer oder gar nicht. Dieser Fall wird vor allem in Wien, den Landeshauptstädten und weiteren Städten und Gemeinden mit hohen Migrantenanteilen eintreten. Es ist zu be­fürchten, dass heimische Mittelstands-Familien, die es sich irgendwie leisten können, in private Einrichtungen ausweichen. Die aus ökonomisch schwächeren Familien stam­menden einheimischen Kinder könnten sich dann einer migrantischen Mehrheit im öf­fentlichen Kindergarten gegenübersehen. In welche Richtung die Integration dann ab­läuft, ist einleuchtend.

Aufgrund der schon jetzt absehbaren mäßigen Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die sprachliche Kompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund ist zu befürch­ten, dass nach einer entsprechenden Evaluierung in einigen Jahren die Kindergarten­pflicht auch auf jüngere Kinder ausgedehnt wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 175

Der einzig zielführende Weg zum rechtzeitigen Spracherwerb vor der Einschulung stellt ein verpflichtendes Vorschuljahr für 5-Jährige Kinder mit mangelnden Deutschkennt­nissen dar. In der Vorschule könnte der Spracherwerb durch Lehrer in schulähnlicher Struktur erfolgen. Sollte das Lernziel, nämlich ausreichende Sprachkenntnisse für die Einschulung nach einem Vorschuljahr nicht erreicht werden, könnte ein weiteres „Sprach“-Jahr in der Vorschule absolviert werden, um mit 7 Jahren entsprechend gerüstet dem Volksschul-Regelunterricht in der Unterrichtssprache Deutsch folgen zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten sind der Meinung, dass es nicht zielführend ist, alle gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen zur vermeintlichen Lösung in den Kinder­garten abzuschieben, da dieser dafür nicht eingerichtet wurde. Der Kindergarten ist der Ort, an dem Kindern grundlegende Kulturtechniken vermittelt, sowie die Sozialisation, Eingliederung in eine Gruppe und der Umgang miteinander entwickelt und verbessert werden sollen.

Ähnlich wird dies offenbar von Seiten der Kindergartenpädagogen gesehen. Während in der Bundesrepublik Deutschland zehntausende Erzieherinnen streiken, regt sich auch in Österreich Unmut. In der Tageszeitung „Österreich“ war am 17. Juni 2009 un­ter anderem folgendes zu lesen:

„() Heute fixiert das Parlament den (Anm.: verpflichtenden) Gratis-Kindergarten. Doch die Kindergartenpädagoginnen fürchten schlechte Arbeitsbedingungen – und wollen streiken. () Die Kindergartenpädagoginnen aber proben indes den Aufstand. Untragbar seien die Arbeitsbedingungen bereits jetzt. Zu wenig Lohn und Überforde­rung machen den Pädagoginnen zu schaffen – schon nächste Woche könnte es
in Wien zu ersten Protestaktionen kommen, in Salzburg ist überhaupt von Streik die Rede.

Zu viele Kinder pro Pädagogin. Die Pädagoginnen befürchten Verschlechterungen durch den (Anm.: verpflichtenden) Gratis-Kindergarten: „In Wien sollten zwar per Ge­setz höchstens 25 Kinder auf eine Kindergärtnerin kommen, aber es gibt schon illegale Praktiken“, so Tina Botka von der Plattform Kindergartenaufstand, bei der sich Wiener und niederösterreichische Pädagoginnen vernetzen. „Man meldet 27 Kinder an und sagt, dass eh immer zwei krank sind. Individuelle Förderung ist so unmöglich.“ ()“

Eine weitere Befürchtung der Unterfertigten, die die Einführung einer verpflichtenden Vorschule unterstützt, besteht darin, dass absolut integrationsunwillige Migranten dem verpflichtenden Kindergarten ausweichen könnten, indem einzelne Elternteile über eine Tageselternausbildung die Betreuung der eigenen Kinder und gegebenenfalls der Nachbarskinder selbst und ohne Integrationsfortschritt (steuerlich absetzbar) durch­führen. Diese Ausweichmöglichkeiten bestünden bei einer verpflichtenden Vorschule nicht.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Ländern in Verhandlung zu treten und dem Nationalrat entsprechende Regierungsvorlagen zuzuleiten, welche unter anderem folgende Punkte beinhaltet:

1. Die Einführung des bundesweiten halbtägigen kostenlosen Kindergartens für öster­reichische Staatsbürger und EU-Bürger ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 176

2. Die Einführung einer verpflichtenden Vorschule für Kinder mit Wohnsitz in Österreich im letzten Jahr vor der Einschulung, wenn diese die deutsche Sprache für eine ordent­liche Teilnahme am Volksschulunterricht nicht ausreichend beherrschen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


18.52.16

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatsse­kretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich kommt das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr nach Kärntner Vorbild! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Danke.

Das verpflichtende letzte Gratis-Kindergartenjahr mit sprachlicher Frühförderung als Schwerpunkt ist eine alte BZÖ-Forderung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben diese Forderung bereits in der letzten Legislaturperiode mittels vieler Anträge gestellt. Jetzt wird sie endlich umgesetzt.

Kärnten ist Vorreiter in Sachen Gratis-Kindergarten; in Kärnten wurde dieser bereits im Jahr 2006 eingeführt – unter Landeshauptmann Dr. Jörg Haider! (Beifall beim BZÖ.) Die Betreuungsquote liegt dort bei über 99 Prozent. Das ist ein sehr, sehr gutes Ergeb­nis. Wien schneidet in dieser Hinsicht sehr schlecht ab, da liegt eine nur 86-prozentige Betreuungsquote vor!

Kärnten ist dabei wie in vielen Bereichen Vorzeigebundesland. Ich darf an das Baby­geld, an das Schulstartgeld oder auch an das Jugendstartgeld erinnern. (Abg. Silhavy: Und an die leeren Kassen!) Und ich bin zuversichtlich, dass in Zukunft viel von unse­rem Bundesland Kärnten übernommen und auf Bundesebene umgesetzt wird, denn das ist wichtig und richtig! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Muttonen: Schulden!)

Die vorliegende Regierungsvorlage sieht eine zeitliche Befristung vor, was die Finan­zierungszusage betrifft. 280 Millionen € sind hierfür vorgesehen. Eine solche zeitliche Befristung ist aber angesichts der tendenziell über 2013 hinaus zu erwartenden stei­genden Betreuungsleistung aufgrund des notwendigen qualitativen und quantitativen Ausbaus des Kinderbetreuungsangebotes, dessen Finanzierung gemäß den vorliegen­den Bestimmungen durch die Länder und Gemeinden zu tragen ist, nicht zu rechtfer­tigen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Bundeszuschuss dient der Abdeckung der Mehrkosten für Länder, wo diese durch den verpflichtenden Besuch des Kindergartens anfallen. Die Kosten sind für Fach- und Hilfspersonal zu verwenden, für den Betrieb, für Investitionen zur Erweiterung und der­artige Dinge.

Die Finanzierung des Gratis-Kindergartens muss aber unseres Erachtens weiter gesi­chert sein. Hier müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden und auch über das Jahr 2013 hinaus die Finanzierung des Gratiskindergartens sichergestellt sein, denn wenn für die Banken 100 Milliarden € zur Verfügung stehen, muss auch für dieses wichtige Projekt des Gratis-Kindergartens genügend Geld zur Verfügung stehen! (Bei­fall beim BZÖ.)

Diese Frage wurde Frau Staatssekretärin Marek im Ausschuss gestellt, und sie hat ge­antwortet, dass man aufgrund der Finanzrahmengesetze eine verbindliche Finanzie­rungszusage über diesen Zeitraum hinaus nicht machen könne. Das halte ich für keine gute Antwort! Die Antwort spricht für sich, daher möchte ich sie nicht weiter kommen­tieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 177

Wir sehen der Zeit nach 2013 mit Verantwortung entgegen. Wir wollen eine Sicherstel­lung des Gratis-Kindergartens, auch was die Finanzierung betrifft.

Ich darf in diesem Zusammenhang folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schenk, Haubner, Linder, Markowitz, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der eine unbefristete und wertgesicherte Abde­ckung des Mehraufwandes der Länder und Gemeinden für den unentgeltlichen, ver­pflichtenden Besuch von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen vorsieht.“

*****

Ich darf Sie um Ihre Unterstützung bitten. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

18.56


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Martina Schenk, Ursula Haubner, Max Linder, Stefan Markowitz Kol­leginnen und Kollegen

eingebracht in der Sitzung des NR am 17.06.2009 im Zuge der Debatte zum Tagesord­nungspunkt 4) „Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (205 d. B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen
und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (210 d. B.)“

Die gegenständliche Regierungsvorlage sieht unter Artikel 6 eine zeitliche Befristung der Finanzierungszusage durch den Bund bis 2013 vor. Eine solche zeitliche Befris­tung ist angesichts der tendenziell über 2013 hinaus zu erwartenden steigenden Be­treuungsleistung aufgrund des qualitativen und quantitativen notwendigen Ausbaus des Kinderbetreuungsangebots, deren Finanzierung gemäß den vorliegenden Bestim­mungen durch die Länder und Gemeinden zu tragen ist, nicht zu rechtfertigen.

Die unterfertigte Abgeordnete stellt daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der eine unbefristete und wertgesicherte Abde­ckung des Mehraufwandes der Länder und Gemeinden für den unentgeltlichen, ver­pflichtenden Besuch von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen vorsieht.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 178

18.56.19

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich glaube, wir können uns freuen. Es ist ein Meilenstein in der Bildungspolitik – und das ist sicher nicht übertrieben. Wir haben den verpflichtenden kostenlosen Kindergarten für die Fünfjährigen, die wichtige Brücke zur Schule, mit den Ländern ausverhandelt.

Wir haben erstmals einen bundeseinheitlichen Bildungsplan – und das kann man nicht oft genug sagen, meine Damen und Herren – für alle Fünfjährigen im Kindergarten in der Systematik des Kindergartens. Es geht aber um die besten Chancen für alle Kin­der, meine Damen und Herren! Das sei auch der Freiheitlichen Partei in diesem Haus gesagt! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Für uns ist es wichtig, eben alle Kinder, die hier in Österreich ihre Zukunft haben, ent­sprechend zu unterstützen und nicht künstlich eine Zweiklassengesellschaft zu produ­zieren. Meine Damen und Herren, auch Sie von den Freiheitlichen wissen sehr genau, dass etwa ein Drittel der Kinder, die im Rahmen der sprachlichen Frühförderung und der vorgezogenen Schuleinschreibung in den Kindergarten kommen – und dort beson­dere Unterstützung bekommen, weil es eben Defizite gibt –, keinerlei Migrationshin­tergrund haben – ein Drittel, meine Damen und Herren!

Damit, glaube ich, führt sich der Antrag, den Sie hier soeben eingebracht haben, von selbst ad absurdum. Wir wollen gleiche Chancen für alle Kinder, denn das ist unsere Perspektive! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Frau Abgeordnete Schenk, irgendwie ist es fast ein bisschen zu belächeln, wie Sie hier argumentieren. Einerseits führen Sie Kärnten als Vorbild an und betonen, dass es in Kärnten den Gratis-Kindergarten und die Verpflichtung bereits seit fast seit zwei Jahren gibt, dass fast 100 Prozent der Fünfjährigen im Kindergarten sind, und gleich danach sagen Sie, dass das Geld vom Bund für diesen zusätzlichen Aufwand bis 2013 so nicht ausreichend ist.

Wir bewegen uns im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Das irgendwie als lächer­lich abzutun, finde ich etwas eigenartig. Wir bewegen uns im Rahmen der Rechtsstaat­lichkeit. Das ist unser Zugang zur Politik, Frau Abgeordnete. (Beifall des Abg. Dr. Bar­tenstein.) Ich denke, dass das eine sehr solide Basis ist und dass bis 2013 der Rah­men gegeben ist, der auch sehr solide ist.

Frau Abgeordnete Kitzmüller und auch Frau Abgeordnete Gartelgruber von den Frei­heitlichen, zu Ihrem Argument, dass für die Deutschvermittlung die Schule gut wäre und es im Kindergarten keine Bildungsarbeit gäbe: Frau Abgeordnete, ich glaube, Sie haben über den Kindergarten etwas Grundlegendes nicht verstanden: Bildungsarbeit ist im Kindergarten etwas ganz Wichtiges! Frühkindpädagogik ist etwas, das im Kinder­garten selbstverständlich passiert – und das sehr, sehr professionell und effizient!

Wir arbeiten an den Rahmenbedingungen, Frau Abgeordnete Musiol, und zwar ganz massiv. Wir wissen, dass da vieles nicht perfekt ist, aber die Kindergartenpädagogin­nen und -pädagogen leisten schon heute ausgezeichnete Arbeit, und ich danke ihnen dafür.

Ich glaube, es ist wichtig, vor den politisch Verantwortlichen zu betonen, dass sie oft unter schwierigen Voraussetzungen – das gestehe ich absolut zu – in den unterschied­lichen Gemeinden, in den Städten, überhaupt in Ballungszentren einen wirklich heraus­fordernden Job machen – und das sehr engagiert, mit sehr viel Herzblut!

Wir stehlen uns absolut nicht aus der Verantwortung, sondern wir nehmen unsere Ver­antwortung mit zwei Artikel-15a-Vereinbarungen wahr, für die der Bund sehr viel Geld in die Hand nimmt. Für die bestehende Vereinbarung investieren wir zusammen mit den Ländern und Gemeinden über 100 Millionen € im Zeitraum von drei Jahren.


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Es geht auch um die Schaffung von Ganztagsplätzen. Wir finanzieren damit 12 000 bis 18 000 zusätzliche Ganztagsplätze. Frau Abgeordnete, das ist alles andere, als sich vor der Verantwortung zu drücken. Wir arbeiten massiv an Qualitätsverbesserungen, wie auch in der jetzt vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung sichtbar ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Deutsch-Vermittlung betrifft, Frau Abgeordnete Kitzmüller, ist zu sagen, dass wir zusätzliches Personal haben, und wenn Sie die geltende Artikel-15a-Vereinbarung zu der frühen Sprachförderung genau durchlesen, dann werden Sie sehen, dass in Zu­sammenarbeit mit den Volksschulen und mit weiterem qualifizierten Personal Sprach­standsfeststellung erfolgt und die Sprachförderung entsprechend stattfindet. In vielen Regionen, Gemeinden, Städten werden zusätzlich Native Speaker, Muttersprachler, auch als KindergartenpädagogInnen qualifiziert und ausgebildet. Ich denke, dass wir da einen ganz großen Schritt in diese Richtung gesetzt haben.

Die Verwirrung bezüglich der Umsetzung der Verpflichtung überrascht mich etwas, denn dieses Gesetz, diese Artikel-15a-Vereinbarung wird meines Wissens erst heute beschlossen, und erst dann kann entsprechend informiert werden. Die Länder setzen gerade um, meine Damen und Herren, und man kann dann erst die Bürgerinnen und Bürger offiziell und ganz konkret über geltende Gesetze informieren – ich glaube, es wäre fahrlässig, vorher zu informieren, und Sie wären die ersten, die das entsprechend kritisieren würden.

Frau Abgeordnete Gartelgruber, ich leite Ihr Lob sehr gerne an Herrn Landeshaupt­mann Platter und Frau Landesrätin Palfrader weiter, die sich darüber sicher sehr freu­en werden, wahrscheinlich auch ein bisschen erstaunt sein werden, aber es ist schön, dass Sie unseren Landeshauptmann und die Landesrätin hier so positiv erwähnen. Aber wenn Sie sagen, wir ignorieren die Bedürfnisse der Familien und forcieren nur die außerfamiliäre Betreuung, dann möchte ich schon darum bitten, die Kirche im Dorf zu lassen; es sind derzeit 3,7 Prozent der Fünfjährigen nicht in Betreuung. Es sind öster­reichweit zirka 2 500 Kinder, für die noch ein Betreuungsplatz geschaffen werden muss, um die Verpflichtung umzusetzen. In Oberösterreich sprechen wir zum Beispiel von 37 Kindern. (Zwischenruf der Abg. Gartelgruber.)

Meine Damen und Herren, dass wir da einen unzulässigen Druck ausüben, ist wohl et­was überzogen formuliert, ganz im Gegenteil: Zur Wertschätzung der Familienarbeit darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, was in den letzten Jahren unter ÖVP-Verantwortung passiert ist: pensionsbegründende Zeiten für Kindererziehungszeiten – wir leisten allein im heurigen Jahr, meine Damen und Herren, fast 600 Millionen € an Pensionsbeiträ­gen, wir leisten ab nächstem Jahr fast 900 Millionen € an Pensionsbeiträgen, und das Kinderbetreuungsgeld, das allen Eltern – und das wissen Sie sehr genau! – zur Verfü­gung steht, beträgt 1 Milliarde € jedes Jahr. Ich denke, wir haben da einen guten Weg eingeschlagen.

Noch ein paar Worte zur Frau Abgeordneten Musiol. Sie haben einmal mehr gesagt, das Familiensteuerpaket ist ausschließlich für die Gutverdienenden, für die Reichen. – Ich kann es jedes Mal wieder nur betonen und wiederhole einmal mehr, Frau Abgeord­nete: Es ist ein Maßnahmen-Mix, genau ein Drittel dieser Summe ist reiner Transfer, das heißt, das kommt Familien unabhängig vom Einkommen zugute. Aber es war hoch an der Zeit, nach vielen Jahren, in denen wir im Rahmen der Transferleistungen für die Familien sehr viel gemacht haben – ich erinnere an die 13. Familienbeihilfe, an die Mehrkindstaffel, an all diese Leistungen –, endlich einmal auch die mittelständischen Familien, die immer überall die Nettozahler waren, entsprechend zu entlasten. Wir be­kennen uns zu diesem Paket, das in der Bevölkerung auch sehr gut angenommen wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 180

Was die grundlegenden Standards betrifft – Sie haben die Qualitätsstandards kritisiert und ein Bundesrahmengesetz gefordert –, möchte ich sagen: Ich bin in die Politik ge­gangen mit dem Zugang: Das, was möglich ist, mache ich. Wir haben im Regierungs­programm grundlegende Standards in der Kinderbetreuung vereinbart und festgehal­ten, und daran arbeiten wir mit Hochdruck, meine Damen und Herren. Wir haben bei der geltenden Artikel-15a-Vereinbarung Initiativen gerade zur Ganztagsbetreuung, zum Ausbau der Betreuungsplätze gesetzt. Wir arbeiten gerade an einheitlichen Standards in der Tagesmütterausbildung. Das ist das, was möglich ist.

Sich etwas zu wünschen, das nicht erreichbar ist, ist die eine andere Sache. Das ist nicht mein Zugang zur Politik, sondern wir orientieren uns am Machbaren, und da sind auf einem ausgezeichnet Weg. Ich danke all jenen, die diesen Weg mitgehen. Ich dan­ke übrigens auch den Grünen, dass sie heute unserer Artikel-15a-Vereinbarung zu­stimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.05


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


19.05.34

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ho­hes Haus! Es ist schön, Frau Staatssekretärin, dass Sie mit Hochdruck daran arbeiten, vor allem nachdem es hier jahrzehntelang nicht vorwärtsgegangen ist und nachdem jahrzehntelang die Prioritäten hier falsch gesetzt worden sind. Wir brauchen dringend eine Umkehrung der Ressourcen-Pyramide im gesamten Bildungssystem, wir brau­chen dringend eine intensivere Förderung der vorschulischen Einrichtung, wir brau­chen eine Aufwertung der KindergartenpädagogInnen. Es beginnt vor allem auch in diesem Bereich schon damit, dass wir die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen auf universitärem Niveau fordern müssen.

Um es gleich dazuzusagen: Das bedeutet nicht eine Akademisierung, das bedeutet nicht eine Theoretisierung der Ausbildung, sondern das bedeutet eine Veränderung in eine Richtung, wo wir KindergartenpädagogInnen an unseren Einrichtungen – und das sind bewusst Bildungseinrichtungen, meine Damen und Herren – haben, die in der Lage sind zu diagnostizieren, was Kinder brauchen, wo es Probleme gibt im Sozialver­halten beispielsweise, wo es Defizite gibt, was die Sprachkompetenz der Kinder anlangt.

Es ist eindeutig erwiesen – das zeigen uns die PISA-Studien, das zeigt uns die TIMS-Studie, das zeigen uns verschiedene andere Studien im Bereich der Sekundarstufe 1, aber auch der Volksschule –, dass Kinder, die einen Kindergarten besucht haben, deutlich besser abschneiden. Es ist ganz klar, Kindergartenbesuch fördert die Sprach­kompetenz. Im Durchschnitt sind Kinder, die keinen Kindergarten besucht haben, laut TIMS-Studie, laut PISA-Studie in ihrem Lernerfolg in etwa ein halbes Jahr zurück. Es ist ganz klar, dass diese Kinder aus der Unterschicht stammen. Dass der Anteil von Kindern aus Migrantenfamilien hier über 50 Prozent beträgt, ist erschreckend, zeigt uns aber gleichzeitig, wo wir den Hebel ansetzen können.

Wir müssen also aus dem Kindergarten ganz bewusst eine Bildungseinrichtung ma­chen. Das ist eine zentrale Forderung. Wir brauchen eine 100-prozentige Betreuungs­quote. Frau Staatssekretärin, laut Statistik Austria sind 6,2 Prozent der Kinder nicht be­treut, also etwas mehr, als Sie gesagt haben. Ich weiß schon, die Zahlen sind immer sehr unterschiedlich, ich habe mir extra für heute die Zahl der Statistik Austria für das Jahr 2008 noch einmal herausgesucht. Demnach haben wir bei den Fünfjährigen eine Betreuungsquote von 93,8 Prozent.

Aber wie auch immer, klar ist, dass jene Kinder, die nicht in den Kindergarten gehen, deutliche Defizite haben. Von daher müssen wir fordern und wollen wir unbedingt errei-


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chen, dass es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt, und zwar ab drei Jahren. Mit Verlaub, das betrifft natürlich dann vor allem auch jene Gebiete, die benachteiligt sind, das sind in diesem Bereich vor allem auch die ländlichen Gebiete.

Die Zusammenhänge hat zuletzt Simone Breit vom BIFIE ganz deutlich herausgestri­chen. Sie hat gesagt, dass der Kindergarten eine bedeutsame kompensatorische Funk­tion hat, dass Kinder also das aufholen können, was sie oft im Elternhaus nicht vermit­telt bekommen. Ich zitiere: Diese Wirksamkeit kann der Kindergarten umso mehr ent­falten, je mehr Jahre das Kind dort verbringt.

Für uns ist ganz klar: Wir brauchen den verpflichtenden Kindergarten. Natürlich, ähn­lich wie bei der Schulpflicht, muss es Möglichkeiten geben, dass Eltern ihre Kinder ab­melden können, wenn eine Voraussetzung gegeben ist, wenn diese Kinder auf einem entsprechenden sprachlichen Niveau sind. Ich glaube, in der Richtung müssen wir wei­terarbeiten. Wir begrüßen prinzipiell diesen ersten Schritt, aber es ist ein erster, es ist ein sehr kleiner Schritt.

Wir brauchen auch etwas mehr Mut in diesem Zusammenhang. Packen Sie es an! Sie haben es uns versprochen. Ich hoffe, Sie werden sich auch in der eigenen Partei bes­ser durchsetzen. Wenn ich mir die Rede Ihrer Kollegin Steibl von heute hier angehört habe, dann muss ich sagen, Sie haben auch in den eigenen Reihen viel, viel Nachhol­bedarf. – Besten Dank. (Beifall bei den Grünen.)

19.10


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti. – Bitte.

 


19.10.46

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Walser, Ihre Zahl stimmt insofern nicht, als es 2,5 Prozent vorzeitig eingeschulte Kinder gibt – und insofern haben wir eine Diffe­renz von 2,5 Prozent.

Ich möchte aber jetzt auf das Thema Gratis-Kindergarten eingehen. Ich bedanke mich sehr bei Frau Staatssekretärin Marek, die das durchgesetzt hat. Meine Damen und Herren, eine Forderung allein, das ist noch gar nichts – man kann alles fordern –, sondern entscheidend ist, ob man das auch durchsetzen kann. Daher nochmals vie­len Dank, Frau Staatssekretärin, für diesen Gratis-Kindergarten! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte es für ganz wichtig, dass dieser Gratis-Kindergarten im letzten Jahr vor dem Schulbesuch bis zu 20 Stunden verpflichtend ist, damit eben Defizite ausgeglichen werden können, damit soziales Verhalten angelernt wird. Was ich jedoch für ganz schlecht fände, wäre eine Kindergartenpflicht, die früher beginnt. Denn ich möchte nicht, dass unsere Kinder schon vom Kleinstalter an in einen Rahmen gepresst werden – und das geht dann so weiter bis zur Universität. Die Kinder kämen ja dann praktisch nur sehr wenig mit der Familie in Berührung.

Ich muss ehrlich sagen, es muss doch so sein: Wenn ich ein Kind habe, dann steht für mich das Kindeswohl im Mittelpunkt – und nicht die Kosten. Das kann es doch nicht sein. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und Kindeswohl heißt für mich aber auch, Herr Abgeordneter Walser, dass man sich als Elternteil – egal, ob männlich oder weiblich – intensiv mit dem Kind auseinandersetzt. (Beifall bei der ÖVP.) Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich KindergärtnerInnen – egal, ob sie akademisch gebildet sind oder nicht – so intensiv mit jedem Kind auseinandersetzen können. Und ich möchte auch nicht, sehr geehrte Damen und Herren, dass unsere Kinder gerade in diesem Alter mit zu vielen Bezugspersonen konfrontiert sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 182

Neueste Studien, so beispielsweise auch vom Österreichischen Institut für Familienfor­schung, zählen drei Eckpunkte in der Kindererziehung auf, aber das weiß ohnehin jede gute Mutter und jeder gute Vater. Erstens Beziehung: Es muss eine Bezugsperson da sein, besonders in den ersten Jahren eines Kindes. Zweitens Kontinuität und Vor­hersagbarkeit. Dritter Eckpunkt, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein förderliches Umfeld.

Ich glaube, dass wir mit diesem Gratis-Kindergartenjahr das Bestmögliche gemacht ha­ben, aber abgesehen davon: Es steht jedem Elternteil frei, zusätzlich etwas für die Kin­dererziehung zu tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


19.13.37

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Kindergartenjahr 2007/2008 haben 94,7 Prozent der Kinder im Vorschulalter einen Kindergarten beziehungsweise eine altersgemischte Betreuungseinrichtung besucht. Mit der Artikel-15a-Vereinbarung betreffend Gratis-Kin­dergarten und Kindergartenpflicht sollen vor allem Migrantenkinder erreicht werden, um Sprachkenntnisse verbessern zu können. Dieses Problem stellt sich aber nur in Bal­lungszentren mit hohem Ausländeranteil; im ländlichen Raum besucht ohnehin fast je­des Kind ab dem vierten und fünften Lebensjahr den Kindergarten.

Frau Staatssekretärin, der Besuch des Kindergartens stellt einen wichtigen Beitrag zur sozialen und kulturellen Entwicklung von Kindern dar. Der kostenlose Kindergartenbe­such ist daher absolut zu befürworten. Wir lehnen aber eine Verpflichtung zu diesem letzten Kindergartenjahr ab, denn ginge es nach den Grünen, würden die Kinder wahr­scheinlich schon ab dem ersten Lebensjahr ihren Eltern entzogen und in fremder Be­treuung sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt noch ganz kurz auf unseren Entschließungsantrag zurückkommen und dazu ausführen: Für Kinder ab dem fünften Lebensjahr, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, müsste ein verpflichtendes Deutsch-Vorschuljahr eingeführt werden. Und wenn ein Jahr hiefür nicht ausreichend ist, dann muss das eben um ein weiteres Jahr verlängert werden. In einer Vorschule gibt es hiefür eine bessere Ausrüs­tung als im Kindergarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Spätestens mit sieben Jahren sollen auch Kinder mit Migrationshintergrund die deut­sche Sprache ausreichend beherrschen, damit sie dem Regelunterricht mühelos folgen können. (Abg. Musiol: 33 Prozent ohne Migrationshintergrund haben Sprachschwierig­keiten! Was ist mit denen?) Dadurch soll ein reibungsloser Unterricht auch für unsere Kinder gewährleistet werden. Es kann nicht sein, dass Kinder mit wenig oder über­haupt keinen Deutschkenntnissen ins Regelschulwesen aufgenommen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

In Finnland gibt es schon lange ein solches Modell: Dort werden die Kinder zum Regel­schulunterricht erst dann zugelassen, wenn sie die Landessprache ausreichend be­herrschen.

Meine Damen und Herren, unser Entschließungsantrag, eingebracht von meiner Kolle­gin Anneliese Kitzmüller, und dessen Umsetzung wären der richtige Schritt in die Zu­kunft. (Beifall bei der FPÖ.)

19.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 183

19.16.38

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekre­tärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Frau Kollegin Mühlberghu­ber, der Kindergarten ist keine Garderobe, wo man Kinder abgeben kann und sich nicht mehr um sie kümmert, sondern der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, was aber nicht heißt, dass dort die Kinder schon im frühen Alter von ein oder zwei Jah­ren lesen können, aber es gibt Bildungspläne, die genau vorschreiben, was in einem Kindergarten zu geschehen hat.

Zurückkommend zum eigentlichen Thema. Wir haben im Regierungsübereinkommen festgeschrieben, dass wir den Kindern die besten Start-Chancen sichern wollen, und es bedarf und bedurfte bereits einer mächtigen Kraftanstrengung zwischen Bund, Län­dern und Gemeinden, dass wir größtmögliche Synergieeffekte erreichen, aber auch eine Umsetzung weiterhin durchführen.

Der Bund stellt hiefür den Ländern 2009/2010 und 2011 und 2012 je 70 Millionen € zur Verfügung. Durch die Artikel-15a-Vereinbarung betreffend bundesweit verpflichtendes kostenloses Kindergartenjahr ist sicher sehr vieles in Bewegung gekommen, und das ist sicherlich – das wurde heute schon gesagt – ein Meilenstein in Bezug auf eine Wei­terentwicklung.

Dass das ein erster Schritt war und dass der nicht der letzte gewesen sein kann, das wissen wir auch. Und dass das auch finanzieller Mittel bedarf, wo man auch Rücksicht nehmen muss auf die Gemeinden, ist auch eine klare Sache.

Schließlich und endlich soll ja der Ausbau der Ganztagsbetreuungsplätze – ebenso weniger Schließtage, eine Verlängerung der täglichen Öffnungszeiten – eine zusätzli­che Unterstützung für die Eltern sein, eben was eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie anlangt. Ein hehres Ziel ist es natürlich auch, den Ausbau der Einrichtun­gen für die Unter-Dreijährigen voranzutreiben, damit wir diesbezüglich österreichweit ein flächendeckendes Angebot haben.

Hohe Qualität und hohe Professionalität sind die Eckpfeiler für pädagogische Arbeit im Kleinkindalter. Ich möchte mich den Ausführungen der Kolleginnen Ridi Steibl und Gabi Binder-Maier anschließen und mich gleichfalls bei allen Kindergarten-PädagogIn­nen, bei allen AssistentInnen, LeiterInnen und InspektorInnen sowie bei allen, die mit Kinderbetreuung zu tun haben, bedanken, denn oft arbeiten sie unter sowohl physi­schen als auch psychischen Belastungen.

Hohe Qualität zu sichern bedeutet, dass wir in Wien gesagt haben, wir schreiben einen Bildungsplan. Und ich bin froh darüber, dass jetzt ein Bildungsplan für ganz Österreich gekommen ist; jetzt einmal nur für die Fünfjährigen. In Wien gibt es ja schon einen Bil­dungsplan für Null- bis Sechsjährige, der alle Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung für die Kinder umfasst.

Nichtsdestotrotz ist es auch unsere Aufgabe und die Aufgabe der Länder, die Rahmen­bedingungen für die KollegInnen, für die qualitätsvollen Leistungen, die sie erbringen, zu sichern.

Sicherlich ist eine große Ausbildungswelle erforderlich, denn durch die Schaffung vieler neuer Kindergartenplätze werden wir auch viele neue PädagogInnen brauchen. Wien hat schon ein Programm entwickelt, wie wir neue KindergärtnerInnen ausbilden kön­nen, aber die restlichen Bundesländer – und das ist mein Appell an die Bundesländer – können nicht damit rechnen, dass es ausreicht, wenn ausschließlich Wien neue Päda­gogInnen ausbildet.

Wenn ich heute in einer Aussendung der FPÖ lese, dass der Herr Strache meint, dass es in Wiener Kindergartengruppen keine Seltenheit ist, dass es mehr als zehn Nationa-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 184

litäten in einer Gruppe gibt, muss ich sagen: Ja, es stimmt, da gebe ich Ihnen recht, aber eines kann ich Ihnen auch versichern: Diese Kinder haben untereinander und mit­einander – im Gegensatz zu Herrn Strache und anderen – kein Problem miteinander. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig spricht Herr Strache in dieser Aussendung den PädagogInnen die Qualität im Umgang mit dieser Vielfalt an Nationalitäten ab. Würde sich Strache tatsächlich für die Arbeit und die Probleme der KindergartenpädagogInnen interessieren, dann wäre ihm auch die Höhe ihrer Bezüge bekannt. Die Zahlen, die er kolportiert, sind eindeutig falsch und aus der Luft gegriffen.

In Wien – und da würde ich Sie ersuchen, dass Sie das Herrn Strache ausrichten; da kann ich ihm gerne Nachhilfe geben – steigen KindergartenpädagogInnen mit einem Gehalt von 1 700 € ein – und nicht, wie Strache kolportierte, mit 1 300 €. Ich halte das für eine populistische Forderung, ein populistisches Aufhetzen der Menschen gegen­einander. Und jetzt die Forderung nach 1 800 € zu erheben, das finde ich überhaupt ein starkes Stück. (Abg. Ing. Hofer: Ist das brutto?)

Abschließend: Der Besuch eines Kindergartens stellt für alle Kinder einen Grundstein für einen sicheren und guten Start in die Schule sowie ins spätere Berufsleben dar. (Abg. Ing. Hofer: Ist das brutto?) – Ja, Herr Kollege, das ist brutto, und der Herr Kolle­ge Strache schreibt auch brutto bei seiner Behauptung von 1 300 €. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dei­mek. – Bitte.

 


19.22.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um hier ein paar Klarstellungen zu treffen, da ich den Eindruck habe, dass seitens der Medien – vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst – ein paar Dinge ver­mischt werden; und das gehört eben klargestellt, so zum Beispiel der Unterschied zwi­schen gratis und Pflicht. Es gibt viele Sachen, die Pflicht sind, die müssen aber nicht gratis sein – und natürlich auch umgekehrt.

Es gibt zum Beispiel die Schulpflicht; das muss aber nicht gratis sein. Es gibt die Wehr­pflicht, das ist aber nicht eine Gratiswehr, denn das Ganze kostet natürlich etwas. Und es gibt jetzt Gott sei Dank den Gratis-Kindergarten. Wogegen wir uns aber ganz heftig wehren, ist der Pflicht-Kindergarten.

Dass dieser Pflicht-Kindergarten keine Kleinigkeit ist, entnehme ich auch dem „Kurier“, in dem es heißt, dass, wenn diese Kindergarten-Pflicht verletzt wird, bis zu 220 € an Strafe drohen. – Das heißt, die ganze Kinderpolitik in Österreich liegt in den Bereichen von Strafen, Zwängen und Drücken. Wenn es mit der Sozialpolitik in Österreich schon so weit ist, dann gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Im Endeffekt ist es ja eigentlich nur eine Sozialleistung, und diesen Gratis-Kindergarten als Sozialleistung für österreichische oder für EU-Staatsbürger wollen wir natürlich. Aber, Frau Staatssekretärin, da dürften Sie vielleicht unseren Antrag entweder noch nicht gehabt oder nicht genau genug gelesen haben, denn in unserem Antrag geht es nicht um Migranten-Kinder, sondern in diesem Antrag steht: „wenn diese die deutsche Sprache für eine ordentliche Teilnahme am Volksschulunterricht nicht ausreichend be­herrschen“. – Das inkludiert natürlich auch Österreicher; das sind diese 33 Prozent, die hier schon mehrfach angesprochen wurden. Ja, auch die sollen diese Pflicht haben, aber die anderen brauchen diese Pflicht eigentlich nicht.


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Wenn Sie sagen, Sie haben Native Speaker: Welche Native Speaker sind das dann im Kindergarten? Sind das englischsprachige, französischsprachige? Es wäre ja ganz nett, wenn wir solche Native Speaker auch drinnen hätten, ich glaube aber, dass das eher türkisch- oder kroatischsprachige Native Speaker sein werden. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wenn hier gesagt wurde, die Kinder hätten kein Problem mit den verschiedenen Natio­nalitäten: Ja, mit den Nationalitäten haben sie kein Problem, aber sie haben durchaus ein Problem, wenn sie die anderen Kinder überhaupt nicht verstehen, wenn die kein Wort Deutsch sprechen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Das heißt, dieser ganze Pflicht-Kindergarten ist reduziert auf eine Sozialtransferzah­lung an Migranten, und zwar an jene Migranten im Besonderen, die nicht der deut­schen Sprache mächtig sind. Ich unterstelle diesen Leuten, dass sie nicht in der Lage sind, sich in unserem Land ordentlich zu integrieren – oder es gar nicht wollen. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.25


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


19.25.05

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekre­tärin! Hohes Haus! Kollege Deimek hat jetzt zu meiner totalen Verwirrung beigetragen, denn ich meine: Ein Antrag, den man von drei Vorrednern erklären lassen muss, die aber auch nicht ganz den Durchblick gehabt haben, ist schon etwas eigenartig. Dann hat auch noch Kollege Deimek Erklärungen dazu abgegeben.

Lieber Kollege Deimek, du hast in einer Presseaussendung vom 27. Mai 2009, und zwar als Landesparteiobmann-Stellvertreter der FPÖ Oberösterreich, gesagt: Die FPÖ fordert seit Jahren den Gratiskindergarten und ein verpflichtendes Kindergartenjahr.

Jetzt aber hast du, Kollege Deimek, hier zu erklären versucht, warum du kein verpflich­tendes Kindergartenjahr haben willst! – Kollegin Gartelgruber wiederum sagte, sie möchte das Tiroler Modell, und Kollegin Kitzmüller sagte, sie will das nur für Österrei­cher haben, und überhaupt wäre hiefür eine Vorschule besser, da ihrer Ansicht nach der Kindergarten keine Bildungseinrichtung ist.

Da muss man jetzt schon fragen, was die FPÖ wirklich will. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

ÖVP-Redner haben gesagt, das haben Sie, Frau Staatssekretärin Marek, durchge­setzt, aber dazu ist schon zu sagen: Die Durchsetzung hat sich für Sie etwas leichter gestaltet, weil es ja bereits das Modell Kärnten mit dem verpflichtenden Kindergarten­jahr für alle Kinder gibt. (Beifall beim BZÖ.) Das Kärntner Modell hat es sicherlich leichter für Sie gemacht, eine entsprechende Artikel-15a-Vereinbarung auch mit den anderen Bundesländern zu schließen. Wir alle wissen aus Erfahrung, dass das ja nicht ganz so einfach ist.

Daher möchte ich das hier noch einmal festhalten und sagen, dass wir vom BZÖ die­sem Schritt unsere Zustimmung geben, auch wenn wir das in den nächsten Jahren schon sehr genau beobachten müssen, vor allem in den Ländern; aber das ist ja auch unsere Aufgabe als Abgeordnete, zu schauen, wie sich solche Dinge entwickeln.

Für ganz besonders wichtig halten wir auch den von unserer Kollegin Schenk in die­sem Zusammenhang eingebrachten Antrag betreffend finanzielle Sicherung über das Jahr 2013 hinaus; wertgesichert vor allem.

Meine Damen und Herren, bei dieser ganzen Diskussion über einen Teil eines ganzen Maßnahmenpaketes dürfen wir aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass


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Familienpolitik natürlich wesentlich mehr ist und dass wir das alleinige Heil nicht nur darin sehen können, dass der Besuch von Betreuungseinrichtungen gratis ist, und ver­gessen wir dabei bitte nicht, dass weiterhin die Eltern Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die Betreuung ihrer Kinder haben sollen. (Beifall beim BZÖ.)

Den Eltern müssen wir auch andere Möglichkeiten geben – eben neben diesem Gratis-Kindergarten –, und ich darf da etwa nur anführen: Tageseltern, Tagesmütterbetreu­ung, damit auch solche Angebote wahrgenommen werden können. Wir vom BZÖ ha­ben ja bereits einen Antrag bezüglich eines Bundesrahmengesetzes zur einheitlichen Regelung für Ausbildung, Berufsdefinition und Besoldung von Tageseltern eingebracht.

Aber auch jene Eltern, die sagen, dass sie, gerade wenn Kinder klein sind, also bis zum 5. Lebensjahr, diese vorwiegend zuhause betreuen möchten, und sich die Zeit da­für nehmen, sollten nicht benachteiligt werden, und wir sollten die Wertschätzung für diese Arbeit nicht vergessen.

Frau Staatssekretärin Marek, Sie haben ganz richtig gesagt, dass die Regierungen in den Jahren 2000 bis 2006 Pensionszeiten für Mütter geschaffen haben – und das ist richtig und gut; aber da sollte man schon auch weiterdenken: Können diese Pensions­zeiten nicht erweitert werden, können wir nicht noch etwas in diesem Bereich machen, damit Ungleichbehandlung nicht mehr zutage tritt? Denn ich muss sagen, ich habe wirklich Sorge, da sich jetzt alles beziehungsweise vieles immer nur konzentriert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dass alles andere doch etwas zurückbleibt. (Beifall beim BZÖ.)

Grundsätzlich, wie gesagt, stimmen wir dem heute gerne zu, weil es ein wichtiger Schritt ist. Für uns ist das letzte Kindergartenjahr absolut ein Bildungsjahr. Ich denke, wir sollten jetzt auch genau darauf achten, dass die Pädagoginnen und Pädagogen bestens ausgebildet sind, denn sie haben jetzt durch dieses bundeseinheitliche Ge­setz und durch diesen bundeseinheitlichen Bildungsplan noch mehr Verantwortung für die Kinder bekommen. Sie haben noch mehr Verantwortung auch für die eigene Wei­terbildung bekommen. Da, meine ich, müssen wir noch sehr viel nachhaken, indem wir dafür sorgen, dass gerade die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen gut ausge­bildet sind, dass sie auch ein attraktives Besoldungsrecht haben und dass es in naher Zukunft auch ein Kompetenzzentrum für frühkindliche Pädagogik gibt, denn hier gibt es absoluten Nachholbedarf.

Wir werden das sehr genau beobachten. Wir werden auch unsere Ideen weiter einbrin­gen im Sinne des Wohles der Kinder und auch in dem Sinne, dass Eltern Zeit für ihre Kinder haben. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.30


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. – Bitte.

 


19.30.31

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir sprechen heute wirklich über einen familienpoliti­schen Meilenstein, der gesetzt wird, denn erstmals werden österreichweit Kinderbe­treuungseinrichtungen, sowohl öffentliche als auch private, für Fünfjährige und natür­lich auch für deren Eltern im Ausmaß von 20 Wochenstunden kostenlos sein. Und auch um hier etwas klarzustellen, wenn davon gesprochen wird, dass irgendwelche Beiträge doch eingehoben werden könnten: Lediglich für Mahlzeiten oder für die Teil­nahme an Spezialangeboten wird auch künftig ein Entgelt eingehoben werden können.

Kinderbetreuung ist in Länderkompetenz und in den einzelnen Bundesländern äußerst unterschiedlich geregelt. Ich möchte hier Niederösterreich als Vorbild hinstellen, denn in Niederösterreich gibt es den Gratiskindergarten am längsten im Vergleich mit allen


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anderen Bundesländern. Selbstverständlich sind wir auch höchst daran interessiert, dass das Niederösterreich-Modell in allen Bundesländern greift.

Ich darf Frau Staatssekretärin Marek Lob dafür aussprechen, dass es ihr gelungen ist, mit allen Bundesländern diesen Artikel-15a-Vertrag abzuschließen. Damit wird ab dem Herbst 2010 für alle Fünfjährigen dieser verpflichtende Kindergartenbesuch möglich gemacht. Damit wird allen Kindern, wirklich allen Kindern, unabhängig vom Lebensum­feld der beste Start ins Leben ermöglicht.

Heute sind schon die verschiedensten Zahlen kursiert, wie viele Kinder tatsächlich in Betreuung sind. Herr Abgeordneter Walser, nur um das richtigzustellen: Die Kinderta­gesheimstatistik der Statistik Austria für 2008/2009 besagt, dass 96,3 Prozent aller Fünfjährigen in Betreuung sind. Hier wird berücksichtigt, dass auch die vorzeitig einge­schulten fünfjährigen Kinder mit berechnet wurden, und selbstverständlich sind ja auch die in bester Betreuung. In absoluten Zahlen sind es 78 000 Fünfjährige, die in Öster­reich in Betreuung sind. Es sind 2 980 Kinder nicht in Betreuung, und genau um diese Kinder geht es. Auch diese Kinder sollen jetzt die Chance bekommen, in den Kinder­garten zu gehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.)

Wien wird wahrscheinlich die größte Steigerung der Kinderbetreuungsquote zu erwar­ten haben, denn Wien hat eine Betreuungsquote bei den Fünfjährigen von 91,9 Pro­zent. 1 300 Fünfjährige sind derzeit nicht in Betreuung. Diese werden von dem neuen Gesetz profitieren. Ich bin sicher, dass es sich um Kinder handelt, die genau diese Bil­dungsförderung sehr dringend brauchen, vielleicht auch diese soziale Kompetenz brauchen und selbstverständlich auch die sprachliche Kompetenz in diesem Jahr errin­gen werden. Und das ist wirklich notwendig und wichtig. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf noch den zweiten Meilenstein, der gesetzt wird, nämlich den bundeseinheitli­chen Bildungsplan, der mit dem gesamten Konzept verbunden ist, der wirklich äußerst wichtig ist und den auch die Frau Staatssekretärin vereinbaren konnte, ganz explizit er­wähnen. Es sind also wichtige Schritte gesetzt worden, die vor allem für die Vorbildung und für die Ausbildung von Kindern vor Schuleintritt wichtig und richtig sind.

Ich darf Frau Staatssekretärin Christine Marek für ihren unermüdlichen Einsatz, den sie im Sinne der Familien erbringt, Dank aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


19.34.22

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ja, es ist ein beachtenswertes Werk, das Sie uns hier in Form einer Regierungsvorlage vor­gelegt haben, beachtenswert vor allen Dingen für die Kinder, für die Eltern hier in Ös­terreich und auch beachtenswert, weil es nicht so einfach ist, mit neun Landeshaupt­leuten zu verhandeln und auch zu einem entsprechenden Ergebnis zu kommen. Herzli­che Gratulation auch von unserer Seite, von meiner Seite!

Es ist ja heute schon des Öfteren fast ein Urheberstreit darüber ausgebrochen, wer denn der Erste war, der dieses Gratiskindergartenjahr eingeführt hat. Nur zur Erinne­rung: Niederösterreich bietet, glaube ich, schon relativ lange Kinderbetreuung vormit­tags gratis an. Es ist Kärnten genannt worden.

Ich möchte noch etwas dazunehmen. Für mich ist das jetzt der dritte Artikel-15a-Ver­trag, wo ich mehr oder weniger live dabei bin, das war im Jahr 1997, 1998, als man vom Bund aus versuchte Initialzündungen zu setzen, weil in den Ländern schlicht und einfach zu wenig im Hinblick auf Kinderbetreuung getan wurde, und zwar im Hinblick auf Kinderbetreuung, die sich über den Vormittag hinaus erstreckte und auch im Juli


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und August angeboten wurde, mit Mittagstisch et cetera. Da hat es die ersten 15a-Ver­träge unter der damaligen Bundesministerin Helga Konrad gegeben.

Die nächsten Artikel-15a-Verträge – daran kann ich mich auch gut erinnern, das ist noch nicht so lange her, es werden einige auch schon hier gewesen sein – gab es vor zwei Jahren, diese hat Ministerin Bures mit den Ländern verhandelt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass unsere Landesrätin, das war damals Landesrätin Zanon, am längsten gezögert hat, diesen Vertrag mit zu unterschreiben. Im April des letzten Jahres ist es dann so weit gewesen, Gott sei Dank. Das sind Kinderbetreuungsplätze, die sehr wichtig sind für berufstätige Eltern, für berufstätige Mütter, weil sie nämlich dem Arbeitsalltag von Eltern beziehungsweise Alleinerziehenden, für die diese umso notwendiger sind, entsprechen.

Mit dem Gratiskindergartenjahr vom fünften bis zum sechsten Lebensjahr ist auch noch ein wichtiger Nebeneffekt verbunden. Aufgrund dieser Bewusstseinsbildung, die in den letzten Jahren erfolgt ist, hat auch in den Ländern ein Umdenken Platz gegriffen. Kolle­gin Gartelgruber hat es, glaube ich, schon erwähnt, dass im Land Tirol zum Beispiel jetzt nicht nur das letzte Kindergartenjahr gratis zur Verfügung gestellt wird, sondern auch jenes vom vierten bis zum fünften Lebensjahr. Das nützt etwas, das nützt den Eltern, das nützt den Kindern. Da ist in Wirklichkeit auf den Bedarf der Gesellschaft Rücksicht genommen worden.

Die wirklichen Kämpfer und Kämpferinnen waren oft die Eltern, die nicht müde wurden. Je weiter im Westen, desto mehr selbst organisierte Kindergärten, weil sich die Eltern selber organisieren mussten, weil die öffentliche Hand oft nicht zur Verfügung gestan­den ist.

Da hat es den Druck aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft gegeben, wir haben hier reagiert. Sie haben vorbildlich reagiert, zusammen mit Ministerin Schmied, diese sollte hier auch nicht unerwähnt bleiben. Ich glaube, das ist eine wichtige Maß­nahme für die Kinder in Österreich, für die Familien und auch im Hinblick auf Verein­barkeit von Beruf und Familie. (Beifall bei der SPÖ.)

19.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.

 


19.38.11

Abgeordneter Maximilian Linder (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Bundesre­gierung finanziert die Einführung des Gratiskindergartens. Stellvertretend, Frau Staats­sekretärin, ein herzliches Dankeschön im Namen der Kärntner und aller übrigen öster­reichischen Gemeinden. (Beifall beim BZÖ.)

Im Gegenzug, glaube ich, können wir Sie, die gesamte Bundesregierung, den gesam­ten Nationalrat, im Namen der Gemeinden zu einem Essen in einem Fünf-Hauben-Lo­kal in Wien einladen. Mit der Finanzierung dieser Einladung machen wir es so, wie wir es bei der Finanzierung des Gratiskindergartens machen: Wir von den Gemeinden zahlen die Straßenbahnfahrt nach Wien, den Rest, bitte, muss die Bundesregierung bezahlen.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, 70 Millionen € für 70 000 Kinder entsprechen 1 000 € pro Kind. In meiner Gemeinde haben wir jährliche Kosten für ein Kindergarten­kind von 3 194 €. Wir haben einen Kindergarten, der sehr sparsam wirtschaftet, laut Kärntner Benchmarking ist es einer der am besten wirtschaftenden Kindergärten. (Bei­fall beim BZÖ.)

Frau Staatssekretärin Marek, wir freuen uns, wenn Sie und die übrige Bundesregierung die Kosten zu 100 Prozent übernehmen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann bitte ich Sie wirklich, reden Sie nicht davon, dass Sie den Gratiskindergarten einführen und


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diesen auch finanzieren, sondern sagen Sie ehrlicherweise, dass Sie nur 25 oder 30 Prozent der Kosten übernehmen und den Rest die Kärntner und die übrigen öster­reichischen Gemeinden finanzieren!

Der Gratiskindergarten mit dem verpflichtenden Vorschuljahr oder Kindergartenjahr ist eine wunderbare Sache. Wir in Kärnten haben gezeigt, dass es funktioniert. Wir freuen uns auch, dass es österreichweit kommt, aber, bitte schön, Budgetwahrheit, die Bun­desregierung übernimmt nur ein Drittel der Kosten. (Beifall beim BZÖ.)

19.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


19.40.16

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Junge Fa­milien sollen wieder Ja zu Kindern sagen. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten, was die Lebensplanung vieler betrifft, massiv verändert. Zuerst ist uns eine gute Ausbildung wichtig, dann Karriere im Beruf und nebenbei eine Beziehung, wobei man so wenig Verpflichtungen wie möglich übernimmt und größtmögliche Frei­heit und Ungebundenheit genießen möchte.

Stellt sich dann aber Nachwuchs ein, müssen sich viele junge Familien neu organisie­ren, und es tauchen viele Fragen auf: Wie lassen sich Beruf und Familie vereinbaren? Wie gestaltet man die Kinderbetreuung? Wie groß ist der finanzielle Spielraum? Als dreifacher Familienvater kenne ich diese Problemstellungen nur zu gut und freue mich, dass mit dem Gratiskindergartenjahr ein wichtiger Schritt in Richtung Entlastung der Familien gesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Großruck: Bravo!) Ich werde heute noch über meine Buben reden, keine Frage.

Dass der kostenlose Halbtagskindergarten ab Herbst 2010 verpflichtend sein soll, halte ich für sehr sinnvoll, da dieses Jahr auch als Bildungseinrichtung genutzt werden kann und eine Vorbereitung für die Schule ist. Dafür, dass diese Verpflichtung aber auf bis zu Dreijährige ausgeweitet werden sollte, möchte ich nicht eintreten, habe ich doch selbst einen kleinen Sohn mit vier Jahren, der sich viel mehr für das Geschehen bei uns zu Hause im Betrieb, im landwirtschaftlichen Betrieb interessiert als für das Ge­schehen im Kindergarten. Es ist immer wieder eine Riesendiskussion, ob er jetzt in den Kindergartenbus einsteigt oder nicht.

Wir haben derzeit eine Betreuungsquote bei Fünfjährigen, die, wie wir schon mehrmals gehört haben, ziemlich hoch ist. Daher sollte es möglich sein, bis 2010 die zusätzlichen Plätze zu schaffen, ohne dass dies zu Lasten der dreijährigen Kindergartenbesucher geht. In Oberösterreich zum Beispiel besuchen nur 37 Fünfjährige momentan keine Betreuungseinrichtung.

Es ist zu begrüßen, wenn einzelne Bundesländer darüber hinaus Maßnahmen setzen, Familien zu entlasten. So wird zum Beispiel in Oberösterreich ab Herbst der Gratiskin­dergarten auch für die Dreijährigen angeboten. Hier nimmt Oberösterreich unter Lan­deshauptmann Dr. Josef Pühringer zusätzlich zu den 15 Millionen €, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, 50 Millionen € in die Hand, um den Familien dieses Ange­bot zu machen.

Gleichzeitig werden zusätzlich 45 Millionen € für die Bereitstellung und Ausbildung von Personen zur Kinderbetreuung investiert. Dies ist mindestens genauso wichtig, um einen hohen Standard und eine hohe Qualität der Kinderbetreuung garantieren zu kön­nen.

Ich freue mich, dass diese Maßnahmen zur Umsetzung kommen, denn es ist mir ein Anliegen, Familien zu entlasten und wieder Mut zu machen, ein Ja zu Kindern zu sa­gen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.43



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 190

Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


19.43.39

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Eigentlich wäre ja schon alles gesagt, beziehungsweise steht es ja bereits in den Zeitungen, was heute noch diskutiert wird. Dennoch möchte ich kurz zusammenfassen.

Mit der heutigen Vereinbarung wird ein Grundstein für die Verbesserung der Bildungs­chancen für unsere Kinder gelegt. Der halbtägige Besuch des Kindergartens wird im letzten Jahr vor Schulbeginn verpflichtend für die Kinder und kostenlos für die Eltern sein. Damit werden die Familien weiter finanziell entlastet. Das ist erfreulich.

Der Bund verpflichtet sich, den Ländern als Beitrag für die Mehrkosten 70 Millionen für die Jahre 2009 bis 2013, so hoffe ich, zur Verfügung zu stellen. Die Aufteilung auf die Länder erfolgt jeweils entsprechend dem Anteil der zu diesem Zeitpunkt fünfjährigen Kinder. Oberösterreich erhält für 2009 zum Beispiel 17,5 Prozent. Die Länder verpflich­ten sich im Gegenzug, für den qualitativen und quantitativen Ausbau des Kinderbetreu­ungsangebotes zu sorgen sowie einen einheitlichen Bildungsplan für die Kindergärten festzulegen. Ich freue mich, dass es in Oberösterreich gelungen ist, gemeinsam den ganztägigen Gratiskindergarten bereits für Kinder ab zweieinhalb Jahren und nicht ab drei Jahren, wie mein Vorredner ausgeführt hat, einzuführen.

Die Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen und werden letztlich für die Um­setzung verantwortlich sein. Ich hoffe, dass den Gemeinden auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese Initialzündung beziehungsweise diesen Grundstein auch tatsächlich legen zu können. Wesentlich aus sozialdemokratischer Sicht ist jedenfalls, dass soziales Lernen und bessere Bildungschancen für alle Kinder bei diesem Projekt im Vordergrund stehen. Positive Effekte sind auch im Hinblick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erwarten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


19.46.08

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Da­men und Herren! Der Kindergarten ist kein Elternersatz und auch keine Aufbewah­rungsstation (demonstrativer Beifall bei der ÖVP), sondern der Kindergarten war und ist eine immens wichtige Bildungseinrichtung. (Beifall bei der SPÖ.) An und für sich müsste man sich ja überlegen, die Bildung unserer kleinsten Kinder in Bundeskompe­tenz zu übertragen, denn das wäre an und für sich der richtige Weg. Hervorragende Pädagoginnen und Pädagogen vom Schlage eines Friedrich Fröbel oder einer Maria Montessori haben uns dies gelehrt. Wer Kinder oder Enkelkinder hat, so wie das bei mir der Fall ist, der konnte sich mit Garantie auch schon selbst davon überzeugen, wie wichtig die Bildungseinrichtung Kindergarten ist.

Meine Damen und Herren, trotzdem sehen wir auch, dass heute noch nicht alle Kinder die Chance eines Kindergartenbesuches erhalten. Auch wenn ab fünf Jahren fast 96 Prozent aller Kinder im Kindergarten gemeldet sind, ist das leider nur die halbe Wahrheit, denn viele Kinder besuchen den Kindergarten dann nur zwei oder maximal drei Tage in der Woche. Zwischen diesen Tagen, an denen maximal zwei, drei oder vier Stunden mit den Kindern pädagogisch gearbeitet werden kann, liegen oft auch Wochen der Unterbrechung. Nachmittagsbetreuung gibt es in den wenigsten Fällen. Oft gibt es kein gemeinsames Mittagessen, was für soziales Lernen immens wichtig wäre.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 191

Meine Damen und Herren! Probleme lösen kann man im Kindergarten. Man kann Sprachdefizite aufholen, sich mit Verhaltensauffälligkeiten, motorischen Problemen be­schäftigen oder das Fehlen von einfachsten Fertigkeiten wie zum Beispiel den Umgang mit Löffel oder Gabel beheben.

Die Bundesregierung stellt sich dieser Verantwortung und investiert in den kostenlosen und verpflichtenden Kindergarten für alle ab dem fünften Lebensjahr. Ich hoffe, dass auch die Länder und Gemeinden diesem Beispiel folgen und mehr dazu beitragen wer­den, als sich nur über die Kostenübernahme durch den Bund zu freuen, und wirklich Aktivitäten setzen werden, sodass das Gratiskindergartenjahr nicht nur für 20 Stunden in der Woche gilt, sondern wirklich über den ganzen Tag hin an fünf Tagen in der Wo­che durchgeführt werden könnte. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.48


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege Deimek hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.48.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Meine Damen und Herren! Ich wur­de von der Frau Kollegin Haubner mit den Worten zitiert, dass die FPÖ ein verpflich­tendes Kindergartenjahr fordert.

Ich möchte das dahin gehend berichtigen, dass das Zitat, das Frau Kollegin Haubner meint, lautet: ein verpflichtendes Kindergartenjahr für Kinder mit Sprachdefiziten.

Ich ersuche die Abgeordneten des BZÖ, sorgsam zu zitieren! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.49

19.49.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir treten in den Abstimmungsvorgang ein, wobei wir über jeden Ausschussantrag ge­trennt abstimmen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, den Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfas­sungsgesetz in 205 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wenn Sie dem zustimmen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend den kostenlosen halbtägigen Kinder­garten und die verpflichtende Vorschule für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnis­sen.

Wenn Sie diesem Antrag beitreten, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend unbefristete und wertgesicherte Ab­deckung des Mehraufwandes der Länder und Gemeinden für den unentgeltlichen, ver­pflichtenden Besuch von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen.

Ich bitte um ein zustimmendes Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit, ist ab­gelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, seinen Be­richt 211 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie hiezu Ihre Zustimmung geben, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Das ist ange­nommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 192

19.50.536. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes, Reihe Bund 2009/1, Band 3 – WIEDERVORLAGE (III-18/178 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner dazu ist Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 


19.51.19

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Hohes Haus! (Zwischenruf des Abg. Amon.) – Ich bin niemals unfreund­lich, lieber Kollege Amon, aber ehrlich.

Wir diskutieren heute einen Bericht, der im Ausschuss nicht einmal ordnungsgemäß abgearbeitet wurde. Ich stelle daher gleich am Anfang fest, dass ich den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuss stellen werde, weil ein wichtiges Kapitel, dessen Verhandlung vereinbart war, nicht behandelt wurde, und zwar die Immobiliengebarung der ÖBB.

Vielleicht hat es ja auch einen Grund, dass die Großparteien nicht wollten, dass dieses Kapitel behandelt wird. Wenn man sich ein bisschen in dieses Kapitel vertieft, wird das auch offensichtlich.

Man braucht von diesen vielen Seiten nur den Teil über die Bestellung der Geschäfts­führung herzunehmen: Da kommen einige Dubiositäten an den Tag. Die ÖBB-Immobi­lienmanagement GmbH hat Ende Juli 2004 eine Ausschreibung für die Geschäftsfüh­rung gemacht. Es konnten weder ein Auftrag für die durchführende Firma noch eine Dokumentation über das Warum und Wie und über die Kriterien, nach denen gewählt werden sollte, vorgelegt werden.

Nach einem Monat hatten sich 49 Bewerber gemeldet, acht davon wurden von der Bera­tungsfirma dem Gremium für ein Hearing vorgeschlagen. Aus diesem Hearing ging wie­derum eine Person hervor. Die Durchführung durch die Beratungsfirma kostete 46 000 €; ein satter Betrag, möchte ich meinen.

Undurchsichtigerweise hat dann dieser einzige übrig gebliebene Bewerber seine Kan­didatur, seine Bewerbung mündlich zurückgezogen. Der Grund dafür ist nirgends er­sichtlich, nicht nachvollziehbar. Was waren die Gründe dafür?

Das Bestellungsgremium hat sich dann gedacht, dass es nicht mehr auszuschreiben braucht, und hat sich dabei auf ein Gutachten berufen. Und siehe da: Bereits wenige Tage später war die Topkraft für diesen Posten gefunden!

Führen Sie sich noch einmal die Zeitabfolge zu Gemüte: Ende Juli die Ausschreibung, Ende August Ende der Bewerbungsfrist, dann musste die Firma vorselektieren, es gab ein Hearing, und dann kam es noch zur Rückziehung der Bewerbung. Dafür reichten eineinhalb Monate. Und plötzlich, Mitte Oktober, tauchte eine topqualifizierte Kandida­tin auf, die wundervolle Gehaltsvorstellungen hatte: 230 000 € Jahresbruttobezug, zu­sätzlicher Bonus bis 50 Prozent, Pensionskassendotierung, Dienstwagen selbstver­ständlich auch in privater Verwendung möglich.

Das ist Protektionismus in Reinkultur, meine Damen und Herren! Und wenn man sich den Namen dieser Geschäftsführerin auf der Zunge zergehen lässt – es war eine ge­wisse Mag. Michaela Steinacker –, dann leuchtet es in den schwarzen Reihen tiefrot auf, denn da hat die ÖVP wieder einmal zugeschlagen und ein Besetzungsverfahren für sich entschieden.


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Dieser Umstand wurde dann, und das stimmt mich auch ein bisschen verwundert (Zwi­schenruf der Abgeordneten Gahr und Hornek) – warte, darauf komme ich schon noch zu sprechen, lieber Kollege Hornek, genau das ist nämlich der Punkt (Abg. Dona­bauer: Lies weiter!) –, in der Presse im April 2008 aufgezeigt. Ein Jahr bevor sich das Parlament damit beschäftigen konnte, konnte man schon in der Presse die Ergebnisse der Rechnungshofprüfung erfahren. Das halte ich für nicht sehr sinnvoll. Ich bin der Meinung, dass zumindest dem Rechnungshofausschuss die Rohberichte zur Verfü­gung gestellt werden sollten. Vielleicht können wir auch darüber einmal diskutieren.

Diese Presseberichte wurden dieser Dame dann offensichtlich zu viel. Und wissen Sie, wo sie gelandet ist? – Als dritte Geschäftsleiterin in der Raiffeisen-Holding Niederöster­reich-Wien.

Meine Damen und Herren! Ein halbes Jahr, bevor der Vertrag geendet hätte, findet sich diese Dame in der Raiffeisen-Holding wieder, und seit Ende des Jahres 2008 ist sie auch Aufsichtsratsvorsitzende der Bundesimmobiliengesellschaft. Wenn das nicht schwarzer Postenschacher in Reinkultur ist, dann weiß ich es auch nicht!

Damit ist wahrscheinlich offensichtlich, warum die Großparteien diesen Teil des Berich­tes nicht im Ausschuss diskutieren wollten. (Beifall bei der FPÖ.)

19.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


19.56.30

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Zanger, es ist schon so lange her, dass Sie das alles wahrscheinlich vergessen haben. Wir haben nämlich im Früh­jahr 2008 genau diesen Teil des Berichtes im Rechnungshofausschuss behandelt. Da­mals waren die Auskunftspersonen Huber und Steinacker.

Und das, was Sie jetzt mit der Vergangenheitsbewältigung der ÖVP/FPÖ- oder ÖVP/BZÖ-Regierung hier abgeführt haben, sollten Sie, denke ich, im stillen Kämmerlein beurtei­len und mit sich ausmachen, denn jetzt von Postenschacher zwischen den Regie­rungsparteien SPÖ und ÖVP zu sprechen, ist meiner Meinung nach verfehlt.

Setzten wir Ihren Vorschlag, die Rohberichte ebenfalls im Ausschuss zu diskutieren, um, hätten wir, denke ich, sehr viel zu lesen. Momentan sind wir bei der Aufarbeitung jener Berichte, die schon einen sehr großen Stau verursacht haben, wo wir wirklich da­nach trachten sollten, ehestmöglich zeitgleich zu werden.

Der Bericht, den wir heute hier diskutieren, ist wieder ein gutes Beispiel dafür, dass im Rechnungshofausschuss Querschnittsmaterien debattiert werden, dass man Kompe­tenzen aus allen Bereichen erwerben kann und dass es vor allem auch zu interessan­ten und aufschlussreichen Ausführungen kommt.

So möchte ich mich bei Frau Ministerin Bures für die Ausführungen zum Brenner-Ba­sistunnel im Rechnungshofausschuss bedanken. Von ihr bekamen wir dazu aktuelle Informationen, und es wurde da auch gezeigt, wie die Verzahnung zwischen den Rech­nungshofberichten, seinen Darstellungen und der Umsetzung, der politischen Gestal­tung erfolgreich stattfinden kann. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Dem Herrn Präsidenten möchte ich für den morgigen Festakt und zur Renovierung des Gebäudes des Rechnungshofes ebenfalls die besten Wünsche unserer Fraktion aus­sprechen. Es hat sich gezeigt, dass der Rechnungshof auch in diesem Zusammen­hang sparsam, zweckmäßig und sehr professionell vorgegangen ist, nämlich beim Um­siedeln und Renovieren.


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Ich wünsche allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im neu gestalteten Gebäude des Rechnungshofes ein gutes Arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


19.59.02

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Mag. Lapp, mit Ihren Ausführungen tue ich mir jetzt schon relativ schwer: Einerseits loben Sie den Rechnungshof, einerseits freuen Sie sich auf die morgige Eröffnung des Rechnungs­hofgebäudes, auf der anderen Seite aber haben Sie es gerade in diesem Ausschuss geschafft, sämtliche Empfehlungen des Rechnungshofes zu negieren und seitens der Großparteien die Räuberleiter für einen Gagenkaiser zu machen. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Herr Generaldirektor Huber konnte nicht einmal zur versprochenen zweiten Ladung vor den Rechnungshofausschuss kommen, weil die Regierungsparteien alles darangesetzt haben, seine Ladung zu verhindern, da wir sonst auch einmal darüber diskutieren hät­ten können, wie er denn die Immobiliengeschäfte seiner Frau und seiner Familie auf Kosten des Steuerzahlers handhabt.

Herr Generaldirektor Huber durfte nicht kommen, weil Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, es verhindert haben, um uns, dem Kontrollorgan der Republik, den Abgeordneten und dem Rechnungshof zu erklären, wie es zu einer In­transparenz bei der Auftragsvergabe gekommen ist. Sie, sehr geehrte Damen und Her­ren von SPÖ und ÖVP, haben zugelassen, dass in diesem Ausschuss der Rechnungs­hof und dessen Präsident de facto beschimpft worden sind und dass mit dubiosen Ge­gengutachten versucht worden ist, die Probleme, die Sie durch Ihre Parteipolitik in den ÖBB verursacht haben, regelrecht zu vertuschen. (Beifall beim BZÖ. Abg. Hornek: Grosz, wie haben denn die Verkehrsminister vorher geheißen?)

Sehr geehrte Damen und Herren, nun zu diesem Bericht: Kollege Zanger hat auch schon dazu gesprochen, und das BZÖ unterstützt selbstverständlich diesen Antrag auf Rückverweisung, denn da offenbart sich ja nicht nur das rot-schwarze Sodom und Go­morrha, nein, da offenbart sich, sehr geehrte Damen und Herren, Ihr Umgang mit die­sem Haus, Ihr Umgang mit der Demokratie und mit den gewählten Mandataren.

Das, was Sie zu diesem ÖBB-Bericht abgezogen haben, dieses Meisterstück an Ver­achtung gegenüber den Einrichtungen unserer Republik, haben Sie uns erst unlängst vor eineinhalb Monaten auch beim Unterausschuss des Rechnungshofes zum Thema AUA gezeigt, wo Sie ja de facto noch in Feigenblattmanier zehn, fünfzehn Kaffeekränz­chen im Parlament zugelassen haben, ja alles darangesetzt haben, dass die zuständi­gen Minister Faymann und Molterer diesem Ausschuss ferngehalten werden, und dann mit Ihrer Mehrheit diesen Ausschuss und die Ausschusstätigkeit der Abgeordneten volkstümlich gesagt – „niedergetögelt“ haben.

Daher sage ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, ist dieser Ablauf ... (Abg. Hor­nek: Grosz, du hast ja den Großteil geschwänzt!) Wie bitte? (Abg. Hornek: Du hast ja den Großteil der Zeit geschwänzt! Du warst gar nicht dort!) Haben wir es jetzt wie­der? Sehr gut. Ich bin jetzt auch schon so weit, dass ich den Zwischenrufen gerne Platz gebe, damit wir die Emotionen wieder ein bisserl beruhigen. (Abg. Dr. Barten­stein: Was haben Sie gegen diese Vorwürfe einzuwenden?) Sehr gut, passt.

Sehr geehrte Damen und Herren, es geht darum, dass der parlamentarische Ablauf wieder korrigiert werden muss, dass das Parlament, dass der Rechnungshofaus­schuss, dass der Rechnungshof die Dinge auch überprüfen kann, dass die Mandatare,


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die im Ausschuss sitzen, auch zu den entsprechenden Auskunftspersonen kommen und dass nicht weiterhin Kontrolle, Transparenz und Demokratie so gehandhabt wer­den, wie Sie es gerade verstehen oder wie es parteipolitisch in Ihr „Kasteldenken“ hi­neinpasst. (Beifall beim BZÖ.)

Weil wir gerade über den ÖBB-Skandal, diesen Privilegien- und Gagenskandal, und über Swap-Geschäfte sprechen, reden wir gleich über den nächsten Teilbereich dieses Rechnungshofberichtes: Reden wir über die ASFINAG! Wir haben heute die Verkehrs­ministerin hier bei uns, und auch den Rechnungshofpräsidenten.

Halten wir uns doch gar nicht lange mit den Lärmschutzwänden auf – mit Lärmschutz­wänden, die gebaut worden sind wie vor 15 Jahren die Kreisverkehre. Jeder Ort, der etwas auf sich gehalten hat, hat damals einen Kreisverkehr gebaut, und nach dieser Manier sind auch Lärmschutzwände gebaut worden. – Das bestätigt auch der Rech­nungshofbericht: Das sind Lärmschutzwände bei Flächen, die keinerlei Lärmschutzes bedürfen, höchstens, man will den Borkenkäfer in irgendeiner Form vor allzu großem Autolärm bewahren. Reden wir lieber von der ASFINAG!

Sehr geehrte Frau Ministerin Bures, ich nütze aus, dass Sie heute hier sind, und auch Sie, sehr geehrter Herr Rechnungshofpräsident. Reden wir, wenn wir über die ASFINAG sprechen und diskutieren können, weil sie im Bericht vorkommt und es in­haltlich dazupasst, über diesen Skandal, dass bei der ASFINAG Mitarbeiter mit vor­gegebenen Strafhöhen pro Tag und Person behaftet werden und pro Tag Strafen in der Höhe von einigen Tausend Euro einzuheben beziehungsweise abzuliefern haben und mit der Kündigung bedroht sind, wenn sie das nicht erfüllen. (Abg. Lausch: Ist so! Stimmt!)

Sie haben eine parlamentarische Anfrage samt allen Originaldokumenten von der ASFINAG bekommen – Amtsmissbrauch und Nötigung an der Tagesordnung. Reden wir über das Provisions- und Prämiensystem der ASFINAG, wo die Einhebung hoheitli­cher Abgaben mit Provisionen belegt wird, obwohl die ASFINAG-Bediensteten beliehe­ne Amtspersonen sind! (Abg. Mag. Stadler: Ja!)

Das, was eigentlich seit Jahren oder Jahrzehnten auf Stammtischen gesprochen wird – na, der Parksheriff wird halt vielleicht ein paar „Prozenterln“ kriegen, deswegen schreibt er ein wenig mehr (Abg. Mag. Stadler: Ja!) –, was aber niemals bewiesen werden konnte, lässt sich hier beweisen: Mautorgane der ASFINAG unter Ihrer Ägide, Frau Bundesminister Bures, mit Unterschrift Ihrer Vorstände auf Originaldokumenten (Abg. Mag. Stadler: Ungeheuerlich!), die anweisen beziehungsweise ein Bonussystem aus­geben, dass bei Erreichen einer gewissen Strafhöhe am Tag auch Provisionen an die Mautmitarbeiter ausbezahlt werden. (Abg. Mayerhofer: Das ist „sozial“! Abg. Mag. Stadler: Steht drinnen im Protokoll!)

Und nicht nur das, sehr geehrte Damen und Herren: Wenn diese Mautmitarbeiter die angeordneten Strafhöhen am Tag nicht erreicht haben, sind sie gekündigt worden! Die Kündigungsschreiben liegen im Übrigen dieser parlamentarischen Anfrage bei. Diese Nötigung hat dazu geführt, dass vor allem ausländischen Lkws eine überhöhte Straf­summe hinaufdividiert worden ist, weil sie nicht aufgeklärt worden sind, dass sie eine Ersatzmaut hätten zahlen müssen. Das steht in den Aktenvermerken und Bespre­chungsprotokollen der Vorstände der ASFINAG.

Wie gehen wir mit diesem Problem um – Herr Abgeordneter Faul, zu Ihnen komme ich noch, denn Sie sind auch ein Fall für den Rechnungshof –, wie gehen wir mit diesem Fall um, dass plötzlich falsche Summen eingehoben werden, das heißt, de facto Betrug am laufenden Band stattfindet?

Herr Präsident des Rechnungshofes, wir stellen Ihnen selbstverständlich sämtliche Un­terlagen zur Verfügung – sämtliche Aktenvermerke, Originaldokumente und weitere


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Unterlagen. (Abg. Mag. Stadler in Richtung Regierungsbank : Was ist daran lustig, Frau Minister?! Abg. Lausch: Das ist traurig! – Zwischenbemerkung von Bundesmi­nisterin Bures.) Nudeln Sie das nicht so herunter, Frau Bundesministerin, sondern nehmen Sie Ihr Amt ernst! Sie haben die Aufsicht über dieses Unternehmen. Greifen Sie endlich durch und sorgen Sie für Konsequenzen in diesem Unternehmen! (Beifall beim BZÖ.)

Herr Präsident Dr. Moser, wir werden Ihnen die Unterlagen selbstverständlich zur Ver­fügung stellen, und wir ersuchen Sie auch, nicht nur die Lärmschutzwände der ASFINAG, sondern auch diese Missstände zu überprüfen und in der gleichen Elo­quenz, wie wir sie in diesem Bericht von Ihnen gewohnt sind, darzulegen, denn die ha­ben weit mehr Konsequenz – nämlich auch noch eine strafrechtliche.

Herr Rechnungshofpräsident, weil Sie heute hier sind, reden wir doch auch über das Bildungssystem, über die Bildungsprobleme und über die Prüfkompetenz des Rech­nungshofes im Bereich von Hauptschuldirektoren!

Sehr geehrte Damen und Herren, einer meiner Nachredner in der zweiten Reihe – Herr Abgeordneter Faul, sofern er Ihnen noch nicht bekannt sein sollte, denn die letzten zehn Jahre war er ja niemandem in diesem Haus bekannt, bis zu seinen leidigen Sa­gern  (Abg. Hornek: Du aber auch nicht!) Ja, ich bin aber auch nicht im Nationalrat gesessen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Herr Faul hat als Nationalratsabgeordneter 1,1 Millionen € in zehn Jahren verdient und hat, wie er heute in der Tageszeitung „ÖSTERREICH“ selbst bekannt gibt, über zehn Jahre durch ein arbeitsloses Ein­kommen als Hauptschuldirektor 364 000 € kassiert. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) Für Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, zusammengezählt: Das sind 1,4 Millionen € beziehungsweise 20 Millionen Schilling.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, 20 Millionen Schilling durch zehn Jahre arbeitsloses Einkommen Ihres Herrn Hauptschuldirektors Faul, der neben­bei noch als Abgeordneter zum Nationalrat hier herumspaziert und heute die Konse­quenz ankündigt, am 1. November werde er in Pension gehen! (Ruf beim BZÖ: Von was denn? Abg. Hornek: Du bist ein Kaffeesudleser! Abg. Dr. Wittmann ahmt mit den Händen die Beißbewegung eines Krokodils nach.) – Das Krokodil wird Sie schon noch beißen, keine Angst!

Wenn das die Konsequenz dafür ist, dass man zehn Jahre lang keinerlei Leistung bringt – das heißt, dass diese zehn Jahre auch nicht pensionsbegründend sind, sehr geehrte Damen und Herren – und dann ab dem 60. Lebensjahr mit 14 000 € jährlich die nächsten zehn Jahre spazieren gehen wird, dann sage ich Ihnen, sehr geehrte Da­men und Herren von der SPÖ: Schämen Sie sich vor jeder Arbeitnehmerin und jedem Arbeitnehmer in diesem Land! (Beifall beim BZÖ. Abg. Riepl: Jetzt wird es unerträg­lich! Abg. Mag. Gaßner: Und tschüss!)

Sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, ich ersuche Sie daher abschlie­ßend, mit der Demokratie und mit dem Rechnungshof nicht nur in Sonntagsreden gut umzugehen. Wir werden morgen bei der Eröffnung des neuen Gebäudes wieder einige dieser Sonntagsreden hören, wie toll und wie schön dieser Rechnungshof ist, und jetzt hat er ein renoviertes Gebäude bekommen, der Präsident ist auch so ein lässiger Kerl und so weiter. Was wir dort morgen nicht alles hören werden!

Sehr geehrte Damen und Herren, nehmen Sie die Empfehlungen des Rechnungshofes zur Kenntnis. Nehmen Sie die Empfehlungen des Rechnungshofes im Bereich ÖBB zur Kenntnis, lassen Sie Aufklärung in diesem Parlament zu, versuchen Sie nicht zu vertuschen und sorgen Sie endlich dafür, dass in Ihrem eigenen rot-schwarzen Bereich


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Transparenz und Wahrheit Einzug halten. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ. Abg. Mag. Gaßner: Auf Wiedersehen!)

20.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. Einge­stellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.09.15

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Grosz, sehr viel war bei deiner Rede nicht aus dem Rechnungshofbericht dabei, den wir heute diskutieren. Und, Kollege Zanger, ich kann mich noch an die Debatte erinnern – ich weiß nicht, ob Sie dabei waren –, aber zur ÖBB Immobiliengebarung war der Bericht mit Frau Mag. Steinacker durchaus einer, wo sich einiges bewegt hat (Abg. Hornek: Im Positiven!), so ich mich zurückerinnern kann, und Direktor Huber hat, glaube ich, auch Auskunft gegeben.

Ich verstehe also überhaupt nicht, dass man diesen Antrag heute zurückweist. Ich glaube, man sollte sich in der Sitzung artikulieren und das so lassen, wie es sich ge­hört, und nicht heute irgendwelche Pseudo-Anträge stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zum Bericht des Rechnungshofes, der sich ja auch mit dem Projekt Brenner-Basistunnel beschäftigt und es unter die Lupe genommen hat. Wir haben zu diesem Projekt im Hohen Haus durchaus unterschiedliche Zugänge und Sichtweisen, aber der Rechnungshof hat es ob seiner verkehrspolitischen Bedeutung geprüft und natürlich auch, weil es vom finanziellen Volumen her eine riesige Dimension hat.

Diese Prüfung hat sich über die Jahre 2006/2007 erstreckt, und Fakt ist – wir haben das im Ausschuss, glaube ich, sehr intensiv diskutiert –, dass vieles aus den Empfeh­lungen des Rechnungshofes umgesetzt wurde, worüber ich durchaus froh bin. Man hat diese Empfehlungen eigentlich sehr gut in das Projekt eingebaut. Ich meine, das soll auch in Zukunft so sein, gerade bei solchen Projekten. Das Projekt Unterinntaltrasse ist auch ein Beispiel dafür, wie man den Rechnungshof aktiv einbindet und wie dieser die Kontrolle begleitend vornimmt.

Der Rechnungshof hat als Kritikpunkt unter anderem die Strategie der Verlagerung ge­nannt, die von allen gefordert wurde – von Herrn Kollegen Kogler, von Frau Kollegin Moser, aber auch von Herrn Kollegen Königshofer, glaube ich – und die besagt, dass man früh genug Strategien entwickeln muss, um den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Ja, wir können verlagern, wenn es tatsächlich eine Infrastruktur dazu gibt, und wir müs­sen natürlich die Instrumente dafür entwickeln. Wir brauchen einerseits Instrumente
für die Finanzierung, aber andererseits auch für die Gerechtigkeit zwischen Straße und Schiene.

Der Rechnungshof hat auch die Kostenschätzung unter die Lupe genommen und eini­ge kleinere Mängel bei den Ausrüstungskosten oder bei den Kostenersätzen für Funk­tionsprüfungen festgestellt.

Es geht auch darum, die Risikobewertung von 1,1 Milliarden € für dieses Projekt unter die Lupe zu nehmen. Ich glaube, dass es derzeit insgesamt noch ein paar unterschied­liche politische Positionen dazu gibt. Einerseits hat letzte Woche Frau Kollegin Lichten­berger von einem Projekt für die Baufirmen gesprochen. Ja, dieser Brenner-Basistun­nel, Frau Kollegin Moser, ist ein Wirtschafts- und Umweltprojekt. Folgendes habe ich Ihnen ohnehin schon einmal kurz mitgegeben: Die Grünen waren es, die bei der Unter­inntaltrasse in Tirol über viele Jahre hinweg nur kritisiert und das Projekt schlechtge­macht haben, und beim Brenner-Basistunnel ist es wieder dasselbe.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 198

Ich habe Sie schon einmal eingeladen, Frau Kollegin Moser, aber Sie sind noch nie nach Tirol gekommen. Sie kennen sich auch nicht aus. (Abg. Dr. Moser: Entschuldigen Sie, ich kann Ihnen die Fahrkarten liefern, wie oft ich in Tirol war!) – Okay, ich habe Sie schon zweimal zu einem Lokalaugenschein zu mir ins Dorf heim eingeladen, oder wir können auch einmal ins Wipptal fahren. Dann verstehen Sie vielleicht die Probleme ein bisschen besser, als Sie sie jetzt immer darstellen. (Abg. Dr. Moser: Ich habe keine einzige Einladung von Ihnen bekommen! Zeigen Sie mir die Poststempel von den Ein­ladungen!)

Es geht einfach darum, dass wir am 1. März 2007 begonnen haben, die Umweltmaß­nahmen zu prüfen. In Italien wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung relativ rasch ab­geschlossen, die errichteten einen Planungsstollen. Bei uns laufen die Umweltprüfun­gen noch – und ich glaube durchaus, dass es sein kann, dass man da intensiv prüft, aber es kann nicht sein, dass man so ein Projekt laufend mit Prüfungen und Überprü­fungen infrage stellt.

Es geht also auch um die Frage der Finanzierung, und, Herr Präsident, deine Anre­gung zur Frage der Finanzierung – ob auf 30 oder 50 Jahre – ist, glaube ich, durchaus prüfenswert, da sich die Finanzierungskosten bei diesem Projekt natürlich wesentlich niederschlagen.

Insgesamt ist es ein Projekt  und die aktuelle Situation zeigt das ja –, das durchaus gemeinsame Anstrengungen braucht, das bilaterale Fragen zwischen Österreich und Italien beziehungsweise Deutschland aufwirft und das Finanzierungszusagen von der EU einfordert. Es ist auch wichtig, dass wir da verkehrspolitische Maßnahmen tref-
fen. Wir haben ja im Bundesfinanzgesetz 2009/2010 Grundlagen dafür geschaffen und budgetäre Mittel bereitgestellt.

Es ist also ein Zukunftsprojekt. Es gibt vielleicht ein paar Streitigkeiten darüber, ob der Tunnel 2023 oder 2025 fertiggestellt sein wird. Mir ist das eigentlich egal. Grundsätz­lich geht es einfach darum, dass die bestehende Bahntrasse im Wipptal an die Kapazi­tätsgrenzen gelangt ist und die Wipptaler Bevölkerung enormen Belastungen durch den Bahnverkehr, aber auch durch die Autobahn ausgesetzt ist. Dieser Brenner-Basis­tunnel ist in der Lage, zusätzlichen Verkehr abzufedern.

Folgendes verstehe ich oft nicht: Wir alle stellen in diesem Haus immer die Bahn in den Mittelpunkt. Wenn es aber tatsächlich darum geht, Bahnprojekte umzusetzen, wehrt man sich dagegen. (Abg. Dr. Moser: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen! Abg. Huber: Weil die Bundesforste dagegen sind!) Ich habe mir das in der Schweiz beim Lötschbergtunnel angeschaut, Herr Kollege. Im Grunde genommen ist die Schweiz ein Vorbild für uns. Die Schweizer haben es geschafft, dass sie heute 80 Prozent des Gü­terverkehrs auf der Schiene haben und nur 20 Prozent auf der Straße. (Abg. Huber: ÖVP-Bundesforste!)

Genau dem und nichts anderem sollten wir nacheifern. Frau Kollegin Moser, Sie sollten einmal in die Schweiz fahren, sich das Projekt anschauen (Abg. Dr. Moser: Kenn ich, kenn ich!) und die guten Empfehlungen zu uns mitnehmen und nicht nur lau­fend kritisieren und alles schlechtmachen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gradauer. Ein­gestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.15.06

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident Moser! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich auf den Bericht III-18 des Rechnungshofes eingehe, möchte ich doch einige Fragen betreffend die Verwal-


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tungsreform an den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes richten, weil es, glaube ich, eine ganz wichtige Angelegenheit ist, im Bereich der Verwaltungs- und Staatsre­form weiterzukommen.

Sie sprechen ja in Ihren Berichten immer davon, dass Sie große Einsparungspotenziale orten, und haben auch um die 300 Vorschläge im Bereich der Verwaltungsreform ge­macht. Die Frage ist jetzt, was mit diesen Vorschlägen passiert und warum es eine neue Expertengruppe gibt, bei der man den Eindruck hat, dass das Ganze wieder von vorne beginnt.

Ich verstehe es deshalb nicht, weil unser Bundeskanzler Faymann am 10. Juni im Fernsehen zum Ausdruck gebracht hat, dass er natürlich bereit ist, über Verwaltungs­reform und Staatsreform zu reden und auch Druck zu machen, diese umzusetzen.

Auch Herr Stummvoll von der ÖVP hat am 29. Mai hier bei seiner Rede zum Ausdruck gebracht, dass man diese Reform ja gerne angehen würde, aber wenn die Mehrheiten fehlen, dann könne man eben nicht.

Aus beiden Erklärungen weiß man also, dass es eigentlich möglich sein müsste. Wa­rum setzt man diese 300 Vorschläge des Rechnungshofes nicht um? Herr Präsident, vielleicht können Sie uns da Auskunft geben.

Nun aber zur Arbeit, zum Job des Rechnungshofes. Ich möchte einmal ein Lob aus­sprechen. Der Rechnungshof und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für Öster­reich eine sehr wichtige Einrichtung.

Der Rechnungshof ist ein Mitstreiter, wenn es darum geht, unnützes Ausgeben von Steuergeldern zu vermeiden. Der Rechnungshof zeigt konsequent auf, wenn es im Bund und in staatsnahen Einrichtungen zu Unzulänglichkeiten kommt, und er zeigt auch, wie man diese Unzulänglichkeiten in Zukunft hintanhalten und vermeiden kann. Der Rechnungshof sorgt damit auf seine Weise für die Verbesserung der Finanzlage des Staates Österreich.

Nun aber, als Beweis dafür, zum Bericht III-18. Es ist in dem Bericht nachzulesen, dass es beim Bau der A 9, der Pyhrn Autobahn, beim Baulos Inzersdorf-Schön durch Emp­fehlungen des Rechnungshofes zu Einsparungen von fast 6 Millionen € gekommen ist, wie die Endabrechnung zeigte. – Das ist sehr erfreulich.

Darüber hinaus stellt dieser Bericht fest, dass durch Vergleiche zwischen Bauaufsicht und ausführenden Unternehmen das Risiko von Rechtsstreitigkeiten vermieden wurde. Außerdem verbesserte, auf Anraten des Rechnungshofes, die ASFINAG das Qualitäts­management, um künftig das Fehlerrisiko weiter zu senken.

Ich bedanke mich beim Rechnungshof und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit, für den Einsatz für Österreich und gratuliere auch zum neuen Büro. Ich komme morgen gerne zur Eröffnung. (Beifall bei der FPÖ.)

20.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ein­gestellte Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


20.19.16

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehr­ter Herr Präsident Moser! Meine Damen und Herren! Auch mein Dank gilt in erster Li­nie den sehr engagierten und effizient arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes und Ihnen, Herr Präsident, für Ihren Einsatz.

Das, was uns heute vorliegt, gibt genügend Anlass und genügend Stoff, nicht nur einen großen Appell, sondern eine große Forderung an die Mehrheit in diesem Haus zu rich-


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ten, endlich das wahre Kontrollinstrument dieses Parlaments – im Sinne von Wirt­schaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz – wirklich wahrzunehmen und die Anregungen auch umzusetzen.

Was Sie nämlich gemacht haben – vonseiten ÖVP und SPÖ – ist, in diversen Rech­nungshofausschüssen weitere Kontrolluntersuchungen zu unterbinden. Das, meine Damen und Herren, ist nicht im Sinne der Institution, die uns hier in diesem Haus – so­zusagen als Instrument – gegeben ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das widerspricht an sich auch den demokratiepolitischen Grundsätzen, nach denen Kontrolle, Einschrän­kung der Macht immer wieder auf der Tagesordnung stehen müssen.

Ich sage und zeige Ihnen auch, dass sich das auszahlt, dass sich das finanziell be­währt, wenn wir kontrollieren und genau schauen und wir damit letztlich die Steuergel­der sparsam einsetzen und sogar eine günstigere Budgetlage herbeiführen würden.

Gehen wir es der Reihe nach durch: Brenner-Basistunnel. Herr Kollege aus Tirol, ich bin sofort bei Ihnen, dass wir dieses finanzielle Risiko eingehen, wenn – ich zitiere die Empfehlungen des Rechnungshofberichtes auf Seite 202 – das BMVIT dafür sorgt, „die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen umgehend zu schaffen, um damit eine Verla­gerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu forcieren“. (Abg. Gahr: Hab’ ich gesagt!) Wenn die Rahmenbedingungen geschaffen sind, dann ist der Bau des Brenner-Basistunnels finanziell gerechtfertigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist nicht der Fall. Es ist, wie Herr Präsident Moser auch im Ausschuss dargelegt hat, nicht garantiert, dass wir dieselben Mautverhältnisse auf der Straße haben wie in der Schweiz. Ich gehe ganz sachlich auf Ihre Argumentation ein. Die gibt es nicht. In der Schweiz haben sich die Finanzierungsschwierigkeiten beim Gotthard-Basistunnel im Parlament sehr, sehr stark in der Debatte niedergeschlagen. Auch die Schweiz zahlt mehr, als sie projektiert hat, als in den Prognosen vorhergesehen war. Auch bei uns wachsen die Kosten für den Brenner-Basistunnel praktisch um fast 20, 30 Prozent jähr­lich. Der Herr Präsident hat selbst gesagt, dass keine Rede von 4 Milliarden € ist,
es sind sicherlich 6 Milliarden € notwendig, allein von Österreich. Ich wette, dass sogar 8 Milliarden € notwendig sein werden.

Die Finanzierung ist das zweite Element: Der Rechnungshof trägt immer auch dafür Sorge, dass – wenn Projekte angegangen werden, wenn Projekte umgesetzt werden – eine redliche Budgetierungspolitik erfolgen muss. Beim Brenner-Basistunnel sehe ich das in keiner Weise. Darum, Frau Ministerin, sagen Sie mir heute endlich, woher Sie die 10 Milliarden € nehmen – die in keiner Weise abgedeckt sind – für das große Inves­titionsprogramm der ÖBB im Umfang von 13 Milliarden, von dem der Brenner-Basis­tunnel sicherlich einen großen Teil darstellt! Woher nehmen Sie das Geld? Sagen Sie mir das! Von der „Vorsorgegesetzgebung“ – Budgetbegleitgesetz – sind 3,7 Milliarden bis zum Jahr 2015 sichergestellt. Rechnen Sie 13 minus 3,7, dann haben Sie unge­deckte Schecks für eine Infrastrukturinvestitionspolitik, wobei der Brenner-Basistunnel das umstrittenste Projekt ist. Auch der Rechnungshof legt hier seine Finger in diese Wunden und stellt klar, dass allein der Quickstart des Sondierungsstollens nicht uner­hebliche Steuergelder gekostet hat.

Zweites Beispiel, wir wechseln zur Straße, wir wechseln zum Bereich Infrastruktur, Straßenbau, Umweltmaßnahmen, die notwendig sind, um Autobahnstrecken anrainer­verträglich zu machen. Hier kommt der Rechnungshof sehr eindeutig zu dem Ent­schluss und zu der Empfehlung, dass Projekte, bei denen absehbar ist, dass die Be­gleitmaßnahmen in Hinblick auf Umwelt- und AnrainerInnenschutz exorbitante Kosten verursachen, eigentlich nicht in Angriff genommen werden dürften.

Der Rechnungshof stellt auch immer wieder fest, dass keine Wirtschaftlichkeitsberech­nungen bei Straßenprojekten gemacht werden – genau das, was mein Kollege Maier


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 201

von der ÖVP, der neue Verkehrssprecher, einfordert: Wirtschaftlichkeitsberechnung. Wir haben es hier vor uns in diesem Bericht: Der Rechnungshof stellt fest, es gibt sie nicht. Trotzdem wird gebaut. Frau Ministerin, schauen Sie noch einmal nach: beim Westring in Linz zum Beispiel, einem Projekt mit einem Volumen von über 600 Millionen €, bei dem ein Kilometer Autobahn allein über 100 Millionen € kostet. Das ist Wahnsinn! Das ist wahrer Wahnsinn – sowohl budgetpolitisch als auch ver­kehrspolitisch. Der Rechnungshof warnt davor.

Kommen wir zum dritten Beispiel – damit schließt sich ja der Kreis –, zu den Immobi­liengebarungen der ÖBB. Ich habe selten – und Herr Präsident Moser hat extra einmal darauf hingewiesen – einen Bericht des Rechnungshofes gelesen, der eine derartige Liste, eine derartige Summe von Verfehlungen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und der Steuerzahler auflistet wie beim Immobilienmanagement der ÖBB unter der Ägide Huber und Steinacker. Und ich betone: Die Ägide Huber und Steinacker hat schwarz-blaue Ursprünge. Die beiden wurden in der Ära Schwarz-Blau eingesetzt. Reithofer hat dafür gesorgt, dass Steinacker in diesem Ruckzuck-Verfahren – der Kollege Zanger hat es ja ausführlich geschildert – an die Schaltstelle kam. Der Rechnungshofpräsident hat genau festgestellt, dass das Vier-Augen-Prinzip in der Geschäftsführung gefehlt hat.

Ich habe das in diversen Anfragen eingemahnt, und genauso habe ich auf diverse Ver­fehlungen bei Ausschreibungen, auf Intransparenz, Nichtnachvollziehbarkeit, fehlendes Datenmanagement, fehlende Immobilienstrategie, fehlende Nachvollziehbarkeit des Bie­terverfahrens hingewiesen. Das alles ist durch Anfragen und Antworten im Parlament dokumentiert.

Der Bericht des Rechnungshofes listet das jetzt noch einmal für alle Projekte auf: Erd­berger Lände, Elisabethstraße, Frachtenbahnhof Linz, Gauermanngasse und so weiter und so fort. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass in der Ära Steinacker mehr oder weniger – meist ohne Ausschreibung – Immobilienhändler zum Zug kamen, die Immo­bilien der ÖBB – sprich der Republik – zu einem vergleichsweise sehr günstigen Preis bekamen; Beispiel Seebahnhof Gmunden. Dieses Verhökern von Immobilien zuguns­ten einer Gesellschaftsschicht von sowieso sehr gut Betuchten und zu Lasten der SteuerzahlerInnen ist für mich der wahre Skandal! Die SPÖ hat hier überhaupt nichts getan, um die Aufklärung voranzutreiben.

Im Gegenteil! Sie haben im Ausschuss, meine Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ, auch dafür gestimmt, dass Reithofer nicht mehr geladen wird. Das ist einmalig. Bis jetzt war das nicht üblich, dass die Regierungsfraktionen gegenüber den Oppositions­fraktionen ohne Vorinformation einen Ladungsantrag einfach ablehnen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.) Das war bis jetzt nicht üblich. Das ist wirklich im Nachhinein noch ein Skandal, der die Kontrolltätigkeit des Parlaments massiv behindert hat. (Bei­fall bei den Grünen.)

Herr Präsident Dr. Moser, Sie werden sicher dann noch im Detail auf Ihre Berichterstat­tung eingehen. Ich möchte nur noch einmal wiederholen, diese Ära des Immobilienma­nagements bei der ÖBB hat uns – über den Daumen gepeilt – mindestens 8 bis 10 Mil­lionen € gekostet.

Jetzt sitzen die Verantwortlichen – und, bitte, das ist ja der Clou! – einerseits noch im­mer im Aufsichtsrat der BIG – wie Frau Mag. Steinacker – oder bei der Raiffeisenkas­se, und der Clou schlechthin ist, dass der letztverantwortliche ÖBB-Generaldirektor Hu­ber jetzt selbst ein Immobilienunternehmen betreibt und von uns Steuerzahlern via ÖBB eine Abfertigung in der Größenordnung von 800 000 € – Steuergelder! – bekom­men hat. Das muss man sich vorstellen! (Abg. Dr. Pirklhuber: Wahnsinn! Ein Skandal der Sonderklasse! Unglaublich!) Nach so einem Rechnungshofbericht, der derartige Verfehlungen dokumentiert und aufgelistet hat, geht der Beschuldigte, der letztlich Ver-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 202

antwortliche mit einem Golden Handshake von 800 000 € munter und fröhlich gerade in der Immobilienszene ein und aus, hat dort seine Geschäfte, wohin er sie – hinter dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – gelenkt hat. Das ist für mich der wahre Skandal.

Frau Ministerin, in dieser Richtung haben Sie überhaupt keine Aufklärungsarbeit ge­leistet, ja sogar noch zugestimmt – anscheinend auch politisch –, dass dieser Hand­shake in einem Vergleich zwischen ÖBB und Huber letztlich fixiert, abgesichert, ze­mentiert worden ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter DDr. Königshofer. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.29.04

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Auch ich darf mich dem Dank anschließen, dass der Rechnungshof, dass Sie, Herr Präsident, mit Ih­ren Mitarbeitern wertvolle Arbeit leisten, um die Republik vor Schäden zu bewahren, was leider nicht immer gelingt, wie Frau Kollegin Moser jetzt aufgezeigt hat.

Ich danke Ihnen auch, dass Sie Betriebe untersuchen und prüfen, die ausgelagerte Budgetschulden zu tragen haben, wie die Bundesbahnen und die ASFINAG. Ich möch­te heute auf die ASFINAG zu sprechen kommen.

Als ich vor 25 Jahren Kreditsachbearbeiter bei der Creditanstalt Bankverein in der Schottengasse in Wien war, hatte ich auch die Akte Asfinag zu gestionieren, und die Asfinag hatte damals einen Schuldenstand von rund 11 Milliarden. – Und siehe da, die Bilanz der Asfinag heute ergibt wieder einen Schuldenstand von rund 11 Milliar­den; nur damals waren es 11 Milliarden Schilling, und heute sind es rund 11 Milliar­den €. Umgerechnet in die alte Währung bedeutet das rund 153 000 Millionen Schil­ling, die die Asfinag derzeit an Schulden hat.

Trotz allem geht diese Gesellschaft her und investiert munter – auf Schulden – weiter drauf los in unsinnigste Bauwerke, also nicht nur in die Sanierung und Erhaltung und Neuschaffung von Straßen, sondern auch in die Errichtung von sogenannten Lärm­schutzwänden, die keiner will, die keiner braucht und die letztendlich eine Scheußlich­keit in der Landschaft darstellen.

Ich darf als Beispiel meine Heimatregion Wattens–Hall anführen. Es wurden alte Lärm­schutzwände, die sich über 20, 25 Jahre hindurch durchaus bewährt hatten, weggeris­sen und neue, doppelt so hohe Lärmschutzwände aufgestellt, sodass man jetzt wie durch einen Tunnel auf der Autobahn fährt. Diese Maßnahme allein hat laut Bautafel, die dort aufgestellt war, 8,2 Millionen € gekostet. Wenn Sie in Wattens auf die Auto­bahn auffahren, Richtung Innsbruck, sehen Sie hinter der Lärmschutzwand ein Mais­feld, dann kommen Sträucher, dann kommt der Inn, dann kommen wieder Sträucher, und dann kommen erst Häuser, die eventuell vor Lärm zu schützen wären. Also da, meine Damen und Herren, kann etwas nicht stimmen, und so kann es nicht weiterge­hen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gahr.)

Herr Kollege Gahr, reden Sie mit den Anwohnern, kein Mensch hat dort eine Lärm­schutzwand verlangt! Die Ursachen ... (Abg. Gahr: Reden Sie mit den Einwohnern in Baumkirchen! Die haben keine verlangt? – Da sind Sie schlecht informiert!) In Baumkir­chen, ja, dazwischen sind aber Sträucher, der Inn, ein Maisfeld, aber darüber werden wir schon noch reden. Ich halte sie ebenso wie viele andere – und ich habe mit Baum­kirchnern gesprochen – für völlig unnötig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 203

Jetzt sage ich Ihnen, was bei der Asfinag noch dazukommt. Die Asfinag hat ein weiteres Bauvorhaben in Aussicht genommen, und zwar möchte sie ihr Hauptquartier in Innsbruck in der Karl-Kapferer-Straße, weil 20 Arbeitsplätze mehr gebraucht werden, abreißen und einen neuen Verwaltungspalast aufbauen. Die Kosten belaufen sich auf einige Millionen Euro. – Ich glaube, normalerweise wird in der Privatwirtschaft – und da kann man vielleicht mit der ÖVP reden – ein Unternehmen, das mit sinkenden Einnah­men zu rechnen hat, das riesige Schulden hat, sein Verwaltungsgebäude wegen 20 fehlender Arbeitsplätze nicht niederreißen und zu Kosten in Millionenhöhe neu auf­bauen. Das ist abzulehnen, und das muss aufgezeigt werden, denn so kann es nicht gehen in der Asfinag! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend möchte ich noch die Frage stellen – und ich bitte Sie, Herr Rechnungs­hofpräsident, diesbezüglich die Asfinag genau unter die Lupe zu nehmen –, wie hier ein Schuldenabbau in der Zukunft geplant ist. Die Bilanz weist 11 Milliarden € Schulden auf, die Zukunft wird aufgrund der Wirtschaftslage weniger Transitfahrten bringen – Gott sei Dank, kann ich als Tiroler sagen, aber das bedeutet auch sinkende Einnah­men für die Asfinag –, und dann ist noch dieser Brenner-Basistunnel geplant.

Frau Kollegin Moser hat die Problematik ja skizziert, und auch Herr Präsident Moser hat davon gesprochen, dass mit Gesamtkosten für die Republik von rund 12 Milliar­den € inklusive Finanzierungskosten zu rechnen sein wird. (Rechnungshofpräsident Dr. Moser nickt zustimmend.) Der Herr Präsident nickt, er hat es im Ausschuss gesagt. Wenn dieser Tunnel kommt, kann er ja nur kommen – wie Kollegin Moser richtig ge­sagt hat –, wenn eine Verlagerungsgarantie von der Straße auf die Schiene kommt, und ob dann die Asfinag aufgrund der nochmals verringerten Einnahmen in der Lage sein wird, diesen Schuldenberg abzutragen, ist die Frage.

Letztendlich wird die Asfinag dazu nicht in der Lage sein, und irgendwann werden diese Schulden von 11 Milliarden € wieder ins Budget transferiert werden müssen, ebenso die Schulden der Österreichischen Bundesbahnen, die bis auf 20 Milliarden € ansteigen werden – und dann werden wir ein noch massiveres Budgetproblem haben. (Abg. Zanger: Die Autofahrer werden zahlen!) Ich kann nur sagen, Herr Präsident, be­halten Sie auch diese ausgelagerten Budgetschulden im Auge, und dann werden wir weitersehen, wie der Staat mit diesen Schulden in Zukunft umgehen kann! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Bures zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.35.17

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofs! Hohes Haus! Ich glaube, es ist etwas Wahres an dem Spruch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!, daher schätze ich die Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofs sehr. Ich muss gestehen, dass ich deren Standpunkte nicht immer 1 : 1 teile, aber sie leisten eine ganz wesentliche Arbeit.

Was die Transparenz beim Einsatz von öffentlichen Mitteln betrifft und auch was die Effizienz beim Einsatz von öffentlichen Mitteln betrifft, ist es gut, dass wir den Rech­nungshof haben, der wirklich immer sehr genau darauf schaut und seinen Fokus da­rauf richtet, dort, wo es Schwachstellen gibt, darauf aufmerksam zu machen. Und es steht auch außer Zweifel, dass es Aufgabe des parlamentarischen Rechnungshofaus­schusses ist, ihm begleitend zur Seite zu stehen. Ich sage das, weil ich selbst viele Jahre als Abgeordnete dem Rechnungshofausschuss angehören durfte und daher wirklich weiß, wie wichtig diese Tätigkeit ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 204

Was mir aber auch wichtig zu sein scheint, ist, dass man einzelne Dinge nicht vermi­schen darf. Es geht darum, dass wir, nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch durch Budgetbeschlüsse hier im Parlament, sagen: Ja, wir bekennen uns dazu, dass zwei große Unternehmen, die im Eigentum des Bundes stehen – nämlich die Österrei­chischen Bundesbahnen und die Asfinag –, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten In­vestitionen tätigen, die zwei Effekte haben; Investitionen, die heute in einer ganz schwierigen Situation für Beschäftigung sorgen (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser) und die für morgen, für die Zukunft, Werte schaffen, die bei der Schiene vor allem dazu füh­ren, dass wir in eine ökologische Infrastruktur investieren. Daher ist es auch nicht in Ordnung, dass man immer nur über den „Schuldenberg“ redet. Es ist genauso, wie wenn sich heute eine Familie einen Kredit aufnimmt, um ein Haus zu bauen, um Werte zu schaffen, um ein Dach über dem Kopf zu haben, um eine Zukunft für ihre Kinder zu schaffen. Genauso wichtig ist es, heute für Beschäftigung zu sorgen und in die Infra­struktur Schiene zu investieren, und das machen die Österreichischen Bundesbahnen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man diesen Grundsatz ernst nimmt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!, dann gilt das natürlich auch für die Formen der Refinanzierung. Natürlich finanziert die Asfinag Investitionen über die Lkw-Bemautung – diese geht zurück; da zeigen sich beim Unternehmen Asfinag die gleichen Begleiterscheinungen der Krise wie bei je­dem anderen Unternehmen auch; der Transportverkehr geht zurück, das ist nun einmal so –, aber es gibt auch Einnahmen aus der Pkw-Vignette.

Herr Abgeordneter Grosz, es ist tatsächlich so, dass es Beschäftigte bei der Asfinag gibt, die kontrollieren, ob sich alle an die gesetzlichen Regelungen halten und eine gül­tige Vignette haben. Es ist so, dass das kontrolliert wird, dass das überprüft wird und dass ein Vergehen bestraft wird – und Sie kennen die Antwort, Sie reden nämlich nur von der Anfrage, über die Antwort haben Sie nichts gesagt: Weniger Strafen haben na­türlich keine Konsequenzen, das steht in keinem Verhältnis zueinander, es gibt sozu­sagen keinen Bonus für mehr Strafen, die eingehoben werden. Klar ist, dass bei der Asfinag Leute damit beschäftigt sind, zu kontrollieren, damit nicht jene die Dummen sind, die sich an die Gesetze halten. Für Vergehen sind Strafregelungen vorgesehen, und daher soll es entsprechende Kontrollen geben. Es ist für den Rechnungshof ge­nauso wichtig, dass man kontrolliert, dass die Pkw-Maut, wenn man dafür ist, auch ein­gehoben wird.

So habe ich Ihre Anfrage beantwortet, also stellen Sie das nicht immer so falsch dar, wie Sie das gerade eben gemacht haben, Herr Abgeordneter Grosz! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Ein Punkt noch – ich weiß, es ist schon spät –, der mir wirklich ein Herzensanliegen ist: Ein Projekt, bei dem ich mir denke, dass wir beispielhaft die guten Vorschläge und An­regungen des Rechnungshofes aufgenommen haben, ist das Projekt Brenner-Basis­tunnel, das ich für eines der ganz zentralen Projekte halte. Es ist wichtig, dass es ge­lingt, dass es – dazu bekennen wir uns ja immer – zu einer stärkeren Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommt.

Die Empfehlung des Rechnungshofes bezüglich Brenner-Basistunnel für den Prüfungs­zeitraum Oktober 2006 bis April 2007 war die Sicherstellung der Finanzierung, und wir haben dank der Beschlüsse des Hohen Hauses die Sicherstellung der Finanzierung. (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser.) Wir haben nicht nur einen ÖBB-Rahmenplan, son­dern wir haben eine Sonderfinanzierungszeile für den Brenner-Basistunnel, und wir ha­ben eine zusätzliche Beteilung aus europäischen Mitteln. Ich lasse in Europa keinen Euro liegen, den wir in Österreich auf die Schiene bringen können, und daher haben wir das als Finanzierungsschiene! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 205

Man hätte vielleicht vor vier oder fünf Jahren eine Rede halten können, dass die Finan­zierung des Brenner-Basistunnels nicht gesichert ist. Daher war die Kritik des Rech­nungshofs richtig. Heute gilt diese Kritik nicht mehr: Die Finanzierung des Brenner-Ba­sistunnels ist sichergestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Moser.)

Der Rechnungshof hat im Zusammenhang mit dem Brenner-Basistunnel vor allem auch kritisiert, dass die erforderlichen Grundlagen für behördliche Genehmigungen nicht vorhanden sind. Das BMVIT und das Land Tirol haben die Genehmigungsverfah­ren abgeschlossen, und es liegen auch alle Baubewilligungen vor. Es gibt im Hinblick auf den Brenner-Basistunnel eine Vereinbarung mit Italien betreffend die Übernahme der Hälfte der Kosten dieses Tunnels. Von Deutschland haben wir die Zusage betref­fend das Vorhandensein der Zulaufstrecken. Außerdem haben wir die Zusage der Querfinanzierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es keine entsprechenden Alternativen gibt. Wir müssen heute in eine moderne Infrastruk­tur investieren. Wir müssen heute die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir in Zu­kunft die Klimaziele, die wir uns in Europa und auch in Österreich gesetzt haben, für die Gesundheit der Menschen und unserer Kinder wirklich sicherstellen. Daher brau­chen wir diesen Brenner-Basistunnel! Wir sind auf die Kritikpunkte des Rechnungsho­fes eingegangen, und ich würde Sie für die Zukunft ersuchen, nicht die Reden, die man vor vier Jahren hätte halten können, jetzt herauszuholen! Sie sind nämlich nicht mehr zeitgemäß!

Ich bedanke mich noch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rech­nungshofs. – Ich kann Ihnen versichern, dass ich auf diese Kooperation wirklich Wert lege, weil es mir darum geht, dass jeder Euro, der von Steuerzahlerinnen und Steuer­zahlern für Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, so gut wie möglich eingesetzt wird. Dafür verbürge ich mich. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

20.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Becher. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.43.02

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wiedervorlage dieses Berichtes ist auch deshalb von großem Interesse, weil eine Viel­zahl konkreter Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Immobiliengebarung bei den ÖBB dargestellt wurde.

Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich las, wie die damals im Prüfungszeitraum – er umfasst die Jahre 2005 bis 2007 – für die Geschäftsführung verantwortlichen Perso­nen das Großunternehmen geführt haben. Es wurde vom Rechnungshof eine Vielzahl an Managementfehlern aufgelistet. Drei möchte ich nur ganz kurz hervorheben.

Einerseits nenne ich den Bestellvorgang für die Geschäftsführung im Jahr 2004: Daran möchte ich erinnern, weil einer meiner Vorredner bereits erwähnt hat, dass dieser Be­stellvorgang nicht transparent war, dass ungerechtfertigt hohe Bezüge gewährt wur­den, dass trotz Vorgabe des Ministeriums – der zuständige Minister war damals Gor­bach – keine kaufmännische Geschäftsführung eingesetzt wurde, dass es keine nach­vollziehbare Liegenschaftsplanungsstrategie gab und auch kein Liegenschaftsportfolio erstellt wurde.

Der dann zuständige Verkehrsminister Faymann hat dafür gesorgt, dass die Grund­stücksgebarung bei den ÖBB künftig auf Basis einer Immobilienstrategie und auf Grund von Kosten-Nutzen-Rechnungen zu erfolgen hat und dass die Unternehmens­entscheidungen bei den ÖBB verstärkt auf den Grundsätzen der Transparenz und der


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Nachvollziehbarkeit basieren müssen. Ebenso hat der Infrastrukturminister dafür ge­sorgt, dass die Ergebnisse in den zuständigen Organen behandelt werden und die Empfehlungen des Rechnungshofes auch im Aufsichtsrat der ÖBB überprüft werden.

So wurde auf Grund dieser Initiative endlich eine Strategie für den Immobilienbereich der ÖBB erarbeitet. Somit wurden die Missstände weitgehend abgestellt und die Emp­fehlungen auch weitgehend umgesetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Lettenbichler. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.45.42

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Herr Präsident des Rechnungshofes, vorab möchte ich Ihnen herzlich gratulieren und für Ihre klaren Worte und für Ihr abermaliges Bekenntnis zum Brenner-Basistunnel danken! Ich glaube, das ist der Unterschied zwischen Regie­rung und Opposition: Wir bringen etwas weiter und schauen auf unsere Leute, wäh­rend andere nur lamentieren und kritisieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

In einem Punkt sind wir uns wohl alle einig: Der steigende Lkw-Transitverkehr muss von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Auch diese Notwendigkeit hat der Rechnungshof gesehen. Welche Möglichkeiten gibt es aber dafür? – Für das Transit­land Nummer eins, Tirol, ist das der Brenner-Basistunnel. Seit Jahren beschäftigt uns nun schon diese Diskussion um dieses Projekt. Es gibt unzählige Argumente dafür und auch einige wenige dagegen. Aus meiner Sicht und aus der Sicht der ÖVP gibt es da­zu allerdings keine Alternative, weder ökologisch noch ökonomisch, und gerade jetzt, in Zeiten des konjunkturellen Abschwunges, stellen Investitionen in die Infrastruktur wesentliche Impulse dar und tragen damit auch zu einer Abfederung der prekären Be­schäftigungssituation bei.

Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte des Großbauvorhabens Brenner-Basistunnel sind eindrucksvoll. – Lassen Sie mich dazu auch einige Zahlen nennen.

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Investitionen in der Höhe von zirka 2,5 Milliarden € allein auf Nordtiroler Seite. Geht man davon aus, dass pro 100 Millio­nen € Investitionsvolumen 1 200 bis sogar 1 300 Vollarbeitsplätze entstehen bezie­hungsweise gesichert werden, dann bedeutet dies für Tirol zirka 30 000 Vollzeitäquiva­lente: Verteilt auf zwölf Jahre sind das 2 500 Beschäftigte.

Meine Damen und Herren, das ist doch keine Kleinigkeit! In dieser Berechnung ist aber noch nicht einmal der Konsummultiplikator berücksichtigt, der noch einmal so groß sein dürfte.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf die nördliche Zulaufstrecke ein­gehen: Die Bevölkerung der Anrainergemeinden entlang des gerade in Planung befind­lichen zweiten Abschnittes der Unterinntaltrasse hat teilweise große Bedenken hin­sichtlich der Trassenführung. Angesichts der prognostizierten Anzahl von 430 Zügen, die täglich die neue Strecke befahren sollen, also im Durchschnitt alle dreieinhalb Mi­nuten ein Zug, erwarte ich mir eine Lösung im Sinne der dort lebenden Menschen!

Auch fordere ich die Realisierung und Fertigstellung des zweiten Abschnittes der Un­terinntalbahn noch vor dem Bauende des Brenner-Basistunnels. Gerade gestern hat der bayrische Ministerpräsident Seehofer dezidiert erklärt, dass auch der Zulauf auf deutschem Staatsgebiet zwischen Rosenheim und der Grenze bei Kiefersfelden ge­baut werden wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 207

Wir würden uns mit der Realisierung des Brenner-Basistunnels wesentlich leichter tun, wenn alle Parlamentsparteien grundsätzlich Ja zu diesem zukunftsweisenden Projekt sagen würden! In weiterer Folge könnten wir die Kritikpunkte diskutieren und Optimie­rungen vornehmen, wie sie auch vom Rechnungshof aufgezeigt werden. Die Verlage­rung ist grundsätzlich zu bejahen, und es müssen mögliche Schwachpunkte aufgezeigt werden, die folglich diskutiert werden müssen.

Was aber tun Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, so etwa Ihre Doch-noch-Europaabgeordnete Lichtenberger gestern in der „Tiroler Tageszeitung“? – Sie kritisieren einmal mehr pauschal, ohne auf die Sache überhaupt tiefer einzugehen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Nennen Sie uns doch eine Alternative! Sie wer­den feststellen: Es gibt keine! Sagen daher auch Sie Ja zum Brenner-Basistunnel, und kritisieren Sie nicht immer nur getreu Ihrem Motto: Ob Sonne oder Regen, wir Grünen sind dagegen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Sacher. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.49.43

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Rechnungshofpräsident! Herr Präsident! Hohes Haus! Stichwort Lärmschutz. Herr Kollege Königshofer, Sie verurteilen den Lärmschutz pauschal. – Ich meine, dass der Lärmschutz in erster Linie für die Bevölkerung, für die Menschen da ist. Dort, wo über das Ziel geschossen wird, muss man ihn kritisch betrachten, und das tut der Rechnungshof.

Allerdings wurde gerade in der Ära des Herrn Verkehrsministers Gorbach sehr weit über das Ziel geschossen. Das war jener Mann, der gesagt hat: „This country is too small for me.“ – Ich würde sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: This man was too small for this country! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Rechnungshof kritisiert vor allem, dass es gerade in der Ära Gorbach beim Lärm­schutz keine Effizienzkontrolle gegeben hat und dass nicht überprüft wurde, inwieweit die Maßnahmen sinnvoll sind. – Ich kann Ihnen nur sagen, dass sich das mittlerweile sicherlich geändert hat, und ich darf Frau Bundesministerin Bures dafür danken, dass in ihrer Ära wesentlich überlegter und effizienter vorgegangen wird! In diesem Zusam­menhang danke ich auch dem Rechnungshof, dass er das begleitend kontrolliert.

Ich erlaube mir, auch Kritik an überzogenen Lärmschutzmaßnahmen zu üben. Dazu fallen jedem von uns zahlreiche Beispiele ein. Allerdings möchte ich auch sagen, dass zum Beispiel gerade der Bau der neuen Donaubrücke bei Traismauer im Zuge der S 5 und der S 33 nur möglich war, weil durch die UVP begleitender Lärmschutz vorge­schrieben wurde.

In diesem Sinne, sehr geehrte Damen und Herren, sage ich meinen herzlichen Dank. Wir werden genau darauf schauen, dass der Lärmschutz effizient, wirkungsvoll und sparsam eingesetzt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Singer. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.51.45

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich werde mich mit dem Bericht des Rechnungshofes über die Maß-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 208

nahme zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit im Straßenbau in Österreich hin­sichtlich der Auswirkungen auf die Kosten beschäftigen.

Diese Überprüfung fand bereits Ende des Jahres 2006 statt. Geprüft wurden ausge­wählte Straßenbauprojekte. Ich darf einige nennen: Es waren dies die A 8, Innkreis Autobahn zwischen Sattledt und Wels, die S 31, Burgenland-Schnellstraße, die S 1/A 5, Nord Autobahn, beziehungsweise die S 33, Kremser Schnellstraße, die sich noch in der Planungsphase befindet.

Zu bemerken ist, dass der Anteil der Umwelt- und Gesundheitskosten im Straßenbau in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen ist. Bei den überprüften Projekten wurden 28 Prozent der Gesamtkosten dafür ausgegeben. Der Hauptanteil dieser Kos­ten lag beim Lärmschutz sowie bei den ökologischen Ausgleichsmaßnahmen.

Beim Lärmschutz ist festzuhalten, dass sich bei den untersuchten Projekten die Kosten auf bis zu 32 Prozent der Gesamtkosten beliefen, und zwar auch deshalb, weil in Ös­terreich die niedrigsten Immissionsgrenzwerte Europas zur Anwendung gelangen. Die Kosten für die einzelnen Baumaßnahmen differieren klarerweise sehr stark. Besonders hohe Kosten fallen dort an, wo der Einsatz von Tunnels erforderlich ist. Gerade das Verschwinden der Straße im Untergrund erhöht allerdings die Akzeptanz bei den Anrai­nern, denn 29 Prozent unserer Bevölkerung fühlen sich vom Lärm gestört.

In den Jahren 2000 bis 2006 errichtete die ASFINAG entlang der bestehenden Auto­bahnen und Schnellstraßen 380 Kilometer Lärmschutzwände und investierte dafür 246 Millionen €. Bedeutende Summen wurden auch für die ökologischen Ausgleichs­mittel ausgegeben. Maßnahmen wie Wildquerungshilfen, Amphibienschutzeinrichtun­gen oder Ersatzaufforstungen wurden vorgeschrieben, um die negativen Auswirkungen bei Straßenbauprojekten auf das ökologische Gefüge von Straßenbauten zu begren­zen. Der Kostenanteil für diese Öko-Maßnahmen betrug bei diesen Bauprojekten rund zehn Prozent der Gesamtkosten. Ebenso wurden Maßnahmen zum Schutz des Grund­wassers und zur Bekämpfung von Luftschadstoffbelastungen gesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren, was sagt der Rechnungshof dazu? – Er weist darauf hin, dass Lärmschutzmaßnahmen wie die Errichtung von Tunnels, Unterflurtrassen oder Einhausungen von Straßen die Baukosten markant erhöhen und der Straßenneu­bau im siedlungsnahen Bereich damit an seine wirtschaftlichen Grenzen stößt. Daher formuliert er Empfehlungen, die ich auszugsweise zur Kenntnis bringen darf.

Die Ermittlung des noch bestehenden Bedarfs an Lärmschutzeinrichtungen wurde an­gesprochen. Daraus sollen sich die künftigen Bauprogramme ergeben. Es sollen aber auch Richtlinien für ein Bewertungssystem entwickelt werden, die klarstellen, bis zu welchem Nutzen-Kosten-Verhältnis ein Straßenbauvorhaben volks- und betriebswirt­schaftlich sinnvoll ist. Daraus würden sich dann auch Prioritätenreihungen ergeben. Außerdem wären Richtlinien und Anweisungen insbesondere für jene ökologischen Ausgleichsmaßnahmen auszuarbeiten, die hohe Kosten verursachen.

Einen Punkt möchte ich noch anfügen: Bereits bei der Verkehrsplanung sollte stärker auf wertvolle Naturräume geachtet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Rechnungshofes zeigt, dass der Straßenbau vielfach an den Grenzen der Finanzierbarkeit angelangt ist. Ohne langfris­tige Planung und frühzeitige Einbindung der Raumplanung werden Neubauten im Lich­te des Schutzes der Umwelt und der Gesundheit künftig schwer finanzierbar sein. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Stadler. Eingestellte Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 209

20.56.19

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundes­minister Bures, ich möchte Ihren Humor steigern, weil Sie das gar so lustig gefunden haben, was Kollege Grosz zum Thema ASFINAG vorgetragen hat.

Ich weiß nicht, ob es wirklich so lustig ist, dass Sie ein Unternehmen haben, das ganz gezielt den Leuten das Geld aus der Tasche zieht, bei dem Umsatzziele festgelegt werden, Prämien dafür ausbezahlt werden und Mitarbeiter, die diese Umsatzziele nicht erreichen, mit der Kündigung bedroht werden. – Das ist die ASFINAG! (Abg. Grosz: Das ist wirklich ungeheuerlich!)

Das werde ich Ihnen jetzt beweisen: Sie können nämlich diese Punkte noch gar nicht beantwortet haben, weil Sie diese Anfrage, dieses Konvolut, das ich hier habe, erst heute bekommen haben. Es ist erst heute eingebracht worden. Aber ich trage es Ihnen jetzt vor, weil Sie das nicht glauben. In den Medienberichten hätten Sie es verfolgen können, aber das haben Sie ja nicht. Darum trage ich es Ihnen jetzt vor, und ich ge­nieße es auch, dass der Herr Rechnungshofpräsident da ist. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Bures.) – Dann horchen Sie zu! (Bundesministerin Bures: Nein, ge­ben Sie mir es!) – Es wird Ihnen von der Parlamentsdirektion zugeleitet werden, wenn Sie sich nicht auskennen. (Beifall und Zwischenrufe beim BZÖ. Neuerliche Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Bures.)

Frau Bundesminister Bures, Sie haben über Medienberichte von der Strafanzeige ge­hört. Wenn Sie das nicht haben, dann horchen Sie mir jetzt genau zu, dann werden Sie vielleicht wissen, was sich in Ihrem Ressortbereich abspielt.

Ich zitiere aus dem Protokoll der SKD-Stützpunktleitersitzung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie können brüllen, so viel Sie wollen! Ich habe das Mikrophon auf meiner Sei­te! Ich werde Sie immer übertönen, glauben Sie mir das! (Beifall beim BZÖ.)

Ich spreche von der SKD-Stützpunktleiter-Sitzung – SKD heißt Straßenkontrolldienst – am 1. September 1999. Seit 1999 läuft das also! – Da heißt es:

SKD Mitarbeiter berichten, dass durch den als zu hoch empfundenen Leistungsdruck die Mitarbeiter zu unzulässigen Praktiken greifen. Mitarbeiter handeln ungerechtfertigt Delikte ab. Ersatzmaut wird kassiert, obwohl eine Nachzahlung möglich ist. – Zitat­ende.

Ich zitiere weiter aus einem Protokoll. (Abg. Grosz: Die Frau Ministerin hört nicht zu! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident, ich bitte, meine Redezeit unterbrechen zu dürfen, denn das ist wirklich ungeheuerlich! Ich trage der Frau Bundesminister Unterlagen vor, und sie führt dort drüben Small Talk! Was soll das?! (Beifall beim BZÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist unglaublich!)

Ich trage der Ministerin vor, welche Unglaublichkeiten sich in ihrem Ressort abspie­len – und sie interessiert sich nicht dafür! Sie hat Humor dafür, wenn ihre Leute in die­sem Land die Bürger abzocken und dafür eine Prämie kassieren, und sie kümmert sich nicht darum, meine Damen und Herren! Das ist die Ministerin! Sie findet das lustig! (Beifall beim BZÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

Geh, Herr Kollege Kräuter, können wir noch ein bisschen weiterlachen? Vielleicht kannst du uns den Witz auch erzählen, den du gerade der Frau Bundesministerin Bures er­zählst! (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt wirklich meine Rede unterbrechen!

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Stadler, es bleibt Ihnen unbenommen, die Rede zu unterbrechen, dann kommt der nächste Redner dran. (Heiterkeit und Bei­fall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 210

Die Frau Bundesministerin ist ja hier zugegen, und ob sie interessiert oder nicht inter­essiert der Debatte folgt, das obliegt der politischen Bewertung. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Herr Kollege Stadler, setzen Sie bitte fort. Die Frau Bundesminister ist ganz Ohr.

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (fortsetzend): Ich halte fest, dass sich die Frau Bundesministerin nicht nur nicht interessiert (Rufe bei der SPÖ: Für Sie!) für das, was sich in ihrem Ressort ungesetzlicher Weise abspielt, sondern sie deckt das offensicht­lich auch noch, weil sie es auch noch zum Lachen findet, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Ich halte das für bemerkenswert. Es wird gut sein, dass wir dieses Protokoll den Bürgern zur Verfügung stellen.

Ich zitiere ferner aus einem Protokoll der Straßenkontrolldienstkräfte vom 20. Jän­ner 2005. Da heißt es – ich zitiere wörtlich –:

„Im Bereich der LKW-Maut wird je SKD-Mitarbeiter pro Monat Ersatzmauterlöse von mindestens € 4.000,-- erwartet um die Unternehmensziele in diesem Bereich erreichen zu können. Ebenfalls € 4.000,-- je SKD-Mitarbeiter pro Monat werden im Bereich der Vignette (inkl. Zahlscheine) erwartet. Näheres entnehmen Sie bitte der Beilage Plan­werte SKD 2005.“ (Abg. Grosz: Wahnsinn! Vorgaben bei Strafen!) – Bei Strafen, mei­ne Damen und Herren! (Abg. Scheibner – in Richtung von Bundesministerin Bures –: Was haben Sie für ein Rechtsverständnis? Das ist unglaublich!)

Jetzt kommt die Prämie, meine Damen und Herren! Es gibt eine Prämie dafür. Eine Prämienleistung hat die Frau Ministerin vorhin in Abrede gestellt.

Ich zitiere aus einem Protokoll der ASFINAG vom 31. Jänner 2005. In diesem Protokoll heißt es wörtlich (Zwischenrufe bei der SPÖ):

„Herr Riepler berichtet, dass die Prämienfestlegung für SKD-Mitarbeiter zwischenzeit­lich an allen Stützpunktstellen abgeschlossen wurde. Die Prämien betragen im Schnitt 96% an der MS Schönberg, 94% MS St. Jakob, 89% MS Gleinalm und 86% MS Bos­ruck. Die Berechnung für St. Michael und Rosenbach erfolgt am 01.02.2005. Für die Prämienauszahlung des Jahres 2005 wird einvernehmlich folgende Vorgangsweise festgelegt: ...“ – Dann kommt die Vorgangsweise der Festlegung der Prämienauszah­lung. (Abg. Grosz – in Richtung von Bundesministerin Bures –: Ihnen wird das Lachen noch vergehen!)

Hier ist das Formular, wie die Prämie berechnet wird. (Der Redner hält ein Formular in die Höhe.) Da heißt es:

„1. Amtshandlungen – max. 25 Prozentpunkte

Ersatzmaut LKW:

Nachzahlung LKW:

Anzeigen LKW: ...“ 

Dafür gibt es eine Prämie.

Weiters:

„2. Serviceleistungen (...) – max. 15 Prozentpunkte

3. Deliktlöschungen von ungerechtfertigten Delikten – max. 10 Prozentpunkte“

Meine Damen und Herren, das ist dermaßen unglaublich! Das heißt, man hat für das Vertuschen von Delikten noch Prozentpunkte für die Prämienfeststellung bekommen! Das ist unglaublich! (Beifall beim BZÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die ASFINAG hat weiter festgestellt:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 211

„Im Monat Mai sind die Einnahmen des SKD Stmk. um circa 35 % rückläufig. In Kärn­ten ergibt sich vergleichsweise ein Plus von 49 %.

Erwartungen

Für die laufenden Monate wird eine Steigerung erwartet.“ (Abg. Riepl: Das ist eine Le­seübung!)

Dann geht es weiter. Bei einer Dienstbesprechung am 15. Februar 2007 heißt es – jetzt wird es immer krasser –:

„Prämien 2006

Wurden gemeinsam mit Herrn Riepler festgelegt. In der nächsten Zeit wird FFU mit je­dem Mitarbeiter darüber ein Gespräch führen. Dabei wird ein Vergleich zwischen 2005 und 2006 gezogen und daraus resultierend das Ziel für 2007 festgelegt.

Generell gilt, dass die Einnahmen massiv gesteigert werden müssen.“ – Da geht es nicht um Amtshandlungen, sondern es geht um gesteigerte Einnahmen!

In einem weiteren Protokollabschnitt heißt es:

„Die Zahl der Erlagscheine und Anzeigen ist so gering wie möglich zu halten.“ – Sie wollen gar keine Anzeigen und Erlagscheine, sondern Bar-Kasse. – „Derzeit ist der Anteil der Erlagscheine und Anzeigen bis zu 50% der Delikte. Ziel aller 4 Regionen ist es, unter 10% zu kommen.“

Das heißt, Delikte, die anzuzeigen wären, werden gar nicht angezeigt, sondern es muss Bar-Kasse erfolgen, damit man eine Prämie bekommt, meine Damen und Her­ren, damit Umsatzziele erreicht werden. Das ist glatter Amtsmissbrauch und sonst gar nichts!

 „Ziele 2007:

Eine durchschnittliche Steigerung im Bereich der Vignette wird pro Region wie folgt er­wartet:

Region Süd: 40%.

Für LKW-Delikte sind die Einnahmen wie im Vorjahr 2006 zu halten.“

Meine Damen und Herren, es kommt nicht darauf an, ob man ein Delikt verwirklicht oder nicht. Es geht nur um Abzocke! (Abg. Grosz: ...! Das ist unglaublich!) Es geht um Umsatzerlöse, um Abzocke des Bürgers und dafür gibt es auch noch ein Prämiensys­tem.

In einem weitern Besprechungsprotokoll vom 13. März 2008 ... (Zwischenruf des Abg. Keck.– Herr „Brüller“ von der SPÖ: 13. März 2008. (Heiterkeit der Bundesminis­terin Bures. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Keck.) – Die Frau Minister findet das alles lustig! (Abg. Grosz: Das wären einige Ordnungsrufe, Herr Präsident!)

Ich zitiere:

„CEE stellt den Mitarbeitern die Bewertungskriterien der SKD-Prämie vor.

Es gibt 5 Bewertungspunkte:

1. Ersatzmauteinnahmen – max. 50 Punkte – mind. 20 Pkt.

2. Service und zusätzliche Leistungen – max. 20 Punkte

(...)“

Abschließend heißt es:

„Das Prämienfestsetzungsprotokoll wird zum Besprechungsprotokoll hinzugefügt.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 212

Meine Damen und Herren, wer das alles nicht erreicht, der wird sogar mit Kündigung bedroht. Wer diese Umsatzziele nicht erreicht, fliegt hinaus. Auch das ergibt sich zwei­felsfrei aus den Besprechungsprotokollen der ASFINAG, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Faul.)

Das ist alles gesetzwidrig. Das ist glatter Amtsmissbrauch, das ist Abzocke, das ist Prämienauszahlung für hoheitliches Handeln, meine Damen und Herren! – Und die Mi­nisterin findet das alles zum Lachen. (Beifall beim BZÖ.) Damit wir das alles im Proto­koll festhalten: Die Ministerin findet das alles zum Lachen! (Abg. Mag. Gaßner: Alles – nicht nur Sie!) Sie kann es sich mit ihrem Gehalt ja auch leisten. Ich weiß nicht, ob sie abgezockt wird.

Aber der Bürger draußen, insbesondere der Frächter draußen, der zahlt jeden Tag drauf, meine Damen und Herren! Und das sollte Sie vom Wirtschaftsbund interessie­ren! (Beifall beim BZÖ.)

Diese Ministerin schaut zu, wie die ASFINAG Abzocke betreibt, wie den Mitarbeitern Umsatzziele vorgegeben werden, und wenn sie diese Umsatzziele nicht erreichen – zu Lasten des Bürgers! –, dann werden sie mit Kündigung bedroht.

Das toleriert diese Ministerin und findet das alles noch lustig! (Beifall beim BZÖ. – Ruf bei der SPÖ: Haarsträubender Unsinn! – Zwischenruf der Abg. Silhavy. – Abg. Grosz: Ihr könnt euch wieder beruhigen!)

21.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Ing. Kaipel. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

 


21.06.17

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Herr Stadler, wir sind froh, dass es jetzt eine Ministerin gibt, die den Schutt Ihrer Genossen wegräumt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Vorredner hat gemeint, dass es einmal eine Zeit gegeben hat, zu der Lärmschutz­wände wie Kreisverkehre errichtet wurden. Man kann natürlich alles bauen, man sollte nur schauen, ob es auch sinnvoll und notwendig ist, und wenn es das ist, dass man das dann auch wirtschaftlich tut. (Abg. Grosz: Ein Brandredner vor dem Herrn!)

Es sind 250 Millionen € in Lärmschutzmaßnahmen investiert worden. Das ist ja nicht wenig. Und man könnte davon ausgehen, dass, wenn diese Beträge investiert werden, davor entsprechende Untersuchungen gemacht werden, dass es entsprechende Pla­nungen gibt und dann nach Prioritätenreihung umgesetzt wird.

Aber wer das annimmt, der irrt. Wir finden das auch im Bericht des Rechnungshofes bestätigt, da offensichtlich niemand wusste, was getan wird, weil auch niemand sagen konnte, wo es Anrainer gibt, die vor Lärm zu schützen sind oder wo es noch weitere notwendige Lärmschutzwände zu errichten gilt.

Also diese Vorgangsweise ist schlichtweg ein Skandal! Das, was eigentlich jedem Autofahrer aufgefallen ist, ist an Reichhold spurlos vorübergegangen. Es ist blind da­rauf los investiert worden, im wahrsten Sinne des Wortes ins Blaue investiert worden, so nach dem Motto: Der Steuerzahler wird es schon richten.

Daher ist es gut, dass heute noch einmal die notwendige Ablöse von Herrn Reichhold auch durch den Rechnungshof bestätigt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt grundsätzlich keinen Einwand gegen Lärmschutzmaßnahmen, es sollte nur al­les mit Maß und Ziel betrieben werden. Es ist eine vernünftige Balance zwischen den Anrainerinteressen, den Umweltschützern und den Kosten zu finden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 213

Es ist gut, dass es nunmehr einen neuen Vorstand gibt, und wir können sicher sein, dass dieser seiner Verantwortung auch gerecht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

21.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Gaßner. Ebenfalls 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.09.15

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Stadler, haben Sie eine Unterlage verloren? (Der Redner hält ein Blatt Papier in die Höhe, das am Rednerpult liegt. – Abg. Mag. Stad­ler – an das Rednerpult herantretend –: Sie können das gerne studieren!) – Nein, ich habe meine Rede eigentlich vorbereitet. (Abg. Mag. Stadler: Das ist das Formular der ASFINAG! ...! Gut einprägen! – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Stadler, bei Ihrer Vorlesung, die Sie eben gehalten haben, habe ich einmal „2005“ gehört. Im Jahr 2005 ist meiner Erinnerung nach Frau Bundesministerin Bures nicht Ministerin gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Das dauert bis jetzt an! Das dauert an!) Da, glaube ich, war ein Minister, der Ihnen eher ... – Na da­mals ist er Ihnen auch nicht nahe gestanden, oder? (Abg. Scheibner: Na also!) – Gut. (Heiterkeit bei der SPÖ und ironische Heiterkeit beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende RH-Bericht, den wir jetzt dis­kutieren, hat einige Follow-up-Prüfungen zum Inhalt – und ich muss sagen, diese Fol­low-up-Prüfungen sind wirklich eine hervorragende Einrichtung des Rechnungshofes. So habe ich mir unter anderem die zusätzliche Überprüfung betreffend Autobahn A9, Inzersdorf angeschaut, und da hat es mich schon etwas verwundert – sagen wir so –, dass es bei einem Abschnitt, nämlich jenem bei Inzersdorf, und Kosten von rund 80 Millionen € aufgrund einer Initiative des Rechnungshofes zu Einsparungen von rund 6 Millionen € gekommen ist.

Interessant war in diesem Zusammenhang auch, zu lesen, dass diese Einsparungen dadurch möglich waren, dass seitens des Rechnungshofes fehlende oder unvollständi­ge Abrechnungsunterlagen kritisiert wurden und dass falsche Mengenermittlungen zu­grunde gelegt worden waren. Da frage ich mich schon, wie sorgfältig man in dieser Fir­ma arbeitet.

Frau Bundesministerin Bures hat ja bereits gesagt, dass sie auch froh ist, dass da sehr strenge Kontrollen durchgeführt wurden. Nur: Wenn ich mir das überlege in Bezug auf alle Investitionen durch die ASFINAG, dann muss ich sagen, Herr Rechnungshofpräsi­dent, da wären Sie, glaube ich, überfordert, das alles zu überprüfen – allein schon von der personellen Kapazität des Rechnungshofes her.

Wenn ich mir dann noch überlege, dass aufgrund dieser einzigen Prüfung 6 Millionen € eingespart werden konnten, muss ich schon sagen: Wie viele Gemeinden in Österreich wären froh, wenn sie über ein solches Jahresbudget verfügen würden?! (Demonstrati­ver Beifall des Abg. Linder.)

Aber wir unterhalten uns hier immer darüber, wie die Gemeinden geprüft werden. Ich meine, es gäbe noch sehr viele andere Möglichkeiten an Überprüfungen. 6 Millionen €, die sozusagen einfach so untergehen, das würde man sicherlich nur bei ganz wenigen Gemeinden finden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Bucher: Das ist verspekuliert!)

21.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Faul steht bereits beim Rednerpult. – Abg. Grosz: Zurück ins Körbchen! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 214

21.12.11

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ.) Ich möchte mich eingangs bei Ihnen sehr herzlich für das Lob bedanken, das Sie der Arbeit des Rechnungshofes gespendet haben, und werde das sehr gerne an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben.

Ich möchte mich aber auch bei Ihnen hier bedanken: Erstens einmal dafür, dass auf der heutigen Tagesordnung des Nationalrates wieder eine Vielzahl von Berichten steht und diese sehr eingehend diskutiert werden, sowie dafür, dass die Arbeit des Rech­nungshofes von Ihnen so sehr anerkannt wird.

Zu dem, was auch Herr Abgeordneter Gradauer angesprochen hat: Der Rechnungshof war – und das zeigen ja auch die Berichte, die heute hier von Ihnen diskutiert werden – wirklich sehr erfolgreich, denn von 66 Empfehlungen wurden mehr als 60 Prozent um­gesetzt.

In dieser Debatte hier wurde weiters angesprochen, dass seitens der ASFINAG, und zwar bei der A9, Pyhrnautobahn-Lückenschluss, durch die Umsetzung von Empfehlun­gen des Rechnungshofes eine Kostenreduktion von rund 6 Millionen € erzielt werden konnte.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass, was die Oesterreichische Banknoten- und Si­cherheitsdruck GmbH betrifft, durch die Umsetzung von Empfehlungen des Rech­nungshofes bei der OeBS über 15 Millionen € seit dem Jahre 2005 nachweisbar einge­spart werden konnten. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Bartenstein.)

Weiters darf ich anführen, dass, was Interne Revisionen betrifft, die einzelnen Ministe­rien geprüft wurden, sodass dann infolge dessen eine Stärkung der Revision erfolgte und so ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Kontrolle und mehr Transparenz gesetzt wurde.

Positiv erwähnen möchte ich gleichfalls, dass beispielsweise das Außenministerium, und zwar in den Botschaften Lissabon und Madrid, Maßnahmen gesetzt hat, die dazu führen, dass jetzt auch in diesem Bereich effizienter und effektiver gearbeitet wird, ob­gleich es erforderlich ist, dass das Ministerium seine Steuerungsverantwortung doch in größerem Maße wahrnimmt.

Angesprochen wurde hier auch unser Bericht betreffend Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit im Straßenbau in Österreich. Da hat der Rechnungshof eine Prüfung durchgeführt, weil eben gerade in den letzten Jahrzehnten die Kosten in diesen Bereichen sehr stark gestiegen sind. In der Debatte vorhin wurde angeführt, dass bei den überprüften Projekten im Durchschnitt 28 Prozent für diesbezügliche Maßnahmen ausgegeben wurden, für Lärmschutz über 30 Prozent, für ökologische Ausgleichsmaßnahmen nahezu 18 Prozent, für Gewässerschutz 2,6 Prozent und für Grundstückseinlösen 14 Prozent.

Bei einer Überprüfung hat sich gezeigt, dass es auch da ein Verbesserungspotenzial, ein Kostensenkungspotenzial gibt, und in diesem Zusammenhang möchte ich jetzt gleich das von Ihnen angeführte Problem Lärmschutzmaßnahmen ansprechen, wo es ja zweifelsohne Probleme gegeben hat, aber trotzdem nicht der ASFINAG der Schwarze Peter zugeschrieben werden kann, weil eben Lärmschutzmaßnahmen be­scheidmäßig vorgeschrieben werden und dementsprechend umzusetzen sind. Und für diesen Bereich gibt es keine verbindlichen Grenzwerte – weder national noch interna­tional –, sondern es gibt seitens der WHO Richtwerte, die in unterschiedlichem Maße zur Kenntnis genommen beziehungsweise umgesetzt wurden.

Ein Problem in diesem Bereich ist beispielsweise, dass es in Bezug auf ökologische Ausgleichsmaßnahmen keine Richtlinien beziehungsweise keine Dienstanweisungen


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gibt – mit Ausnahme des Schutzes von Tieren – und so natürlich die Gefahr besteht, dass ohne Richtlinien, dass ohne Dienstanweisungen Maßnahmen gesetzt werden, die unnötige Kosten verursachen.

Das gleiche Problem beim Gewässerschutz, wo es auch keine Grenzwerte gibt und auch so oft Aufwendungen entstehen, die vermieden werden könnten, gäbe es diesbe­zügliche Vorgaben.

Ein Problem stellt auch die Kontrolle der Umsetzung von Maßnahme dar: Auch da wur­de nicht gehandelt, obwohl diesbezüglich eine gesetzliche Verpflichtung besteht, das zu machen. Und es sollte auch darauf geachtet werden, dass in diesem Bereich bei­spielsweise bereits in den Genehmigungsbescheiden diesbezügliche Auflagen festge­halten werden.

Mehrmals angesprochen in dieser Debatte wurde auch der Brenner-Basistunnel. Ich möchte darauf hinweisen, dass es dem Rechnungshof sehr wohl bewusst ist, dass es vom Jahr 1994 bis zum Jahr 2007 zu einem starken Anstieg des Lkw-Verkehrs gekom­men ist, gerade auf der A13. Bewusst ist uns auch, dass in Studien und Prognosen die Notwendigkeit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene dargelegt wird. Der Brenner-Basistunnel ist jedenfalls ein Projekt, das auf der einen Seite, vom Bautechnischen her, erhöhte Anforderungen stellt, ebenso natürlich auch, was ver­kehrspolitische Anforderungen betrifft, aber gleichzeitig in den nächsten Jahren enor­me finanzielle Herausforderungen in Richtung Budget zur Folge haben wird.

So sind im Jahre 2002, was die Baukosten betrifft, diese bei 4,5 Milliarden € gelegen, im Jahre 2007 bei 6 Milliarden € – und laut Kostenschätzung 2009 bei 8 Milliarden €. Voraussichtlich werden allein die Baukosten für das Projekt Brenner-Basistunnel – mit dem voraussichtlichen Fertigstellungsende im Jahre 2025 – zirka 9,8 Milliarden betra­gen, und zwar ohne Finanzierungskosten.

Bezieht man die Finanzierungskosten mit ein, legt man die Vorausvalorisierung dem zugrunde, dann heißt das, dass allein auf österreichischer Seite voraussichtlich Kosten von 12 Milliarden € auf das Budget beziehungsweise auf die ÖBB zukommen werden. Dazu ist zu sagen, dass da natürlich ein Teil querfinanziert werden kann, eben auch aus Mauteinnahmen auf der A13, aber da ist schon auch anzuführen, dass im Jah­re 2006 Mauteinnahmen lediglich in Höhe von rund 21,48 Millionen € erzielt wurden; al­so ein sehr kleiner Betrag.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass für den Zeitraum 2007 bis 2013 aus EU-Mit­teln über 780 Millionen € zur Verfügung gestellt wurden; mit davon 50 Prozent Anteil Österreich sind es rund 383 Millionen €.

Das heißt, von voraussichtlichen Kosten in Höhe von 12 Milliarden € wird ein kleiner Teil aus der Querfinanzierung beziehungsweise aus EU-Mitteln bedeckt werden kön­nen; der Rest wird mit Zuschüssen bedeckt werden müssen, die von der öffentlichen Hand zu leisten sind.

Das ist der Grund dafür, warum der Rechnungshof darauf hingewiesen hat, dass wir ein verbindliches Finanzierungskonzept benötigen (Abg. Dr. Moser: Das gibt es nicht!), damit ein Projekt, das gestartet wird, auch finanziell zu Ende geführt werden kann.

Es bedarf eines Ausbaus der Zu- und Nachlaufstrecken, auch auf deutscher und italie­nischer Seite – das wurde ja von Ministerin Bures angesprochen –, damit die Verlage­rung von der Straße auf die Schiene attraktiv ist. Für einen erfolgreichen Betrieb bedarf es also wichtiger Voraussetzungen. Was die Bauvorbereitung, was die Realisierung und was konkrete Baumaßnahmen betrifft, sollten Anti-Claiming-Strategien, wie sie der Rechnungshof aufgestellt hat, umgesetzt werden.

Es bedarf auch einer verbindlichen Zusage, dass EU-Mittel hiefür tatsächlich fließen werden, und zwar über das Jahr 2013 hinaus. Die internationalen Verpflichtungen soll-


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te man möglichst konkret fassen beziehungsweise darauf achten, sich allenfalls zivil­rechtlich abzusichern. Da möchte ich ein ausdrückliches Lob der Frau Bundesministe­rin aussprechen, dass mit dem Memorandum of Understanding, das am 18. Mai 2009 abgeschlossen wurde, ein wesentlicher Schritt, ein Beitrag hiezu gesetzt wurde, es wird jedoch noch eine Fülle weiterer Maßnahmen erforderlich sein, um das Projekt Brenner-Basistunnel erfolgreich auf Schiene zu bringen.

Dass die Finanzierung noch sicherzustellen ist, zeigen beispielsweise die Ausführun­gen in diesem Memorandum of Understanding, in dem ausgeführt wird, dass die Euro­päische Union betont, auch in den folgenden Finanzperioden die nötigen finanziellen Mittel für Transeuropäische Netze zur Verfügung zu stellen, um den Brenner-Basistun­nel einschließlich der Zulaufstrecken in höchstmöglichem Ausmaß unterstützen zu kön­nen. – Zitatende.

In welcher Höhe diese Finanzierung tatsächlich erfolgen wird, das ist noch offen.

Für Deutschland, was die Zu- und Nachlaufstrecken betrifft – in dem Fall die Zulauf­strecken –, heißt es, dass der Ausbau des deutschen Brenner-Zulaufs entsprechend dem im Ergebnis der Untersuchungen ermittelten Ausbaubedarf im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel umzusetzen ist.

Es sind hier also noch Maßnahmen erforderlich, damit der Anteil, den Österreich zu tragen hat, minimiert wird und die Belastungen für das Budget eben nicht voll schla­gend werden. Es ist wichtig, und das zeigt das Projekt des Brenner-Basistunnels, dass Transparenz besteht, insbesondere im Hinblick auf die Mittelbereitstellung und die Mit­telverwendung, und dass diese Transparenz nicht beeinträchtigt wird. Das wird auch wichtig sein beim Bundesbahnstrukturgesetz, das ja zu novellieren sein wird.

Wichtig ist es in diesem Bereich auch, darauf hinzuweisen, dass mangelnde Trans­parenz nicht effizient ist und die Wirksamkeit von Maßnahmen nicht erhöht. Das zeigt gerade auch das Prüfungsergebnis betreffend die Immobilien GmbH, wo eine Fülle von Intransparenzen und nicht ordnungsgemäßem Handeln stattgefunden hat, was dazu geführt hat, dass der gesetzliche Faktor, nämlich eine Erlösmaximierung zu errei­chen, eben nicht erreicht worden ist. (Beifall beim BZÖ.)

Es wäre hier insbesondere notwendig, dass die Empfehlungen, die der Rechnungshof getätigt hat – es handelt sich ja um öffentliche Mittel –, zur Gänze umgesetzt werden.

Der letzte Punkt, der noch angesprochen wurde, und zwar von Herrn Abgeordnetem Königshofer, betraf die ASFINAG und wie es mit der Refinanzierung ausschaut: Hier darf ich, damit ich nicht zu lang bin in meinen Ausführungen, auf den Bericht zur ASFINAG hinweisen. Es wurde hier ein Basis-Szenario dargestellt, ein alternatives be­ziehungsweise ein adaptiertes Basis-Szenario. Man sollte also in diesem Bereich nach­lesen. Es ist auch ausgewiesen, dass die Verschuldung voraussichtlich auf 20 Milliar­den ansteigen wird, dass es aber Szenarien gibt, die eine Refinanzierung möglich ma­chen. Aber ich würde ersuchen, das entsprechend nachzulesen.

Es wurde mir von Herrn Abgeordnetem Gradauer eine Frage zur Verwaltungsreform gestellt. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Bundesregierung eben diese Ar­beitsgruppe eingerichtet hat und dass der Rechnungshof sehr gerne bereit ist – und das hat ja auch die Zustimmung des Parlaments –, entsprechend tätig zu werden und seinen Sachverstand einzubringen.

Ich darf nur erwähnen, dass in den letzten Jahren, seit der Rechnungshof ein Posi­tionspapier zur Verwaltungsreform I vorgelegt hat, 60 Prozent der Empfehlungen um­gesetzt wurden. Wenn Empfehlungen nicht umgesetzt wurden, hat es meistens daran gekrankt, dass Gebietskörperschaften zusammenwirken mussten, und Empfehlungen wurden auch nicht umgesetzt, wenn Systemumstellungen oder Kompetenzänderungen erforderlich waren.


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Es wird notwendig sein, wenn man Österreich und den Haushalt Österreich zukunftsfit machen will, dass eine Verwaltungsreform durchgeführt wird, die alle einbezieht und wo jeder mitwirkt, auch die Gemeinden mitwirken, wie der Herr Abgeordnete Gaßner bereits angesprochen hat. Gerade bei den Gemeinden soll man das nicht als Kontrolle sehen, sondern als Beratung. Wenn man sich die Probleme anschaut, die gerade die Gemeinden im Finanzierungsbereich gehabt haben, aber auch in anderen Bereichen, muss man feststellen, dass man in Zeiten wie diesen den Berater Rechnungshof mit heranziehen sollte.

Der Rechnungshof wäre gerne dazu bereit, und ich glaube, es wäre von Vorteil für die Gemeinden, für den Rechnungshof und insbesondere für den Steuerzahler, hier einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich, wenn ich einige von Ihnen morgen begrüßen darf. (Allgemeiner Beifall.)

21.23



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 218

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Faul zu Wort. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.23.32

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Frau Bundesministerin, herzlichen Dank für Ihre offene Rede zu einem europäi­schen Projekt, hinter dem Sie voll und ganz stehen. Ich glaube, das hebt sich doch ab von dieser Kleindenkerei und der kleinmütigen Betrachtungsweise von manchen hier (Zwischenrufe bei BZÖ und ÖVP), denn letztlich werden wir nicht herauskommen aus diesem europäischen Projekt, Herr Kollege Großruck. Wir werden nicht herauskom­men, wir werden mitmachen müssen!

Ich hoffe nur, dass diese Dimension des Brenner-Basistunnels nicht die Gefahr in sich birgt, wie es seinerzeit bei der „Ennsnahen Trasse“ der Fall gewesen ist: 25 Jahre kei­ne Bauzeit. Oder der Semmeringtunnel, der bis heute auch nicht realisiert ist und im­mense Kosten verursacht hat.

Und bei diesem Projekt ist es noch viel verwerflicher, Herr Präsident des Rechnungs­hofes. Daher glaube ich, dass man hier im Sinne dessen, was Sie sagen, vorgehen sollte, denn es ist finanziert, es hat eine politische Dimension.

Herr Kollege Stadler, Sie haben in vielem, was Sie gesagt haben, recht gehabt. Sie ha­ben nur eines vergessen, uns zu erzählen: Das, was Sie heute da gegenüber der Frau Bundesministerin ausgeführt haben, haben Sie mir schon in den Jahren 2006 und 2007 als Partner im Rechnungshof über den Gorbach erzählt. Und Sie haben erzählt, wie Ihre Kollegen ... (Heiterkeit und Zwischenrufe beim BZÖ.) – Sicher haben Sie mir das vorgelesen.

Herr Kollege Stadler, das waren ja dieselben Worte. Sie haben uns erzählt, wie der Gorbach wahlwerbend durch Österreich gefahren ist und jeder Gemeinde eine Lärm­schutzwand versprochen hat. So hat er sich die Stimmen gekauft. – Das waren Ihre Worte – Sie vergessen es nur, Herr Stadler! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Und eines, Frau Bundesministerin, in allerletzter Deutlichkeit (Abg. Mag. Stadler: „In allerletzter Deutlichkeit“?): Auch wenn tischhohe Kollegen mit noch kleinerem Horizont Sie da permanent grausigst angreifen: Machen Sie sich nichts draus!

Aber heute ist es an der Zeit, mich wirklich bei den Krokodilen zu entschuldigen. Ich glaube, das haben sie sich verdient – auch Krokodile haben ihren Stolz! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie demonstrativer Beifall bei Abgeordneten des BZÖ. – Abg. Grosz: Sie haben nur eine Pension, aber kein Krokodil!)

21.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schönpass zu Wort. 2 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte sehr.

 


21.25.53

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ho­hes Haus! Ich beziehe mich abschließend noch einmal kurz auf den Bericht des Rech­nungshofes betreffend die Immobiliengebarung der ÖBB.

Die Prüfung fand 2007 statt und bezog sich auf die Jahre 2005 und 2006. Würden wir den Bericht noch einmal rückverweisen, würden wir im Parlament über Berichte disku­tieren, die dann wahrscheinlich zehn Jahre zurückliegen.

Die Prüfer orteten viele Mängel bei der ÖBB-Immobiliengebarung. Der Rechnungshof empfahl kurz zusammengefasst mehr Transparenz, Sparsamkeit und umfangreichere Planung und Analyse.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Liste der Aufgaben war lang. Frau Bundesminis­terin Bures, ich danke dir, dass viele Empfehlungen auf deine Veranlassung in der Zwi­schenzeit bereits erledigt werden konnten.

Herr Präsident Moser, ich gratuliere Ihnen und Ihrem Team zum gelungenen Bau des Rechnungshofes und wünsche Ihnen und Ihren zirka 300 Mitarbeitern und Mitarbeite­rinnen zur morgigen Eröffnung viel Freude mit den neuen Räumlichkeiten und viel Er­folg bei Ihrer Arbeit! – Danke. (Beifall bei SPÖ und BZÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ein vor­gelesener Dank und eine vorgelesene Gratulation!)

21.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.27.36

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Rechnungshofpräsident! Frau Bun­desministerin! Dem letzten Dank kann man sich durchaus anschließen, aber ich füge noch hinzu, dass ja das Beachtenswerte vielleicht weniger die gelungene Sanierung im Haus ist – ich hoffe, sie ist gelungen; manche können sich ja morgen davon überzeu­gen –, sondern beeindruckend ist, dass trotz der nicht geringen Umsiedlungsaufwände und anderer Umstände die Arbeit eigentlich weitergegangen ist wie immer und wie bis­her. Wir haben ja schon des Öfteren bemerken dürfen, dass das durchaus eine gute Arbeit ist, aber dass sie auch unter diesen Umständen eine gute geblieben ist, das fin­de ich mindestens genauso beachtenswert.

Jetzt aber zu etwas ganz anderem und durchaus Ernsterem, als die Vorredner hier wieder vorgeführt haben. Ich will mich nur auf ein einziges Kapitel in diesem Bericht beziehen: Es geht um die Immobilien bei den ÖBB, um die Gesellschaft, um die Immo­bilienwirtschaft, man möchte fast sagen, um die Immobilien- – Klammer auf: Tiername, Klammer zu – Wirtschaft. Das tun wir nicht, aber es ist wirklich zumindest eine Miss­wirtschaft gewesen, und das haben Sie ja ganz gut herausgearbeitet.

Dann waren noch andere Aspekte im Spiel. Und wir haben das im Rechnungshofaus­schuss diskutiert zu einer Zeit, in der die so genannten Managerinnen- und Manager­gehälter eine besondere Rolle gespielt haben. Hier hat die weibliche Form durchaus ih­re Berechtigung, weil nämlich die Managerin in dieser Immobiliengesellschaft, Frau Steinacker, wie wir festgestellt haben, ein Honorar zustandegebracht hat, das phasen­weise zumindest höher war als das von Herrn Huber, der ja auch nicht so wenig „er­wischt“ hat, wie wir Medienberichten entnehmen durften.

Das alleine muss ja auch noch nicht schlimm sein, wenn die Leistung passen würde. Die Leistung hat aber nicht gepasst! Und in einem öffentlichen Unternehmen ist es na-


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türlich so, dass das irgendwer anschaut. Dazu sind Sie vom Rechnungshof da, dazu sind wir hier und heute da. Sich mit diesen Dingen zu beschäftigen, dazu war aber zwi­schenzeitig und eigentlich viel länger der Rechnungshofausschuss aufgerufen. Und glauben Sie mir: Wenn das dort – und ich wende mich da vor allem an die ÖVP, die hier eine besondere Tradition des Zudeckens und Niederdrückens hat (He-Rufe bei der ÖVP); aber mittlerweile ist ja auch die SPÖ wieder gefährdet – geschehen wäre, dann müssten wir hier nicht so lange reden.

Ich hätte mich heute vielleicht gar nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht folgender Vor­gang zu beschreiben wäre, den ich Ihnen jetzt erläutern werde und der hier ins Proto­koll kommen soll, damit das auch in den Annalen des Nationalrates gut verankert ist. (Zwischenrufe des Abg. Grillitsch.) Ich werde alles richtig wiedergeben, machen Sie sich keine Sorgen! Fällen Sie Ihr Urteil nachher und keppeln Sie nicht immer schon vorher, noch dazu bei der Inkompetenz, die Sie auf diesem Gebiet aufweisen, Herr Kollege. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Herr Kollege hier ist mit Sicherheit keine Größe der Aufdeckbranche! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Ich glaube, gerade die Landwirtschaft hat in letzter Zeit bewiesen, dass sie mit dem Zudecken lange sehr gut ausgekommen ist und bis zum Schluss gegen die Veröffentlichung der Agrarsubventionen gekämpft hat. Das ist Ihre Kernkompetenz: verschweigen, zudecken, niederdrücken! Da haben Sie es weit ge­bracht – immerhin sitzen Sie jetzt schon in der ersten Reihe, sonst könnten Sie jetzt gar nicht so dazwischenkeppeln! (Beifall bei den Grünen.)

In dieser Zeit, im Winter, bei diesen Ausschüssen war es so, dass die Frau Stein­acker – sehr ÖVP-affin, wie wir wissen – geladen war. Wir haben die Dinge mit ihr sehr korrekt abgewickelt. Sie war sehr in Sorge, dass es dort ziemlich hart zugehen könnte, und wir haben das sogar vorbesprochen. Das mache ich sehr selten! Sie hat mir nach­her sogar ein SMS geschrieben und für die faire Verhandlungsführung gedankt.

Aber es geht ja überhaupt nicht um Frau Steinacker, wenn es um ihr Gehalt geht, oder nicht nur um sie allein. Es ist ja jemand verantwortlich, der mit ihr auf der anderen Seite dieses Gehalt ausverhandelt. Vielleicht ist es ja ein besonderer Kompetenzausweis der Frau Steinacker, wenn sie gute Verträge für sich ausverhandelt. Das ist ja an sich kei­ne Schande. Aber wer unterzeichnet denn letztlich für den Staat, für den Steuerzahler diese Verträge? Da gibt es ja wen! Und in dieser komplizierten ÖBB-Konstruktion, die es damals gegeben hat, die ja jetzt saniert werden soll, hat es Verantwortliche gege­ben. Es war aber nicht einmal die Muttergesellschaft, die hier zuständig wäre, es war sozusagen die Großmuttergesellschaft, weil die Mutter selber erst in Betrieb genom­men wurde. Und das war niemand Geringerer als Herr Reithofer, der ja Chef der Hol­ding war. Er hat auch – das konnte alles nachgewiesen werden – diesen Vertrag mit Frau Steinacker ausverhandelt.

Und damals – und im Übrigen ist das bis heute ein wichtiges Thema – hat man gesagt: Wer ist denn dafür zuständig? Wie kann denn das passieren? Und Abgeordneter Kräu­ter hat ja im Rechnungshofausschuss, als er dort noch gewirkt hat, auch immer diese Linie vertreten, völlig zu Recht. Es kann ja nicht so sein, dass wir immer nur die einla­den, die Nutznießer dieser Verträge sind, sondern wir müssen doch in erster Linie jene befragen und zur Verantwortung ziehen, zumindest auf diesem Weg, bescheiden aber doch, die das zum Schaden der Steuerzahler verantworten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grillitsch: Redezeit! Ihre Zeit ist schon vorbei!)

Also haben wir uns – Herr Kollege Stummvoll nickt völlig zu Recht, denn seine Fraktion hat diesen Standpunkt auch vertreten – über die Fraktionen hinweg ausgemacht, dass auch Herr Reithofer als Auskunftsperson zur Verfügung stehen soll. Das ist dann aus bestimmten Gründen zum ersten Termin nicht gelungen – wir wissen ja, dass die Leute


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oft nicht Zeit haben, wenn es um so etwas geht –, und das Versprechen, einen zweiten Termin zu machen, zu dem Herr Reithofer geladen hätte werden sollen, haben Sie nicht mehr gehalten. – Auch das waren wir manchmal schon gewohnt, das ist schlimm genug, wenn dann genau das nicht passieren soll. Allein das würde schon die Be­schreibung rechtfertigen.

Es ist aber nachher noch etwas gekommen, was eigentlich nie vorkommt, und ich ma­che das jetzt doch schon einige Zeit als Vorsitzender: An sich bemühen wir uns auch dort, die meisten Dinge über fünf Fraktionen zu vereinbaren, selbst im Konfliktfall. In diesem Fall war es aber so, dass ohne erkennbare und brauchbare Vorankündigung die Regierungsfraktion ÖVP – leider aber dann auch die SPÖ – nicht nur den Herrn Reithofer nicht geladen hat, sondern Sie haben nicht einmal darauf gewartet, dass wir einen Antrag stellen, damit Sie ihn ablehnen könnten – was ein korrekter Vorgang wä­re, zumindest formal, wenn Sie schon Ihr materielles Versprechen brechen.

Es ist nicht einmal dazu gekommen, weil nämlich aus heiterem Himmel ein Antrag auf Kenntnisnahme gestellt wurde. Und ich habe mein Amt als Vorsitzender ausgeübt und habe das dann auch abstimmen lassen, weil ich das ja nach der Geschäftsordnung letztendlich muss; das gehört sich so. Aber was zwischen den Fraktionen passiert ist, war überhaupt nicht in Ordnung!

Also, die Kette ist jetzt völlig klar: Reithofer wird gedeckt und geschützt, obwohl Sie sel­ber das ursprünglich anders gesehen hatten. Und dann kommt es dazu, dass die Op­positionsfraktionen in diesem Punkt auf eine wirklich ganz hinterhältige Art und Weise ausgebootet werden, wie wir das sonst nicht kennen! (Abg. Hornek: Das ist unrichtig!) Und das fügt sich in ein Bild: Im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses – da werden wir noch viel Freude haben hier herinnen! – zum Untersuchungsgegenstand AUA, kein kleiner, ist es Ihnen völlig wurscht gewesen, welche Auskunftspersonen kommen. Es waren ein paar dabei, auf die hat man sich verständigt, und vor allem die BZÖ-Fraktion, die den Antrag ja eingebracht hat – das ist ja ein Minderheitsrecht –, hat eine noch längere Liste gehabt. Die anderen Oppositionsparteien haben das abgewo­gen und im Wesentlichen unterstützt, ein Konsens also, und da kann man nicht sagen, nur eine Partei – und das ist schon einmal abgelehnt worden. So weit, so gut.

Es hat sich aber dann im Zuge der Verhandlungen und Befragungen von Auskunftsper­sonen herausgestellt, dass zwingend auch andere Auskunftspersonen hätten gehört werden müssen, was aber mit einer Penetranz verweigert wird, die ihresgleichen sucht, einfach aufgrund der blanken einfachen Mehrheit, die Sie haben! Mit einfacher Mehr­heit verhindern und behindern Sie hier Untersuchungen! Da brauchen Sie (in Richtung ÖVP) nicht zu deuten, das verstehen normalerweise sogar Sie! Nie wird die Regierung sich selber im gleichen Ausmaß untersuchen und auch nicht die zugehörigen Fraktio­nen, die Sie ohnehin nur – das beweisen Sie ja wieder eindrucksvoll! – als verlängerten Arm der Regierung begreifen und wo Sie nicht Ihrem Gewissen als Abgeordnete fol­gen. Immer wird es so sein, dass die Regierungsabgeordneten – das ist ja ganz nor­mal – eher einen Hang dazu haben, die Regierung zu schützen.

Es wäre gut, wenn man mehr auf die Anträge der Opposition einginge. Sie haben das signalisiert, aber nicht gemacht! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und es ist völlig klar ge­wesen, dass Minister Molterer zum Beispiel, ich greife einen heraus, mit der AUA-Sa­che tangiert war. Natürlich war es so, dass längst schon durchgesickert ist, dass be­stimmte Gutachten in der AUA darauf hingewiesen haben, dass wir früher eine andere Strategie hätten fahren müssen – aber wir stellen ja immer die „bösen“ Manager an den Pranger!

Mir war ja schon klar, was die Aussage sein wird. Herr Michaelis hat sehr wohl ge­sagt – das ist jetzt auch im Protokoll des Unterausschusses nachzulesen, und ich sage


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es hier, damit es öffentlich wird, denn wenn es nach Ihnen ginge, dürften die Protokolle ja nicht einmal veröffentlicht werden –, hat klipp und klar gesagt: Jawohl, die politi­schen Instanzen sind informiert worden darüber, dass wir eigentlich viel früher von die­sem Stand-alone-Quatsch hätten abgehen müssen.

Da geht es um die Verantwortung für Hunderte Millionen, das wissen Sie ganz genau! Sie haben im Finanzausschuss unsere rasche Zustimmung haben wollen zur Subven­tion, die kommt, zu den Geschichten, die notwendig sind, damit die Lufthansa über­haupt anbeißt. Wir waren eine Zeitlang dort sehr kooperativ, bis wir gemerkt haben, dass wir beim gleichen Thema in dem Ausschuss, wo die Opposition naturgemäß die bessere Kompetenz hat beim Aufklären von Umständen, nur überfahren werden! Billig ist das mit dieser Mehrheit, billig ist das! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordne­ten von FPÖ und BZÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Bevor Sie sich jetzt zu sehr aufregen, warten Sie noch auf den Schluss – ich sage das ja nicht umsonst. Wir haben vom Winter bis zum Frühjahr erleben dürfen, dass der Herr Vizekanzler und Finanzminister sich hingestellt und der halben Welt verklickert hat: Unser Bankgeheimnis ist das Wichtigste, und das hält, und da gibt es nichts, und weiß der Teufel was, wohl wissend, dass das so nicht haltbar sein wird! Bis zum 7. Ju­ni, bis zur EU-Wahl, ist gewartet worden, hat man aus taktischen Gründen das Ding „unter der Kiste“ gelassen. Und jetzt kommt es heraus, und wie kommt es heraus! Sie wissen, dass Sie für dieses Ding eine Zweidrittelmehrheit brauchen.

Jetzt auf einmal – jetzt auf einmal! – kann man gar nicht freundlich genug der Opposi­tion gegenüber sein! Jetzt auf einmal kann man sein Handy nicht mehr einschalten, weil man dauernd Regierungsvertreter dran hat! Jetzt auf einmal wollen Sie alles von uns – aber so geht das nicht, das sage ich Ihnen! (Abg. Kopf: Ist das eine Frage von Freundlichkeit oder von Sachlichkeit?)

Ich sage deshalb „Freundlichkeit“, weil Sie plötzlich so freundlich reden! Das ist ja das Irritierende. (Abg. Kopf: Geht es um die Sache?) Es geht auch um die Sache, da ha­ben Sie völlig recht, aber die politische Sache ist – und niemand hat das besser vor­exerziert als Sie! –, dass man sich nicht in einem Fall immer nur so verhalten kann den anderen gegenüber und im anderen Fall ohne irgendwas, ohne ein Einsehen, etwas verlangen will.

Ich sage Ihnen: Sie werden sich in den Finger schneiden auf diese Art und Weise! Und wenn wir jetzt nicht bei der Stärkung der Minderheitsrechte in diesem Haus vorwärts­kommen, wenn wir nicht bei der Stärkung der Rechnungshof-Rechte vorwärtskommen, dann werden wir, die Oppositionsparteien gemeinsam, uns sehr wohl überlegen, wo wir unsere Mehrheit hergeben oder nicht. Das geht bis zur Geschäftsordnung! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

Sie haben völlig recht, das ist keine Frage der Freundlichkeit, das ist eine Frage der politischen Vernunft. Es ist eine Frage der politischen Vernunft! Die Freundlichkeit ist eine Kategorie, die Sie hier aufgebracht haben, weil ich hier von Unfreundlichkeit ge­sprochen habe. Das stimmt. Aber unvernünftig und unfreundlich sein – da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Sie nicht weit kommen! Also vergessen wir die Freundlichkeit – aber vernünftig könnten Sie wohl werden. Das ist politische Vorausset­zung! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

21.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Frau Ab­geordnete Mag. Lapp. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. Restredezeit der Fraktion: 5 Minuten. – Bitte.

 



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21.40.11

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident des Rech­nungshofes! Hohes Haus! Ich möchte hier auf die Vorfälle, die Kollege Kogler ange­führt hat, eingehen.

In der Sitzung des Rechnungshofausschusses, die wir zur Behandlung dieses Berichts III-18 der Beilagen hatten, sind die Oppositionsfraktionen nicht ausgebootet worden, im Gegenteil: Es ist so, dass sie in der Sitzung mit einer Ladung von Herrn Reithofer ge­kommen sind. – Es ist so, dass sich die Zusammenarbeit im Rechnungshofausschuss aufgrund der manchmal nicht sehr hohen Zuverlässigkeit der Grünen nicht sehr gut und zuverlässig gestaltet. (Abg. Dr. Moser: Was meinen Sie? Das möchte ich aber jetzt schon konkret wissen!)

Deswegen möchte ich das zurückweisen, was Sie uns hier unterstellen, dass wir die Oppositionsfraktionen ausgebootet haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

21.40

21.40.30

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Zanger, Kolleginnen und Kollegen, den Gegenstand an den Rechnungshofausschuss rückzu­verweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-18 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

21.41.517. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (GZ 093 Hv 23/09x) um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger (231 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nunmehr zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 231 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ... um Zu­stimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen den vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlungen und der politischen Tätig-


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keit des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger besteht; daher wird einer behördli­chen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

21.43.278. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (GZ 1 St 359/07k-31) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer (232 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Köfer. Eingestellte Redezeit: 2 Minu­ten. – Bitte.

 


21.43.54

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde heute vom Parlament meiner Immunität enthoben und dem Gericht ausgeliefert. Diese Auslieferung ist völlig in Ordnung, obwohl ich keine Körperverletzung begangen, niemanden betrogen oder beleidigt habe. Trotzdem versteht es niemand, warum ich mich vor Gericht verantworten muss, stellvertretend für weitere 30 sehr mutige, verant­wortungsvolle Mandatare, die einstimmig, über alle Parteigrenzen hinweg – bei den Grünen, beim BZÖ, der ÖVP und der SPÖ –, Pensionisten, Hausfrauen oder Beamte und auch Unternehmer, mit bis zu fünf Jahren Haft in ihrer Existenz bedroht werden.

Was haben wir also so Schreckliches getan? – Es wird mir und 30 weiteren Mitgliedern das Verbrechen eines Amtsmissbrauchs zur Last gelegt. Unser „Verbrechen“ bestand darin, dass wir einem österreichischen Mobilfunkkonzern für die Errichtung seines Sen­demasts im dicht verbauten Wohngebiet, wo eine besonders hohe Anzahl von jünge­ren Menschen, Kindern, aber auch älteren Menschen und bereits an Krebs erkrankten Menschen lebt, noch keinen positiven Bescheid erlassen haben.

Unser „Verbrechen“ besteht darin, dass wir kritische Umweltexperten und deren Stu­dien über mögliche Krebserkrankungen im Umkreis von Sendemasten sowie die Be­denken der betroffenen Bevölkerung ernst genommen haben. Wir haben Bedenken und Ängste der betroffenen Menschen vor das wirtschaftliche Interesse dieses Mobil­funkkonzerns gestellt. Wir haben diesem Konzern allerdings auch drei Alternativstand­orte angeboten.

Und wir bekommen inhaltlich täglich immer mehr recht. Erst heute in der Früh hat es eine positive Meldung aus der Europäischen Union gegeben: Belgien hat seine Grenz­werte deutlich gesenkt. Belgien, Luxemburg und auch Italien haben bis zu 14 Mal nied­rigere Grenzwerte für die Strahlenbelastung durch Handymasten als Österreich.

Trotzdem haben wir in Kärnten schon vieles erreicht: Wir haben eine kostenlose Über­prüfung als Pilotprojekt unserer eigenen aktiven ... (Abg. Kopf: Wen interessiert das in diesem Zusammenhang?) Das Hohe Haus! (Abg. Kopf: Was machen Sie überhaupt da vorne?)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich lade Sie ein, auch über die Parteigrenzen hinweg, auch Sie, Herr Kopf, sich für ein Herabsetzen der Grenzwerte und für ein ver­stärktes Mitspracherecht der Gemeinden einzusetzen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und Grü­nen sowie des Abg. Grosz.)

21.46



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 224

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.46.26

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde jetzt nicht zu den inhaltlichen Vorwürfen Stellung beziehen, die dem Kollegen Köfer ge­macht werden, denn wir halten uns doch wirklich daran, dass wir gesagt haben, das soll das Gericht klären. Oder ist das jetzt neu?

Neu ist für mich, Herr Kollege Cap – und ich weiß nicht: geht man hier von Usancen ab? –, dass man von der Usance, dass ein Abgeordneter, der Betroffener ist, im Ausschuss nicht in seiner eigenen Sache mitstimmt, abgegangen ist. (Beifall des Abg. Scheibner.)

Ich habe gestern nicht schlecht gestaunt, als ich das Ausschusslokal betrat und den Kollegen Köfer drinnen sitzen sah. Gut, habe ich mir gedacht, vielleicht will er unbe­dingt beim Herrn Kollegen Öllinger dabei sein, wenn man den politischen Zusammen­hang beschließt und ihn nicht ausliefert. Kann sein. Ich dachte, jetzt warte ich ab, bis der Tagesordnungspunkt 2 aufgerufen wird. – Kollege Köfer ist nicht hinausgegangen.

Natürlich ist das nach der Geschäftsordnung zulässig, aber die Usance, dass man in eigener Sache nicht mit entscheidet, haben wir bisher immer eingehalten – alle, auch der Präsident. Auch der Präsident ist nicht hinausgegangen in einer hoch kontroversiel­len Debatte, um in eigener Sache hier sozusagen seinen Fall zu zelebrieren, so als ob wir das Gericht wären und über diesen Fall dann mit zu entscheiden hätten. Und diese Usance, Herr Kollege Cap, sollte man auch bei den Sozialdemokraten einhalten.

Ich will die lauteren Motive jetzt nicht untersuchen – das ist Sache des Richters, ob der Kollege Köfer lautere Motive hatte oder nicht –, ich möchte nur sagen, dass es sich nicht gehört, in eigener Sache, in ureigenster Strafsache selbst mit zu entscheiden. Das ist eine Frage des politischen Anstandes. Das tut man nicht. Das ist immer so ge­handhabt worden, ist durchgängig ... (Abg. Dr. Matznetter: Er wollte doch seine Auslie­ferung!) Darum geht es doch gar nicht! (Abg. Dr. Jarolim: Er hat doch die Auslieferung mit beschlossen!) Darum geht es doch gar nicht! Nein, er hat gar nichts mit beschlos­sen! Er hat sich im Ausschuss auf den falschen Standpunkt gestellt, er hätte sich der Stimme enthalten, und wusste nicht einmal, dass das nach der Geschäftsordnung gar nicht geht – wenn Sie es genau wissen wollen! (Abg. Dr. Jarolim: Absurd!)

Natürlich ist das absurd! Das wissen wir alle, dass das absurd ist. Aber vielleicht kön­nen Sie das Ihrem Kollegen Köfer einmal erklären, dass das absurd ist, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Der Herr Ausschussvorsitzende war bass erstaunt, als er die Einstimmigkeit der Ent­scheidung enunziert hat und daraufhin Herr Kollege Köfer gesagt hat: Ich habe mich enthalten! – Er wusste gar nicht, dass es gar nicht möglich ist, sich zu enthalten. Er hat auch nicht dagegen gestimmt. Er hat gar nicht mitgestimmt.

Schauen Sie, was ich Ihnen sagen will, ist, dass so ein Pallawatsch peinlich ist. Es ist aber nicht der Peinlichkeit Höhepunkt gewesen, es gibt ärgere Dinge, aber die Usance, dass man nicht in eigener Sache mit entscheidet, sollte beibehalten werden. Das ist mein Appell an den Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion. – Ich bin über­zeugt, dass es bei dir auf fruchtbaren Boden fällt. Bei deinem Vorgänger war es jeden­falls so. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Amon.)

21.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 225

21.49.31

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Einerseits hat Kollege Stadler recht, dass die Usance, dass Betroffene in Immunitätsfällen nicht an den Abstimmun­gen teilnehmen sollten, eingehalten werden sollte. Das glaube ich auch. Zweitens ist es noch dazu ein bisschen merkwürdig, dass gestern keine Wortmeldung im Aus­schuss erfolgt ist, sehr wohl aber jetzt hier im Plenum.

Aber worauf ich Sie aufmerksam machen wollte, Herr Kollege Köfer: Natürlich ist es so, dass wir inhaltlich auch einmal etwas verwundert geschaut haben, als wir diesen An­trag auf Auslieferung bekommen haben, nämlich wegen der Nichtgenehmigung eines Handymasts. Nur: Was ist denn der Hintergrund dieses Vorgehens? – Dass offenbar die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des Amtsmissbrauchs, der hier erhoben wurde, so weit als überprüfenswert erachtet, dass offenbar die gesetzlichen Bestimmungen so sind, dass für Bürgermeister die Möglichkeit, aus Strahlenschutzgründen diese Verord­nung oder diese Zustimmung nicht zu erlassen, aus Sicht der Staatsanwaltschaft als gegeben angenommen wird.

Also wenn Sie hier eine Debatte über die Frage, was hier nicht zulässig ist, führen wol­len, dann müssen wir über die gesetzlichen Bestimmungen reden. Für eine Regie­rungspartei vielleicht ein Ansatzpunkt, einerseits einmal über die Strahlenschutzwerte und darüber, wie diese verändert werden sollten, zu reden; und die Bauordnungsfrage ist die andere Frage, die da noch aufkommt.

Also sich hier jetzt nur herzustellen und zu sagen – richtigerweise, aus unserer Sicht –: Das ist ziemlich heftig, wie da vorgegangen wird!, das ist zu wenig. Sie müssen die po­litische Konsequenz ziehen (Abg. Dr. Pirklhuber: Gesetzesänderung!) und sagen: Wenn hier massive Bedenken hinsichtlich Strahlenschutz vorliegen, dann müssen die gesetzlichen Bestimmungen so verändert werden, dass hier nicht der Vorwurf des Amtsmissbrauchs erhoben werden kann. Und da sind Sie gefordert als Abgeordneter, der offenbar hier eine sehr hehre und aus unserer Sicht richtige Position vertritt. (Beifall bei den Grünen.)

21.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debat­te ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 232 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ... um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der in­kriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Gerhard Köfer besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist so einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.52.16Einlauf

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 671/A bis 696/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2459/J bis 2493/J eingelangt.

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 226

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 21.53 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.52.52Schluss der Sitzung: 21.52 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien