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754. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Freitag, 28. März 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

754. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 28. März 2008

Dauer der Sitzung

Freitag, 28. März 2008: 9.04 – 16.15 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversi­cherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinischer Masseur- und Heil­masseurgesetz, das MTD-Gesetz, das Bundesgesetz über die Regelung des medizi­nisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbe­treuungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 – GesBRÄG 2007)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Arzneiwareneinfuhr­gesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Zahnärztegesetz geändert werden

5. Punkt: Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialisti­schen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammen­hang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Batterien)

7. Punkt: Änderung des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informa­tionen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eid­genossenschaft über die Nutzbarmachung des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet

9. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2006 der Bundesregierung

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird


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11. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgas­pipelineprojekts „Nabucco“

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Inflationsfolgen bei den Wohn­kosten das Richtwertgesetz geändert wird (Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz – MILG)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums über ein Protokoll betreffend Maß­nahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................................................... 32

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organi­sation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 34

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Sechsten Zusatzver­trag zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen durch den Herrn Bundespräsi­denten ........... 36

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI so­wie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 durch den Herrn Bun­despräsidenten ............................................................................................................... 37

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan über die Förde­rung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten .............................. 39

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen


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der Republik Österreich und der Republik EI Salvador über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................... 41

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Bahrain über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................... 42

Schreiben des Vizekanzlers Mag. Wilhelm Molterer gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluss eines Abkommens zur befristeten Weiteranwendung des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland am 4. Oktober 1954 abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern .............................................................................. 44

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 89

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Fragestunde (133.)

Unterricht, Kunst und Kultur ...................................................................................... 11

Erwin Preiner (1608/M-BR/08); MMag. Barbara Eibinger, Franz Breiner, Peter Mitterer

Karl Bader (1603/M-BR/08); Elisabeth Kerschbaum

Franz Breiner (1607/M-BR/08); Mag. Susanne Neuwirth, Mag. Harald Himmer

Helmut Wiesenegg (1609/M-BR/08); Christine Fröhlich, Eva Konrad

Josef Saller (1604/M-BR/08); Elisabeth Grimling, Franz Breiner

Monika Mühlwerth (1606/M-BR/08); Elisabeth Kerschbaum, Mag. Gerald Klug, Martina Diesner-Wais

Waltraut Hladny (1610/M-BR/08); Dr. Franz Eduard Kühnel, Franz Breiner

Dr. Andreas Schnider (1605/M-BR/08); Mag. Susanne Neuwirth, Eva Konrad, Ing. Siegfried Kampl

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 46

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  34, 144

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur


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Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialver­sicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird (414 d.B. und 459 d.B. sowie 7896/BR d.B.) ................................................................. 51

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 52

Redner/Rednerinnen:

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 52

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ..... 53

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 54

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 55

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ...................................................................... ..... 57

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 59

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­mengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinischer Masseur- und Heil­masseurgesetz, das MTD-Gesetz, das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Sani­tätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Ärztege­setz 1998, das Hausbetreuungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bun­despflegegeldgesetz geändert werden (Gesundheitsberufe-Rechtsänderungs­gesetz 2007 – GesBRÄG 2007) (435 und Zu 435 d.B. und 481 d.B. sowie 7901/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 59

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 59

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Arzneiwareneinfuhrgesetz geändert werden (482 d.B. sowie 7902/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 59

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 59

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 60

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 62

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 63

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 64

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ................................................................ ..... 67

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 71

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Zahnärztegesetz geändert werden (433 d.B. und 478 d.B. sowie 7903/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 71

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 71


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ..... 72

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 72

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 73

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend das Pro­tokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialisti­schen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusam­menhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz (416 d.B. und 473 d.B. sowie 7906/BR d.B.) ....... 73

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ............................................................................ 73

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  74, 82

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 76

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 80

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ...................................................................... ..... 81

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 83

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 86

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-No­velle Batterien) (327 d.B. und 471 d.B. sowie 7907/BR d.B.) ................................................................................................................. 86

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ............................................................................ 86

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 87

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 89

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 90

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 91

Erwin Preiner .......................................................................................................... ..... 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 94

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend eine Än­derung des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerich­ten in Umweltangelegenheiten (444 d.B. und 476 d.B. sowie 7908/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 94

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 94

Rednerin:

Eva Konrad ................................................................................................................... 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 96


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8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenos­senschaft über die Nutzbarmachung des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet (447 d.B. und 470 d.B. sowie 7899/BR d.B.) ......................... 96

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 96

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 97

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 99

Jürgen Weiss ........................................................................................................... ... 102

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen ............................................................... 105

9. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2006 der Bundesregierung (III-328-BR/2007 d.B. sowie 7900/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 105

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 105

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 105

Hans Ager ................................................................................................................ ... 111

Eva Konrad ........................................................................................................  112, 129

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ... 116

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ... 118

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 121

Helmut Kritzinger ................................................................................................... ... 122

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ... 123

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-328-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 130

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (436 d.B. und 453 d.B. sowie 7895/BR d.B. und 7904/BR d.B.) ............................................................................................................... 130

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 130

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz betreffend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelinepro­jekts „Nabucco“ (437 d.B. und 454 d.B. sowie 7905/BR d.B.) ............................................................................................................... 130

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 130

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 131

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 134

Staatssekretärin Christine Marek ......................................................................... ... 135

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ... 136

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 7

Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 138

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem zur Linderung der Inflationsfolgen bei den Wohnkosten
das Richtwertgesetz geändert wird (Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz – MILG) (622/A und 480 d.B. sowie 7897/BR d.B.) .................................................................................................... 138

Berichterstatter: Ernst Winter ..................................................................................... 138

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 139

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ... 140

Eva Konrad .............................................................................................................. ... 141

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 143

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird (432 d.B. und 469 d.B. sowie 7898/BR d.B.)                     143

Berichterstatter: Ernst Winter ..................................................................................... 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 144

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Umgehung des UVP-Gesetzes für Auto­bahnanschlussstellen unter dem Deckmantel einer „vorübergehenden Ausweichverbin­dung“ bzw. „Baustraße“ (2597/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2598/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Aus­wirkungen auf Österreich (2599/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2600/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Atomhaftpflicht: gelten-
de int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich
(2601/J-BR/08)


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Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Atomhaftpflicht: geltende int. Regelungen, Haftpflichtfall mit negativen Auswirkungen auf Österreich (2602/J-BR/08)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Finanzdebakel der Bun­desforste in der Russischen Föderation (2603/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Monitoring Report der E-Control Versorgungssicherheit Strom – Neue Projekte (2604/J-BR/08)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend RECS-Zertifikatehandel in Österreich (2605/J-BR/08)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend unzumutbare Erschwerung des Dienstbetriebes für Polizeibeamte durch Limitierung der Jahreskilometer der Dienstfahrzeuge (2606/J-BR/08)

Helmut Kritzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vermögensaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern (2607/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Senkung der Zuverdienstgrenze für Asyl­werber (2608/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Wartezeiten bei der Ausstellung von Behindertenpässen (2609/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Unterstützung des Freiwilligen Sozialen Jahres (2610/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Neuregelung der Umrüstung der bisherigen Post-Hausbrieffachanlagen (2611/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Umsetzung der EU-Dienst­leistungsrichtlinie (2612/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verbesserungen bei der Unterhaltssicherung für Kinder (2613/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend diskriminierende Handhabung des EU-Freizügigkeitsabkommens durch die Schweiz (2614/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft be­treffend Weiterbau beim slowakischen Atomkraftwerk Mochovce (2615/J-BR/08)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Förderung des Stra­ßentheater-Festivals Impuls (2616/J-BR/08)


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Günther Kaltenbacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausgliederungspläne der Wildbach- und Lawinenverbauung (2617/J-BR/08)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“ (2391/AB-BR/08 zu 2591/J-BR/08)


09.03.45


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Helmut Kritzinger: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 754. Sitzung des Bundesrates und begrüße in unserer Mitte recht herzlich Frau Ministerin Dr. Claudia Schmied. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 753. Sitzung des Bundesrates vom 14. Februar 2008 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Michaela Gansterer, Dr. Erich Gumplmaier, Gottfried Kneifel, Sissy Roth-Halvax, Stefan Schennach und Wolfgang Sodl.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Helmut Kritzinger: Ich gebe bekannt, dass der Ministerratsdienst des Bun­deskanzleramtes jeweils die Mitteilung gemacht hat, dass sich der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger innerhalb des Zeitraumes von 27. bis 30. März 2008 in Paris und die Bundesministerin für europäische und internatio­nale Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik am 28. und 29. März 2008 in Slowenien aufhalten werden.

09.05.19Fragestunde

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Bevor ich jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1608/M, an die Bun­desministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erwin Preiner, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1608/M-BR/2008

„Wie wird die gesetzliche Verankerung der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf den Richtwert 25 umgesetzt?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Lieber Herr Abgeordneter! Ein großes politisches Ziel meinerseits ist es, die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl als das wichtige Regierungsprojekt jetzt auf gesetzlicher Basis zu verankern.

Wir haben ja im letzten Jahr im Wege der Bedarfszuweisung und der Direktkorrespon­denz mit den einzelnen Bundesländern diese Maßnahme mit Beginn des Schuljah­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 11

res 2007/2008 sehr rasch eingeleitet. Ich halte es aber für notwendig – und das ist ja auch im Regierungsprogramm entsprechend vereinbart –, diese Maßnahme jetzt auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.

Die konkrete Antwort lautet: Die Umsetzung soll durch eine Novelle des SchOG erfol­gen. Mein Ressort hat vor zirka vierzehn Tagen die entsprechenden Überarbeitungen, die Grundlagen in Begutachtung geschickt. Ich erwarte jetzt die Stellungnahmen. Es ist auch im Fahrplan und Arbeitsplan der Regierung so vorgesehen, die Terminplanungen von Regierungsvorlage und Befassung des Hohen Hauses so zu gestalten, dass wir jedenfalls noch vor dem Sommer die gesetzliche Regelung haben.

Ich halte das, wie gesagt, für ganz, ganz wichtig. Senkung der Klassenschülerhöchst­zahl heißt mehr Zuwendung für die Kinder, heißt mehr Aufmerksamkeit im Unterricht, ist ja auch verbunden mit Kleingruppenunterricht und daher ein Herzstück auch meiner bildungspolitischen Arbeit.

Vielleicht ein paar Sätze noch dazu, wie die Umsetzung konkret aussehen soll, welche Kernpunkte im Begutachtungsentwurf fixiert sind.

Erster Punkt, zum Bereich der Pflichtschulen, also der Volksschulen, der Hauptschulen und der Polytechnischen Schulen: Da ist es ganz, ganz wichtig, dass wir die Klassen­schülerzahl von 25 als Höchstgrenze anstreben. Wir konnten diese Maßnahme schon im Schuljahr 2007/2008 sehr gut im Pflichtschulbereich umsetzen. Natürlich – das sage ich auch dazu – ist uns die demographische Entwicklung auch entgegengekommen. Dennoch ist das eine wichtige Maßnahme.

Wir haben – vielleicht gleich vorweg – im Begutachtungsentwurf den Begriff „Richtwert“ eingeführt, also „Richtwert“ 25. Wir streben natürlich 25 als Höchstzahl an, 25 wird auch die Basis für die Ressourcenzuteilung sein. Wir wollen aber auch in Abstimmung mit den Landesschulratspräsidenten „Richtwert“ verankern, damit es nicht bei der Zu­teilung – wenn der 26. Schüler teilt – dann da oder dort, je nach Schulstandort zu logis­tischen Einteilungen kommt, die dann nicht unbedingt der Effizienz und Effektivität ent­sprechen. Die Ressourcenzuteilung wird sich aber an der Zahl 25 orientieren.

Der zweite wichtige Bereich umfasst die allgemeinbildenden höheren Schulen. Da ha­ben wir die Zahl 25 mit der Überschreitungsermächtigung von 20 Prozent verankert. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil es mitunter bei baulichen Engpässen doch zu­stande kommen könnte, dass wir Kinder abweisen müssten. Das heißt, hier haben wir die Toleranzgrenze der Überschreitungsermächtigung von 20 Prozent weiterhin festge­halten.

Entscheidend ist für mich – gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung und der Notwendigkeit der Förderung des Fremdsprachenunterrichts –, dass wir im Bereich der lebenden Fremdsprachen entsprechende Teilungsziffern für Kleingruppenunterricht im Fremdsprachenbereich vorsehen.

Der dritte Punkt – das ist ganz offen gesprochen ein ganz neuralgischer Punkt in der Umsetzung dieses großen Ziels – betrifft die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Ich kenne die klaren Absichten, hier auch auf den Richtwert 25 zu kommen. Wir stehen dort allerdings vor dem großen Problem, dass die Nachfrage nach diesen Schultypen weit, weit größer ist als das Angebot, das wir zur Verfügung stellen können. Daher würde eine Einführung dieser Zahl 25 in diesem Bereich zur Abweisung von Schülerinnen und Schülern in großer Zahl führen – unsere Schätzungen gehen auf 2 000 bis 2 500 Schülerinnen und Schüler; das wäre nicht zu verantworten.

Wir sehen vor, dass wir aufgrund der beschränkten baulichen Ressourcen ganz, ganz stark mit dem Element des Kleingruppenunterrichts arbeiten, das im Bereich der be­rufsbildenden mittleren und höheren Schulen in den einzelnen auch handwerklichen


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Fächern schon sehr gut gelebt wird. Ich sehe hier vor, dass wir ähnlich, wie wir das jetzt in der neunten Schulstufe für Deutsch ja schon gemacht haben, das auch in Ma­thematik und jedenfalls auch in den fachlichen Leitfächern vorsehen. Um Ihnen ein Bei­spiel zu bringen: Wenn es eine HTL mit EDV-Schwerpunkt ist, findet jedenfalls in den EDV-Fächern entsprechender Kleingruppenunterricht statt.

Mit diesem Gesamtpaket „Richtwert 25“ in Pflichtschulen, „Richtwert 25“ mit der Tole­ranzgrenze im Bereich AHS und den entscheidenden Qualitätsverbesserungen im Be­reich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen will ich die Qualitätsverbesse­rungen setzen. Mein Ressort hat die Grundlagen erarbeitet, der Gesetzentwurf ist jetzt in Begutachtung, und ich hoffe sehr auf konstruktive Verhandlungen mit dem Regie­rungspartner, sodass ich Sie rechtzeitig dann auch mit dieser Materie legistisch befas­sen kann, damit wir im September 2008 schon auf gesetzlicher Basis arbeiten können.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mag. Eibinger, bitte.

 


Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bun­desministerin, wie werden die Teilungszahlverordnungen entsprechend angepasst wer­den?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Es wird analog zu den Regelungen, die wir für 2007/2008 auch schon vorgenommen haben, entsprechend reduziert, weil ja die herkömmlichen Teilungszahlen dann mit der 25er-Regelung ins Leere gehen würden. Gehen Sie bitte davon aus, dass wir da analog zur Regelung 2007/2008 dann entsprechend nachziehen und das umsetzen, damit wirklich die Qualität gesichert wird.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Bundesrat Breiner, bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Bis wann plant Ihr Ressort die Ressourcen – auch die räumlichen Ressourcen –, die für eine Teilung im BHS-Bereich im Speziellen nötig sind, bereitstellen zu können, um so­wohl Teilung als auch die 25er-Zahl realistisch werden zu lassen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Zum ers­ten Punkt, was die Teilungen betrifft: Mein Ressort, die Sektion hat schon entspre­chende Gespräche geführt. Ich habe die Rückmeldung aus dem Bereich der berufsbil­denden mittleren und höheren Schulen, dass man mit den Teilungszahlen, mit dem verstärkten Kleingruppenunterricht innerhalb der BMHS je nach Standort ein bisschen unterschiedlich, aber gut zurande kommen wird.

Was den Bereich der Schulausbauprogramme, auch der Schulentwicklungsprogramme betrifft, sind wir, sowohl was den Bundesschulbereich, aber auch was den Pflichtschul­bereich betrifft, aufgrund der doch anspruchsvollen Kompetenzlage im Bildungsbereich und im Schulbereich gerade auch in Abstimmung mit den Bundesländern dabei, die Investitionspläne entsprechend zu erarbeiten. Das ist ein mittelfristiger Plan. Vorran­giges Ziel – das sage ich aber bei diesem Punkt auch dazu – muss es sein, dass wir die Maßnahme, die wir 2007/2008 zum Beispiel bezüglich der neunten Schulstufe für Deutsch schon getroffen haben, auch auf ihre Wirksamkeit hin prüfen.

Das, was uns zuallererst gelingen muss – ich weiß schon, dass das ein bisschen ein Sowohl-als-auch und kein Entweder-oder ist und die Frage immer ist: wo beginnen wir? –, ist, die Drop-out-Quote in den Griff zu bekommen. Es ist ja wirklich unglaublich! Ich möchte jetzt keine Schulart besonders herausgreifen. Um es exemplarisch darzu­


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stellen: Wenn in einer Handelsakademie hundert Schülerinnen und Schüler beginnen und dann 48 Schüler die Matura erreichen, dann sehen wir, wo die Probleme liegen, nämlich auch bei der Bildungswegentscheidung, bei der Berufsentscheidung. Da müs­sen wir ganz entscheidend schon im Pflichtschulbereich ansetzen – Stichworte: För­derung von Begabungen und Talenten, Individualisierung, verstärkte Berufs- und Bil­dungsberatung –, damit die Bildungsentscheidungen unserer Kinder, getragen und mit beeinflusst von den Eltern, besser gelingen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mitterer, bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Werter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Meine angedachte Zusatzfrage haben Sie teilweise in Ihrer ursprünglichen Anfragebeantwortung schon eingebracht. Ich wollte Sie fragen, ob gedacht ist, die Klassenschülerhöchstzahl auch in den BHS und AHS auf 25 festzule­gen. Das haben Sie sehr schlüssig beantworten können.

Vielleicht können Sie mir aber auch sagen, welche zeitlichen Abläufe Sie damit ge­meint haben und wie es damit in den Neuen Mittelschulen aussehen wird?

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Zum ers­ten Punkt: Wir starten jetzt, und ich hoffe, dass es gelingt. Ich sage auch gleich dazu: Da brauche ich die breite Unterstützung, weil das natürlich auch alles Budgetfragen sind, die in den Budgetverhandlungen für die Budgets 2009 und folgende Budgets auch finanziell berücksichtigt werden müssen. Das Projekt Senkung der Klassenschü­lerhöchstzahl, mehr Qualität in den Schulen, mehr Zuwendung für unsere Kinder ist das finanziell aufwendigste, aber auch wertvollste Projekt dieser Bundesregierung. Das müssen wir im Budget entsprechend verankern.

Bezüglich der Zahl 25 möchte ich mich für den BMHS-Bereich nicht auf eine Jahres­zahl festlegen, weil ich im ersten Schritt jetzt bei den Teilungsziffern, bei dem Klein­gruppenunterricht, bei der verbesserten Berufsbildungsberatung im Pflichtschulbereich mir auch einmal die mittelfristige Entwicklung noch genauer anschauen möchte. Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden.

Zur Neuen Mittelschule: Da gilt die 25er-Richtwertregelung. In die Richtung läuft jetzt in den einzelnen Landesschulräten, nachdem ja die Anmeldephase abgeschlossen ist, auch die Detailplanung für jeden Standort.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen jetzt zur 2. Anfrage, und ich bitte den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Bader, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1603/M-BR/2008

„Wie stehen Sie zu der in der Zeitung ‚Heute‘ unter dem Titel ‚Vor Defizit noch eine Ga­generhöhung‘ geäußerten heftigen Kritik, dass die Erhöhung der Bezüge des Bundes­theaterholdingchefs mit den Gehaltsabschlüssen mitzieht, obwohl er – wie auch dem Rechnungshofbericht zu entnehmen ist – im Zuge seiner Vertragsverlängerung eine Gehaltserhöhung bekommen hat?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Sehr ver­ehrter Herr Bundesrat, wir haben diesen Punkt auch im Kulturausschuss des National­rates kurz diskutiert, auch auf Anfrage des Abgeordneten Morak. Diese Sache hat ein


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Geschichte, und zwar die Gehaltsvereinbarungen mit dem Geschäftsführer der Bun­destheaterholding, wo es unterschiedliche Modelle auch schon in der Vergangenheit gegeben hat, die zur Anwendung gekommen sind.

Zum Zeitpunkt der Ausgliederung – ich darf Ihnen hier die Details schildern – gab es eine jährliche Anpassung nach Maßgabe der generell für Bundesbeamte der Dienst­klasse V, Gehaltsstufe 2 ausverhandelten Regelungen, und es gab eine kriterienba­sierte Leistungsprämie. Dies wurde dann 2001 zum Teil zurückgenommen. Es kam zu einer Streichung der Tantieme, gleichzeitig aber zu einer Gehaltserhöhung. Zum Zeit­punkt der Verlängerung des Vertrages 2004 kam es dann wieder zu einer Gehaltserhö­hung. Es gab keine jährliche Anpassung, aber wieder eine kriterienbasierte Leistungs­prämie. Also es hat da in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Varianten gege­ben.

Ich stehe zu meiner Entscheidung! Ich habe jetzt für den Geschäftsführer der Bundes­theaterholding, Dr. Springer, eine jährliche Anpassung gemäß der Gehaltsbewegung für Bundestheaterbedienstete des administrativen Personals und eine – darauf lege ich Wert – kriterienbasierte Leistungsprämie bis zu 10 Prozent, was auch den Schemata und Usancen entspricht, die wir generell im Bereich der Bundestheaterholding haben, vereinbart.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Ist es aus ihrer Sicht zu vereinbaren, dass der Arbeitgeber mit Gehaltserhöhungen für seine Arbeitnehmer mitzieht?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Es gibt – ich komme ja aus der Wirtschaft – ganz unterschiedliche Modelle. Das entspricht im­mer der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Es gibt, wie gesagt, die unterschiedlichs­ten Varianten. Das ist auch eine Frage der Vereinbarung und dessen, was man letzt­lich auch als derjenige, der die persönliche Verantwortung trägt, vertreten kann.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Frage geht in Richtung Transparenz. Ich finde es schade, dass wir seit der Ausgliederung offenbar Informationen über finanzielle Maßnahmen der Bun­destheater nur mehr aus den Zeitungen erfahren. Wäre es nicht möglich, dass man solche Bilanzkennzahlen künftig auch im Kulturbericht veröffentlicht, so wie es bei den anderen möglich ist?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Es wer­den die Geschäftsergebnisse – wenn ich das in der Wirtschaftssprache formulieren darf –, nämlich Jahresabschluss et cetera, der Öffentlichkeit präsentiert. Wir können das gerne auch in den Kunst- und Kulturbericht aufnehmen. Aber ich kriege gerade ein Handzeichen, dass es schon darin enthalten ist. Also: Ja!

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Franz Breiner, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Frage bezieht sich auf die Neuorientierung der Museen und lautet:


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1607/M-BR/2008

„Welche Pläne verfolgen Sie in Sachen Museumspolitik, und wie sieht der Fahrplan da­für aus?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Jetzt be­ginne ich mit einem großen Satz: Wien ist die Weltstadt der Museen. Ich möchte, dass das Ansehen der Museen, speziell der Bundesmuseen, für die ich die Verantwortung trage, entsprechend international positioniert ist, und ich möchte alles dazu beitragen, dass die Rahmenbedingungen für die Museumsentwicklung auch für die Zukunft gut gelingen.

Politisch ist es mein großes Ziel, generell im Bereich der Kunst- und Kulturpolitik ent­scheidende Beiträge für die Kunst- und Kulturvermittlung zu erreichen. Das hat in mei­ner Wahrnehmung sehr viel mit dem Bildungsbereich zu tun. Für mich gibt es in die­sem Sinn keine Trennung zwischen Kunst, Kultur und Bildung. Das sehe ich wirklich als das Fantastische in der Ressortverantwortung, dass diese Bereiche beisammen sind, weil sie über die kulturelle Bildung, aber auch über die Kunst- und Kulturvermitt­lung unmittelbar füreinander da sind und für die Menschen wichtige Impulse leisten. Daher sind Themen wie Museumspädagogik, aber auch Vermittlung, Forschungstätig­keit der Museen für mich zentral.

Museen sind damit nicht Orte der Vergangenheit, sondern Orte, wo für die Zukunft ent­wickelt wird, wo gesellschaftliche Auseinandersetzungen entlang ganz wichtiger The­men stattfinden. Es war mir daher ganz, ganz wichtig, hier unvoreingenommen – und das war am Anfang auch gar nicht so leicht zu vermitteln, auch in diesem Sinn nicht top-down, sondern wirklich gesamthaft – eine Zukunftsdiskussion der Bundesmuseen in Gang zu bringen, und zwar eine Zukunftsdiskussion, die nicht über mediale Zurufe der Museumsdirektoren abläuft, sondern eine Zukunftsdiskussion als moderierter Pro­zess, der auch eine stärkere Involvierung der Öffentlichkeit, aber auch aller Betroffenen und Beteiligten ermöglicht.

Daher habe ich diesen Diskurs angestoßen, der mit Ausarbeitungen einzelner Grundla­genpapiere im Vorjahr begonnen hat, mit einer ersten Runde im Dezember, und in der Zwischenzeit auch mit detaillierten Tagungen und Terminen. Mir war es wichtig, hier aufzumachen, das heißt, es soll nicht das Ergebnis von Vier-Augen-Gesprächen eines Museumsdirektors mit der Ministerin sein, sondern eine andere Form der Politikent­wicklung und Maßnahmenentwicklung auf einer breiten Zugangsbasis.

So haben wir diese Zukunftsdiskussion mit internationalen und nationalen Experten und Expertinnen, mit den Kultursprechern der politischen Parteien, mit den Museums­direktoren, aber auch mit den kaufmännischen Leitern, mit den Forschern aus den einzelnen Museen und mit einem Moderatorenteam gestartet. Dieter Bogner, Sabine Breitwieser, Martin Fritz begleiten diesen Prozess. Wir haben bisher drei solche Dia­logveranstaltungen bei mir im Ministerium abgehalten: zur staatlichen Museumspolitik, zum Themenbereich „Sammlungs- und Programmpolitik“, aber auch zur Frage der inneren Ordnung und der Organisation der Bundesmuseen, und zwar sehr breit, sehr öffentlich, sehr transparent. Es gibt unter „museumsreform@bmukk.gv.at“ Möglichkei­ten, sich einzuklinken, sich Informationen zu beschaffen, den Prozess auch entspre­chend zu begleiten.

Zurzeit werden – weil Sie berechtigterweise nach dem Fahrplan fragen – diese Diskus­sionsrunden beziehungsweise wird die Fülle an Material, das hier zusammengekom­men ist, die Fülle an Vorschlägen, die total divergierend sind, vom Moderatorenteam


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bewertet, begutachtet und zusammengestellt. Ich möchte noch vor dem Sommer zu Diskussions- und Dialogrunden einladen und dann spätestens im Frühherbst mit einem programmatischen Plan zur Museumspolitik antreten können, diesen auch darlegen können.

Wie Sie sehen, es ist ein aufwendiger, ein anspruchsvoller Zugang, aber ich bin viel­leicht auch deshalb in die Politik gegangen, weil ich auch im Wie neue Wege, andere Wege beschreiten möchte, und daher meine Wahl für diesen sehr breiten Zugang, der vor allem von den Medien eines abverlangt: ein Stückchen Geduld, weil es hier nicht gleich die Aussagen gibt, die sich für die Schlagzeile der Tageszeitung von morgen eignen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth, bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Ministerin, Sie haben die Wichtigkeit betont, Kunst, Kultur und Bildung als ein Thema zu sehen, und in die­sem Zusammenhang haben Sie auch museumspädagogische Konzepte erwähnt.

Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Welche Maßnahmen sind geplant, um gerade Kinder und Jugendliche als zukünftige Besucher der Bundesmuseen und anderer Museen zu gewinnen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das ist ein ganz breiter Themenkomplex. Es haben die einzelnen Bundesmuseen auch schon museumspädagogische Abteilungen. Ich höre – und bin gerade dabei, dem auf den Grund zu gehen –, dass diese leider da und dort gewissen budgetären Engpässen unterliegen. Ich erwarte mir genau in diesem Punkt entsprechende Maßnahmenpakete und Vorschläge. Das ist die eine Seite: Diese betrifft die Institutionen, im konkreten Fall die Museen, aber da sind die Bundestheater genauso gefordert, in Wirklichkeit jede Kulturinitiative und auch jedes Kulturfestival.

Ich möchte aber natürlich auch auf der anderen Seite ansetzen: Das sind die Lehrerin­nen und Lehrer, das sind die Schulen. Mir geht es hier darum – ich habe dafür den Arbeitstitel „Kunst macht Schule“ gewählt –, dass jede Schule eine Kunst- und Kultur­partnerschaft eingeht, dass es hier konkret zu Kooperationen kommt. Das soll weit über das, was wir kennen gelernt haben, etwa eine Theateraufführung in der Schule, hinausgehen. Es soll wirklich eine Zusammenarbeit mit Profis aus dem Kunst- und Kul­turbereich sein.

Weil auch das Thema „Gewalt an der Schule“ heute angesprochen wird, möchte ich gleich sagen: Wir haben jetzt einen konkreten Plan. Es wurde von der Theatergruppe „Dschungel Wien“ mit dem Gymnasium Rahlgasse das Theaterstück „komA“ – das steht für Amoklauf an der Schule – in einem einjährigen Prozess mit Schülerinnen und Schülern, Dramaturgen, Regisseuren, Schauspielern erarbeitet und ist zur Aufführung gekommen. Es wurde sehr beachtet, und es ist aufgrund des großen Erfolges sogar noch zu einem zweiten Aufführungszyklus gekommen. Ich habe das selbst besucht und habe danach mit den Schülern und Schülerinnen darüber gesprochen, und die ha­ben mir sehr authentisch berichtet, dass es nach dieser Theaterarbeit der Dramapäda­gogik, wenn sie so wollen, zu einem anderen Klima an der Schule gekommen ist, zu einem anderen Verständnis, zu einer Sensibilisierung.

Wir sind gerade dabei, in allen Bundesländern – in Linz zum Beispiel ist es „Phoenix“ – mit Theatergruppen Kooperationsvereinbarungen für die Schulen abzuschließen. Es läuft da sehr viel über die schon etablierte Einrichtung „KulturKontakt“. Da mir das per­sönlich ein sehr großes Anliegen ist, habe ich mit Sirikit Amann und mit einer Stabstelle


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für Kunst- und Kulturvermittlung, die in meinem unmittelbaren Zuständigkeits- und in direktem Mitwirkungsbereich steht, Möglichkeiten geschaffen, dass wir da in konkrete Projekte und in die Umsetzung gehen. Ich sehe da für beide Seiten unglaubliche Chan­cen.

Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang noch Folgendes erwähnen, ohne dass meine Antwort dadurch zu lang wird, Herr Präsident: Ich war diese Woche bei den Rauriser Literaturtagen, und es war wirklich phantastisch zu beobachten, wie ganz Rauris diese Literaturtage wahrnimmt und erlebt. Da reist nicht eine „elitäre Gruppe“ – unter Anführungszeichen – in das schöne Rauris, um unter sich Literatur zu bespre­chen, sondern da ist ganz Rauris involviert und auf den Beinen. Als ich diese Literatur­tage eröffnet habe, am Abend, in einem großen Gasthof, waren wirklich alle da: vom Bauern bis zum Schuldirektor. Ich habe dann nachgefragt, nach dem Grund gefragt, und das klingt jetzt vielleicht ein bisschen banal, aber oft sind es die einfachen Dinge, die viel bewirken.

Auch in der Volksschule und in der Hauptschule in Rauris wird dieses Literaturfestival einbezogen. Die Autoren lesen für die Kinder, arbeiten mit den Kindern. Das hat aber nicht nur den Effekt, dass die Kinder dort mit leuchtenden Augen sitzen und das mit­erleben, sondern das bewirkt auch, dass die Kinder zu Hause mit den Eltern darüber reden, und dadurch werden auch die Eltern neugierig, und so konnte über die Jahre das ganze Tal erreicht werden.

Ein anderes wunderbares Beispiel – damit ich auch ein Beispiel aus einem anderen Bundesland bringe – ist das „Theater Hausruck“ in Oberösterreich mit „Zipf oder die dunkle Seite des Mondes“, das im Vorjahr mit 80 Laiendarstellern zur Aufführung ge­langt ist. Wenn man dann dort auf der Tribüne sitzt, mit 999 anderen Besuchern und Besucherinnen, dann sieht man, dass auch da ganz viele Menschen aus der Region mit einbezogen sind. Ich glaube, darum geht es!

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Himmer, bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wie ist der Stand der Vorbereitungen für den im Regierungsprogramm genannten ein­trittsfreien Tag für die Museen zwölf Mal im Jahr?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das ist eine sehr gute, heiß diskutierte Frage, auch unter den Museumsdirektoren. Wir müs­sen da zügig vorangehen. Bis zu den Budgetverhandlungen muss die Entscheidung fallen, ob wir den museumsfreien Tag so einführen. Die Frage ist – um ganz klar aus­zuloten, wo die Punkte sind –, ob wir mit dem Budgeteinsatz auch wirklich die Wirkung erreichen können, die wir uns erwarten, nämlich einen Beitrag zur Kunst- und Kultur­vermittlung zu leisten oder – ich weiß schon, jetzt bin selbst in dem „Entweder-oder“, das ich oft ablehne – einen Beitrag zur Tourismusförderung, wenn ich das jetzt so überspitzt formulieren darf. Also: Spätestens bis zu den Budgetverhandlungen ist hier­für eine klare Entscheidung auf dem Tisch. Ich ringe noch ein bisschen mit mir. (Heiter­keit.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Ministerin! Meine Da­men und Herren! Meine Frage lautet:


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1609/M-BR/2008

„Mit welchen baulichen Maßnahmen werden Schulplätze im Bereich der Höheren Schulen Tirols geschaffen?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich wer­de versuchen, das in einzelnen Punkten zu beantworten, ohne zu sehr ins Detail zu ge­hen.

Vor kurzem fertig gestellte Schulprojekte – ich beginne damit, weil man dann auch sieht, wo die Schulentwicklung steht – sind:

Handelsakademie, Handelsschule, Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Lienz, wo es zu einer Erweiterung und zu einer Sanierung gekommen ist, und zwar mit Gesamtkosten von rund 10 Millionen € und mit einem entsprechenden Vertrag zwi­schen Bund und Stadt Lienz.

Akademisches Gymnasium Innsbruck, Angerzellgasse. Auch da gab es eine General­sanierung. Hier war die BIG eingebunden. Die Finanzierung ist über die Mietverträge gestaltet worden. Die Gesamtkosten betrugen 11,5 Millionen €.

Jetzt zu den Dingen, die packender sind, weil aktueller:

Derzeit erfolgen die Erweiterung und die Sanierung des Mädcheninternates im Schi­gymnasium Stams. Da konnte 2006 schon ein Teil, nämlich das Internat für Burschen und der Neubau von Sportstätten, abgeschlossen werden. Es geht da um eine Erweite­rung. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 4 Millionen €. Und die Fertigstellung, was für Tirol ganz wichtig ist, erfolgt im Sommer, spätestens im Frühherbst 2008.

Nächstes wichtiges Projekt: Bundesschulzentrum Telfs. Dort gibt es ein BORG, eine Handelsakademie und eine Handelsschule. Auch da geht es um eine Erweiterung und eine Sanierung. Das ist ein größeres Projekt, und zwar mit einem Bauvolumen mit Ge­samtkosten in der Höhe von 21 Millionen €. Die Finanzierung erfolgt durch Bund und Marktgemeinde. Die Fertigstellung ist auch für 2008 geplant. Die Erweiterung betrifft 300 Ausbildungsplätze. Also schon signifikant!

In Planung und Vorbereitung ist eine Generalsanierung der Handelsakademie und der Handelsschule Innsbruck, Karl-Schönherr-Straße. Kostenpunkt: zirka 11,5 Millionen €. Da werden wir 2008 mit den Baumaßnahmen beginnen können. Das ist ein Projekt, wo auch die BIG wieder involviert ist.

Bundesgymnasium/Bundesrealgymnasium Kufstein: Generalsanierung und Zubau. Bei Zubau ist ja immer interessant, um wie viele Plätze es geht: Erweiterung um 32 Klas­sen.

Dann wird es um ein auch ganz wichtiges und großes Projekt für Innsbruck gehen: um die „5. AHS Innsbruck“; das ist die Expositur Adolf-Pichler-Platz: Neubau für 32 Klas­sen; Kostenvolumen: etwa 18 Millionen €. Hier ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Stadt Innsbruck die vertragliche Grundlage für Investition und Finanzierung.

Weiters HLA Reutte: Sanierung des ehemaligen Kolpinghauses mit voraussichtlich 3 Millionen €. Hier müssen wir aber die Pläne noch im Detail prüfen. Wenn das alles klappt und gut geht, ist der Baubeginn noch für 2008 geplant.

HLA Landeck: Funktionsadaptierung und Erweiterung. Hier werden wir voraussichtlich den Baubeginn 2009 fixieren können.

Daneben gibt es noch zu privaten Schulträgern, so wie in allen Bundesländern üblich, Bundeszuschüsse bei Investitionen. Da nenne ich jetzt vielleicht nur noch die Stand­


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orte: Gymnasium der Franziskaner in Hall, das Don Bosco-Schülerheim in Fulpmes, HLA für Tourismus Villa Blanka in Innsbruck, Katholisches ORG Innsbruck, ORG Volders.

Das ist die Liste der privaten Schulträger, und dann bin ich schon, wie ich bei einer anderen Anfragebeantwortung schon kurz erwähnt habe, bei der Aktualisierung des Schulentwicklungsplanes, wo Maßnahmen an den Standorten St. Johann, Reutte, Innsbruck/Sillgasse, aber auch Kitzbühel und Hall geplant sind. Im Bereich St. Johann und Reutte geht es um den Ausbau und Sanierung der Bundesschulen. – Ich hoffe, das passt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Fröhlich.

 


Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin, welche baulichen Maßnahmen setzen Sie auch in den anderen Bundesländern, um ausrei­chend Platz zur Verfügung zu stellen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich habe diese Details nur vorbereiten können, weil ich vorher die Frage gewusst habe, und habe das jetzt nicht für ganz Österreich mit.

Ich darf Sie nur informieren, dass der Schulentwicklungsplan jetzt gerade intensiv in Ausarbeitung ist, und ich darf Sie alle dann über den Gesamtplan in Kenntnis setzen – vielleicht, Herr Präsident, wenn er vorliegt, dann auch in schriftlicher Form an die Mit­glieder.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, die lange Liste, die Sie jetzt aufgezählt haben, zeigt, dass es massiven Platzbedarf gibt im Bereich der höheren Schulen. Gleichzeitig haben wir in Tirol teilweise an Hauptschulen sehr wohl Raumressourcen frei. Was es in Tirol allerdings nicht gibt, ist ein Schulver­such im Bereich der Gemeinsamen Mittelschule. Statt dessen gibt es die Idee der Gymnasialzüge an Hauptschulen. Jetzt würde ich Sie fragen, wie Sie diese Idee be­werten.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vielleicht gleich zu dem ersten Punkt, wo ich ja ein großes Anliegen habe, aber das kann ich al­lein nicht bewältigen. Wir sehen genau bei Ihrer Fragestellung das Dilemma, in dem wir uns in der Investitionsplanung im Schulbereich befinden: das ist die unterschiedliche Zuständigkeit bei den einzelnen Ressourcen. Niemand sonst organisiert das so! Wir haben im Bereich Personal die Bundeslehrer, wo ich – jetzt weiß ich schon, dass ich da ein bisschen vorbelastet bin durch die Bank – ein wunderbares SAP-System habe, wo ich bis ins letzte Klassenzimmer die Ressourcensteuerung machen kann, und wir haben den Bereich der Landeslehrer, und das ist bei mir Sachaufwand.

Also innerhalb einer Ressource, Personal, gibt es unterschiedliche Verantwortungsbe­reiche, und die Frage, wer verantwortlich ist, lässt sich daher nicht eindeutig beantwor­ten.

Der zweite große Bereich sind die Immobilien, also Schulbauten in unserem konkreten Fall, wo ich auf der einen Seite die Bundesschulen habe und auf der anderen Seite die Pflichtschulen. Und Sie haben ja schon gesehen: Je nachdem, mit wem wir da Verträ­ge abschließen müssen, gibt es ganz unterschiedliche Zuständigkeiten, was die Immo­bilien betrifft.


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Das macht die Planung zum einen schwierig, wenn nicht in einzelnen Bereichen un­möglich, und das führt auch zu mangelnder Effizienz und Effektivität, weil es durchaus vorkommen kann – und das werden Sie in Ihren einzelnen Landesbereichen noch viel genauer wahrnehmen –, dass wir auf der einen Seite AHS haben, wo wir, fein formu­liert, Pavillonklassen hinbauen, Container hinstellen müssen, und auf der anderen Seite Hauptschulen haben, wo wir zum Teil freie Kapazitäten haben, beziehungsweise stellt sich überhaupt im Pflichtschulbereich die Lage aufgrund demografischer Entwick­lungen anders dar.

Also die ganz große Aufgabe – das möchte ich hier sagen – für die Koalitionsregie­rung, aber auch für das Hohe Haus wäre es, eine Verfassungs- und Verwaltungsreform im Schulbereich zu schaffen, die endlich Klarheit in der Verantwortung bringt und damit Planbarkeit und Ressourcensteuerung ermöglicht. Eines sage ich an dieser Stelle auch dazu: Gerade der Bildungsbereich wäre ja relativ gut zu planen aufgrund der demogra­phischen Entwicklungen – die unterschiedlichen Schularten und die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche machen es so schwierig.

Ich bringe jetzt noch ein Detail, ich weiß, ich schweife jetzt ab, aber ich nutze diese Gelegenheit jetzt einfach, weil ich das heute in der Früh erfahren habe und wir uns auch bei der nächsten Präsidentenkonferenz der Landesschulräte damit beschäftigen werden: Anmeldeverfahren für pädagogische Hochschulen, Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer.

Wie viele Wege der Anmeldung für Fort- und Weiterbildung, glauben Sie, gibt es in Ös­terreich? Ich verrate Ihnen die Antwort: 56 unterschiedliche Varianten, je nach Bundes­land, je nach Bezirk, einmal geht das bis zum Landesrat, einmal nur bis zum Direktor. Und wenn man jetzt von mir erwartet, dass ich diese 56 Wege für ein Fortbildungsse­minar für Französisch jetzt in 56 unterschiedlichen Softwareprogrammen abbilde, dann werde ich das nicht tun. Aber ich weiß schon, wer sich als Erster aufregen wird, wenn es hier zu unterschiedlichen Bereichen kommt, nämlich die Lehrerinnen und Lehrer und die Gewerkschaft, und natürlich auch zu Recht.

Da sind wir gefordert, im Verwaltungsbereich Vereinfachungen zu machen. Aber ich muss Ihnen ganz offen sagen: Da stoße ich bei allem Durchsetzungswillen auch an Grenzen, die ich nicht verschieben kann, und daher wäre die Verfassungs- und Ver­waltungsreform das Thema der Regierung und das Thema des Hohen Hauses. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Aber jetzt zurück zu Ihrer Frage. Das Kernanliegen der Neuen Mittelschule ist ja die In­dividualisierung des Unterrichts und damit auch die Aufhebung von starren Leistungs­gruppen. Das ist ein Kernelement. Wir sind da, wie Sie sich vorstellen können, mit dem Herrn Koler in laufendem direktem Kontakt. Wir mussten das Modell, das über den Landesschulrat bei uns eingereicht wurde, ablehnen, weil es diese starre Einteilung in Leistungsgruppen, also in diesen Zügen, weiterhin fortsetzt und damit nicht den Grund­lagen dieser gemeinsamen Modellversuche entspricht.

Wenn Sie mich ganz offen fragen und zu Recht eine ehrliche Antwort erwarten, dann sage ich Ihnen: Ich glaube nicht, dass wir hier vor den Landtagswahlen in Tirol zu neuen Vorschlägen kommen werden. Ich weiß aber, dass es viele inhaltliche Gesprä­che gibt, und bin froher Hoffnung, dass es hier auch zu entsprechenden Vorschlägen kommen wird. Es gibt auch schon Arbeitsgemeinschaften, die sich in Tirol gegründet haben.

Wie gesagt, ich bin bereit, aber ich brauche – wir haben ja vereinbart, dass die Vor­schläge über die Länder, über die Landesschulräte, über die Landesschulratspräsiden­ten zu mir kommen – Vorschläge, die auch den Grundbauplänen und Spielregeln ent­


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sprechen, da wir ja die Versuche bundesweit evaluieren, bewerten und wissenschaft­lich begleiten wollen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen jetzt zur 5. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Saller, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1604/M-BR/2008

„Welche zusätzlichen konkreten Maßnahmen und Initiativen wurden, abgesehen von der kürzlich von Ihnen präsentierten Kampagne ‚Weiße Feder‘, seitens des BMUKK gesetzt, um verstärkt Schülerinnen- und Schülerstrategien, Lehrerinnen- und Lehrer­strategien zur Gewaltvermeidung zu vermitteln?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Bundesrat! Die „Weiße Feder“ – jetzt komme ich gerade drauf, dass ich sie heute nicht angesteckt habe – ist ein Symbol und in dem Sinn noch keine Maßnahme per se. Ich halte es aber für ganz, ganz wichtig, gerade in diesem Bereich – bei all dem, was ich sonst an Faktenbasierung sehr stark vertrete – auch mit Symbolik zu arbeiten, weil es meiner Wahrnehmung nach hier ganz stark auch um Fragen der Kultur, der Haltung geht, auch der Vorbildwirkung.

Mir ist es daher wichtig, über diese Kampagne Menschen für dieses Thema zu bewe­gen, sodass das von den jungen Menschen akzeptiert und ernst genommen wird, so­dass sie auch da ein Stück gelebte Werte und Vorbilder sehen. Das zum Hintergrund, warum so ein Anstecker, also ein Zeichen gegen Jugendgewalt – und damit soll es den Unterstützern und Unterstützerinnen ermöglicht werden, das Sichtbarmachen und das Vertreten persönlich zu zeigen.

Sie haben völlig recht, Herr Bundesrat: Wesentlich sind zentrale Maßnahmen, und der Kernpunkt ist, wie wir an dieses Thema herangehen. Wichtig sind – damit komme ich wieder zu diesem großen Projekt der Bundesregierung zurück – mehr Zuwendung, mehr Aufmerksamkeit, mehr Achtsamkeit, aber auch mehr Respekt vor den Kindern, vor den Schülerinnen und Schülern. Das heißt aber auf der anderen Seite genauso auch: Einfordern von Disziplin, Wahrnehmung auch der Autorität. Das halte ich für wichtig, geht es doch auch in der Schule immer mehr um die Vermittlung von Werten, von Haltungen, von Respekt und Achtung.

Es ist ja so, dass nicht alles, was an der Schule sichtbar wird, auch seine Ursachen in der Schule hat, sondern dass ganz oft und leider – wie ja auch sehr viele Berichte zei­gen – immer mehr Themen der Familie, der Gesellschaft in die Schule hineingetragen werden. Es hat aber wenig Sinn, jetzt groß darüber zu sprechen, wer Schuld hat, son­dern wir müssen das Thema dort, wo es wirksam wird, anpacken und angehen. Daher halte ich es für ganz, ganz wichtig, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern, die ja da unmittelbar die Betroffenen sind, das entsprechende Rüstzeug im Sinne einer Aus- und Fortbildung mit auf den Weg geben.

Es ist für mich unverzichtbar – in diesem Sinne müssen wir auch bei der Ausbildung, bei der Weiterbildung der Lehrer und Lehrerinnen ansetzen –, dass auch Elemente wie Gruppendynamik, Coaching, Supervision, Umgang mit sozialen Konflikten, Mediation und Konfliktbewältigung Bestandteil der Ausbildung und Fortbildung werden. Natürlich ist es auch notwendig und auch heute schon der Fall, dass es in Ernstfällen – das wird zweifelsohne nach einem Stufenplan zu bewerten sein – Spezialisten hiefür braucht, so


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beispielsweise Psychologen. In erster Linie aber müssen wir uns an die Lehrerinnen und Lehrer richten und da entsprechend wirksam sein.

Ich halte es auch für ganz entscheidend – 40 Prozent der Schulen sind ja bereits die­sen Weg gegangen –, dass es Verhaltensvereinbarungen der Schulpartner gibt, aus­gearbeitet von den Schulpartnern, die auch dieses Thema behandeln und wo es eben zu Vereinbarungen kommt, die dann auch eingehalten werden. Es ist daher wichtig, dass diese Vereinbarungen am Standort von den Schulpartnern erarbeitet und gelebt werden. Das kann man nicht vom Minoritenplatz aus verordnen, sondern das muss, wie gesagt, an den Schulstandorten vereinbart, gelebt und achtsam verfolgt werden.

Ich habe daher jetzt an alle Schulen eine Information mit sozusagen Muster-Verhal­tensvereinbarungen verschickt, ebenso einen Wegweiser, wie man diesen Prozess organisieren kann, um zu derartigen Vereinbarungen zu kommen, was ich für ganz zentral halte.

Es gibt eine spezielle Informationsstelle, eingerichtet bei uns im Ministerium, an die man sich mit konkreten Fällen, mit konkreten Problemen wenden kann, wo auch Ex­perten zur Verfügung stehen.

Notwendig wird es auch sein – auch da sind wir gerade dabei, eine Abstimmung mit den einzelnen Ländern zu treffen –, die Zahl der Schulpsychologen zu erhöhen, um hier, wie gesagt, entsprechende Hilfestellung zu gewährleisten.

Für ganz wichtig halte ich es – wir haben das gestern auch in Oberösterreich disku­tiert –, dass wir da stark im Bereich Prävention arbeiten. Ich weiß schon, das mag jetzt vielleicht ein bisschen „esoterisch“ klingen, aber es sagen uns viel Berufenere, Exper­ten, die sich wirklich intensiv mit diesem Thema beschäftigen: Gerade gewaltbereite Kinder sind oft solche Kinder, die eigentlich nach Zuwendung rufen, die Geborgenheit, Zuwendung beziehungsweise Wertschätzung nicht erfahren haben.

Natürlich ist es schwierig, da entsprechend angemessen zu reagieren, wir müssen je­doch gerade in der Prävention ansetzen; das scheint mir ganz zentral und wichtig zu sein.

Wir müssen auch stärker – ich weiß, wie schwer das ist – die Elternarbeit wieder ein Stück einfordern, da es da eben auch um Fragen der Haltung, der Erziehung, der Dis­ziplin beziehungsweise des Respekts geht. – Ich weiß, ich wiederhole mich jetzt, aber das sind so wichtige Fragen, wo jeder von uns – das möchte ich schon auch sagen –, und zwar gerade auch jene, die in der Politik sind, ein Stück gefordert ist, da Vorbild­funktion auszuüben, denn: Gewalt beginnt oft in der Sprache.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin, inwieweit werden Sie auch die Schulpartner – Schulforum, Klassenforum, Elternvereine – in diese Pro­jekte einbinden?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ein ganz wichtiger Punkt: Für kommenden Montag habe ich zu einem Schulgipfel eingeladen, und zwar zum Thema Arbeitsplatz Schule, Lebensraum Schule. Frau Univ.-Prof. Chris­tiane Spiel beispielsweise wird als eine der ExpertInnen bei diesem Schulgipfel anwe­send sein. Die Schulpartner, auch die Mitarbeiter meiner Expertengruppe, Lehrerver­treter und Direktoren werden einen ganzen Nachmittag zusammen sein, um genau das, was Sie, Herr Bundesrat, angesprochen haben, zu beraten.

 



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Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Grimling, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin – ich habe den von Ihnen angesprochenen Button angesteckt –, darf ich die Frage stellen, wie Sie die Initiative Neustart sehen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Bundesrätin, ich kenne die Initiative Neustart schon aus anderen Kontexten und halte von dieser sehr, sehr viel.

Gerade im Präventionsbereich ist ja die Zusammenarbeit ganz, ganz wichtig, auch mit unterschiedlichen Institutionen. Und gerade Neustart ist ja auch als Präventionsapparat der Exekutive, wenn ich das jetzt so formulieren darf, aktiv. Und es geht hier wirklich entscheidend darum, im Präventionsfall Maßnahmen zu setzen. Die Umfrage, die vor zwei oder drei Tagen in den Medien besprochen wurde, hat das Thema ja medial auf der Agenda auch wieder sehr weit nach oben gebracht. Und meine Sektion V wird sich in den nächsten Tagen auch mit Neustart zusammensetzen, um konkrete Kooperati­onsschritte im Präventionsbereich auch gemeinsam anzugehen und zu überlegen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Franz Breiner, bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Dass all diese Maßnahmen zielführend sind, dazu noch eine musische Bildung notwendig ist, ist, denke ich, klar. Eine Anregung, die ich hier vielleicht anbringen darf, ist, dass neben der Ausbildung der LehrerInnen in Superversion und Coaching auch für sie gel­ten sollte, dass sie Superversion und Coaching regelmäßig in Anspruch nehmen kön­nen. Das wäre für die Sozial- und Psychohygiene der LehrerInnen eine ganz wesent­liche Forderung.

Meine Frage bezieht sich aber auf einen weiteren Teil. Ist es vorgesehen, zusätzlich zur Kampagne SozialarbeiterInnen an den Schulen einzusetzen, die für Kinder, Schü­lerInnen, Eltern und Lehrer ein niederschwelliges Eintrittsangebot darstellen, um sich mit der Materie Gewalt auseinanderzusetzen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vielen Dank für die Anregung im ersten Punkt. Da haben wir noch viel zu tun und daran zu arbeiten. Und das hat jetzt in diesem Fall nicht wirklich unmittelbar gleich damit zu tun, obwohl das sonst meistens im Bildungsbereich das erste Thema ist, das angesprochen wird, nämlich Werteinheiten und Ressourcen, sondern hier müssen wir ein Stück auch an der Haltung und Kultur arbeiten, die an den Schulen ganz generell herrschen, denn ich höre – es wird ja auch Coaching angeboten –, dass sich Lehrer und Lehrerinnen zum Teil gar nicht trauen, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, weil das einfach in der Kollegenschaft als wirklich professionelle Hilfestellung und Stütze auch noch nicht akzeptiert und anerkannt ist.

Es ist also wichtig, überhaupt einmal in Richtung Teamarbeit der Lehrer und Lehre­rinnen zu kommen. Sehr oft empfinden sich Lehrer und Lehrerinnen als Einzelkämp-
fer, als ob sie wirklich immer alles alleine lösen müssten. Zum Beispiel das kollegiale Coaching, das einmal Abstimmen mit den anderen als Stufe 1, findet kaum statt.

Daher knüpfe ich auch so hohe Erwartungen an die Leadership Academy, die ja seit dem Jahr 2002 unter der Leitung der Professoren Schratz und Schley in Alpbach als Weiterbildungsprogramm läuft, wobei immerhin schon 1 300 Persönlichkeiten in Lei­tungsfunktionen aus dem Bildungsbereich diese berufsbegleitende einjährige Ausbil­


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dung absolviert haben, wo Coaching und Teamarbeit Kernelemente sind und wo sich ja auch Netzwerke etablieren. Man versucht dort jetzt einmal auf Leitungsebene, einan­der wechselseitig zu unterstützen, oft auch, einander Mut zu machen, was ganz, ganz wichtig ist. Und hier setze ich auch auf eine Verbreiterung. Mit 1 300 Absolventen ha­ben wir schon eine beachtliche Zahl erreicht.

Ich möchte das ausbauen, auch erweitern vor allem für den Bereich der innovativen Schulen, denn eines ist mir jetzt nach einer mehr als einjährigen intensiven Beschäfti­gung mit dem Bildungsbereich auch klar geworden: Da müssen wir auch Maßnahmen zur Organisationsentwicklung setzen. Die Schule ist zwar ein Ort des Lernens, aber nicht unbedingt eine lernende Organisation. Und daran zu arbeiten, das ist die große Aufgabe, und das heißt auch sich öffnen – da bin ich dann gleich bei Ihrer konkreten Frage –, sich öffnen auch für andere Berufsgruppen. Auch das sind wir mit den Län­dern gerade dabei auch abzustimmen und auszuarbeiten, weil ich das für wichtig halte.

Da Sie auch das Thema musische Bildung angesprochen haben, auch den Kunstbe­reich: Das halte ich – ich habe es vorhin beim Beispiel der Theatergruppe schon ge­schildert – für sehr, sehr wertvoll. Die Schule muss sich öffnen, also inklusive Schule. Es muss ein Ort der Innovation und der Freude sein. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Breiner: Die Frage nach der ...!) Ja, ich denke daran.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte die An­fragestellerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:

1606/M-BR/2008

„Wann wird der im Regierungsübereinkommen fixierte bundesweite Bildungsplan für Kindergärten mit spezieller sprachlicher Frühförderung umgesetzt werden?“

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Auch wieder eine anspruchsvolle Aufgabe, weil wir uns auch im Kindergartenbereich wieder mitten im Kompetenzdickicht bewegen und befinden und wir da in enger Abstimmung die Bildungspläne ausarbeiten können. Ich bin froh, dass Sie Ihre Frage schon in die Richtung der speziellen sprachlichen Frühförderung gestellt haben, weil ich für diesen Teil zumindest eine konkrete Antwort geben kann. Diesbezüglich werden wir bis Ende Juni die Pläne ausgearbeitet haben beziehungsweise fertig stellen. Es haben einzelne Bundesländer, etwa Wien, um ein Bundesland zu erwähnen, schon Bildungspläne für die Kindergärten entwickelt. Und wir sind jetzt wieder einmal in einem Koordinierungs- und Abstimmungsprozess mit den einzelnen Bundesländern. Und ich nenne jetzt ein­fach mein Ziel: Mein Ziel wäre es, bis Mitte 2009 den Bildungsplan gesamthaft für ganz Österreich zu haben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Minister, ich weiß schon, es ist schwierig, mit den Ländern diesbezüglich eine Einigung zu fin­den, weil es auch unterschiedliche Anforderungen gibt. Es ist die Situation in Ballungs­gebieten mit einem hohen Anteil an Zuwanderern, die nicht oder kaum Deutsch kön­nen, anders als im ländlichen Gebiet, wo es vielleicht nicht so ist und wo andere Pro­bleme zum Tragen kommen. Aber trotzdem ist es, glaube ich, ein sehr manifestes Problem, das möglichst schnell angegangen werden muss. Mitte 2009 – verzeihen Sie, wenn ich das jetzt so offen sage –, das tröstet mich jetzt wirklich wenig. Vor einem Jahr wurde das Regierungsübereinkommen beschlossen, und es wäre dringend notwendig,


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dieses Problem anzugehen, noch dazu, wo uns schon Bildungsexperten der verschie­densten Couleurs gesagt haben, dass gerade der vorschulische Bereich bei uns so be­sonders im Argen liegt. Sehen Sie da jetzt vielleicht eine Möglichkeit, das vielleicht doch ein bisschen schneller umzusetzen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Eine Möglichkeit und einen Hebel habe ich jetzt ja mit der sprachlichen Frühförderung für die Fünfjährigen. Und genau dieser Hebel macht es mir möglich, für den Teil Sprach­entwicklungsplan schon im Juni etwas Entsprechendes vorzulegen. Es werden bereits Detailgespräche geführt. Der Bereich der Kindergartenpädagogik, aber auch die ge­samte Logistik dahinter sind jetzt schon im Laufen und werden umgesetzt. Ich möchte ja, dass wir plangemäß im September dieses Jahres mit der sprachlichen Förderung in den Kindergärten tatsächlich schon starten. Wir haben ja die entsprechenden Grund­lagen auch gemeinsam geschaffen.

Jetzt geht es an die Umsetzung mit den Bundesländern. Da darf ich vielleicht auch eine Bitte an Sie richten, mich auch ein Stück zu unterstützen. Bisher haben Wien und das Burgenland auch die Artikel-15a-Vereinbarung unterschrieben. Es sind jetzt Detail­gespräche auch mit Salzburg und der Steiermark im Laufen. Landesrätin Zanon hat jetzt noch einmal zu einem Fachgespräch eingeladen. Ich hoffe sehr, dass wir da jetzt ins Finale kommen. Ich halte das für ganz, ganz wichtig.

Das, was Sie angesprochen haben, nämlich die unterschiedlichen Anforderungen zwi­schen Großstadt und ländlichem Raum, betrifft Linz genauso wie Wien; insofern müss­ten wir da vorankommen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Können Sie garantieren, dass es an allen Pädagogischen Hoch­schulen Fortbildungen in Bezug auf Sprachstandsfeststellung geben wird?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Wir sind jetzt dabei, das mit allen Pädagogischen Hochschulen auszuarbeiten, daher: Ja, es wird in allen Pädagogischen Hochschulen Fortbildungen diesbezüglich geben.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Klug, bitte.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geschätzte Frau Bundesminis­terin! In welcher Form beziehungsweise mit welchen Maßnahmen plant Ihr Ministerium, über die so wichtige Maßnahme im Bereich des Kindergartenwesens zu informieren?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Der we­sentliche Punkt ist, dass wir auch da mit den Ländern ganz eng zusammenarbeiten müssen. Wie Sie wissen, ist der Bereich Kindergärten Landeskompetenz. Das heißt, es geht das im Stufenverfahren. Einen entsprechenden Terminplan mit den einzelnen Bundesländern haben wir ausgearbeitet.

Jetzt kommt ein bisschen ein sperriges Wort – es ist uns leider nichts besseres ein­gefallen –: Sprachstandsfeststellungsverfahren mit Tirol, Salzburg und Wien sind bereits erprobt: Die Ergebnisse sind jetzt auch eingearbeitet. Es sind jetzt schon etwa


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150 MultiplikatorInnen geschult, auch die Termine mit den Ländern wurden vereinbart, damit das gut gelingt.

Jede Kindergartengruppe bekommt dann auch das Informationspaket zugesendet, und, wie gesagt, auch die ersten Lehrgänge zur Qualifizierung der PädagogInnen an den Pädagogischen Hochschulen sind angelaufen. Ich verfolge das genau mit, aber dann in der Umsetzung – der Bereich Kindergärten ist ja aufgrund der Verfassung Lan­dessache – mache ich alles, so gut ich kann, aus der Steuerung der Koordination her­aus.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Diesner-Wais, bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desministerin, meine Frage lautet – Sie haben diese schon teilweise beantwortet –: Welche Gespräche haben Sie diesbezüglich mit den einzelnen Bundesländern ge­führt?

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich kann Ihnen sagen, das waren Serien von Gesprächen, vor allem auch von MitarbeiterInnen meines Büros. Vielleicht übertreibe ich jetzt ein bisschen, aber Kurt Nekula aus mei­nem Ministerbüro macht mittlerweile fast nahezu ausschließlich diese Kontaktgesprä­che mit den Bundesländern, fährt auch in die einzelnen Länder, wobei es da ja wichtig ist, sowohl die politische Ebene, also die Büros der Landeshauptleute, aber letztlich auch die KindergartenreferentInnen da mit einzubeziehen. Das sind laufende und ganz, ganz intensive Gespräche, und ich appelliere auch, wo immer ich kann, dass da Druck gemacht wird und das vorankommt.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen jetzt zur 7. Anfrage, und ich bitte Frau Bundesrätin Hladny um Verlesung der Frage.

 


Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministe­rin, Sie haben uns heute schon sehr interessant und ausführlich über die Museums­landschaft berichtet. Ich darf jetzt trotzdem die Frage stellen:

1610/M-BR/2008

„Welche Veränderungen im Museumsbereich sind geplant?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Zunächst einmal ein klares Bekenntnis, das, glaube ich, ganz wichtig ist: Ich bekenne mich zum Konzept der Ausgliederung. Ich bekenne mich auch zum Grundsatz der Autonomie und der Verantwortung der Bundesmuseen, sage aber gleichzeitig, dass es auch ganz große kunst- und kulturpolitische Aufgaben zu verwirklichen gilt. Die Museen sind nicht nur ein großer Budgetposten in unserem gemeinsam zu verantwortenden Bundeshaus­halt, sondern es geht dabei eben auch um ganz wichtige Institutionen für unser Kunst- und Kulturleben, aber auch für den Standort Österreich insgesamt. Das muss man, glaube ich, auch in dieser Deutlichkeit sagen.

Das, worum es mir geht, ist das bessere Zusammenspiel auf der einen Seite; es geht mir aber auch ganz klar darum, dass wir das kunst- und kulturpolitische Anliegen, das wir mit den Bundesmuseen gemeinsam auch in die Welt bringen wollen – ich habe vor­hin schon ein bisschen die Schwerpunkte im Forschungsbereich, im Kunst- und Kultur­vermittlungsbereich ausgeführt –, gut umsetzen.

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, wo wir ansetzen können, wo ich jetzt einfach
nur erste Skizzen geben möchte, denn die Vorbereitungsarbeiten sind ja noch voll im


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Gang; jedenfalls geht es aus den bisherigen Erfahrungen heraus ganz sicherlich auch darum, die bestehenden Museumsordnungen zu überarbeiten.

Der zweite ganz wichtige Punkt – das wurde ja mit den zuletzt beschlossenen Budget­gesetzen ermöglicht –: Wir werden, ähnlich wie es bei den Universitäten gang und gäbe ist, Rahmenzielvereinbarungen abschließen; auch da sind die entsprechenden Grundlagen auszuarbeiten.

Wesentlich scheint es mir zu sein, dass sich die Museen stärker öffnen, und zwar hin zur Fachwelt, aber auch zu anderen Kreisen, zu anderen Kunst- und Kulturinteressier­ten. Da müssen wir uns auch Formen überlegen, wie ein derartiger Dialog, wie da eine Koordinierung stattfinden kann – das alles im Sinne und Interesse, den Standort weiter zu stärken. Das ist mir ganz, ganz wichtig! Oft geht es aber auch ein bisschen darum, die Unterschiede zwischen Eigenverantwortung und Eigenmächtigkeit herauszuarbei­ten.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat Kühnel.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Bundesministerin, sind Sie tatsächlich der Meinung, dass Sie für das Kunsthistorische Museum innerhalb weniger Monate eine Spitzenkraft für so einen Spitzenjob bekommen können?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ja. (Hei­terkeit und Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Breiner, bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich stelle mir vor, dass zu diesem Umgang mit dem Museumsbereich auch die Restitution gehört.

Daher die Frage: Welche Vorhaben gibt es in Ihrem Ressort in Bezug auf Restitution – auch im Bereich der Stiftung Leopold?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vor wenigen Tagen habe ich – mit Clemens Jabloner – meine Grundhaltung hiezu darge­legt. – Ich bin sehr froh darüber, dass wir Clemens Jabloner als Vorsitzenden des Re­stitutionsbeirates hiefür gewinnen konnten. Clemens Jabloner hat, eben im Rahmen seiner Erfahrungen in dieser Funktion, eine Reihe von Vorschlägen im Hinblick auf eine Novelle des Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetzes ausgearbeitet.

Meine Mitarbeiter und ich sind gerade dabei, in intensiven Gesprächen mit dem Regie­rungspartner, mit den im Parlament vertretenen Parteien Detailgespräche darüber auf­zunehmen, und ich habe hier das Ziel, eine möglichst breite und auch parlamenta­rische Zustimmung zu dieser aus meiner Sicht historischen Pflicht der Republik Öster­reich zu finden.

Daher werden wir jetzt Detailgespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien führen. Hier habe ich, wie gesagt, auch das Ziel der breitestmöglichen Zustimmung, das kann aus meiner Wahrnehmung kein „Kampfthema“ – unter Anführungszeichen –sein. Das lösen wir gemeinsam oder gar nicht.

Es zeichnen sich hier wichtige Eckpunkte einer ersten Novelle ab, die – das sage ich aber auch gleich dazu – die Frage Stiftung Leopold nicht behandelt, sondern die Re­stitutionsaktivitäten des Bundes bis dato zum Gegenstand hat, wo es aber auch drin­


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genden Handlungsbedarf gibt, um das zu verbessern. Das betrifft auch das Rollenver­ständnis Kommission zu Restitutionsbeirat, das betrifft Fragen der Transparenz, der Erbengeschichte, wo wir dringend Lösungen brauchen.

Der zweite Punkt ist seit Jahren ein großes Thema und ist jetzt wieder aktuell. Ich habe jetzt jedenfalls auf Basis auch des Gutachtens von Universitätsprofessor Berka eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet – denn das ist ein Gesamtregierungs­thema –, die jetzt einmal die rechtlichen Punkte prüfen soll, wie die Situation betreffend die Privatstiftung Leopold – und ich betone dabei das Wort „Privatstiftung“ – unter rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Da kann ich den Ergebnissen nicht vor­greifen. Es ist hier auch der Verfassungsdienst involviert.

Ein dritter Punkt, den ich für ganz, ganz wichtig halte, ist, dass sich die Stiftung Leo­pold entschlossen hat – und das ist doch ein wichtiger und maßgeblicher Schritt –, sich jetzt einer unabhängigen Provenienzforschung zu öffnen. Jetzt weiß ich, das ist der erste Schritt – es muss dann natürlich die Bewertung erfolgen –, aber es ist ein wichti­ger erster Schritt, und der hat auch sehr viel mit Haltung zu tun, dass hier aufgemacht wird und dass jetzt auch hier nach den Bundeskriterien, nach den Kriterien der Restitu­tionsforschung und bezahlt vom Bund – es ist bei Gutachten auch immer wichtig, die Frage zu stellen: Wer hat es bezahlt? – einmal die Grundlagen erarbeitet werden.

Das sind die Pläne. Ich trenne hier also die Bereiche.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen jetzt zur letzten Anfrage, 1605/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Dr. Schnider, und ich bitte um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Ich habe mit großem Interesse Ihre neue Broschüre „Bildungsprojekte 2008“ gelesen und studiert und fand darin einen Passus, der eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten in der Ausbildung sowie in der Weiter- und Fortbildung ankündigt. Meine Frage lautet daher:

1605/M-BR/2008

„Wie stellen Sie sich konkret die von Ihnen in der Broschüre ,Bildungsprojekte 2008‘ angekündigte verstärkte Zusammenarbeit zwischen Universität und Pädagogischen Hochschulen im Zusammenhang mit der Lehreraus- und -weiterbildung vor?“

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vielleicht auch hier in einem mehrstufigen Prozess oder in verschiedenen Zeitachsen. Mein wirk­lich großes Projekt wäre oder ist die gemeinsame universitäre Ausbildung für alle im Lehrberuf Tätigen. Ich halte das für so wichtig, weil der Lehrberuf einer der zentralen Berufe in unserer Gesellschaft ist, und ich kann es auch nicht nachvollziehen, dass die Ausbildungsart vom Alter der Kinder abhängig sein soll. Ich trete daher für eine ge­meinsame universitäre Ausbildung aller im Lehrberuf Tätigen ein – im Interesse der Bildung, der Ausbildung, der Weiterbildung der Kinder und Jugendlichen, aber, und das sage ich auch gleich dazu, auch im Interesse der Lehrer und Lehrerinnen. Denn: Ein Ausbildungsweg, der dieses Gemeinsame als Ziel hat, ermöglicht ja auch im Sinne bei­spielsweise eines Stufenlehrermodells fachliche Weiterentwicklungen, Höherqualifizie­rungen, und damit könnte es uns auch in Verbindung mit einem neuen Dienstrecht nicht nur gelingen, zu einem fachlichen Schub für die Lehrer und Lehrerinnen zu kom­men, sondern auch einen Motivationsschub herzustellen, auch im Sinne der Karriere­entwicklung und der persönlichen Weiterentwicklung. Das ist das große Ziel!


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Meiner Wahrnehmung nach – und ich habe jetzt auch schon eine kleine Gruppe einge­richtet, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt, wo wir immer wieder auch disku­tieren – scheint jetzt ein guter Moment zu sein, hier entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten, da die Universitäten gerade auch dabei sind – Stichwort: Bachelor-Ausbildung, Stichwort: Master-Abschluss –, hier zu Neuordnungen zu kommen, wo man sich ja intensive Gedanken darüber machen muss, wie das im Bereich der Lehr­amtsbildung dann konkret ausschaut, und gleichzeitig aber auch die Pädagogischen Hochschulen in einer intensiven Entwicklungsphase stecken, sodass wir jetzt aus meiner Sicht idealerweise dieses und das nächste Jahr gut nützen könnten, da zu neuen Wegen zu kommen.

Ich habe daher mit großem und größtem Interesse auch die Wortmeldung von Minister Hahn zu diesem Thema zur Kenntnis genommen, der auch von einer gemeinsamen Ausbildung gesprochen hat. Mein Ziel wäre es, hier auch eine gemeinsame Arbeits­gruppe Unterrichtsministerium/Wissenschaftsministerium einzurichten, wo es aus mei­ner Sicht um drei zentrale Themen geht:

Erstens: Entwicklung von Leitlinien für die Lehramtsausbildung, die den Anforderungen einer sowohl wissenschaftsbasierten, forschungsorientierten, aber auch praxiswirksa­men LehrerInnen-Bildung entspricht, dass wir auch entsprechende berufsbiografische Curricula und pädagogische Berufsfelder entwickeln und dass wir daraus dann kon­krete Empfehlungen auch für die nächsten institutionellen Schritte ableiten. – Das wäre, wenn Sie so wollen, die nächste intellektuell zu bewältigende große Aufgabe, wo ich sehr hoffe, in Minister Hahn einen Partner auch bei diesem Thema zu finden.

Der zweite Punkt – und da ist immer die Frage: Wie geht man große Themen an? Lässt man es dabei bewenden und schaut man, ob diese Grundlagenarbeit gelingt? –, der zweite Ansatz, und dem ist auch viel abzugewinnen, gerade bei Innovationspro­zessen in Systemen, die großes Beharrungsvermögen aufweisen, ist das, was man oft „Prototyping“ nennt, nämlich einfach einmal zu beginnen mit konkreten Übungen und mit konkreten Schritten. Es gibt hier schon eine Reihe von Kooperationen zwischen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten – ich erwähne hier die Pädagogische Hochschule in Kärnten, die einen Lehr- und Forschungsverbund mit der Universität Klagenfurt etabliert hat; ich erwähne die Steiermark, auch mit koordinierten Angeboten mit der Universität Graz im Bereich Ethik, aber auch der Pädagogischen Hochschule und der Universität Wien.

Ich werde in den nächsten Tagen und Wochen intensive Gespräche führen, ob wir auf diesem Weg nicht auch ein Schnellboot starten, wo wir einmal mit konkreten Studien-„Versuchslehrgängen“ – unter Anführungszeichen – einer gemeinsamen Ausbildung beginnen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Ministerin, Sie haben die Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen angesprochen. Die laufen jetzt ein hal­bes Jahr, kann man sagen, ziemlich auf den Tag genau ein halbes Jahr.

Meine Frage: Wie beurteilen Sie den Start und die Entwicklung, was sich sowohl in den Pädagogischen Hochschulen des Bundes als auch in jenen der Kirchen tut?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das ist noch weiterzuentwickeln und zu stärken! – Wir beschäftigen uns ganz intensiv und in regelmäßigen Abständen mit den Pädagogischen Hochschulen. Auch hier haben wir das Team rund um Professor Schratz mit eingebunden, um auch Beiträge zur Organi­sationsentwicklung zu leisten. An den konkreten Punkten – ich habe einen geschildert:


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Anmeldung für Fortbildungsseminare – spüren wir dann, wo wirklich auch die Bürokra­tie zuschlägt, wo es in den Verfahrensabläufen schwierig wird.

Wir haben da also noch sehr viel an Weiterentwicklungsarbeiten zu leisten, möchte ich damit sagen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth, bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin, mei­ne ursprünglich geplante Zusatzfrage ist schon beantwortet. Deshalb stelle ich eine andere:

Können Sie sich auch vorstellen, in all Ihre Pläne die KindergartenpädagogInnen mit einzubeziehen und dabei eventuell auch das Ziel mitzuverfolgen, mehr Männer für die­sen Beruf zu gewinnen?

 


Präsident Helmut Kritzinger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Zum ers­ten Punkt: Ich betone ja auch immer: „für alle in pädagogischen Berufsfeldern Tätigen“, und das wäre für mich wirklich: gemeinsam für alle. – In diesem Sinn beantworte ich diese Frage mit einem klaren Ja.

Die zweite Frage hängt auch ganz stark damit zusammen, wie das Dienstrecht gestal­tet ist, welche Einkommensmöglichkeiten gegeben sind, hängt aber auch ganz stark mit dem Sozialprestige zusammen, das wir, das die Gesellschaft dem Lehrberuf ganz generell entgegenbringt. Auch hier sehe ich ganz großen Handlungsbedarf. Ich bin ja sehr viel auch in den Bundesländern, in den einzelnen Schulen unterwegs, spreche viel mit Lehrerinnen und Lehrern, und da ist schon auch Selbstbild und Fremdbild, Selbstvertrauen und Zuversicht ein Thema. Da haben wir sehr, sehr viel zu leisten und zu tun.

Ich erwähne da nochmals Ansätze wie die Leadership Academy, das Vernetzen als ganz, ganz wichtig. Und wir sollten schon auch überlegen – ich weiß, dass das mitun­ter auch immer wieder kritisch betrachtet wird und die Frage gestellt wird: Hat das wirk­lich diesen Effekt? –, ob nicht eine Image-Kampagne oder jedenfalls eine intensivere Beschäftigung mit der Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer auch in der Öffentlich­keit zu einer Aufwertung beitragen kann.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet: Mit welchen Maßnahmen planen Sie, jenen Diplompädagoginnen und ‑pädagogen, die schon im Berufsleben stehen, eine Höherqualifikation zum Bachelor of Education und dann weiter zum Master of Education zu ermöglichen? (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Das sind genau die Punkte, die wir jetzt ausarbeiten, da muss ich Sie noch ein bisschen ver­trösten. Aber das sind die entscheidenden Fragen, nämlich auch der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems und der Anschlussfähigkeit. Das hat auch zu tun mit Anrech­nungen, mit gegenseitigen Anerkennungsverfahren. Das sind genau die großen Aufga­ben und auch die großen Hemmnisse, wenn wir so weitermachen wie bisher.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

 


Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Kampl, bitte.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 31

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzte Frau Bundesminister! Von Ihrem Ressort wird eine hohe Verantwortung für den gesamten Bildungsbereich erwartet. Wir haben gerade erfahren, dass Sie die Zu­sammenarbeit der drei zuständigen Ministerien in Zukunft erwirken wollen.

Meine Frage: Können Sie sich gerade zur Schaffung von Synergien in der Ausbildung eine gemeinsame Ausbildung auch von Kindergarten- und AHS-Oberstufenpädagogen an den neu geschaffenen Pädagogischen Hochschulen vorstellen?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Ich möchte das jetzt noch gar nicht so unmittelbar auf die Institution bezogen beantworten, aber was den Umfang betrifft: ein klares Ja! Es geht eben genau darum, hier auch wirklich Laufbahnen zu ermöglichen, und nicht dazwischen große Mauern und Hinder­nisse zu errichten.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke schön, Frau Ministerin.

Damit ist die Fragestunde beendet. Ich bedanke mich bei Ihnen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten von ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehö­rigkeit.)

10.34.38Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortung 2391/AB und der Schreiben des Generalsekre­tärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll mit der Organisa­tion der erdölexportierenden Länder zur Änderung des Abkommens über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder beziehungsweise

die Vollmacht zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des Zwi­schenstaatlichen Verhandlungsgremiums über ein Protokoll betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen und

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Sechsten Zusatzvertrag zum Vertrag mit dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Bezie­hungen beziehungsweise

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag mit der Tsche­chischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages mit der Tsche­chischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 sowie

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit der Islami­schen Republik Pakistan und der Republik El Salvador sowie dem Königreich Bahrain über die Förderung und den Schutz von Investitionen und

des Schreibens des Vizekanzlers und Bundesministers für Finanzen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluss eines weiteren Abkommens zur befristeten Weiteranwendung des am 4. Oktober 1954 abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 32

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung siehe S. 9.

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Anlage 1:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                   Wien, am 18. Februar 2008

GZ: BMeiA-W2.8.33.02/0002-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 23. Jänner 2008 (Pkt. 66 des Beschl.Prot. Nr. 40) der Herr Bundespräsident am 25. Jänner 2008 die Vollmacht zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des Zwi­schenstaatlichen Verhandlungsgremiums über ein Protokoll betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen erteilt hat. Die Auf­nahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-W2.4.36.22/0004-IV.3/2008

Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs;

Protokoll betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabak­erzeugnissen;

Zwischenstaatliches Verhandlungsgremium;

österreichische Delegation

Vortrag an den Ministerrat

Das Anfang Juli 2007 in Bangkok abgehaltene 2. Treffen der Konferenz der Vertrags­parteien des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakge­brauchs (Tabakrahmenübereinkommen, BGBI. III Nr. 219/2005) hat innerhalb eines umfangreichen Arbeitsprogramms die Einsetzung eines Zwischenstaatlichen Verhand­lungsgremiums beschlossen. Die Aufgabe dieses Gremiums ist es, zur Konkretisierung von Art. 15 des Tabakrahmenübereinkommens ein Protokoll betreffend Maßnahmen


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 33

zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen auszuarbeiten. Inhalt­liche Vorgaben hiezu wurden im Rahmen einer kleineren Expertengruppe, die seit dem 1. Treffen der Konferenz der Vertragsparteien getagt hatte, erarbeitet. Die Verhandlun­gen im Rahmen des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums sind vorerst auf drei Runden angelegt, deren erste voraussichtlich vom 11.-16. Februar 2008 in Genf statt­finden wird. Ort und Daten der folgenden Verhandlungsrunden werden zu einem späte­ren Zeitpunkt festgelegt werden. Nach den derzeitigen Vorstellungen sollen die Ver­handlungen bis zum 4. Treffen der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenüber­einkommens (voraussichtlich 2010) abgeschlossen sein und das Protokoll zur An­nahme bzw. Unterzeichnung aufgelegt werden.

Zur Vertretung der Interessen Österreichs an den Beratungen und Beschlussfassun­gen im Rahmen der Tagungen des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums ist die Entsendung einer Delegation vorgesehen, deren Leitung in Hinblick auf die zu re­gelnde Materie zweckmäßigerweise beim Bundesministerium für Finanzen liegen soll.

Für diese Delegation ist daher folgende Zusammensetzung in Aussicht genommen:

Ministerialrat Dr. Herwig HELLER                                    Bundesministerium für Finanzen

Delegationsleiter

Botschafter Dr. Christian LASSMANN                          Bundesministerium für europäische

stv. Delegationsleiter                                                               und internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Dr. Johanna SCHOPPER                     Bundesministerium für Gesundheit,

                                                                                                         Familie und Jugend

Mag. Claudia RAFLlNG                                                        Bundesministerium für Gesundheit,

                                                                                                        Familie und Jugend

Mag. Johannes GASSER                                                   Bundesministerium für Justiz

Gesandte Mag. Christina KOKKINAKIS                        Ständige Vertretung Österreichs

                                                                                                        bei den Vereinten Nationen und

                                                                                                        den Spezialorganisationen in Genf

Gesandter Dr. Helmut FRIZA                                             Ständige Vertretung Österreichs

                                                                                                        bei den Vereinten Nationen und

                                                                                                        den Spezialorganisationen in Genf

Außerdem werden der Delegation erforderlichenfalls und im unbedingt notwendigen Ausmaß noch weitere Experten/innen aus den sachlich betroffenen Bundesministerien angehören.

Die mit der Entsendung dieser Delegation verbundenen Kosten finden für die anreisen­den Mitglieder in den entsprechenden Budgetansätzen der entsendenden Ressorts ihre Bedeckung.

Im Einvernehmen mit dem Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen, der Bundes­ministerin für Gesundheit, Familie und Jugend sowie der Bundesministerin für Justiz stelle ich daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zur Teil­nahme an den Beratungen und Beschlussfassungen des Zwischenstaatlichen Ver­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 34

handlungsgremiums über ein Protokoll betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tabakerzeugnissen zu bevollmächtigen.

Wien, am 17. Jänner 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Anlage 3:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                   Wien, am 28. Februar 2008

                                                                                                 GZ: BMeiA-02.8.33.02/0002-1.2a12008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 23. Jänner 2008 (Pkt. 61 des Beschl.Prot. Nr. 40) der Herr Bundespräsident am 25. Jänner 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Repu­blik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexpor­tierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-02.8.19.03/0005-1.2/2007

Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportieren­den Länder zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölex­portierenden Länder (OPEC) über den Amtssitz der Organisation der erdölexportie­renden Länder (OPEC-Amtssitzabkommen), BGB!. Nr. 382/1974 idgF, enthält in Art. 2


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 35

Abs. 1 die Verpflichtung Österreichs, der OPEC einen geeigneten Platz als dauernde Amtssitzliegenschaft zur Verfügung zu stellen.

Nunmehr ist in Aussicht genommen, der OPEC als dauernden Amtssitz ein zu errich­tendes Gebäude auf der Liegenschaft Wien 1., Wipplingerstraße 33 zur Verfügung zu stellen. Die OPEC wird das Gebäude von einem privaten Vermieter mieten, der Ent­wurf des Mietvertrags wurde von der Finanzprokuratur begutachtet und deren Emp­fehlungen in dessen Endfassung berücksichtigt. Die Republik Österreich wird der OPEC, so wie bisher, die Mietkosten erstatten, wobei die sich aus dem Objektwechsel für 2008 ergebenden Mehrkosten seitens des BMeiA durch Prioritätensetzung im Kapi­tel 20 (,Äußeres‘) sichergestellt werden können. Die ab 2009 voraussichtlich erforderli­chen Mehrkosten (etwa € 300.000,-- jährlich) werden im Rahmen der nächsten Budget­verhandlungen Berücksichtigung finden.

Die bestehende Beteiligung der Stadt Wien an den Mietkosten in Höhe von 50 Prozent soll auch nach dem Objektwechsel aufrecht bleiben und entsprechend erhöht werden; diesbezüglich gibt es bereits politische Zusagen der Stadt Wien, die in nächster Zeit formalisiert werden sollen.

Die Schaffung eines dauernden Amtsitzes der OPEC hat zur Folge, dass die derzeit im OPEC-Amtssitzabkommen enthaltene Regelung über den vorläufigen Amtssitz der OPEC aus diesem Abkommen entfernt werden muss; gleichzeitig sollen noch andere Anpassungen (insbesondere Entfall der Bezugnahmen auf die Währung ,Schilling‘) vorgenommen werden.

Für die Verhandlungen über ein Änderungsprotokoll zum OPEC-Amtssitzabkommen wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Helmut Tichy, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten; Delegationsleiter

Legationsrätin Mag. Karin Lauritsch, Bundesministerium für europäische und internatio­nale Angelegenheiten

Das Protokoll wird gesetzändemden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder zu bevollmächtigen.

Wien, am 17. Jänner 2007

PLASSNIK m.p.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 36

Anlage 4:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                             17. März 2008

                                                                                                  GZ. BMeiA-VA.8.33.02/0001-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 27. Februar 2008 (Pkt. 17 des Beschl.Prot. Nr. 44) der Herr Bundespräsident am 5. März 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Sechsten Zusatzvertrag zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrags an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-VA.8.19. 03/0005-1.2/2008

Sechster Zusatzvertrag zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heili­gen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Grundlage für die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen der Republik Ös­terreich und der Katholischen Kirche ist der Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen (BGBl. Nr. 195/1960). Zum Zwecke der Wertsicherung sind die in diesem Vertrag vorgese­henen Leistungen seit 1960 durch den Abschluss von insgesamt fünf Zusatzverträ-
gen angepasst worden. Der Fünfte Zusatzvertrag wurde 1995 abgeschlossen (BGBl. Nr. 609/1996). Im Hinblick auf die seit 1995 eingetretene Steigerung des Verbraucher­preisindexes um mehr als 20 Prozent, ein Wert, der bereits 2006 erreicht wurde, ist die Apostolische Nuntiatur mit Verbalnote vom 7. Dezember 2007 an das BMeiA mit dem Vorschlag herangetreten, in neuerliche Verhandlungen über eine Anpassung der all­jährlichen Leistungen der Republik Österreich an die Katholische Kirche einzutreten.

Diese Verhandlungen sollen zum Abschluss eines Sechsten Zusatzvertrages zum Ver­trag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von ver­mögensrechtlichen Beziehungen führen.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 37

Für die Verhandlungen wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht ge­nommen:

Botschafter Dr. Helmut Tichy                                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                             internationale Angelegenheiten

Ministerialrat Mag. Oliver Henhapel                        Leiter der Kultusamtes,

                                                                                               Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                               und Kultur

Ministerialrat Dr. Otto-Peter Werner                       Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                               und Kultur

Hans-Georg Kramer                                                     Mitglied des Kabinetts des Vizekanzlers,

                                                                                               Bundesministerium für Finanzen

Legationssekretär Mag. Gregor Csörsz               Bundesministerium für europäische und

                                                                                               internationale Angelegenheiten

Der Sechste Zusatzvertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und da­her der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über den Sechsten Zusatzvertrag zum Vertrag zwischen der Republik Ös­terreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen zu bevollmächtigen.

Wien, am 21. Februar 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Anlage 5:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                             17. März 2008

                                                                                               GZ. BMeiA-CZ.8.33.02/0003-1.2a12008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 27. Februar 2008 (Pkt. 19 des Beschl.Prot. Nr. 44) der Herr Bundespräsident am 5. März 2008 die


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 38

Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der Repu­blik Österreich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmög­lich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrags an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-CZ.4.36.11/0004-IV.2b/2008

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über Än­derungen des Verlaufes der gemeinsamen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Mit dem gegenständlichen Vertrag soll der Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik in den Grenzab­schnitten X und XI und der im Betreff genannte Staatsgrenzvertrag geändert werden. Ein Entwurf für einen solchen Grenzänderungsvertrag wurde bereits von der Ständigen Österreichisch-Tschechischen Grenzkommission erstellt.

Im Grenzabschnitt X wurde mit den Bauarbeiten zur Errichtung des rechtsufrigen Thayadammes im Jahr 1982 begonnen und diese im Jahre 1986 beendet. Der rechts­ufrige Damm oberhalb des Grenzpunktes XI soll gegen Überuferungen des Flusses schützen. Betroffen sind ca. 60 ha landwirtschaftliche Flächen auf tschechischem Ge­biet und 50 ha auf österreichischem Staatsgebiet. Der Hochwasserschutzdamm wurde im Wesentlichen auf tschechischem Staatsgebiet situiert. Um eine deutliche Erkenn­barkeit des Verlaufes der Staatsgrenze sowie eine sinnvolle Bewirtschaftung von land­wirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen, soll die Staatsgrenze auf die Dammkrone ver­legt werden.

Im Bereich des Grenzabschnittes XI wurde eine Regulierung der Thaya vorgenommen. Die Bauarbeiten wurden in den Jahren 1979 bis 1987 durchgeführt. Die damalige Ös­terreichisch-Tschechoslowakische Grenzgewässerkommission hat gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. o hres Statutes (BGBl Nr. 106/1970) beschlossen, dass bis zum In-Kraft-Treten eines Vertrages über die Verlegung der Staatsgrenze in das regulierte Gerinne die durch die Regulierung abgetrennten Gebietsteile des einen Staates vom anderen Staat unentgeltlich genützt werden dürfen. Die Staatsgrenze ist im Sinne von Art. 3 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 (BGBl. Nr. 344/1975 bzw. BGBl. III Nr. 112/2004) nicht diesen künstlichen Veränderungen der Lage des Flusses gefolgt sondern schneidet das Fluss­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 39

bett mehrfach. Um eine deutliche Erkennbarkeit des Verlaufes der Staatsgrenze sowie eine sinnvolle Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen er­scheint es notwendig, die Staatsgrenze in das neue Flussbett zu verlegen, wobei der Charakter der Beweglichkeit (Art. 3 Abs. 2 des vorzit. Vertrages) beibehalten werden soll.

Von der damaligen ,Ständigen österreichisch-tschechoslowakischen Grenzkommissi­on‘ wurde eine Vermessung der Grenzstrecke der regulierten Thaya durchgeführt und ein Flächenverzeichnis sämtlicher Staatsgebietsteile, die durch die Regulierungen ab­getrennt worden sind, erstellt. Die Gesamtflächendifferenz beträgt 234 m2. Die Grenz­kommission hat beschlossen, diese Flächendifferenz im Bereich des Thayadammes auszugleichen und die Grenzänderungen im Bereich der regulierten Thaya und des Thayadammes in einem eigenen Grenzänderungsvertrag zu behandeln. Die Grenzän­derungen erfolgen daher insgesamt flächengleich. Auf österreichischer Seite sind die vom Eigentumsübergang betroffenen Gebietsteile von den Eigentümern vertraglich an den Bund gegen Entgelt abgetreten worden. Die Grenzänderungsfälle betreffen aus­schließlich das Land Niederösterreich.

Der Vertrag wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Geneh­migung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafterin Dr. Margot Klestil-Löffler, und im Falle ihrer Verhinderung Gesandte Mag. Adelheid Folie, zur Leitung der Verhandlungen über den Vertrag zwischen der Republik Öster­reich und der Tschechischen Republik über Änderungen des Verlaufes der gemein­samen Staatsgrenze in den Grenzabschnitten X und XI sowie über Änderungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Vertrages vom 26. Oktober 2001 zu bevollmächtigen.

Wien, am 21. Februar 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Anlage 6:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                             20. März 2008

                                                                                                  GZ: BMeiA-PK.8.33.02/0002-I.2a/2008


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 40

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 5. März 2008 (Pkt. 31 des Beschl.Prot. Nr. 45) der Herr Bundespräsident am 11. März 2008 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA.PK-3.19.25/0001-III.3b/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, öster­reichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi­ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellen­länder an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die Zuständigkeit zum Abschluss derartiger Abkommen auf die EU über­gehen. Es gilt daher, den derzeitigen Vertragsbestand zu bereinigen und Verhand­lungsprozesse abzuschließen, beziehungsweise Neuverhandlungen dort zu beginnen, wo eine Vertiefung der in wechselseitigem Interesse gelegenen Wirtschaftsbeziehun­gen ebenso wie die Verfolgung konkreter Anliegen im Rahmen der Entwicklungszu­sammenarbeit geboten erscheint.

Die Islamische Republik Pakistan hat schon vor längerer Zeit den Abschluss eines Investitionsschutzabkommens vorgeschlagen. Eine entsprechende Verhandlungsvoll­macht wurde bereits erteilt (vgl. Pkt. 25 des Beschl.Prot. Nr. 63 vom 3. Juli 2001). Auf­grund personeller Veränderungen ist nun eine neue Verhandlungsdelegation in Aus­sicht genommen, der Vertreter/innen des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesmi­nisteriums für Wirtschaft und Arbeit und der Wirtschaftskammer Österreich angehören.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 41

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Rudolf Lennkh, und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Marcus Berg­mann, zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Islamischen Republik Pakistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 28. Februar 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Anlage 7:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                             20. März 2008

                                                                                                 GZ: BMeiA-SV .8.33.02/0001-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 5. März 2008 (Pkt. 30 des Beschl.Prot. Nr. 45) der Herr Bundespräsident am 11. März 2008 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik EI Salvador über die Förderung und den Schutz von In­vestitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-SV.3.19.25/0001-III.3b/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik EI Salvador über die Förderung und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 42

Vortrag an den Ministerrat

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, öster­reichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi­ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellen­länder an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die Zuständigkeit zum Abschluss derartiger Abkommen auf die EU über­gehen. Es gilt daher, den derzeitigen Vertragsbestand zu bereinigen und Verhand­lungsprozesse abzuschließen, beziehungsweise Neuverhandlungen dort zu beginnen, wo eine Vertiefung der in wechselseitigem Interesse gelegenen Wirtschaftsbeziehun­gen ebenso wie die Verfolgung konkreter Anliegen im Rahmen der Entwicklungszu­sammenarbeit geboten erscheint.

Die Republik EI Salvador hat schon vor längerer Zeit den Abschluss eines Investitions­schutzabkommens vorgeschlagen. Eine entsprechende Verhandlungsvollmacht wurde bereits erteilt (vgl. Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 101 vom 11. Juni 2002). Aufgrund per­soneller Veränderungen ist nun eine neue Verhandlungsdelegation in Aussicht genom­men, der Vertreter/innen des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und der Wirtschaftskammer Österreich angehören.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Rudolf Lennkh, und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Marcus Berg­mann, zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Republik EI Salvador über die Förderung und den Schutz von Inves­titionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 28. Februar 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Anlage 8:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 43

Herrn

Präsident des Bundesrats

Helmut KRITZINGER

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                             20. März 2008

                                                                                                  GZ: BMeiA-BH.8.33.02/0001-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 5. März 2008 (Pkt. 33 des Beschl.Prot. Nr. 45) der Herr Bundespräsident am 11. März 2008 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Bahrain über die Förderung und den Schutz von Inves­titionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

*****

BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-BH.3.19.25/0001-III.3b/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Bahrain über die Förderung und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, öster­reichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi­ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellen­länder an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die Zuständigkeit zum Abschluss derartiger Abkommen auf die EU über­gehen. Es gilt daher, den derzeitigen Vertragsbestand zu bereinigen und Verhand­lungsprozesse abzuschließen, beziehungsweise Neuverhandlungen dort zu beginnen, wo eine Vertiefung der in wechselseitigem Interesse gelegenen Wirtschaftsbeziehun­gen ebenso wie die Verfolgung konkreter Anliegen im Rahmen der Entwicklungszu­sammenarbeit geboten erscheint.

Das Königreich Bahrain hat im Mai 2007 den Wunsch nach Abschluss eines Inves­titionsabkommens geäußert. Als Ergebnis eines interministeriellen Koordinations­prozesses unter Beiziehung der Interessensvertretungen wurde der Abschluss eines derartigen Abkommens als wichtig eingestuft.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 44

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden Vertreter/innen des Bundesmi­nisteriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministe­riums für Finanzen, des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit und der Wirtschafts­kammer Österreich angehören.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Rudolf Lennkh, und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Marcus Berg­mann, zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und dem Königreich Bahrain über die Förderung und den Schutz von Investi­tionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 28. Februar 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Schreiben des Vizekanzlers und Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Anlage 2:

„Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer

Bundesminister für Finanzen

BUNDESMINISTERIUM

FÜR FINANZEN

Herrn Präsident des

Bundesrates

Helmut Kritzinger

Parlament

1017 Wien                                                                                                   Wien, am 27. Februar 2008

                                                                                                            GZ: BMF-010221/0468- IV/4/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 41. Sitzung des Ministerrates am 30. Jänner 2008 Ver­handlungen mit der Bundesrepublik Deutschland zum Abschluss eines Abkommens zur befristeten Weiteranwendung des zwischen der Republik Österreich und der Bun­desrepublik Deutschland am 4. Oktober 1954 abgeschlossenen Abkommens zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern aufgenom­men wurden.

Aus Anlass der Abschaffung der österreichischen Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde von deutscher Seite das österreichisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkom­men auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern aus Furcht vor rechtspolitisch uner­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 45

wünschter Steuerflucht deutscher Staatsangehöriger nach Österreich mit Wirkung ab 1. Jänner 2008 gekündigt (vgl. BGBI. III Nr. 116/2007). Durch die Kündigung des DBA fällt somit ab 1. Jänner 2008 die steuerliche Abschirmwirkung gegenüber Deutschland weg. Da aber die österreichische Erbschaftssteuer erst mit Ende Juli 2008 ausläuft, wird bei Erbanfällen während dieses Interimszeitraums grundsätzlich eine Doppelbe­steuerung ausgelöst. Die deutsche Seite hat jedoch bereits Kompromissbereitschaft signalisiert, durch eine "Verlängerung" des Abkommensschutzes bis zum Auslaufen der österreichischen Erbschaftsbesteuerung diese Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt ist die Jahresvorschau 2008 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates, die dem Finanzausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Des Weiteren ist die Jahresvorschau des BMLFUW 2008 auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des operativen Jah­resprogramms des Rates eingelangt, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Was­serwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt sind der Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unter­nehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2006/07) und der Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitsprogramm 2008, die jeweils dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Überdies ist der Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2008 und zum Achtzehnmonatsprogramm des Ra­tes für 2007/2008 eingelangt, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vor­beratung zugewiesen wurde.

Ebenfalls eingelangt ist die Jahresvorschau des BMWF 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Arbeitspro­gramms des Rates, die dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zur Vorbera­tung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist die Jahresvorschau des BMGFJ 2008 auf der Grundlage des Le­gislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2008, des Achtzehnmonatspro­gramms der deutschen, portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft sowie des 6-monati­gen Schwerpunktprogramms des slowenischen Vorsitzes eingelangt, die dem Gesund­heitsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Gleichfalls eingelangt ist die Jahresvorschau des BMJ 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Ratspräsidentschaftsprogramms Sloweniens für den Bereich Justiz und Inneres, die dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ferner ist die Jahresvorschau des BMSK 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2008 sowie des Achtzehnmo­natsprogramms des Rates/Vorsitz Slowenien beziehungsweise Ausblick auf den fran­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 46

zösischen Vorsitz eingelangt, die dem Ausschuss für Soziales und Konsumenten­schutz zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Genauso ist der Bericht des Bundesministers für Inneres an das österreichische Par­lament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 und zum Acht­zehnmonatsprogramm des deutschen, portugiesischen und des slowenischen Vor­sitzes eingelangt, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Außerdem ist die Jahresvorschau des BMVIT 2008 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates eingelangt, die dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Schließlich ist auch der Bericht des Bundesministeriums für europäische und inter­nationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament betreffend EU-Arbeitspro­gramm 2008 eingelangt, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vor­beratung zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 10 und 11 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.41.041. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künst­ler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird (414 d.B. und 459 d.B. sowie 7896/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.

 


10.41.15

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Bundesräte! Es liegt uns der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozial­versicherung geändert wird, vor.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 47

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Breiner. Ich erteile ihm dieses.

 


10.42.13

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! So sehr wir die Verän­derungen im Bundesministerium schätzen – mit der vorliegenden Gesetzesvorlage sind wir nicht einmal zufrieden.

Wir und nicht nur wir, sondern auch die KünstlerInnen in Österreich, sehen dieses Ge­setz als den falschen Ansatz an. Er hilft nicht dort, wo er helfen sollte, nämlich bei der tatsächlichen sozialen Absicherung der Künstlerinnen und Künstler. Viele der Künstle­rInnen und Kunstschaffenden haben keinen Anspruch auf Krankengeld, sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Und viele der KünstlerInnen leben unter der Ar­mutsgrenze.

Wir haben im Ausschuss nachgefragt: 6 900 Künstlerinnen und Künstler nehmen das bestehende Gesetz in Anspruch; jene unter der Grenze der 3 500 € kommen darin nicht einmal vor. Wir fordern daher, dass es ein zeitgemäßes Gesetz zur sozialen Ab­sicherung von Künstlerinnen und Künstlern geben soll.

Kunst braucht Zeit, das ist nichts Neues. Sie soll durch die Tätigkeit Konfrontation schaffen mit unserer realen Wirklichkeit. Das geht natürlich nicht von heute auf mor­gen. Und genau in dieser Zeit, die Künstlerinnen und Künstler brauchen, sind sie ohne Versorgung, ohne Einkommen und, wie wir wissen, wenn es eben unter die Grenze von 3 500 € geht, überhaupt ohne jede Hilfe (Bundesrat Mayer: Sozialhilfe!), Sozial­hilfe, auch vom Einkommen her.

Wenn sie aber durch diese Phase durchkommen, dann sind wir natürlich stolz auf die österreichischen Künstlerinnen und Künstler, und das zu Recht. Ohne ihre musischen Fähigkeiten – und das betrifft nicht nur die Schulen, sondern auch unsere gesamte Ge­sellschaft – wäre unsere Gesellschaft weder liberal, noch aufgeklärt.

Wir haben im Parlament eine Initiative eingebracht, die den Künstlerinnen und Künst­lern eine monatliche Absicherung von 900 € garantieren soll, sofern sie nicht durch eigenes Einkommen erreicht wird. Diese 900 € Einkommen inkludieren natürlich Sozi­alversicherungsabgaben, Pensionsversicherungsabgaben, sodass Künstlerinnen und Künstler auch einen Anspruch aus diesen erwarten können.

Dieses Gesetz, das es heute zu ändern gilt, hat diesen Anspruch nie erreicht. Der Ge­danke dahinter kommt aus einer schwarz-blauen Regierung. Und was uns wirklich sehr verwundert, ist, dass es hier zwar Verbesserungen gibt – klarerweise, das sei einge­standen –, dass aber der Inhalt und der Gedanke dieses Gesetzes nicht geändert wor­den sind, wobei Sie bereits im Frühjahr 2007 eine Veränderung zumindest der Einkom­mensgrenze angekündigt haben.

Die Künstlerinnen und Künstler in Österreich haben auf diese Veränderungen gehofft, ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt. Wir wissen, der Kulturrat hat protestiert, es hat Demos gegeben, aber keine Veränderung.

Was ein weiterer, fast erschütternder Punkt ist, ist der veraltete Kunstbegriff, der die­sem Gesetz innewohnt, der sich an der Qualität der Werke orientiert. Es kann doch nicht sein, dass es ein Gremium gibt, das über den Wert der Kunst entscheidet. Inter­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 48

national gesehen kostet das viele Kunstexperten und mit der Kunstszene Vertraute nur mehr ein Lächeln. Es ist aber in Wirklichkeit schlicht und einfach peinlich.

Die Korrektur, die hier beschlossen wird, stellt keine befriedigende Lösung dar. Ich hof­fe – ich bin mir fast sicher –, dass es nicht die letzte Debatte sein wird, die wir darüber führen werden. Der Kompromiss, der dabei herausgekommen ist, mag im Rahmen die­ses Gesetzes gerade noch durchgehen. Einer sozialen Absicherung der Künstlerinnen und Künstler, die wir meines Erachtens dringendst benötigten, kommt es in keiner Weise nahe. Daher werden wir diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben. (Bei­fall bei den Grünen.)

10.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hladny. Ich erteile ihr dieses.

 


10.47.51

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Wir ÖsterreicherInnen können stolz sein auf unser Land, denn wir sind reich an Vielfalt von Künstlerinnen und Künstlern sowie an Vielfalt von Kulturinitiativen.

Aber gerade die meisten Künstler gehören nicht zu jenem Personenkreis, die mit Ein­kommen gesegnet sind, obwohl sie eine hohe Qualität an Kunst vermitteln und daher entsprechend sozialversicherungsmäßig abgesichert werden müssten.

Die freien Künstler bräuchten ein gutes soziales Netz, das ihnen die Freiheit und Si­cherheit garantiert, unabhängig arbeiten zu können. Künstler dürfen nicht in die Rolle der Bittsteller gedrängt werden.

Die Novelle des vorliegenden Gesetzes stellt einen großen Schritt in die richtige Rich­tung dar. Eine der wesentlichen Maßnahmen betrifft unter anderem die Kranken- und Unfallversicherung. Bisher konnte der Künstler-Sozialversicherungsfonds nur Zuschüs­se zur Pensionsversicherung der selbständigen Künstler leisten. Künftig erfolgt eine Er­weiterung auch auf die Zuschüsse zur Kranken- und Unfallversicherung.

Künstler mit niedrigem Einkommen werden damit auch den Höchstzuschuss von 1 026 € beziehen können. Weiters werden Regelungen getroffen, um bestehende Här­tefälle zu lösen und Rückforderungen in Zukunft nicht nur aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel zu betrachten, sondern auch die soziale Komponente zu berücksichtigen, das heißt, dass nicht gleich alles auf einmal zurückgezahlt werden muss, sondern nur jener Betrag, der über- oder unterschritten wurde.

Frau Bundesministerin Schmied und ihrem Team ist es gelungen, dieses Gesetz so zu reformieren, dass es für die Kunstschaffenden in unserem Land, die es nötig haben, eine echte soziale Unterstützung darstellt.

Die bisherige Gesetzeslage wurde in vielen Bereichen optimiert, ohne dass dadurch den Gemeinden und Ländern mehr Kosten entstehen.

Auch die Sorgepflicht für Kinder ist ein wesentlicher Aspekt, um Frauen in der Kunst wirksam zu unterstützen und um natürlich auch die Vereinbarkeit von Beruf und Fa­milie für Frauen und Männer, die künstlerisch tätig sind und in Partnerschaft leben, zu verbessern.

Die Neuregelung des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes löst mit deutlicher sozialdemokratischer Handschrift ein wesentliches Problem für freischaffende Künstler. Deshalb wird meine Fraktion dieser Gesetzesänderung die Zustimmung erteilen. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.50



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 49

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm dieses.

 


10.50.58

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzte Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Kollege Breiner, wir sind, glaube ich, bezüglich Künst­ler schon zum Teil einer Meinung, und zwar, dass die Künstler ein Mindesteinkommen haben sollten. Als Hauptschuldirektor im Waldviertel sind Sie sicher auch damit bewan­dert und wissen, worum es geht, aber die Frage ist ja: 900 € monatlich. Ich würde mich dazu bekennen, aber, lieber Kollege, ohne Leistung kann es ja auch nicht sein. Gleich­zeitig müsste man also einen Mindeststandard einführen, wo man auch Leistungen er­bringen muss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich hatte und hat im Laufe der Geschichte wohl die berühmtesten Künstler weltweit; ich denke an Mozart, Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Hermann Nitsch, Klimt oder Schiele.

Wir wissen, weltweit wird diese Diskussion bezüglich Klimt und Schiele geführt, denen wir hohe Anerkennung zollen, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir ha­ben auch andere Künstler. Für viele dieser Künstler hat es zur damaligen Zeit ein Nichts bedeutet, Künstler zu sein. Das war das Problem! Heute, wo die Künstler zum Teil nicht mehr unter uns sind, wissen wir, dass sie Großes für unser Land, für die Reputation Österreichs geschaffen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir das Problem der jungen Künst­ler. Ich spreche nicht von ungefähr, in meiner Gemeinde bemühen sich jährlich Künst­ler, rund um den Dom, wo 250 000 Besucher jährlich sind, eine Ausstellung zu ergat­tern.

Diese Leute sind zum Teil nicht einmal in der Lage, eine Postwurfsendung mit dem In­halt zu machen, wann ihre Ausstellung eröffnet wird. Ich schätze es, Frau Bundes­minister, dass nun Möglichkeiten geschaffen werden, jenen zu helfen, die auch Hilfe brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Pensionsbeiträge, Rückzahlungen für den Künstler-Sozialversicherungsfonds sind auch im Gesetz vorgesehen, aber – Kollege Breiner, da sind wir einer Meinung – es gibt zum Teil Künstler, die begabt, aber noch kaum bekannt sind, und niemand hilft ihnen. Ich sage Ihnen, dass sich durch das neue Gesetz – und das neue Gesetz ist meiner Meinung nach nicht so gut ausgearbeitet – auch jene, die wirklich ganz bescheiden sind, eine Hilfe erwarten. Wenn ich mir die Lebensverhältnisse solcher Künstler anschaue, die unter der Armutsgrenze leben, so sind die wirklich so, dass ich als Bürgermeister sagen muss, ich versuche immer, eine Hilfestellung zu geben. So wird es auch anderen Bürgermeistern gehen. Hier jedoch eine gesetzliche Regelung in dieser Art zu schaffen – Frau Bundesminister, ich habe mir das Gesetz durchgelesen –, das wird nicht ausreichen.

Und weil es nicht ausreicht, dass für viele betroffene Künstler das tägliche Leben gesi­chert ist, werde ich derzeit diesem Gesetz keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

10.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses.

 


10.55.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Breiner, in einer Sache gebe ich dir recht:


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 50

dass es eine schwierige Gesetzeslage ist. Das kann ich nachvollziehen, weil die Dis­kussionen im Vorfeld schon gezeigt haben, dass der Bereich Kunst und Kultur nicht von jedem im gleichen Rahmen gesehen wird und nicht mit der gleichen Akzeptanz ausgestattet ist wie manchmal erforderlich. Aber Kultur in all ihren Facetten hat in vielen Bevölkerungsschichten einen hohen Stellenwert; auch die Geschichte bestätigt das. Kollege Kampl hat ja bereits einige hervorragende österreichische Künstler aufge­zählt – das kann ich mir also ersparen –, die man auf der ganzen Welt kennt und die auch anerkannt sind. Deshalb hat die Kulturpolitik in unserer Partei auch einen ent­sprechenden Stellenwert. Wir fördern in dem Maße, wie es erforderlich und notwendig ist.

Aber da muss ich Ihnen schon gewaltig widersprechen, denn die Intentionen, die Sie uns hier erzählt haben, gehen an der Materie vorbei. Mit diesem Gesetz wurde bereits im Jahre 2000 ein entsprechender Ausgangspunkt unter dem damaligen Staatssekre­tär und Insider Franz Morak geschaffen, der ja wirklich ein Kenner der Materie ist. Auf­bauend auf dieser Grundlage, die wir damals geschaffen haben, kann man heute das Ganze ausweiten und Möglichkeiten für eine weitere soziale Absicherung von Künstle­rInnen finden.

Es sind, lieber Kollege Breiner, doch wesentliche Verbesserungen; deswegen müssen wir, glaube ich, gemeinsam noch einmal das Gesetz durchlesen, denn dann kommen wir vielleicht auf den gleichen Level, weil, basierend auf dem Gutachten von Dr. Mazal, diese Verbesserungen in diese Gesetzesmaterie mit eingeflossen sind. Kollegin Hladny hat es auch schon ausgeführt: Die zu gewährenden Zuschüsse gelten nun auch für die Kranken- und Unfallversicherung. Das ist aus meiner Sicht einer der ganz wesentlichen Punkte und auch für mich als ArbeitnehmerInnenvertreter ein wichtiger Aspekt, dass hier eine ganze Berufsgruppe eine adäquate soziale Absicherung er­reicht, wie dies auch bei anderen Berufstätigen selbstverständlich ist.

KünstlerInnen mit niedrigem Einkommen werden dazu auch den Höchstzuschuss aus dem Sozialversicherungsfonds von 1 026 € beziehen können. Du (in Richtung des Bundesrates Breiner) hast eben gesagt, Kunst braucht auch Zeit. – Aber die Politik braucht auch Zeit, um entsprechende Maßnahmen zu überlegen, um Maßnahmen um­zusetzen.

Es gibt fünf wesentliche Punkte, die in diesen Gesetzestext mit eingeflossen sind. Un­ter anderem werden bei den Mindesteinkommen auch Stipendien und Förderungsprei­se berücksichtigt, wobei ich der Auffassung bin, eine Erwerbstätigkeit, die im Jahr nicht mehr als 3 758 € ausmacht – das ist die genau Zahl, nicht 3 500 € –, ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Da gebe ich Ihnen recht.

Was sind heute noch monatlich 313 €? – Diese Grenze ist aber auch bewusst tief ge­zogen und definiert sich sozusagen auch über die Phrase – und ich möchte das wirk­lich unter Anführungszeichen setzen – „brotlose Kunst“.

Bei den Sorgepflichten für Kinder werden die Obergrenzen entsprechend erhöht. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Künstlerbereich.

Bei einer unterjährigen Tätigkeit kommt es zu einer Aliquotierung der Einkommen bei der Untergrenze, die Obergrenze wird hingegen der Wertsicherung unterzogen.

Ein wichtiger Punkt zum Schluss: Bei den Rückforderungsansprüchen – das ist auch ein wesentlicher Aspekt – werden die sozialen Aspekte mit einbezogen, um Härtefälle zu vermeiden.

Kollege Breiner, wir sprechen uns auch ganz klar dagegen aus, dass im Rahmen die­ser Künstlerversicherung eine von eurer Partei, von den Grünen, geforderte Grund­sicherung von 900 € eingeführt wird, weil dies auch eine massive Ungleichbehandlung


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 51

anderer ArbeitnehmerInnen bedeuten würde. Wenn wir jetzt überall diese Mindestsi­cherung diskutieren, die weit, weit darunter liegt, im Bereich von 750 € – die endgültige Zahl wird ja noch festgelegt –, so sind diese 900 € eine wesentliche Ungleichbehand­lung. Dann kommt schnell einmal der Begriff des Staatskünstlers auf. Und neben der Problematik der Administrierbarkeit wehre ich mich auch gegen diese Abqualifizierung, gegen diese Punzierung des Staatskünstlers. Das wollen wir nicht.

Der österreichische Kulturrat, Herr Kollege Breiner, hat Ihrem Grundsicherungsmodell außerdem eine Absage erteilt. Das haben Sie schon mitbekommen, oder? Und der Kulturbeirat ist ja nicht irgendjemand vom Salzamt oder sonst irgendein Gremium, son­dern er befasst sich wirklich mit den Kulturschaffenden. Deshalb ist eure vorliegende Fassung nicht erstrebenswert und auch nicht zielführend, wobei zu sagen ist, dass der Kulturrat sich schon auch ein bisserl verirrt hat in dieser Materie, denn er hat, glaube ich, dieses Gesetzeswerk zum Großteil auch abgelehnt. Darüber kann man denken, was man will – hier sind vielleicht noch ein paar künstlerische Nachhilfestunden erfor­derlich.

Bisher wurden an die Künstlerinnen und Künstler im Rahmen dieser besonderen För­derungen insgesamt 30 Millionen € ausbezahlt, und das ist kein Pappenstiel. Am Ran­de darf ich erwähnen, dass dieser Betrag eben aus den Beiträgen der Kabel- und Sa­tellitenbetreiber kommt, somit für mich eine gerechte soziale Umverteilung zugunsten der KünstlerInnen darstellt; er ist nicht aus dem laufenden Kulturbudget zu berappen. Frau Ministerin Schmied wird hier sicher noch das eine oder andere Wort darüber ver­lieren.

Ich danke Frau Ministerin Schmied, denn mit dieser Novelle ist etwas sehr Positives geschehen, sehr Positives gelungen: Sie führt einen wesentlichen Mehrwert herbei und gibt dem Kunstplatz Österreich und den Künstlerinnen und Künstlern eine zusätzliche Absicherung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. Ich erteile ihm dieses.

 


11.01.41

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in ein ähnliches Horn stoßen wie mein Vorredner, möchte aber doch einige Aspekte dieser Gesetzesnovelle in den Vordergrund rücken. Ich glaube, es ist eine gute und richtige Novelle. Das Vorhaben – vor ungefähr sechs bis sieben Jahren ist das Gesetz erstmalig eingeführt worden – war, glaube ich, ein Meilenstein; ein Meilenstein auch deshalb, weil man einen Weg zu einer sozialen Absicherung gefunden hat, ohne das allgemeine Kunstbudget zu überfordern und zu fordern, indem man eben eine zusätz­liche Leistung einführen konnte. Das hat der damalige Staatssekretär Franz Morak da­mals, glaube ich, sehr richtig und gut mit den damalig Verantwortlichen gemacht. Das war der eigentliche Sinn und Zweck.

Die Novellierung jetzt ist vorbildlich geschehen; das war auch im Ausschuss deutlich zu spüren. Man hat klug evaluiert. Es kostet jetzt ein bisserl mehr; es geht um 810 000 € im Jahr. Mag jemand sagen, das ist viel Geld – ich glaube, wenn man bedenkt, dass 6 900 Künstler in Zukunft verbesserte Leistungen erhalten können, dann sieht man, wie wichtig dieser Teil ist, wie gut diese verbesserte Absicherung ist. Und – und ich glaube, das ist der entscheidende Punkt – das ist, wie gesagt, eine zusätzliche Leis­tung, die nicht das Kunstbudget belastet.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 52

Lieber Kollege Kampl, natürlich wissen wir, dass Kunst sehr oft brotlos ist und sich dann, wenn ein Künstler berühmt ist, auch entsprechendes Einkommen einstellt, aber wir wissen auch, dass das bei vielen nicht so ist, weshalb wir die Förderung von Kunst und Kultur als eine der wichtigen Säulen eines Kulturlandes sehen. Es ist sicherlich noch vieles zu tun und vieles zu verbessern, aber ich denke, die vorbildliche Art, das über einen Fonds zu tun und auch eine Finanzierung aufzustellen – Fordern ist immer leicht, man muss aber auch überlegen, wo das Geld herkommen soll –, ist das Hervor­ragende an diesem Gesetz, an dieser Absicherung.

Die Verbesserung ist sehr solide erfolgt, und dafür ist Ihrem Team, Frau Ministerin, ganz besonders zu danken. Wir haben eine sehr kluge Novellierung vor uns liegen. Ich meine, ich kann an dieser Stelle den Dank der 7 000 Betroffenen, und es werden viel­leicht auch noch mehr werden, überbringen. Hier ist etwas Vernünftiges geschehen.

Unsere Fraktion wird diesem Gesetz mit Freude zustimmen, mit Dank zustimmen. Es tut mir nur leid, dass wir über einen solch grundsätzlichen Akt der sozialen Absiche­rung nicht einen gemeinsamen, einstimmigen Beschluss fassen können. Aber da bei Gesetzen ja durchaus die Möglichkeit besteht, weiter zu novellieren, um sie eben den Erwartungen in Zukunft anzupassen, finden wir vielleicht doch noch irgendwann einmal einen ganz gemeinsamen Weg. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

11.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministe­rin Dr. Schmied. – Bitte.

 


11.05.22

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! (In Richtung Bundesministerin Dr. Kdolsky:) Liebe Andrea! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte – Herr Abgeordneter Mayer hat die Punk­te schon sehr präzise zusammengefasst – nur aus meiner Sicht noch einmal die ent­scheidenden Verbesserungen ganz kurz ansprechen: Erweiterung Kranken-, Unfallver­sicherung, Mindesteinkommensberechnung, Untergrenzenanpassung, Obergrenzen­anpassung, Stichwort Sorgepflicht für Kinder und – der ganz wichtige Punkt – Rück­forderungsansprüche und wie gehen wir damit um.

Mein großes politisches Ziel, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, habe ich und wer­de ich mit Ihrer Zustimmung heute erreichen, nämlich dass die Härtefälle im Rahmen der Künstlersozialversicherung ab sofort der Vergangenheit angehören. Darüber bin ich sehr, sehr froh.

Eines möchte ich – und da habe ich schon intensivste Gespräche mit Herrn Abgeord­netem zum Nationalrat Zinggl geführt, Herr Abgeordneter Breiner – und muss ich hier einfach betonen: Die Künstlersozialversicherung, das Künstler-Sozialversicherungs­fondsgesetz hat die Förderung selbständig erwerbstätiger Künstler zum Gegenstand. Es handelt sich um Zuschüsse zur Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozial­versicherungsgesetz, das heißt: Einkommen muss eine Grundlage sein, um Zuschüs­se zu gewähren. Das große andere Thema, über das wir alle Gespräche führen müs­sen – aber nicht nur, was die Künstlerinnen und Künstler betrifft –, nämlich das große Thema der Grundsicherung, ist mit diesem Gesetz und mit dieser Novelle nicht anzu­packen und daher auch nicht lösbar. Das muss einfach ganz klar ausgesprochen wer­den. Ich möchte das nur noch einmal betonen und unterstreichen.

Sie haben auch darauf hingewiesen, Herr Bundesrat Mayer, dass 30 Millionen € der Berufsgruppe der Künstler und Künstlerinnen zur Verfügung gestellt werden – wenn ich jetzt zusammenrechne, seit Einrichtung des Gesetzes. Es wird in Zukunft aufgrund der Novellierung jährlich noch mehr werden; der Fonds kann das refinanzieren und aufbrin­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 53

gen, ohne dass mein Kunstbudget dadurch belastet wird. Ich merke aber jetzt, meine Damen und Herren, ganz intensiv, wie mühsam es ist, selbst für jetzt so hoch populäre Themen wie die österreichische Filmwirtschaft zusätzliche Mittel beim Herrn Finanzmi­nister zu erschließen. Ich bin daher froh über jede Quelle, die wir erschließen können, die mich nicht gleich wieder in diese bilateralen Verhandlungssituationen bringt.

Ich möchte diese meine Wortmeldung dazu nutzen, und darf, Frau Präsidentin, das auch tun, mich sehr, sehr herzlich zu bedanken. Dieses Gesetz war wirklich auch in der Vorbereitung eines, das sehr, sehr viele Menschen intensiv beschäftigt hat. Ich möchte Professor Mazal erwähnen, der aus meiner Sicht die Evaluierung und auch Begleitung dieses Entwicklungsprozesses hervorragend bewerkstelligt hat. Ich möchte mich ganz besonders bedanken bei Mag. Stoss und Dr. Schittengruber. Beide Herren haben es sich nicht nehmen lassen, dieses Gesetz bis in die letzte Etappe der Geset­zeswerdung zu begleiten. Ich möchte von dieser Stelle aus meinen großen Dank für die hervorragende, auch ressortübergreifende Zusammenarbeit aussprechen.

Ganz zuletzt: Es ist eine Regierungsvorlage – und es geht nur gemeinsam in einer Koalitionsregierung. Daher bedanke ich mich auch für die außerordentlich gute Koope­ration bei der Erarbeitung, Vorbereitung und auch Argumentierung dieses Gesetzes, das ganz sicher im Interesse der Künstlerinnen und Künstler dieses Landes ist. Gro­ßen Dank auch an Sie, die Sie die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

11.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.10.432. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz, das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Sanitätergesetz, das Zahnärzte­gesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreu­ungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundespflegegeldgesetz geän­dert werden (Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 – GesBRÄG 2007) (435 und Zu 435 d.B. und 481 d.B. sowie 7901/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Arzneiwareneinfuhrgesetz geändert wer­den (482 d.B. sowie 7902/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 54

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 2 und 3 ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Ich bitte um die Berichte.

 


11.11.05

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Minis­terin! (In Richtung Bundesministerin Dr. Kdolsky:) Liebe Andrea! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das Medi­zinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz, das Bundesgesetz
über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfs­dienste, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Ärztegesetz 1998, das Hausbetreuungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundespflegegeldgesetz geändert werden (Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsge­setz 2007 – GesBRÄG 2007).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimit­telgesetz und das Arzneiwareneinfuhrgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

 


11.13.17

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Wenn man sich allein den Vorlauf zu einer dieser Regierungsvorlagen ansieht, zeigt sich, dass da schon im Vorfeld das reinste Tohuwabohu geherrscht hat, mit Abänderungsanträgen, die vertagt worden sind, weil man den Koalitionspartner, in diesem Fall die ÖVP, erst mühsam dazu über­reden musste, und zum Teil, muss ich sagen, ist das auch den Inhalt betreffend so. Dort hat sich das fortgesetzt. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Kdols­ky.) – Dass Sie anderer Meinung sind, Frau Minister, kann ich verstehen.

Beispiel: 24-Stunden-Betreuung. – Ich sehe diese nach wie vor als ein Flickwerk. Wir diskutieren diese Materie mittlerweile fast schon monatlich hier im Bundesrat, und es ist jedes Mal ein neues Fleckerl, das dazukommt. Und jedes Mal, wenn wir so ein Fle­ckerl beschließen, steht schon im Raum, dass das nächste Fleckerl, das uns dann wie­der zur Beschlussfassung vorgelegt wird, bald kommen wird.

Das ist in Wirklichkeit etwas, das den Regierungsparteien überhaupt nicht zur Ehre ge­reicht. Ich gehe nicht so weit, dass ich jetzt sage, das ist ein Murks, aber es liegt schon nahe daran, und das ist sicher nicht im Sinne der Pflegenden.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 55

Beim letzten Mal – das ist noch nicht so lange her –, als wir uns darüber unterhalten haben, habe ich darauf hingewiesen, dass es sehr unlogisch ist, dass jemand für einen zu Betreuenden einkaufen gehen darf, das Essen kochen darf, es aber nicht verab­reichen darf. Das ist auch geändert worden. Das ist auch völlig in Ordnung, aber dass man die Kompetenzen dann gleich dermaßen ausgeweitet hat, halte ich wiederum für doch ziemlich überzogen.

Wir haben auf der einen Seite die Heimhilfen, die eine durchaus gute Ausbildung ha­ben, auch dazu angehalten sind, sich weiterzubilden. Das heißt, wir haben schon einen Berufsstand, der das kann. Jetzt sagen wir, der Betreuer in der 24-Stunden-Pflege darf vieles von dem ausführen, was die Heimhilfe nicht darf. Das ist für mich unlogisch, denn die Betreuer werden von einem Arzt oder einer diplomierten Pflegeperson nur kurz angelernt; man kann wirklich nur hoffen, dass da kein Fehler passiert. Dass sich der Berufsstand der Heimhelfer hier zu Recht aufgeregt hat, ist durchaus verständlich.

Von einer Ausbildungsoffensive ist leider auch nach wie vor weit und breit nur sehr we­nig zu sehen. Ebenso wenig zu sehen ist von einer Wertanpassung des Pflegegeldes, obwohl Bundeskanzler Gusenbauer versprochen hat, dass das auf jeden Fall kommen wird. Über die Amnestie der illegalen 24-Stunden-Betreuung, wogegen ich mich jedes Mal ausgesprochen habe, müssen wir ebenfalls ein weiteres Mal sprechen, da sie ja erst kürzlich wieder verlängert worden ist. Das zeigt auch, dass man überhaupt nicht weiß, wie man jetzt eigentlich mit der Sache umgehen soll, um eine legale Betreuung für den Einzelnen auch wirklich leistbar zu machen.

Der Weg in die Selbständigkeit der Betreuer wird für viele zu Pflegende durchaus hohe Kosten mit sich bringen und einen bürokratischen Rattenschwanz nach sich ziehen. Daher haben auch meine Kollegen im Nationalrat nicht erst einmal den Antrag gestellt, hier eine Bundesgenossenschaft zu gründen, in der es die zu Pflegenden, aber auch deren Angehörige, die ja oftmals damit befasst sind, ein bisschen leichter haben und nicht in einem zu hohen bürokratischen Aufwand ersticken.

Auch die Frage der Vermögensgrenze ist wieder nicht angegangen worden. Ich glau­be, die Vermögensgrenze sollte man streichen. Zwei Bundesländer, nämlich Niederös­terreich und Vorarlberg, haben diese Vermögensgrenze bereits gestrichen. Ich halte das durchaus für richtig, aber es wäre natürlich wichtig, dass wir eine bundeseinheit­liche ... (Bundesrat Mayer: Dafür ist der Sozialminister zuständig, Frau Kollegin!) – Ja, aber das gehört alles zu dieser Materie dazu, und daher fordere ich, dass hier eine bundeseinheitliche Regelung getroffen wird. Da ja jetzt wieder der koalitionäre Friede ausgebrochen ist, hoffe ich doch, dass die einzelnen Minister auch miteinander sprechen, und dann kann es ja nicht so ein Problem sein, hier eine Regelung zu treffen.

Alles in allem kann man sagen, es wird hier immer versucht, Lösungen in einem Teil­bereich zu treffen, meiner Meinung nach mit zeitweise untauglichen Mitteln. Es ist ja schon angeklungen in der Debatte im Nationalrat: Wenn sich in der Praxis zeigt, dass es vielleicht doch nicht so gut ist, dann muss man es halt wieder ändern. Frau Staats­sekretärin Marek hat das „learning by doing“ genannt. Ob das jetzt wirklich eine gute Grundlage eines Gesetzes ist, wenn Bestimmungen darin enthalten sind, bei denen sich erst in der Praxis herausstellen wird, ob sie auch wirklich anwendbar und gangbar sind, und wenn nicht, dann wird eben wieder geändert, das lasse ich jetzt einmal da­hingestellt. Alles in allem ist es und bleibt es für mich einstweilen noch ein Flickwerk – aber die Hoffnung, sagt man ja, stirbt zuletzt –, und einem solchen Flickwerk kann und will ich nicht zustimmen.

11.19



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 56

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm dieses.

 


11.19.10

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich erstaunlich, wie es jetzt meiner Vorrednerin gelungen ist, hier alles durchein­anderzubringen. Aber mir ist aufgefallen, Sie haben jetzt während Ihrer Ausführungen immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt, Sie haben gelacht – ich weiß nicht, ob Sie sich jetzt selbst sehr ernst genommen haben. Ich habe jedenfalls für Sie ein Merkblatt mitgenommen, damit Sie zumindest eine gewisse Minimalinformation haben, denn was Sie hier geboten haben, das war – ich weiß nicht – der Versuch, völlige Verwirrung zu stiften.

Man kann, glaube ich, zu dieser Bundesregierung stehen, wie man will, auch zu ein­zelnen Ressortchefinnen oder Ressortchefs, aber hier liegt jetzt eine kompakte Lösung auf dem Tisch. Der Kollege aus Vorarlberg – Vorarlberg ist sicherlich eines der kri­tischsten Bundesländer in unserem Bundesgebiet – hat ja schon gesagt, dass Politik ein ständiger Lernprozess ist.

Kollegin, wenn Sie sich einmal die Mühe machen, mit einem Bürgermeister zu reden – wir müssen da nämlich ein bisschen früher ansetzen, und Sie haben hier ja den Kolle­gen Kampl sitzen –, wissen Sie, welche finanziellen Belastungen für die Gemeinden entstehen. Denn das Seniorenproblem – ich traue mich das als Veranstalter der größ­ten Seniorenmesse in Österreich auch zu sagen – fängt ja nicht beim Pflegefall an. (Bundesrätin Mühlwerth: ... dasselbe Thema!) Wir müssen uns darum kümmern, und da haben Sie sicherlich mit der Frau Bundesministerin eine Ressortchefin, die, glaube ich, diesen präventiven Weg geht: Wie wird man eigentlich gesund älter? – Dort fängt es an, und die Pflegegeldsache ist dann nur noch die vorgerückte Station.

Wenn ich mir das in Linz ansehe – ich war dort längere Zeit Gemeinderat –, dann sieht es so aus, dass wir den mobilen Senioren Seniorenklubs anbieten und dass wir für jene Senioren, die nicht mehr zu diesen Klubs kommen, eine Tagesheimstätte bieten, in die sie am Vormittag geholt werden; ich glaube, du hast sogar Ähnliches bei dir in der Gemeinde. Dort werden sie betreut, dort gibt es alles von der Pediküre bis zur Kör­perpflege, eine warme Mahlzeit, am Nachmittag eine Kaffeerunde. Danach werden sie wieder nach Hause gebracht. Dann erst tritt eigentlich der Pflegefall ein, und den soll­ten wir natürlich so lange wie möglich hinauszögern.

Da gibt es all die Initiativen, etwa jene des Sport-Staatssekretariats, und da ist auch Ihr Ressort, Frau Bundesminister, unterwegs. Das ist nicht an einem Punkt zu lösen, son­dern da ist ein Zusammenwirken der Gemeinden, der Länder und des Bundes notwen­dig. Es ist ein ganz komplexes Problem. – Wie gesagt, Sie (in Richtung Bundesrätin Mühlwerth) bekommen nachher von mir diese Minimal-Information. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Fall sie Ihnen bekannt ist, dann haben Sie sie vorhin bewusst weggelassen.

Wenn ich zu dieser Causa komme, dann habe ich eigentlich drei Angebote. Ich kann mich in einem Pflegefall einer Organisation bedienen – ich nenne jetzt nur drei von ihnen, die Caritas, die Volkshilfe und die Diakonie, es gibt noch mehr in Österreich – und habe dann einen entsprechenden Anspruch.

Die zweite Möglichkeit wird eher selten eintreten: Ich kann mir auch eine Arbeitskraft beschäftigen. Das wird der eine oder andere machen. Es werden wenige wissen – ich bin auch selbstständig –, dass dann Kosten von 41,43 Prozent für Dienstgeber- und Dienstnehmeranteil anfallen.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 57

Die dritte Möglichkeit – ich habe mich gestern in der Wirtschaftskammer extra danach erkundigt – wird noch nicht massiv in Anspruch genommen. Das ist der selbstständige Pfleger, der sich dort einen Gewerbeschein holt. Ich wundere mich da über Ihre Aussa­gen (in Richtung Bundesrätin Mühlwerth), denn gerade Ihre Wählergruppe war immer sehr vehement dafür: Wir brauchen mehr Selbstständige, die Ein-Mann-Firma, das ist ein Zug zur Freiheit. – Also ist da offensichtlich der Wille doch nicht in diesem Maße vorhanden.

Was ist mit diesen drei Möglichkeiten, die jetzt geschaffen wurden, eigentlich gelun­gen? – Man stellt das Ganze auf korrekte Beine. Ich war bei Versammlungen von vie­len Seniorenorganisationen. Im Grunde genommen war die bisherige Regelung eine sehr schwierige, denn Sie mussten damit rechnen, wenn Sie jemanden beschäftigen, dass irgendwann einmal Nachforderungen kommen. Mein Kollege von der Gewerk­schaft wird Ihnen das bestätigen. Wir leben hier in einem Rechtsstaat, und wenn Sie da eine Pflege in Anspruch nehmen, diese Person nicht angemeldet ist und keinen sozialrechtlichen Schutz hat, dann kann sie das viele Jahre zurück fordern!

Wenn Sie hier mit dem Nebelwerfer durch die Gegend gehen und sagen: das alles war nichts, das ist nichts!, dann muss ich sagen, dass das eigentlich nicht fair ist. Es ist nicht fair gegenüber jenen Personen, die aus der Not heraus eine Pflege in Anspruch genommen haben, und es ist auch nicht fair gegenüber jenen, die so eine Tätigkeit ausgeübt haben und zum Beispiel bei einem Arbeitsunfall keinerlei Absicherung hatten.

Ich glaube daher, dass wir hier wirklich den Weg gehen müssen, seriös zu informieren. Dazu möchte ich den zuständigen RessortchefInnen wirklich gratulieren: Da ist etwas Ordentliches auf dem Tisch! Und wenn etwas nachgebessert werden sollte, dann bin ich der vollen Überzeugung, dass es dieser Bundesregierung auch gelingen wird.

Wir werden dem zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile es ihm.

 


11.24.22

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen im Bundesrat! Die Neuregelung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes gilt für uns als Herausforderung. Der Hauptgrund der gesetzlichen Änderung ist die Er­weiterung des Kreises der EU-Staaten: Anerkennung der einheitlichen Berufsqualifika­tionen; Rechtsstellung der langfristigen Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen; Recht der Unionsbürger, auch der Familienmitglieder, sich frei in den Mitgliedstaaten bewe­gen zu dürfen.

Die Bundesregierung hat am 5. März die Gesundheitsberufe neu beschlossen. Damit dürfen Betreuungspersonen Assistenz bei der Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeiten übernehmen. Im Besonderen ist die neue 24-Stunden-Betreuung – das heißt, rund um die Uhr – möglich. Das ist sehr positiv, darauf haben wir sehr lange gewartet.

In dieser Frage sind das Ärztegesetz, das Hausbetreuungsgesetz, die Gewerbeord­nung und das Bundespflegegeldgesetz zu regeln. Wichtig ist die Zusammenarbeit bei Katastrophen und Großereignissen wie der EURO 2008; das ist auch im Gesetz veran­kert.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Unser Gesundheitssystem kostet jährlich 26 Millio­nen €; ich hoffe, es ist alles rechtens. (Bundesrat Bieringer: Milliarden, nicht Millio­nen! – Weitere Zwischenrufe.) Experten sprechen von einem Kompetenzwirrwarr, Herr


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 58

Bundesrat. Sozialökonomen wie Christian Köck und Bernhard Felderer sagen, dass die Bundesregierung das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswirft und dass nicht geklärt ist, wofür das geschieht.

Es gibt 18 Krankenkassen, neun Bundesländer mit neun Ärztekammern, die Sozial­partner und die Lobbys, und alle reden überall mit. Da kann ich mir vorstellen, dass es auch für eine Frau Bundesminister nicht leicht ist, hier einen guten Weg für die Zukunft zu finden. Es gibt 4 000 unterschiedliche Finanzströme – Zitat von Frau Bundesminis­ter Kdolsky –, und die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut; auch das stammt von unserer Frau Bundesminister.

Die Gesundheitskosten in Österreich liegen bei 10,2 Prozent des BIP; in der OECD sind es 9 Prozent. Das heißt, dass Österreich mit 3 519 € pro Bürger und Jahr um 700 € mehr ausgibt. Ökonom Köck ist auch davon überzeugt, dass Österreich mit 6,1 Bettenbelägen je 1 000 Einwohner im Krankenhaus zu hoch liegt; im internationa­len Schnitt sind es nur 3,9 Bettenbeläge je 1 000 Einwohner. Die Ökonomen Köck und Felderer sind davon überzeugt, dass jährlich bis zu 400 000 Spitalspatienten besser von niedergelassenen Ärzten versorgt werden könnten.

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser verlangt im Rechnungshofbericht, dass bei der Bettendichte eine Anpassung an den Europa-Schnitt erfolgen muss. Es gibt in Ös­terreich 157 öffentliche Krankenhäuser, 107 private und Ordenskrankenhäuser. In den Krankenkassen sind Qualitätsdaten einzuführen, schlägt der Rechnungshof vor. Wei­ters ist der Rechnungshof davon überzeugt, dass jährlich 2,9 Milliarden € – meine Da­men und Herren, das ist sehr viel! – eingespart beziehungsweise umgeschichtet wer­den könnten.

Das Gleiche gilt auch für den Medikamentenbereich. 2006 wurden in Österreich 2,6 Milliarden € dafür ausgegeben, für das Jahr 2007 gab es eine weitere Steigerung um 7 Prozent. Das sind die Zahlen: Es gab um fünf Millionen mehr Medikamente-Vor­schreibungen beziehungsweise eine Steigerung um 180 Millionen € bei Arzneimitteln in einem Jahr.

Sehr geehrte Frau Bundesminister, Sie haben Reformen wie die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen eingeleitet. Sie sollten auch den Hauptverband der Sozialver­sicherung und die Gebietskrankenkassen zu Reformen zwingen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

11.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


11.30.01

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für Kollegen Kampl jetzt noch einmal ganz kurz zur Ma­terie, weil er uns hier ja einen Auszug aus dem Spitalswesen zu Gehör gebracht hat: Die Regierungsvorlage befasst sich einerseits mit den Änderungen in verschiedenen Bereichen der Gesundheitsberufe – wir setzen damit eine EU-Richtlinie um, die sich um ein einheitliches, transparentes System der Anerkennung von beruflichen Qualifika­tionen bemüht – und auf der anderen Seite mit einer Kompetenzerweiterung für eine praxisnahe und qualitätssichernde 24-Stunden-Betreuung. – Dies zu Kollegen Kampl und zur Gesetzesmaterie.

Zu Kollegin Mühlwerth hätte ich noch Folgendes anzumerken. Ihre sonstigen Aussa­gen in Ehren, Frau Kollegen Mühlwerth, aber heute haben Sie doch einiges durchein­andergebracht. Denn das, was heute vorliegt, ist keinesfalls Flickwerk oder Murks, wie Sie angedeutet haben, sondern genau das Gegenteil! Wenn man den Text durchliest,


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 59

dann sieht man schon, dass es sich um ein gewaltiges Paket handelt, das wir heute zu beschließen haben, und um sehr, sehr viele Änderungen, die ressortübergreifend aus­verhandelt wurden.

Weil ich nun einmal ArbeitnehmerInnenvertreter bin und die Gewerkschaften hier
auch einiges angemerkt haben – es wurde unter anderem ausgeführt, dass inländische Fachkräfte aus Kostengründen durch Laien aus Osteuropa ersetzt werden sollen, und besondere Befürchtungen werden in Richtung HeimhelferInnen geäußert –: Ich sehe das nicht so, weil ich als langjähriger Obmann der Vorarlberger Gemeindebediensteten auch in diesem Bereich, was Heim und Heimbetreuung anbelangt, zu tun gehabt habe. Ich habe ein bisschen einen anderen Zugang zu diesem Problem, und ich denke, dass mit der Vorlage, die wir heute diskutieren, ein sehr guter Schritt in diese Richtung ge­macht wird.

Ich gebe zwar zu, dass es schwierig ist, gewisse Abgrenzungen vorzunehmen, aber über eines sind wir uns, glaube ich, doch im Klaren: Wir nehmen Tausende Menschen, die immens wichtige Betreuungstätigkeiten für unsere alten, behinderten, benachteilig­ten Menschen mit viel, viel Hingabe durchführen, aus der Illegalität heraus und geben ihnen die Möglichkeit einer sozialen Absicherung, die Einbindung in die Sozialversiche­rung, ein legalisiertes Arbeitsverhältnis und damit Kranken-, Unfall- und Pensionsversi­cherung, die ihnen insbesondere dann, wenn sie selbst ins Pensionsalter kommen, eine entsprechende Altersvorsorge bietet.

Das ist auch ein ganz wesentlicher Punkt, weil es da um 20 000 Menschen geht, die Betreuung brauchen. Diese sind sicher nicht aus irgendwelchen unerfindlichen Grün­den in ein Betreuungsverhältnis gekommen, sondern sie haben schlichtweg keine an­dere Möglichkeit gehabt. Dem gegenüber stelle ich Ihre Befindlichkeiten, Frau Kollegin Mühlwerth, bewusst ins Abseits.

Im Gegensatz zu dem Vorwurf, dass es hier um eine endlose Geschichte geht, glaube ich, dass in diesem Jahr im Bereich der 24-Stunden-Betreuung und der Verlängerung der Amnestie mit dieser Regierungsvorlage doch sehr, sehr viel geschehen ist. Endlos ist dann höchstens Ihr Gejammer, Frau Kollegin Mühlwerth; das möchte ich hier in aller Deutlichkeit anführen.

Ich habe auch ein paar Zahlen darüber, was sich inzwischen im Bereich der Anmeldun­gen getan hat, durch die wir Leute aus der Illegalität herausnehmen. Ich bedanke mich hier sehr für die Unterstützung durch Dr. Harald Steindl von der Wirtschaftskammer Österreich, Abteilung für Rechtspolitik, und für die Unterlagen.

Wir haben inzwischen 3 845 Anmeldungen, das ist doch eine sehr große Zahl – wir haben Sozialminister Buchinger da oft kritisiert –, und wir werden bis Ende Juni wahr­scheinlich eine Perspektive von ungefähr 5 000 Anmeldungen haben. Ich denke doch, dass das ein guter Schritt ist, wobei ich zwei Zahlen herausheben möchte: Oberöster­reich mit 1 330 Anmeldungen – dort gibt es aber besondere Bemühungen seitens eines Vereines, habe ich mir sagen lassen –, Niederösterreich und Wien mit ungefähr 850 bis 860, und das kleine Vorarlberg mit 258. Es tut sich also in diesem Bereich doch etwas, und ich glaube, wir sind mit dem Ganzen auf dem richtigen Weg.

Ich möchte auch in Abrede stellen, dass auf der Regierungsebene nicht miteinander gesprochen wird. Gerade bei den Gesetzen, die hier vorliegen, kann man nur aus­drücklich die ressortübergreifende Zusammenarbeit der Ministerien Soziales, Arbeit und Wirtschaft sowie natürlich Gesundheit würdigen. Das ist wirklich in einem konstruk­tiven Rahmen geschehen, und ich darf mich bei der Gesundheitsministerin hier sehr herzlich dafür bedanken.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 60

Bevor ich fortsetze, möchte ich für Sie noch eine kleine Information der Wirtschafts­kammer über die 24-Stunden-Pflege ins Spiel bringen. Ein Gewerkschafter lobt die Wirtschaftskammer – das ist ja auch ein besonderer Akt am heutigen Tag. Aber in die­sem Bereich möchte ich doch erwähnen, dass es einen sehr guten Leitfaden der Wirt­schaftskammer Österreich mit dem Titel „Daheim statt ins Heim – Schritt für Schritt zum Personenbetreuer“ gibt. Ich würde Ihnen empfehlen: Machen Sie einen Besuch auf der Homepage der Wirtschaftskammer, laden Sie sich das herunter; es ist eine sehr gute Unterlage.

Wir haben hier also festgeschrieben, es geht um ... (Bundesrätin Mühlwerth: PR in eigener Sache!) Bitte, Frau Kollegin? (Bundesrätin Mühlwerth: PR in eigener Sache!) PR? – Ich bin nicht von der Wirtschaftskammer, aber ich möchte es trotzdem lobend erwähnen, weil die Wirtschaftskammer hier wirklich besondere Aktivitäten umgesetzt hat. Da muss man nicht PR für die Wirtschaftskammer machen. Etwas Gutes kann man auch loben, wenn es von der Freiheitlichen Partei kommt; aber heute ist eben noch nichts Gutes gekommen. Deshalb ist wahrscheinlich auch der Applaus so gering, Frau Kollegin Mühlwerth.

Was wir hier also festgeschrieben haben, ist entsprechende Qualität und Sicherheit in der Betreuung. Die Verantwortungsbereiche im Haushalt werden genau definiert, da sind entsprechende Qualitätskontrollen erforderlich. Wenn es um die Delegierung von medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten geht, sind die Hausärzte und diplomierten Kräfte in den Pflegedienst mit einzubinden. Dadurch werden aber keine Mehrkosten entstehen, und das ist auch wichtig, denke ich, weil es in diesem Bereich ohnehin große finanzielle Belastungen gibt.

Es wurde heute – da gebe ich Ihnen Recht, Frau Kollegin Mühlwerth, um einmal auch etwas positiv zu erwähnen – bereits das Pflegegeld angesprochen. Ich werde hier nicht müde – die Vorarlberger werden ja niemals müde –, und das habe ich Herrn Sozialmi­nister Buchinger schon öfter mit auf den Weg gegeben, dass wir auch das Pflegegeld entsprechend anpassen, und zwar massiv erhöhen – das möchte ich hier betonen –, nicht nur im Bereich der Indexanpassung, sondern das muss schon ein wesentlicher Schritt nach oben sein. Mit dieser Forderung werde ich, glaube ich, bei der Gesund­heitsministerin offene Türen einrennen, aber das möchte ich hier fürs Protokoll noch einmal betont und erwähnt haben.

Wie die Gesundheitsministerin auch angekündigt hat, wird es im Lauf des Jahres eine Reform in der Ausbildung für den Gesundheits- und Krankenpflegebereich geben. Das gibt uns vielleicht auch die Möglichkeit, diese 24-Stunden-Betreuung, die jetzt umge­setzt wird, zu evaluieren und zu begleiten, sodass man, wenn es Probleme gibt, rasch reagieren kann.

Im Anhang zu dieser Gesetzesmaterie möchte ich hinzufügen, dass im Bereich der Ausbildung auch die vorgesehene Novelle zum gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege zu erwähnen ist, weil wir da ebenfalls eine Anpassung an die EU vornehmen. Ich bin der Auffassung, dass wir im Sinne der Erreichung der Bologna-Ziele auch unseren Pflegekräften die Möglichkeit geben sollten, ein Bachelor-/Master-Studium und dann bei der Erreichung auch ein Doktoratsstudium der Pflegewissen­schaften zu absolvieren, um eine entsprechende Qualität mit hineinzubringen und dann auch eine entsprechende Mobilität im Bereich der EU zu ermöglichen. Das ist eine her­vorragende Erweiterung des Ausbildungsangebotes.

Zum Schluss möchte ich noch die Änderung im Sanitätsgesetz hervorheben, die den Einsatz ausgebildeter Sanitäter aus den EU-Staaten – um es richtig zu sagen: aus den EWR-Staaten – bei nationalen Großereignissen wie der Fußball-Europameisterschaft


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ermöglicht, damit das Ganze auch rechtlich abgesichert ist. Das ist eine wichtige be­gleitende Maßnahme zur Qualitätssicherung bei der Fußball-Europameisterschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Sinne darf ich mich bei Frau Bundesminis­terin Kdolsky für die konstruktive, rasche Umsetzung dieser Vorlage herzlich bedan­ken. Ich glaube, wir schaffen insbesondere in der 24-Stunden-Betreuung eine gute Balance für die Pflegebedürftigen, aber auch für die Betreuungskräfte. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministe­rin Dr. Kdolsky. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.39.28

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Die vorlie­gende Sammelnovelle – es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden – bezieht sich auf der einen Seite auf Bezeichnungen, Veränderungen und Anpassungen von EU-Rechtsakten, die nunmehr innerstaatliches Recht werden. Dies gilt vor allem bei Berufsanerkennungen und bei etlichen Berufsgesetzen. Darüber hinaus werden die Lehrgänge in Hebammen- und MTD-Akademien, also den Akademien des medizi­nisch-technischen Dienstes, laufend in Fachhochschulstudiengänge übergeführt.

Es freut mich natürlich ganz besonders – das ist, so glaube ich, die Seele und das Zen­trale dieser Novelle –, dass nunmehr auch die inhaltliche Definition und Regelung der 24-Stunden-Betreuung gesetzlich verankert werden soll.

Es ist mir, weil es anders dargestellt worden ist, vor allem ein Bedürfnis zu sagen, dass es diesbezüglich eine ausgezeichnete Zusammenarbeit des Sozial- und des Gesund­heitsministeriums gegeben hat. Es ist nun einmal so, dass dieses Thema ein sehr brei­tes Thema ist, ein Thema, das nicht einem Ressort alleine zugeordnet werden kann, weil es sehr viele unterschiedliche Dimensionen hat. Ich würde fast sagen, es gilt nicht nur „Health in All Policies“, sondern auch „Aging in All Policies“. – Tatsache ist, dass wir in diesem Zusammenhang eine extreme Kooperation zwischen allen Ressorts brauchen werden und deswegen auch viele einzelne Aktivitäten stattgefunden haben.

Was das Gesundheitsressort betrifft, stellt sich natürlich vor allem die Frage: Was darf jemand in der Betreuung und im Umgang mit zu Betreuenden tun? – Lassen Sie mich auch als Fachexpertin diesbezüglich einmal ein paar Dinge zurechtrücken, die sehr, sehr oft verwechselt und vermischt werden.

Auf der einen Seite müssen wir eine klare Unterscheidung zwischen den Bereichen Betreuung und Pflege treffen: Diese werden sehr oft vermischt, und daraus entstehen dann ein bisschen polemisierende Aussagen. Ich habe in manchen Medien sogar gele­sen, dass in Zukunft Betreuer IV-Infusionen anhängen dürfen. Ich darf Sie als Ärztin und Intensivmedizinerin darauf hinweisen, dass das nicht einmal Diplomierte Gesund­heits- und Krankenpfleger dürfen, das ist ausschließlich Ärzten vorbehalten! Daher ist auch hier jegliche Aussage, dass in diese Richtung vorgegangen werden soll, völlig falsch und offensichtlich missinterpretiert.

Auf der anderen Seite müssen wir, so glaube ich, sehr stark auch davon ausgehen, dass in der Realität 80 Prozent der zu Betreuenden von den Familien betreut werden, von den Familien, die wir in dieser Frage viel zu wenig in den Vordergrund stellen, und dass bei diesen 80 Prozent alle Tätigkeiten von Familienmitgliedern gemacht werden. Ich weiß aus persönlicher, aus eigener Erfahrung, dass es Mütter gibt, die ihren krebs­kranken Kindern dann eben auch Injektionen geben müssen oder wollen, damit diese Kinder zu Hause sein können.


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80 Prozent der Betreuung wird von Familienmitgliedern geleistet! – Ich glaube – nur damit ich dann nicht wieder höre, dass es um Flickwerk geht –, dass einer der nächs­ten Schritte sein wird, dass wir uns auch überlegen müssen, wie wir die Familien in der Frage ihrer Betreuungstätigkeiten zu Hause verstärkt unterstützen, denn das ist mir ein wichtiges Anliegen.

Jene aber, die keine Möglichkeit hatten, in der Familie Unterstützung zu finden – und auch das heißt Realitäten zu akzeptieren –, haben bis jetzt illegalerweise Menschen an ihrer Seite gehabt, die ihnen geholfen und die alles gemacht haben. Wir haben nicht gewusst, was sie gemacht haben, weil es nicht einmal bekannt war und weil hier letzt­endlich sämtliche Tätigkeiten durchgeführt wurden, die notwendig waren.

Es ist ein großer und richtiger Schritt, der gemeinsam mit dem Sozialminister und dem Wirtschaftsminister gemacht wurde, die Legalisierung dieser Situation herbeizuführen, und es war dann natürlich ein wesentlicher Schritt der Gesundheitsministerin, in die­sem Zusammenhang die Tätigkeiten zu definieren.

All dies findet in einem schrittweisen Prozess statt, und ich gebe hier sehr gerne zu, dass es auch mir angenehmer gewesen wäre, dieses Gesetzeskonvolut im Herbst ge­meinsam mit einer großen Novelle der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe vorzu­legen. Es gibt aber – und ich bin dem Souverän verpflichtet – einen Entschließungs­antrag der Mitglieder des Nationalrates, der mich beauftragt hat, eine entsprechende gesetzliche Vorgabe vorzulegen, die mit 1. April in Kraft treten kann. Daher wurde das jetzt vorgezogen.

Ich habe mehrfach angekündigt, und bis jetzt sind meinen Ankündigungen immer Ta­ten gefolgt, dass wir mit September die entsprechenden Veränderungen in der Ausbil­dungsordnung des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes in Begut­achtung geben werden.

Wesentlich ist mir, dass es jetzt in erster Linie um die Möglichkeit geht, im Falle einer legalisierten Betreuung die Unterstützung im Bereich der Hygiene, die Unterstützung im Bereich der Nahrungsaufnahme, die Unterstützung im Bereich jener Tätigkeiten, die bei zu betreuenden Personen anfallen, zu legalisieren.

Dazu gibt es die klare Definition, dass es dadurch keinen neuen Berufsstand gibt, weil es eine direkte Verbindung zwischen dem zu Betreuenden und dem/der BetreuerIn in ganz genau diesem Betreuungsverhältnis geben muss. Und nur in dieser Situation und nach entsprechender Beaufsichtigung, Beauftragung und Kontrolle, inklusive einer Do­kumentation, ist es möglich, einzelne über den Betreuungsbereich hinausgehende pfle­gerische Tätigkeiten auszuüben. – Damit haben wir etwas geschaffen! Auf einmal wis­sen wir, was gemacht wird, es wird kontrolliert und es wird auch dokumentiert. Das ist bis jetzt nicht der Fall gewesen.

Und noch etwas möchte ich sagen, um die Ängste wieder zu nehmen: Natürlich geht es hier nicht um irgendwelche großen medizinischen Tätigkeiten, sondern es geht zum Teil um das subkutane Spritzen von Medikamenten, die im Bereich der Diabetiker ver­wendet werden. Das ist ein Gebiet, auf dem die Firmen Gott sei Dank inzwischen In­novationen gemacht haben, damit das jeder Mensch selbst machen kann – nur wenn jemand an Alzheimer oder an Parkinson erkrankt ist, dann hat er ein technisches Pro­blem –, und daher glaube ich nicht, dass sich daraus nach einer entsprechenden Ein­schulung und unter begleitender Kontrolle ein Problem ergeben wird.

Bleiben wir also in der Realität! Stellen wir fest, dass dieses von der Koalition gemein­sam vorgelegte Paket auf der einen Seite die notwendige Legalisierung und auf der anderen Seite die letztendlich damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten, Tätigkeiten zu definieren, umfasst!


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Der nächste Schritt wird eine Ausbildungsoffensive sein, bei der wir auch die Betreue­rInnen in ein Modul einbauen, das wir für die Heimhilfe über die Altenpflege bis hin zu Sozialhelfern und anderen in Zukunft verstärkt entstehenden Berufsgruppen aufbauen werden. – Das ist ein wesentlicher Faktor.

Lassen Sie mich noch etwas sagen. In der Medizin ist nichts fix, und es gibt natürlich sehr viel learning by doing – noch dazu in einer Situation, mit der wir in dieser Form bis jetzt noch nicht umgegangen sind. Es haben sich Familienstrukturen verändert, es ha­ben sich demografische Situationen verändert, es gibt ein Stadt-Land-Gefälle, es gibt hier unterschiedliche Strukturen – und aus diesem Wechsel heraus müssen wir lernen.

Ich gratuliere hier im Bundesrat den Vertretern der einzelnen Bundesländer, denn hier tun gerade die Länder und vor allem die Gemeinden unglaublich viel, um diese Mög­lichkeiten umzusetzen.

Was der Bund hier vor allem tun muss, ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, und wir werden natürlich auch darüber diskutieren müssen, inwieweit wir ver­stärkt auch diesbezügliche finanzielle Abgeltungen andiskutieren. Das ist ein andau­ernder, ein laufender Prozess, und ich glaube, es ist ein guter Prozess.

Wir hören, was die Bevölkerung sagt, wir haben die Bedürfnisse der Menschen erkannt und diese schnell, unproblematisch und vor allem unbürokratisch umgesetzt, und ich glaube, das war das Ziel dieser Novelle.

Aber wir werden, so nehme ich an, hier noch die eine oder andere Veränderung in die­ser Novelle vorfinden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Brei­ner zu Wort. – Bitte.

 


11.49.45

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Inhalt Ihres Schlusssatzes ist eigentlich die Prämisse aller Gesetze: am Puls der Zeit zu sein, darüber nachzudenken, was Menschen brau­chen, Fehler, die man in seinen Vorstellungen macht, auszumerzen. – Ein durchaus gangbarer und wünschenswerter Weg, und ich denke, in diesem Gesetzespaket wurde dieser auch mit viel Umsicht umgesetzt.

Rechtssicherheit, die Klärung von Haftungsfragen, die Verankerung von Unterweisun­gen und auch die Aufnahme persönlicher Assistenz in das Gesetz sind, so denke ich, Meilensteine, die die Pflege sichern und die auch für die nächste Zeit Bedeutung ha­ben und gelten.

Ich stimme Ihnen auch darin zu, dass im Bereich der Entlohnung etwas gemacht und dass auch über Arbeitszeiten noch diskutiert werden muss. Und – auch das ist ein Punkt, den Sie angeschnitten haben – die Ausbildung des Pflegepersonals gehört ver­einheitlicht und standardisiert, denn diese ist ja teilweise den Ländern überlassen und abhängig davon, wo man sich befindet, unterschiedlich.

Ebenso sollte auch im Pflegefall die Zuständigkeit, die ja dann vom Ministerium in die Länder wandert, geklärt sein, wobei eigentlich zu erwarten wäre, dass dort zumindest eine mehr oder weniger gleiche Behandlung stattfindet.

Pflege und alles, was damit zusammenhängt, wird Patchwork bleiben. Ich denke, al­leine aufgrund der Veränderungen in der Gesellschaft ist es notwendig, auf alles zu


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reagieren, was da noch auf uns zukommt, und die Gesetze so anzupassen und so zu verändern, wie wir sie zur jeweiligen Zeit benötigen.

Dass Pflege Teamarbeit sein muss, kommt auch im Gesetz vor. Dass das im profes­sionellen Bereich natürlich nur auf Intensivstationen so stattfinden kann, ist eine klare Sache – das hängt auch von den Finanzen, die man zur Verfügung hat, ab –, dass aber Pflege generell von Teams durchgeführt gehört – und da wird die Dokumentation sicher einiges verändern und auch zum Guten wenden –, ist eine unbedingte Notwen­digkeit.

Ein Punkt – Sie haben ihn schon angeschnitten – ist die Pflege zu Hause, die durch Familienmitglieder und hier im Besonderen durch Frauen durchgeführt wird. Ich glau­be, man sollte sich überlegen, welche Hilfen man diesen Personen auch im sozialen Bereich, auch im Sinne eines Mentorings oder wie immer man das bezeichnet, gibt, denn gerade diese Frauen, die ja rund um die Uhr pflegen, sind besonderen Belas­tungen ausgesetzt.

Dass durch die Pflege 20 Prozent der Familien auch noch an der Armutsgrenze sind, ist eigentlich Auftrag genug, hier eine schnelle Änderung herbeizuführen.

All diese Änderungen, die wir heute beschließen werden, finden unsere Zustimmung, und mein Dank gilt allen, die sich bemüht haben, für Menschen wirksam zu werden, die in besonderen Situationen sind, die sich nämlich in Pflege befinden oder als Pflege­personal tätig sind. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Wolfinger.)

11.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist offensicht­lich nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Arznei­wareneinfuhrgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.54.564. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Zahnärztegesetz geändert werden (433 d.B. und 478 d.B. sowie 7903/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 65

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich bitte um den Bericht.

 


11.55.18

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebam­mengesetz und das Zahnärztegesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Hladny. – Bitte.

 


11.56.03

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Durch diese Richtlinien wird ein ein­heitlicheres, transparenteres und flexibleres System der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen geschaffen, indem die Vorschriften der bisherigen Anerkennungsrege­lungen im Lichte der Erfahrungen verbessert und vereinheitlicht werden.

Dies ist eine gute Vorlage, denn sie sichert EU-Rechtskonformität und damit auch die freie Dienstnehmermöglichkeit im EU-Bereich. Sie bietet ganz gewiss auch eine ent­sprechende Rechtssicherheit bei den Verfahren, wenn die Registrierung gelöscht wer­den soll.

Sie hilft vor allem auch, einen weiteren wichtigen Punkt im Regierungsübereinkommen abzuarbeiten, der mit dieser Gesetzesänderung als erledigt betrachtet werden kann.

Es geht hier immerhin um den wichtigen Bereich aller Gesundheitsberufe, die sich eine entsprechende Anpassung und Professionalisierung auch in der Gesetzgebung ver­dient haben, und deshalb wird meine Fraktion dem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.57.20

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Wenn wir heute das Hebammengesetz und das Zahnärztegesetz novellieren, so ist das eine gute Sache dahingehend, dass mehr Rechtssicherheit für diese Berufe geschaffen wird.

Damit wird auch Gleichheit in der EU geschaffen, denn nun ist ein unabhängiger Ver­waltungssenat für die letztinstanzliche Aufnahme und Beendigung der Ausübung der Berufe zuständig, was auch der EMRK entspricht.

Ich denke mir, das ist eine wichtige Sache, denn die Wichtigkeit unserer Gesundheits­berufe gehört unterstrichen! Auch die größere Rechtssicherheit ist positiv zu sehen, und darüber hinaus werden mit diesem Gesetz, so glaube ich, jene Leute, die in diesen Berufen arbeiten, hervorgehoben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.58



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 66

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Brei­ner. – Bitte.

 


11.58.38

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Dieses Gesetz ermöglicht diesen Berufen auch nach
der Europäischen Menschenrechtskonvention, ihre Berufungsinstanzen und so weiter wahrzunehmen. Auch die Übertragung an die unabhängigen Verwaltungssenate der Länder ist an und für sich ein organisatorisch richtiger Schritt.

Wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der ÖVP.)

11.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.59.395. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend das Protokoll zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechi­schen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz (416 d.B. und 473 d.B. so­wie 7906/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. Ich bitte um den Bericht.

 


12.00.13

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend das Protokoll zwischen der Regierung der Republik Ös­terreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkom­mens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tsche­choslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz liegt allen schriftlich vor.

Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung. Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 67

12.01.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. Diese Änderung des Informationsabkommens war Gesprächsthema bei der ersten Temelín-Kommissionssitzung, in der uns die Tsche­chen mehr oder weniger vorgeworfen haben, dass wir dieses Abkommen noch nicht unterschrieben und beschlossen haben. Wir haben dann versucht, den Text dieses Abkommens, das ja schon mehr oder weniger seit 2006 vorgelegen ist, zu Gesicht zu bekommen. Das war über die österreichische Seite leider nicht möglich. Wir haben es dann von den tschechischen Kollegen bekommen. (Bundesrat Konecny: Bitte!) – Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir es auch von österreichischer Seite bekommen ha­ben.

Für uns hat sich dann auch die Frage ... Bitte? (Ruf bei der SPÖ: Das ist im Aus­schuss geklärt worden!) – Es ist im Ausschuss geklärt worden. Ich kann mich erinnern, es hat ungefähr zwei Monate gedauert, bis wir dann den Vertragstext auch von öster­reichischer Seite bekommen haben, der ja im Prinzip schon unterschriftsreif war.

Warum ist dieser Vertrag für die tschechischen Mitglieder der Temelín-Kommission so wichtig gewesen? – Es steht unserer Meinung nach nicht sehr viel Neues drinnen. Das meiste, was darin neu ist, ist an und für sich auch schon durch die Espoo-Konvention besser geregelt. Was in diesem Informationsabkommen auch fehlt, ist ein Streitbei­legungsverfahren, Haftungsregelungen gibt es sowieso nicht – es ist ja auch nur ein Informationsabkommen.

Also warum war dieses Abkommen so wichtig für die Tschechen? – Während der Arbeit der Kommission ist dann immer mehr durchgekommen, dass die tschechische Seite, aber auch Teile der österreichischen Seite, ihr Ziel darin sehen, das Melker Ab­kommen mehr oder weniger durch dieses Informationsabkommen abzulösen. Dann wäre endlich Ruhe in der Sache. Ich bin der Meinung, Ruhe ist hier noch nicht ange­bracht. Information ist gut und wichtig, aber das Melker Abkommen ist mehr wert als nur Information.

Ich möchte bei diesem Thema natürlich auch gleich ein bisschen auf die Anti-Atompoli­tik des Umweltministers beziehungsweise Österreichs eingehen und sagen: In letzter Zeit stellt sich meiner Meinung nach immer mehr die Frage, ob es die überhaupt noch gibt, diese Anti-Atompolitik. Für mich ist sie großteils nicht mehr zu sehen. Wenn man jetzt in vielen tschechischen Medien fast täglich liest, dass Premierminister Topolánek Temelín und Dukovany jetzt doch ausbauen will – obwohl in seinem Regierungsüber­einkommen etwas Anderes steht –, dann höre ich von der österreichischen ... (Bundes­rat Konecny: Das müssen Sie mit den Grünen in der Tschechischen Republik klären, die sind Mitglieder der Regierung!) – Ja, aber die Grünen in der Tschechischen Re­publik haben das zum Glück hineinreklamiert, dass es keinen Ausbau gibt.

Und was hört man von österreichischer Seite dazu? – Genau nichts, nicht einmal ir­gendetwas hört man dazu. Das stört mich schon, weil ich denke, dass man österreichi­sche Anti-Atompolitik nicht den tschechischen Grünen überlassen sollte. Ich würde mir erwarten, dass es da auch von österreichischer Seite mehr gibt. (Beifall bei den Grü­nen.)

Ich schweife jetzt zum Thema Anti-Atompolitik noch ein bisschen weiter ab, nämlich in Richtung Mochovce. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Es hat mich nämlich enorm verärgert, wie da vorgegangen wurde. Es gibt ein Stellungnahmeverfahren für den Ausbau eines Atomreaktors in der Slowakei. Dieses Verfahren wird von den Län­dern versteckt auf irgendwelchen Internetseiten angekündigt, und vom Bund wird das Ganze gedeckt. Von niederösterreichischer Seite habe ich als Begründung gehört: Das


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 68

Bundesministerium hat uns gesagt, wir brauchen es ja nur zu veröffentlichen, wir brau­chen es nicht ordentlich kundzumachen! Vom Minister bekomme ich auf eine Mail-An­frage ein Monat später zurück: Na ja, es wäre schon eine richtige Kundmachung erfor­derlich, aber die Länder sind zuständig, und man kann ja nicht den Ländern dauernd auf die Finger klopfen!

Also in Wirklichkeit ist dieses Verfahren nicht richtig kundgemacht worden; Bund und Land putzen sich beide aneinander ab. Und ganz ehrlich: Wenn der Herr Minister in seinen Pressespiegel geschaut und darauf geachtet hätte, hätte er gesehen, dass es keinerlei Kundmachung für dieses Verfahren gegeben hat.

Warum gibt es jetzt diese Anti-Atompolitik in Österreich offensichtlich nicht mehr? – Für mich gibt es dafür ein bis zwei Erklärungen: In Wirklichkeit ist Österreich immer mehr von den Atomstromimporten aus Tschechien abhängig; wir importieren inzwischen fast durchgehend ungefähr 400 Megawatt Leistung – das ist ein Block von Dukovany. Die­se Abhängigkeit Österreichs, was den Atomstromimport betrifft, wächst, weil die Regie­rung nichts macht in Bezug auf Effizienzsteigerung, sie macht nichts mehr in Bezug auf erneuerbare Energien. Wir sorgen nicht für unsere eigene Unabhängigkeit und deshalb ist es vielleicht auch schon weniger im Interesse Österreichs – so, wie es momentan agiert –, wenn die Haftung für die Atomkraft wirklich zuschlagen würde, denn dann würde auch für uns der Atomstrom teurer werden und dann müsste man sich auch bei uns etwas Anderes einfallen lassen, als Atomenergie zu importieren und Rechtszerti­fikate zu kaufen, damit es dann billiger Grünstrom wird.

Zurück zum Informationsabkommen: Information ist, wie gesagt, nicht alles. Das Mel­ker Abkommen wäre sehr viel mehr. Das Melker Abkommen sollte unter anderem auch eine Garantie dafür sein, dass das, was technisch machbar ist, in Temelín auch ge­schieht. Unsere wichtigsten Kritikpunkte, die Kritikpunkte von österreichischer Seite – die 28-Meter-Bühne und die Rohrleitung –, sind nach wie vor ungelöste Probleme. Die Haftung ist in Wirklichkeit dort nicht angesprochen worden. Österreich hat ein strenges Atomhaftungsgesetz. Die Tschechen – und nicht nur die Tschechen – erkennen das leider nicht an. Wenn Schäden durch einen AKW-Unfall passieren, dann wird Öster­reich durch die Finger schauen, weil es nichts geben wird, keine Entschädigung.

Es gibt einen Bericht, der eigentlich von der Regierung zum Atomhaftungsgesetz zu le­gen wäre, nämlich wie sich das mit der Anerkennung der umliegenden Länder abspielt. Dieser Bericht war bis vor Kurzem überhaupt nicht auffindbar – außer, dass ein Hin­weis im Internet zu finden war, dass das irgendwann einmal im Ministerrat besprochen wurde. Aber der Bericht an sich war nie auffindbar. Inzwischen ist er offenbar gefunden worden und wird jetzt im Justizausschuss behandelt. Vielleicht hängt das auch mit mei­ner Anfrage zusammen; das würde mich freuen.

Aber dieser Bericht wurde auch nicht ohne Grund versteckt, weil sich in Wirklichkeit im Bereich der Haftung keinerlei Verbesserung gezeigt hat. Die Haftung ist in Wirklich­keit – gerade was die Anti-Atompolitik betrifft – einfach der Angelpunkt für uns. Ohne Haftung wird Atomstrom günstig sein. Aber würde man Atomkraftwerke in dem Aus­maß versichern müssen, in dem man ein Auto versichern muss, dann würde man sich Atomstrom nicht mehr leisten können und wir hätten wirklich eine Anti-Atompolitik vor­zuweisen.

Ein gemeinsames Vorgehen der AKW-freien Staaten auf EU-Ebene ist das, was die Grünen immer gefordert haben. Man hört allerdings davon nichts. Sowohl der Wirt­schaftsminister als auch der Umweltminister sagen immer, wir sind so alleine und so arm. – Ich denke, gerade was die Haftung betrifft, sind sowohl atomkraftfreie Staaten als auch Staaten, die aussteigen wollen, sicher bereit, gemeinsam mit Österreich For­derungen aufzustellen. Das wäre dringend notwendig.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 69

Punktum, die Grünen und die NGOs müssen offensichtlich die Anti-Atompolitik Öster­reichs allein vertreten. Das tut mir sehr leid, ich würde es mir doch auch von der Regie­rung erwarten. Wir haben die Temelín-Kommission letztendlich deshalb verlassen, weil eben in den wichtigen  (Bundesrat Konecny: Wieso sagen Sie „wir“? – Sie haben nicht einmal gewusst, dass sie austreten müssen!) – Was? (Bundesrat Konecny: Das ist alles ein Witz!) – Das ist alles ein Witz?

Also wir haben die Temelín-Kommission verlassen, weil Tschechien in den wichtigsten Punkten nicht zugänglich war, und zu guter Letzt hätten wir akzeptieren sollen, dass die tschechische Seite den Melker Vertrag völkerrechtlich nicht anerkennt. – Das war für uns nicht akzeptabel.

Wie es jetzt weitergeht, nachdem die Temelín-Kommission wahrscheinlich anstehen wird mit den letzten beiden Punkten; die werden nicht lösbar sein. Ich sehe keinen Ausweg. (Bundesrat Konecny: Das ist typisch! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Grundsätzlich wurde die Temelín-Kommission ja schon deshalb eingesetzt – denn wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis. Wenn der Arbeits­kreis nicht mehr weiter weiß, mal schauen, was dann dem Herrn Professor Konecny einfällt. (Bundesrat Konecny: Dann treten die Grünen aus!) – Die Grünen treten dann aus, wenn die österreichische Seite dazu neigt, zu sagen, okay, wir akzeptieren, dass Ihr den Melker Vertrag völkerrechtlich nicht anerkennt. Das war für uns der Grund – und: Das könnt ihr akzeptieren, aber wir akzeptieren das sicher nicht!

Zum Informationsabkommen: Wir hätten uns zumindest erwartet, dass es einen Ver­gleich der vorhandenen ähnlichen Abkommen geben sollte, einen Best-Practice-Ver­gleich. Ein solcher ist offensichtlich nicht erfolgt. Zumindest konnte uns im Ausschuss dazu keine Auskunft gegeben werden, und wenn man sich den Vertrag anschaut, ist es auch ersichtlich, dass das nicht erfolgt ist. Aus diesem Grund werden wir diesen Vertrag auch ablehnen. (Beifall bei den Grünen.)

12.10


Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Ich darf einfügen, Frau Vizepräsidentin Mag. Neuwirth hat mich informiert, dass der Herr Bundesminister unterwegs ist und bald eintreffen wird. (Bundesrat Konecny  auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich nehme das gerne zur Kenntnis!)

 


12.11.04

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Meine Damen und Herren! Frau Bundes­minister! Ich bin schon in einem beträchtlichen Maß fassungslos über die Aneinan­derreihung von unzutreffenden Behauptungen, über die dann der Titel „Anti-Atompoli­tik“ gestellt wird. Wenn wir schon das Thema so angehen – womit ich kein Problem habe –, dann sollten wir uns einmal kurz überlegen, worin eine Anti-Atompolitik be­stehen kann: Jedenfalls nicht darin, dass man Menschen in grenznahen Bereichen ver­unsichert, jedenfalls nicht darin, dass man, ohne im Geringsten eine Ahnung zu haben, wovon man redet, behauptet, dass Tschechien das Melker Abkommen nicht aner­kennt. – Es gibt wesentliche Auffassungsunterschiede; ich werde dazu kommen. So zu tun, als ob sich alle Staaten einem Diktat, das Österreich ausspricht, zu unterwerfen haben, ist mit Sicherheit keine taugliche Geschäftsgrundlage.

Es ist eine bedauerliche Entwicklung, dass es in einer Reihe von europäischen Staaten angesichts einer schwierigen Energiesituation eine Renaissance der Kernenergie gibt – gar keine Frage. Österreich ist da in der Europäischen Union – wie alle, die sich damit beschäftigen, mit Bedauern festzustellen haben – ziemlich isoliert. Das schwächt unsere Position auch in jeder bilateralen Auseinandersetzung, weil der jeweilige Streit­


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partner darauf vertrauen kann, dass er im Mainstream der Europäischen Union gut ein­gebettet ist. Das ist eine traurige Entwicklung. Natürlich legen wir Wert darauf, dass wir, wenn es das schon gibt und wenn wir damit rechnen müssen, dass im kritischen Bereich rund um unsere Landesgrenzen in den nächsten Jahrzehnten weitere Atom­kraftwerke entstehen können, zumindest ein Höchstmaß an Sicherheit, ein Höchstmaß an Information und ein Mindestmaß an Mitsprache erreichen.

Darin kann eine realistische Anti-Atompolitik bestehen. Alles andere ist Selbsttäu­schung. Kraftmeierei hat noch nie jemandem Erfolg gebracht. Das ist eine bedauer­liche Tatsache, aber ich erinnere mich wirklich mit großem Unbehagen an jene tempo­räre Zuspitzung der Auseinandersetzung um Temelín, wo eigentlich, wären wir noch im 19. Jahrhundert gewesen, ein „netter, kleiner Krieg“ die nächste Stufe gewesen wäre. – Ich glaube nicht, dass man mit Grenzblockaden und Gegenmaßnahmen der tschechi­schen Seite, mit einer permanenten Hochschaukelung irgendetwas Positives erreichen kann.

Wir haben, bei aller Kritik im Detail, den Melker Prozess begrüßt. Wir haben mit Be­dauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht auf Drängen der tschechischen Seite, sondern auf Drängen anderer EU-Mitgliedstaaten, die ihre eigene Atompolitik verfol­gen, beim Brüssler Vertrag eine entsprechende europarechtliche Verankerung, die ur­sprünglich vorgesehen war, gefallen ist.

Wir können in Verantwortung für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger – vor allem in grenznahen Bereichen – nur versuchen – und das ist nicht wenig –, ein Höchstmaß an Information zu erreichen und unseren jeweiligen Partner – das ist jetzt in diesem Fall die Tschechische Republik, es gilt aber genauso für Deutschland, es gilt genauso für die Slowakei, es gilt genauso für Slowenien und Kroatien – mit unseren Vorbehalten zu konfrontieren.

Das Melker Abkommen hat in einem wichtigen Punkt, in dem es zweifelsfrei von der tschechischen Seite verletzt wurde, die Vorlage von sicherheitstechnischen Nachwei­sen vor Aufnahme des kommerziellen Betriebes vorgesehen. Es ist das – wer das nicht mitbekommen hat, muss sich permanent aus dem Sitzungssaal entfernt haben – ein wesentliches Thema unserer Diskussionen mit der tschechischen Seite. Dieser gra­vierende Regelverstoß ist und bleibt eine Tatsache, weil der kommerzielle Betrieb längst aufgenommen wurde. Unser Protest dagegen ist in höchstem Maße legitim, aber mit dem Protest dagegen kann man das Verfahren nicht abschließen.

Die Gründung der parlamentarischen Temelín-Kommission, der der Ausschuss des Nationalrates bei der Behandlung dieser Vorlage seine ausdrückliche Unterstützung zugesichert und die er zum Weitermachen ermutigt hat, hat immerhin eines bewirkt – und das sage jetzt nicht ich, der ich mehr oder weniger zufällig Vorsitzender der öster­reichischen Seite dieser Kommission bin, sondern das sagen jene kritischen Wissen­schafter, die die Bedenken in vielen Bereichen formuliert, vorgebracht und verhandelt haben: Der Prozess hat jedenfalls mit sich gebracht, dass die tschechische Seite ihre Informationsblockade – das ist eine Tatsache, die sie über lange Strecken aufrecht­erhalten hat – aufgegeben hat.

Wir haben zu einer Reihe von Fragen – nicht zu allen Fragen, da haben Sie recht – In­formationen erhalten, die eine Neubewertung österreichischer Standpunkte ermögli­chen. Wir haben in einem ganz konkreten Fall – im Fall der Erdbebensicherheit – die Einrichtung eines langfristigen wissenschaftlichen Forschungsprogramms erreicht, im Zuge dessen bestimmte mögliche Verwerfungen von einem gemeinsamen Wissen­schafterteam aufgegraben und untersucht werden sollen. Das ist mehr, als wir erwar­ten konnten.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 71

Das gegenständliche Abkommen ist naturgemäß keines, das Maßnahmen kerntechni­scher Art in der Tschechischen Republik von der österreichischen Zustimmung abhän­gig macht. Nein, das ist es nicht.

Es ist das ein Informationsabkommen und geht weit über das hinaus, was im ursprüng­lichen Abkommen mit der Tschechoslowakei festgelegt wurde. Es geht aber auf der Informationsseite auch weit über das hinaus, was im Melker Vertrag und im Brüssler Vertrag festgelegt wurde. Bei der Konkretisierung der Bestimmungen, die diesen bei­den Abkommen zu Grunde gelegt sind, hat sich die tschechische Seite bereit erklärt, wesentlich weiter zu gehen, als es unbedingt notwendig gewesen wäre, was von uns begrüßt wurde.

Womit Sie recht haben – die Formulierung, die Sie gewählt haben, ist im günstigsten Fall unbeholfen, im ärgsten Fall ist sie eine Fälschung –: Die Frage, was der Rechts­status des Melker Abkommens und jedes weiteren ist, ist naturgemäß immer noch zwi­schen den beiden Staaten umstritten. Zu sagen, die tschechische Seite hat die völ­kerrechtliche Verbindlichkeit des Abkommens angezweifelt, ist falsch. Was die tsche­chische Seite nicht anerkennt und was die österreichische Seite höchst verständlich fordert, ist, dass diese Verträge als völkerrechtliche und nicht als bilaterale Verträge angesehen werden. – Der praktische Unterschied hält sich in Grenzen.

Der Nationalrat hat zwar einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem er eine so­genannte Völkerrechtsklage bei der Regierung in Auftrag gegeben hat. Wer immer die­sen Antrag literarisch gedichtet hat, hat nicht zu den Bestberatenen gehört. Es gibt kein völkerrechtliches Bezirksgericht, an das man sich wenden kann, wenn man eine Be­schwerde gegen einen Nachbarstaat hat. Das Völkerrecht kennt Streitbeilegungsme­chanismen in einem unendlich komplizierten Verfahren, dem so genannten La Valetta-Verfahren im Rahmen der OSZE. Es ist aus guten Gründen noch nie angewendet wor­den, weil es eben so komplex ist.

Zwei Staaten, die bereit sind, sich dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zu unterwerfen, können mit einem Streitfall vor diesen Gerichtshof ziehen. Dazu ist die völkerrechtliche Verbindlichkeit einer Vereinbarung keineswegs die Vor­aussetzung. Der Internationale Gerichtshof hat auch schon Grenzstreitigkeiten beige­legt, die bilateral bestanden haben, aber die Voraussetzung ist, dass beide Seiten sich dem Schiedsspruch, also dem Urteil, unterwerfen und diese Erklärung vor Eingang in das Verfahren abgeben. Da kann man dann auch nicht mehr heraus.

Die tschechische Seite hat in Bezug auf Temelín – wobei der materielle Inhalt einer solchen Klage noch zu klären wäre – eine solche Bereitschaft nicht erkennen lassen. Alles andere, was das Völkerrecht als Streitbeilegungsmechanismus vorsieht, sind bilaterale Verfahren, wo man zu Lösungen zu kommen versucht. Wie gesagt, es gibt kein völkerrechtliches Bezirksgericht, bei dem eine Klage eingebracht wird und dann das Verfahren in Gang kommt.

Bilateral verhandeln können wir – unabhängig von den Rechtsstandpunkten – trotz­dem. Ich stehe zu dem Standpunkt, dass wir für die völkerrechtliche Verbindlichkeit eintreten, und auch der Ausschussbericht weist darauf hin, dass es sich nach österrei­chischer Auffassung um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt; selbstver­ständlich.

Die tschechische Seite hat an der Verbindlichkeit des bilateralen Vertrages – Melker Abkommen, Brüsseler Abkommen und natürlich auch dessen – nicht den geringsten Zweifel gelassen. Jawohl, wir sind uns darüber einig, dass beide Staaten zu diesem Vertragstext stehen. Wir Österreicher hätten uns bei den Verhandlungen über dieses Abkommen eine Schiedsinstanz gewünscht, die nicht bilateral zusammengesetzt ist,


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 72

sondern wo Vertreter anderer Staaten und Institutionen mit eingebaut werden. Für die­ses Anliegen haben wir keine Unterstützung der tschechischen Seite gefunden.

Trotzdem: Es geht dabei um ein Abkommen, das substanziell über das bestehende hinausgeht. Ich kann mir nicht vorstellen, warum man ein Mehr an Information für Ös­terreich ablehnen kann. Auch kritisch zu sein und zu sagen, es sollte noch mehr sein, ist okay, aber warum Sie dagegen stimmen, verstehe ich beim besten Willen nicht.

Wir werden den Prozess und den Dialog auf parlamentarischer Ebene im Juni – ohne in allen Punkten zu einer befriedigenden Einigung gelangt zu sein – abschließen, weil es sonst keinen Sinn macht. Wir werden aber sehr genau definieren, wo wir nicht einer Meinung sind.

Wir werden aber als österreichischer Teil dieser Kommission auch vorlegen, wo wir einen Fortschritt und auch einen Abschluss erzielt haben, um einer Legendenbildung einen Riegel vorzuschieben. Es ist einfach so, dass österreichische Bedenken zu einer weiten Palette von Themen von unseren eigenen Wissenschaftern nach Einsichtnah­me in die Unterlagen, die wir zum ersten Mal bekommen haben, ausgeräumt wurden. Man soll auch klar sagen, dass Fortschritte erzielt wurden.

Ich habe eine Bitte, die ich nicht nur an Mitglieder des Hauses richte, sondern es ist auch ein Thema gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit. Österreich hat aus gu­ten Gründen keine Kernkraftwerke, und ich kenne keinen österreichischen Politiker, der zu diesem durch eine Volksabstimmung herbeigeführten Grundkonsens nicht stehen würde. Eine Reihe anderer Staaten macht eine andere Energiepolitik. Wie stark sie in der Bevölkerung fundiert ist, ist immer im Einzelfall zu überprüfen; das ist auch in der Tschechischen Republik nicht so ganz klar.

Aber von einem „Schrottkraftwerk“ zu sprechen, eine Diffamierung eines konkreten Werkes vorzunehmen, das in einem Land steht, zu dem Österreich traditionell eine nicht ganz unproblematische Beziehung hat, ist einfach verantwortungslos und falsch. Temelín ist ein schwieriges Kernkraftwerk – das sage ich, wie schon erwähnt, nicht im Hinblick auf Mitglieder des Hauses, sondern im Hinblick auf Medien –, aber diese Diffa­mierungskampagne ist mit Sicherheit verhängnisvoll, weil sie jede Gesprächsmöglich­keit mit der tschechischen Öffentlichkeit abbaut.

Wenn wir langfristig etwas ändern wollen, dann geht das nicht mit der besagten Groß­manns- oder Großfrau-Haltung, sondern nur so, indem wir versuchen, Sympathien und Verständnis für unseren Standpunkt in der tschechischen Öffentlichkeit zu gewinnen. – Wenn der Kampf gegen Temelín mit einer Diffamierung der tschechischen Seite ver­bunden ist, dann wird es sehr, sehr schwer sein, diese Sympathie für den Standpunkt Österreichs zu finden.

Dieses Abkommen ist ein Fortschritt. Es löst bei weitem nicht alle Probleme, aber es ist ein Fingerzeig in welcher Form und in welcher Art wir gemeinsam weiterkommen kön­nen. Dass wir im Übrigen unsere Energiesituation sichern müssen, ist klar. Allerdings ist die Auswahl an möglichen Energiequellen limitiert. Wer keine Kernkraft will, sollte nicht versuchen jedes Wasserkraftwerk, das angedacht wird, gleich im Ansatz zu blo­ckieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

12.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


12.27.39

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Abkommen zwischen den Staaten Österreich und der Tschechi­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 73

schen Republik bezüglich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes – so heißt unsere heutige Diskussion und Beratung zu diesem Abkommen.

Das Abkommen zwischen den beiden Staaten sollte der Sicherheit, dem Strahlen­schutz und dem Austausch von Ideen zum Thema Sicherheit dienen. Im Besonderen sollten die Zielsetzungen des Melker Abkommens und deren Vertragsgrundlage beider Staaten für das Miteinander von Vertrauen getragen sein. Die wichtigsten Änderungen sollten sein – und dafür müssen wir uns einsetzen –: Ausweitung der Informations­pflicht, also ausführlichere gegenseitige Informationsmitteilung für die Vertragsparteien, Zusammenarbeit im Bereich des Notfallschutzes, Anpassung des regelmäßigen auto­matischen Datenaustausches, erhebliche Erweiterung des Informationsaustausches über Kernanlagen durch ausdrückliche Einbeziehung großer Veränderungen – auch für Nachbarn –, Schaffung von Rechtsgrundlagen, auch für Einzelfälle.

Derzeit gibt es keine Verbesserung der Streitbeilegungsbestimmung. Der Umweltaus­schuss des Nationalrates hat den Staatsvertrag vom 4. März 2008 in Verhandlung ge­nommen. Mit Stimmenmehrheit hat der Ausschuss beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen. Mit dem einge­brachten Entschließungsantrag zum Kernkraftwerk Temelín wurde mit Stimmenmehr­heit eine Begründung beigegeben, die lautet:

Die Mitglieder der Bundesregierung wurden ersucht, an die Regierung der Tschechi­schen Republik als Vertragspartnerin des Melker Protokolls heranzutreten und einzu­fordern, „dass mit der erfolgten Kollaudierung umgehend der Nachweis der Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen betreffend das AKW Temelín wie im Anhang I (BGBl. 2001/266) festgelegt, erbracht wird“.

Eine Völkerrechtsklage wegen Bruchs des Melker Vertrages ist einzuleiten, „sollte die­ser Nachweis durch die Tschechische Republik nicht umgehend erbracht werden kön­nen“.

Von technischer Seite kam bis heute keine Antwort auf den Melker Vertrag bezie­hungsweise auf die Vertragsbestimmungen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Juni 2007 hat der tschechische Außenminister Fürst Schwarzenberg, der auch die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzt, eine sehr starke, negative Aussage gegen alle österreichischen Staatsbürger getätigt.

Der Fürst sagte: Die Österreicher sind Trottel, komplette Narren und total verwirrte Menschen! (Heiterkeit.) – Ich war der Meinung, dass sich ein Mitglied der österreichi­schen Bundesregierung, der Herr Bundeskanzler oder der Herr Vizekanzler vor die ös­terreichische Bevölkerung stellt und den österreichischen Staatsbürger und tschechi­schen Außenminister und Fürsten des europäischen Hochadels in die Schranken weist. (Heiterkeit.) Für mich ist das eine extreme Entgleisung. Dafür müsste man von Herrn Schwarzenberg von der österreichischen Bundesregierung eine Entschuldigung verlangen.

Herr Bundesrat Konecny, die Kraftmeierei kommt von tschechischer und nicht von österreichischer Seite. Als Bundesrat verlange ich die Einhaltung des Melker Vertrages von der Tschechischen Republik! 170 Störfälle in den letzten fünf Jahren im Atomkraft­werk Temelín sollten für uns alle schon zu viel sein. Ich werde meine Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.3


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 74

1


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte.

 


12.32.00

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigent­lich eine Rede zum Thema Temelín halten, aber Herr Kollege Kampl, ich glaube, es steht uns nicht zu, Minister eines befreundeten europäischen Landes  (Bundesrat Ing. Kampl: Wenn sie uns „Trottel“ heißen ! – Heiterkeit.)

Ich glaube, es steht uns wirklich nicht zu, eine hochverdiente Persönlichkeit, die dabei mitgewirkt hat, das tschechische Volk nach Europa, in die europäische Gemeinschaft zurückzubringen, jemanden, der von Anfang an an Prozessen beteiligt war, die Gott sei Dank heute unumkehrbar sind und der in seiner Verantwortung um seine Herkunft Großartiges geleistet hat (Bundesrat Ing. Kampl: Es steht ihm nicht zu! Da fordere ich eine Entschuldigung!), in einer aus dem Zusammenhang genommenen Szenerie in diesem Haus öffentlich anzugreifen. Ich weise das zurück! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Immerhin ist Karl Schwarzenberg Minister eines be­freundeten europäischen Landes. Ich bitte, das in Zukunft so zur Kenntnis zu nehmen. Ich wollte das damit nur deutlich klarstellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist selten, dass man einer langen Rede des Herrn Professors Konecny so zustim­men kann wie der heutigen. Ich danke, es war eine ganz klare und perfekt ausformu­lierte Rede. Ich möchte als Oberösterreicher an dieser Stelle nicht diese Rede wieder­holen, sondern deutlich sagen: Wir müssen mit unseren Nachbarn in einem gemeinsa­men und gleichberechtigten Prozess reden und verhandeln. Wir dürfen alles tun, aber es ist nicht zuträglich, hier mit Populismen Ängste zu schüren.

Es ist auch nicht zuträglich, dass man, wenn man auf der Bundesstraße von der tsche­chischen Grenze durchs Mühlviertel, in tschechischer Sprache Angriffe, die von den Tschechen als Beleidigung gesehen werden, lesen kann. Das ist nicht die Art, wie wir vorgehen dürfen, das ist nicht die Art, wie man in einer Familie miteinander umgeht.
Mit Großmannssucht oder Großfrausucht werden wir dieses zentrale Anliegen, das wir als österreichische Gesellschaft haben – nämlich für größtmögliche Sicherheit in den Atomkraftwerken zu sorgen –, nicht weiter kommen. Das geht nur mit einer partner­schaftlichen und vernünftigen Umgangsweise.

Ich möchte gerade dir, Herr Minister Pröll, an dieser Stelle ganz besonders danken, denn es ist auch deinem Verhandlungsgeschick zu verdanken, dass wir da sehr viel er­reicht haben. Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg. Niemand will Atomkraft in Österreich – das ist heute schon gesagt worden –, aber ich glaube, wir dürfen nicht un­sere Nachbarn, unsere Familienmitglieder so bevormunden und mit ihnen in besser­wisserischer Absicht umgehen. Das hat keinen Sinn, und das wird sich niemand gefal­len lassen. So werden wir weniger erreichen als in einem gemeinsamen Prozess.

Ich würde mich freuen, wenn gerade die schärfsten Kritiker an diesem Prozess ge­meinsam teilnehmen und nicht aus einseitigen Überlegungen und Populismen heraus die Dinge hinschmeißen und Kommissionen verlassen.

In diesem Sinne ist, glaube ich, ein gutes Abkommen getroffen worden. Es ist ein Schritt, aber es muss auch klar sein, dass wir viele Schritte nur gemeinsam in der europäischen Völkerfamilie mit einem sehr aufrechten und richtigen Umgang miteinan­der schaffen werden. In diesem Sinne wird meine Fraktion diesem Abkommen zustim­men. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.36.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrter Herr Kollege Konecny, möglicherweise haben


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 75

Sie mich falsch verstanden. Ich kann mich nicht erinnern, in meinen Aussagen hier Tschechien oder tschechische MitbürgerInnen diffamiert zu haben. Ganz im Gegenteil: Ich habe gesagt, die tschechischen Grünen sind der Garant dafür, dass die Kernkraft­werke in Dukovany und Temelín nicht ausgebaut werden.

Ich habe mich auch sicherlich nicht auf die tschechische Bevölkerung gestürzt; Sie müssen mich da falsch verstanden haben. Was Sie unter „Kraftmeierei“ verstehen, weiß ich jetzt auch nicht. Prinzipiell haben wir mitgearbeitet bei der Temelín-Kommis­sion; das wissen Sie ganz genau. An einem bestimmten Punkt haben wir aber gesagt, da können wir nicht mehr mitziehen, wir können das so nicht akzeptieren, also steigen wir aus. Das war keine Kraftmeierei (Bundesrat Konecny: Nein, es war immer viel Taktik dabei!), das haben wir sicher nicht mit großem Tamtam verkündet, sondern das war an und für sich ein ruhiger Ausstieg. Ich weiß jedenfalls nicht, was Sie in diesem Zusammenhang unter „Kraftmeierei“ verstehen.

Wenn Sie sagen, der einzige Weg, Atomkraftwerke künftig zu verhindern, wäre es, bei den Nachbarn um Sympathie und Verständnis für unseren Standpunkt zu werben, dann fehlt hier nach meiner Ansicht ein Bereich, nämlich der, selbst zu schauen, dass wir unabhängig vom Atomstrom aus Tschechien werden. Das habe ich auch lang und breit erklärt. Ich hoffe, dass Sie es verstanden haben. Solange wir in diesem Ausmaß Atomstrom importieren  (Zwischenrufe des Bundesrates Konecny.)

Sympathie und Verständnis für unseren Standpunkt wird nicht reichen. Es wäre zumin­dest besser, wenn wir selbst versuchen würden, unseren Energiebedarf mit erneuer­barer Energie zu decken – und das ist nicht nur Wasserkraft. Wir haben einen großen Anteil an Wasserkraft ... (Zwischenrufe der Bundesräte Seitner und Mayer. – Vizeprä­sident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Wir reden nicht nur von Wasserkraft. Ich rede von erneuerbarer Energie, ich rede von Regierungsprogrammen, in denen vermerkt steht, dass wir die Energie effizient stei­gern wollen, ich rede von Regierungsprogrammen, in denen vermerkt steht, wie hoch unser Anteil an erneuerbarer Energie sein wird – und ich rede auch von einem Öko­stromgesetz, von dem der Bundesminister seit einem Jahr sagt, dass es repariert ge­hört. Auch unser niederösterreichischer Landesrat sagt sein ungefähr einem Jahr, dass es dringend reformiert gehört – und es passiert nichts, oder?

Ich habe leider keinen anderen niederösterreichischen Umweltlandesrat; ich hätte ger­ne einen anderen. Aber abgesehen von diesen Ankündigungen, dass das Ökostromge­setz geändert werden sollte und dass das inzwischen auch ÖVP-Politiker verstanden haben, ist nichts geschehen in diesem Bereich; das können auch Sie nicht abstreiten.

Wasserkraft ist nicht die einzige Form der erneuerbaren Energie. Wenn Österreich wollte, könnten wir eine Energieunabhängigkeit erreichen, nur müsste man da ordent­lich „angasen“. Momentan kann aber davon keine Rede sein , davon merke ich leider nichts.

Nochmals: Sympathie und Verständnis wird nicht reichen, sondern wir werden auch unsere Unabhängigkeit von tschechischer Atomkraft anstreben müssen. (Beifall bei den Grünen.)

12.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 76

Wort.

 


12.40.09

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesrat! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich wollte mich ursprünglich zu diesem Thema nicht zu Wort melden. Ich sage es auch ganz klar und deutlich: Ich habe Herrn Bundesrat Ko­necny sehr aufmerksam zugehört. Ich bin etwas zu spät gekommen, weil ich im Stau gestanden bin. Und ich habe an sich – und das ist tatsächlich eine Premiere, seit ich jetzt fünf Jahre im Haus bin! – dem nichts mehr hinzuzufügen. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.)

Frau Bundesrätin Kerschbaum hat das aber erkannt und hat sich zu Wort gemeldet (allgemeine Heiterkeit) und mich damit gezwungen, doch noch ein paar Worte zu sa­gen.

Zum Nuklearinformationsabkommen, um ein paar Missverständnisse auszuräumen – das ist doch auch wichtig –: Im Grundverständnis mit der Tschechischen Republik gibt es ein paar Themen, die auch in der Debatte um die Beschlussfassung in den Raum gestellt wurden, die man – wie ich denke – so nicht stehen lassen kann.

Zum Ersten: Es vergessen sehr viele, dass die gesamte Abwicklung der Roadmap und des Abarbeitens im Melker Prozess im Rahmen dieses Nuklearinformationsabkom­mens stattgefunden hat. Es wäre in diesem Zusammenspiel die Abarbeitung dessen, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben, ohne Abkommen nicht möglich gewe­sen in dieser Qualität.

Zweiter Punkt und in aller Kürze: Das Nuklearinformationsabkommen schafft tat­sächlich qualitative Verbesserung in der gegenseitigen Information und schafft damit auch eine neue Basis für das gegenseitige Vertrauen. Das darf man nicht unterschät­zen! Wenn die parlamentarische Kommission, die hier angesprochen wurde, in Öster­reich als Idee im Konsens geboren, weiterzugehen versucht, so ist das eine weitere Maßnahme – ebenso die Erdbebensicherheit und andere Themen, die angesprochen sind –, wo wir heute mehr wissen, als das noch vor ein paar Monaten und Jahren der Fall war.

Ich verstehe die Abgeordneten der Grünen nicht, dass sie diese Gesprächsbasis ver­lassen haben. Man muss sich in der Politik, so denke ich, an einem Punkt X an das halten, was ausgemacht ist und was Grundkonsens ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird in all den Debatten vergessen: Es gibt und es gab 1993/94 in der Anbahnung des österreichischen Beitritts zur Europäischen Union den klaren Wunsch gerade dieses Landes, des Hohen Hauses und der Regierung, und zwar in einem Kon­sens wie nie zuvor, dass Energiefragen nationale Hoheit auch zukünftig sein sollen. So ist es.

Aus welchem Grund war uns das ein besonderes Anliegen? – Weil wir verhindern woll­ten, dass nach einem Beitritt über die Hintertür bei europäischer Kompetenz auf einmal ein großer Energieversorger aus Frankreich auf die Idee kommt: Beleben wir Zwenten­dorf, bauen wir ein Atomkraftwerk und planen und beginnen wir! – Nein, wir wollen nationale Hoheit.

Nur, wenn wir es wollen – und diese Diskussion kann ich schön langsam nicht mehr nachvollziehen! –, dann muss man dieses Wollen und die Durchsetzung auch den an­deren 26 Staaten zugestehen. Wenn Tschechien, wenn die Slowakei, wenn Ungarn und andere – aus unserer Sicht leider, aber doch – auf die Atomkraft setzen, so kann es für uns nur eine maximale Herausforderung geben: mit Argumenten dagegenzuhal­ten, alles anzubieten, um in Alternativen zu gehen und auch zu helfen. Mit der Umwelt­förderung und der Energiepartnerschaft haben wir viel getan. Und wenn das alles nicht reicht im Konsens, dann haben wir dafür zu sorgen, dass maximale Sicherheit gege­ben ist.

Diese parlamentarische Kommission, der bilaterale Austausch erfüllen das Nuklearin­formationsabkommen, erfüllen doch den Wunsch der Österreicherinnen und Österrei­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 77

cher nach maximaler Sicherheit. (Bundesrätin Kerschbaum: Ich hätte gerne eine Haf­tung!) – Maximale Sicherheit! Und wenn man das Gespräch verweigert, wird man sie nicht bekommen, so einfach ist die Formel. Das ist sozusagen eine Grundrechnungs­art.

Daher verstehe ich den Ausstieg gerade der Grünen aus diesem Diskussionsprozess nicht. Das sehen übrigens die tschechischen Grünen, Ihre Freunde auch so; etwa Mar­tin Bursík, mit dem ich als Umweltminister sehr, sehr eng bin, ihn auch in Brüssel oft treffe und im Gegensatz zu vielen andern mit ihm auch Gespräche führe. Ich glaube, er hat auch nicht viel Verständnis dafür, dass es da eine einseitige Gesprächsverweige­rung gibt. Aber das ist Ihre Sache, und Sie werden es auch zu rechtfertigen haben, was man an den Wahlergebnissen in den letzten Wochen und Monaten ablesen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Konecny.)

Der nächste Punkt – den will ich auch noch diskutieren; das muss auch in diesem Raum einmal gesagt werden, das ist der Verweis auf einen weiteren Punkt rund um die Frage des Übereinkommens mit der Schweiz bezüglich des Inns und des weiteren Ausbaus der Wasserkraft! –: Wir stoßen an folgende Grenzen. Sie sagen zu Recht, Frau Bundesrätin Kerschbaum – und ich kann das hundertprozentig unterstreichen –: Energie, Autarkie und möglichst viel aus eigener Produktion!

Ich darf Ihnen jetzt ein paar Beispiele nennen, wo dieses Bekenntnis an reale Grenzen stößt. Sie wissen ganz genau, dass gerade auch aus Ihrer Partei und aus vielen In­teressensgruppen massiver Widerstand bei nahezu allen Projekten der Wasserkraft organisiert wird. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Sie wissen ganz genau, wenn wir auf erneuerbare Energieträger set­zen, passiert Folgendes. Da komme ich jetzt noch gar nicht auf den Ökostrom, sondern auf andere Ausbauten, zum Beispiel die Windkraft zu sprechen, etwa Windparks aus unserer gemeinsamen Heimat, dem Weinviertel. Ich kann Ihnen unzählige Bürgerinitia­tiven nennen, die massiv gegen Windkraftanlagen auftreten. (Bundesrätin Kersch­baum: Aber keine grünen!) – Viele gestützt aus Ihrer Fraktion, mit Ihrem Unterfutter sozusagen!

Nächster Punkt: Egal, wo wir ein Biomasseheizwerk in größeren Einheiten bauen, füh­ren Sie ins Treffen: Feinstaubbelastung, geht leider nicht! Dazu kann ich Ihnen in den Tallagen Tirols, in vielen anderen Regionen Bürgerinitiativen zeigen, die auch da auf der Bremse stehen. (Bundesrätin Kerschbaum: Nicht jede Bürgerinitiative ist grün!) – Das ist überhaupt kein Grund, nervös zu werden, man kann ja die Dinge ändern! (Hei­terkeit bei der ÖVP.)

Nächster Punkt – und das ist etwas, wenn Sie schon das andere leugnen, was mich am meisten überrascht –: Wir haben im Jahr 2006 minus 2,2 Millionen Tonnen CO2 als ersten Schritt in der Klimabilanz im Verkehrsbereich durch die Beimischung erreicht. Was tun die Grünen? – Sie sind gegen Biodiesel und Ethanolbeimischung! (Bundes­rätin Kerschbaum: Weil das ja absolut keine Effizienz ist! – Bundesrat Breiner: Ja, womit produziere ich das?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Gegenfrage ist nur: Womit wollen Sie dann den Anteil erneuerbarer Energie produzieren? (Rufe bei der ÖVP: Aus der Steck­dose!) Und der Strom für das Elektroauto kommt aus der ... (Bundesrätin Kersch­baum: Gibt es ein Verkehrskonzept?)

Der letzte Punkt, den ich zur Abrundung sagen will – ich habe mit Kollegen Öllinger und mit vielen anderen diskutiert, und das rundet das Bild so schön ab –, ist die Frage des Ökostromgesetzes. Viele, auch ich, treten dafür ein, dass wir mehr Ökostrom brau­


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chen. Aber im Gegensatz zu Ihnen bin ich auch bereit, die ganze Wahrheit dazuzusa­gen, nämlich dass Ökostrom die Menschen Geld kosten wird. Das Bekenntnis lege ich ab: Wenn wir uns zum Ausbau des Ökostroms bekennen, dann verlange ich von Ihnen: Treten Sie nicht gleichzeitig – wobei das aus sozialen Gründen und so weiter natürlich verständlich ist – auch vehement gegen die Teuerung auf! Dann müssen Sie bereit sein, die Teuerung aus dem Ökostrom für die Haushalte auch mitzutragen! (Bundesrä­tin Kerschbaum: Das andere wird auch teurer werden!) Das ist so. Sie haben beide Seiten der Medaille: Mehr Ökostrom heißt mehr Belastung, meine sehr geehrten Da­men und Herren!

Entlang dieser Linie müssen wir gemeinsam verhandeln; das macht Sinn. Wir sollten zurückkommen zu einer Debatte zur Errichtung erneuerbarer Energien, die auf fairen Argumenten basiert! Das ist bei vielen Fragen – von Beimischungsthemen bis zur Er­richtung von Ökostromanlagen – leider aus dem Lot geraten. Da werden nicht die ent­sprechenden Argumente gegeneinander abgewogen; da wird nur von Zielen geträumt, aber bei der Umsetzung, wenn es hart wird, nicht entsprechend mitgetragen. (Bundes­rätin Kerschbaum: Auf die warte ich ja, auf die Umsetzung!)

So viel zur Energiepolitik für die Zukunft in Österreich. Dieses Nuklearinformations­abkommen mit der Tschechischen Republik ist für uns eine wichtige Basis – auch für zukünftige Projekte im Bereich der Atomkraft, dass wir dann schon frühzeitig, früher als in anderen Fällen in Informationen eingebunden sind und auch uns entsprechend weh­ren und politisch in die Diskussion einsteigen können.

In diesem Sinne ist das ein hervorragendes Abkommen. Ich verstehe nicht, warum
sich die Grünen davon verabschieden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Schimböck.)

12.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.48.506. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Batterien) (327 d.B. und 471 d.B. sowie 7907/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


12.48.59

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird, liegt allen schriftlich vor.

 


Ich beschränke mich auf die Antragstellung. Der Umweltausschuss stellt nach Bera­tung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 79

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.49.48

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden auch der Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes nicht zustimmen. (Bundesrat Mayer: Überra­schung!) Es ist eine Überraschung. Ich muss aber zuerst einmal mit einem Lob einstei­gen. (Bundesrat Mayer: Oh!) Im Ausschuss habe ich wirklich kompetenteste Auskunft bekommen, und das war wirklich sehr freundlich. Ich muss sagen, wenn es immer so wäre, könnten vielleicht viele Dinge ausgeräumt werden.

In diesem Fall hat es leider doch nicht gereicht, aber: Die Änderung des Abfallwirt­schaftsgesetzes hat natürlich ihren Sinn, keine Frage. Es wird ein Sammelsystem auch für Batterien eingeführt, was wichtig und sinnvoll ist. Meiner Meinung nach genügt je­doch dieses System, das da eingeführt wird, nicht allen Anforderungen, denen es ent­sprechen sollte.

Die Anforderungen an ein Batteriensammelsystem, die Bürgerinnen und Bürger stellen, ist, dass man einfach und umweltgerecht seine Batterien loswerden kann. Dafür wäre es notwendig und wichtig, möglichst flächendeckend viele Sammelstellen zu haben. Es gibt in diesem Gesetz jedoch die Möglichkeit, dass Gemeinden nicht verpflichtend eine Sammelstelle einzurichten haben – und das ist für uns ein Hindernisgrund, dem zuzustimmen.

Die Politik in der EU setzt sich diesbezüglich eine möglichst hohe Sammel- und Ver­wertungsquote zum Ziel. In Österreich haben wir zwar eine relativ hohe Sammel- und Verwertungsquote, ich sehe in diesem Gesetz jedoch kein Ziel, diese Sammel- und Verwertungsquote zu erhöhen. Dieses politische Ziel wird meiner Meinung damit nicht erreicht, da man ja zum Zwecke einer Erhöhung der Sammelquote auch möglichst flä­chendeckende Sammelstellen einrichten müsste. Mehr Sammelstellen wird es aber wahrscheinlich nicht geben.

Zur Kritik des Gemeindebundes, der ich mich anschließe: Es gibt keinerlei Strafe bei Untererfüllung. Es gibt verschiedene Systeme, und wenn ein System seine Sammel­quoten nicht erfüllt, dann gibt es dafür keine Strafzahlungen, sondern der Betreffende muss halt dann das nächste Mal, wenn’s geht, mehr einsammeln – und wenn’s nicht geht, dann wird es halt wieder zu einer Untererfüllung kommen.

Die Ansprüche der Gemeinden an ein derartiges System sind in Wirklichkeit, keine zu­sätzlichen Kosten damit zu haben.

Die Kosten für den Abtransport der Batterien werden übernommen, die fallen weg, was löblich und positiv ist, aber auch da kritisiert der Gemeindebund – auch dem kann ich mich anschließen –: Was die Infrastruktur, insbesondere bei Autobatterien betrifft, und die Kostenlösung, so ist das nicht zufriedenstellend gelöst.

Die Wirtschart wünscht sich – Kollegin Zwazl, wenn es nicht so ist, kannst du mich ja korrigieren – ein faires System, ein System, mit dem alle gleich belastet werden, aber keine Trittbrettfahrer.

Im Vergleich zur Verpackungsverordnung stellt die Batterieverordnung sicherlich einen großen Fortschritt dar, aber das Problem ist nach wie vor, dass es verschiedene Sys­teme gibt – und diese verschiedenen Systeme führen ja schon bei der Verpackungs­verordnung dazu, dass es Schlupflöcher gibt. Ich fürchte daher, dass Schlupflöcher auch da gefunden werden. Dazu kommt eben noch das Problem Untererfüllung, was


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das System von Haus aus ein bisschen unfair macht, denn derjenige, der seine Batte­rien brav einsammelt, bekommt nicht mehr als der, der sich relativ weniger darum küm­mert.

Ein weiterer Grund, warum wir dieser Novelle nicht zustimmen, ist, dass einige Pro­bleme im Abfallwirtschaftsgesetz auch weiterhin ungelöst bleiben; das betrifft jetzt gar nicht so sehr die Batterien, sondern einige andere Dinge, so zum Beispiel Müllimporte, die Frage der Kapazitäten, Deponie-Errichtungen, die in einem vereinfachten Verfah­ren bewilligt werden können, und so weiter.

Was die Verpackungsverordnung betrifft, gibt es einen enormen Sanierungsbedarf, und zwar sowohl bei den Sammel- als auch bei den Verwertungsquoten der verschie­densten Systeme. In diesem Zusammenhang sage ich nur McDonald’s, Trittbettfahrer und auch Mehrwegquoten. Da wäre, denke ich, wirklich einiges zu machen. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) – Ich sehe im Mehrwert schon noch einen großen Sinn, Coca Cola al­lerdings nicht; die stampfen jetzt offenbar alle Mehrwegflaschen ein. (Neuerlicher Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Sie können sich ja beim deutschen Umweltbund erkundigen; die haben diesbezüglich einen relativ aktuellen Vergleich, wonach das Mehrwegsystem nach wie vor sehr viel besser abschneidet als das Einwegsystem.

Ein weiteres Problem sehe ich auch in den spezifischen österreichischen Abfallschlüs­selnummern. Ich bin daher der Überzeugung, dass es im Abfallwirtschaftsgesetz eini­ges zu reparieren gilt. Daher erachte ich es auch als nicht ausreichend, wenn man jetzt nur den Bereich Batterien regelt.

Wie gesagt, es gibt erheblichen Verbesserungsbedarf. Wir können dieser Vorlage nicht zustimmen – ich möchte jedoch schon auch sagen, dass ich mich im Ausschuss wirk­lich sehr gut beraten gefühlt habe. (Beifall bei den Grünen.)

12.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren, wie Sie wahrscheinlich ge­hört haben, ist die Lautsprecheranlage hier defekt. Da es schade um jedes einzelne Wort wäre, das man nicht versteht, unterbreche ich jetzt kurz die Sitzung, damit dieser Mangel behoben werden kann.

*****

(Die Sitzung wird um 12.54 Uhr unterbrochen und um 12.58 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Nächste Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


12.58.32

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass nun eine sehr wichtige EU-Richtlinie umgesetzt wird, die wir heute zur Beschluss­fassung vorliegen haben.

Wenn man sich das Mengengerüst anschaut, sieht man, dass es dabei immerhin um 800 Tonnen Autobatterien im europäischen Raum geht, um 190 Tonnen Industriebatte­rien und um 160 Tonnen Gerätebatterien. Bei den Gift- und Schadstoffen, die in diesen Batterien enthalten sind – Schwermetalle, Quecksilber, Blei und Cadmium –, handelt es sich um sehr gefährliche Stoffe.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 81

Warum ich mich dazu zu Wort gemeldet habe: Ganz wichtig ist, dass wir in diesem Bereich das Gemeinwirtschaftliche einsetzen, denn da geht es um sehr, sehr sensible Dinge. Und wir wissen ja, dass da manches aus dem Ruder gelaufen ist, wenn sich pri­vate Unternehmungen, oft auch aus EU-Beitrittsländern, sozusagen geschäftig ge­macht und das dann nicht in dieser Weise entsorgt haben, wie das ja heute bereits angesprochen wurde.

Es ist natürlich so, dass die Gemeinden heute schon eine große Last an administrati­ven Aufgaben, an gemeinwirtschaftlichen Aufgaben haben, aber ich glaube, dass das dort in guten Händen ist. Da kann ich nur von der Situation in Linz sprechen, wo im Rahmen der Linz AG, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt Linz – ich glaube, Sie haben sie sogar einmal besichtigt –, hervorragende Abfallwirtschaft betrieben wird.

Ich glaube, da kommt Ihrem Ministerium – es heißt nicht umsonst „Lebensministeri­um“ – eine ganz große Aufgabe zu, auch wenn dieser Gegenstand jetzt sozusagen am anderen Ende des Lebens angesiedelt ist.

Ich habe mir in Vorbereitung dieser Debatte Ihre Homepage angesehen, und ich muss da wirklich ein Kompliment machen und würde sogar empfehlen, dass man das auf je­den Fall mit der Österreich Werbung, mit dem Tourismus verlinkt oder verknüpft, denn man findet dort die schönsten Bauernhöfe, wo Urlaub auf dem Bauernhof möglich ist und wo die landwirtschaftlichen Produkte vermarktet werden. Da sind übrigens auch die Wirtschaftskammern, wo auch ich tätig sein darf, sehr gut unterwegs. – Das gelingt hervorragend. Man bekommt wirklich Appetit, Urlaub auf dem Bauernhof zu machen und dort landwirtschaftliche Produkte vom Direktvermarkter zu verkosten.

Ich glaube, Herr Bundesminister, dass es ganz wichtig sein wird, da ein pädagogisches Konzept zu entwickeln, parallel zu den Punkten, die ja schon jeder kennt und die ich deshalb hier nicht extra aufzählen möchte. Wie gesagt, wir brauchen hier ein pädago­gisches Konzept. Es hat eine Kollegin gemeint, dass bei uns eigentlich die Sammel­dichte schon einen sehr guten Wert hat, aber ich glaube, dass es da auch um den Um­gang geht. Es sind viele Kleinigkeiten, auf die es da ankommt, ob man zum Beispiel aufladbare Akkus benützt oder ob man billige Wegwerfbatterien kauft. Ich glaube, wenn man parallel zu dieser technischen Richtlinie ein pädagogisches Konzept entwi­ckelt, dann – um beim Namen Ihres Ressorts, Herr Bundesminister, zu bleiben – leben wir wirklich gut, dann geht es uns gut, dann leben wir in Einklang mit der Natur. Das ist eine ganz wichtige Sache.

Zum anderen wird es auch notwendig sein, dass man da – wir kennen das Prinzip der Umfassenden Landesverteidigung – auch in den Unterrichtsbereich eingreift, dass man in unseren Schulen – wir hatten ja heute unsere Unterrichtsministerin hier zu Gast – den Gedanken der Abfallwirtschaft so einfließen lässt, dass das eine sehr lebendige Sache wird.

Es waren in diese Materie alle Ressorts mit eingebunden. Wir vom sozialdemokrati­schen Regierungskoalitionspartner werden der Umsetzung dieser Richtlinie zustim­men. Ich glaube, es ist jeder hier herinnen aufgerufen, dazu beizutragen, dass diese Richtlinie mit Leben erfüllt wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

13.02


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


13.02.38

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es kommt nicht allzu oft vor, dass Freiheitliche oder BZÖ das


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gleiche Abstimmungsverhalten wie die Grünen haben, aber wenn, dann zumeist aus anderen Gründen. Bei diesem heutigen Gesetzesvorschlag beziehungsweise dieser Gesetzesänderung nähern wir uns in einigen Bereichen ziemlich an.

Dass die Entsorgung von Batterien, insbesondere von Fahrzeugbatterien, geregelt wird, ist sehr umweltrelevant. Da hat es einen dringenden Handlungsbedarf gegeben.

Die Einbeziehung der Hersteller bei der Entsorgung der von ihnen hergestellten Pro­dukte wird unsere Zustimmung erhalten. Aber wir haben noch weitere Vorschläge ein­gebracht, die nicht beachtet wurden, und das ist halt immer das Los der Opposition. Wir meinen, dass ein Umweltentsorgungsprogramm für die Bürger auch leistbar sein muss, müssen aber feststellen, dass allgemeine Teuerungen stattfinden. Der Teue­rungsausgleich ist in Kärnten längst ein Thema. Es ist nun auch auf Bundesebene vom Bundeskanzler aufgegriffen worden. Warum wohl? – Weil sich viele Bürger notwendige Dinge nicht mehr leisten können.

Es gäbe da – und deshalb hat der BZÖ-Nationalratsklub einen Entschließungsantrag eingebracht – eine Möglichkeit, eine Ersparnis herbeizuführen. Wir stellten nämlich fest, dass das Monopolsystem der ARA eigentlich ein teures System ist, und Wirt­schaftsvertreter wie die Frau Präsidentin Zwazl, aber auch der Vertreter der Wirt­schaftskammer, Schimböck, müssten mir recht geben, wenn ich meine, dass eine Öff­nung dieses Monopols dazu führen würde, dass erstens das auf eine breitere Basis ge­stellt wird und dass sich das zweitens – wie immer dann, wenn es Konkurrenz gibt; das gilt genauso für den Handel wie für die Gastronomie – positiv für die Bürger nieder­schlägt.

Es wurde von der Regierung eine Vorlage verlangt, mit der wettbewerbsrechtliche Rah­menbedingungen geschaffen werden, wo Wettbewerb auf dem Markt ermöglicht wird. Das ist der Grund dafür gewesen. Da aber die Regierung diese Chance nicht wahrge­nommen hat, da man im Nationalrat diesem Antrag nicht nähergetreten ist, sind wir im Moment nicht gewillt, dieser Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes zuzustimmen. Wir, Siegi Kampl und ich, werden also heute hier dieser Gesetzesvorlage keine Zustim­mung geben. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


13.05.46

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen des Bundesrates! Ich glaube, man merkt schon etwas vom neuen Start beziehungsweise von der neuen Zusammenarbeit in der Koali­tion an der Stimmung, am Feeling auch hier in diesem Haus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich danke dem Kollegen Schimböck, dass er klar zum Ausdruck gebracht hat, dass Landwirtschaft und Umwelt, dass gesunde Nahrungsmittel und gesunde Umwelt sehr gut zusammenpassen. Dafür die entsprechende Basis zu schaffen, ist auch Teil des Inhalts des Abfallwirtschaftsgesetzes, das hier heute zur Diskussion steht.

Es sollen die Akkumulatoren und die Batterien – in Umsetzung einer EU-Richtlinie – einer geordneten Entsorgung zugeführt werden. Es werden die Hersteller verpflichtet, ein Sammelsystem mit zu unterstützen, und alle jene, die Batterien und Akkumulatoren vertreiben, müssen diese auch zurücknehmen, Frau Kollegin Kerschbaum. Dafür gibt es bereits ein flächendeckendes System. (Zwischenrufe der Bundesrätin Kersch­baum.) Um noch vorhandene Lücken zu schließen, soll über die Kommunen flächen­deckend eine Rückgabemöglichkeit geschaffen werden. – Das ist der eine Teil.

Der zweite Teil – das ist heute noch nicht angesprochen worden – ist jener, dass auch das Deponierecht geändert wird, dass das Kontrollrecht angepasst wird und dass vor


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allem das Deponieren von reinem Erdaushub vereinfacht wird und damit weniger an Bürokratie erreicht wird. Ich glaube, das ist eine konsequente Fortsetzung des Weges, den Österreich als Umweltland geht: dass man versucht, Abfälle zu vermeiden, wo sie zu vermeiden sind, dass wir wiederverwerten, wo das möglich ist – und dass wir letzt­lich entsorgen, wo ordentliche Entsorgung notwendig ist, und damit unseren Lebens­raum entsprechend schützen.

Dabei geht es um eine sehr sensible Materie, aber es wird nie Hundert-Prozent-Lösun­gen geben. Ich glaube, wenn wir nach einem System suchen, das 100-prozentig ist, dann werden wir in unserem Staat noch in hundert Jahren danach suchen. Daher glau­be ich, dass es gilt, Umweltpolitik mit Augenmaß zu betreiben: Dort streng zu sein, wo unsere Umwelt in Gefahr ist, und das ist bei den Batterien gegeben, und dort zu entlas­ten, wo keine Gefahr droht, wo es etwa um normalen Erdaushub geht.

Ich glaube, diese Politik mit Augenmaß wird hier entsprechend umgesetzt, und wir wer­den daher dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 


13.08.40

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht, wurde von meinen Vorrednern bereits gesagt, nämlich um die AWG-Novelle Batterien, um eine Angleichung an die entsprechende EU-Richtlinie. Ich möchte vorweg verlauten, dass wir seitens der SPÖ-Fraktion dieser Novelle die Zustimmung erteilen, wiewohl ich persönlich mich nicht mit allen Praktiken der sogenannten Systeme anfreunden kann, aber ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass das, was die AWG-Novelle Batterien betrifft, nicht zum Tra­gen kommt.

Worum es inhaltlich in dieser Novelle geht, wurde bereits angesprochen. Dass aber alle Batterien am Ende ihrer Nutzungsdauer gesammelt und recycelt werden, halte ich für ein Wunschdenken. Es ist aber wichtig, sich dieses Ziel zu setzen, um einen mög­lichst hohen Prozentanteil an Altbatterien, an Akkus und Autobatterien in den diversen Sammelstellen zu erfassen.

Schon realistischer ist das Ziel, dass Gerätebatterien zu mindestens 25 beziehungs­weise 45 Prozent des durchschnittlichen Absatzes der letzten drei Jahre, wie es in der Vorlage heißt, durch Sammlungen sichergestellt werden und einer Wiederverwertung zukommen. Dass dieses Ziel erst im Zeitraum von 2012 bis 2016 EU-intern umzuset­zen sein soll, halte ich für einen echten Wermutstropfen in der Richtlinie.

Wie sieht es diesbezüglich in concreto im Land, im Bund und bei uns im Burgenland aus? – Über die diversen Problemstoffsammelstellen im Burgenland, in den Gemein­den, wurden 2006 an Gerätealtbatterien 23,5 Tonnen gesammelt, 2007 schon 33 Ton­nen, was bereits einen Anstieg von zirka einem Drittel darstellt. Bei Fahrzeugaltbatte­rien – hier möchte ich einen Vergleich ziehen – sieht es ein bisschen anders aus: 2006 sammelten wir 93 Tonnen; im Jahre 2007 ging die Sammelmenge auf zirka 72,5 Ton­nen zurück.

Wie schaut die Situation im Bundesgebiet aus? – Laut Auskunft des Ministeriums in der letzten Ausschusssitzung ist der Rücklauf an Gerätealtbatterien bei zirka 50 Pro­zent gelegen – ein sehr hoher Wert, wie ich meine. Von den gesammelten Fahrzeug­altbatterien liegen laut Auskunft der Experten aber keine Daten ministeriumsintern vor. Da würde ich ersuchen, Herr Minister, dieses Datenmaterial entsprechend zu aktuali­sieren.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 84

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Richtlinie weist auch darauf hin, dass Geräte so zu gestalten sind, dass die Batterien leicht herausnehmbar sind, und die Ka­pazität am Gerät oder auf dem Etikett entsprechend angegeben werden muss. Das ist vor allem für den Tausch von Batterien notwendig, vorzugsweise vor allem dann, wenn dieser von technisch nicht sehr versierten Menschen durchgeführt wird. Durch diese Information, die in der Praxis bereits gang und gäbe ist, bewahrt man die Konsumenten vor dem einen oder anderen Fehlkauf.

Die zentralen Punkte in der AWG-Novelle Batterien sind meiner Meinung nach – ich skizziere sie kurz – die Verpflichtung der Hersteller, für die Finanzierung der Abfallbe­wirtschaftung zu sorgen, des Weiteren die Verpflichtung des Handels, Altbatterien un­entgeltlich zurückzunehmen, sowie die Sammelverpflichtung der Gemeinden bei Abga­be von Altbatterien aus privaten Haushalten, weiters als Kann-Bestimmung die Samm­lung von alten Fahrzeugbatterien.

Im Sinne eines wirkungsvollen Umweltschutzes ist es aber auch notwendig, dass die Hersteller zur Information der Konsumenten betreffend Rückgabemöglichkeit verpflich­tet werden. Die Bürger müssen letzten Endes wissen, dass Batterierückgabe für sie gratis ist und sie dafür zusätzlich nichts zu bezahlen haben.

Wenn das den Konsumenten bewusst ist, werden, meine ich, Batterien zunehmend weniger in diversen Hausmüllresten oder -tonnen verschwinden. Auch alte Fahrzeug­batterien werden dann im Flurbereich, ob Wald oder Wiese, immer weniger zu finden sein. Bei diversen Flurreinigungsaktionen, die natürlich auch von burgenländischen Gemeinden durchgeführt werden, sind diese leider des Öfteren immer noch aufzufin­den. Manchmal scheinen sie achtlos weggeworfen worden zu sein, manchmal findet man sie aber auch sehr sorgfältig unter Gestrüpp versteckt.

Weiters hoffe ich – auch im Sinne der finanziellen Nichtbelastung der Konsumenten –, dass durch die Verpflichtung von Hersteller und Handel, Batterien kostenlos zurückzu­nehmen und einer Wiederverwertung zuzuführen, die Preise für den Kauf von neuen Batterien, von neuen Geräten, die oftmals energiesparender sind, nicht steigen und die Konsumenten dadurch nicht indirekt zu weiterer Finanzierung des Systems beitragen müssen.

Bereits bisher waren Gemeinden beziehungsweise Gemeindeverbände verpflichtet, Gerätealtbatterien im Rahmen der Problemstoffsammlung zu übernehmen. Dieser Ver­pflichtung sind die Gemeinden im Sinne ihres Bürgerservices natürlich nachgekom­men. Auch funktioniert bei uns im Burgenland die Übernahme von alten Fahrzeugbat­terien großteils problemlos.

Bei flächendeckender Umsetzung der AWG-Novelle Batterien ist es seitens der Ge­meinden, denke ich, aber auch notwendig, für unter Umständen notwendige zusätz­liche Infrastruktur zu sorgen, was natürlich wieder mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

Da ist es an der Zeit, dass die Gemeinden, die ja in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben in verschiedenen Bereichen vom Bund übertragen bekommen haben, zu­gleich auch zweckgebundene finanzielle Ausgleichszahlungen in Zukunft bekommen. – Ein Wunsch an Sie, Herr Minister!

Kolleginnen und Kollegen, die Batteriesammlung orientiert sich im Wesentlichen, wie wir wissen, am funktionierenden System der Sammlung von Elektroaltgeräten; natür­lich auch im Burgenland. Durch die Batterien-Verordnung wird sich an dieser grund­sätzlichen Materie, an dieser Sammelstruktur, wie wir sie zum Beispiel im Burgenland haben, nichts ändern, denn wir erfassen bereits jetzt – wie vorhin von mir schon ge­sagt – diverse Altbatterien über die Problemstoffsammelstellen in den Gemeinden.


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Im Burgenland gibt es flächendeckend seit zirka 20 Jahren bereits eine einheitliche Sammlung über den Müllverband beziehungsweise über den Umweltdienst Burgen­land, und so ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten dazu gekommen, dass in den 171 Gemeinden des Landes in Summe 175 Problemstoffsammelstellen zur Verfügung stehen.

Die Finanzierung erfolgt jetzt über den Müllbehandlungsbeitrag und soll zukünftig, wie es auch die AWG-Novelle Batterien vorsieht, über die Systeme erfolgen. Daher ist sei­tens des Bundesministers auf einen fairen Wettbewerb der Sammel- und Verwertungs­systeme besonders Bedacht zu nehmen.

Das übermächtige ARA-System, das, wie wir wissen, nicht für die Sammlung von Bat­terien zuständig ist, sondern für die Sammlung von Verpackungen, Papier, Kunststoff, Metallverpackungen, steht schon seit Jahren unter Beschuss, vor allem durch die Bun­deswettbewerbsbehörde. Die ARA hat ja bekanntlich auch ein Monopol bei Haushalts­verpackungen.

Es ist daher das Mindeste, wie ich meine und wie das auch die AWG-Novelle Batterien vorsieht, dass Errichtung und Betrieb von Sammel- und Verwertungssystemen einer Genehmigung des Umweltministers bedürfen und dass das Funktionieren dieses Sys­tems auch regelmäßig evaluiert wird.

Weiteres Ziel kann es aber nur sein, dass wir auch im Sinne der Konsumenten zukünf­tig zu einem fairen Wettbewerb kommen, bei dem „Platzhirsche“ keinen Platz mehr haben, und dass die Sammelsysteme – in Summe gesehen auch die Systeme für die Sammlung von Batterien – kostengünstiger, transparenter, einfach überschaubarer werden.

Daher bin ich der Meinung, dass die vorliegende Novelle ein Fortschritt in der einheimi­schen Umweltpolitik ist, und ich gebe der AWG-Novelle Batterien aufgrund der von mir angeführten Gründe meine Zustimmung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

13.17


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

13.18.057. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend eine Änderung des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlich­keitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (444 d.B. und 476 d.B. sowie 7908/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um den Bericht.

 


13.18.29

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Umweltausschusses über den Be­


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schluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend eine Änderung des Überein­kommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.

Der Bericht liegt allen Kolleginnen und Kollegen vor; daher komme ich gleich zur An­tragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.19.13

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zumindest in einem Punkt kann sich der Herr Bundesminister heute über eine einstimmige Annahme freuen, und diese betrifft die Änderung der Aarhus-Konvention.

Ich möchte kurz den Inhalt dieser Konvention darlegen. Die Aarhus-Konvention beruht auf drei Säulen. Die erste Säule soll den Zugang zu Umweltinformationen sicherstellen. Die zweite Säule soll die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Genehmi­gungsverfahren sicherstellen. Die dritte Säule soll einerseits die Rechtsdurchsetzung in Genehmigungsverfahren und andererseits die Rechtsdurchsetzung außerhalb von Genehmigungsverfahren sicherstellen.

Das heißt, Verstöße gegen Umweltrecht durch Private oder durch den Staat sollen vor Gericht oder vor eine unabhängige Instanz gebracht werden können. Die aktuelle Re­gierungsvorlage dient der Ratifikation einer im Jahre 2005 vereinbarten Änderung die­ser Aarhus-Konvention. Bisher hatte die Konvention in ihrem Anhang die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen nicht erfasst, und es war den Staaten freige­stellt, inwiefern sie in diesen Genehmigungsverfahren die Öffentlichkeit einbinden wol­len. Dieser Absatz wird nun geändert, und es wird ein eigener Artikel für die Öffentlich­keitsbeteiligung bei Verfahren betreffend GVO eingeführt.

Für bestimmte GVO-Freisetzungen kann von diesen Vorschriften, die hier eingeführt werden, allerdings Abstand genommen werden. Eine Rechtsdurchsetzung bei GVO, wie sie in der Säule 3 der Aarhus-Konvention an und für sich vorgesehen ist, ist aber auch durch diese Änderung der Konvention weiterhin nicht vorgesehen.

Hier muss ich eine Kritik anbringen an dem, was die österreichische Umsetzung der Aarhus-Konvention bisher betrifft, nämlich: Diese Säule 3 ist auch in Österreich noch nicht vollständig umgesetzt worden. Das betrifft einerseits den Artikel 9 Abs. 3, der nicht umgesetzt ist, nämlich der Zugang der qualifizierten Öffentlichkeit zum Gericht außerhalb des UVP-Verfahrens. Dieser Punkt ist in Österreich noch nicht umgesetzt. Es gibt derzeit nach österreichischem Recht keine Möglichkeit für Mitglieder der Öffent­lichkeit, dass sie vor einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder vor dem Gericht Handlungen oder Unterlassungen von Privatpersonen oder von Behörden, die gegen umweltbezogene Bestimmungen verstoßen, anfechten könnten.

Auch der Artikel 9 Abs. 2 ist in Österreich nicht ausreichend umgesetzt. Die Beteiligung einer Öffentlichkeit ist nur im Fall der Durchführung eines UVP-Verfahrens vorgesehen. Wenn die UVP-Pflicht strittig ist oder erst im Einzelfall darüber entschieden wird, ist für


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 87

dieses Verfahren eben keine qualifizierte Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Ein negativer Feststellungsbescheid kann auch im späteren Genehmigungsverfahren nicht mehr rechtlich bekämpft werden.

Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen müssten daher ein UVP-Feststellungsver­fahren beantragen können beziehungsweise für diese Verfahren die Parteienstellung und das Berufungsrecht erhalten. Da es gerade in Österreich oft im Ermessen der Be­hörden liegt, ob das UVP-Gesetz zur Anwendung kommt, ist es umso wichtiger, da eine qualifizierte Bürgerbeteiligung zu haben.

Ebenfalls ist der Artikel 9 Abs. 5 nicht umgesetzt. In diesem Artikel geht es um ange­messene Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen beziehungsweise zu verringern. Ich glaube, wir wissen alle, dass die Kosten der Rechtsdurchsetzung in einem UVP-Verfahren wirklich sehr hoch sind.

Gemäß den österreichischen Verfahrensvorschriften hat jede Partei ihre eigenen Kos­ten zu tragen. Was bei UVP-Verfahren sehr oft an Kosten anfällt, sind Kosten für Fach­gutachten. In solchen Verfahren geht es oft um bis zu 24 Fachgutachten, die erstellt werden. Ein Gutachten von einem beeideten Sachverständigen kostet zwischen 5 000 und 10 000 €. Wir können uns also vorstellen, um welche Summen es sich hiebei han­delt. Zusätzlich gibt es noch die Kosten, die durch Anwälte und so weiter anfallen.

Im Schnitt ist pro Verfahrensschritt mit mindestens 3 000 € an Kosten zu rechnen. Das kann sich bis zu einer Summe von 40 000 € zusammenläppern, und das sind wirklich sehr hohe Kosten. Es gibt in Österreich keinerlei Unterstützungssysteme der öffentli­chen Hand. Daher: Artikel 9 Abs. 5, der solche angemessenen Unterstützungsmecha­nismen fordert, ist nicht umgesetzt.

Aber nun zurück zu den Änderungen der Aarhus-Konvention, um die es heute geht. Man kann es nicht der Konvention ankreiden, wenn sie teilweise in Österreich noch nicht entsprechend umgesetzt ist. Diese Änderung, um die es heute geht, ist ein Fort­schritt gegenüber der Stammfassung der Aarhus-Konvention, auch wenn es sich nach wie vor um eine weiche Bürgerbeteiligung handelt, denn eine Rechtsdurchsetzung in dem Sinne, dass die konkreten Sicherheitsvorschriften eingeklagt werden könnten, ist nach wie vor nicht vorgesehen. Trotzdem handelt es sich um einen Fortschritt, den wir auch anerkennen und dem wir zustimmen wollen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.24


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

13.24.368. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Nutzbarmachung des Inn und seiner Zuflüsse im Grenzgebiet (447 d.B. und 470 d.B. sowie 7899/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 88

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader.

 


13.24.53

Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht zum gegenständlichen Tagesord­nungspunkt:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.25.43

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt können wir die Diskussion von vorher bezüglich Wasserkraft und Atomkraft gleich weiterführen. Dieses Abkom­men zwischen Österreich und der Schweiz über die Nutzbarmachung des Inn und sei­ner Zuflüsse im Grenzgebiet geht in seiner Erstfassung auf das Jahr 1989 zurück. Es war dann sehr lange still um dieses Abkommen. Wir haben im Ausschuss versucht, die Information zu bekommen, woran das denn genau gelegen ist, aber man konnte es uns nicht erklären. Es würde mich zumindest historisch schon sehr interessieren, was denn wirklich der Grund dafür gewesen ist, warum dieses Abkommen so lange ge­braucht hat, bis es seinen Weg zu uns gefunden hat. 2003 wurde es dann unterzeich­net und in der Schweiz 2005 vom Parlament genehmigt. Und jetzt liegt es uns zur Genehmigung beziehungsweise Diskussion vor.

Prinzipiell ist eine bilaterale Nutzung der Wasserkraft natürlich zu begrüßen. Ich bin trotzdem dafür, dass wir uns jedes Projekt genau anschauen. Bei dem gegenständ­lichen Abkommen geht es letztendlich um ein Kraftwerksprojekt, nämlich Ovella Ried im Oberinntal, und dieses Projekt, finde ich, sollten wir uns jetzt ein bisschen genauer anschauen.

Als diese Kraftwerkspläne erstmals diskutiert wurden, gab es, wenig überraschend, sehr viel Widerstand aus den betroffenen Gemeinden. Das Projekt ist dann wieder in der Schublade verschwunden, es war sehr lang still darum, aber jetzt ist das Projekt wieder da. Inzwischen sind alle sieben Anrainergemeinden, die davon betroffen wären, dagegen. Es hat sich eine Bürgerinitiative gebildet. Nicht, dass eine Bürgerinitiative automatisch eine Grünen-Einrichtung ist; ich möchte das bestätigen und auch für das Protokoll festhalten, was meine Kollegin vorher gesagt hat. Ich sage nur, es gibt eine Bürgerinitiative, die gegen dieses Kraftwerksprojekt auftritt.

Wenn Sie schon den von den Grünen geäußerten Kritikpunkten nicht unbedingt Glau­ben schenken wollen: Auch der WWF hat Einwände gegen dieses Projekt bezüglich der Umweltverträglichkeit. Ich hoffe, dass Sie sich zumindest die Einwände des WWF abseits von Parteipolitik anschauen und diese Einwände ernst nehmen, wenn Sie schon die Meinungen der Grünen zu diesem Thema vielleicht nicht immer gerne hören.

Innerhalb von zehn Wochen sind beim Land Tirol bezüglich dieses Kraftwerksprojekts insgesamt 2 500 Einwendungen und Stellungnahmen aus der Bevölkerung, aus den betroffenen Gemeinden und von verschiedenen Organisationen abgegeben worden.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 89

Das ist eine große Menge, ich würde das nicht unterschätzen. Das heißt, dass dieses Projekt sehr viele Menschen interessiert und betrifft.

Was sind die Kritikpunkte an diesem Kraftwerksprojekt? Zur Vorgeschichte: Der Inn ist in den letzten Jahrzehnten massiv verbaut worden, was natürlich – das liegt auf der Hand – auch die Lebendigkeit dieses Flusses stark beeinträchtigt hat. Folgende Zahlen habe ich der Stellungnahme des WWF entnommen. Es gab ursprünglich 31 Fischarten im Inn, inzwischen sind es drei Fischarten. Vom Auwaldbereich sind nur mehr drei bis fünf Prozent der ursprünglichen Ausdehnung erhalten. Wir müssen uns also im Klaren sein, dass jede weitere Verbauung des Inn einen massiven Eingriff in die Flussland­schaft, in die Tiroler Landschaft darstellt und deshalb wirklich gut durchdacht werden muss.

Im Jahr 2005 gab es ein Revitalisierungskonzept, das der WWF und das Land Tirol ge­meinsam in Auftrag gegeben haben. Das hatte zum Ziel, eine ökologische Verbesse­rung der Innlandschaft kombiniert mit einem ökologischen Hochwasserschutz zu be­rücksichtigen und zu planen. Im Sommer 2007 wurde dann mit dem Lebensministerium ein so genannter Masterplan Inn verabschiedet, der zum Ziel hatte, den Inn sicherer und lebendiger zu machen. Es ist auch wichtig zu wissen, dass ein verbauter Fluss nicht automatisch ein sicherer Fluss ist. Das ist leider oft ein Missverständnis oder ein Fehlurteil, das in der Öffentlichkeit kursiert.

In diesem Masterplan Inn gab es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die bis 2010 um­gesetzt werden sollten, um den Inn eben sicherer und auch lebendiger zu gestalten. Diese Verpflichtungen, die das Land Tirol eingegangen ist, finde ich, sollten nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern sollte man sich dann im Einzelfall, bei einzelnen Projekten konkret anschauen und mit umsetzen. Der WWF jedenfalls betrachtet dieses Kraftwerksprojekt als nicht geeignet, um dem zu entsprechen, was man sich in diesem Masterplan Inn eigentlich gemeinsam überlegt hat. (Präsident Kritzinger übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte noch zwei Punkte aus der WWF-Stellungnahme hier zur Kenntnis bringen. Der WWF sagt, dass zwar einerseits die Schwalldämpfung, zu der es durch ein Kraft­werk käme, einen positiven Effekt hätte, dass aber dieser positive Effekt dann durch die niedrige Restwassermenge eigentlich wieder zunichte gemacht wird. Der WWF rechnet hier mit einem Absinken des Grundwasserspiegels, was die Lebensräume doch stark verändern würde. Und wir reden hier von einem relativ niederschlagsarmen Gebiet. Das heißt, das Absinken des Grundwasserspiegels ist auch etwas, was für die Landwirtschaft hier nicht ohne Folgen bleiben könnte.

Jetzt möchte ich zu dieser generellen Frage, die wir auch schon vorher diskutiert ha­ben, in punkto Wasserkraft schwenken. Wasserkraft ist saubere Energie, das stimmt, aber trotzdem – das muss uns klar sein – beeinträchtigt ein Kraftwerk die Umwelt. Man muss sich also sehr gut überlegen, wo man das hinstellt, wo Kosten und Nutzen letzt­endlich dafürstehen, ein Projekt auch zu realisieren.

Dieses Projekt, finden wir, sollte nur umgesetzt werden, wenn die ökologischen Beden­ken, die wir haben, die auch der WWF hat, und die Bedenken der Bevölkerung ausge­räumt sind, und vor allem, und das ist ein zentraler Punkt, wenn es ein Stromver­brauchsszenario für Tirol gibt.

Momentan haben wir in Österreich folgende Situation: Der Stromverbrauch steigt stän­dig an, und zwar um zwei bis drei Prozent pro Jahr. Wir können jetzt sagen, wir bauen einfach überall Kraftwerke hin und hoffen, dass wir damit unseren Stromverbrauch auch in der Zukunft abdecken können. Die Frage ist: Wie sinnvoll ist das? In Österreich sind 80 Prozent der Flüsse bereits ausgebaut. Wir können – und ich finde, das ist lo­gisch – nicht endlos weiterbauen, wir können nicht ein Kraftwerk nach dem anderen


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hinstellen und glauben, dass wir damit unseren Energieverbrauch bis in die Unendlich­keit abdecken können und alle Probleme dadurch lösen.

Es ist nötig umzudenken. Wir müssen einerseits wirklich anfangen, uns in punkto Ener­gieeffizienz mehr Gedanken zu machen. Es kann nicht sein, dass der Stromverbrauch ständig ansteigt. Hier muss etwas unternommen werden, besonders auch in Tirol, wo die Energieeffizienz relativ schlecht ausschaut. Und es gibt wirklich verschiedene Mög­lichkeiten von alternativer Energie. Es gibt nicht nur die Wasserkraft, es gibt zum Bei­spiel auch Solarenergie. Es gibt hier also viele Möglichkeiten, in die man investieren könnte, um die Stromversorgung, die Energieversorgung auch weiterhin sicherzustel­len.

Da gerade in Tirol oft dieses Argument mit der Energiesicherheit, mit der Energiever­sorgung kommt – die TIWAG argumentiert ja sehr gerne damit –, muss ich schon sagen, ein Großteil der Kraftwerke, die die TIWAG baut, sind Pumpspeicherkraftwerke, und die haben nicht so sehr in erster Linie den Zweck, dass sie die Energieversorgung in Tirol sicherstellen, sondern die haben den Zweck, dass die TIWAG schöne Gewinne schreibt. Das ist aus der Sicht des Unternehmens verständlich.

Was macht das Unternehmen? – Es kauft billigen Strom ein. Mit diesem billigen Strom pumpt man das Wasser in die Stauseen hinauf, und wenn der Strompreis hoch ist, lässt man das Wasser durch die Turbinen und produziert neuen Strom, den man dann sehr teuer verkaufen kann. Das ist wirtschaftlich gesehen absolut nachvollziehbar aus Sicht des Unternehmens. Die Frage ist nur, ob wir der Meinung sind, dass es politisch wünschenswert und sinnvoll ist, solche Kraftwerke zu bauen, die eben nicht in erster Linie die Tiroler Stromversorgung sicherstellen, sondern die in erster Linie den Profiten der TIWAG zugute kommen.

Ich bin nicht der Meinung, dass Letzteres die Aufgabe der Politik ist, sondern ich finde, wir sollten uns darum kümmern, dass Energieeffizienz und Umweltschutz Hand in Hand gehen, dass unsere Energieversorgung sichergestellt ist, ohne dass wir alle Res­sourcen zerstören, die wir noch haben. (Beifall bei den Grünen.)

13.33


Präsident Helmut Kritzinger: Inzwischen ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler bei uns eingelangt. Ich darf ihn herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


13.33.54

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Zunächst zum gegenständlichen Abkommen. Es ist ein ver­nünftiges Abkommen, das die schwierigen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem potentiellen Kraftwerk regelt, das in seinen Auswirkungen natürlich über die Staatsgrenzen beim geplanten Standort hinausgeht. Es ist im Artikel 5 dieses Abkom­mens festgelegt, dass entsprechend dem österreichischen Wasserrechtsgesetz neben den rein energiewirtschaftlichen Interessen auch ökologische und sonstige relevante öffentliche Interessen wie der Hochwasserschutz und natürlich auch das Landschafts­bild nicht nur von der österreichischen Seite, sondern eben auch über die Grenze hin­weg zu berücksichtigen wären, wenn es gebaut wird.

Es ist das ein Abkommen – der Herr Staatssekretär wird das vielleicht noch sagen –, das schwierige europarechtliche Gespräche erfordert hat, weil es nicht nur ein Abkom­men zwischen zwei Staaten ist, sondern eben über die EU-Außengrenze hinweg Wir­kungen hat. Aber diese Probleme, die einen Teil der verstrichenen Zeit erklären, haben erfolgreich bewältigt werden können, weil es bei der EU für dieses energiepolitische Interesse Österreichs Gründe gegeben hat.


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Es ist also ein vernünftiges Abkommen, und es steht dahinter natürlich die Absicht, die Möglichkeiten, die das Abkommen einräumt, auch zu nutzen.

Und genau an diesem Punkt ein paar Worte; wir haben bei einem anderen Thema schon versucht, unterschiedliche Standpunkte zu konfrontieren. Ich glaube nicht, dass es eine Betrachtungsweise geben kann, wie sie jetzt gerade von der Kollegin Konrad dargestellt wurde, die punktuell in jedem Einzelfall Einwände geltend macht, die per se nicht falsch sein müssen, aber die die Gesamtschau der energiewirtschaftlichen Situa­tion einfach nicht berücksichtigen.

Wir haben eine Gesellschaft, in der tatsächlich der Stromverbrauch alljährlich steigt. Die Frage ist: Wofür wird dieser Strom genützt? Gibt es elektrische Energie, die andere Energieformen substituiert? Ich darf an den Zwischenruf der vorigen Debatte erinnern, der gelautet hat: Wo kann ich in Österreich ein vernünftiges Elektroauto kaufen? – Wenn ich das richtig verstehe, muss man das Elektroauto, ob es jetzt vernünftig und preiswert ist, ist eine andere Frage, an eine Steckdose anstecken, bevor man damit fahren kann. Das bedeutet, dass man einen Beitrag zum Wachstum des Stromkon­sums leistet. Gleichzeitig wird eine andere Energieform, Benzin, Diesel, eingespart, die ihre Nachteile hat: Feinstaubbelastung und was weiß ich alles. (Zwischenruf der Bun­desrätin Konrad.)

Ja, ja, das ist schon okay, aber, Frau Kollegin, zu sagen, wie das jetzt geschehen ist, es ist nur im Interesse der Profite der TIWAG, Pumpspeicherwerke zu haben – das angesprochene Kraftwerk wäre keines –, das ist schlichtweg Unfug! Wir haben eine Grundlastversorgung aus den Laufkraftwerken, die ich zwar abschalten kann, aber da­mit bewirke ich nichts, außer dass kein Strom erzeugt wird. Ich spare umweltmäßig überhaupt nichts damit ein, wenn ich ein Laufkraftwerk abstelle, wenn ich den Strom nicht brauche.

Das ganze System der Pumpspeicherwerke beruht darauf, dass es Spitzen gibt, Pro­duktionsspitzen, denen kein entsprechender Bedarf in anderen Bereichen gegenüber­steht. Und in dieser Zeit nütze ich den erzeugten Strom dazu, um tatsächlich das zu tun, was Kollegin Konrad beschrieben hat, nämlich wieder Wasser in die Speicher hin­aufzupumpen, um sie zu Zeiten der Spitzenlast abarbeiten zu können, also zusätzli­chen Strom zu erzeugen.

Bitte nicht böse sein, aber gerade in Energiefragen müssen wir sehr, sehr viel ver­netzter denken, als nur zu sagen, hier entsteht ein Nachteil, dort entsteht ein Nachteil. Die vielgerühmte Windkraft wurde auch schon erwähnt. Ich sage Ihnen dazu: Sie ist sau-laut, was Ihnen jeder bestätigen kann, der in einem solchen Bereich lebt, und sie ist sau-schiach und daher nur in Bereichen ... (Zwischenrufe bei den Grünen.) Sie ist sau-schiach! Das ist kein sehr wissenschaftlicher Ausdruck, aber ich lade Sie ein, einen Windkraftpark zu besichtigen: Es gibt kaum eine größere Störung des Land­schaftsbildes als durch diese Türme!

Ich sage das jetzt mit aller gebotenen Zurückhaltung, aber das ist die Argumentation: Wir bauen sie ohnehin nur dort, wo nichts mehr zu ruinieren ist. – Sagen Sie das bitte den Menschen im Weinviertel und im Burgenland, dass sie ohnehin in einer ruinierten Landschaft wohnen, wo ein paar dieser Masten mehr auch keine Rolle mehr spielen! Freuen werden sich die Menschen darüber nicht, wenn man ihre Landschaft in dieser Art und Weise qualifiziert.

Es wäre hier also vernetztes Denken angebracht, das nicht versucht, Einzelbetrachtun­gen an die Stelle der Beurteilung der Gesamtsituation zu setzen.

Ich habe nicht die geringste Absicht, hier als Experte über die Einreichung des konkre­ten Kraftwerksprojekts, zu dessen Gunsten diese Vereinbarung geschlossen wird, zu


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referieren. Ich kann das auch nicht, weder fachlich noch aufgrund der Komplexität die­ses Themas. Wenn es aber 2 500 Einsprüche, Meinungen, Stellungnahmen gibt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass dieses Thema die Menschen, die dort leben, oder sol­che, die sich berufen fühlen, tatsächlich bewegt.

Wir haben dazu ordnungsgemäße rechtliche Verfahren. Mein Vertrauen in die österrei­chische Rechtsordnung ist so, dass ich davon ausgehe, dass das allfällige Ergebnis eines Genehmigungsverfahrens auf diese Bedenken eingeht oder sie zu entkräften in der Lage ist.

Ich glaube nicht, dass man ein Argument absolut nehmen und sagen kann, es gibt 2 500 Stellungnahmen. 2 500 Meinungen irgendwo sichtbar zu machen ist unter ande­rem eine organisatorische Aufgabe. Sie werden in einem Verfahren, für das wir eine gesetzliche Grundlage haben, abgearbeitet werden, und am Ende wird eine Entschei­dung stehen. Diese Entscheidung ist nicht notwendigerweise endgültig, sie kann auch noch einmal angefochten werden. Das ist in einem Rechtsstaat so, und dieser Rechts­staat wird sich auch in diesem Fall, davon bin ich überzeugt, bewähren.

Meine Damen und Herren, es wäre sicherlich gut, nicht so punktuell anhand von zwei internationalen Übereinkommen, die wir gehabt haben, auch in diesem Haus diese komplexe energiepolitische Situation zu diskutieren. Ich warne noch einmal davor, es punktuell zu tun. Es gibt selbstverständlich kein Projekt, das nicht irgendwelche Nach­teile hat, und diese sind gegenüber den Vorteilen abzuwägen. Die Antwort ist nicht nur im Einzelfall zu geben, sondern auch im Gesamtzusammenhang einer nationalen Energiewirtschaft, eines wachsenden Energiebedarfes und der unterschiedlichen Aus­wirkungen von Energiequellen.

Ich habe ein paar kritische Bemerkungen zur Windenergie von mir gegeben. Das heißt nicht, dass ich diese Form als solche für nicht lebensberechtigt halte, aber es ist schon klar, dass wir dort mit massiven Auswirkungen, um es einmal neutral zu formulieren, konfrontiert sind.

Wir haben in Österreich ein Interesse an einer denkmalgerechten Gestaltung unserer Stadtzentren, unserer Stadtkerne, vieler Landschaften. Dächer, die zu dieser Land­schaft gehören, verbieten leider auch die Anbringung entsprechender Geräte oder Energieproduzenten, und die muss ich ja irgendwo hinstellen.

Ich kann sie – Sonnenenergie – etwa an einen Berghang stellen. Schön ist das auch nicht, aber es gibt eine notwendige Abwägung von Interessen. Wenn ich eine Hütte, eine alpine Anlage mit Strom versorge, ist es mit Sicherheit im Gesamtzusammenhang richtig, die teilweise Verschandelung eines Stückes Landschaft in Kauf zu nehmen, statt sehr viel mehr ... (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Kerschbaum und Konrad.) – Bitte um Entschuldigung, hören Sie mir zu, ich bin gerade dafür! Sie haben so einen merkwürdigen Beißreflex. (Bundesrätin Konrad: Nein, das haben wir von Ihnen ge­lernt!) Dies ist also wesentlich weniger umweltschädigend, als über viele Kilometer Berglandschaft eine Leitung dorthin zu legen. (Bundesrat Breiner nickt.) – Der Kollege nickt, er hat mir zugehört; bitte tun Sie das auch.

Dieser Gesamtzusammenhang ist also zu berücksichtigen. Er ist auch im Falle dieses Kraftwerkes zu berücksichtigen und wird auch mit Sicherheit berücksichtigt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 93

13.44


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weiss. –Bitte.

 


13.44.22

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die jahrzehntelange Vorgeschichte dieses Übereinkommens ist bereits dargelegt worden.

Wir haben im Ausschuss auch darüber Informationen bekommen, zusätzlich zu jenen, die in der Regierungsvorlage stehen, warum das so lange gedauert hat. Kollege Konecny hat schon darauf hingewiesen, dass wir nach der Paraphierung des Überein­kommens der EU beigetreten sind, was natürlich die Ausgangslage deutlich verändert hat; da war hinsichtlich der Ausnahmen vom Mehrwertsteuersystem eine Ermächtigung einzuholen. Das ist beispielsweise für den Umsatz der Baukantinen eines solchen Kraftwerkes von Bedeutung.

Die Ermächtigung ist im Vorjahr eingetroffen. Die Regierungsvorlage wurde sodann am 4. Februar dem Nationalrat zugeleitet und kann bereits heute abschließend behandelt werden. Zügiger geht es, jedenfalls im Bereich der Bundesgesetzgebung, nun wirklich nicht. Wir werden die Ratifizierung mit der notwendigen verfassungsmäßigen Zustim­mung abschließen.

Sie erfolgt, was bei Staatsverträgen ja selten ist, nicht einstimmig, sondern, wie bereits im Nationalrat, gegen die Stimmen der Grünen, obwohl, was für den Bundesrat eigent­lich relevant sein sollte, kein einziges Bundesland einen Einwand hatte, auch nicht das ausschließlich betroffene Bundesland Tirol.

Die aus dem Nationalrat bereits bekannten Gründe für die Ablehnung wurden auch hier von der Kollegin Konrad dargelegt. Strittig ist also die Errichtung eines weiteren Was­serkraftwerkes am Oberlauf des Inn, für das mit dem Abkommen die nötige völker­rechtliche Grundlage für die dann erst nachfolgenden innerstaatlichen Genehmigungs­verfahren geschaffen werden soll.

Wenn wir uns vor Augen führen, und das wurde auch schon mehrfach angesprochen, dass der Verzicht auf Atomstrom mit Energiesparen und Solar- oder Windenergie allein nicht kompensiert werden kann, dann, meine ich, ist die Ablehnung von Wasserkraft­werken nicht schlüssig.

Es ist zwangsläufig so, dass sie in den gewohnten Naturhaushalt eingreifen, aber ohne die notwendige Güterabwägung hätten wir in Österreich wohl überhaupt keine Nutzung der Wasserkraft für die Gewinnung elektrischer Energie.

Wenn Sie sich einmal ansehen, wie die Gegend bei Kaprun oder bei uns in der Silvretta vor dem Kraftwerksbau ausgesehen hat und wie das beschrieben wird in viel­fältiger Hinsicht, hinsichtlich der Natur und Pflanzenwelt, die dort zu finden war, dann können Sie sich unschwer das Ausmaß von Bürgerprotesten ausmalen, das man heute damit ernten würde, wenn so ein Kraftwerksprojekt neu umgesetzt werden müsste.

Die Problematik des Pumpspeicherstroms hat Herr Kollege Konecny bereits zutreffend ausgeführt. Ich ergänze das mit einem Beispiel aus der Praxis. Wir haben bei uns in der Silvretta jetzt gerade im Zusammenwirken mit deutschen Stromabnehmern ein neues Pumpspeicherkraftwerk errichtet. Und jetzt sage ich Ihnen, wer der Hauptbe­darfsträger dieser Pumpspeicherenergie ist: Das sind die norddeutschen Windkraft­werke, die diese Ausgleichsenergie benötigen und deren Funktionsfähigkeit nicht ge­währleistet wäre, wenn diese Energie nicht bereitgestellt werden könnte.

Natürlich dürfen die notwendige Güterabwägung und das Plädoyer für die Nutzung von Wasserkraft aus nachhaltiger Quelle kein Freibrief für unverhältnismäßige Eingriffe sein, wie am Beispiel der Donauauen ja hinlänglich zu lernen war und auch gelernt wurde, wie ich denke.


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Die Forderung nach umweltrelevanten Verbesserungen bei einem konkreten Projekt ist Gegenstand des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens. Wenn Frau Kollegin Kon­rad das Ausräumen ökologischer Bedenken gefordert hat, dann setzt das ja voraus, dass diese in einem rechtsstaatlichen und bei uns ausführlich vorgesehenen Verfahren bewertet und argumentiert werden können.

Wenn Sie den Staatsvertrag ablehnen, entziehen Sie ja dieser Abwägung die recht­liche Grundlage, und hier beißt sich bei Ihrer Argumentation die Katze letztlich in den Schwanz.

Wenn man mit einem konkreten Projekt nicht zufrieden ist oder Einwände dagegen hat, dann ist das verständlich und muss im dafür vorgesehenen Verfahren ausdiskutiert werden. Dann sollte das allerdings kein Grund sein, das Abkommen an sich abzuleh­nen, das in seinem Artikel 5 ja ausdrücklich – und den empfehle ich zur Lektüre – eine ausreichende Rücksichtnahmepflicht vorsieht. Ich zitiere, weil Sie es offenbar nicht gelesen haben:

„Die Vertragsstaaten werden bei der Erteilung der Berechtigung neben den Interessen der Wasserkraftnutzung und der Energieversorgung auch die anderen öffentlichen Interessen berücksichtigen, insbesondere die Umweltverträglichkeit, den Hochwas­serschutz, den Gewässerschutz, die Wasserversorgung, die Fischerei, die Walderhal­tung, den Naturschutz und das Landschaftsbild. Sie werden den Berechtigten“ – also den Kraftwerksbetreiber – „insbesondere verpflichten, unterhalb der Fassungen bzw. Talsperren im Rahmen der zufliessenden Wassermengen entsprechend angemessene Restwassermengen abfliessen zu lassen.“

Soweit Artikel 5 des Vertrages, den Sie mit Ihrem Votum hier ebenfalls ablehnen.

Ich fasse zusammen: Ein solcher Inhalt des Abkommens müsste es eigentlich im Bun­desrat auch den Grünen möglich machen, ihm die Zustimmung nicht zu versagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.49


Präsident Helmut Kritzinger: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Winkler das Wort. – Bitte.

 


13.50.10

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon einiges von dem gesagt worden, was ich etwas brei­ter hätte ausführen wollen. Ich kann mich daher relativ kurz fassen.

Dieses Abkommen ist zunächst ein völkerrechtlicher Vertrag. Das ist auch der Grund, warum das Außenministerium hier vertreten und dafür zuständig ist. Es ist ein etwas ungewöhnlicher völkerrechtlicher Vertrag, weil es üblicherweise keine bilateralen Ab­kommen gibt, die es dann letztlich den nationalen Verfahren überlassen, ob der Ge­genstand des Vertrages auch tatsächlich in die Tat umgesetzt wird oder nicht. Übli­cherweise wird in einem bilateralen Vertrag etwas vereinbart, was dann durchgeführt wird.

In diesem Fall – ich würde das als Rahmenabkommen bezeichnen oder als Ermächti­gungsabkommen, das ist wahrscheinlich der bessere Ausdruck – ist es ein Abkommen, das unter der Voraussetzung, dass die jeweiligen nationalen Verfahren positiv ausge­hen, einen Vertragsgegenstand zum Inhalt hat. Und das ist das Wesentliche und wurde auch schon von Professor Konecny und Bundesrat Weiss gesagt. Unter der Vorausset­zung, dass diese nationalen Verfahren positiv ausgehen, wird es zur Errichtung dieses Kraftwerkes kommen. Wenn dem nicht so ist, dann wird es dazu nicht kommen. Und


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 95

dabei sind die entsprechenden österreichischen Vorschriften, UVP und andere Dinge, selbstverständlich einzuhalten.

Gäbe es den Vertrag nicht, dann könnte auch nicht bei einem positiven Ausgang des Verfahrens das Kraftwerk errichtet werden, beziehungsweise, wie richtig bemerkt wur­de, könnte es dieses Verfahren gar nicht geben, weil ihm der Boden entzogen wäre. – So weit zur Rechtsnatur dieses Vertrages, der letztlich, was das Genehmigungsverfah­ren des Staatsvertrages betrifft, ja nur einen Aspekt des Gesamtverfahrens abdeckt.

Zur Frage – das ist jetzt ein bisschen historisch, ich habe mir das näher angeschaut –, warum es so lange gedauert hat, gibt es Erklärungen, die allerdings auch nicht alles erklären. Es hat offensichtlich infolge einer nicht ganz so intensiven Betreibung durch beide Vertragsparteien relativ lange Zeit gedauert, bis es paraphiert und dann unter­zeichnet worden ist. Und dann kam Österreich in die Beitrittsphase zur Europäischen Union. Dann waren wir Mitglied in der Europäischen Union, und dann war es, wie richti­gerweise bemerkt wurde, auf Grund eines einzigen Aspekts, nicht des energiepoliti­schen Aspekts, sondern auf Grund eines steuerrechtlichen Aspekts, notwendig, dass die Zustimmung der Kommission eingeholt wurde. Das hat sich dann wiederum etwas verzögert, weil sich da Veränderungen in einer Abteilung ergeben haben, sodass diese Zustimmung erst im Oktober vergangenen Jahres erteilt wurde. Daher liegt dieser Ver­trag nunmehr nach Einholung der erforderlichen Zustimmung der Kommission zur ver­fassungsmäßigen Genehmigung vor. – Danke vielmals, Herr Präsident. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.53


Präsident Helmut Kritzinger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.55.049. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2006 der Bundesregierung (III-328-BR/2007 d.B. sowie 7900/BR d.B.)

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

 


Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um den Bericht.

13.55.18


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 96

Berichterstatter Karl Bader: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außenpolitischen Bericht 2006 der Bundesregierung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten hat diesen Bericht in der Sitzung
vom 26. März 2008 in Verhandlung genommen, und ich stelle im Namen des Aus­schusses den Antrag, den Außenpolitischen Bericht 2006 der Bundesregierung (III-328-BR/2007 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Helmut Kritzinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


13.56.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Wie jedes Jahr ist mit Recht, wie ich glaube, damit zu begin­nen, dass wir uns beim Ministerium für eine gut eingeführte, aber auch gute Arbeits­unterlage sehr herzlich bedanken. Der Außenpolitische Bericht ist nicht nur Grundlage einer jährlichen Debatte, sondern er ist ein Arbeitsbehelf, eine Informationsquelle, wie man sie sich wünscht. Und der Dank an jene, die das im konkreten Fall zusammenge­stellt haben, der Dank an jene, die das in vielen Jahren entwickelt haben, ist ein ernst gemeinter. Die meisten von uns, vor allem jene, die bereits länger im Amt sind, haben da eine schöne Kollektion in einem Bücherkasten stehen. Und man kann wirklich etwas nachschlagen.

Ich bedanke mich also auch für den Bericht 2006 und füge eines hinzu, weil mir das ein Anliegen war und ich wiederholt darauf hingewiesen habe: Wir haben seit einiger Zeit, und diesmal ist es ganz konsequent durchgehalten, eine völlig andere Art der Länder­information. Viele Jahre hindurch gab es hier den durch die Gesetze der diplomati­schen Höflichkeit stark abgemilderten Versuch, die politische Entwicklung von Staaten, mit denen wir in diplomatischen Beziehungen stehen, darzustellen. Das war wirklich eine Herkulesaufgabe, die nicht zu bewältigen war, denn man kann natürlich in einen solchen Außenpolitischen Bericht schwer hineinschreiben, die Menschenfresser, die dieses Land derzeit regieren, sind bedauerlicherweise immer noch an der Macht, auch wenn die, die den Text verfasst haben, sicherlich manchmal die Versuchung gespürt haben, solche oder ähnliche pejorative Vokabel in den Text aufzunehmen.

Was jetzt in diesen Länderinformationen enthalten ist, erspart diese Peinlichkeiten, die Qualität der Beziehungen zu Regimen, zu denen man sich zweite Gedanken erlauben darf, hochzuloben, sondern sie konzentriert sich ausschließlich auf die bilateralen Be­ziehungen, die in dieser Form oder in dieser Ausführlichkeit in der Vergangenheit nicht oder nicht immer dargestellt waren, also die Kooperation, die Besuchstätigkeit, allfällige österreichische Entwicklungshilfe, die Handelsbeziehungen. Da ist manches vielleicht noch ausbaufähig, aber im Prinzip geben diese Länderberichte oder Länderinformatio­nen ein gutes Bild der Intensität der Beziehungen, die manchmal halt nicht so hoch ist, der Bedeutung, die diese Partnerstaaten in der österreichischen Außenpolitik einneh­men. Manches ist überraschend, etwa das Exportvolumen oder Importvolumen in man­chen Fällen, man kommt mit Zehntausenderstellen aus und mit zumindest nur zweistel­ligen Millionenbeträgen, auch bei sehr, sehr interessanten wirtschaftlichen oder poten­tiellen wirtschaftlichen Partnern am Arabischen Golf.

Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen einladen, sich das wirklich zu Gemüte zu führen. Da erlebt man seine Überraschungen, etwa was den bilateralen Handel mit Qatar betrifft, das hat mich wirklich verblüfft. Bei Tuvalu verstehe ich, dass man da mit einer Zehntausenderstelle auskommt. Aber bei Qatar ist das in höchstem Maße bedauerlich, dass man da bei dem dortigen Nationalprodukt und bei der dortigen Entwicklung, die


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dieser kleine Staat nimmt, mit zweistelligen Millionenbeträgen auskommt. Das nur als Beispiel genommen.

Es ist, wie gesagt, eine wirkungsvolle Unterlage, und all jenen, die noch nicht so lange bei uns sind, kann ich nur empfehlen, sich ein Brett in der Bibliothek frei zu räumen, um für die Berichte, die da noch alljährlich angeliefert werden, Platz zu finden.

Erstaunlicherweise will ich es aber mit diesen Bemerkungen nicht bewenden lassen. Natürlich bietet der Außenpolitische Bericht die Möglichkeit, über nahezu alles, außer über das Wetter, zu reden. Ich will mich also mit zwei Aspekten der österreichischen Außenpolitik beschäftigen – mit dem einen kurz, mit dem anderen ein bisschen län­ger –, weil sie mir auch besonders am Herzen liegen.

Der eine Aspekt ist die Politik Österreichs in einem Bereich, für den wir auch ein gutes Maß an historischer Mitverantwortung tragen, nämlich dem Balkan. Und ich teile die Auffassung des ehemaligen Koordinators des Stabilitätspaktes, des Herrn Dr. Busek, der gemeint hat, Österreich ist auf dem Balkan eine Weltmacht. Das war nicht selbst­überhebend gemeint, sondern es war eine bewusste Attacke – und ich kann diese At­tacke teilen – auf diese österreichische Selbstverkleinerung, wenn man sagt: Was kön­nen wir denn bewegen? Können wir irgendetwas bewegen? Wir sind doch so ein klei­nes Land! – Das stimmt im Weltmaßstab sicher, aber es stimmt regional nicht immer.

Österreich ist gerade in diesen Staaten nicht nur ökonomisch ein hoch wichtiger Part­ner und vor allem Investor. – Wenn ich „Österreich“ sage, ist das vergröbernd: Der österreichische Staat hat Hilfe geleistet und leistet Hilfe, aber die Investitionen kommen natürlich von österreichischen Unternehmen, und sie sind für viele dieser Länder ent­scheidend.

Es ist wichtig und notwendig – und das hat die österreichische Wirtschaft in einem be­merkenswerten Umfang verstanden –, nicht nur in solche Länder zu gehen, sondern früh in solche Länder zu gehen, zu den Pionieren zu gehören. Ich würde mir das bei­spielsweise für Montenegro – nicht von Ihnen, aber von der österreichischen Wirt­schaft – wünschen, dass in einer möglichst frühen Phase, wenn es noch schwierig ist und wenn es auch noch manchmal wehtut, dort Investitionen stattfinden. Ich kenne bei­spielsweise all die nicht immer romantischen Geschichten, die österreichische Investo­ren in Albanien oder in Bulgarien erlebt und vielleicht auch erlitten haben, aber sie ha­ben sich dort letztlich durchgesetzt und haben damit einen besonders wichtigen Beitrag geleistet. Dann zu investieren, wenn alles an Schwierigkeiten schon vorüber ist, ist sozusagen keine Kunst, aber früh hinzugehen, das Risiko mitzunehmen, ist für diese Länder gut, aber es ist letztlich auch, wenn es erfolgreich ist, für den betreffenden Investor gut, weil man dann nicht nur das Standbein sehr fest in diesem Land hat, sondern es auch eine emotionale Bindung gibt zu denen, die früh gekommen sind und beim wirtschaftlichen Aufschwung eines Landes von Beginn an dabei waren.

Diese Politik, die auch staatliche Unterstützung insofern erfährt, als es gelegentlich garantierte Projekte in solchen Ländern gibt, ist ein Kernstück der Entwicklung dieser Länder, und unsere politische Partnerschaft mit diesen Ländern ist eine weitere wich­tige Voraussetzung für diese Entwicklung.

Wir haben uns über viele Jahre hinweg redlich bemüht, nicht kritiklose Partner zu sein – und auch das ist wichtig –, sondern auf allen Ebenen immer wieder auch deut­lich gemacht, dass wir von diesen Ländern einen massiven eigenen Beitrag für ihre Entwicklung erwarten, politisch und ökonomisch, weil ihre Rechtsordnungen und die Praxis von deren Ausübung nicht den Erfordernissen entsprechen, die europäische Demokratien und europäische Rechtsstaaten von ihren Partnern erwarten.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 98

Auch bei Staaten, die heute bereits der Europäischen Union angehören, wissen wir, dass es in gar nicht so wenigen Fällen ein Defizit an Rechtssicherheit gibt, ein Defizit an Korruptionsbekämpfung gibt – und wir sollten uns nicht aus Freundschaft versagen, das auch auszusprechen. Das gehört zu einer guten Freundschaft, und die gute Freundschaft ist eigentlich die Voraussetzung dafür, dass man das tun kann und muss, jemanden sehr ernst am Ärmel zu nehmen und zu sagen: Das geht aber wirklich nicht, hier sind Maßnahmen zu treffen!

Ich erwarte mir – das muss ja nicht in der Zeitung stehen, dann ist es ja schon kontra­produktiv –, dass wir alle Kontaktmöglichkeiten in diesen Ländern dazu nützen, diese Mahnungen, Ermunterungen, oder was immer es technisch ist, auszusprechen. Das gilt in besonderem Maße, weil hier ja auch noch Kriterien erfüllt werden müssen, für jene Länder, die noch an der Schwelle zur EU stehen. Es hat gerade in den letzten Ta­gen wieder eine Reihe von Debatten gegeben, beispielsweise über die Rechtssicher­heit in Kroatien, die österreichische Investoren betroffen hat.

Wir haben alle ein hohes Maß an Sympathie für diesen Staat, für dieses Volk, es kann aber überhaupt keine Frage sein, dass alle Restbestände früherer halbautoritärer Zu­stände ebenso überwunden werden müssen wie alle Überreste von Korruption und Rechtsunsicherheit. Und es ist gar keine Frage, dass wir unsere Stimme – noch ein­mal: außerhalb der Medien – hier zu erheben haben, um deutlich zu machen, wo wir stehen und wo wir erwarten, dass dieser Partner hinkommt, bevor er seinen Weg in die Europäische Union findet.

Das gilt mit anderen Schwerpunkten, aber in gleicher Weise auch für den Beitrittswer­ber Mazedonien, wo in gleicher Weise Defizite zu beklagen sind. Wir können gerne unsere Hilfe bei ihrer Beseitigung anbieten. Es gibt großartige Programme, an denen Österreich beteiligt ist oder die es initiiert hat, um die öffentliche Verwaltung effizienter zu machen, um die Ausbildung und Amtsausübung von Richtern und Verwaltungsbe­amten zu verbessern. All das steht zur Verfügung, aber genutzt und umgesetzt muss es von den dortigen Partnern werden.

Wir haben – und das ist keine Frage – eine schwierige neue Situation gegenüber Ser­bien und dem unabhängig gewordenen Kosovo. Man kann eine solche Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne ein paar Worte dazu zu sagen. Irgendjemand hat einmal den schönen Satz geprägt, dass der Balkan an einem Überfluss an Geschichte leidet. Das ist sicherlich richtig: Wenn jeder Stein, jede Stadt und jede Geschichte historische Reminiszenzen aus dem letzten Jahrtausend, die relativ lebendig sind, bei den Men­schen wach werden lässt, dann ist es nicht so einfach, hier Lösungen zu finden, weil so viel Sentiment mit jeder Lösung und mit dem Gegenteil davon verbunden ist.

Es ist keine Frage, dass nach allem, was geschehen ist, der Kosovo einen Weg zur Selbständigkeit angestrebt hat und dass die internationale Gemeinschaft und die Euro­päische Union kaum eine andere Möglichkeit hatten, als diesen Weg zur Kenntnis zu nehmen. Ob die Form und das Tempo wirklich der Weisheit letzter Schluss waren, will ich einmal offen lassen, aber am Ende wäre in jedem Fall die Zurkenntnisnahme dieser Unabhängigkeitserklärung gestanden. Sie hat nur nicht dazu beigetragen, das Problem zu entkräften.

Es ist gar keine Frage, dass das Problem der serbisch bewohnten Enklaven faktisch ungelöst ist, sowohl konstitutionell – aber das ist das geringere Problem – als auch realpolitisch. Vor allem dort, wo es die direkte Landverbindung zu Serbien gibt, ist gar keine Frage, dass die serbischen Menschen dieses Gebietes wenig Lust haben, sich als Bürger eines multiethnischen Kosovo zu verstehen, dass für sie nicht nachzuvoll­ziehen ist, dass sie nicht zu jenem Staat, dessen Sprache sie sprechen, dem sie sich zugehörig fühlen, auch staatsrechtlich gehören. Und die Auseinandersetzung um das


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Gebiet nördlich von Mitrovica – um ihm nicht einen anderen Namen zu geben, sondern es nur geographisch zu bezeichnen – wird uns noch vor gewaltige Probleme stellen; nicht den österreichischen Bundesrat, aber die österreichische Außenpolitik und die Politik der Europäischen Union.

Natürlich ist es richtig, hier Aufbauhilfe auch und gerade in rechtlicher Hinsicht zu leis­ten, aber es sind natürlich nicht die günstigsten Voraussetzungen für die Mission der Europäischen Union, wenn sie sich zunächst einmal ihre Amtsgebäude mit Waffenge­walt zurückerobern muss. Das wird noch ein gewaltiges Problem werden.

Damit ist auch der Kernpunkt des Problems definiert, denn natürlich, wie so oft – und ich habe das in einem völlig anderen Zusammenhang heute schon einmal aufgegriffen und kritisiert –, macht man mit Außenpolitik vor allem eines: Innenpolitik. Und was in Serbien derzeit geschieht, ist natürlich innenpolitisch determiniert. Und was nördlich von Mitrovica passiert, ist auch serbisch innenpolitisch determiniert.

Wir haben deutlich zu machen, dass wir auf der Seite jener Kräfte stehen, die demo­kratisch verfasst sind, sich zur Demokratie bekennen und die nicht auf einer extrem na­tionalistischen Position verharren. Ich bin dem serbischen Außenminister sehr dankbar, dass er vorgestern – sofern ich das richtig in Erinnerung habe – sehr, sehr deutlich klargestellt hat, dass es nicht die Politik dieser Regierung ist, den nördlichen, serbisch bewohnten Teil Kosovos an Serbien anschließen zu wollen.

Vuk Jeremić hat damit wirklich eine vernünftige Aussage getroffen, die ihm zwar viel­leicht im anlaufenden Wahlkampf nicht unbedingt Sympathien bringt, die aber notwen­dig war, um klarzustellen, dass es zumindest politische Kräfte in diesem Land gibt, die mit dem nicht spielen, sondern, auch wenn sie nichts unterzeichnet haben und nicht einverstanden waren, bereit sind, sich an den Komment internationaler Staaten zu hal­ten. Und wir sollten klar aussprechen und offensiv zum Ausdruck bringen, dass wir für die radikalen Schreier, die bruchlos von Milošević zu Mikulić übergegangen sind, so wenig Sympathien empfinden wie für jene nationalistischen Opportunisten, die zwar im Augenblick noch Ministerpräsident einer Regierung sind, aber wo man die große Lupe braucht, um einen inhaltlichen Unterschied zu den Mikulić-Radikalen entdecken zu können.

Die Zeit, wo Koštunica eine demokratische Hoffnung war, gehört der Steinzeit der po­litischen Entwicklung Serbiens an, aber nicht der heutigen Aktualität. Das ist klar auszusprechen, und ich lade Sie alle ein, zu versuchen, das, in welcher Form auch immer, der österreichischen Öffentlichkeit, vor allem aber den Menschen serbischen Ursprungs, die bei uns leben, die vielleicht Staatsbürger sind oder auch nicht, die viel­leicht noch wahlberechtigt sind oder auch nicht, aber jedenfalls Stimmungsträger sind, zu verdolmetschen und zu verdeutschen, um es einmal so zu sagen. Gerade dann nämlich, wenn man sozusagen im Exil lebt und die realen Entwicklungen zu Hause nicht mehr mitbekommt, ist die Gefahr, dass man sich in einer Idealvorstellung einigelt, besonders groß. Und dem sollten wir uns, wo wir die Möglichkeit haben, als Ge­sprächspartner stellen.

Ein Balkan, in dem es einen „Paria“ gibt und alle anderen Länder der Europäischen Union näher rücken, ist mit Sicherheit keine Perspektive, die wir uns wünschen kön­nen. Ein Balkan, bei dem zögernd, spät und nicht ohne Widersprüche auch Serbien sich in den Bereich derer begibt, die nach Europa streben, das ist etwas, was wir uns wünschen und wozu wir etwas beitragen sollen. Persönlich kann ich nur sagen: Bei meinem Wirt in Brüssel, den ich regelmäßig besuche und der gebürtiger Serbe und auch noch wahlberechtigt ist, habe ich schon gewisse Erfolge erzielt. – Das war das lange Thema.


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Das Zweite, zu dem ich einige Worte sagen möchte und das mir auch ganz besonders am Herzen liegt: Österreich ist zugegebenermaßen ein kleines Land, Österreich hat sich in der Vergangenheit trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – überproportional an internationalen Aktionen und Einsätzen der UNO beteiligt. Mir tut es fast ein biss­chen leid, jetzt, wo Hoffnung besteht, dass Zypern doch noch einmal eins wird, dass das österreichische Engagement der Friedenserhaltung vor einigen Jahren aufgege­ben wurde. Es wäre schön gewesen, wenn es Österreicher gewesen wären, die viel­leicht in einigen Jahren dort die Demarkationslinien hätten abbrechen können, aber sei’s drum. Wir haben viele Jahre lang dazu beigetragen, dass es dort zu keinen offe­nen Konflikten gekommen ist.

Österreichische Soldaten stehen am Golan und haben auch dort ihren Beitrag dazu geleistet, dass es ruhig – so ruhig es halt in dieser Weltgegend geht – geblieben ist. Ich glaube, das hat nicht nur – und auch das soll man nicht vernachlässigen – Zehntau­senden Österreichern, die inzwischen nicht mehr so jung sind oder die nicht mehr alle jung sind, eine prägende Erfahrung für ein Leben gebracht, denn es gibt nicht so viele Österreicher, die lange unter schwierigen Bedingungen im Ausland leben. Die, die in Zypern und am Golan gewesen sind, haben alle etwas gelernt. Das hat ihr Leben ge­prägt, hat ihnen eine Dimension der Erfahrung gebracht, die sie als bloße Urlauber in diesen Regionen nicht hätten sammeln können, und insofern ist das auch für unser Land wertvoll. Aber davon abgesehen: Es hat auch unserem Land eine internationale Anerkennung gebracht, die wir gut brauchen können.

Deshalb tut es mir weh – ich sage das ganz deutlich –, dass wieder zum Teil politisch, aber noch mehr medial ein durchaus vergleichbarer Einsatz, nämlich der in Darfur oder an der Grenze zu Darfur, in der Weise diffamiert wird, wie das in diesen Wochen ge­schehen ist. Ja, es ist eine schwierige Operation, ja, es ist eine gefährliche Operation. Ich kann mich da mit Norbert Darabos völlig solidarisieren: Wenn es nicht gefährlich wäre, hätten wir ja auch die Sängerknaben schicken können, sagt er etwas rotzig, aber durchaus zutreffend.

Es geht darum, Menschen zu schützen, es geht darum, Flüchtlingen das materielle Überleben und das Überleben ohne Vergewaltigung und Anschläge zu ermöglichen, und das ist eine edle Aufgabe. Das ist eine Aufgabe, die unsere Soldaten in Gemein­schaft mit Kontingenten anderer EU-Staaten erfüllen, und es ist eine Aufgabe, die vor allem eines verdient: Unterstützung und Respekt.

Dass es beim Deployment dieser Einheiten Probleme gegeben hat – die auch gelöst wurden! –, ist sicherlich richtig. Aber mindert es die Bedeutung eines Einsatzes, wenn er in der Anlaufphase gewisse Schwierigkeiten hat? – Da hätte man eigentlich die Fuß­ball-Europameisterschaften schon absagen müssen, denn da haben wir genügend An­laufprobleme, fußballerische und infrastrukturelle. (Bundesrat Mayer: Vor allem in der zweiten Halbzeit!) Ja, ja, vor allem in der zweiten Halbzeit.

Nein, es ist ein Einsatz der Menschlichkeit, es ist ein Einsatz, der das Risiko wert ist, und es ist ein Einsatz, der auch beispielgebend sein kann. Es ist in dieser Form der erste Einsatz, wo man Flüchtlinge, überwiegend Bürger des Nachbarstaates, im Tschad unter Bedingungen, die alles andere als einladend sind, zu schützen hat. Es geht nicht nur darum, dort ein paar Wasseraufbereitungsanlagen hinzustellen, es geht tatsächlich um Schutz, um Aufklärung, und eventuell wird es auch zu bewaffneten Aus­einandersetzungen mit Personen kommen, die diese Flüchtlingslager oder ihre Insas­sen angreifen würden. Ja, das ist alles wahr – aber ist es ein Argument, das nicht zu machen?

Wir haben gerade in diesen Tagen viele Informationen im Fernsehen, in den Zeitungen über das, was im Jahr 1938 in Österreich passiert ist, als die Menschen flüchten muss­


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ten. Ich gebe zu, mit einer gewissen Rührung erlebe ich immer wieder in den Erzählun­gen von denen, die dabei waren, dass es auch unter diesen entsetzlichen Bedingun­gen von damals Menschen gegeben hat, die denen, die verfolgt wurden, die flüchten mussten, zu Hilfe gekommen sind. Vorgestern habe ich eine Fernsehdokumentation über jüdische Flüchtlinge aus Österreich gesehen, wo mich am meisten beeindruckt hat, dass für eine Familie, die mit dem Zug in die Schweiz flüchtete – völlig überstürzt, ohne Nahrungsmittel –, der Zugsführer, dem das irgendwie bekannt wurde, weil sie auch sonst Probleme hatten – politische, sie wurden angepöbelt –, durch den Zug ging und Lebensmittel für diese Familie sammelte, damit sie bis zur Erreichung der Schwei­zer Grenze auch etwas zu essen hatten.

Das war Zivilcourage! Wir brauchen sie hoffentlich heute im eigenen Land nicht in die­ser Intensität. Aber diese Zivilcourage haben wir, wollen wir haben, haben auch unsere Bundesheerangehörigen. Sie ist im Tschad notwendig.

Deshalb sollte es das Gegenteil von dem geben, was in vielen Elementen der poli­tischen und medialen Debatte vorherrscht, nämlich rückhaltlose Unterstützung für diese Mission, die Menschenleben rettet und die nicht aus irgendeinem Eigeninteresse unternommen wird, sondern nur deshalb, um Menschen zu helfen. Und wenn es ir­gendetwas gibt, auch in der Außenpolitik, was das zentrale Element politischen Lebens ist, dann sollte es wohl das sein, Menschen zu helfen. (Allgemeiner Beifall.)

14.21


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


14.21.12

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Außenpoliti­scher Bericht – ich werde versuchen, wieder in diese Niederungen zurückzukommen, nachdem Kollege Konecny das sehr breit, aber richtigerweise gebracht und wieder dokumentiert hat, dass er auch ein Außenpolitiker mit Herz und Seele ist.

Ein großer Schwerpunkt, den du auch genannt hast, ist die Balkanregion. Von Anfang an, schon unter unserem EU-Ratsvorsitz, war das Stabilisierungs- und Assoziierungs­abkommen mit Albanien wichtig sowie die Aufnahme der Verhandlungen zu einem sol­chen Abkommen mit Bosnien und Herzegowina. Auch Serbien wurde auf seinem euro­päischen Weg unterstützt. Österreich stand auch dem Beitritt von Rumänien und Bul­garien sehr positiv gegenüber, der am 1. Jänner 2007 vollzogen wurde.

Gestern hat es einen kleinen Festakt in der bulgarischen Botschaft gegeben, wo der bulgarische Botschafter Naidenov voller Rührung von der Hilfe Österreichs, von der Hilfe der österreichischen Außenpolitik sprach, wo er sehr dankbar darüber gespro­chen hat, dass Österreich diesen Weg am Anfang mit Bulgarien und Rumänien mitge­gangen ist, und auch darüber, wie es damals geheißen hat, keine Zwei-Klassen-Ge­sellschaft in Europa haben zu wollen, sondern eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Das war eigentlich sehr berührend und war eine wunderschöne Sache, wobei auch die ös­terreichische Außenpolitik bestätigt wurde. Ferner wurden die substantiellen Beitritts­verhandlungen mit Kroatien eingeleitet und die ersten Verhandlungskapitel abge­schlossen.

Dass österreichische Außenpolitik in der Welt geschätzt wird, bewies man auch im Jahr 2006 wieder. Über 2 500 Österreicherinnen und Österreicher waren bei verschie­denen Friedensmissionen, wie wir gehört haben, in verschiedenen Teilen der Welt im Einsatz.


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Ein wichtiger Teil unserer Außenpolitik ist auch die Entwicklungszusammenarbeit. Hier wird Armut bekämpft und werden Brücken gebaut. Da ist nie genug Geld vorhanden, das ist schon klar. Nach oben sind da keine Grenzen gesetzt.

Das österreichische Außenministerium ist eine weltweit moderne Serviceeinrichtung mit seinen Botschaften, Konsulaten und Außenhandelsstellen, auch als Anlaufstellen für viele Landsleute in fremden Ländern, und ist auch für Österreich als Tourismusland von größter Bedeutung.

Positiv erwähnen möchte ich hier auch die Arbeit unseres Mitglieds in der Europäi­schen Kommission Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner, die für Außenbeziehungen der Union sowie für die europäische Nachbarschaftspolitik mitverantwortlich zeichnet.

Mein Dank gilt auch von dieser Stelle aus, wie jedes Jahr, für diesen tollen Bericht der Frau Außenministerin, auch Ihnen, Herr Staatssekretär, und dem gesamten Team der Mitarbeiter um Generalsekretär Kyrle, die übrigens auch immer sehr kompetent bei un­seren Ausschusssitzungen anwesend sind und zu allen Themen Auskunft geben.

Dieser Bericht ist wieder sehr umfangreich, eine Art Leitfaden, wie Kollege Konecny schon gesagt hat, für uns Außenpolitiker. Es ist alles drinnen, und er spart auch bri­sante Themen wie den Beitritt der Türkei nicht aus.

Auch die Schwerpunktsetzung für den gesamten Balkan, wie wir schon gesagt haben, erwies sich als goldrichtig. Und auch der nächstmögliche Termin für den Beitritt Kroa­tiens ist etwas, was uns Österreicher, nicht nur historisch gesehen, freuen sollte. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

14.25


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Kon­rad. – Bitte.

 


14.25.29

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es ganz spannend, dass wir im Jahr 2008 über den Bericht aus dem Jahr 2006 sprechen, denn gerade bei der Außenpolitik hat das in gewisser Weise schon einen historischen Aspekt. Es war für mich ganz spannend, in diesem Bericht zu blättern und zum Beispiel zu lesen, was zum Thema Serbien und Kosovo im Jahr 2006 zu lesen steht. Man sieht das, was sich damals ereignet hat, natürlich jetzt im Jahr 2008 mit einer ganz anderen Sichtweise.

Ich möchte meine Ausführungen mit einem Lob beginnen; das hat mein Kollege Stefan Schennach, der heute leider nicht hier sein kann, mich dezidiert gebeten, auszurichten, nämlich ein Lob an die Außenkulturpolitik und an die zuständigen Beamten. Ich würde Sie bitten, das weiterzuleiten.

Was man in diesem Bericht über die österreichische Außenkulturpolitik lesen kann, ist wirklich spannend. Ich glaube, dass gerade die Kulturpolitik schon eine Möglichkeit ist, ein Bild von Österreich im Ausland, in anderen Staaten zu vermitteln, das über die Lipizzaner und Mozartkugeln hinausgeht.

Gerade deshalb freut es mich sehr, dass hier auch zeitgenössische Kunst gefördert wird, vor allem auch zeitgenössische Aspekte mit eingebracht werden. Sie ist wirklich ein ganz wichtiger Botschafter, wenn man so möchte, für den Staat Österreich.

Ich möchte nur ganz kurz ein paar Themen streifen, die in diesem Bericht angespro­chen wurden. Es hat ja schon Herr Konecny ausgeführt, dass man eigentlich Tage und Wochen reden könnte, wenn man über alles reden möchte, was in diesem Bericht aus­geführt ist.


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Ich kann aber leider nur ein paar Punkte herausgreifen. Da fange ich schon mit einem Punkt an, der nicht so erfreulich ist, nämlich auch für das Außenministerium nicht: die Visa-Affäre.

Offensichtlich ist es ja auch jetzt so, dass einzelne Personen, die damit im Zusammen­hang standen, noch im Ministerium beschäftigt sind. Da erhebt sich natürlich die Frage, ob das in der Art sinnvoll ist. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir hier sehr schnell vorgehen und Schritte setzen, wenn solche Verdachtsfälle vorliegen und auch Ge­richtsverfahren anhängig sind. Es ist schon sehr wichtig für österreichische Institu­tionen, vor allem im Ausland, dass alles, was in Richtung Korruption geht, sehr schnell angepackt wird, sehr schnell ausgeräumt wird. Das ist auch eine Frage des Rufs von Österreich im Ausland.

Ich habe, als ich vor einigen Wochen im Kosovo gewesen bin, eine Organisation ge­troffen, die sich dort mit der Frage von Korruption befasst und damit, was man dage­gen machen kann. Das ist gerade im Kosovo momentan ein Problem, natürlich vor allem innerhalb des Kosovo, aber man glaubt gar nicht, wie virulent dieses Problem eigentlich werden kann. Nach dem, was mir diese Organisation erzählt hat, hat das auch sehr stark die internationalen Organisationen betroffen, die vor Ort sind.

Umso wichtiger ist es, dass wir wirklich schauen, dass unsere Einrichtungen im Aus­land schon ganz korrekt, ganz sauber vorgehen und dass wirklich gar nichts in diese Richtung geduldet wird.

Ein anderes Thema: EZA und die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit. Der Außenpolitische Bericht 2006 lobt sehr die Tatsache, dass das Barcelona-Ziel von 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens deutlich übertroffen worden sei, nämlich mit 0,52 Prozent. Das mag schon stimmen, man muss sich aber schon die Umstände genauer anschauen, wie diese Zahl zustande gekommen ist. Gerade in den betreffen­den Jahren gab es eine Entschuldung von verschiedenen Ländern. Das wurde in diese Zahl eingerechnet, und damit kam man auf ein erfreuliches Ergebnis.

Jetzt ist noch überhaupt nicht klar, wie ein ähnliches Ergebnis in den nächsten Jahren weiterhin erreicht werden soll. Für die Jahre 2009 und 2010 sind nämlich keine Ent­schuldungen geplant. Das heißt, es dürfte für Österreich sehr schwierig sein – bisher wissen wir zumindest nicht, wie Österreich plant –, auch in Zukunft eine solche Zahl zu erreichen.

Ich finde schon, dass dieses Eigenlob, das im Bericht zu lesen steht, auch ein wenig relativiert, wenn es eine Einzelmaßnahme ist, die sich in dem Jahr zwar finanziell aus­wirkt, aber nicht unbedingt nachhaltig ist.

Ein paar Worte zum EU-Ratsvorsitz, den Österreich ja im ersten Halbjahr 2006 inne­hatte. Da möchte ich kurz ein paar Themen anreißen.

Energiepolitik haben wir ja heute schon diskutiert. Ich weiß, dass die österreichische Anti-Atompolitik im Ausland nicht einfach ist, weil wir im Vergleich zu anderen Staaten relativ alleine dastehen.

Ich weiß aber auch, dass es wahrscheinlich kaum ein Thema gibt, das innerhalb Öster­reichs derartigen Rückhalt hat, wie eben die Anti-Atomhaltung. Ich glaube, das ist wirk­lich nationaler Konsens; Österreich ist im Gesamten an und für sich doch gegen Atom­energie.

Jetzt ist es schon sehr schade, dass es nicht möglich ist, diese Haltung umzusetzen, wenn man den EU-Ratsvorsitz innehat, gab es doch gerade in dieser Zeit eine dras­tische Erhöhung der EU-Mittel für die Atomkraft. Es wird dreimal so viel Geld für Kern­


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kraft wie für Energieeffizienz sowie erneuerbare Energien aufgewendet. Und dieses Verhältnis ist meiner Meinung nach ein klares Missverhältnis.

Gerade bei erneuerbarer Energie und bei Energieeffizienz muss investiert werden, und zwar vor allem in die Forschung. Wenn mehr Geld in diese Forschung investiert wird, dann müssen wir uns vielleicht in wenigen Jahren gar nicht mehr darüber unterhalten, ob diese oder jene alternative Energieform ästhetisch schön oder nutzbringend ist; dann könnte das schlicht und einfach außer Frage stehen.

Auch eine Revision des EURATOM-Vertrages wurde zwar angekündigt, ist aber nicht geschehen. – Daher: weg von dieser Energiepolitik!

Ein Thema, das sich die österreichische EU-Präsidentschaft vorgenommen hat – wie wahrscheinlich jede andere vor beziehungsweise nach ihr –, ist, die Meinung der Be­völkerung zur EU zum Positiven zu bewegen. Ich habe jetzt nicht die ganz aktuellsten Statistiken, glaube aber nicht, dass das Vorhaben in der Form gelungen ist. Und ich meine nicht, dass man da jetzt Werbekampagnen machen sollte, denn das ist schon einmal geschehen, war nicht sehr nachhaltig und hat wohl auch nicht so dauerhaft funktioniert. Ich meine aber schon, dass jede Diskussion zum Thema EU zum Inhalt haben sollte – gerade die Verfassungsdebatte hätte da schon sehr viele Möglichkeiten geboten, wenn wir allesamt ein bisschen mutiger vorgegangen wären –, die grundle­gend positiven Aspekte der EU nach außen zu kehren.

Es ist natürlich ziemlich einfach – ich sage jetzt das, was man ohnehin immer bei einer solchen Diskussion sagt –, im Zweifelsfall zu sagen, die Schuld liege in Brüssel, in Österreich habe man ohnehin alles richtig gemacht. – Wie man dann in der EU jeweils abgestimmt hat, ist eine andere Diskussion. Oft hoffen ja die Zuständigen, dass es nie­mandem auffällt, wie sie in der EU abgestimmt haben.

Letztendlich ist es aber so, dass die EU sehr viele Vorteile für die Bevölkerung bringt, aber eben nicht nur Vorteile. Und ich glaube schon, dass man in einer offenen, ehrli­chen Diskussion, wenn man sich auf Fakten beruft, diese Vorteile auch vermitteln kann. Gerade bei der Debatte über den Verfassungsentwurf ist das jedoch nicht ge­schehen, sondern da ist mit allen möglichen „Argumenten“ gearbeitet worden. Wir ken­nen das Ergebnis: Im ersten Anlauf ist das Ding gescheitert; die EU-Verfassung wurde in zwei Staaten abgelehnt.

In Österreich ist es dann immer sehr schwierig, weil natürlich politisch wenig damit zu holen ist, wenn man die negativen Seiten der EU leugnet. Niemand soll das natürlich leugnen, aber: Eine wirklich ehrliche Debatte, eine wirklich breite öffentliche Debatte über die EU-Verfassung habe ich hier eigentlich nicht wahrgenommen. Es war das ent­weder sehr konzentriert auf die negativen Seiten – oder es wurde gesagt, es ist im Prinzip ohnehin alles okay.

Eine breite Debatte, die wirklich die Möglichkeit bieten würde, die österreichische Be­völkerung aktiver an EU-Fragen zu beteiligen, hatten wir in unserem Lande nicht – und davon sind wir, glaube ich, auch noch weit entfernt.

Ich habe keine Patentlösung, wie wir das schaffen können, meine aber, dass eine et­was ehrlichere und objektivere Diskussion über die EU notwendig ist und dass wir eine solche besser früher als später anfangen, weil die Meinung der Bevölkerung zur EU schlicht und ergreifend nicht von selbst besser wird. Je weiter sich aber die Menschen emotional von der EU entfernen, desto weniger Verständnis wird es dann auch für wirklich wichtige EU-weite Maßnahmen in Zukunft geben – und das werden wir dann alle zu spüren bekommen.

Einen Punkt noch zum österreichischen Ratsvorsitz. Wo sich Österreich bei weitem nicht so eingesetzt hat, wie es nötig gewesen wäre, betrifft die Frage der Visa-Freiheit


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für die Bewohner der Balkan-Staaten. 70 Prozent der Jugendlichen in Serbien ... (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Sie von den Regierungsfraktionen kön­nen/müssen alles loben, ich bin von der Opposition und kann auch kritisieren; ich kann sogar auch öffentlich kritisieren. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

70 Prozent der Jugendlichen in Serbien waren noch nie im Ausland. Deren Eltern hin­gegen waren wahrscheinlich in viel größerem Ausmaß im Ausland, denn in der Zeit des damaligen Jugoslawien war es sehr wohl möglich, in den „Rest“ Europas zu reisen und andere Staaten kennenzulernen. Die jetzigen Jugendlichen in Serbien haben diese Möglichkeit nicht. Da ist es natürlich an und für sich kein Wunder, dass sich Nationalis­mus immer stärker entwickelt.

In Österreich ist es so, dass zwar EU-Kritik weit verbreitet ist, dass aber vor allem jene Jugendliche, die die Möglichkeit haben, andere Länder zu besuchen, in anderen Län­dern zu arbeiten und zu lernen, andere Kulturen kennenzulernen, der EU gegenüber viel positiver eingestellt sind.

Wenn wir die Jugendlichen in Serbien betrachten, die diese Möglichkeit nicht haben, ist es – das müssen wir ehrlicherweise sagen – eigentlich kein Wunder, dass der Nationa­lismus in Serbien zunimmt.

Gerade im Zusammenhang mit dem Kosovo – aber darüber möchte ich mich jetzt nicht ausbreiten, denn darüber hat Herr Kollege Konecny schon sehr viel Richtiges gesagt – ist es äußerst wichtig, Alternativen anzubieten. Das ist eine Frage, in der es auch sehr stark um Nationalismus geht.

In der EU scheint jetzt die Meinung vorzuherrschen, Serbien hat über kurz oder lang keine andere Perspektive, als zur EU zu wollen, und deshalb werde es sich schon wie­der „beruhigen“. – Ich glaube, dass das – ich möchte jetzt nicht von „naiv“ sprechen – eine zu kurz gefasste Anschauung ist, denn wenn Nationalismus erst einmal richtig um sich greift, dann kann man dem nicht mehr mit Argumenten beikommen. Das Argu­ment: Die EU ist die sinnvolle Variante für euch!, mag schon stimmen, aber: Das wird aber niemand hören, wenn man wütend ist, wenn das, was als angestammtes „serbi­sches Kernland“ betrachtet wird, weggenommen wird – und die EU sagt, dass das okay ist.

Ich warne davor, diese Probleme zu simpel zu sehen und zu sehr auf die Strahlkraft der EU zu setzen. Ich glaube, dass es gerade in der Frage Kosovo sehr wichtig sein wird, auf Serbien zuzugehen – und nicht darauf zu warten, dass sich Serbien beruhigt und von selbst wiederkommt.

So viel in nur einigen Punkten zu diesem Bericht. – Danke. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.36


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Schim­böck. Ich erteile es ihm.

 


14.36.42

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Außenpolitischen Bericht 2006 einen ganz besonderen Aspekt streifen, und zwar den der Europäischen Union.

Österreich sieht sich als sehr lebendiger Bestandteil dieser Europäischen Union, was ja auch einen großen Zusammenhang mit unserer Außenpolitik hat. Im Bericht des Ös­terreichischen Institutes für Sicherheitspolitik in Europa bin ich auf eine Momentaufnah­me aus dem Jahre 2004 gestoßen. Man hat das dort analysiert, und in diesem Jahr


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wurde festgestellt, dass die Bevölkerung in der Europäischen Union durch Neubeitritte auf damals fast eine halbe Milliarde Menschen angestiegen ist; was das Flächenaus­maß anlangt: 4 Millionen Quadratkilometer. Und trotz dieses Anstieges und einer Aus­dehnung auf fast 25 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt – umgerechnet auf die „neue“ EU-Bevölkerung – um 8 Prozent pro Kopf gesunken.

Ich glaube, darin liegt die Problematik der Wirtschaftspolitik, die ich auch im Zusam­menhang mit der Außenpolitik sehe, denn wir in der Europäischen Union stehen mit der Wirtschaft in einem Wettbewerb – und haben eigentlich sehr homogene und große „Mega-Volkswirtschaften“ als Gegenüber. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die Vereinigten Staaten, an China, an Indien oder Japan.

Da kommt jetzt die, wie ich meine, große Nagelprobe für die Europäische Union: Sind wir in der Lage, in diesem internationalen Wettbewerb unsere soziale Marktwirtschaft aufrechtzuerhalten? – Da kehre ich jetzt wieder zurück zur Europäischen Union und muss sagen: Wenn ich die Dokumente der Europäischen Union lese, stoße ich immer wieder auf den Begriff „soziale Marktwirtschaft“; da liest man immer wieder von der Europäischen Union, dass sie sich als soziales Projekt versteht.

Da besteht, wie ich meine, ein gewisses Spannungsverhältnis, das es zu lösen gilt. Es gibt dazu noch eine interessante Zahl: Wenn man die Disparität neue EU-Länder und ältere EU-Länder betrachtet, sieht man, dass sich dabei ein Verhältnis 1 : 5 zeigt. Das ist eine große Spanne!

Das Rezept, das wir da benötigen, ist sicher eine Harmonisierung auch auf dem Steu­ersektor. Herr Staatssekretär Winkler, das ist eine ganz wichtige Sache, um da nicht völlig den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Dieses Auseinanderklaffen innerhalb der EU, meine Damen und Herren, bringt natür­lich vieles mit sich. Wenn ich etwa nur an die neuen Länder denke: Da gibt es Korrup­tion, eine Produktivität, die unter ganz anderen Bedingungen zustande kommt. Heute hat bereits Herr Kollege Konecny erwähnt, dass es vieler mutiger Unternehmer bedarf, die bereit sind, in diesen Ländern zu investieren – und dass die Rechtssicherheit, die diese Unternehmer haben müssen, Bestandteil unserer Außenpolitik, unserer Politik in der Europäischen Union sein muss. Nichtsdestotrotz meine ich, dass wir unter dem Aspekt der Sicherheit im europäischen Raum nur dann weiterkommen, wenn wir posi­tiv auf die Dinge zugehen.

Ich glaube, das ist auch immer eine Sache der Sichtweise. Es hat heute ein Kollege den tschechischen Außenminister zitiert, der in einem Interview mit den Österreiche­rinnen und Österreichern nicht sehr nett umgegangen ist. Ich habe dasselbe Interview gelesen – es war, glaube ich, im „Kurier“, abgedruckt –, Kollege Kampl, und ich habe da eigentlich etwas ganz anderes herausgelesen als du. Es war natürlich derselbe Text, aber was Fürst Schwarzenberg da gemeint hat, war, dass das Problem zwischen Tschechien und Österreich eigentlich das ist, dass wir eine Familie sind. Wenn man das Wiener und daneben das Prager Telefonbuch aufschlägt, dann – hat Schwarzen­berg gemeint – traut er sich nicht zu wetten, wie viele deutsche und österreichische Namen er im Prager Telefonbuch findet und umgekehrt. Schwarzenberg hat gemeint, es ist in einer Familie, wo sich die Menschen sehr ähnlich sind, auch kulturell und so weiter, auch wenn sie eine andere Sprache sprechen, eben so, dass sich oft eine Aus­einandersetzung, ein Streit entwickelt.

Ich glaube, das ist auch der Zugang: Man muss sich miteinander auseinandersetzen, und wenn man da bestimmte Worte auf die Waagschale legt, dann schürt man nur Ärgernisse. Es ist heute schon erwähnt worden, wenn auf gewissen Hauptdurchzugs­routen Plakate in der Sprache eines anderen EU-Landes aufgestellt werden, und man dabei eben nicht sehr nett umgeht mit diesen Menschen, dann fördert das weder einen


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Waren- noch einen Dienstleistungsaustausch zwischen diesen Ländern, noch ein kul­turelles Näherkommen. Also ich glaube, es ist ganz wichtig, aufeinander zuzugehen.

Diese Schrift, die ich zu Beginn meiner Ausführungen zitiert habe – das vielleicht für die Kolleginnen und Kollegen von der Österreichischen Volkspartei –, geht historisch sehr weit zurück. Wir haben eine gewisse Last zu tragen, aber es gibt auch positive Dinge, denn darin wird auch Augustinus zitiert. Zufällig steht heute auch in der „Wiener Zeitung“, dass man in Erfurt an der Universität neuerlich Dokumente gefunden hat, wo­nach er quasi den ersten europäischen Gedanken geprägt hat, indem er christliche, jüdische Religiosität mit dem platonischen Gedanken der Dialektik zusammengeführt hat. Diese Dokumente, die da heute zitiert werden, sind ganz interessant. Es sind sechs Dokumente, und drei setzen sich quasi mit dem Problem des Kirchenvolkes mit der Obrigkeit auseinander. Und da sind wir wieder bei der Europäischen Union. Warum herrscht so ein großes Unverständnis? – Ich glaube, weil wir viel mehr Botschafter brauchen, nicht nur Botschafter, die ihre Mitarbeiter sind, sondern Menschen, die auch den europäischen Gedanken vertreten und da vielleicht nicht jedes Wort auf die Waag­schale legen.

Damit komme ich zu einem Punkt, der mir sehr wichtig ist. Im Konkreten: Ich habe schon erwähnt, es wird notwendig sein, in unserer Außenpolitik verstärkt auf eine Rechtssicherheit für unsere Betriebe, wenn sie im Ausland tätig sind, zu pochen, ent­sprechende internationale Vertragswerke zu schaffen, Dinge wie zum Beispiel einen in­ternationalen Konsumentenschutz, ansonsten werden unsere Anbieter ins Eck ge­drängt, die, wenn das nicht passt, mit dem Produkt natürlich voll haften. Es gibt heute ja schon ganz gute Bestimmungen für den Fernabsatz und dergleichen mehr.

Ein ganz wesentlicher Punkt natürlich: dass die Dienstleistungsrichtlinie wirklich nur step by step so umgesetzt wird, wie wir uns das vorgestellt haben, sodass auch unsere Betriebe im europäischen Raum nicht auf der Strecke bleiben.

Noch ein ganz wesentlicher Punkt, der heute, als Ihre Ministerkollegin aus dem Unter­richtsressort hier war, immer wieder vorgebracht wurde: Der europäische Wirtschafts­raum wird nur punkten können, wenn entsprechende Aus- und Fortbildungsmaßnah­men greifen und die Bologna-Architektur umgesetzt wird, um auch hier den Bildungs­bereich entsprechend zu internationalisieren.

Diese Punkte, glaube ich, sind für uns eine große Vorgabe, die es zu erfüllen gilt.

Ich möchte ebenfalls mit ein paar Dankesworten schließen. Es ist heute schon erwähnt worden, es ist das eine oder andere schiefgegangen, im Visa-Bereich etwa und so weiter. Es ist natürlich – da bin ich völlig bei meiner Vorrednerin – ein nicht akzeptabler Zustand, wenn darin involvierte Personen auch weiterhin in ihren Ämtern anzutreffen sind. Ihr Ressort, Herr Staatssekretär, ist sicherlich die internationale Visitenkarte im Geschehen, und da wird natürlich schon auf so etwas geachtet. Wir werden uns schwertun, mit dem Finger irgendwohin zu zeigen und Korruption und Ähnliches mehr aufzuzeigen, wenn wir nicht in der Lage sind, unser Haus nach außen sichtbar in Ord­nung zu halten. – Das ist das eine.

Aber das andere, und ich glaube, das ist viel, viel wichtiger: Ich würde sagen, die Hel­den einer erfolgreichen Außenpolitik sind nicht allein diejenigen, die an der Spitze des Ressorts stehen. Auch die vielen Botschafter, Konsule, und ich nenne jetzt ganz be­wusst auch die Außenhandelsdelegierten, die zwar nicht zu Ihrem Ressort gehören, Herr Staatssekretär – sie genießen zwar diplomatische Immunität, werden aber von der Wirtschaftskammer entsandt –, leisten, glaube ich, Hervorragendes. Ich traue mich das auch für viele Wirtschaftstreibende zu sagen. Christoph Leitl etwa hat ja so eine Art notorischen Lernprozess ausgelöst mit seinem 10-€-Schein, den er so gerne her­zeigt und dazu erklärt, dass – ich hoffe, ich zitiere das jetzt richtig – 6 € aus der Ex­


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portwirtschaft kommen, und das ist nur möglich, zumindest für kleinere und mittlere Be­triebe, wenn die entsprechend serviciert werden. Das ist in erster Linie Aufgabe des Außenhandelsdelegierten, aber natürlich in Zusammenarbeit mit dem Botschafter. Es gilt ja, dort entsprechende Kontakte zu pflegen und auch da oder dort bei einem Rechtsproblem behilflich zu sein.

Ich möchte schließen mit einem ganz großen Dankeschön an Ihre Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen an jene, Herr Staatssekretär, die in den sogenannten Außenposten tätig sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.46


Präsident Helmut Kritzinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile es ihm.

 


14.46.35

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich meinen eigentlichen Debattenbeitrag ausführe, möchte ich bezüglich der Äußerun­gen von Professor Konecny das eine oder andere ergänzen.

Kollege Konecny hat über den Balkan gesprochen, über Serbien und auch über den Kosovo und die Frage gestellt, ob die Anerkennung des Kosovo so schnell erfolgen musste. – Ich glaube, dass, nachdem sich Ahtisaari mit Unterstützung des früheren Generalsekretärs des Außenministeriums Rohan intensiv um eine Lösung bemüht hat und nachdem auch Botschafter Ischinger aus Deutschland noch einmal, ich glaube, mehr als drei Monate lang versucht hat, eine Lösung zu finden, und sich herausgestellt hat, dass man mit den Serben zu keiner Einigung in irgendeiner Richtung kommt, sehr schnell die entsprechenden Schritte gesetzt worden sind. Wie man jetzt sieht, hat be­reits ein Großteil der EU-Mitglieder den Kosovo anerkannt. Ein längeres Zuwarten hätte meiner Ansicht nach auch nichts gebracht; aber, wie gesagt, das ist meine per­sönliche Meinung.

Zweitens, bezüglich Minderheiten im Kosovo: Ich glaube, das muss man auch etwas differenzierter sehen. Wir haben im Norden ein relativ geschlossenes Siedlungsgebiet der Serben, und im Süden sind gewisse Enklaven beziehungsweise auch Orte, wo die Kosovaren die Mehrheit haben und die Serben eine Minderheit darstellen. Die im Nor­den haben möglicherweise die Tendenz, sich anzuschließen, die im Süden, die mit den Kosovaren natürlich intensiver verzahnt sind, überlegen, in ihrer Heimat zu bleiben. Ich glaube, wenn man dem Ahtisaari-Bericht wirklich Geltung verschafft, dann müsste auch für den Norden des Kosovo eine vernünftige Lösung sicher und möglich sein.

Eines glaube ich nur, aber wir wissen aus der Geschichte und aus leidvollen Erfahrun­gen: Die Serben blenden leider die Zeit eines Milošević komplett aus. Milošević war der Totengräber Jugoslawiens, das muss man von außen feststellen, und solange Serbien das nicht einsieht, wird es immer wieder zu gewissen Schwierigkeiten kommen. Glück­licherweise gibt es aber in Serbien doch einerseits Präsidenten Tadić, andererseits die Partei G-17, die bemüht sind, den Anschluss an Europa zu halten.

Des Weiteren, Herr Professor Konecny, möchte ich kurz zu Ihren Äußerungen den Ein­satz in Zypern betreffend Stellung beziehen. Wir haben uns aus Zypern im Jahre 2001, wenn ich mich richtig erinnere, mit dem österreichischen Kontingent zurückgezogen. Grund dafür war erstens, dass Österreich 1999 mit einem kompletten Bataillon in den Kosovo gegangen ist und damit die personellen und materiellen Ressourcen auf jeden Fall überdehnt gewesen wären, wenn man in Zypern länger verblieben wäre. Ich darf nur daran erinnern, dass 1999, als es um die materiellen Ressourcen für diesen Ein­


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satz ging, ein sozialdemokratischer Finanzminister die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung gestellt hat. Ich kann das deswegen sagen, weil ich damals für den perso­nellen Einsatz bei Auslandseinsätzen voll verantwortlich war.

Was den Tschad betrifft, da haben Sie, Herr Professor Konecny, glaube ich, die Gren­zen nicht wirklich strikt gezogen. (Bundesrat Konecny: Die Flüchtlinge sind aus Dar­fur!) Die Flüchtlinge sind aus Darfur, aber der Einsatz der Österreicher ist im Tschad; das möchte ich betonen.

Zu Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Konrad: Vielleicht könnte man die Entwicklungs­zusammenarbeit etwas globaler sehen, dass man auch solche Einsätze der Öster­reicher wie im Tschad darunter einordnet. Entwicklungshilfe kann à la longue nur dann effizient sein, wenn ein – nach unseren Begriffen – entsprechender Staat vorhanden ist.

Folgendes zum Tschad-Einsatz: Da erwarte ich mir seitens der Sozialdemokratie ent­sprechende Unterstützung, nämlich gerade für Ihren sozialdemokratischen Verteidi­gungsminister, dass Bundesminister Darabos dann, wenn er den Wunsch äußern soll­te, zusätzliche Transportflugzeuge für vermehrte Auslandseinsätze zu benötigen, das auch gewährt bekommt. Und das Zweite: Wir brauchen auch für den Tschad-Einsatz beziehungsweise ähnliche Einsätze wüstentaugliche Hubschrauber.

Nun zum Außenpolitischen Bericht 2006: Österreich hatte im ersten Halbjahr 2006 die EU-Präsidentschaft, und ich glaube, rückblickend sagen zu können, dass diese Präsi­dentschaft eine durchaus erfolgreiche war, wobei sich gezeigt hat – dies ist auch meine Erkenntnis –, dass kleinere Länder oft mehr Erfolg haben als größere, weil kleinere Länder wahrscheinlich geeignetere Teamspieler sind als eine größere Nation, eine „grande nation“, die glaubt, sie müsse der EU ihren Stempel aufdrücken.

Nun zu den Leistungen Österreichs während der EU-Präsidentschaft, die in diesem Bericht sehr schön dargelegt sind. Dazu möchte ich nur erwähnen, dass wir damals einerseits versucht haben, die europäische Identität zu definieren und auch in Richtung europäische Zukunft zu arbeiten, diese Grundsatzdiskussion zu führen, einerseits bei der Veranstaltung in Salzburg im Jänner 2006 und andererseits bei der Veranstaltung in St. Pölten unter dem Titel „Europa fängt zu Hause an“.

Weiters ist es unserer Präsidentschaft gelungen, die Finanzvorschau unter Dach und Fach zu bringen, ebenso die Dienstleistungsrichtlinie. Ein Thema, von dem Österreich damals zumindest nicht gedacht hat, dass es virulent werden könnte, war die Energie­krise, die mit 1. Jänner 2006 ausgebrochen ist, die von Österreich einerseits klug ge­meistert wurde, andererseits aber auch nachhaltig dazu geführt hat, dass man sich mit Energieproblemen in der EU intensiv auseinandersetzt. – Weitere Details werde ich dann bei meinem Redebeitrag zur „Nabucco“-Pipeline erwähnen.

Gezeigt hat sich aber auch – und das ist in diesem Bericht sehr schön herausge­arbeitet –, wie wichtig das Staatssekretariat im Bundesministerium für europäische
und internationale Angelegenheiten ist. Wenn man nämlich sieht, wie viele Konferen­zen im Zusammenhang mit der Präsidentschaft – 22 Großkonferenzen beispielsweise, 265 Präsidentschaftsveranstaltungen, 1 900 Sitzungen in Brüssel und so weiter – koor­diniert und beschickt werden müssen, erkennt man, wie notwendig es ist, dass Öster­reich in der Außenpolitik, in der europäisch-internationalen Politik sozusagen auf vier Beinen steht, um das alles bewerkstelligen zu können.

Auch wenn wir nicht die EU-Präsidentschaft haben, ist es wichtig, dass es einen Staatssekretär in diesem Ressort gibt, denn wenn man sich den Terminkalender der Frau Außenministerin zum Beispiel anschaut, die heute dienstlich in Laibach ist, kann man nur sagen, dass es sonst so sein könnte, dass hier im Bundesrat jemand anderer


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auf der Regierungsbank sitzen könnte – und nicht jemand, der sich wirklich intensiv mit dieser Materie befasst hat.

Weiters haben wir uns damals in unserer EU-Präsidentschaft bemüht, mit Staaten La­teinamerikas und der Karibik entsprechende Kontakte aufzunehmen, sind das doch zweifelsohne Zukunftsgebiete, in die Österreich seinen Außenhandel entsprechend ausbauen kann.

Gleichzeitig möchte ich, wieder einmal – nachdem ich die österreichische EU-Präsi­dentschaft in jeder Richtung als gelungen ansehe –, darauf hinweisen, dass ich in einem solchen Bericht gerne eines hätte, dass nämlich die Grundsatzvorträge der Frau Ministerin sowie des Herrn Staatssekretärs darin enthalten sind, damit man auch nach­lesen kann, wohin sozusagen die außenpolitische Richtung in Zukunft gehen soll. Ich habe das schon vor zwei Jahren und auch voriges Jahr gesagt; vielleicht ist es aber möglich, das im Bericht 2007 unterzubringen, damit der interessierte Leser weiß – wie es Herr Professor Konecny, aber auch ich wissen –, in welche Richtung die Außenpoli­tik Österreichs, in welche Richtung die europäisch-internationale Politik geht.

Zuletzt nochmals – wie das auch schon Professor Konecny, Frau Kollegin Konrad
und Herr Kollege Ager getan haben –: Herzlichen Dank an das Außenministerium,
jetzt Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, und
an die Verfasserinnen/Verfasser der einzelnen Beiträge zu diesem höchst interes­santen und lesenswerten Nachschlagewerk. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Ing. Kampl.)

14.55


Präsident Helmut Kritzinger: Ich darf Frau Staatssekretärin Marek, die soeben bei uns eingetroffen ist, recht herzlich begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


14.55.47

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Außenpolitischen Bericht 2006: Seit 13 Jahren ist unser Land EU-Vollmitglied; die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevöl­kerung hat das so gewollt – und ich bin davon überzeugt, dass Österreich dadurch sehr viel gewonnen hat, nur, sehr geehrte Damen und Herren: Auch die EU hat durch Österreich sehr viel gewonnen. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die sozialen Errungenschaften, die wir in die EU mitgebracht haben.

Ein fortschrittliches Land mit Zukunft, wie eben Österreich, kann gut mit Nachbarn im Gespräch sein. Weiters verweise ich auf eine gute neutrale Sicherheitspolitik sowie vor allem darauf, dass Österreich ein Nettozahler in der Europäischen Gemeinschaft ist. Der Beitritt Österreichs zur EU ist in Überzeugung von dem Gedanken der Gründungs­väter der EU – Adenauer, Schuman und De Gasperi – geschehen.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir sollten eigentlich von diesen Gründungsvätern und deren Zielen ein bisschen mehr reden und lernen; das geschieht mir zu wenig. Daher herrscht, wie ich meine, in Österreich ein Zustand, dass die Bevölkerung vieles nicht ganz versteht. Warum wird sie da sozusagen abseits gelassen, warum informiert man nicht besser? Meiner Überzeugung nach könnte man da gemeinsam vieles tun, um in einer großen Gemeinschaft mehr dienlich zu sein – und vor allem das Vertrauen der Bevölkerung hiefür zu bekommen. Die Aufklärung darüber liegt doch da, auf Deutsch gesagt, im Argen.

Zum Lissabon-Reformvertrag, in dem der Bevölkerung keine Mitverantwortung einge­räumt wurde: Herr Staatssekretär, ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur in Ös­


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terreich, sondern in den meisten 27 EU-Staaten so ist, wie es hiezu der tschechische Präsident Václav Klaus als überzeugender Staatsmann gesagt hat: Persönlich bin ich dagegen, aber als Staatsmann muss ich dafür sein!

Ich frage mich da schon: Wie kann ein Staatsmann, wie kann die österreichische Bun­desregierung vor die Bevölkerung treten und so tun, als wäre sie allein verantwortlich? Vom Gesetz her ist es möglich, aber, geschätzter Herr Staatssekretär, wenn man heute durch die Reihen der Menschen geht, muss man doch erkennen, dass diese De­monstrationen erst der Anfang sind. Die „Kronen Zeitung“ und andere täglich erschei­nende Zeitungen geben genügend Nahrung, um die Bevölkerung zu aktivieren.

Morgen wird wieder so ein Tag sein, wo viele Tausende Österreicher auf der Straße sein werden. Das kann doch meiner Meinung auch Ihnen nicht ganz gleich sein, Herr Staatssekretär. Wir sollten alles tun, damit es zu einer positiven Zusammenarbeit kommt, wie das ja hier auch schon Herr Kollege Konecny sowie auch andere Kollegen von der rechten und linken Seite dieses Hauses gesagt haben; Sie alle haben sehr positiv und überzeugend gesprochen. Dieser Überzeugung bin ich auch, aber: Die Ös­terreicherinnen und Österreicher wollen mitgestalten, wollen mit verantworten, wollen aber auch mitreden – und verlangen daher: Bitte schön, redet doch auch mit uns, und gestaltet doch nicht über unsere Köpfe hinweg die ganze Politik!

Zum Tschad-Einsatz – gestatten Sie mir, dass ich auch ein paar Worte darüber ver­liere –: Erstens ist der Tschad 13-mal so groß wie Österreich, und er hat neun Millio­nen Einwohner. Da gehen die 6 000 österreichischen oder europäischen Soldaten ver­loren wie nirgends! Man könnte einen Soldaten von mir aus auf dem Schneeberg absetzen, einen Infanteristen, und ihm sagen: Verteidige den Schneeberg! (Bundesrat Perhab: Wir haben keinen Kampfauftrag!) Ich meine, es geht nicht um die Verteidi­gung. (Bundesrat Perhab: Kein Kampfauftrag!)

Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Verteidigung, aber wir wollen ja signa­lisieren, dass wir human sind. Da bin ich voll bei Ihnen, Herr Staatssekretär, und bei der Bundesregierung: Wir sind human, wir haben überall bewiesen, dass wir human sind. Auf der ganzen Welt schätzt man uns. Wir sind die höchsten Spendenaufbringer, wenn es irgendwo Not und Mangel gibt. Wir bemühen uns immer wieder, alles zu tun. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Aber, Herr Staatssekretär, bei einem bewaffneten Konflikt, dem wir dort unten eventuell entgegensehen, möchte ich nicht der Minister oder der Staatssekretär sein, wenn nur ein einziger österreichischer Soldat dort den Heldentod erleiden und fallen sollte! Da glaube ich, Herr Staatssekretär, dass wir nicht hinreichend sicher sind. Ich möchte von Ihnen einmal eine klare Aussage darüber haben, warum österreichische Soldaten im Tschad sein müssen, obwohl wir die Neutralität haben und obwohl wir derzeit der Neu­tralität verpflichtet sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Außenpolitischen Bericht gebe ich ger­ne die Zustimmung, weil vieles getan wurde, und das sollte auch so weitergehen. Nur, Herr Staatssekretär, die Österreicher haben ein Recht darauf, mitzugestalten und mit­zuverantworten. Sie sind ja doch auch die letzten Jahrhunderte hindurch gut genug da­für gewesen, unser schönes Land zu gestalten. Wir haben es gemeinsam aufgebaut, wir haben auch alles dafür getan, dass wir Wohlstand haben. Dann braucht man die Staatsbürger nicht mehr; aber wenn es schlecht geht, werden wir sie wieder brau­chen! – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)


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15.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Präsident Krit­zinger. Ich erteile es ihm.

 


15.02.22

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor 14 Tagen ein interessantes Erlebnis ge­habt, nämlich zu der Frage: Welches Bild gibt der Bundesrat im Ausland? Welches Bild haben die Menschen im Ausland vom Bundesrat?

Ich war vor 14 Tagen in Rom und hatte Gelegenheit, mit Herrn Marini, dem Präsiden­ten des Italienischen Senates, zu sprechen, er hat mir Folgendes erzählt. Ich sage das, weil man ja gerne die Institution des Bundesrates als solche kritisiert; immer wieder steht das in den Zeitungen. Ich bitte, Herr Staatssekretär, dies eventuell im Ministerrat weiterzugeben. In drei Sätzen versuche ich, das zu sagen, was Marini mir voller Hoch­achtung erzählt hat.

Im italienischen Parlament gibt es ja zwei Kammern, das Abgeordnetenhaus und den Senat. Im Senat besitzt gegenwärtig die Regierung Prodi eine Mehrheit von zwei Stim­men. Marini erzählte, dass das Land auf diese Weise nicht regierbar sei. Sie wollten eine Verfassungsänderung durchführen, diese ist – ich möchte jetzt nicht zu ausführ­lich werden – aus verschiedenen Gründen gescheitert. Die Regierung ist gescheitert, die Änderung ist also nicht zustande gekommen.

Nach dem Krieg hat man versucht, dem Volk möglichst viel Macht zu geben, und hat daher zwei gleichwertige Institutionen geschaffen. Diese werden getrennt gewählt, und zwar gewöhnlich auch mit ganz verschiedenen Mehrheiten; das ist die Tragik. Marini sagte, es muss ein Gesetz in beiden Kammern Zustimmung erhalten, erst dann wird es rechtskräftig, und das ist unglaublich schwer. Im Senat hatte die Regierung Prodi eine Mehrheit von zwei Stimmen, und daher war es fast nicht möglich, eine Mehrheit zu­stande zu bringen.

Präsident Marini hat voller Achtung über den Bundesrat in Österreich gesprochen. Er wünschte sich auch eine solche Länderkammer, wie Österreich sie hat. Uns wirft man ja Zahnlosigkeit und dergleichen vor. Aber ich kann mir vorstellen, dass die andere Version, in der beide Kammern getrennt gewählt werden, noch viel schwieriger ist.

Jedenfalls ist Italien ein Beispiel dafür, wie ein Land immer wieder neue Regierungen verbraucht und sich durch viele Debatten beinahe als unregierbar zeigt. Das wollte ich den Kolleginnen und Kollegen mitteilen. (Allgemeiner Beifall.)

15.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Winkler. – Bitte.

 


15.05.43

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich im Namen der Außenministerin, im eigenen Namen, vor allem aber auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich für die sehr freundlichen und aufrichtigen Worte der Anerkennung und des Dankes bedanken.

Ich kann mich noch gut daran erinnern – ich bin jetzt auch schon 38 Jahre im Außen­ministerium tätig –, dass ich selbst sehr aktiv an den Außenpolitischen Berichten mitge­arbeitet habe. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als die ersten Exemplare des Außenpolitischen Berichtes hektographiert wurden. Es war übrigens – Herr Professor Konecny wird ihn kennen (Bundesrat Konecny: Herr Staatssekretär, das müssen Sie heute schon übersetzen! Die jungen Leute wissen nicht mehr, was „hektographieren“ heißt!), also: abgetippt – Tommy Novotny der Erste, der die Buchform eingeführt hat. – Aber dazu nur so viel.


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Also vielen herzlichen Dank! Vor allem auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen, die draußen sind und oft unter sehr schwierigen Voraussetzungen den Dienst für diese Republik und für ihre Menschen leisten.

Es sind sehr viele Themen angesprochen worden, und ich möchte doch auf einige ein­gehen. Ich möchte eigentlich mit einer gewissen Bewegung, sage ich auch persönlich, auf den Redebeitrag des Herrn Bundesrates Kampl eingehen. Ich verstehe wirklich nicht, wie man behaupten kann, dass die Bürgerinnen und Bürger bei einem Vertrag wie dem Vertrag von Lissabon nicht mitbestimmt haben! Ich frage Sie, Herr Bundesrat: Das österreichische Parlament, Nationalrat und Bundesrat, beschließt im Jahr, ich weiß nicht wie viele, aber Hunderte Gesetze – heißt das, dass das über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geschieht? (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist ja nicht ein normales Gesetz, bitte!)

Das ist ein Vertrag (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist ja was Größeres!), der die Men­schen direkt berührt. Aber wie viele Gesetze berühren die Menschen direkt? – Ich könnte mir sehr viele Gesetze vorstellen, die die Menschen unmittelbarer und viel mehr als dieser Vertrag betreffen. Ich stehe für diese repräsentative Demokratie, die wir ha­ben! Ich glaube, dass die Behandlung im Parlament sehr wohl eine Behandlung im In­teresse der Bürgerinnen und Bürger bedeutet und dass das nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg geschieht.

Wenn dieser Vertrag in einer Art und Weise wie, meiner Erinnerung nach, kein anderer Vertrag im Parlament behandelt worden ist – in vier Sitzungen des Verfassungsaus­schusses, in öffentlichen Sitzungen, im Experten-Hearing –, dann hat hier eine umfas­sende Diskussion stattgefunden, wie sie über keine anderes Gesetz stattfindet, ge­schweige denn über einen völkerrechtlichen Vertrag. Ich behaupte daher, dass dieser Vertrag sehr wohl unter Beteiligung und Mitwirkung, im Sinne unserer repräsentativen Demokratie, von den Bürgerinnen und Bürgern mit diskutiert und mitbestimmt wurde. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Ing. Kampl: Warum hört man dann von Verfas­sungsexperten etwas anderes?)

Sie haben soeben die Verfassungsexperten angesprochen. (Bundesrat Ing. Kampl: Sagen etwas anderes!) Nennen Sie mir einen einzigen österreichischen Verfassungs­experten, der der Meinung ist, dass dieser Vertrag einer obligatorischen Volksabstim­mung zu unterwerfen gewesen wäre! Wir alle haben einen deutschen Verfassungs­rechtler gehört, der immer vom Bundesverfassungsgericht und vom deutschen Grund­gesetz gesprochen hat. (Bundesrat Ing. Kampl: Dr. Böhm!) Ich kenne keinen namhaf­ten ... (Bundesrat Ing. Kampl: Dr. Böhm ist ...! – Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, das ist ein Zivilprozessrechtler und kein Verfassungsrechtler!) – Wir reden von Verfassungs­rechtlern.

Aber wie dem auch immer sei, es besteht, vom Bundespräsidenten angefangen, zwi­schen allen österreichischen Experten übereinstimmend die Meinung, dass dieser Ver­trag keine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt und es daher durchaus berechtigt und richtig ist, dass dieser Vertrag dort behandelt wird, wo er nach der ös­terreichischen Bundesverfassung hingehört, nämlich im österreichischen Parlament. (Bundesrat Mitterer: ... alles möglich!)

Herr Professor Konecny, Sie haben – dafür bin ich sehr dankbar – einen der ganz we­sentlichen Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik der letzten Jahre genannt, nämlich das, was man als „Balkan“ bezeichnet. Ich bin nicht immer sehr glücklich mit diesem Ausdruck; die Balkanstaaten sind es auch nicht immer. Aber wir wissen, wovon wir reden, und ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Ich möchte aber doch auf zwei Dinge hinweisen. Erstens – Sie haben es nur kurz an­gesprochen – ist die Balkanregion eine der Schwerpunktregionen der österreichischen


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Entwicklungszusammenarbeit. Das vergisst man manchmal. Man denkt, wenn man vom Balkan spricht, immer nur daran, dass österreichische Unternehmungen investie­ren. Das ist richtig, das ist gut so, und wir profitieren auch davon. Aber auch die öster­reichische Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt sich sehr intensiv mit dieser Re­gion. – Das ist das eine.

Der zweite Aspekt ist der, dass wir im Rahmen der Europäischen Union geradezu die Bannerträger für die europäische Perspektive dieser Länder sind und immer wieder, manchmal auch gegen die Meinung sehr vieler anderer Länder, dafür eintreten, dass diese europäische Perspektive auch Realität wird. Das heißt, bitte schön, nicht – das möchte ich auch betonen –, dass hier irgendwelche Abkürzungen gegangen werden können. Das heißt nicht, dass Geschenke verteilt werden. Das heißt auch nicht, dass wir von den sehr strengen Bedingungen, die für eine Aufnahme in die Europäische Uni­on gestellt werden, abgehen sollen. Aber wir sollen diesen Staaten helfen, die Bedin­gungen so rasch wie möglich zu erfüllen.

Das gilt – Sie haben es erwähnt, und andere Redner haben es ebenfalls erwähnt – in ganz besonderem Maße natürlich auch für Serbien. Für Serbien gilt nach wie vor das Angebot der europäischen Perspektive, es gilt das Angebot, in Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen einzutreten, ein solches zu unterschreiben, Kandidat zu werden und Beitrittsverhandlungen zu füh­ren. Dieses Angebot steht auch jetzt noch, da wir uns – zugegebenermaßen, es lässt sich auch überhaupt nicht leugnen – in einer sehr schwierigen und sensiblen Situation befinden, was den Kosovo betrifft.

Ich glaube, dass die Entscheidung, die getroffen wurde, die richtige war. In der Zwi­schenzeit haben 35 Staaten anerkannt, davon 18 EU-Staaten. Ich nehme an, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr werden. Man sollte behutsam, aber deutlich auch unseren serbischen Partnern und Freunden sagen: Bitte, verspielt über diese Frage nicht eure europäische Bestimmung, eure europäische Perspektive!

Was Frau Bundesrätin Konrad gesagt hat, nämlich dass wir, gerade wir Österreicher, uns nicht genügend für die Visa-Freiheit oder die Visa-Erleichterung einsetzen, stimmt schlicht und einfach nicht. Wir sind auch in dieser Frage geradezu die Vorreiter, zum Teil gegen massiven Widerstand, und es ist die Außenministerin gewesen, die sich bei mehr als einem Rat intensiv dafür eingesetzt hat, dass es zu dieser Visa-Erleichterung kommt und gekommen ist. Sie war es auch, die bilateral als Geste des guten Willens, als sie vor einigen Monaten nach Belgrad gefahren ist, 300 EuroRail-Tickets und sozu­sagen das Versprechen, auch die entsprechenden Visa zu erteilen, mitgebracht hat.

Wir setzen uns also ganz massiv dafür ein. Denn es ist richtig, dass es in Wirklichkeit eine Schande ist, dass vor 30 Jahren – oder nicht einmal vor 30 Jahren, sondern vor 25 Jahren – damals noch Jugoslawen, also auch Serben, frei in Europa reisen konnten und dass sie es heute nicht mehr können. Das Ziel muss sein – nicht nur für Serbien, sondern überhaupt für die Staaten in unserer erweiterten Nachbarschaft –, dass auch sie von dieser Möglichkeit, sich in Europa zu bewegen, Gebrauch machen können. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen.

Frau Bundesrätin Konrad, Sie haben über den österreichischen Vorsitz gesprochen und hier einige Kritik angebracht. Ich bin für jede Kritik empfänglich, und wir haben si­cherlich bei Weitem nicht alles durchsetzen können, was wir uns vorgenommen haben. Nur glaube ich, Sie unterliegen ein bisschen einem Missverständnis, was die Natur und die Aufgabe eines Vorsitzlandes ist. Das Vorsitzland hat geradezu nicht die Aufgabe, nationale Interessen durchzusetzen; abgesehen davon, dass ein Vorsitzland das auch gar nicht kann. Ein Vorsitzland bleibt, auch wenn es im Vorsitz ist, immer noch ein


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Land in der Europäischen Union, das selbstverständlich dort, wo es notwendig ist, die Einstimmigkeit oder eine qualifizierte Mehrheit herbeiführen muss.

Wir alle mögen das schätzen oder nicht schätzen – wir schätzen es nicht –, aber in der Atomfrage, einschließlich der Forschungsausgaben für Fragen der Atomenergie, sind wir ziemlich isoliert. Daher ist es – Entschuldigung, wenn ich das sage, mit allem Re­spekt – etwas naiv, Frau Bundesrätin, zu glauben, dass ein Vorsitzland Österreich et­was an der Grundhaltung der Mehrheit der europäischen Staaten hätte ändern können.

Wir setzen uns aber, wie Sie wissen – und gerade in der letzten Zeit ist das wieder ge­schehen –, sehr nachdrücklich dafür ein, dass Forschungsgelder in der Europäischen Union nicht für den Ausbau der Atomenergie, sondern für Sicherheitsfragen, für die Ausarbeitung von Sicherheitsstandards verwendet werden. Auch hier ist Österreich fe­derführend als eines jener Länder, die sich dafür einsetzen, dass es zu einer Gemein­schaftskompetenz – die es nicht gibt – in Fragen der Sicherheit von Nuklearanlagen kommt. Nur dann haben wir die Möglichkeit – abgesehen von bilateralen Bemühungen, Stichwort Temelín und anderes –, auch über die Gemeinschaftsschiene dafür zu sor­gen, dass diese Standards, die es aber erst einmal geben muss, eingehalten werden können.

Es ist viel von UNO-Missionen die Rede gewesen, und es ist in diesem Zusammen­hang auch einiges über den Tschad gesagt worden. Zum Tschad möchte ich doch eines bemerken: Im Grunde genommen, von ihrer Grundkonzeption her, unterscheidet sich die Tschad-Mission nicht von anderen UNO-Missionen, an denen Österreich teil­genommen hat und teilnimmt. Es handelt sich hier um eine klare Autorisierung durch ein Sicherheitsratsmandat, und es ist das Ersuchen an die Europäische Union er­gangen, einen bestimmten Aspekt des Gesamtpakets für den Tschad durchzuführen, nämlich die Frage der Sicherung der Flüchtlingswege und die Frage der Sicherung von Flüchtlingslagern.

Das ist eine noble humanitäre Aufgabe, die mit der Frage der Neutralität – auch das möchte ich mit allem Nachdruck betonen – überhaupt nichts zu tun hat! Hier wird selbstverständlich nicht in einem internationalen oder auch nur nationalen Konflikt auf der einen oder anderen Seite interveniert oder eingegriffen. Hier wird eine rein humani­täre Aufgabe erfüllt, die es wert ist, gemacht zu werden, weil es da um arme Menschen geht. In diesem Sinne glaube ich, dass diese Mission richtig ist.

Wie sich jetzt herausstellt, kann nunmehr auch – das war nicht leicht, das gebe ich gerne zu – das österreichische Kontingent, gemeinsam mit allen anderen Kontingen­ten, diese Aufgabe tatsächlich erfüllen. Ich kann Ihnen eines sagen – ich lese die Be­richte –: Die betroffenen Menschen danken es der Europäischen Union! Und die inter­nationalen Flüchtlings- und Hilfsorganisationen wie UNHCR, Rotes Kreuz und viele andere sind der Europäischen Union dankbar dafür, dass sie diese Aufgabe erfüllt. Ich glaube, wir sollten stolz darauf sein, dass unsere Soldaten dort an einer sehr wesent­lichen humanitären Aufgabe teilnehmen.

Es wurde mit Anerkennung – und dafür bin ich dankbar – auch darauf hingewiesen, dass das Außenministerium mehr und mehr an Serviceleistungen erbringt. Vor Kurzem habe ich durch Zufall in einer internen Statistik gesehen, dass von den Ressourcen, die dem Außenministerium zur Verfügung stehen – sowohl was Geld als auch was Perso­nal betrifft –, in den letzten zehn und mehr Jahren immer mehr Ressourcen zu den Serviceleistungen des Außenministeriums, vor allem in den Auslandvertretungsbehör­den, gegangen sind. Das heißt, der konsularische Aspekt, der Aspekt der Hilfeleistung für arme, in Not geratene Österreicherinnen und Österreicher, wird immer wichtiger.

Das betrachten wir als eine noble, wichtige Aufgabe, die in der Zwischenzeit auch schon nicht mehr so gesehen wird wie früher. Früher hat man als Diplomat – nicht


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meine Generation, sondern vielleicht die Generation davor – ein bisschen auf die Kon­suln und die konsularischen Bediensteten heruntergeschaut. In der Zwischenzeit ist es eine selbstverständliche Aufgabe auch aller Diplomaten, Österreicherinnen und Öster­reichern im Ausland zu helfen.

Auf die Visa-Frage möchte ich nicht weiter eingehen. Ich glaube, es ist in der Zwi­schenzeit hinlänglich bekannt, dass wir auch aus den Verfahren, die es gegeben hat und die es noch gibt, gelernt haben und lernen. Die Außenministerin hat hier Maßnah­men ergriffen, die zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit sicherstellen können, dass derartige Einzelfälle – und es stellt sich ja immer mehr heraus, dass es eben kriminelle Einzelfälle waren – nicht wieder vor­kommen.

Ich würde darum bitten, sehr vorsichtig zu sein, wenn man sagt, dass Personen – Sie haben das ohnehin sehr vorsichtig formuliert –, die mit diesen Fragen in Verbindung stehen, noch im Ministerium tätig sind. Soweit es Personen sind, gegen die Strafver­fahren eingeleitet wurden oder die gar verurteilt worden sind, sind diese nicht mehr im Außenministerium tätig beziehungsweise suspendiert. Solange es vielleicht Gerüchte oder Verdachtsmomente, aber noch keine Schuldfeststellung gibt, so lange – das müs­sen wir in einem Rechtsstaat wohl auch sagen – können wir die Leute nicht einfach hinauswerfen. Daher glaube ich, dass man da ein bisschen vorsichtig sein muss.

Ich glaube, dass wir in der Zwischenzeit, auch mit Hilfe von internationalen Experten – es sind ja internationale Kommissionen eingerichtet worden –, sehr wohl das System weitgehend wasserdicht gemacht haben.

Es gibt immer noch Schwachstellen, aber zum Teil liegen diese Schwachstellen wirk­lich nicht in unserem Bereich. Einer der immer wieder erwähnten bedauerlichen Um­stände sind die Hilfeleistungen, die vor Botschaften durch Angehörige des jeweiligen Empfangsstaates angeboten werden. Ich kann mich noch daran erinnern, als vor dem Verkehrsamt Schlepper gestanden sind, die angeboten haben, dass sie einem gegen ein geringes Entgelt die Behördenwege erledigen. – So ungefähr ist das jetzt auch.

Das ist per se noch nicht unbedingt illegal, aber wir bitten all diese Staaten – das ist vor allem in Belgrad und in Russland der Fall – immer wieder, uns zu helfen, dass es nicht zu einem Missbrauch außerhalb des Bereiches der Botschaften kommt – denn die ha­ben keinen Einfluss auf die Geschehnisse innerhalb der Botschaft, aber auch nicht auf jene außerhalb –, dass nur ja nicht auch nur der Anschein entsteht, dass durch illegale Mittel Visa erlangt werden können.

Die EZA wurde erwähnt: Frau Bundesrätin Konrad! Auch hier ist das ehrlich gestanden eine ein bisschen selektive Wahrnehmung. – Es gibt klare Regeln im Rahmen der OECD, und an diese Regeln halten wir uns. Diese Regeln sehen zum Beispiel vor, dass selbstverständlich auch Entschuldungen unter gewissen Voraussetzungen ange­rechnet werden können.

Daher sollte man, so glaube ich, nicht immer nur sagen: Wir haben zwar 0,49 oder ein­mal sogar 0,52 Prozent erreicht, aber da sind gewisse Dinge dabei, die nicht wirklich Entwicklungszusammenarbeit sind!, sondern man sollte auch die Bedeutung der Ent­schuldung für die betroffenen Länder, die dann nämlich Mittel frei haben, um sie für ihre Entwicklung einzusetzen, nicht unterschätzen. Richtig ist, dass es in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich keine oder nur mehr sehr beschränkt Entschuldungen ge­ben wird.

Sie wissen, es gibt eine Arbeitsgruppe zwischen Kollegem Matznetter und mir, die die Aufgabe hat aufzuzeigen, wie viel diesbezüglich erforderlich sein wird und wie man diese Mittel aufbringen kann. Es wird großer Anstrengungen bedürfen, damit wir die


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 117

uns gesteckten Ziele, nämlich 0,51 Prozent bis zum Jahr 2010, auch tatsächlich errei­chen. Wenn Sie sich aber die Zahlen der EZA in den letzten Jahren insgesamt und auch die Zahlen, die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinne betreffen, anschauen, dann werden Sie wesentliche Fortschritte im Vergleich zu vor, sagen wir, fünf bis zehn Jahren erkennen, und ich glaube, dieser Trend wird sich auch fortsetzen.

Zur Europäischen Union insgesamt könnte man natürlich sehr viel sagen, einschließ­lich der Frage, inwieweit die Europäische Union ein soziales Projekt ist oder ob sie sich irgendwann einmal in Richtung Sozialunion bewegt, denn das ist sie heute sicher noch nicht. – Ich glaube, und da bitte ich auch die Kritiker und Skeptiker des Vertrages von Lissabon, sich das wirklich ganz genau anzuschauen, dass gerade in der Frage mehr Demokratie, mehr Bürgernähe, mehr Mitbestimmung und auch mehr soziale Rechte dieser Vertrag ganz wesentliche Fortschritte bringt.

Was wäre denn die Alternative, wenn dieser Vertrag nicht ratifiziert würde? – Die Alter­native wäre, dass wir auf dem Status von Nizza stehen blieben, und das wäre, gemes­sen an dem, was wir haben könnten, wenn der Vertrag von Lissabon ratifiziert würde, ein geradezu dramatischer Rückschritt.

Daher hoffe ich, und es schaut ja derzeit nicht so schlecht aus, dass bis zum Ende die­ses Jahres alle Staaten ratifiziert haben werden – ein Staat, wie wir wissen, mit Volks­abstimmung –, sodass ab 1. Jänner ein besserer Vertrag, ein Vertrag, der den Bürge­rinnen und Bürgern mehr bringt, der den Bedenken der Bürgerinnen und Bürger mehr entgegenkommt, in Kraft treten kann.

Ich möchte ganz zum Schluss noch eines sagen, was die Frage der Vermittlung, die Frage der Information betrifft, und da bin ich völlig bei Ihnen, Frau Bundesrätin. Ich mache das selbst sehr häufig, weil das mein Job und meine Aufgabe ist, und ich leide unter einem, das sage ich ganz offen: Dort, wo ich hingehe, wo ich spreche – ich
war gestern bei 270 Schülern in einer Schule in Hetzendorf, ich fahre heute am Abend nach Krems zur Donau-Universität; ich bin fast jeden Tag unterwegs –, gibt es in­teressante, spannende Gespräche und da kann gut diskutiert werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Ja, eben!)

Aber ich habe ein Problem, und das haben wir alle, die wir uns mit diesem Thema be­schäftigen, und dieses lautet: Wie komme ich an jene heran, die nicht zu diesen Veran­staltungen gehen, die nicht von dem in der Zwischenzeit umfangreichsten Angebot an Informationen Gebrauch machen? Wie komme ich an die, ich sage es jetzt ganz offen, Schreiber von Leserbriefen in der „Kronen Zeitung“ heran? – Wir haben es versucht: Ich habe zirka ein halbes Dutzend direkt angerufen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Wir haben alles Mögliche versucht, aber in der Regel – und das ist das Bedauerliche – ist das Interesse der großen Skeptiker an einer Diskussion beziehungs­weise an Information relativ gering.

Ich bemühe mich weiter – ich möchte an diese Leute herankommen! – und ich bitte selbstverständlich auch um Ihre Mithilfe, denn wo, wenn nicht durch die Abgeordneten, durch die National- und Bundesräte im Parlament, kommt man an die Wählerinnen und Wähler in deren Wahlkreisen heran?

Gemeinsam, so glaube ich, können wir nicht Propaganda machen, sondern gemein­sam können wir Information an den Mann und an die Frau bringen und gemeinsam können wir das Interesse wecken. Und wir können, so hoffe ich, die Leute auch davon überzeugen, dass diese Europäische Union insgesamt gut ist und dass auch dieser Vertrag von Lissabon ein guter Vertrag ist. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Ing. Kampl: Aber was spricht dann ...?)

15.26



BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 118

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zweite Wortmeldung: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


15.26.14

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): In aller Kürze – es geht mir eigentlich nur um einen Satz.

Herr Staatssekretär, ich wollte nur klarstellen, dass ich mich in keiner Weise dazu geäußert habe, wie es denn zu beurteilen ist, dass die Entschuldung hier eingerechnet wird, ich habe nur dargestellt, dass, wie man diese Prozentzahl erreicht hat, eben da­mit zusammenhängt, dass die Entschuldung passiert ist, dass für die nächsten Jahre nichts Entsprechendes geplant ist und dass sich deshalb die Frage stellt, ob ähnliche Prozentzahlen wieder zu erreichen sind.

Das nur zur Klarstellung. (Beifall bei den Grünen.)

15.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen. (Ruf bei der SPÖ: Ein­hellig?! – Weitere Zwischenrufe. – Bundesrätin Konrad begibt sich zum Präsidium und spricht mit den dortigen Beamten.) – Frau Kollegin Mühlwerth hat gesagt, sie stimmt dagegen. (Bundesrat Konecny: Hätten wir das festgehalten! – Weitere Zwischenrufe.)

15.27.1410. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (436 d.B. und 453 d.B. sowie 7895/BR d.B. und 7904/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelineprojekts „Na­bucco“ (437 d.B. und 454 d.B. sowie 7905/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 10 und 11 ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um die Berichte.

 


15.28.09

Berichterstatterin Monika Kemperle: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 119

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat den gegenständlichen Beschluss des Na­tionalrates in seiner Sitzung am 26. März 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum zweiten Bericht: Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz betref­fend die Sicherstellung der Realisierung des Erdgaspipelineprojekts „Nabucco“ liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch hier gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat den gegenständlichen Beschluss des Na­tionalrates in seiner Sitzung am 26. März 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.30.17

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spre­che jetzt zur Gaspipeline namens „Nabucco“. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Bai­er und Zwazl.) – „Nabucco“! Ist die Anlage schon wieder beschädigt oder wolltest du es nur nicht hören? Okay.

Diese Pipeline hat für uns zwei Dimensionen: Auf der einen Seite gibt es die politische Dimension, auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die energiewirtschaftliche Di­mension.

Von der politischen Dimension her ist es nicht schön, dass wir abhängig sind von Gas­lieferungen aus Russland – keine Frage, das ist nicht positiv zu bewerten. Meiner Mei­nung nach ist es aber nicht sehr viel besser zu bewerten, wenn wir dann zusätzlich noch vom Iran, der Türkei, Rumänien, Serbien und sonstigen Ländern abhängig sind. Es ist nun einmal so, dass die Gaslieferungen ... (Bundesrat Dr. Kühnel: ... durch­geht!) – Na ja weil sie durch Serbien geht! Wenn sie durch ein Land durchgeht, sind wir bekanntlich auch davon abhängig. (Ruf bei der ÖVP: Tun Sie nicht Unwahrheiten zum Besten geben!) – Sie können ja dann etwas dagegen sagen.

Tatsache ist, dass sie durch Serbien geht. (Bundesrat Dr. Kühnel: Nein! Das ist falsch!) – Okay, gut dann nehme ich Serbien zurück. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist schlicht und einfach falsch!) – Entschuldigung! Ich habe diese Information aus dem In­ternet. Dann nehme ich Serbien zurück, dann ersetze ich Serbien durch ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie glauben an das Internet?!) – Ja! Informieren Sie sich nicht aus dem In­ternet, Herr Kollege? – Das tut mir dann aber leid, wenn Sie nicht ins Internet schauen. Ich glaube! Zu glauben und sich zu informieren, da gibt es einen Unterschied.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 120

Ich bin der Meinung, dass das Ersetzen einer Abhängigkeit von Russland durch eine Abhängigkeit von anderen Staaten wie zum Beispiel dem Iran – der reicht mir im Prin­zip schon – keine wirkliche Verbesserung ist. Meines Wissens sind die Zusagen für Gaslieferungen noch nicht abgesichert. Es ist eine neue Abhängigkeit in der gleichen Form, nur von anderen Ländern.

Natürlich, Gas ist eine Möglichkeit, CO2 einzusparen, das wissen wir, auf der anderen Seite wissen wir, dass Gasleitungen problematisch sind, wenn Methangas aufsteigt – also, die Ideallösung ist das auch nicht. Und es ist auch bekannt, dass der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist, und der Ölpreis wird weiter steigen. Wir hatten vorhin eine Diskussion mit dem Herrn Umweltminister, in der er uns gesagt hat, wir, die Grünen, vergessen darauf, den Menschen zu sagen, dass erneuerbare Energien teuer sind. – Ich würde sagen, andere vergessen darauf, zu sagen, dass auch fossile Energien teu­rer werden, und zwar werden sie massiv teurer! (Bundesrat Dr. Kühnel: Welche wird billiger, Frau Kollegin? – Bundesrätin Zwazl: Ja, aber wir brauchen beides!) – Genau!

Das merkt man daran, dass Öl und Gas einfach nicht in rauen Mengen vorhanden sind, sondern ihre Vorräte sind endlich. Und wenn endliche ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage euch jetzt, was wir meiner Meinung nach brauchen: Meiner Meinung nach brauchen wir Unabhängigkeit in unserer Energieversorgung, die müssen wir anstreben! (Bundesrat Dr. Kühnel: Aber wie? – Bundesrat Mag. Baier: Wasserkraft!) – Und dass es möglich ist, hundertprozentig unabhängig zu sein in der Energieversorgung, dazu gibt es Studien. Schaut sie euch an! Es gibt europäische Studien. (Bundesrätin Zwazl: Nicht von heute auf morgen!) – Nicht von heute auf morgen, aber es geht um eine neue Gaspipeline.

Es geht darum, dass wir jetzt 5 Milliarden € in ein Projekt stecken, das in Wirklichkeit in die falsche Richtung läuft, dass wir 5 Milliarden € in ein Projekt stecken, das dafür sorgt, dass wir weiter mit fossiler Energie versorgt werden, statt dass wir das Geld in die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz stecken. Und wie viel wird in die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz gesteckt? Was ändert sich? Wo sind da die Größenordnungen? (Bundesrätin Zwazl: Aber wir brauchen in den nächsten Jahren 860 Millionen Kubikmeter ...! – Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind ja auch gegen die Wasserkraftwerke! – Bundesrat Perhab: ... dass wir wieder Atomkraft ...! – Ruf: Zu­rück in die Steinzeit!) – Darf ich jetzt auch weiterreden? Seid ihr dann fertig?

„Zurück in die Steinzeit“ sage ich zur Atomkraft und „zurück in die Steinzeit“ sage ich zu fossilen Energieträgern, denn die kommen bekanntlich aus der Steinzeit! Fossile Energieträger kommen aus der Steinzeit und nicht die erneuerbare Energie.

Das Ministerium bezieht sich unter anderem auch auf einen Bericht der E-Control, in dem steht, dass wir mehr Erdgas brauchen – ein Zuwachs von 30 Prozent bis 2020, und der gesteigerte Verbrauch muss gedeckt werden.

Diesbezüglich lautet jetzt meine Frage, und ich wiederhole mich, aber leider kommen heute einfach immer wieder die gleichen Themen: Im Regierungsprogramm steht et­was von Energieeffizienz? – Ich merke nicht, dass da etwas passiert! – Im Regierungs­programm steht etwas von Ökostrom, vom Aufschwung der erneuerbaren Energie? – Davon ist absolut nichts zu merken!

Energieeffizienz, das wäre für mich endlich eine massive Änderung im Wohnbau. Die Sanierungsrate verändert sich keinesfalls, sie ist seit ewiger Zeit gleich, und ich merke auch keine Ansätze, dass sich da irgendetwas tut. Ich merke nichts bei der Sanierung öffentlicher Gebäude – das ist das, wo die Energie hineinfließt. Und ihr sagt ... (Bun­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 121

desrat Mag. Baier: Das stimmt nicht!) – Die vom Land Niederösterreich, oder was? – Danke. (Bundesrätin Zwazl: Ja hallo, hallo!)

Wenn du etwas über Energieeffizienz im Land Niederösterreich suchst, dann kann ich dir jetzt ein „Bonmotscherl“ erzählen: Wenn du im Land Niederösterreich etwas zum Thema Energieeffizienz suchst, dann gibt es eine Studie, die besagt, dass das Gebäu­de der Landesregierung mit 198 Kilowattstunden Verbrauch pro Jahr energieeffizient ist. Das sagt die Landes-Homepage! – Also bitte, das ist sicher die falsche Stelle zum Surfen, wenn man über Energieeffizienz nachdenken will. (Bundesrat Mag. Baier: Die sollen auf die schauen, ...!)

Energieeffizienz im Wohnbau heißt zumindest Niedrigenergie- und möglichst Passiv­standard, und davon ist zum Beispiel in Niederösterreich leider noch nicht sehr viel zu lesen. (Bundesrätin Zwazl: Elisabeth! Dann klick bitte bei der Wirtschaftskammer Nie­derösterreich! Wir haben den Energieeffizienzpreis ...! Schau dir das einmal an, lies dir das einmal durch!) – Sag mir, welche Energiekennzahl euer neues Gebäude hat. (Neu­erlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Na ja, aber weit weg vom Niedrigener­giestandard! Leider weit weg vom Niedrigenergiestandard, und das ist ein Neubau. Also sei mir nicht böse, das ist sicher kein tolles Beispiel für Energieeffizienz. Es mag optisch sonst ein schönes Gebäude sein, darüber kann man streiten, betreffend Ener­gieeffizienz ist es sicher kein Vorzeigeprojekt.

Also bei der Sanierung der öffentlichen Gebäude sehe ich sehr viel Nachholbedarf.

Zum Verkehr: Was tut sich im Verkehr bezüglich Energieeffizienz? – Ich bin heute kri­tisiert worden, weil ich gewagt habe, das Elektroauto zu erwähnen. Das Elektroauto
ist nicht nur eine Verschiebung von fossiler Energie in Richtung Strom ... (Bundesrat Mag. Baier: Wasserkraft!) – Im Prinzip kann ich mir ein Elektroauto auch von einer Photovoltaikanlage speisen lassen, wollte ich noch Kollegem Kühnel, ich glaube, er war das, sagen.

Dass unser Ökostromgesetz inzwischen so ziemlich das Nichtigste in ganz Europa ist, haben wir auch schon ein paar Mal besprochen. (Bundesrat Mag. Baier: Sind Sie für die Wasserkraft?) – Ökostrom ist nicht gleichzusetzen mit Großwasserkraft, glückli­cherweise noch nicht einmal in Österreich. (Bundesrat Mag. Baier: Also Sie sind ge­gen die Wasserkraft?) – Ökostrom ist nicht Großwasserkraft!

Natürlich muss man sich bei der Großwasserkraft jedes Projekt einzeln anschauen, denn Großwasserkraft beeinträchtigt nicht nur das Landschaftsbild – ich glaube, Kol­lege Konecny war es, der das gesagt hat –, sondern da geht es um das gesamte Ge­füge des Gewässers, da geht es um das gesamte Rundherum der Landschaft, auch um die Wasserversorgung. Und es ist nicht so, dass das jetzt einfach alles „happy-peppi“ ist. Und im Übrigen hat Kollegin Konrad schon erklärt, dass 80 Prozent unserer Flüsse bereits verbaut sind. Auch Wasserkraft ist endlich. (Zwischenruf des Bundesra­tes Mag. Baier. – Bundesrat Breiner: Herr Kollege Baier! Vielleicht können Sie ..., aber Sie haben die Weisheit mit dem Löffel gefressen!) – Dann hör einmal zu!

Entschuldige, weißt du, was Ökostrom ist? Weißt du, wovon ich rede, wenn ich von Ökostromgesetz-Novelle rede? Weißt du, was Ökostrom ist? – Ökostrom ist Windkraft, Ökostrom ist Biomasse und Ökostrom ist Sonnenenergie. (Bundesrat Mag. Baier: Sie haben ja keine Ahnung, welchen Energieverbrauch wir haben in Österreich!) – Doch, ich habe eine Ahnung von der Dimension. Und es gibt Studien! Schau auf die Home­page der EU! Da findest du nämlich Studien, die besagen, dass es sich ausgeht.

Ich weiß, dass wir einen hohen Energieverbrauch haben. Und was haben wir bis jetzt gemacht, um ihn zu einzudämmen?


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 122

Man kann durch Energieeffizienzmaßnahmen und durch erneuerbare Energien den Energiebedarf Österreichs decken. Das wäre unser Ansatz und das wäre unsere Rich­tung. – In Richtung „Nabucco“-Gaspipeline zu galoppieren, das ist unserer Meinung nach die falsche Richtung. Punkt. (Beifall bei den Grünen.)

15.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl, der gerade nicht im Saal ist. (Bundesrat Molzbichler: Zu spät kommen und ...!)

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte. (Bundes­rätin Mühlwerth – auf dem Weg zum Rednerpult –: Jetzt ist er da, der Herr Kampl! Lassen wir ihn vor?) – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth! (Bundesrat Boden – in Richtung Bundesrat Ing. Kampl –: Deine Wortmeldung hat sich schon erledigt! – Ruf bei der ÖVP: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! – Bundesrätin Mühlwerth: Das nächste Mal früher aufs Klo gehen!)

 


15.40.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Dass mit dem „Nabucco“-Projekt angestrebt wird, doch etwas unabhängiger von Russland zu werden, vor allem dann, wenn Russland und die Ukraine sich wieder in den Haaren liegen, ist durchaus nachvollziehbar und auch sicher ein richtiger Weg.

Allerdings muss ich schon anmerken, dass die Regionen, aus denen dann künftig das Erdgas kommen wird, auch nicht gerade von großer Sicherheit gekennzeichnet sind. Und zwar nicht nur die, bei denen das kurzfristig der Fall ist, wie aus dem Raum im Süden der Kaspischen See, sondern mittelfristig auch Turkmenistan und Kasachstan. Wobei man nie ganz vergessen darf, dass es ursprünglich eigentlich um das iranische Erdgas gegangen ist, das aber aufgrund der derzeitigen politischen Verhältnisse jetzt einmal nicht verfügbar sein wird. Daher ist die Garantie für die Energieversorgung nicht in dem Ausmaß gegeben, wie es jetzt gerne dargestellt wird.

Da diese Pipeline eine ganz schöne Strecke auch durch das Gebiet der Türkei gehen wird, kann man nicht ausschließen, dass das einmal als Druckmittel für den EU-Beitritt der Türkei verwendet werden wird. Das Muskelspiel von Präsident Erdogan jüngst in Deutschland lässt in dem Zusammenhang jedenfalls nichts Gutes erahnen.

Ich gebe Kollegin Kerschbaum schon recht: Wenn so eine Pipeline einmal vorhanden ist, wird sie auch mit Gas befüllt werden, und dann wird es natürlich auch gebraucht werden. Die, die jetzt gebaut wird, wird 31 Milliarden Kubikmeter fassen.

Die Prognosen sagen, dass der Verbrauch in den nächsten zehn bis 20 Jahren um 200 bis 300 Milliarden Kubikmeter ansteigen wird. Das heißt, wir reden jetzt von einer Durchflussmenge von 10 Prozent. Diese 10 Prozent sind jetzt unsere große Unabhän­gigkeit – nur im Zusatzbereich, nicht einmal vom jetzigen Bereich ausgehend, sondern von dem, was zusätzlich gebraucht werden wird.

Ich sehe schon auch eine Gefahr: Solange es genügend Erdgas geben wird, werden es die Betreiber alternativer Energien schwerer haben, als es jetzt der Fall ist. Genau das soll aber nicht sein.

Jetzt glaube ich nicht, dass wir jemals wirklich autark sein werden. Wahrscheinlich wer­den wir es irgendwann einmal werden müssen, wenn es keine Reserven mehr gibt, aber jetzt einmal glaube ich auch, ja, es wird weiterhin natürlich Erdgas geben. Aber


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 123

unser Ziel muss es schon sein, möglichst unabhängig zu werden, indem wir bei uns selbst Energie erzeugen können.

Da Professor Konecny heute gesagt hat, auch für das Elektroauto braucht man Strom, denn das wird ja auch an der Steckdose angesteckt, wird man das hier natürlich auch brauchen. Ich erinnere mich noch an einen Spruch. Als Zwentendorf diskutiert worden ist, gab es so hübsche Aufkleber: „Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose“. Ich möchte hier in dem Zusammenhang auch nicht sagen, bei mir daheim kommt das Gas für meine Heizung aus der Gastherme. Wir müssen uns schon überlegen, wo die Sa­chen, die wir verbrauchen, herkommen. Es ist schon wichtig, immer mehr in erneuer­bare Energien zu stecken.

Es gehört auch dazu – und das ist noch nicht ausreichend gemacht, wenn auch bei Neubauten durchaus darauf geschaut wird, dass sie energieeffizient sind –, bei Althäu­sern auf die Energieeffizienz zu achten. Allein wenn ich in Wien schaue, bei dem gro­ßen Althausbestand, ist von Energieeffizienz wirklich nur in einem ganz kleinen Maß die Rede. Dort ließe sich tatsächlich etwas einsparen.

Wenn wir davon reden, wie der Gasverbrauch in den nächsten 10 bis 20 Jahren stei­gen wird, dann kann man sich an zwei Fingern ausrechnen, dass natürlich auch der Preis steigen wird. Wir haben ja auch hier nicht nur einmal schon diskutiert, dass wir eine ganze Reihe von Menschen haben, die sich das Heizen heute schon nicht mehr leisten können. Wie werden sie es erst in zehn oder 20 Jahren können?

Da ich bei diesem Projekt, wie ich schon gesagt habe, bei den alternativen Energien insofern ein Problem sehe, als ich glaube, es wird nicht entsprechend forciert und ge­fördert werden, und die Sicherheit der Versorgung auch mit dieser neuen Pipeline, wenn überhaupt, dann nur zu 10 Prozent gesichert ist, werde ich dieser Vorlage nicht zustimmen.

15.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staats­sekretärin Marek. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


15.45.40

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Mühlwerth, lei­der können wir uns die Herkunftsländer, in denen es Gas gibt, nicht aussuchen, ob die sicher sind oder nicht. Es geht nur einfach darum, dass wir nicht von einer Region, von einem Lieferanten, einem Herkunftsland, abhängig sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich glaube, da ist es eine sehr vertretbare und relativ alternativenlose Variante, „Nabucco“ als einen wichtigen Teil der Diversifizierung der Herkunftsmärkte, aus denen unsere Energie kommt, zu realisieren.

Ich kann all diejenigen unter Ihnen, die sich Sorgen bezüglich des Verlaufes der „Na­bucco“-Pipeline machen, beruhigen: Ex-Jugoslawien wird in keinster Weise vom Ver­lauf der „Nabucco“-Pipeline berührt. Ich kann Ihnen gerne den Verlauf von „Nabucco“ sagen: Sie geht von Osten nach Westen durch die gesamte Türkei, eine Querung auf dem europäischen Teil der Türkei bei den Dardanellen, von Südosten nach Nordwes­ten durch Bulgarien, eine Querung von Rumänien nahe der Westgrenze des Landes, eine diagonale Querung von Ungarn, danach bis Baumgarten in Niederösterreich, wo der Hub dann in die Verteilung geht, in die europäischen Mitgliedstaaten. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 124

Das war meines Wissens eine Sorge, die auch schon im Ausschuss genannt wurde und im Nationalrat ein Thema war, wo das bereits diskutiert wurde. Ich glaube, diese Sorge können wir nehmen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es wichtig ist, zu sagen, wir brauchen alles, wenn es um die nachhaltige Energie- und Stromversorgung geht. (Bundesrat Mag. Baier: Richtig!) Wir brauchen einerseits eine Maximierung der Energieeffizienz, da bin ich bei all jenen, die das einfordern. Hier freue ich mich, dass die E-Control bis zum Sommer 2008 ein Grünbuch vorlegen wird, das ganz wichtige Handlungsanleitun­gen – sowohl für den Umweltminister als auch für uns als Wirtschafts- und Arbeits­ministerium – vorsehen wird. Hier wird einiges drinnen sein, was sehr interessant ist. Bundesminister Pröll ist derzeit dabei, eine 15a-Vereinbarung mit den Ländern zu ver­handeln und unter Dach und Fach zu bringen, bei der es um den Wohnbau und um die Frage der Energieeffizienz in diesem Zusammenhang geht.

Folgendes möchte ich auch ganz klar festhalten: Die ökologischste Kilowattstunde Strom ist die, die gar nicht erst verbraucht wird. Das hat auch Bundesminister Barten­stein schon öfter gesagt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Kerschbaum: Super!) Wirtschaftskammerpräsident Leitl hat heute bei einer Veranstaltung gesagt, wenn jeder Haushalt in Österreich Energiesparlampen verwenden würde, dann würde das Einsparungspotential dem Jahresvolumen eines ganzen durchschnittlichen Kraft­werkes entsprechen. Ich glaube, da müssen wir alle uns an der Nase nehmen, denn auch wir alle sind hier natürlich gefordert, entsprechend etwas zu machen.

Was die erneuerbaren Energieträger beziehungsweise andere Möglichkeiten betrifft – es wurde die Wasserkraft angesprochen: Hier ist Minister Bartenstein gerade in sehr intensiven Gesprächen zur Erarbeitung eines Masterplans Wasserkraft. Er hat das bereits im Nationalrat gesagt. Und zwar geht es hier um einen Ausbau der gesamten Wasserkraft, sowohl im Klein- als auch im Großwasserkraftbereich. Hier gibt es sehr intensive Gespräche mit der E-Wirtschaft, und in den nächsten Wochen oder Monaten wird Minister Bartenstein diesen Masterplan auch in der Öffentlichkeit vorstellen.

Ich denke, dass ich hier einiges beantworten konnte, ein paar Sorgen nehmen konnte, und danke für den Beschluss beziehungsweise den Nicht-Einspruch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Kampl.

 


15.49.55

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Entschuldigung! – Laut meiner Rednerliste bin ich erst nach Frau Mühlwerth dran. Aber das spielt ja keine Rolle. (Bundesrat Boden: Die ist ja von gestern!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Bundesgesetz betreffend die Haltung von Notstandsreserven und Erdölprodukten.

Wir haben in Österreich mit dem neuen Gesetz eine Vorratspflicht für Betriebe, die ab 1. April 25 Prozent der im Vorjahr getätigten Importe an Erdöl und Erdölprodukten zur Verfügung haben müssen. Biokraftstoffe und Rohstoffe zur direkten Erzeugung von Biokraftstoff sind auch als Pflichtreserve zu halten.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 125

Das neue Gesetz sieht vor, dass jederzeit eine Kontrolle durchgeführt werden kann. Das ist wichtig, weil das sonst ja sinnlos wäre. Auch das Landwirtschaftsministerium muss jährlich die Rohstoffmenge als Reserve nachweisen, das ist auch neu.

Die Zukunft braucht viel Energie, und das wollen wir ja haben, das ist positiv, denn sonst gibt es einen Stillstand. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kontrollen und die Reservesicherung, das ist etwas, was wir brauchen. Geschätzte Frau Staats­sekretärin, die Frage ist ja: Ist es die Menge? Ist es nicht auch ein Zeitplan, dass man sagt, es müssen mindestens drei Monate oder fünf Monate oder sechs Monate an Re­serven vorhanden sein?

Die Aufforderung richtet sich auch an die zuständigen Minister: Das Wirtschaftsministe­rium und das Landwirtschaftsministerium sind für die Statistikführung verantwortlich und haben jederzeit die Unterlagen zu liefern.

Sechs Ziele sind dafür die Grundlage, und das finde ich sehr positiv: Einbeziehung
der als Mischkomponenten zu Benzinen Verwendung findenden Energieträger in die Pflichtnotstandsreserve, Einbeziehung der – auf Grundlage des österreichisch-italieni­schen Staatsvertrages zur Nutzung von Einrichtungen des Ölhafens Triest errichte­ten – Tanklager der Transalpinen Ölleitung GmbH, Anpassung der gehaltenen Pflicht­notstandsreserve an die Marktstruktur wird gefordert, Anpassung der Aufgaben der Kontrollorgane an das neue Gesetz, und Aufnahme der Biokraftstoffe und Rohstoffe zur direkten Erzeugung von Biokraftstoffen in die statistischen Erhebungen für die Pflichtnotstandsreserve.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist positiv. Wir sollten alle dem Gesetz die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie bei der ÖVP.)

15.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird.

Da der gegenständliche Beschluss zustimmungspflichtige Verfassungsbestimmungen enthält, bedarf dieser nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 126

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Sicherstellung der Realisie­rung des Erdgaspipelineprojekts „Nabucco“.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.54.5712. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Inflationsfolgen bei den Wohnkosten das Richtwert­gesetz geändert wird (Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz – MILG) (622/A und 480 d.B. sowie 7897/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr gelangen wir zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Winter. – Ich bitte um den Bericht.

 


15.55.19

Berichterstatter Ernst Winter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. März 2008 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Inflationsfolgen bei den Wohn­kosten das Richtwertgesetz geändert wird – Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf mich daher auf die Antragstel­lung beschränken:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein. Ich begrüße die Frau Justizministerin in unserer Runde.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm dieses.

 


15.56.19

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Frau Präsidentin! Das Mietrechtliche Inflationslinderungs­gesetz ist – es ist mir wichtig, das zu Beginn zu betonen – aus meiner Sicht und aus unserer Sicht eine sehr gelungene Maßnahme, um die Belastungen, die inflationsbe­dingt entstanden sind und viele Österreicherinnen und Österreicher treffen, zu lindern.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 127

Sie müssen bedenken, dass neben Lebensmittel- und Energie- die Wohnkosten in den letzten Jahren am erheblichsten gestiegen sind.

Das Steigen der Wohnkosten ist bei genauer Betrachtung natürlich wesentlich facet­tenreicher: Neben der Miete kommen in den letzten Jahren natürlich auch die steigen­den Betriebskosten dazu. Diese Betriebskosten sind, kann man beinahe sagen, teil­weise fast zu einer zweiten Miete angewachsen. Die Ursachen sind vielfältig; einen Teil habe ich schon genannt, das sind die gestiegenen und steigenden Energiekosten.

In einer unserer letzten Bundesratssitzungen haben wir – und ich denke, auch zu Recht – reklamiert, dass die Gesetze so schnell durch das Parlament durchgegangen sind. In diesem Fall, Frau Ministerin, bin ich Ihnen aber dankbar, dass wir es hier wirk­lich sehr rasch abwickeln haben können, weil es den Menschen jetzt und sofort hilft und eine wichtige Maßnahme für die Menschen ist, die diese Entlastung jetzt brau­chen.

Worum geht es denn ganz konkret? – Bisher erhöhten sich die Richtwertmieten einmal jährlich, entsprechend dem Verbraucherpreisindex vom Monat Dezember, der heran­gezogen wurde. Der Dezember-Index ist aber in der Regel und im Durchschnitt gese­hen meistens einer der höchsten Indices, und es kam daher eigentlich zu einer relativ starken Erhöhung.

Die neue Berechnung wird so funktionieren, dass es einen Durchschnittswert des gan­zen Jahres gibt. Diese neue Regelung ergibt jetzt sofort bei den Richtwertmieten ab Mai, dass es nicht zu einer Erhöhung um 3,6 Prozent kommt, sondern nur zu einer Er­höhung um schwach 2,2 Prozent.

Wer sind die Profiteure dieser Regelung? – Zum einen all jene, die in Altbauten woh­nen, konkret in jenen, die nach dem 1. März 1994 vermietet wurden. Das sind immer­hin 350 000 Haushalte. Weiters profitieren indirekt auch all jene, die in Wohnungen von gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften leben und wohnen. Auch hier treffen wir mit dieser Maßnahme über 300 000 Haushalte, die betroffen sind.

Ich bin froh, Frau Ministerin, dass Sie diese Thematik so konstruktiv und rasch mit un­serem Koalitionspartner angegangen sind und hier eine gemeinsame und, so meine ich, gute Lösung gefunden haben, die all jenen direkt hilft, die vom Ansteigen der Prei­se in den letzten Monaten besonders betroffen waren.

Ich sehe auch, dass dieses Gesetz ein Teil eines Weges ist, den wir beschreiten. Es ist ein erster, wichtiger Schritt, und ich glaube auch, dass es durch die von Ihnen schon geplante und angekündigte größere Mietrechtsreform in diesem Bereich noch zu weite­ren Verbesserungen kommen wird, denn ein gemeinsames Ziel sollten wir vor Augen haben: Wir sollten in diesem Bereich Rahmenbedingungen schaffen, die Wohnen leist­bar machen und eine sozial gerechte Mietenentwicklung garantieren. Wir stimmen die­ser Gesetzesvorlage gerne zu.

Betonen möchte ich auch, dass das im Nationalrat einstimmig behandelt wurde und im Ausschuss des Bundesrates ebenfalls einstimmig. Ich möchte daher der Opposition für das einhellige Akzeptieren dieser Gesetzesvorlage einen Dank aussprechen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. – Bitte.

 


16.00.42

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Beim letzten Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 128

tag der Jungen ÖVP in Alpbach im August vergangenen Jahres durfte ich den Leitan­trag präsentieren. Einer der Punkte im Leitantrag lautete: Erste Wohnung leistbar ma­chen. – Die erste Wohnung ist ein wichtiger Schritt im Leben eines jungen Menschen. Sie ist aber mit sehr hohen Kosten verbunden, und in letzter Zeit ist sie durch die stei­genden Kosten fast nicht mehr finanzierbar.

Natürlich betrifft das, was ich angesprochen habe, alle Altersgruppen. Allerdings sind die Jungen, wenn sie in die erste eigene Wohnung ziehen und sehr viele Anschaffun­gen zu tätigen haben, in der Gehaltsstufe meistens noch ganz unten. Oft sind sie noch in Ausbildung und haben gar kein Einkommen. Die Wohnkosten sind aber so gestie­gen, dass mittlerweile der Anteil am Einkommen, der für die Wohnkosten herangezo­gen werden muss, so hoch ist wie nie zuvor. Dabei ist das Wohnen neben der Nahrung doch ein wesentliches Grundbedürfnis des Menschen! Daher war und ist es ein wichti­ger Schritt, dass man gegen diese Teuerung Maßnahmen setzt.

Kollege Einwallner hat schon dargestellt, wie das jetzt gemacht werden soll, dass der Prozentsatz nur mehr um 2,2 Prozent und nicht nach dem Dezemberwert um 3,6 Pro­zent erhöht werden soll. Was heißt das jetzt aber an einem konkreten Beispiel? Das würde heißen, dass man sich, wenn man 600 € Miete bezahlt, in einem Jahr 100 € er­sparen würde. In Österreich sind 350 000 Mieterinnen und Mieter davon betroffen. Ich denke, das ist eine gute und unmittelbare Entlastung für Mieterinnen und Mieter. Es ist meiner Meinung nach allemal besser, die Inflation nachhaltig zu bekämpfen als zum Beispiel nur einmal einen bestimmten Geldbetrag auszuschütten, der keinerlei Nach­haltigkeit hätte.

Auch ich möchte mich bedanken, dass man hier sehr rasch reagiert hat – die Inflations­werte wurden ja erst im Februar bekannt gegeben. Da hat man das Problem erkannt und die nötige Maßnahme sehr rasch umgesetzt. Daher richte ich ein großes Danke­schön an Sie, Frau Ministerin, und an unseren Bundesminister Bartenstein.

Dass das nur ein erster Schritt sein kann, ist klar. Auch Kollege Einwallner hat schon angesprochen, dass weitere Maßnahmen folgen sollen, indem zum Beispiel Maklerpro­visionen eingeschränkt oder staatlichen Gebühren für Mietverträge vermindert werden. Ich denke, man kann auch in anderen Bereichen sehen, wie man für die Menschen die Kosten minimieren kann – zum Beispiel im Bereich der Wärmedämmung bei Gebäu­den, durch thermische Sanierung. Auf diese Weise kann man Energiekosten einsparen und die Mieter zusätzlich entlasten. Dies soll nur ein weiteres Beispiel im Zusammen­hang mit dem Thema Wohnen sein.

Als Vertreterin der Jungen Wirtschaft möchte ich jetzt aber auch eine Gruppe anspre­chen, die heute noch nicht erwähnt wurde, nämlich die Vermieter, die von der Inflation ebenfalls betroffen sind, sowie die Makler, die aller Voraussicht nach im Herbst betrof­fen sein werden. Ich bin nämlich erst gestern mit einer Gruppe von Unternehmern zu­sammengesessen. Sie haben große Sorgen. Ich möchte hier nur zu bedenken geben, dass man Eingriffe in diesem Bereich gut überlegen und keinesfalls überproportional Maßnahmen setzen soll.

Aus Sicht der jungen Generation bin ich aber, wie schon gesagt, sehr dankbar für die­se Minderung der Teuerung. Unsere Fraktion wird daher gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 129

16.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kon­rad. – Bitte.

 


16.04.41

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden die­sem Punkt unsere Zustimmung geben, wie auch schon im Ausschuss.

Ich möchte trotzdem ein paar Punkte anmerken, die unserer Meinung nach noch ver­besserungswürdig wären und noch nicht ganz zufriedenstellend sind bei dieser Rege­lung. Worum es sich inhaltlich handelt, ist in dieser Diskussion ja schon geklärt worden. Unser Problem ist vor allem, dass die Verbesserungen, die es jetzt tatsächlich geben wird, viele, aber bei Weitem nicht alle erfassen, die von höheren Mieten betroffen sind. 350 000 Mieterinnen und Mieter werden davon profitieren. Das sind jene, die für ihre Wohnung nach dem Richtwertmietsystem zahlen. Wer aber nach dem Kategoriemiet­system zahlt, ist davon nicht betroffen – und das sind immerhin 400 000 Menschen.

Es gab zwar ursprünglich einen Vorschlag, wonach auch diese Mieten mit einbezogen gewesen wären. Es gab auch einen Vorschlag, der generell eine Erhöhung der Richt­wertmieten erst ab einem Schwellenwert von 10 Prozent vorgesehen hätte. Das wurde jetzt leider nicht umgesetzt. Wir hätten es aber durchaus begrüßt, wenn das gemacht worden wäre.

Seit 2001 sind die Mietkosten in Österreich immens angestiegen. Die Löhne, wie wir wissen, sind leider nicht mit gestiegen. Ich glaube, es ist ganz nachvollziehbar, dass es volkswirtschaftlich nicht gerade sinnvoll ist, wenn Menschen immer mehr Geld für Mieten, Mietnebenkosten und so weiter ausgeben müssen und dann weniger Geld übrig bleibt, das sie für andere Dinge ausgeben können. Das ist auch für die Wirtschaft nicht gerade ein wünschenswerter Zustand. Deshalb kann man kurz gefasst nur sagen: Wohnen muss billiger werden, Wohnen muss leistbar werden.

Ich komme aus Innsbruck, einer der teuersten Wohngegenden in Österreich – ich glau­be, es ist die drittteuerste. Was Menschen in Innsbruck für Mieten ausgeben – das be­ginnt bei WG-Zimmern und geht hin bis zu Wohnungen –, ist deutlich mehr, als es zum Beispiel in Wien der Fall ist. Es ist für viele Menschen schon wirklich ein Problem, sich das leisten zu können.

Wir werden dieser Änderung heute jedenfalls zustimmen, weil sie zumindest für einen Teil der Betroffenen tatsächlich eine Verbesserung darstellt. Wir werden uns allerdings genau anschauen, was bei der angekündigten Reform noch kommen wird. Es gibt gro­ßen Handlungsbedarf in vielen Bereichen, wobei ich jetzt als Stichwörter die Mietzins­obergrenzen, die Vergebührung von Mietverträgen und den Betriebskostenkatalog er­wähnen möchte. Da sind sehr viele Dinge mit eingerechnet, die die Mieterinnen und Mieter zu bezahlen haben, bei denen man aber diskutieren könnte, ob das nicht eigent­lich die Vermieter zu finanzieren hätten.

Unsere Zustimmung wird es jedenfalls geben. (Allgemeiner Beifall.)

16.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Berger. – Bitte.

 


16.07.44

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich freue mich sehr, dass dieses Gesetz allseitige Unterstützung erfahren hat und erfahren wird. Es war tatsächlich ein erster Schritt im Rahmen eines Gesamtpaketes der Bundesregierung, mit dem wir Maßnahmen gegen die Folgen der Inflation – soweit das in der Macht der Bundesregierung beziehungsweise des Gesetz­gebers steht – setzen wollen. Es wurden auch im Ministerrat mittlerweile andere Maß­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 130

nahmen beschlossen. Der Punkt mit der neuen Valorisierung bei den Richtwertmieten war jetzt ein besonders dringender. Hätten wir jetzt nicht schnell gehandelt, wären die alten Regelungen mit 1. April zur Anwendung gekommen und der Dezemberwert der Inflationsrate, der ungerechtfertigt im Vergleich zum Jahresdurchschnitt hohe Anpas­sungen ergeben hat.

Es ist ein erster Schritt im Bereich des Komplexes Mietrecht-Wohnrecht. Es wird auch aus anderen Ressorts Beiträge geben. Konkret hat das Wirtschaftsministerium bereits einen Entwurf zur Begrenzung der Maklergebühren ausgesendet. Im Finanzministe­rium gibt es Vorbereitungen im Hinblick auf die Vergebührung der Mietverträge. Für den Herbst planen wir eine größere Novelle zum Mietrechtsgesetz, in der unter ande­rem die bereits vereinbarte Formel – nämlich fünfprozentige Anpassungen – auch bei den Richtwertmieten, so wie jetzt bei den Kategoriemieten, zum Tragen kommen soll, sowie einige andere Maßnahmen, wobei wir uns da auf eine Einigung der Sozialpart­ner stützen können.

Ich darf mich hier bei allen Fraktionen bedanken, die die schnelle Vorgangsweise im Nationalrat möglich gemacht haben, insbesondere bei Herrn Dr. Sonnberger, Bauten­sprecher der ÖVP, der mein Verhandlungspartner war, wobei wir in guter gemeinsamer oberösterreichischer Tradition diese Vereinbarungen in Linz in einer nächtlichen Sit­zung ausgehandelt haben.

Wir haben auch andere Modelle durchgerechnet, nämlich schon jetzt bei den Richt­werten auf einen fünfprozentigen Schwellenwert zu gehen. Das hätte allerdings heuer dazu geführt, dass wir den Mietern wahrscheinlich ausgerechnet vor Weihnachten eine entsprechende Erhöhung hätten zumuten müssen. Ich denke daher, dass diese kleine­ren Schritte – also 2,2 Prozent jetzt – besser sind, als jetzt auf eine Erhöhung zu ver­zichten, dann aber ausgerechnet im Dezember eine fünfprozentige Erhöhung durch­führen zu müssen.

Da keine Redezeitbeschränkung vorgesehen ist, möchte ich hier noch etwas zum nächsten Punkt sagen. Die Kollegin aus Tirol hat gemeint, dass es immer um die ers­ten Wohnungen geht. (Bundesrätin MMag. Eibinger: Ich komme aus der Steier­mark!) – Aus der Steiermark, Entschuldigung. Ich glaube, Sie haben sich auf eine Ta­gung der Jungen ÖVP in Tirol bezogen und erwähnt, dass besonders die finanzielle Situation von Jungfamilien zu berücksichtigen ist, und zwar sowohl bei Mietwohnun­gen, aber auch zum Beispiel beim Kauf von Eigentumswohnungen oder beim Haus­bau. Auf genau diese Situation zielt unser Bauträgervertragsgesetz.

Die Novellierungen, die wir hier vorsehen, sollen insbesondere Käufer von Wohnungen besser sichern. Sie sollen sichern, dass für die Raten, die sie zahlen, auch die Gegen­leistung erbracht wird, dass übergebenes Geld sorgsam gehütet wird und dass für Ge­währleistungsfälle nach Abnahme der Wohnung durch einen Haftrücklass noch Geld vorhanden bleibt.

Es handelt sich da meistens um die größte Investition, die Familien tätigen. Wir wissen ja alle von sehr vielen Fällen, dass es hier zu großen Problemen kommen kann, die die jungen Leute um ihre Ersparnisse bringen beziehungsweise um das Geld, das sie viel­leicht von den Eltern dazubekommen haben. Ich denke, auch dieses Bauträgerver­tragsgesetz ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Wohnbedürfnisses, insbeson­dere von jüngeren Familien. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 131

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

16.13.0313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird (432 d.B. und 469 d.B. sowie 7898/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Winter. – Ich bitte um den Bericht.

 


16.13.19

Berichterstatter Ernst Winter: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf mich daher auf die Antrag­stellung beschränken:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 2008 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.14.18Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letz­ten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, 2597/J-BR/2008 bis 2617/J-BR/2008, eingebracht wurden.

Weiters teile ich mit, dass die Bundesräte Martin Preineder, Boden, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Entschließungsantrag 167/A(E)-BR/2008 betreffend Aus­bau von Parkplätzen an Autobahnauffahrten (Initiative Park & Drive) eingebracht ha­


BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 132

ben, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zu­gewiesen wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 24. April 2008, 9.00 Uhr in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 22. April 2008, ab 13 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.15.21Schluss der Sitzung: 16.15 Uhr

 

 

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