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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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818. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 14. März 2013

 

 


Stenographisches Protokoll

818. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. März 2013

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. März 2013: 9.01 – 17.16 Uhr

*****

Tagesordnung

 

Umstellung der Tagesordnung ....................................................................................... 55

 

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unter­nehmensgesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zahlungsverzugsgesetz – ZVG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 8. März 1979 über die Ge­meinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG) so­wie das Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einfüh­rung des Euro getroffen werden, geändert werden

3. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

5. Punkt: Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Sozia­listischen Republik Vietnam andererseits

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

7. Punkt: EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Zweiten Präsidentin des Landtages Steiermark betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Mag. Gerald Klug ........................................................................................................... 6

Angelobung des Bundesrates Richard Wilhelm .......................................................... 7


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 2

Erklärung des Landeshauptmannes von Vorarlberg Mag. Markus Wallner ge­mäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Gemeinsam Verantwortung tragen“ – Be­kanntgabe ........................................ 23

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung                   24

Landeshauptmann Mag. Markus Wallner.................................................................. 24

Debatte:

Dr. Magnus Brunner, LL.M ......................................................................................... 32

Reinhard Todt ............................................................................................................... 35

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 37

Marco Schreuder .......................................................................................................... 38

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 41

Johann Schweigkofler ................................................................................................. 43

Stefan Posch ................................................................................................................. 46

Landeshauptmann Mag. Markus Wallner ................................................................. 47

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Vorschlag für die Nominierung eines stellvertretenden Mitglie­des in den Ausschuss der Regionen                51

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Belarus zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 16. Mai 2001 unterzeichne­ten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 69/2002 ............................................................................. 52

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Albanien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 14. Dezember 2007 unter­zeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Al­banien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung samt Protokoll, BGBl. Nr. 107/2008                       53

Umstellung der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 2 GO-BR ........................................ 55

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 110

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Aktuelle Stunde (20.)

Thema: „20 Jahre Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – 20 Jahre im Dienst der Gleichstellung“             ................................................................................................................................. 7

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle ........................................................................................................... 7

Sonja Zwazl ..................................................................................................................... 9

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 12

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ..................................................... 14, 22

Marco Schreuder .......................................................................................................... 17

Ana Blatnik .................................................................................................................... 19

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 20

Franz Pirolt .................................................................................................................... 22


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 3

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos sowie gleichzeitige Er­nennung von Mag. Gerald Klug zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport durch den Herrn Bundespräsidenten ............................ 51

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt des Herrn Bundes­kanzlers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................................ 53

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 54

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 54

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 54

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Selbstbedienungsladen Bundesministerium für Inneres (2941/J-BR/2013) ...................................................................................................................... 110

Begründung: Monika Mühlwerth ................................................................................ 111

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 114

Debatte:

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 117

Christoph Kainz .......................................................................................................... 120

Elisabeth Reich ........................................................................................................... 122

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 124

Franz Perhab ............................................................................................................... 126

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................. 127

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 128

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmens­gesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zahlungsverzugsgesetz – ZVG) (2111 d.B. und 2178 d.B. sowie 8910/BR d.B.)           55

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ..................................................................... 56

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 8. März 1979 über die Gemeinnüt­zigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG) sowie das Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einfüh­rung des Euro getroffen werden, geändert werden (2179 d.B. sowie 8911/BR d.B.)                                                                                                                                                                             55

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ..................................................................... 56

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 56

Marco Schreuder .......................................................................................................... 57


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 4

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 57

Mag. Josef Taucher ...................................................................................................... 58

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 61

3. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehn­monatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes (III-485-BR/2013 d.B. sowie 8912/BR d.B.) ...................... 61

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ..................................................................... 61

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .................................................................................................................... 61

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 63

Stefan Schennach ........................................................................................................ 65

Johann Ertl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 66

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 67

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-485-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 72

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (2142 d.B. und 2180 d.B. sowie 8909/BR d.B.)                  72

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 72

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 72

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................... 74

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 77

Reinhard Todt ............................................................................................................... 78

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 80

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 81

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 81

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend Rahmen­abkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Sozialistischen Republik Vietnam andererseits (2133 d.B. und 2174 d.B. sowie 8913/BR d.B.) ................................................................................................................. 81

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 82

Redner/Rednerinnen:

Günther Köberl ............................................................................................................. 82

Stefan Schennach ........................................................................................................ 84

Peter Mitterer ................................................................................................................ 85

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 87


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 5

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (2113 d.B. und 2177 d.B. sowie 8906/BR d.B. und 8907/BR d.B.) ................................................................................................................. 87

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 87

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 87

Christoph Kainz ............................................................................................................ 89

Monika Kemperle ......................................................................................................... 92

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 93

Klaus Konrad ................................................................................................................ 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 98

7. Punkt: EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen (III-487-BR/2013 d.B. sowie 8908/BR d.B.) ................................................................................................................. 98

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 98

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 98

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  100, 110

Stefan Schennach ...................................................................................................... 100

Dr. Angelika Winzig .................................................................................................... 102

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 104

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 105

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-487-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 110

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fi­nanzen betreffend Darlehen/Kredite der Oesterreichischen Bundesfinanzierungsagen­tur (OeBFA) (2939/J-BR/2013)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Ökostrom an österreichischen Vertretungen in Europa (2940/J-BR/2013)

Monika Mühlwerth, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend Selbstbedienungsladen Bundesministerium für Inneres (2941/J-BR/2013)

Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Förderungen an den ASKÖ-Landesverband Salzburg in den Jahren 2011 und 2012 (2942/J-BR/2013)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend beherrschenden Trust der Eurofighter-Schmier­geldaffäre (2721/AB-BR/2013 zu 2936/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 6

09.01.25 Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Edgar Mayer: Ich eröffne die 818. Sitzung des Bundesrates.

Einen schönen guten Morgen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch an die Zuseher vor den Fernsehbildschirmen oder via Livestream im Internet ein herzliches Grüß Gott!

Das Amtliche Protokoll der 817. Sitzung des Bundesrates vom 7. Februar 2013 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Gregor Hammerl, Ferdi­nand Tiefnig, Kurt Strohmayer-Dangl und Juliane Lugsteiner.

09.02.14Einlauf

 


Präsident Edgar Mayer: Eingelangt ist ein Schreiben des Landtages Steiermark be­treffend Mandatsverzicht eines Mitgliedes und Entsendung eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben der Zweiten Präsidentin des Landtages Steiermark betreffend Mandats­verzicht:

„LANDTAG STEIERMARK

Zweite Präsidentin Mag.a Ursula Lackner

Herrn

Bundesratspräsident Edgar Mayer

Parlament – Bundesratsdienst

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Graz, am 11. März 2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Herr Bundesrat Mag. Gerald Klug hat mit Schreiben vom 8. März 2013 mitgeteilt, dass er mit seiner Angelobung als Bundesminister für Landesverteidigung und Sport auf sein Mandat im Bundesrat verzichtet.

Herr Bundesrat Mag. Gerald Klug wurde heute von Herrn Bundespräsidenten zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport angelobt.

Aufgrund der am 21. Oktober 2010 durchgeführten Wahlen zum Bundesrat wurde auf der zweiten Bundesratsmandatsposition neben Herrn Mag. Gerald Klug Herr Richard Wilhelm zum Ersatzmitglied gewählt. Mit dem Verzicht von Herrn Mag. Gerald Klug rückt Herr Richard Wilhelm auf dieser Position als Mitglied in den Bundesrat nach.

Ich ersuche um Kenntnisnahme und entsprechende Veranlassung und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Mag.a Ursula Lackner“

*****


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 7

09.02.39Angelobung

 


Präsident Edgar Mayer: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.03.01

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


9.03.25

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Ich gelobe.

 


Präsident Edgar Mayer: Ich begrüße Richard Wilhelm als neues Mitglied des Bundes­rates recht herzlich in unserer Mitte. Alles Gute und viel Erfolg, Herr Kollege! (Allge­meiner Beifall. Bundesrat Wilhelm: Danke!)

09.05.02Aktuelle Stunde

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„20 Jahre Bundes-Gleichbehandlungsgesetz –
20 Jahre im Dienst der Gleichstellung“

mit der Frau Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Gabriele Heinisch-Hosek, die ich hiermit auch herzlich in unserer Mitte begrüßen darf. (Allgemeiner Bei­fall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, dessen Redezeit jeweils mit 10 Minuten beschränkt ist. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt eine Red­nerin/ein Redner der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit und dann je eine Red­nerin/ein Redner der Fraktionen mit jeweils 5 Minuten Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglich­keit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kemperle. Ich darf nochmals darauf auf­merksam machen, dass die Redezeit wie vereinbart 10 Minuten nicht überschreiten sollte. – Bitte.

 


9.06.02

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich glaube, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – „20 Jahre im Dienst der Gleichstellung“ – letztend­lich doch eine Erfolgsgeschichte war und es sicher erwähnenswert ist, welch positive Effekte dieses Gesetz letztendlich nach sich gezogen hat. Tatsache ist aber auch, dass dieses Gesetz notwendig ist, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, und dass wir es in der Zukunft noch brauchen werden.

Etwas verwunderlich, was den geschichtlichen Verlauf betrifft, ist, dass das Gleichbe­handlungsgesetz interessanterweise für den Bund später beschlossen wurde als für die Privatwirtschaft. Zumeist ist der Weg gerade bei solchen Gesetzen genau umge­kehrt, da sich die positiven Effekte immer zuerst in den Kommunen und auch sonst


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 8

überall dort, wo sich der Staat, wo sich die Politik verantwortlich fühlt, durchsetzen und sich dann letztendlich in den einzelnen Gesetzen wiederfinden – egal, wie der Druck aufgebaut worden ist, ob aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, das heißt aus ge­werkschaftlichen oder politischen Anträgen, aus Entscheidungen in verschiedenen Gremien oder woher auch immer.

Was in diesem Bereich tatsächlich notwendig war, ist, dass sich der Bund, die Kommu­nen, die Gemeinden dazu entschlossen haben, dieses Gleichstellungsgesetz bezie­hungsweise dieses Gleichbehandlungsgesetz – denn Gleichbehandlung heißt ja nicht unbedingt, dass es eine Gleichstellung geben muss; auch diese Diskussion wurde während der Entstehung dieses Gleichbehandlungsgesetzes sehr hart geführt – auf den Weg zu bringen.

Die Aussichten waren bei genauer Überprüfung der Fakten zur Zeit der Einführung die­ses Gleichbehandlungsgesetzes doch eher trist, angesichts der Besetzungen in den Universitäten oder in den Gerichten oder auch angesichts der internen Besetzungen auf allen Ebenen bis hin zu den Sektionsleitern – damals hat es noch keine Sektions­leiterinnen gegeben. All diese Ebenen wiesen wesentliche Defizite in der weiblichen Personenbesetzung auf. Es war klar erkennbar, dass der Zugang erschwert und die gläserne Decke ein Faktum war.

Genau darauf aufbauend hat man sich vorgenommen, die Defizite in diesem Bereich im Gleichbehandlungsgesetz zu bearbeiten. Man hat mit dem Beschluss des Gleichbe­handlungsgesetzes gleichzeitig auch inhaltliche Debatten geführt und inhaltlich fest­gelegt, hinsichtlich welcher wesentlichen Defizite Gleichbehandlung zu erfolgen hat.

Ich habe noch ein sehr gutes Beispiel in Erinnerung. Als man das Arbeits- und Sozial­gericht eingeführt hatte, gab es eine Diskussion um die Besetzung dieses Gerichtes mit Richterinnen und Richtern. In der Diskussion damals ist es darum gegangen, wie diese Besetzung erfolgen soll. Die Wertigkeit des ASG war damals keine sehr hohe. Es gibt ja auch innerhalb der Gerichtsbarkeit und der Richterschaft bestimmte Rangord­nungen und Wertigkeiten. Vor Einführung des Arbeits- und Sozialgerichtes war das Handelsgericht sozusagen die letzte Stufe für die Richterschaft, wo es geheißen hat, da gibt es nicht wirklich die Möglichkeit des Aufstiegs. Das ASG hat bei seiner Einfüh­rung diese Wertigkeit des Handelsgerichtes übernommen, und da hat man nun gesagt, na ja, besetzen wir das halt einmal mit Richterinnen.

Das heißt, die Gleichbehandlung im Gesetz einzuführen und Plätze zu vergeben, das hat geklappt, allerdings hat sich, zum Beispiel in dieser Abqualifizierung, herausge­stellt, dass die Wertigkeit noch nicht entsprechend gestiegen war, und man hat eine Zeit lang gesehen, dass es gerade in diesem Bereich letztendlich auch mit den Ein­kommen abwärts gegangen ist, weil dort „viele“ Frauen – unter Anführungszeichen – zum Zug gekommen sind. Es hat sich die Bewertung also auch in der finanziellen Aus­stattung der Richterinnen und Richter, also im Salär, niedergeschlagen, und das hat zu einer Verringerung beziehungsweise zu einem weniger schnellen Anstieg des Einkom­mens geführt.

Es war also für uns in der Privatwirtschaft schon auch signifikant, zu schauen, wo denn nun tatsächlich die Defizite in diesem Gleichbehandlungsgesetz liegen, weil es genau mit der Wertigkeit dieses Gleichbehandlungsgesetzes im Bund dann auch auf der pri­vatwirtschaftlichen Ebene einherging, die Wertigkeit in der Privatwirtschaft ebenfalls auf diese Stufe zu stellen. Das heißt, es ging auch darum, die Diskussion zu führen, wie denn das Einkommen aussieht.

Wir sehen heute noch, dass es gerade bei den Einkommensdiskussionen immer wie­der um die Frage der Wertigkeit – und das heißt auch, um die Frage der Gleichstel­lung – geht. Die Wertigkeit der Arbeit festzulegen, ist ein wesentliches Faktum, um


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 9

letztendlich auch die Einkommen nach dem Gleichbehandlungsgesetz in die richtige Richtung zu trimmen. Für mich ist es auch immer wieder bezeichnend, dass mir For­derungen – egal ob das parteipolitische, gewerkschaftspolitische oder irgendwelche anderen Forderungen sind –, wenn ich bei den Anträgen nicht auf die Jahreszahl schaue, oft als Anträge erscheinen, die aktuell gestellt und beschlossen werden, denn letztendlich stellen wir seit Jahrzehnten immer wieder dieselben Forderungen, haben wir immer wieder dieselben Voraussetzungen und zeigen wir immer wieder dieselben Kriterien für diesen Bereich auf.

Wir wissen, hätten wir dieses Gleichbehandlungsgesetz im Bund nicht, der nunmehr auch einen Beitrag zur Stabilisierung der Einkommensschere leistet, hätten wir in die­sem Zusammenhang die Stabilität im Bund nicht, hätten wir wahrscheinlich in der Pri­vatwirtschaft weitaus größere Probleme, manche Einkommensbereiche zu stabilisieren beziehungsweise auch Anerkennungen für bestimmte Dinge zu bekommen wie zum Beispiel im Karenzbereich oder im Zulagenwesen oder bei den Aufstiegschancen, bei Förderplänen et cetera. Da ist der Bund natürlich richtungsweisend mit dem Gleichbe­handlungsgesetz, durch das letztendlich auch Förderpläne hervorgebracht wurden, weil man gesehen hat, dass es notwendig ist, die Dinge in dieser Weise voranzutrei­ben, was nun letztendlich auch in der Privatwirtschaft, im Arbeitsverfassungsgesetz, maßgeblich ist.

Man könnte in diesem Zusammenhang noch relativ viel erwähnen, auch dahin gehend, was der Bund durch den Beschluss dieses Gleichbehandlungsgesetzes erreicht hat, wobei es trotz der Erfolge, die auf der einen Seite sichtbar sind, doch noch viele Defi­zite gibt.

Wir sehen die Erfolge, dass auf allen Ebenen Frauen involviert werden, wir sehen aber auch die Defizite, dass es noch zu wenige sind. Ich hoffe, dass es in Zukunft doch noch weiter möglich ist, sowohl hinsichtlich der Gleichbehandlung als auch hinsichtlich der Gleichstellung der Frau zu erreichen, dass es mehr Frauen in diesen Bereichen gibt und dass auch die Wertigkeit der Frauen anerkannt wird. Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.15


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


9.16.01

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der jüngste Gleichbehand­lungsbericht des Bundes feststellt, dass in fast allen Ressorts beziehungsweise in den Obersten Organen die Frauenanteile gegenüber 2009 auf über 40 Prozent erhöht wer­den konnten.

Die öffentliche Hand hat hier aber auch eine besondere Vorbildfunktion, und es ist letztendlich auch ein Verdienst von dir, Frau Bundesminister, dass sich in diesem Be­reich immer etwas zum Positiven bewegt. Beachtlich ist zum Beispiel auch, dass bei Richterinnen und Staatsanwältinnen schon knapp die 50-Prozent-Marke erreicht wor­den ist.

Auf der anderen Seite hat es beim Krankenpflegedienst eine merkliche Steigerung bei den männlichen Arbeitnehmern gegeben. Diese positive Entwicklung hängt natürlich letztendlich mit dem steigenden Qualifikationsprofil der Frauen zusammen. So beträgt im Bundesdienst der Frauenanteil bei den Akademikern bereits fast 54 Prozent.

Im Gleichbehandlungsbericht wird klar zum Ausdruck gebracht, wo die noch immer bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen liegen. Da sind die Hauptgründe vor allem der Umfang der geleisteten Überstunden, Qualifikation, Al-


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ter und Besetzung von Leistungsfunktionen, wobei mit Abstand der wichtigste Faktor das Alter ist.

Es wird festgestellt, dass eine Reduzierung der Einkommensunterschiede nahezu von selbst kommen wird, und zwar dann, wenn sich die Altersstruktur der weiblichen Be­schäftigten im Bundesdienst jener der männlichen annähern wird. Aber auch in der Pri­vatwirtschaft stellen wir ähnliche Trends fest. Neben dem Faktor Alter müssen wir in der Privatwirtschaft erkennen, dass es noch immer viel zu viele Mädchen gibt, die sich für Berufe interessieren, in denen traditionell ganz einfach weniger bezahlt wird. Das sind zum Beispiel sehr konsumnahe Branchen. Die Löhne im von Frauen dominierten Handel, in Teilen der Gesundheitsbranche oder in der Gastronomie sind nun einmal niedriger als in den technisch-gewerblichen Berufen.

Ich höre da manchmal: Na, dann sollen halt die Branchen mehr zahlen! Ja, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Unternehmen würden schon ganz gerne mehr zahlen, aber da muss man sich als Konsument schon überlegen, ob man mit der Mentalität „Geiz ist geil“ nicht die Unternehmen einem derart harten Preiswettbewerb aussetzt, dass sie das ganz einfach nicht tun können. Das trifft auch für die kleinen Un­ternehmen zu.

Es ist auch ganz wichtig, die Mädchen dazu anzuregen, andere Berufe zu ergreifen. Wir haben da viele Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel den österreichweiten Girls’ Day. Das ist eine flächendeckende Maßnahme, die sehr wichtig ist. Ich persönlich freue mich, dass wir es in Niederösterreich geschafft haben, flächendeckend den sogenann­ten Begabungskompass einzuführen. Die Wirtschaftskammer Niederösterreich ist der Hauptträger dieser Initiative, und das Land unterstützt sie. Was ist das? Was machen wir da? – Da werden die Jugendlichen in der 3. Klasse Unterstufe auf ihre Begabun­gen, auf ihre Potenziale getestet. Diese werden sozusagen gehoben, und dann gibt es ein Gespräch mit den Eltern, wo man ihnen sagt, schaut einmal her, da liegen die Ta­lente eures Kindes, lasst es doch in dieser Sparte ausbilden, weil es da dann ganz einfach eine gute Berufsausbildung gibt und damit natürlich auch eine erfolgreichere Zukunft.

Da habe ich eine große Bitte an dich, Frau Bundesminister, dass du da deinen Einfluss geltend machst, dass man diesen Eignungstest wirklich flächendeckend, auch in allen anderen Bundesländern, macht – denn es ist wichtig, einem Mädchen zu sagen: Da bist du gut, mach deine Ausbildung in diese Richtung! Und dann werden wir auch die finanzielle Schere viel besser schließen, und vor allem bin ich dann lieber in meinem Beruf und erfolgreich.

Ich habe auch, weil mir Frauen ein großes Anliegen sind, die Organisation „Frau in der Wirtschaft“ bei uns in der Wirtschaftskammer ins Leben gerufen, weil mir wichtig war, auf die Bedeutung der Unternehmerin hinzuweisen und auch gleichzeitig die Verein­barkeit zwischen Familie und Beruf besser, auch in unseren Reihen, zu organisieren. Wir haben sehr große Schritte gemacht, weil es für uns Frauen wichtig ist, auf uns auf­merksam zu machen, auch das Selbstbewusstsein zu stärken.

Ich bin schon sehr stolz darauf, dass jedes dritte Unternehmen in Österreich von einer Frau geführt wird. Wir liegen damit im Europavergleich auf dem 3. Platz. Bei Neugrün­dungen liegt der Frauenanteil in Österreich bei 42 Prozent, in Niederösterreich bei 43 Prozent. Man muss immer wieder schauen, wo stehe ich, aber auch, wo war ich. Es ist schon ein sehr eindrucksvoller Vergleich, wenn man sich anschaut, dass vor 20 Jahren der Anteil der Gründerinnen in Niederösterreich bei 27,2 Prozent lag – wir haben da ein bisschen mehr gehabt als der Österreich-Schnitt –, und jetzt haben wir 43 Prozent. Das heißt, wir haben innerhalb der 20 Jahre einen Anstieg von 55 Prozent. Wir haben sehr viel dazu beigetragen, den jungen Frauen zu sagen, sie sollen den


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Schritt in die Selbständigkeit wagen, weil es ein sehr schöner und auch ein erfolgrei­cher Schritt ist.

Dass der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten nicht sensationell hoch ist, wissen wir, aber auch da steigt er. Momentan liegt er bei 15,7 Prozent, aber ich denke, da werden wir auch noch einiges bewegen; und mir ist es eben immer wichtig, dass man das ohne gesetzliche Regelungen macht.

Als ich in der Wirtschaftskammer begonnen habe, war unsere Wirtschaftskammerorga­nisation ganz einfach ein reiner Männerorden, und ich habe auch damals schon ge­sagt, dass ich keine Quotenfrau sein will, sondern dass wir Frauen ganz einfach auf­grund unserer Fähigkeit Funktionen übernehmen und dass wir dazu ganz einfach fähig sind und daher auch eingesetzt werden. Ich habe immer gesagt, kümmern wir uns viel weniger um die Männer, sondern schauen wir, wie wir unser Selbstbewusstsein fördern können. Ich denke, dass wir diesen erfolgreichen Pfad weiterzugehen haben.

Meine Kolleginnen und Kollegen, jeder, der mich kennt, weiß, dass mir jede Form der Diskriminierung fernliegt, dass ich sehr offen bin für andere Kulturen, für andere Welt­anschauungen und aus meiner Sicht jeder ein Leben führen soll, dass für ihn bezie­hungsweise für sie gut und richtig ist.

Ich stehe voll dahinter, dass unsere Arbeitswelt dem Gleichbehandlungsgebot und dem absoluten Diskriminierungsverbot nachkommt. Aber da ziehe ich auch freiwillige Maß­nahmen, die Anreize und die Bewusstseinsbildung nach Möglichkeit den gesetzlichen Verpflichtungen vor. Wir wissen, die Gesetze müssen jeden noch so verständlichen Einzelfall ignorieren. Freiwillige Maßnahmen und Initiativen können auf verständliche Einzelfälle Rücksicht nehmen – und das ist eines der wesentlichen Unterscheidungskri­terien, und deshalb sprechen wir uns gegen das gesetzliche Levelling-up aus.

Bei öffentlichen Angeboten und Dienstleistungen können wir ohnehin über die Bundes­ministerien und die Länder, vollkommen frei von gesetzlichen Maßnahmen, einfach das Diskriminierungsverbot aufgrund Religion, Weltanschauung, Alter und sexueller Orien­tierung durchsetzen. Das hätte die öffentliche Hand schon längst machen können. Ich frage mich, wo es zum Beispiel in Wien bei öffentlichen Bädern ein eigenes Angebot für muslimische Frauen gibt. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Gibt es!) – Aha, Dan­ke schön, dann habe ich das heute gelernt. (Bundesrat Stadler: Man lernt nie aus!) – Ja, das stimmt. Auch bieten viele private Hotels eine Textilsauna an. Wie konsequent gibt es das bei öffentlichen Bädern?

Es gibt ja auch bei Wiener Wohnen keine ausdrückliche Einladung, dass Homosexuel­le als Bewerber willkommen sind. (Bundesrat Schreuder:  Gemeindewohnungen!) Wenn in den Medien ein Beispiel erwähnt wird, dass in einem Eisenbahnwaggon nur ein dunkelhäutiger Fahrgast kontrolliert wird, die anderen Fahrgäste jedoch nicht, dann kann man das ganz einfach abstellen, indem es in der Dienstordnung ganz einfach ei­ne Aufforderung gibt, das nicht zu machen. Dafür brauche ich keine Gesetze.

Und ich finde es auch schon sehr anstößig, wenn jemand aufgrund der Hautfarbe oder auch der Kleidung oder wegen religiöser Zeichen der Zutritt in ein Lokal verwehrt wird. Aber wenn das von einer Ombudsstelle aufgezeigt wird, dann wird sich das der Unter­nehmer in Zukunft sowieso überlegen.

Eines möchte ich noch herausgreifen: Ich sehe auch, dass es zum Beispiel zu wenige Lokale gibt, die speziell für Muslime geschlachtetes Fleisch verwenden beziehungs­weise anbieten. Aber nach dem Levelling-up-Grundsatz müsste jedes Dorfwirtshaus in Zukunft ein Halal-Gericht anbieten – und das kann man doch wirklich nicht wollen; denn irgendwann kommt dann die Diskussion, ob nicht ein Halal-Gericht alleine zu we­nig ist, und ich bin da wirklich nicht bereit, dann in die Diskussion einzusteigen. (Bun­desrat Schreuder:  Schmäh!)


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Deshalb bitte ich, ist noch einmal mein Appell: Ich brauche, um wirklich ein anständiger Mensch zu sein, frei von Diskriminierungen zu sein, ganz einfach keine Gesetze, weil, wie ich ausgeführt habe, im Einzelfall die Gesetze ganz einfach  (Bundesrat Schreu­der: Und wie wehre ich mich dann?! Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ganz einfach durch die Bewusstseinsbildung. Und ich denke, dass Bewusstseinsbildung, Ombuds­stellen viel mehr Rücksicht auf Einzelfälle nehmen können.

Wir sind in Österreich in Sachen Gleichbehandlung auf einem sehr guten Weg. Schau­en wir uns das einmal an: Im weltweiten Ranking haben wir (Präsident Mayer gibt das Glockenzeichen) immerhin den 20. Platz erreicht und haben uns um 14 Plätze verbes­sert. Erfreulich ist auch, dass die Beschäftigungsquote von Frauen in Österreich sehr gut ist. Da zählen wir in Europa zu den Top 5.

Ich bitte darum, dass wir uns ganz einfach überlegen, wo kann ich Anreize schaffen, wie kann ich Abhilfe schaffen. Aber bitte reglementieren wir es nicht zu stark.  Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.27


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


9.27.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! 20 Jahre Gleichbehandlungsgesetz, 20 Jahre im Dienste der Gleichbehandlung heißt für mich – auch wenn es von der Intention her gemacht worden ist, um der Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken –, dass es in beide Richtungen gehen muss. Gleichbehandlung kann keine Einbahnstraße sein. Wir sind heute so weit, dass es auch bei Männern Diskriminierungen gibt, nicht nur bei Frauen. (Bundesrat Schennach: Jö!)

Ja, ich denke zum Beispiel – auch wenn das jetzt nicht Ihr Ressort betrifft, Frau Minis­ter, daher erwähne ich es auch nur am Rande – an Diskriminierungen bei Scheidungs­fällen, wo Väter ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen. (Bundesrätin Mag. Kurz: Na geh!) Das finde ich genauso wenig in Ordnung, wie wenn Frauen benachteiligt werden, nur ist das etwas, worüber kaum gesprochen, geschweige denn, weswegen gekämpft wird, wie für die Sache der Frauen. Ich bin eben der Meinung, das kann keine Einbahn­straße sein.

Aber man muss natürlich – das gestehen auch wir zu – sagen, dass im Zusammen­hang mit der Gleichbehandlung und dem Gleichbehandlungsgesetz auch etwas weiter­gegangen ist. Die Zahlen sind schon genannt worden. Frau Kollegin Zwazl und ich ha­ben uns offensichtlich dieselben Passagen im Gleichbehandlungsbericht angeschaut, sodass ich das nicht mehr im Einzelnen wiederholen muss.

Aber trotzdem müssen wir feststellen, dass, auch wenn der Anteil von Staatsanwäl­tinnen, Richterinnen et cetera bis und über 50 Prozent gegangen ist, wir auch im Bund bei den mittleren Einkommen immer noch einen Einkommensunterschied von 15 Pro­zent haben. Das hängt auch, wie es schon zitiert worden ist, zum Beispiel mit geleis­teten Überstunden zusammen – mit dem Alter, aber auch mit geleisteten Überstunden. Da sind wir wieder genau bei den Frauen mit Kindern, denn das sind die, die Über­stunden am wenigsten leisten wollen und auch meist nicht können. Und dadurch er­geben sich dann natürlich wieder Unterschiede.

Wir haben ja im Zuge dieser Diskussionen nicht nur einmal gefordert, dass man auch in der Karenz gewisse Kinderbetreuungszeiten, Pflegedienstzeiten anrechnen soll, um bei den Vorrückungen dabei zu sein, wo wir auch wieder den Frauen, vor allem mit Kindern, helfen würden. Das ist auch für uns ein zentraler Punkt, denn wenn man sich die Studie, den Jugendmonitor von Minister Mitterlehner anschaut und betrachtet, was


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der Wunsch der Jugendlichen ist und wie es in der Realität ausschaut, muss man sa­gen, da haben wir auch eine sehr große Schere.

Die Jugendlichen  14- bis 24-Jährige sind gefragt worden  stellen sich vor, dass sie zwei Kinder haben wollen. Die Geburtenrate liegt durchschnittlich bei 1,4. Also da kann schon einmal irgendetwas nicht stimmen. 77 Prozent sagen, sie würden gerne ihre Kin­der bis zum dritten Lebensjahr selbst betreuen. Das geht aber nicht, da das die Ein­kommensverhältnisse oft genug nicht zulassen.

Und ich muss sagen  ich kann jetzt nur für Wien sprechen, und da weiß ich es aus eigener Erfahrung aus meinem privaten Umfeld , wenn sie früher arbeiten gehen müssen, dann schauen sie einmal, wo sie einen leistbaren Betreuungsplatz bekom­men. Selbst dann, wenn sie das Kind schon bei der Geburt anmelden, sie landen ir­gendwo bei den teureren Privatkrippenplätzen. (Bundesrätin Grimling: Das stimmt ja nicht!)  Ja, das stimmt schon. Ich habe es wirklich erlebt. Das ist immer diese Antwort: „Das stimmt ja nicht!“ (Bundesrat Beer: Na sonst wären die ganzen öffentlichen leer! – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Richtig!) Es ist einfach so, und ich weiß es von vie­len anderen jungen Frauen auch.

Das heißt, das, was Sie wollen, unterstützen wir sowieso nicht zu 100 Prozent, wenn Sie nämlich sagen, die Kinderbetreuungsplätze brauchen wir, damit die Frauen wieder arbeiten gehen können. Die sind in der Zahl, wie sie gebraucht werden, gar nicht vor­handen. Das heißt, man muss immer etwas in beide Richtungen machen. Wir spre­chen immer der Wahlfreiheit das Wort – aus gutem Grund.

Oder sprechen wir vom Wunsch der Frauen  weil das gleichfalls immer so ein Thema ist, das eigentlich auch diskriminierend ist ,Teilzeit arbeiten gehen zu wollen. 77 Pro­zent der jungen Frauen wollen Teilzeit arbeiten gehen, da sie auch Zeit für ihre Kinder haben wollen. Ich finde das völlig in Ordnung und auch nachvollziehbar. Ich bekomme keine Kinder, damit ich sie in der Kinderkrippe abgebe. (Beifall bei der FPÖ, bei Bun­desräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.) Ich möchte schon selber meine Kinder aufwachsen sehen.

Und wenn man Angst hat, natürlich zu Recht, dass sich das dann negativ bei der Pen­sion auswirken könnte, haben wir auch immer gefordert, die Bemessungsgrundlage anzuheben und die Kinderbetreuungszeiten eins zu eins anzurechnen: nicht die vier Jahre, in denen der Geburtsabstand das Maß der Dinge ist, ab dem ersten Kind, son­dern man rechnet vier Jahre pro Kind. Das wäre schon eine Erleichterung für die künf­tigen Pensionen der Frauen. Aber das geschieht überhaupt nicht.

Daher bleiben wir immer noch bei dieser Forderung: Die Frauen wissen selber, was für sie und für ihre Familie gut ist, und die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass ein freies Wahlmodell für Frauen, in welcher Richtung auch immer, möglich ist. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist aber derzeit nicht der Fall, und das ist auch ein Teil der Gleichbehandlung.

Christine Bauer-Jelinek, die in dem viel diskutierten Buch „Der falsche Feind“ in Rich­tung Feminismus gesagt hat, die Revolution frisst ihre Kinder, hat natürlich recht. Es geht nämlich schon in eine Richtung des Auseinanderdriftens von Männern und Frau­en. Es sollte aber so sein, dass Männer und Frauen mit all ihren Unterschieden, die sie haben, ein Miteinander haben, wo man nicht wertet und sagt, das, was der eine kann, ist gut, und was der andere kann ist schlecht, sondern beide können etwas anderes und beides ist gleich viel wert.

Ich habe auch die Sorge, dass das immer mehr auseinandergeht, statt dass es zu­sammenkommt und ein Miteinander gibt. Da haben uns die Quotenregelungen nicht wirklich weitergebracht. Beim Rest bin ich nicht bei dir, Kollegin Zwazl, aber dass die Quotenregelungen nicht das Maß aller Dinge sind und jetzt auch nicht das große Heil bringen, sehe ich genauso. Es ist ja auch nicht so. In manchen Fällen mag es geholfen


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haben, aber als Generallinie lehne ich es nach wie vor ab, denn es gibt im öffentlichen Dienst ja trotzdem Benachteiligungen.

Ich kann mich noch erinnern, weil Kollegin Kemperle einen Fall zitiert hat, der auch schon länger zurückliegt  und wir sehen auch bei der Gleichbehandlungskommission, dass da immer wieder Beschwerden kommen, wo Frauen sich benachteiligt fühlen , in den neunziger Jahren, als ich das erste Mal im Bundesrat war, haben wir hier nämlich auch einen Fall sehr heiß diskutiert, wo es um einen Abteilungsleiterposten im öffent­lichen Dienst gegangen ist. Die Frau war die besser Qualifizierte, bekommen hat es dann der Mann. Wahrscheinlich war es Zufall, dass er der damalige Schwager von Bürgermeister Häupl war. Also Diskriminierungen gibt es auch trotz Quotenregelungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Und betreffend die Aufsichtsräte, die auch schon angesprochen worden sind, wo man sich auch auf die Quote festlegt, glaube ich, dass das ein schlechter Dienst an den Frauen ist. Es soll nicht überbleiben, dass die Frauen nur genommen werden, weil sie Frauen sind, um eine Quote zu erfüllen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder. Bundesrätin Mag. Kurz: Das wird ja nirgends mehr gemacht! Das ist ein Argument von vorgestern!) Ich glaube, das haben sich die Frauen wirklich nicht verdient. Es sollen die qualifizierten Frauen genommen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt durchaus Beispiele wie Finnland, die das auf einer freiwilligen Basis gemacht haben, wo es eine intensive Diskussion zwischen Frauen und der Wirtschaft gegeben hat und man auch zu einer Erhöhung der Zahl der Aufsichtsrätinnen gekommen ist, oh­ne gesetzliche Vorschreibung und ohne Quotenbedingungen. Das heißt, ich glaube, wenn wir das Thema Gleichbehandlung beleuchten, sollen wir darauf achtgeben, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen und am Ende den Frauen mehr schaden als wir ihnen nützen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.36


Präsident Edgar Mayer: Zu einer einleitenden Stellungnahme gelangt Frau Bundes­ministerin Heinisch-Hosek zu Wort. Auch Ihre Redezeit sollte nach Möglichkeit 10 Mi­nuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Minister.

 


9.36.13

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich wirklich, dass ich die Gelegenheit habe, in dieser Aktuellen Stunde auf der einen Seite auf 20 Jahre Gleichbehandlungsgesetz des Bundes zurückzublicken und mir auch den einen oder anderen Vergleich zur Privatwirtschaft, wie es die Vorrednerinnen durchaus getan ha­ben, zu erlauben. Ich glaube, Vergleiche sind immer gut, und der Bundesdienst und die Gleichbehandlung im Bundesdienst und die betreffenden Gesetze halten diesem Ver­gleich allemal stand.

Dies ist eine gute Gelegenheit, wieder einmal über das Thema Gleichstellung zu reden, über das Thema, wie Männer oder Frauen Beruf und Familie vereinbaren und was der Bundesdienst vielleicht das eine oder andere Mal – und ich werde das jetzt ganz kurz auch historisch abreißen – in seiner Vorbildfunktion eventuell auch für die Privatwirt­schaft vorlegen kann, damit Dinge auch schneller vorangehen.

Wir sind der größte Arbeitgeber des Landes. Wir haben heuer im Herbst wieder Ge­haltsverhandlungen. Einmal wurden diese ausgesetzt, da wir uns zu einer Nulllohn­runde bekannt haben, dazu, dass der Bund einen großen, großen Beitrag zur Konsoli­dierung für Österreich leistet. Diese Gehaltsverhandlungen werden für über 200 000 Be­dienstete geführt. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten im Bundesdienst sind bereits Frauen.


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Das war 1981 noch ganz anders. Da war Johanna Dohnal gerade einmal zwei Jahre Frauenstaatssekretärin, als sozusagen die ersten Frauenförderpläne des Bundes ver­abschiedet wurden, weil eben festgestellt wurde, dass, obwohl schon mehr als 20 Pro­zent der Beschäftigten im Bundesdienst Frauen waren, Frauen in Führungspositionen mit der Lupe zu suchen waren. Daher war es damals wichtig – noch lange bevor das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet wurde, aber gleich zwei Jahre nach der Verabschiedung des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft –, damit zu beginnen, gesetzlich verpflichtende Frauenförderpläne einzuführen.

Sie sehen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es hat auch 20 Jahre gebraucht, bis wir die Zahlen, die wir jetzt auch sehr stolz vorweisen können, erreicht haben. Das heißt, das ist keine Sache von heute auf morgen und schon gar keine Sache, wie ich meine, ja, wovon ich zutiefst überzeugt bin, von reiner Freiwilligkeit (Beifall bei der SPÖ), denn hätten wir nicht vor 20 Jahren mit gesetzlichen Maßnahmen begonnen, so könnten wir, glaube ich, heute nicht sagen, dass wir 16 weibliche Sektionschefinnen haben. Das sind immerhin 24 Prozent. Man kann sagen, ein Viertel aller Spitzen-Spit­zen-Spitzenfunktionen im öffentlichen Bereich sind von Frauen besetzt. Und wenn ich mir die zweite und dritte Führungsebene anschaue, dann, muss ich sagen, sind es über 30 Prozent.

Wenn ich da einen Vergleich mit der Privatwirtschaft ziehe, dann, muss ich sagen, schaut es dort ganz anders aus. Auch das hast du, Frau Kollegin Zwazl, gerade aus­geführt: dass die Zahl von Frauen in Aufsichtsratsfunktionen – du sagst 15, ich habe hier die Zahl 13, sei’s drum – nicht sehr berauschend ist. Es ist doch so, dass nicht ein­mal 4 Prozent der Vorstandspositionen in börsennotierten Unternehmen von Frauen (Ruf bei der SPÖ: Traurig!) besetzt sind. Im Gegensatz dazu werden 24 Prozent der Spitzenfunktionen im öffentlichen Dienst – nur noch einmal zum Vergleich – von Frau­en eingenommen.

Das heißt: Der Ministerratsbeschluss im Jahr 1981 hat bewirkt, dass man sich der Frauenförderung, des Potenzials an Mitarbeiterinnen, die ja da waren – noch in gerin­gerer Anzahl, wie gesagt –, bewusst wurde. Der Frauenanteil im Allgemeinen konnte in den Jahren davor auch gut gesteigert werden, aber gezielte Frauenförderung gibt es seit dem Jahr 1981.

1990 haben sich SPÖ und ÖVP in einem Arbeitsübereinkommen in Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft, aber auch in Vorbereitung auf die UNO-Konvention zur Beseiti­gung jeglicher Diskriminierung von Frauen entschlossen, dass dieses Gleichbehand­lungsgesetz für den Bund verabschiedet werden soll. Das ist am 13. Februar 1993 er­folgt.

Ich möchte kurz etwas zitieren, weil wir uns heute vermutlich die Frage stellen, wie aufgrund der Daten und Fakten, die damals vorgelegt wurden, solche Aussagen auf Dohnal niederprasseln konnten. Damals wurde ein Bericht über den Fortschritt der Frauenförderung zwischen 1988 und 1992 vorgelegt, es war der fünfte Bericht insge­samt, und dieser hat gezeigt, dass sich noch nicht so viel bewegt hat; deswegen haben wir das Gleichbehandlungsgesetz für den Bund 1993 verabschieden können.

Da war dann aber zu lesen, der Bericht sei zu zynisch und zu aggressiv abgefasst. – Er hat aber nur aus Zahlen, Daten und Fakten bestanden; da wurde einfach nur Res­sort um Ressort abgehandelt und aufgezeigt, wie wenig Frauen in Führungspositionen sind. Auf Wunsch des damaligen Koalitionspartners, also auf Wunsch der ÖVP – steht in den „Salzburger Nachrichten“ vom 16. April 1993 –, wurde er dann sozusagen auf unbestimmte Zeit zurückgestellt – was aber nichts an der Tatsache geändert hat, dass noch sehr wenige Frauen in Führungspositionen waren.

Egal, lassen wir die Vergangenheit ruhen! Ich glaube, dass wir sagen können, dass in dieser Zeit sehr, sehr viel weitergegangen ist, und ich bekenne mich dazu, dass es drei


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Gründe dafür gibt: Es war die verpflichtende Frauenförderung ein Grund, dass wir heute ebenso gut dastehen. Es gab von Beginn an, seit 1993, auch eine Quotenrege­lung diesbezüglich, das heißt, dass bei gleicher Qualifikation das unterrepräsentierte Geschlecht so lange zu bevorzugen ist, bis der Frauenanteil oder eben der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts bei einer Quote von – damals – 40 Prozent liegt.

Ich bin sehr stolz, dass wir mittlerweile bei einer Frauenquote von 50 Prozent sind, weil wir schon einige wenige Bereiche hatten, in denen wir sehr viele Frauen in diesen Füh­rungspositionen begrüßen konnten. Daher konnten die 50 Prozent dem Bevölkerungs­anteil 2012 entsprechend beschlossen werden.

Es war also die Frauenförderung und es waren die gesetzlichen Quotenregelungen, die Prozesse beschleunigt haben. Es hat sich nie eine unterqualifizierte Frau bewor­ben, sie hätte nämlich die angestrebte Position nicht bekommen, sondern es ist immer um Fälle gegangen, in denen gleiche Qualifikation gegeben war. Es ist immer der oder die Bessere genommen worden, da brauchte man das Gesetz nicht zur Anwendung zu bringen. Aber wenn eine Position zu besetzen war und sich zwei gleich qualifizierte Menschen um diese Position beworben hatten, dann haben wir beim Bund geschaut, dass das unterrepräsentierte Geschlecht zum Zug kommt.

Der dritte Grund ist die Gehaltstransparenz, die im Bund immer schon geherrscht hat.

Vielleicht auch noch zu den Ausführungen der ersten Rednerin, von Frau Kollegin Kemperle: Es war ja 1979 in der Privatwirtschaft wirklich die Tatsache der Ungleichhei­ten beim Lohn der Anlass dafür, dass man das Gleichbehandlungsgesetz für die Pri­vatwirtschaft verabschiedet hat. Seither gab es viele Novellen, vieles ist geschehen, gute Dinge.

Beim Bund gab es schon immer Gehaltstransparenz, man wusste von den Einstufun­gen her schon immer, wer was verdient. Dennoch – da stimme ich mit Kollegin Zwazl und anderen Vorrednerinnen überein – ist es so, dass die 15 Prozent Gehaltsunter­schied im öffentlichen Dienst, die zum Großteil erklärbar sind, nicht hinzunehmen sind, keine Frage! Es besteht noch immer ein Unterschied von 8 Prozent zur Privatwirt­schaft, weil – und ich sage es jetzt einmal sehr flapsig und salopp, verzeihen Sie mir diese Ausdrucksweise – es sehr viele ältere Männer im Beamtenstatus gegenüber vielen jungen weiblichen Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst gibt. Dieser durch das Senioritätsprinzip entstandene Gap, dieser Unterschied, ist natürlich auch dadurch zu erklären.

Es wurde auch schon gesagt, dass selbstverständlich auch im öffentlichen Dienst mehr Männer als Frauen Überstunden machen, in einigen Ressorts natürlich fast zwingend, wie beispielsweise im Innenministerium, denn Polizistinnen, die nach der Babypause wiederkommen, gehen eine Zeit lang auf Teilzeit; das wissen wir auch aus den Statis­tiken. Es fallen aber in sehr intensiven Ressorts wie dem Innenressort sehr viele Über­stunden an. Auch das ist eine Erklärung.

Da könnte man natürlich auch überlegen, ob man nicht zum Schutze der Mitarbeiter ir­gendwann eine Reduktion der Überstunden anordnen könnte, damit diese Menschen neben ihren Berufen auch leben, aber da müssten wir gleichzeitig auch schauen, dass wir die 1 000 Planstellen mehr für die Exekutive (Beifall bei Bundesräten der SPÖ – Bundesrat Ertl:  seit jeher gefordert!), dass wir die sukzessive beibehalten können, weil es ja zu wenige gegeben hat. Zwischen 2000 und 2006 sind in diesem Bereich 3 500 Planstellen abgebaut worden – das war nicht unter der jetzigen Regierung, da­ran möchte ich nur erinnern –, und wir versuchen, das jetzt schön langsam wieder auf­zuholen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Grund ist, dass natürlich Vereinbarkeitsfragen im Allgemeinen logischer­weise auch den öffentlichen Dienst betreffen. Auch wenn das Bundeskanzleramt er-


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freulicherweise einen Betriebskindergarten führt, wenn erfreulicherweise das Innenmi­nisterium gerade einen eröffnet hat, so ist es doch für Männer und Frauen im öffent­lichen Bereich immer noch eine schwierige Frage, Beruf und Familie zu vereinbaren. Der Papa-Monat ist daher eine ganz hervorragende Sache, die gelungen ist.

452 Papas haben den Papa-Monat im öffentlichen Dienst, im Bundesdienst mittlerweile in Anspruch genommen. Wir haben auch etwa 10 Prozent Väter in Karenz. (Ruf bei der FPÖ:  bezahlt dafür!) Das bedeutet, auch der Privatwirtschaft die Angst davor zu nehmen. Wenn ein Papa-Monat eingeführt werden würde – da ist jetzt noch ein biss­chen das Eis zu schmelzen, stelle ich fest, aber ich werde es weiterhin versuchen –, wäre das etwas, was den Kindern, den Vätern und den Müttern etwas bringen würde. Gerade in der ersten Zeit nach der Geburt eines Kindes wäre es durchaus angebracht, dass man hilfreich zur Seite steht und eine erste Bindung zum Kind aufbauen kann, damit dann der eine oder andere Vater auch die Karenz, die ihm rechtmäßig zusteht, in Anspruch nehmen könnte. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Viele, viele Highlights gäbe es noch zu erwähnen, die wir im öffentlichen Bereich der Privatwirtschaft voraushaben. Wir konnten die letzte Novelle noch nicht verabschieden, weil es genau um diese Diskriminierung außerhalb der Arbeitswelt ging, die auch er­wähnt wurde, wo ich nicht ganz einsehe, dass Aussagen fallen wie: Na Sie werden doch nicht an ein schwules Paar eine Wohnung vermieten, wenn daneben eine Familie mit Kindern wohnt, das ist doch nicht zumutbar! – Das wurde von einem sehr hoch­rangigen Vertreter unseres Koalitionspartners geäußert.

Da sollten wir in unserem Denken, in unseren Köpfen schon einen Schritt weiter sein, denke ich, dass wir Diskriminierung nicht so weit fassen, dass das bis zum Vermieten von Wohnungen geht. Ich kenne beispielsweise auch Fälle vom Klagsverband, das ist eine NGO, die Menschen vertritt, die außerhalb der Arbeitswelt diskriminiert werden. Eine Frau, die ein Kopftuch getragen hat, wurde zum Beispiel aus einer Boutique hi­nausgeschmissen, und es wurde ihr gesagt: Bei mir kaufst du nicht ein!

All das könnten wir betreffend den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen mit dem nächsten Schritt, mit diesem Levelling-up, regeln, nämlich: Diskriminierung darf nicht stattfinden aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Weltanschauung oder der Religion. Es wäre wichtig, dass wir diesen Schritt gemeinsam schaffen. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Ich glaube, dass in vielen Bereichen der öffentliche Dienst herangezogen wird, um zu sagen: Sei doch Vorbild! Ich glaube, wir sind in vielen Be­reichen Vorbild für den privaten Bereich und die Privatwirtschaft, etwa in Bezug auf Frauenförderpläne, die ich wollte und noch nicht habe – dafür werde ich weiterkämp­fen –, die Quotenregelung, die ich wollte und noch nicht habe – dafür werde ich weiter­kämpfen –, den Papa-Monat, der noch kommen muss. Hier könnte der Bund durchaus ein positives Vorbild sein, damit sich unsere Gesellschaft ein Stück weit von der Gleichstellungsorientierung her besser darstellen könnte. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.48


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin. – Ich mache darauf aufmerk­sam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Be­ratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


9.49.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Wenn ich mir einmal etwas wünschen dürfte – denn ich habe natürlich auch heute ein biss-


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chen tradiertere Rollenbilder vermittelt bekommen –, dann wäre das, dass wir eine Gleichstellungs- und Gleichbehandlungsdebatte führen und nur Männer sich zu Wort melden, denn eine Gleichstellung und eine Gleichbehandlung wird nur dann funktionie­ren, wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten und nicht ausschließlich Frauen sie ge­genüber Männern einfordern. (Beifall bei Grünen und SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir haben das ohnehin jetzt gerade gehört: Solange dies eine Frauendebatte ist und ausschließlich von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Rede ist – es ist ja auch so, dass Journalisten und Journalistinnen immer nur Frauen fragen, wie sie das verein­baren, und Männer nicht –, so lange haben wir ein Problem.

Man sagt immer, Frauen wollen die Kinder beim Aufwachsen sehen. Da stelle ich mir die Frage: Was ist mit den Männern? Die wollen das ja auch, das soll ja für alle gleich gelten! Deshalb gibt es auch ein klares Ja von unserer Seite zum Papa-Monat. Wenn man nur bedenkt, welche Ideologiedebatten auf uns zukommen, wenn wir über den Papa-Monat diskutieren, dann wissen wir ja schon, in welchem Prozess wir uns eigent­lich befinden.

Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – darum geht es ja, dass es dieses seit 20 Jah­ren gibt – ist natürlich ein Mosaikstein in einem langen Prozess. Die Historikerinnen und Historiker streiten, wie lange es die Frauenbewegung schon gibt, aber man kann sagen: weit über 100 Jahre. Und jetzt sind wir immer noch in einer Phase, in der wir darüber diskutieren müssen, weil eben noch vieles nicht erreicht ist.

Bilder, wie wir sie gestern und vorgestern in allen Medien weltweit gesehen haben, Bil­der, die zeigen, wie Männer entscheiden, welcher Mann einen global bedeutenden Posten innehaben wird, das sind Bilder, die eine Gesellschaft prägen. Das ist natürlich eine jahrhundertealte Tradition, das weiß ich, aber solange solche Bilder tradiert wer­den und vermittelt wird, Frauen haben nichts zu sagen, so lange werden wir auch kämpfen müssen; so sehe ich das.

Es wurde schon vieles von dem, was ich vorbereitet habe, gesagt. Ich wollte auch die Unterschiede zur Privatwirtschaft, die Frage von älteren Menschen im Bundesdienst thematisieren. Junge Frauen im Bundesdienst sind vor allem jetzt noch in jenen Berei­chen tätig, in denen die Einkommen niedriger sind.

Diesbezüglich ist alles gesagt, deshalb möchte ich noch auf ein paar Dinge hinweisen. Wir Grüne haben das schon öfter angesprochen – es liegt ja auch ein Entschließungs­antrag im Nationalrat; vielleicht können wir uns da zusammenraufen, zumindest in die­sem Bereich –: Es gibt in Deutschland sehr erfolgreiche und interessante Modelle, wie Frauen – aber nicht nur Frauen, in diesem Fall gilt das auch für Migranten und Migran­tinnen – sich sozusagen diskriminierungsfrei für den Bundesdienst bewerben können.

In Deutschland gibt es Versuche zu anonymisierten Bewerbungen, das heißt, man kann nicht sofort am Namen erkennen, dass der Bewerber einen türkischen Back­ground hat oder ob es eine Frau ist, sondern da geht es ausschließlich um die Quali­fikation. Man muss das ja nicht sofort einführen, aber da wären wirklich Pilotprojekte im Bundesdienst sehr spannend, um zu sehen, welche Auswirkungen das auf die Auf­nahme von Menschen hat.

Wir glauben natürlich auch, dass im Fall einer wirklich stattfindenden Diskriminierung – und wir haben ja zum Glück im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz eine kluge Antidis­kriminierungspolitik im Vergleich zum Privatdienstrecht; aber da möchte ich später noch auf die Ausführungen von Frau Zwazl eingehen – die Strafen, sage ich einmal, wenn jemand akut diskriminiert wird, auch so angesetzt werden, dass das eine ab­schreckende Maßnahme ist. Das halte ich für ganz wichtig. Der öffentliche Dienstgeber sollte aus unserer Sicht bei Schadenersatzforderungen auch an das Ergebnis der Gut­achten der Bundes-Gleichbehandlungskommission gebunden sein.


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Wie schon erwähnt – und da bin ich Frau Kollegin Zwazl dankbar –, gibt es in der Pri­vatwirtschaft Diskriminierungslevels, die von jenen im Bundes-Gleichbehandlungsge­setz abweichen. Ich bin nicht Ihrer Meinung – und zwar dezidiert, ganz klar nicht Ihrer Meinung –, dass es mit einer Ombudsstelle getan wäre, denn es macht einen gewalti­gen Unterschied, ob jemand, der diskriminiert wurde, irgendwo hingehen und: Bitte, bitte!, sagen muss und auf den Goodwill angewiesen ist (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) oder ob er einen Rechtsanspruch hat und sich wehren kann. Das ist ein riesen­großer Unterschied! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wenn man aus einem Lokal hinausgeschmissen wird und dann: Bitte, bitte!, sagen muss und wenn dann ein Ombudsmann hingeht und der Lokalbesitzer: Nein!, sagt (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, nein!), dann gilt das Nein und dann gibt es keine Handhabe, kein Garnichts. (Bundesrätin Zwazl:  Klage!)

Lesen Sie sich die Stellungnahme des Klagverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern durch! Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass Menschen, die aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und des Geschlechts diskriminiert werden, in der Privatwirtschaft besser geschützt sind als Menschen, die aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion oder der Weltanschauung diskriminiert wer­den. Entweder man ist für Antidiskriminierung oder man ist gegen Antidiskriminierung; wer unterscheidet, ist gegen Antidiskriminierung. Das ist ÖVP-Politik, und das ist von gestern. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

9.54


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


9.54.45

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Bevor ich mit dem eigentlichen Thema beginne, möchte ich auf zwei Punkte hinweisen: Wir, die SPÖ, stehen zur Wahlfreiheit. Jede Frau kann und darf und soll sich selbst entscheiden (Beifall des Bundesrates Dönmez), ob sie er­werbstätig ist oder nicht, wie sie erwerbstätig ist, ob sie Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Aber: Man muss den Frauen, die sich für die Teilzeitarbeit oder -erwerbstätigkeit ent­scheiden, auch sagen, dass die Möglichkeit besteht, dass sie im Alter armutsgefährdet sein können. Diese Informationen muss man auch weitergeben.

Du, liebe Frau Präsidentin Zwazl, hast gesagt, dass die Qualifikation und die Fähigkei­ten für die Frauen maßgebend sind. Da muss ich schon darauf hinweisen, dass wir mehr Maturantinnen als Maturanten haben, dass wir mehr Uni-Absolventinnen als Uni-Absolventen haben – aber in der Führungsriege, in den Führungspositionen dominie­ren noch immer mit 96 Prozent die Männer. (Ruf bei der SPÖ: Genau! – Bundesrätin Zwazl: Das ist ein Zeitfaktor! Das ändert sich !) – Ja, genau, das ist ein Zeitfaktor.

Und damit komme ich jetzt zum eigentlichen Thema: Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichberechtigung und Gleichstellung kann man nicht einfach mit einem Gesetz realisieren. Gleichberechtigung und Gleichstellung werden gelebt – oder auch nicht. Gleichberechtigung und Gleichstellung sind verbunden mit Bewusstseinsbildung, und da muss im Kopf etwas umgeschaltet werden. Das geschieht im Kopf, denn ich glaube, die Einstellung und nicht das Geschlecht trennt uns. Und im 21. Jahrhundert müssten Gleichberechtigung und Gleichstellung eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Es hat sich vieles verändert. Es wurde schon sehr viel gesagt, ich möchte aber dir, lie­be Frau Bundesministerin, trotzdem für viele Maßnahmen danken, die es Frauen und Männern ermöglichen oder ihnen helfen, gleich behandelt beziehungsweise gleichge-


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stellt zu werden. Ich möchte den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die fi­nanzielle Förderung für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen erwähnen.

Es wurde das Thema Kindergarten in Wien angesprochen – ich glaube, du hast das gesagt, liebe Frau Kollegin Mühlwerth –: Bin ich richtig informiert, ist der Kindergarten in Wien nicht gratis? (Zwischenruf bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.) – Also dann verstehe ich das im Grunde genommen nicht.

Ich möchte dir, liebe Frau Ministerin, für den Gehaltsrechner danken. Ich möchte dir, liebe Frau Ministerin, für das einkommensabhängige Kindergeld danken, und ich könn­te noch sehr viel aufzählen. Es ist vieles geschehen, ich muss aber auch sagen, es wartet noch sehr, sehr viel Arbeit auf uns. Da möchte ich einen Satz aufgreifen, den mein Vorredner, Bundesrat Schreuder, gesagt hat: Für die Gleichstellung und für die Gleichberechtigung sind nicht wir Frauen alleine zuständig; für die Gleichstellung und für die Gleichberechtigung sind wir alle, Männer und Frauen, verantwortlich. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir als Frau, über die Gleichstellung von Männern in puncto partnerschaftliche Erziehung zu reden. Es wäre wunderschön, wenn wir auch in der Privatwirtschaft den Vätern die Möglichkeit geben würden, einen Papa-Monat zu nehmen, und zwar will ich einen bezahlten Papa-Monat. (Bundesrat Dönmez: Da sollten wir Politiker als Beispiel vorangehen !) – Das weiß ich, ja. Ich glaube auch, das wäre ein Punkt. (Bundesrat Ertl: bezahlter Papa-Monat auch nicht möglich!)

Ich glaube, dass man mehr Väter motivieren sollte, in Karenz zu gehen, denn Erzie­hung ist etwas Wunderschönes, nicht nur für die Mutter, sondern auch für den Vater. Und ich meine, eine partnerschaftliche Erziehung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist positiv für die Entwicklung des Kindes, wirkt sich aber auch positiv auf den Vater aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe am Anfang gesagt: Gleichstellung und Gleichberechtigung kann man leben oder nicht. Ich würde mir wünschen, dass im 21. Jahrhundert diese Gleichberechtigung und Gleichstellung Selbstverständlichkeit werden und dass wir darüber nicht mehr zu reden brauchen.

(Die Rednerin setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.) 

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.00


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.00.33

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Verehrter Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wir können froh sein, in einem Land zu leben und zu arbeiten, in dem die Menschenrechte und die Grundrechte in der Bundesverfassung verankert sind. So sind gemäß Artikel 7 alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich.

Wir haben – es wurde schon angesprochen – seit 1979 das Gleichbehandlungsgesetz und seit 1993 das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, und es ist seit diesen Jahren wirklich sehr viel geschehen, Verbesserungen wurden gesetzt, und 2004 wurde der Diskriminierungstatbestand hinzugefügt. Daher darf es jetzt in der Arbeitswelt aufgrund des Geschlechts, des Alters, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der sexuellen Orientierung oder einer Behinderung niemals zu Benachteiligungen kommen.

Ich möchte jetzt einige Punkte anführen, wo eine unmittelbare Diskriminierung unter Umständen gegeben sein könnte, dieser Fall aber nicht eintreten darf, etwa wenn an


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einem Studiengang Studenten über 30 nicht mehr teilnehmen könnten, wenn in einem Studiengang keine ausländischen Bewerber aufgenommen werden oder wenn jemand mit dunkler Hautfarbe in ein Restaurant gehen will und ihm dort der Zutritt verwehrt würde. – Das letzte Beispiel zeigt auf, dass die Gleichbehandlung beim Zugang zu Wa­ren und Dienstleistungen auch im Bereich des Geschlechts und der ethnischen Zuge­hörigkeit gilt.

Wir haben heute schon über die Ausweitung des Levelling-up diskutiert, und ich möch­te nochmals bekräftigen, dass wir nicht für eine generelle Ausweitung sind, denn wirt­schaftliche Freiheit muss bestehen bleiben und gegeben sein. Wenn zum Beispiel ein Friseur ein Kind nicht mehr drannehmen kann, weil es schon spät ist, dann darf das nicht ein Grund für eine Klage sein. Wir können uns aber vorstellen, dass in Einzelge­setzen die Gleichbehandlung außerhalb der Arbeitswelt eingeführt wird, allerdings nicht generell.

Ich glaube, die Anwendung des Gender Mainstreaming ist in allen Lebensbereichen eine Zielsetzung, die wir heute im Rahmen des Jubiläums „20 Jahre Bundes-Gleichbe­handlungsgesetz“ diskutieren sollen, denn die Anerkennung der Gleichbehandlung der Geschlechter und das Recht auf gleiche Teilnahme an allen Bereichen des Lebens bil­den ein grundlegendes Menschenrecht. Es sind die Interessen von Frauen und Män­nern zu berücksichtigen. Im Zuge des Gender Mainstreaming werden nicht Männer und Frauen als gleich angesehen, sondern man schaut, wie entsprechende Rahmen­bedingungen auf Frauen und Männer wirken, und zwar mit dem Ziel der Gleichstellung. Daraus leiten wir dann spezielle Maßnahmen für die Förderung von Frauen, für die Förderung von Familie und Beruf, aber ebenso auch spezielle Männerangebote ab.

Es wurde heute schon angesprochen: Wir haben 2011 die freiwillige Frauenquote in Betrieben beschlossen. Dabei haben wir auch beschlossen, dass wir das 2018 eva­luieren und dann die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen werden, denn wir sehen europaweit, dass die Zahl von Frauen in Führungspositionen zunimmt und dieser Trend anhaltend ist.

Es wurde heute schon von vielen Rednerinnen vor mir bekräftigt, dass uns die Ent­scheidungsfreiheit wichtig ist, und die Entscheidungsfreiheit der Frauen ist auch der ÖVP sehr wichtig, denn Mütter, die arbeiten wollen, sollen die Möglichkeit zur Verein­barkeit von Familie und Beruf haben. In diesem Zusammenhang gibt es viele Betreu­ungsangebote. Gerade wir in Niederösterreich haben auch die Nachmittagsbetreuung eingeführt. Das ist eine gute Sache. Allerdings sollen Mütter, die zu Hause bei ihrem Kind bleiben wollen, auch diese Möglichkeit haben und nicht gezwungen werden, einer Arbeit nachzugehen.

Wir von der ÖVP setzen uns intensiv mit dem Thema Vereinbarkeit auseinander. So haben wir auch zur Schaffung und Einführung des flexiblen Kinderbetreuungsgeldes maßgeblich beigetragen, und zwar natürlich auch für Studentinnen, Unternehmerinnen und Bäuerinnen. Wir haben auch die Elternteilzeit und damit auch den Kündigungs­schutz bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes eingeführt. Das ist eine wirklich gute Sache. Es wurde heute schon angesprochen, dass über 70 Prozent diese Möglichkeit in Anspruch nehmen und dass es kein Minderheitenprogramm mehr ist.

Unser Ziel ist es auch, die Karenz für Väter so interessant zu machen, dass auch die verstärkt angenommen wird. Dies ist ein wichtiger Punkt für die Zukunft.

Zum Abschluss: Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Frauen untereinander stärker „netzwerken“. Ich glaube, da können wir von den Männern noch sehr viel lernen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.06



BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 22

Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Pirolt. Ich erteile es ihm.

 


10.06.13

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Aus aktuellem Anlass möchte ich sagen: Es gibt seit wenigen Stun­den einen neuen Papst. Die Kirche selbst schert sich um Gleichbehandlung und Gleich­stellung allerdings (Bundesrat Schreuder: Nicht viel!) relativ wenig.

Insgesamt gehe ich aber doch davon aus, dass Gleichbehandlung und Gleichstellung vor allem in kleinen öffentlichen Einheiten wie etwa in kleinen Gemeinden immer sehr gut funktioniert haben. Dort liegen die Beschäftigungsquoten durchaus bei 50 Prozent und darüber. Im Hinblick darauf kann man heute auch etwas zur Entschärfung bei­tragen.

Etwas erlebe ich aber tagtäglich und ständig: Wir erleben selbstbewusste Frauen im Arbeitsleben, im Berufsleben und in der Familie. Wir erleben sie als Unternehmerinnen, wir erleben sie als Chefinnen. All diese Frauen wurden selbstbewusst, weil sie – zu­meist familiär – selbstbewusst erzogen wurden, weil entsprechende Werte vermittelt wurden und die Frauen damit das Rüstzeug haben, um im Wirtschaftsleben und im Gesellschaftsleben, also einfach im Leben insgesamt, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür, dass man fest auf dem Boden steht, reicht zumeist eine linke Weltanschauung nicht aus, das genügt nicht. Vielmehr muss man an sich arbeiten. Da reicht es nicht, wenn man gesetzlich Quoten vorgibt, denn Quoten können für Frauen unter Umständen gleichsam eine Diskriminierung bedeuten. Eine Frau muss nämlich mindestens gleich gut sein. Man denkt jetzt auch schon daran, dass Qualifikationen nicht unbedingt das Erste sein sollen. Und wenn man zu gendern versucht, dann wird es überhaupt peinlich für die Frauen. Ich kenne, ehrlich gesagt, keine Frau in meinem Umfeld, die diesen Nonsens der Genderei überhaupt versteht. Das wird maximal belächelt, das braucht eine selbstbewusste Frau überhaupt nicht! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Gesetze werden für ein selbstbewusstes Auftreten von Frauen nicht genügen. Viel­mehr muss die Gesellschaft Frauen von sich aus und innerlich – wie ich jetzt sagen möchte – als gleichwertig betrachten und behandeln. Etwas hat das Gleichbehand­lungsgesetz jedenfalls sehr schnell erreicht und damit eine Gleichbehandlung herge­stellt: Es hat vor nicht allzu langer Zeit einen Herrn Frauenministerin Haupt gegeben. Das war sehr interessant, auch da hat das Gesetz voll durchgegriffen!

In diesem Sinne bekenne ich mich zur Gleichbehandlung. Ich erlebe sie tatsächlich, und das sollten wir alle innerlich tun, dann brauchen wir ein weiter ausformuliertes Ge­setz in dieser Hinsicht nicht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.09


Präsident Edgar Mayer: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch ein­mal Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


10.09.29

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich glaube, es geht uns allen um eine humanistische, demokratische Weltanschauung, und dabei muss Gleichstellung absolut ihren Platz fin­den, weil wir ja niemanden diskriminieren wollen. Wenn wir halbe-halbe auf dieser Welt leben und in New York bei der UNO gerade das Thema „Gewalt an Frauen“ weltweit debattiert und diskutiert wird, dann ist es nur recht und billig, dass es dabei weder um links noch um rechts, sondern um demokratisch und humanistisch gehen muss.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 23

Ich möchte ganz kurz auf zwei, drei Punkte eingehen. Zunächst zu den anonymisierten Bewerbungen: Diese sind im öffentlichen Dienst deswegen nicht notwendig, weil zu ei­nem Erstgespräch alle, alle, alle eingeladen werden. Bei den anonymisierten Bewer­bungen in der Privatwirtschaft, hinsichtlich welcher von einigen Unternehmen schon ein Projekt gestartet wurde und ich eine Kooperation beginnen konnte, geht es nur um die Ersteinladung zu einem Bewerbungsgespräch. Bei der Zweiteinladung, die dann zu einem Bewerbungsgespräch von Angesicht zu Angesicht führt, kann man leider noch immer nicht verhindern, dass jemand aufgrund von Geschlecht oder Alter diskriminiert wird. – Ich halte also im öffentlichen Dienst eine Anonymisierung deswegen für nicht notwendig, denn wenn das Profil passt, dann werden Männer wie Frauen, egal, woher sie kommen beziehungsweise wie alt sie sind, eingeladen, und erst beim Zweitge­spräch wird geschaut, wer gebraucht wird und wer nicht. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt: Der Papa-Monat in der Privatwirtschaft ist finanziell abgesichert. Es ist ein Irrtum, wenn jemand glaubt, dass das nicht der Fall wäre. Mein Vorschlag ist es, über das Kinderbetreuungsgesetz vorzugehen: Der Vater zieht einen Monat seines Rechtsanspruches als eine Art Frühkarenz in den Mutterschutz vor und erhält diesen Betrag, den er auch erhielte, wenn er in Karenz gegangen wäre oder noch in Karenz gehen kann. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Letzter Punkt: Ich glaube, dass es wichtig ist, allen zu danken, die seit 20 Jahren im Dienste der Gleichstellung tätig sind. Viele davon sind auch ehrenamtlich tätig oder ein bisschen freigestellt für eine Tätigkeit, die sie im Bundesdienst ohnehin haben, in den Senaten, in den Kommissionen, als Beauftragte in den Ressorts, als Arbeitskreisvor­sitzende oder -mitglieder für das Thema Gleichbehandlung, als Gender-Mainstreaming-Beauftragte oder Gender-Budgeting-Beauftragte. All diese Frauen und Männer sind seit 20 Jahren im Dienste der Gleichstellung im öffentlichen Bereich im Bund, in den Ländern oder in den Gemeinden tätig, und all diesen Personen möchte ich ein herzli­ches Dankeschön sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

10.12


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Die gute Nachricht zum Schluss zum Thema Gleichstellung und Gleichbehandlung: In den nächsten Jahren wird sich dem Vernehmen nach die Quote der Präsidentinnen im Bundesrat um 200 Prozent erhöhen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.13.00Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Vorarlberg
gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Edgar Mayer: Ich gebe bekannt, dass der Herr Landeshauptmann von Vor­arlberg, Mag. Markus Wallner, seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Gemeinsam Verantwor­tung tragen“ abgeben zu wollen.

Ich darf im gleichen Atemzug den Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner herz­lich begrüßen und ihm für die feine Einladung zum gestrigen Vorarlberg-Abend, der all­gemein gut angekommen ist und mit großem Lob bedacht wurde, danken. Guten Mor­gen, Herr Landeshauptmann! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf auch die Delegation aus Vorarlberg, angeführt von Landtagspräsidentin Dr. Ga­briele Nußbaumer und Landesamtsdirektor Dr. Günther Eberle, herzlich begrüßen. Gu­ten Morgen, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)


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Ich freue mich auch, dass unser Klubobmann Karlheinz Kopf sich Zeit genommen hat, hier zu erscheinen. Guten Morgen, lieber Herr Klubobmann! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich darüber hinaus bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an diese Erklä­rung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, wer­de ich diesem entsprechen.

Ich erteile nun Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

Erklärung des Landeshauptmannes von Vorarlberg
zum Thema „Gemeinsam Verantwortung tragen“

 


10.14.06

Landeshauptmann von Vorarlberg Mag. Markus Wallner: Herr Präsident! Herr Vize­präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier und heute vor Ihnen sprechen zu dürfen!

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um Ihnen einige Schwerpunkte des Vorarl­berger Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz ein wenig vorzustellen. Ich werde dabei nicht allzu sehr ausschweifen, aber doch einige Eckpunkte ansprechen und auch Erläuterungen zu der einen oder anderen aktuellen Fragestellung geben.

Meine Damen und Herren! Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern steht gerade in einer Zeit wie heute vor recht intensiven Herausforderungen. Ich sage das ganz be­wusst. Das gilt nicht nur innerhalb der Grenzen Österreichs – dort ist es ohnehin klar –, sondern auch vor dem Hintergrund einer europäischen Dimension.

Gerade im internationalen Standortwettbewerb geht es logischerweise ganz stark – ich sage jetzt: in erster Linie – um bundesweite Rahmenbedingungen, etwa in der Frage der Steuerpolitik, die uns beschäftigen wird, im Bildungssystem beziehungsweise im Schulsystem. Es ist in jedem europäischen Vergleich nachgewiesen, dass Staaten und Regionen mit einem guten Ausbildungssystem die Chance haben, die Nase vorne zu haben.

Aber auch im Bereich der Forschung und Entwicklung und auch – und darüber sollte man etwas mehr nachdenken – in der Frage der Regelungsdichte für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt gibt es Handlungsbedarf.

Es geht ebenso darum, dass wir in den Ländern und Regionen auch weiterhin in der Lage sind, die regionalen Möglichkeiten und Chancen auszubauen. Wenn ich an mein Bundesland denke, dann liegt das auf der Hand. Wir stehen im direkten Wettbewerb mit europäischen Topstandorten um uns herum, etwa im Hinblick auf den Raum Baden-Württemberg, auf die Schweiz, Frankreich, Oberitalien und auf große Teile Deutsch­lands wie etwa Bayern. Unsere Region ist also direkt umgeben von europäischen Top-Wirtschaftsstandorten, und wir sind natürlich aufgefordert, intensiv dafür zu sorgen, dass wir auch im regionalen Standortwettbewerb mithalten können.

Das heißt sozusagen als Eingangsthese: Es geht um richtig verstandenen und geleb­ten Föderalismus. Wenn dieser richtig verstanden und vernünftig gehandhabt wird, bie­tet er einen echten Standortvorteil und keinen Nachteil, wie manche glauben.

Wir gehören insgesamt im europäischen Vergleich wohl zu den wirtschaftlich erfolgrei­chen Staaten. Unser Wachstum liegt immer über dem Durchschnitt der Eurozone. Ins­besondere hinsichtlich der Jobchancen der jungen Menschen befinden wir uns in einer


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sehr guten Situation. Wir gehören zu jenen Staaten und Regionen mit wenig Arbeitslo­sigkeit in diesem Bereich.

Österreich hat also alle Voraussetzungen, um sich unter den erfolgreichen Staaten Eu­ropas behaupten zu können. Es müssen aber auch die Weichen richtig gestellt werden, und zwar mit Blick auf die Wettbewerbskraft der Wirtschaft, auf die Konsumkraft der Bürgerinnen und Bürger, auf die hohen Sozial‑ und Gesundheitsstandards und – wie ich auch sagen möchte – mit einem kritischen Blick auf den Umgang mit unseren Le­bensgrundlagen und Ressourcen. Es wird eine Generation geben, die uns wahrschein­lich einmal fragen beziehungsweise kritisch prüfen wird, welchen ökologischen Fußab­druck diese Generation, die jetzt sozusagen am Ruder ist, hinterlässt.

Wir haben den Landeshauptleutevorsitz ganz bewusst unter ein Motto gestellt, näm­lich: „Gemeinsam Verantwortung tragen“. Ich meine, im Kern geht es darum, dass wir einen Beitrag dazu leisten sollten, das Gemeinsame im Vordergrund zu halten und uns konstruktiv partnerschaftlich einzubringen.

Das gilt ganz aktuell auch für Fragen, die heute hier diskutiert werden und in den Me­dien vorkommen. Wenn jetzt Spitzen der Bundesregierung etwa das Thema Wohnen in den Vordergrund stellen und auch die Zweckbindung der Wohnbauförderung wieder thematisieren, dann wissen wir, wovon wir reden: Eine Offensive im Bereich des – auch leistbaren – Wohnens ist notwendig. Auch der gezielte Einsatz der Mittel ist rich­tig. Umgekehrt wird aber derjenige, welcher in den Finanzausgleich eingreift, ohne ge­nau zu beschreiben, wie, mit uns verhandeln müssen.

Prinzipiell kann man hinsichtlich dieser Fragestellung bei uns offene Türen einrennen. Die Wohnbauförderungsmittel, die wir vom Bund für das Land Vorarlberg bekommen, werden bei uns verdoppelt und für den Wohnbau eingesetzt – und für sonst gar nichts. Sie werden für den Wohnbau und auch für die Wohnbeihilfe für junge Familien, die Un­terstützung benötigen, eingesetzt, natürlich für Sanierungen, aber auch ganz intensiv für den Neubau. Diese Mittel werden jedenfalls ausschließlich im Bereich des Wohn­baus eingesetzt, und sie werden verdoppelt.

Man kann also in dieser Fragestellung mit uns reden. Es gibt eine Offensive im Land Vorarlberg, heuer etwa 400 bis 500 neue gemeinnützige Wohnungen zu errichten, weil wir wissen, dass wir auch im Bereich leistbares Wohnen vorankommen müssen. Aber noch einmal: Es darf keinen einseitigen Eingriff in den Finanzausgleich geben, wir sind jedoch jederzeit gesprächsbereit, um eine vernünftige Offensive im Wohnbau zustande zu bringen.

Wir haben uns vorgenommen – deswegen bin ich ein wenig zurückhaltend –, nicht jede tagespolitische Fragestellung zu kommentieren. Wir wollen uns dort einbringen – das war auch immer so –, wo wir selbst, auch im eigenen Bundesland, über eine gewisse Erfahrung verfügen und wo ich meine, dass wir österreichweit glaubwürdig sind. In an­deren Fragen ist man angehalten, sich zurückzuhalten, aber dort, wo Glaubwürdigkeit vorhanden ist und eine Expertise, die beiden Seiten etwas nützen kann, soll man sich natürlich konstruktiv einbringen, so zum Beispiel in der Frage eines sparsamen Um­gangs mit öffentlichen Mitteln, zum Beispiel in Fragen der Haushaltskonsolidierung, in Fragen des Finanzausgleiches, auch in Fragen der Gesundheitsreform oder auch im Zusammenhang mit einem Thema der Zukunft schlechthin, nämlich in Fragen der Bil­dungspolitik.

Die Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hat eine ganz besondere Bedeutung. Ich bitte Sie, in der nächsten Zeit einen Blick darauf zu werfen, wenn es darum geht, die öffentlichen Haushalte weiter zu stabilisieren. Mit einer soliden Finanz­politik aller Gebietskörperschaften, wie sie bei uns in Vorarlberg eigentlich gelebt wird, mit einem ausgeglichenen Haushalt ohne Schuldenberg, selbstverständlich ohne Spe-


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kulationsgeschäfte im Landeshaushalt – nicht einmal ein Fremdwährungskredit! –, mit einer hohen Investitionsquote knapp unter 30 Prozent kann man Spielräume für die Zu­kunft schaffen. Es geht nie um Selbstzweck, es geht immer darum, Spielraum für die Zukunft, auch für die nächste Generation zu schaffen.

Aus meiner Sicht – und das habe ich mit voller Kraft unterstützt – sollte man sehr da­rauf achten, auch dahin gehend appellieren, dass der eingeschlagene Weg der ge­samtstaatlichen Konsolidierung nicht verlassen wird. Wir haben uns darauf verständigt, und gerade in einem Wahljahr wird es entscheidend sein, genau darauf auch hinzu­weisen. Bund, Länder und Gemeinden haben einen Pakt unterzeichnet, der die we­sentlichen Budgetleitplanken, die Sie kennen, bis 2016 in einer ersten Phase, aber auch recht präzise in der Zeit danach festlegt. Wir leisten damit alle einen beachtlichen Beitrag zur gesamtstaatlichen Eindämmung des Defizits, und langfristig ist es auch möglich, den Schuldenberg etwas abzubauen.

Aber täuschen wir uns nicht, diese Herausforderung, die jetzt recht einfach klingt und vereinbart ist, stellt alle Vertragspartner – Bund, Länder und Gemeinden – vor große Herausforderungen und verlangt eine beachtliche Ausgabendisziplin! Immerhin müs­sen bis 2016 alle Gebietskörperschaften nach Maastricht-Definition auf null sein. Da­nach soll kein Defizit mehr möglich sein. Dort, wo ich selbst Verantwortung trage – als Finanzreferent in Vorarlberg selbst –, sind wir heute dort, wo man bis 2016 gemeinsam hinkommen will: bei einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden!

Aber noch einmal: Das ist nicht Selbstzweck. Mittel- und langfristig muss es doch da­rum gehen – sonst lohnt sich die Anstrengung gar nicht –, wieder neue Spielräume in der Steuerpolitik zu schaffen. Dort müssten wir eigentlich hinkommen. Ich bin der Mei­nung, dass wir den Menschen insgesamt eine Perspektive geben müssen. Sparen al­lein ist keine Perspektive, sondern man muss eine Perspektive geben, wie wir wieder zu Steuerentlastungen kommen können. Aus meiner Sicht geht es vor allem um die Familien und um die Kraft des Mittelstandes.

Ich will, abgesehen vom Stabilitätspakt, noch ein weiteres Beispiel dafür anführen, dass Bund und Länder, wenn sie sich bemühen, in der Lage sind, gemeinsam Refor­men auf die Schiene zu bringen. Es gab sehr zähe Verhandlungen im Bereich der Ge­sundheitsreform, und es ist gelungen, einen großen Fortschritt zu erzielen. Im Vor­dergrund aller Diskussionen, die wir in diesem Bereich geführt haben, bei denen es im Wesentlichen um Strukturen geht, steht die Frage: Wie kann man in Zukunft gewähr­leisten, dass die Versorgung wohnortnahe bleibt, und wie kann man vor allem gewähr­leisten, dass der Zugang zur Medizin – auch zur Spitzenmedizin – für alle Patientinnen und Patienten unabhängig vom Versicherungsstatus offen bleibt? Eine große Errun­genschaft des österreichischen Systems im internationalen Vergleich – wie kann man das erreichen?

Ich bin froh, dass man bei der Reform selbst mit Bund und Ländern übereingekommen ist, Planung und Steuerung zwischen niedergelassenem Sektor und Spitalsbereich we­sentlich besser in Einklang zu bringen. Das kann den Patientinnen und Patienten nur helfen. Das Hin- und Herschieben von Patienten mit Kostenvorteilen für den einen oder den anderen muss endlich aufhören. Die Effizienz im System muss gehoben werden. In diesem Punkt, sage ich dazu, sind wir leider nicht weitergekommen.

Es wäre auch richtig, den eigentlichen Durchbruch zustande zu bringen – das wird wohl noch ein wenig dauern –, nämlich endlich auch die gemeinsame Finanzierung im Gesundheitssystem auf die Beine zu stellen. Wir in Vorarlberg wären mehr dazu bereit als viele andere, einen gemeinsamen Topf zu bilden, die Planung, die Steuerung und die Finanzierung zumindest aus einem Topf – aus einer Hand ist es ja schwierig, wie wir wissen – zu gewährleisten. Dazu braucht es einen ganz langen Atem. Jetzt konnten


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wichtige Eckpunkte fixiert werden, konkrete Maßnahmen sind umzusetzen. – Ein gutes Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Ich möchte noch auf zwei, drei aktuelle Fragen zu sprechen kommen. Das Spekula­tionsverbot wird im Moment intensiv diskutiert und wird auch Sie beschäftigen. Wir führen intensive Gespräche über die rechtliche Umsetzung eines einheitlichen, eines transparenten Finanzmanagements – darum muss es gehen – für Bund, Länder und Gemeinden insgesamt. Die Landeshauptleute haben sich schon in Innsbruck – das ist noch gar nicht so lange her – sehr deutlich und unmissverständlich – und das war auch richtig – zum Verbot der Spekulation mit Steuergeldern bekannt, obwohl dies für man­che Länder, auch bei uns, an sich klar, nach den Ereignissen in Salzburg aber ein Ge­bot der Stunde ist. Darauf muss reagiert werden.

Wir sind in der Lage gewesen, innerhalb von vier Wochen eine Vereinbarung auf die Beine zu stellen, eine 15a-Vereinbarung mit klaren Regeln, wie das Ganze weiter­gehen soll, auszuverhandeln. Dieser Staatsvertrag enthält klar eine Bestimmung, die eine künftige Veranlagung und Neufinanzierung in Fremdwährungen untersagt. Das ist klar definiert. Eine weitere Bestimmung besagt, dass etwa Derivate nur mehr abge­schlossen werden können, wenn ein sogenanntes Grundgeschäft zugrunde liegt. Es ist auch klar, dass Kredite nicht mehr zum Zweck mittelfristiger oder langfristiger Veranla­gung aufgenommen werden dürfen. Es gibt Kontrollbestimmungen, und es gibt einen Sanktionsmechanismus. So weit sind wir gekommen.

Die Länder haben ihren Teil der Vereinbarung erfüllt. Das Ganze hat den Ministerrat passiert und liegt jetzt in den beiden Kammern dieses Hauses zur weiteren Beratung und Beschlussfassung, und wir ringen schon auch intensiv um die Frage, wie man dem Ganzen auch eine vernünftige Verfassungsbestimmung unterlegen kann. Wir haben uns bereit erklärt, eine Zielbestimmung in die Verfassung aufzunehmen.

Ich meine, dass man im Bereich der Haushaltsregeln – eine Diskussion, die in den ver­gangenen Jahren auch immer wieder geführt wurde – mehr Transparenz, Effizienz und durchaus auch Vergleichbarkeit hineinbringen muss, auch mit einem klaren Zeitplan zur Umsetzung. Ich bin dafür, aber ich weiß, dass das auch kritisch gesehen wird. Trotzdem trete ich dafür ein, mit einem deutlichen Zeitplan zur Umsetzung, dass die Vergleichbarkeit von Haushaltsregeln, auch die doppelte Buchführung, die bei uns in Vorarlberg schon lange eingeführt ist, umgesetzt werden müssen.

Ich sage aber auch dazu, man sollte uns nicht überstrapazieren. Wenn Eingriffe in die Finanzautonomie geplant sind, im Windschatten des Spekulationsverbots, dann findet das zumindest von meiner Seite keine Zustimmung. Das haben wir nicht vereinbart. Die Budgetautonomie der Länder zu unterlaufen, wird nicht akzeptiert. Ordentliche Haushaltsregeln zu schaffen, vergleichbar, in einem guten Zeitplan, das wird akzep­tiert, das Spekulationsverbot zu verankern, wird akzeptiert, aber worin liegen Sinn und Zweck, die Budgetautonomie zu diskutieren und zu unterlaufen? In Vorarlberg un­denkbar! Wenn Sie sich anschauen, wie wir uns im Landeshaushalt darstellen, dann werden Sie auch verstehen, dass wir gerade in diesem Punkt besonders sensibel sind. Wer ins Landesbudget eingreifen will, bekommt Schwierigkeiten mit uns, aber umge­kehrt sind wir sehr konstruktiv und, wie ich meine, auch in guten Gesprächen, hier, wenn auch schwierig, einen gangbaren Weg zu finden.

Ich möchte noch das Thema Bildung ansprechen, weil das auch in der Zeit der Vor­arlberger Vorsitzführung eine bestimmte Rolle spielt. Ich meine, man sollte sich dabei auf einige Dinge konzentrieren, die man vielleicht auch erreichen kann, bei denen man in zwei, drei Monaten zumindest einen Schritt weiterkommt, weil nämlich viele Dinge festgefahren sind.

Wir tragen große Verantwortung, weil ein modernes Bildungssystem über die Chancen von Jungen entscheidet. Qualifikation durch Bildung ermöglicht Zukunft. Wir brauchen


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Jobchancen für die Jungen. Ich habe es schon gesagt, wir gehören zu jenen Staaten mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit, und da gilt es auch viel zu verteidigen. Schauen Sie in den Süden Europas – ehrlich gesagt, eine Katastrophe! Weit über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, man spricht von der „verlorenen Generation“. Das will niemand von uns, und das heißt, es ist alles zu unternehmen, alle Anstrengungen, die wir überhaupt leisten können, um Bildungschancen zu ermöglichen, Ausbildungs­chancen zu eröffnen und Jobchancen zu ermöglichen.

Wo muss man ansetzen? – Bei der Frühförderung – es kommt auf den Anfang an, wie wir aus der Erziehung wissen – in der Sprachförderung. Das halte ich für ganz ent­scheidend, insbesondere bei Kindern mit migrantischem Hintergrund. Ohne ausrei­chende Deutschkenntnisse beim Schuleintritt ist die Schullaufbahn sehr schwierig zu bewältigen. Man muss daher intensiv unterstützen und auch einfordern. Wir brauchen gute Deutschkenntnisse beim Schuleintritt, und wenn nicht vorhanden: lernen und noch einmal lernen! Die Ausbildungschancen steigen massiv an – das wissen wir auch aus Erfahrung, weil wir einen beachtlichen Anteil an Migranten in Vorarlberg haben –, wenn die Sprachförderung unterstützt wird, wenn Deutschkenntnisse ausreichend vorhanden sind. Das muss man ganz offen dazusagen, das ist wichtig.

Das gilt aber nicht nur für Kinder mit migrantischem Hintergrund, sondern überhaupt. Beim Schuleintritt generell müssen die Sprachkenntnisse ausgebaut und verbessert werden. Ich unterstütze jede Initiative in diese Richtung, und ich lade auch dazu ein, in diesem Bereich Fragen der Ideologie nach hinten zu drängen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Posch.)

Es geht mir um Verbesserungen im Bereich der Volksschule. Es geht mir ganz intensiv um die Lehrlingsausbildung. Österreichweit sind es etwa 40, 42 Prozent der Jugendli­chen, die eine Lehre machen, in Vorarlberg 50 Prozent, also jeder Zweite. Das heißt, wir sind angehalten, dranzubleiben, die Lehrlingsausbildung nicht aus den Augen zu verlieren. Wirtschaft und öffentlicher Bereich – das ist ein beachtlicher Standortvorteil im Wettbewerb. Schauen Sie nach Finnland, dem Pisa-Sieger: 1 Prozent der Jugend­lichen bekommt eine Lehrlingsausbildung. 1 Prozent! In Österreich sind es 40 Prozent beziehungsweise 50 Prozent bei uns in Vorarlberg. Also man ist gut beraten, im inter­nationalen Wettbewerb auch auf die eigenen Stärken aufzubauen.

Es geht auch um das System der 10- bis 14-Jährigen. Es geht aber auch um Fach­hochschule und Universität. Bei den Universitäten, sage ich dazu, gibt es eine aus­schließliche Bundeskompetenz. Da gibt es aber auch viel zu tun, der Bund soll seine Kompetenzen im Bildungsbereich intensiver wahrnehmen.

Es gibt auch Erfreuliches. Der Bund hat sich bereit erklärt, die Mittel für den Ausbau der ganztägigen Schulformen, Stichwort Ganztagsschule und schulische Tagesbetreu­ung, ab dem Jahr 2014 zu verdoppeln. Das ist eine ordentliche, eine gute Ansage für die Länder und die Gemeinden. Es geht um Anschubfinanzierung, es geht um Betreu­ungsstruktur und deren Ausbau, um Infrastruktur, es geht auch um den Personalbedarf in dem Zusammenhang. Aber die Richtung stimmt.

Was es jetzt braucht, ist eine klare Vereinbarung darüber, wie die Mittel in den Ländern und Gemeinden gut eingesetzt werden können. Ab dem Jahr 2014 kommt mehr Geld vom Bund, und das bietet bei richtiger Handhabe eine Möglichkeit, den Ausbau der Ganztagsschule voranzutreiben. Auch das ist ein Thema, wo Ideologie weniger Platz greifen sollte. Die gesellschaftliche Veränderung, der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch das Ziel, das wir miteinander haben sollten, kein Kind und kei­nen Jugendlichen wirklich zurückzulassen – das kann ja nicht der Sinn sein –, machen es insgesamt notwendig, Ganztagsformen auszubauen, und zwar in Betreuung und in Unterrichtsformen, möglicherweise unterschiedlich von Schulstandort zu Schulstandort.


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Dazu sollte man sich durchringen und nicht immer nur Grundsatzdebatten führen, son­dern ein flexibles System schaffen, dass die Mittel an den Schulstandorten zum Ein­satz kommen, dass die Angebote ausgebaut werden.

Jeder von Ihnen weiß das: Es wird Gemeinden geben, wo die Betreuung intensiver sein muss, es wird urbanere Räume geben, wo Unterrichtsformen am Nachmittag be­nötigt werden, aber eines jedenfalls ist klar: Die Gesamtentwicklung der Gesellschaft macht das notwendig, der Ruf der Wirtschaft nach Fachkräften macht das notwendig. Es ist wichtig, in diesen Fragen die Grundsätze etwas zurückzunehmen und eine Por­tion Pragmatismus einzubringen, die Kinder im Auge zu behalten, logischerweise auch die Interessen der Lehrer und der Schüler, der Schulpartnerschaft. Aber wir sollten vo­rankommen. Wir versuchen, einen Beitrag zu leisten. Bis Mai sollte diese Vereinbarung abgeschlossen sein, sodass an sich der Weg frei wäre – viele Bemühungen sind ja auch im Gange –, ab 2014 etwas mehr Druck hineinzubringen und den Ausbau der Ganztagsformen voranzutreiben.

Schwieriger ist die Situation beim Lehrerdienstrecht. Wir sind keine Verhandlungspart­ner in diesem Sinne, aber wir beobachten die Diskussionen ein bisschen auch mit Sor­ge, weil ich meine, im Lehrerdienstrecht hätten wir eigentlich alles zu tun, um voranzu­kommen. In Wahrheit ist die Veränderung des Lehrerdienstrechtes die Grundlage für weitergehende Reformen. Vieles im Bildungsbereich steht und kommt nicht voran, weil wir eben beim Lehrerdienstrecht nicht vorankommen.

Ich weiß, dass das schwierig ist. Da soll man auch keine Schuldzuweisungen treffen, sondern verhandeln, am besten gleich, und überlegen, ob man nicht bis zum Herbst noch vor der Nationalratswahl zumindest einige Eckpunkte fixieren kann. Es wird wohl nicht möglich sein, von heute auf morgen eine Reform umzusetzen – das braucht seine Zeit, auch in der Vorbereitung, wir kennen das aus anderen Bereichen –, aber wir soll­ten weiterkommen. Ich appelliere an den Bund, dieses Thema Lehrerdienstrecht wirk­lich ernst zu nehmen, denn ich habe den Eindruck, dass, seit die Regierungsspitzen angekündigt haben, dieses Thema persönlich zu übernehmen, ein bisschen mehr Be­wegung hineinkommt. Es kann zumindest nicht schaden, wenn sich Kanzler und Vize­kanzler dieser Frage etwas deutlicher annehmen, vielleicht kommen wir dann weiter.

Meine Damen und Herren, ich will noch etwas sagen und bitte Sie, aufmerksam, um nicht zu sagen, ein wenig wachsam zu sein! Wir sind in der Verwaltungsreform nach vielen Diskussionen und nach einigen Überlegungen so weit gekommen, dass wir die Landesverwaltungsgerichte ab 1. Jänner 2014 einrichten können. Ich meine, hier ist eine gute Struktur gefunden worden. Bundesverwaltungsgerichte und auch Landesver­waltungsgerichte – da wird eine großartige Reform umgesetzt. Es ist möglich, 120 Son­derbehörden abzuschaffen. Das muss man unterstreichen, weil gerade in Fragen der Verwaltungsreform immer wieder auch öffentlich darüber diskutiert wird, wo sie bleibt. Erwähnen Sie das! Die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, diese Gerichtsreform insge­samt ist ein maßgeblicher Fortschritt, wenn sie gut gehandhabt wird.

Wichtig ist mir, darauf zu achten – die Diskussion ist im Gange und geht sehr ins De­tail –, dass auch die Zuständigkeiten der Gerichte im Auge behalten werden. Was we­niger zu akzeptieren wäre – es gab oder gibt solche Überlegungen gelegentlich –, ist, wenn von Anfang an, noch bevor ein Landesverwaltungsgericht überhaupt funktioniert und eingerichtet ist, die Zuständigkeiten schon an den Bund verschoben werden, vor allem in Fragen, wo das eher peinlich ist, wo ich meine, da sollte eine wohnortnahe Entscheidung möglich sein, da sollte der Beschwerdezug von Bürgerinnen und Bür­gern, auch der Wirtschaft und anderen Teilen der Gesellschaft im Land ermöglicht wer­den. Es gibt keinen Grund, das von vornherein in Detailgesetzen an den Bund abzu­geben. Abgesehen davon, dass es dafür die Zustimmung der Länder braucht, bitte ich


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Sie gerade hier in der Länderkammer in dieser Frage aufmerksam zu sein, natürlich konstruktiv, aber aufmerksam. In der letzten Zeit, so habe ich den Eindruck, hat sich das wieder etwas verbessert, sind ursprüngliche Überlegungen wieder etwas zurück­genommen worden, aber nicht vollständig. Man muss sehr genau darauf achten, dass man nicht eine großartige Reform im Nachhinein so umsetzt, dass die Landesverwal­tungsgerichte wieder ausgehöhlt werden. Das wäre bedauerlich.

An sich ist diese neue Gerichtsstruktur ein positives Beispiel für einen sehr guten Fö­deralismus, für Bürgernähe, für einen unkomplizierten und raschen Zugang zur Recht­sprechung und für eine wirksame Verwaltungsvereinfachung. – Ein Beispiel dafür, dass der richtig gelebte Föderalismus zukunftsfähig sein kann und durchaus eine Chance hat. Ein moderner Föderalismus besticht durch Effizienz, er besticht durch weniger Zentralbürokratie, durch eine günstige Kostenstruktur. Ich könnte Ihnen viele Fälle auf­zählen, Sie werden es auch wissen, wo vielleicht neun unbürokratisch gestaltete Lan­desgesetze weniger Kosten, weniger Verwaltungsaufwand erzeugen als so manches komplizierte Bundesgesetz. Die Beispiele werden Sie selbst kennen. Oft führt gerade eine zentralistische Lösung zu einem Mehr an Verwaltungsaufwand, und das gilt es, sehr kritisch im Auge zu behalten.

Wenn ich daran denke, dass wir in Raumordnungsfragen, in Baurechtsfragen gerade bei uns durch eigene Kompetenz in der Lage sind, viel an Innovation zu entwickeln, dann muss man sehen, welchen Wert eine gute Länderzuständigkeit auch haben kann. Die internationale Stellung unseres Landes im Bereich der Architektur wäre nicht denk­bar über Bundeskompetenzen. Sie ist nur möglich, weil wir das Baurecht im Land so gestaltet haben. Wir unterscheiden uns sehr von anderen Bundesländern in dieser Fra­ge und übernehmen eine wichtige Rolle im internationalen Wettbewerb. Wir sind be­kannt für die Architektur – trotz unserer sehr kleinen Region, und das geht nur in eige­ner Kompetenz.

Das, was wir im Bereich der Energie machen, auch das, was wir Energiezukunft nen­nen, und die Ziele, die wir uns dort setzen, wird vornehmlich in eigener Kompetenz ge­macht. Das ist also im besten Sinne ein Wettbewerb um Ideen – nicht um Verwaltung, sondern um Ideen. Wir kennen auch noch andere Beispiele, aber im besten Sinne ist das so. Und dafür trete ich auch ein: für einen guten Wettbewerb der Ideen und mehr Innovation über die Länderzuständigkeiten.

Ein anderes Beispiel ist das Dienstrecht, ich habe das gestern am Abend bei dem Empfang gesagt. Im Jahr 2000 haben wir es durch Landeskompetenz geschafft, die Pragmatisierung aus dem Dienstrecht herauszunehmen. Wir haben im Übrigen auch die hohen Pensionen abgeschafft – im Landesdienstrecht. Wir haben für die Jungen ei­ne neue Gehaltskurve eingeführt, und das war richtig. Das, was wir jetzt zum Beispiel bei den Lehrern und den Spitalsbediensteten diskutieren, war bei uns durch eigene Kompetenz möglich. Wir wären nie dorthin gekommen, wenn das in Bundeskompetenz gewesen wäre.

Wir haben die gesamte Verwaltung neu aufgestellt und für die Zukunft ausrichten kön­nen, also auch eine Frage des Wettbewerbs. Man kann immer schauen, wie es andere machen und wer in bestimmten Fragen vorne mit dabei ist.

Ich möchte nicht heute hier vor Ihnen stehen, ohne ein paar Gedanken zum Bundesrat zu sagen, das gehört logischerweise dazu. Es ist ein Anliegen des Bundesrates, auch das der Länder, als starke Kammer auftreten zu können. Es gibt bis dato relativ viele Vorschläge, die das Licht der Welt erblickt haben, muss man auch dazusagen, aber es gibt bis heute nicht wirklich einen verfassungspolitischen gemeinsamen Nenner. Es muss intensiv daran gearbeitet werden. Zweck und Bedeutung des Bundesrates stän­dig in Frage zu stellen macht auch keinen Sinn.


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Ein Ausrichten für die Zukunft wäre auch hier gefragt. Das wird auch nicht von einem Tag auf den anderen gehen, aber man sollte einige Dinge im Auge behalten, auch heu­te schon.

Ich sage Ihnen ganz offen, das Zustimmungsrecht bei Eingriffen in Länderzuständig­keiten ist wertvoll. Da haben Sie eine beachtliche Kompetenz.

Ich habe auch mit Freude vernommen, dass etwa in der Subsidiaritätsprüfung bei den europäischen Normen – das wird auch immer unterschätzt – der Bundesrat eine große Expertise entwickelt hat, auch eine große Leidenschaft entwickelt hat. Auch das benöti­gen die Länder. Beispielsweise diese Expertise halte ich auch für wertvoll.

Sie kennen auch einige Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz, auch jenen vom Oktober vergangenen Jahres. Zu diesem stehe ich. Das soll im Rahmen der Möglich­keiten umgesetzt werden.

Der wichtigste Punkt dabei ist wohl das Mitwirkungsrecht, und zwar ein verstärktes Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei den Bundesgesetzen, bei denen Interessen der Länder berührt werden, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Das halte ich für einen Kern dieser Reform, und ich bitte Sie, auch das im Auge zu behalten.

Auch das allgemeine Zustimmungsrecht bei Verfassungsänderungen, Reduktion von Verhandlungsgegenständen ist aus meiner Sicht prinzipiell zielführend. Auf diese Wei­se wäre es möglich, die Arbeit des Bundesrates und die Position der Länder insgesamt zu stärken, aber in einer sehr konstruktiven Form.

Meine Damen und Herren! Es gäbe eine Reihe von Themen, die ich noch ansprechen könnte, aber dazu ist wahrscheinlich nicht die Zeit. Aus der Sicht der Länder ist es im Rahmen der Vorsitzführung weiters wichtig, dass wir im Siedlungswasserbau voran­kommen. Das kennen Sie aus den Gebieten, aus denen Sie kommen. In den Ge­meinden gibt es einen großen Stau an Projekten. Es ist erfreulich, wenn der Bundes­minister beabsichtigt, dort wieder Mittel fließen zu lassen. Das wird für uns gesamthaft von Bedeutung sein.

Wir brauchen im Siedlungswasserbau, im Hochwasserschutz die Unterstützung des Bundes. Die Vorarlberger Vorsitzführung wird sich sehr bemühen, in diesem Bereich zu einem Ergebnis zu kommen, das für die Länder und Gemeinden etwas bringt. Die An­kündigung, dass dort keine Mittel mehr fließen werden, konnte so nicht akzeptiert wer­den. Hochwasserschutz und Siedlungswasserbau sind eine gemeinsame Aufgabe von Gemeinden, Ländern und Bund – bei aller Notwendigkeit der Konsolidierung. Es müs­sen dort Mittel fließen, und es schaut jetzt so aus, als ob wir uns da einigen könnten.

In nächster Zeit wird es notwendig sein, die Gespräche zum Finanzausgleich aufzu­nehmen. Dort geht es an den Kern der Sache der Länder, logischerweise natürlich auch des Bundes, dort sind wir im Kernbereich der Diskussion angekommen. Es wird auch diskutiert werden – da sind wir offen –, wie es mit der groß angekündigten Steu­erhoheit ausschaut. Und ich habe dazugesagt, wer immer dort mit mir diskutieren will, ist herzlich dazu eingeladen.

Vorarlberg kann sich da wahrscheinlich mehr vorstellen als viele andere. Und man sollte aufhören, uns zu sagen, uns zu unterstellen, die Länder wollen nur ausgeben und nicht einnehmen, sonst wird es nämlich ungemütlich. Ich sage das jetzt mit ein bisschen Schmunzeln, aber ich habe auch der Finanzministerin gesagt, dass sie sich wundern würde, wozu wir da bereit wären, und dass sie gut beraten wäre, die Diskus­sion auch fachlich ordentlich mit uns zu führen, was auch so sein wird, aber man sollte Vorarlberg in dieser Fragestellung nicht reizen. Möglicherweise wären wir zu größeren Schritten bereit, als manche glauben.


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Es ist das natürlich eine schwierige Fragestellung, auch fachlich schwierig, es gibt da viele Einwände, aber wer wirklich über Steuerautonomie diskutieren möchte, der kann gerne zu uns kommen, wir sind jederzeit bereit.

Meine Damen und Herren! Ich schließe an diesem Punkt. Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit und möchte sie nicht über Gebühr beanspruchen. Ich habe versucht, einige Themen darzustellen, die aktuell und in der Vorsitzführung wichtig sind. Sie werden er­kennen können, ich hoffe es zumindest, dass wir uns nicht in allen Fragen äußern, aber dass wir uns zumindest zwei, drei sehr konkrete Dinge vorgenommen haben, die wir in diesen wenigen Monaten zu Ende bringen wollen; das ist besser als vieles anzu­kündigen und nichts fertig zu bringen. Es ist intelligenter, zwei, drei konkrete Dinge zu machen und sie wirklich umzusetzen, weil uns das insgesamt, die gesamte Republik, und auch im Verhältnis Bund und Länder nach vorne bringt, und darum geht es mir im Kern.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und bin auf Ihre Beiträge gespannt. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

10.46


Präsident Edgar Mayer: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausfüh­rungen, bedanke mich auch für das klare Bekenntnis zum Bundesrat und die dem Bun­desrat beigemessene Bedeutung. Für die Feststellung, welchen Stellenwert und welch hohe Kompetenz die Subsidiaritätsprüfungen des Bundesrates inzwischen erreicht ha­ben, bedanke ich mich auch herzlich.

Wenn der Bundesrat hier gemeinsam mit Leidenschaft und Expertise genannt wird, kann ich das nur unterstreichen. Wir machen vieles mit Leidenschaft und Expertise, nur wird das nicht immer so wahrgenommen.

Auf jeden Fall erlaube ich mir dazu einen saloppen Nachsatz: Herr Landeshauptmann, das rinnt hinunter wie extra natives Olivenöl.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Dr. Brunner. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.47.46

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst vielen Dank, lie­ber Herr Landeshauptmann, für deine klaren Positionen, die du heute dem Bundesrat mitgeteilt hast. Vielleicht glauben es uns jetzt die Kolleginnen und Kollegen, denn wir sagen immer, dass man uns Vorarlberger nicht zu sehr reizen soll. Vielleicht nehmen sie deine heutigen Worte für bare Münze und glauben auch uns das in Zukunft.

Danke auch für die Art und Weise, wie Vorarlberg den Vorsitz führt, nämlich sehr kons­truktiv und in einer engen Partnerschaft mit allen Beteiligten, eben ganz nach deinem und unserem Motto: „Gemeinsam Verantwortung tragen!“ Das ist, meine ich, aus dei­ner jetzigen Rede auch sehr gut hervorgegangen.

Natürlich muss ein Landeshauptmann, vor allem eines kleineren Landes, auch ab und zu pointiert auftreten, aber die Reformpartnerschaft – und du hast das bewiesen – hat sich bereits in den verschiedensten Bereichen bewährt, sei es in der Gesundheits­reform, sei es beim Stabilitätspakt, und bewährt sich auch weiterhin in guter Art und Weise.

Es ist, glaube ich, immer wichtig, dass es eine vernünftige Stimme in Österreich gibt, und wir Vorarlberger nehmen immer gerne in Anspruch, diese Vernunft insbesondere dann walten zu lassen, wenn es um Geld geht – du hast das auch in deiner Rede an­gesprochen. Und bei diesem Thema gibt es momentan sehr viel zu sagen, da haben


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wir in den letzten Tagen und Wochen viel erlebt. Und du bringst mit deinen Aussagen, glaube ich, auch sehr viel Vernunft in diese Diskussion.

Wenn man sich beispielsweise die verfassungsmäßige Verankerung des Spekulations­verbotes, das du angesprochen hast, ansieht, kann man sagen, dass es dank des Vor­arlberger Vorsitzes gelungen ist, schnell Einvernehmen über die Vereinbarung zwi­schen dem Bund und den Ländern herbeizuführen. Wir sehen es natürlich etwas kri­tisch, dass der Bund den Ländern mit Verordnung vorschreiben will, welche Finanzge­schäfte sie machen dürfen und welche nicht und wie sie ihre Budgets zu gestalten haben. Und wir sehen es noch kritischer, dass Länder und Gemeinden einer Verord­nungskompetenz des Finanzministeriums ausgeliefert werden könnten, mit der jegliche Regelungen des Bundes zu übernehmen wären, auch wenn sie impraktikabel sein soll­ten.

Natürlich muss es bei den Haushalten eine Vergleichbarkeit geben, das ist keine Fra­ge. Ich glaube, vor allem nach den Ereignissen in Salzburg steht das außer Diskus­sion. Es ist dringend notwendig, klare Regeln zu definieren, die von allen, von den Län­dern und vom Bund, mitgetragen werden. Vorarlberg ist, glaube ich, prädestiniert, die­se Verhandlungen federführend zu begleiten, da ausgeglichene Budgets, doppelte Buchführung und keine Spekulationen seit Jahrzehnten bei uns in Vorarlberg zum ganz normalen Standardprogramm gehören.

Wenn wir beim Thema Finanzen sind, möchte ich auch noch zwei Sätze über die von dir angesprochene Steuerautonomie verlieren, weil ich glaube, dass da auch ein Zu­sammenhang mit den Veranlagungen der Länder und des Bundes besteht und dass die positiven Effekte einer solchen Steuerautonomie gerade auch im Hinblick auf diese Veranlagungspraxen sinnvoll wären. Wenn die Gebietskörperschaften ihre öffentlichen Leistungen selbst finanzieren müssten, zumindest zum Teil, würde sorgsamer mit den Mitteln umgegangen werden.

Aber dieses Thema sollte man in der gebotenen Sachlichkeit – am heutigen Tag würde ich fast sagen: alemannischen Sachlichkeit – diskutieren. Es liegt ja jetzt auch ein Gut­achten von Professor Achatz, dem neuen Verfassungsrichter, vor, der eine mögliche Steuerautonomie behandelt hat und in diesem Gutachten schon zu dem Schluss kommt, dass eine beschränkte Steuerautonomie der Länder durchaus machbar ist. Und jetzt geht es darum, zu schauen, was dann unter dem Strich die Vor- und Nach­teile im Detail sein werden.

Der Herr Landeshauptmann hat die Thematik Landesverwaltungsgerichte angespro­chen. In Vorarlberg und in den anderen Bundesländern werden jetzt gerade die Vorbe­reitungen zur Umsetzung dieser Gerichte getroffen. Die Einführung der Landesverwal­tungsgerichte gehört sicher, du hast es erwähnt, zu den größten föderalistischen Errun­genschaften der letzten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Allerdings hat es in letzter Zeit gewisse Bemühungen gegeben, Zuständigkeiten entgegen ursprünglichen Verein­barungen wieder zurück an den Bund zu geben.

Mittlerweile geht das wieder, auch dank des Einsatzes unseres Klubobmanns Karl­heinz Kopf, in eine andere, für die Bundesländer bessere Richtung. Ich bin diesbezüg­lich guter Dinge und bitte dich, Karlheinz, weiter darauf zu schauen, dass die Kirche im Dorf bleibt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

Es geht bei diesem Thema, und das ist, glaube ich, schon wichtig, nicht um reine Machtfragen, wie immer wieder vorgeworfen wird, sondern einzig und allein um Stand­ortfragen, nämlich auch um die Sorge der Bürger und insbesondere auch der Wirt­schaft, nicht unter längeren Verfahren oder größeren Distanzen leiden zu müssen.

Wenn wir diese Kompetenzthemen einmal gelöst haben, müssen wir die föderalistische Chance nutzen und die Herausforderung meistern, dass sich diese Landesverwal-


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tungsgerichte auch wirklich als anerkannte Rechtsschutzeinrichtungen in den Ländern etablieren. Die Voraussetzungen sind, glaube ich, sehr gut, weil wir mit den Unabhän­gigen Verwaltungssenaten bereits sehr positive Erfahrungen gemacht haben und sich diese Unabhängigen Verwaltungssenate auch in den Ländern einen sehr guten Ruf er­worben haben.

Wie gesagt, die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist, glaube ich, die größte föderalisti­sche Errungenschaft der letzten Jahre. Sonst ist der Föderalismus in Österreich mo­mentan nicht unbedingt en vogue, ganz im Gegensatz zu einer europaweiten Tendenz, wo der Föderalismus immer mehr im Aufwind ist. Wir als Nachbarn von Deutschland und der Schweiz sehen, wie gut föderalistisch geführte Staaten funktionieren.

Der Föderalismus hat nämlich einen entscheidenden Vorteil – der Herr Landeshaupt­mann hat das auch schon erwähnt –: Es ist nie ein Wettbewerb der Stärkeren gegen den Schwächeren. Darum geht es beim Föderalismus nicht, sondern es geht eben um einen Wettbewerb um die besseren Ideen. Und davon können beide profitieren: die ei­nen, die die besseren Ideen haben, und die anderen, die diese guten Ideen überneh­men können.

Wir müssen aber – sowohl der Bund als auch die Länder – die Größe haben, sachlich über gewisse Kompetenzverteilungen im föderalen Staat zu sprechen. Beispiele aus der Vergangenheit, etwa die Bundesstraßenübernahme durch die Länder, zeigen ja auch, dass Föderalismus nicht Kleinstaaterei oder Kantönligeist bedeuten muss. Es gibt auch gute Beispiele aus der Vergangenheit, wo umgekehrt die Länder Kompetenz­änderungen akzeptiert haben; ich denke dabei an das Ökostromgesetz, wo bundeswei­te Regelungen Sinn machen.

Dem Bürger ist es letztlich egal, aus welchem Topf die Mittel kommen. Er ist daran in­teressiert, dass es innovative und zukunftsfähige Lösungen gibt. Die Länder und Ge­meinden sind nicht nur näher am Bürger an sich, sondern sie sind auch näher am Un­mut der Bürger, auch bei manchen Entscheidungen, die auf Bundesebene fallen!

Noch ein paar Sätze zur Verwaltungsreform: Auf Bundesebene ist diese Diskussion lei­der etwas eingeschlafen. Das tut mir sehr leid und ist auch sehr bedauerlich. In Vorarl­berg ist die Situation eine andere. Es gibt Arbeitsgruppen zur Landtags- und Demokra­tiereform, die die Rechte der Bürger in der direkten Demokratie stärken und auch mehr Bürgerbeteiligung bringen soll. Wir haben auf dem Gebiet des Parteientransparenz­rechtes Regelungen beschlossen – die Frau Landtagspräsidentin kann stolz sein. Dies­bezüglich ist Vorarlberg wirklich vorbildlich, und es ist das erste Parlament in Öster­reich, das diese Regelungen in dieser Breite umgesetzt hat.

Das ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung mehr Demokratie, mehr Bürgernähe und auch politischer Transparenz. Wir brauchen keine Neoparteien, Neotransparenzpar­teien oder Neos-Transparenzparteien, die uns das sagen, sondern da muss man nur nach Vorarlberg schauen, wie man das umsetzt.

Wir haben auch viele Ideen in die Diskussion betreffend Verwaltungsreform einge­bracht, nämlich die Bundesländer und vor allem auch die Vorarlberger Bundesräte. Es gibt zum Beispiel eine Vielzahl von unmittelbaren Bundesbehörden in den Ländern, bei denen es aufgrund von Parallelitäten in den Aufgabenerledigungen sicher möglich wä­re, das in die Landesverwaltung einzugliedern. Da wären durchaus Synergieeffekte möglich. Aber leider sind wir in diesem Zusammenhang bisher auf taube Ohren ge­stoßen. Ich weiß nicht genau, warum. Da ist immer ein reflexartiges Abwehrverhalten zu sehen, aber wir bleiben – dessen kannst du dir sicher sein, Herr Landeshaupt­mann – dran, denn das sind wichtige Punkte, und wir könnten damit wichtige Signale setzen.

Noch zwei Sätze zur Bundesratsreform, die du auch angesprochen hast: Ich glaube, inhaltlich muss ich nichts mehr hinzufügen. Du hast einige inhaltliche Punkte angespro-


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chen, die uns wichtig sind – auch im Sinne des Beschlusses zuerst der Landtagspräsi­dentenkonferenz und dann der Landeshauptleutekonferenz. Es liegt noch manches im Schoß der Zeit, das zur Geburt will, hat schon Shakespeare gesagt, du hast das an­gesprochen. Jetzt geht es darum, dass alle an einem Strang ziehen.

Ich gebe da den Ball sozusagen wieder an dich als Vorsitzenden der LH-Konferenz zurück. Jetzt haben sich die Länder wirklich zum ersten Mal für solch eine Reform ent­schieden und sich deklariert. Die unterschiedlichen Stimmen, die es hier immer gege­ben hat, sind verstummt, Gott sei Dank, und jetzt geht es darum, diese Reform um­zusetzen. Und ich bin zuversichtlich, weil unser Vorarlberger Präsident jetzt sogar ei­nen Termin beim Herrn Bundeskanzler bekommen hat – das ist doch ein Zeichen. Nach einigen Mühen und Monaten hat er jetzt endlich einen Termin bekommen, um über dieses Thema zu sprechen, und ich gehe davon aus, dass das ein gutes Zeichen ist. Vielleicht hat ja auch unser ehemaliger Kollege Gerald Klug als neuer Minister Ein­fluss auf den Bundeskanzler genommen, dass es jetzt zu diesem Gespräch kommt.

Übrigens zu Gerald Klug: Der ist ja auch Sportminister. Das ist bisher in der Diskussion noch etwas untergegangen. Und Vorarlberg hat momentan einen dritten Vorsitz inne: Neben dem Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und im Bundesrat führt es auch den Vorsitz im Länderkuratorium des Tennisverbandes. Gerald Klug als Sportminis­ter – und Vorarlberg führt auch dort momentan den Vorsitz und ist eine starke Stimme auch im Sportbereich.

Lieber Herr Landeshauptmann, du bist die starke Stimme der Länder in der Politik. Wir wünschen dir auch für die zweite Hälfte deines Vorsitzes, dass es dir gelingt, ganz nach deinem und unserem Motto eben die Verantwortung gemeinsam für Österreich zu tragen. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.00


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Brunner, nebenbei erwähnt, Vize-Prä­sident des Österreichischen Tennisverbandes. (Heiterkeit.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

 


11.00.35

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte damit beginnen, eine Lobrede auf das wunderschöne Bundesland Vorarlberg zu halten. Ich hatte heuer im Jänner die Gelegenheit, dieses Bundesland zu besuchen. Wir haben als Pensionis­tinnen und Pensionisten unsere Ski-Bundesmeisterschaften in der Gemeinde Silbertal im Montafon durchgeführt. Ich war sehr positiv überrascht, wie groß die Unterstützung, vom Bürgermeister über die Feuerwehr bis zu den Pistenarbeitern, war. Es war eine der gelungensten Veranstaltungen, die wir als Pensionistenverband durchgeführt ha­ben. Für diese Unterstützung und für diese Hilfe einen herzlichen Dank.

Was für mich in Vorarlberg ein Vorbild ist, auch für die anderen Bundesländer – leider haben das die anderen Bundesländer immer noch nicht geschafft, der Herr Landes­hauptmann hat es in seiner Rede angesprochen –, das ist die Frage der Berufsaus­bildung. Vorarlberg – und das ist ganz wichtig zu wissen – hat einen Berufsausbil­dungsfonds. Und in diesen Fonds zahlen alle Unternehmerinnen und Unternehmer ein. Das trägt dazu bei, dass die Quote in Vorarlberg 50 Prozent ist, da es dort eine derartig große Unterstützung gibt und dies die Vorarlberger eben schon geregelt haben. Es wä­re schön, wenn sich die anderen Bundesländer daran ein Beispiel nehmen würden. (Bundesrat Schennach: Applaus der Vorarlberger!) – Das sage ich auch den Wienern. Das ist kein Problem.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie haben Ihre Erklärung unter dem Titel „Ge­meinsam Verantwortung tragen“ gehalten. Ich möchte auch einige Gedanken zum The-


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ma des österreichischen Föderalismus im 21. Jahrhundert bringen. Wir müssen den Föderalismus fit für das 21. Jahrhundert machen. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung in Österreich stammt im Wesentli­chen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, was man teilweise an den Begriffen sehen kann. Sie wurde natürlich im Laufe der Jahrzehnte auch häufig geändert. Dennoch muss man feststellen, dass die gegenwärtige Verteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder in Wirklichkeit veraltet ist und einem Gebäude gleicht, welches permanent renoviert und abgeändert wird.

Daraus entstehen Doppelgleisigkeiten und unklare Kompetenzsituationen. Und was gerade in Zeiten wie diesen besonders negativ ist: Es entstehen unnotwendige Kosten. Es dauert lange, bis auf entstehende Probleme reagiert wird. Auch dadurch werden wieder unnotwendige Kosten produziert. Eine Neuregelung und Modernisierung des Kompetenzsystems wurde öfter versucht, ist aber bisher nicht gelungen. Begründet war dies auch durch ein Misstrauen zwischen dem Bund und den Ländern, die jeweils um ihren Einfluss fürchteten.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass einer der wichtigsten Grund­sätze für eine Neuregelung darin liegen muss, dass zwischen den Verhandlungspart­nern die grundsätzliche Einigung besteht, die heutige Balance in der Kompetenzvertei­lung, also dem Stärkeverhältnis zwischen Bund und Ländern beizubehalten. Wir brau­chen in dieser Situation keine Verlierer. Wir brauchen für Österreich moderne, zeit­gemäße föderalistische Strukturen. Mein Vorredner hat das auch gesagt.

Ich habe heute ebenfalls mit Freude in den „Vorarlberger Nachrichten“ gelesen, dass der Termin beim Bundeskanzler und Parteivorsitzenden der SPÖ bereits am 3. April stattfinden wird. Unser Präsident Mayer wird die Vorhaben sicher entsprechend vor­tragen. Ich bin überzeugt davon, dass wir hier einiges auf den Weg bringen können. Bei gutem Willen müsste es gelingen, trotz des Nationalratswahltermins, voraussicht­lich am 29. September, doch noch in dieser Legislaturperiode einiges zumindest so an­zudiskutieren, dass es in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt wird. Das ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Und dieses ambitionierte Projekt werde ich mit aller Kraft, auch wenn ich meine Präsidentschaft mit 1. Juli antrete, unterstützen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Posch.)

Ich möchte die heutige Gelegenheit dazu nützen, Sie, sehr geschätzter Herr Landes­hauptmann, anzusprechen und zu ersuchen – Sie haben das auch angekündigt, aber ich möchte es noch einmal bekräftigen –, im Kreis der Landeshauptleute auf dieses Thema hinzuweisen, damit sowohl vonseiten der Länder als auch vonseiten des Bun­des Persönlichkeiten zusammenfinden, um dieses wichtige Problem einer positiven Lö­sung zuzuführen. Zwei Persönlichkeiten werden ja immer genannt, eine ist hier im Raum, Herrn Klubobmann Cap werde ich es ausrichten.

Ein Blick in die jüngste Vergangenheit – das haben meine Vorredner auch schon ange­sprochen – stärkt mich in meinem Vorhaben: Es ist gelungen, die Verwaltungsgerichts­barkeit neu mit den beiden Bundesverwaltungsgerichten und den neun Landesverwal­tungsgerichten umzusetzen. Auch dieses Vorhaben wurde mindestens 20 Jahre lang debattiert. Die Realisierung ist öfter gescheitert, aber dennoch ist es nunmehr gelun­gen, diesen Meilenstein der Rechtsstaatlichkeit Österreichs umzusetzen.

Apropos Kompetenzverteilung: Durch diese Reform haben nunmehr ab 1. Jänner 2014 die Länder erstmals Anteil an der Gerichtsbarkeit. Das war bisher dem Bund vorbe­halten. Nützen wir die Chance, unsere föderalistische Republik auch im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen zu modernisieren und, wie ich bereits ausgeführt habe, fit für das 21. Jahrhundert zu machen! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Michalke und Posch.)

11.08



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Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mi­chalke. – Bitte.

 


11.08.55

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Frau Landtagspräsidentin! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher an den Fernsehapparaten! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Edgar Mayer hat in seiner Antrittsrede gemeint, die Länder seien der Eckpfeiler der Demokratie. Der Herr Landeshauptmann hat den Föderalismus ordentlich strapaziert – und automa­tisch, so glaube ich, wenn es um den Föderalismus geht, dann geht es natürlich um Geld.

Ich möchte direkt dort ansetzen, denn das ist der Punkt, der uns Vorarlbergern offen­sichtlich, auch laut deinen Ausführungen (in Richtung Landeshauptmann Mag. Wall­ner), ganz besonders gut liegt. Wir haben das Geld gut in den Händen und wir überle­gen uns ganz gut, welche Hand auf der einen Seite was einnimmt und was sie dann auch auf der anderen Seite ausgeben kann. Und aus diesem Grund glaube ich, dass speziell die Steuerhoheit für die Länder ein ganz wichtiger Ansatz ist.

Auch die FPÖ in Vorarlberg hat bereits im Jahr 2011 einen diesbezüglichen Antrag mit dem Titel „Föderalistische Spielräume weiterentwickeln – Steuerhoheit für die Länder“ eingebracht.

Das Finanzministerium hat Studien beim Wirtschaftsforschungsinstitut, bei der Techni­schen Universität und beim Institut für Höhere Studien in Auftrag gegeben, aber selbst­verständlich ist auch das Föderalismusinstitut zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Steuerhoheit ganz stark angestrebt werden muss und zielführend sein kann. Der Herr Landeshauptmann hat sich diesbezüglich auch sehr positiv geäußert.

Im Moment diskutieren wir hauptsächlich über die Grundsteuer. Ich glaube, die Diskus­sion sollte nicht bei der Grundsteuer aufhören. Jetzt spreche ich die Frau Finanzminis­terin ein wenig direkter an, als du es in deinem sachlichen Redebeitrag getan hast. Wir müssen diesbezüglich mehr Mut haben und selbstverständlich auch über eine Einkom­mensteuer und eine Körperschaftsteuer nachdenken dürfen, die in den Händen der Länder sicher ebenfalls gut aufgehoben wären.

Vielleicht könntest du dich bei der Frau Finanzministerin starkmachen und ihr auch ein bisschen mehr Mut zusprechen, dass wir dann nicht nur eine Alibisteuerhoheit, son­dern eine echte Steuerhoheit haben. Wir brauchen dazu nämlich keine Scheindiskus­sionen, sondern wir brauchen einen echten Steuerwettbewerb, so wie es uns die Schweizer vormachen. Ich glaube daran, dass du deinen Vorsitz in der Landeshaupt­leutekonferenz dazu nützen kannst, auch mit den Bundesländern diesbezüglich inten­sive Gespräche zu führen, damit wir hier nicht nur darüber reden, sondern tatsächlich auch Ergebnisse erzielen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der uns ein Anliegen ist, ist der Entwurf des Bundesenergieeffi­zienzgesetzes. Wir sind der Meinung, dass es eher mehr Kosten verursacht, als dass es Nutzen bringt. Dieser Entwurf verursacht einen riesengroßen Bürokratieaufwand und ist – vorsichtig ausgedrückt – realitätsfern. Wir brauchen ein praktikables Paket. Ich würde dich da ebenfalls darum bitten, dass insbesondere die Stellungnahme, die das Land Vorarlberg bereits abgegeben hat, beim Bund Gehör findet, dass dies also nicht nur ein Sonntagsschriftstück wird, sondern dass es tatsächlich auch ein Ergebnis bringt.

Ein weiterer wichtiger Punkt und ein großes Anliegen ist uns in der FPÖ die Stärkung der Familien. Ich weiß, dass das auch Thema unseres Landeshauptmannes ist und er Kinder immer sehr in den Mittelpunkt stellt. Ich denke, wir müssen den Familien wieder viel mehr Mut machen, Mut zum Kind machen. Und um diesen Mut und diese Mög-


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lichkeiten zu schaffen, muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Das sollten Rahmenbedingungen sein, die es den Eltern ermögli­chen, selbst zu entscheiden, ob sie ihre Kinder – und das vor allem in den ersten wich­tigen Lebensjahren – selbst betreuen möchten oder sie in eine außerhäusliche Kinder­betreuungseinrichtung geben wollen. Ich glaube, beides soll seinen Platz haben und man darf nichts gegeneinander ausspielen.

Vorarlberg hat diesbezüglich das Modell des Familienzuschusses; dieser Familienzu­schuss wird nach dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes gewährt. Insbesondere die ersten Jahre im Leben eines Kindes sind sehr wichtig. Wir von der FPÖ könnten uns vorstellen, da es in Salzburg, in der Gemeinde Berndorf ein interessantes Modell gibt, dass eventuell überlegt werden könnte, so ein Modell auch in den anderen Bundes­ländern umzusetzen. Nachdem das Kinderbetreuungsgeld zwei oder drei Jahre lang geflossen ist, gewährt nämlich die Gemeinde Berndorf einen Zuschuss, und damit er­möglicht sie es den Eltern, zu entscheiden, ob sie ihr Kind selbst zuhause betreuen möchten oder ob sie es in eine außerhäusliche Betreuungseinrichtung geben.

Wir finden dieses Modell überlegenswert, dass man sich Gedanken darüber macht, und wir sind der Meinung, solch ein Modell könnte die Wahlfreiheit für die Familien weiter stärken. Im Sinne von „Kinder in den Mittelpunkt“ glaube ich, dass das auch für Vorarlberg eine gute Überlegung sein könnte.

Du, lieber Herr Landeshauptmann, hast noch einen Punkt angesprochen, und zwar die Bildung, und ganz zum Schluss auf das Lehrerdienstrecht hingewiesen. Ich hoffe, es ist eine Zeitungsente, aber wenn es keine ist, dann bitte ich dich, deinen Aufenthalt in Wien dazu zu nutzen, den Kollegen von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Neuge­bauer, ein bisschen zu stupsen. Er hat nämlich gemeint, nachdem bereits gute Diskus­sionen und gute Ansätze in den Startlöchern sind, dass ein Start des neuen Lehrer­dienstrechts im Herbst illusorisch sei.

Ich glaube, in der jetzigen Situation, in der wir eine wirklich prekäre Lage im Bildungs­bereich vor uns haben, wenn wir da die Ausbildung unserer Kinder wichtig nehmen, dann ist es vor allem sehr wichtig, motivierte Lehrerinnen und Lehrer zu haben, denn ohne diese motivierten Lehrkräfte wird es recht schwierig werden, entsprechende Re­formen im Bildungsbereich überhaupt umzusetzen. Da wäre es ganz toll, wenn sich vielleicht der Kollege Neugebauer besinnen könnte und man diese ganze Angelegen­heit doch schneller auf Schiene brächte. Wir brauchen nämlich in diesem Punkt keine Verhinderer, sondern wir brauchen engagierte Vordenker. Ich traue es dir tatsächlich zu, dass du ihn vielleicht doch noch umstimmen könntest.

Herzlichen Dank für die klaren Worte hier im Bundesrat! Ich glaube, es ist wohltuend und selbsterklärend, wie doch viele Dinge in Vorarlberg anders funktionieren. Nichts­destotrotz wünsche ich mir aber noch eine entsprechende Erledigung der paar Punkte, die ich mir erlaubt habe, ein bisschen anzusprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.17


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreu­der. Ich erteile es ihm.

 


11.17.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Als Wiener Bundesrat darf ich auch sagen: Herzlich willkommen in Wien! – Natürlich habe auch ich schöne Erinnerung an Vorarlberg, so wie mein Kollege Todt, der auch aus Wien kommt, aber das ist ja das Schöne am Bundesrat, dass man, wie Sie es nen­nen, gemeinsam Verantwortung tragen will, wobei wir auch alle aufpassen müssen, dass so ein Slogan wie „Gemeinsam Verantwortung tragen“ nicht zu einer leeren Wort­hülse wird.


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„Gemeinsam Verantwortung tragen“ heißt zuerst einmal gar nichts, wenn man es nicht mit Inhalt füllt. Und die Frage ist natürlich, mit welchen Inhalten man einen derartigen Spruch füllen möchte.

Eine Frage, die sich bei dem Slogan „Gemeinsam Verantwortung tragen“ aufdrängt, ist, wem gegenüber man Verantwortung hat. Das ist eine der wesentlichsten Fragen. Je näher der Wahlkampf rückt, umso mehr werden wir wahrnehmen, dass die Verantwor­tung der politischen Mandatsträger und Mandatsträgerinnen weniger den Steuerzahle­rInnen oder den BürgerInnen gegenüber geäußert wird, sondern mehr der internen Parteilogik.

Das fällt ja ohnehin schon auf, das sieht man an allen Ecken und Enden. Und das ist hier auch ein Appell, wenn es um so wichtige Fragen wie das Spekulationsverbot in der Verfassung und dergleichen geht, einfach parteipolitische Brillen abzunehmen. Das sollten wir alle tun, um genau diese Verantwortung zu übernehmen, die wir den Steuer­zahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber haben.

Was Sie in Ihrer Rede „Eingriff in die Budgetautonomie der Länder“ genannt haben, würde ich nicht so nennen, ich würde es „Transparenz“ nennen, ich würde es eine Chance nennen, ich würde es eine Möglichkeit nennen, dass Bürgerinnen und Bürger transparent nachvollziehen können, wie es mit der finanziellen Situation in den Ländern aussieht, und diese auch vergleichen können.

Und das, was jetzt nach den Ereignissen in Salzburg vorgeschlagen wird, nämlich das Spekulationsverbot in die Verfassung aufzunehmen, aber auch – und das ist auch einer der umstrittenen Punkte, das wissen wir alle – die einheitliche Vorgabe für Bud­getbilanzen und Rechnungsabschlüsse, die durch das Finanzministerium und durch den Rechnungshof gemacht werden sollen, für alle Länder gleichermaßen einzuführen, ist kein Eingriff in die Autonomie der Budgets der Länder, sondern ein Transparenz­gebot.

Ich glaube, Transparenz ist wichtig, denn – und da bin ich vor allem, muss ich da­zusagen, dem Staatssekretär Sebastian Kurz dankbar für seine Worte – Transparenz ist die Zukunft unserer politischen Handelns und unserer modernen Demokratie im 21. Jahrhundert. Und das betrifft alle Ebenen: Das betrifft die Länder, für die wir hier im Bundesrat sitzen, es betrifft natürlich auch den Bund, und es betrifft die Gemeinden im gleichen Maße.

Es ist zum Beispiel sehr interessant – das ist in Österreich kaum bekannt –, dass eine Stadt in der Slowakei, nicht weit von Wien, die Martin heißt, alles im Internet veröf­fentlicht, was Behörden dort an Papier sozusagen produzieren. Es wird dort alles auto­matisch veröffentlicht. Nicht umsonst hat Transparency International der Stadtgemein­de Martin in der Slowakei deswegen auch einmal einen Preis verliehen. In Österreich sucht man vergebens nach solchen Beispielen. Da sind wir alle gefordert, in diese Richtung zu denken.

Ich bin wirklich Sebastian Kurz dankbar, denn ich glaube, wir müssen das verstärkt auf allen Ebenen diskutieren. Deswegen wollte ich das ins Zentrum meines Redebeitrags hier stellen. Wir brauchen in Österreich eine absolut neue Reform und ein vollkommen neues Denken, was Transparenz und Informationsfreiheit betrifft.

Österreich braucht ein Informationsfreiheitsgesetz, und zwar dringend. Die Bürger und Bürgerinnen sind nicht mehr dieselben wie vor Jahrzehnten. Es gibt neue Technolo­gien. Das Internet ermöglicht vollkommen neue Kommunikation, Nachvollziehbarkeit und dergleichen mehr. Und Österreich muss das Amtsgeheimnis abschaffen, das na­türlich kulturell sehr stark in der Habsburger Zeit verankert war. Man denke nur an Franz Kafkas Roman „Das Schloss“, das nicht grundlos in der Zeit der k.u.k. Monarchie in Prag entstanden ist. Also wir müssen ganz dringend dieses Amtsgeheimnisses ab-


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schaffen, indem wir eine Umkehrung in dem Sinn machen, dass nicht mehr ein Akt automatisch verschlossen ist, außer man entscheidet es andersherum. Jeder behörd­liche Akt soll automatisch öffentlich sein, außer man entscheidet es andersherum, zum Beispiel aus Datenschutzgründen oder aus Gründen der nationalen Sicherheit oder dergleichen mehr.

Das ist ein Gebot der Stunde! Warum? – Weil man, wenn man schon sagt, man will gemeinsam Verantwortung tragen, und wir uns darauf einigen, dass man diese Ver­antwortung dem Steuerzahler und Steuerzahlerinnen gegenüber wahrzunehmen hat, das Vertrauen auch zurückgewinnen muss. Das Vertrauen eint uns ja.

Wir alle haben das Problem, dass das Vertrauen in die Politik in den letzten Monaten und Jahren, kann man sagen, dramatisch gesunken ist. Die Korruptionsskandale, mit denen wir in den letzten Monaten und Jahren konfrontiert waren, und die Spekulations­geschichten, die wir aus manchen Ländern hören, sind Dinge, wo man nicht automa­tisch zur Tagesordnung übergehen und so tun kann, als ob nichts wäre und wir alle ganz super arbeiten würden.

Das geht nicht! Das Vertrauen muss zurückgewonnen werden. Und eine der Möglich­keiten – und das ist mir sehr wichtig – wäre, all die Behördenakten in lesbarer Form ins Internet zu stellen. Stichwort: Open Data. Es soll zum Beispiel alles, was Länderfinan­zen, Länderbudgets betrifft, für die Menschen draußen interpretierbar, nachvollziehbar und sichtbar gemacht werden. Ich halte das für ganz, ganz wichtig.

Zu guter Letzt möchte ich noch erwähnen – und das ist jetzt schon ein bisschen Stan­dard; ich sage das immer, wenn eine Landeshauptfrau oder ein Landeshauptmann hier im Hause ist, denn immer dann, wenn das der Fall ist, wird das hier im Bundesrat dis­kutiert, das liegt ja in der Logik der Sache –, dass es ein Papier zur Reform des Bun­desrates gibt, wo zum ersten Mal zumindest eine Chance der Umsetzung da ist, wo­rüber ich mich freue.

Aber ich halte diese Diskussion immer noch für ausgesprochen oberflächlich und ver­kürzt und werde nicht müde werden, zu betonen, dass wir keine Bundesratsreform-Diskussion führen können mit dem Nebensatz: Der Bundesrat steht in der Verfassung!, sondern diese Diskussion so führen müssen, dass wir auch die Landeshauptleutekon­ferenz, die eines der mächtigsten Gremien in diesem Land ist und nicht in der Verfas­sung steht, mit zur Diskussion stellen. Denn: In diesem Gremium werden unfassbar viele staatstragende Entscheidungen gefällt, und die Protokolle darüber sind nicht öffentlich und für den Bürger und die Bürgerin nicht nachvollziehbar. Ich wünsche mir – und das sage ich jetzt eigentlich eher in Richtung des Herrn Präsidenten –, dass bei dem vorhin erwähnten Termin mit dem Bundeskanzler das alles umfassend be­sprochen wird, denn viele Kompetenzen, die früher der Bundesrat hatte, hat mittler­weile die Landeshauptleutekonferenz, etwa betreffend Artikel-15a-Vereinbarungen und dergleichen, und das wird jenseits von jeder Öffentlichkeit gemacht.

Wenn wir von Transparenz reden und wenn wir von gemeinsamem Tragen der Verant­wortung reden, dann – und dabei bleibe ich – gehört es, diese Verantwortung den Bür­gerInnen gegenüber auch wahrzunehmen, und dazu gehört auch eine echte Reform, wo man vielleicht auch die Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung festschreibt oder zumindest die Protokolle ihrer Tätigkeit öffentlich macht. – Danke schön. (Beifall der Bundesräte Dönmez, Kerschbaum und Todt.)

11.26


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Schreuder. Für deine Tipps sind wir natürlich immer dankbar. Das weißt du auch. (Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Gerne!)

Als Nächster zu Wort gelangt Fraktionsobmann Kneifel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 41

11.27.21

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Es ist bereits gute Tradition, dass bei einem Wechsel in der Vorsitzführung von einem Bundesland an das andere der Landeshauptmann des betreffenden Bundeslandes den Bundesrat besucht und eine Erklärung abgibt und Erläuterungen macht, wie er sich die Entwick­lung zwischen Bund und Ländern vorstellt.

Wir waren heute, glaube ich, sehr angetan von den Ausführungen des Landeshaupt­mannes von Vorarlberg, weil es dabei nicht um leere Floskeln ging, sondern jede The­se entsprechend unterfüttert war mit praktischen Beispielen aus der Landesverwaltung in Vorarlberg. Dafür ein herzliches Dankeschön, Herr Landeshauptmann! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Landeshauptmann! Sie haben auch die europäische Dimension des Föderalismus angesprochen, insbesondere was den regionalen Wettbewerb der Bundesländer im europäischen Ganzen und in der Europäischen Union betrifft. Und Sie haben zu Recht diese Vorsitzführung gemeinsam mit Präsident Edgar Mayer unter das Motto gestellt: „Gemeinsam Verantwortung tragen“.

„Gemeinsam Verantwortung tragen“ – das ist meines Erachtens schon eine ehrgeizige Zielsetzung, weil das auch bedeutet, dass Erfolge und Misserfolge unter gemeinsamer Verantwortung stehen, sowohl was die Erfolge der Bundesländer als auch was die Er­folge der Länder betrifft und vice versa.

Es geht darum, in Zukunft die Handlungsfähigkeit der Länder und natürlich auch des Bundes zu garantieren, die Haushalte zu stabilisieren und die Investitionsquote zu er­höhen. Ich gratuliere! Wir Oberösterreicher bringen das nicht zustande: 30 Prozent In­vestitionsquote im Budget! Wir haben in Oberösterreich eine solche von nur um die 20 Prozent. Es ist trotzdem eine hohe Investitionsquote, die wir darstellen können. Aber es geht auch um viele andere Themen, die du als Landeshauptmann hier darge­stellt hast.

Österreich steht sehr gut da! Wir haben die höchste Beschäftigungsrate, die höchste Jugendbeschäftigungsrate. Wir haben die höchste oder fast die höchste Wertschöp­fung. Ich glaube, wir liegen im Ranking an dritter Stelle unter den europäischen Mit­gliedstaaten. Wir haben auch die höchsten Pensionen Europas. Und wir haben in un­serem Land den höchsten Stand an Umverteilung von Besserverdienern zu Wenig- oder Minderverdienern, und wir haben eine Wachstumsentwicklung, die ihresgleichen sucht. Wir erwarten ein Prozent Wachstum in diesem Jahr, während das Wachstum bei den europäischen Mitgliedsländern stagniert.

Das meine ich mit „gemeinsamen Erfolgen“. Das sind Erfolge, die wir gemeinsam er­rungen haben: die Bundesregierung auf der einen und die Länder auf der anderen Seite! Das sollten wir auch entsprechend darstellen, dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es geht natürlich auch darum, auch in Zukunft diese Verantwortung wahrzunehmen. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und sagen: Es ist alles bestens!, denn das stimmt nicht. Es gibt immer wieder Bedarf, Neues und Innovatives anzugehen. Diese Dinge sind nicht nur gemeinsam zu besprechen, sondern auch gemeinsam zu bewegen und umzusetzen.

Die Länder nehmen ihre Verantwortung zum gesamtstaatlichen Wohl sehr wohl wahr, und man kann sagen: Das ist eine Erfolgsstory! Das sollten wir uns nicht madig ma­chen lassen. Allein wenn ich mir die Bilanz der letzten eineinhalb Jahre vor Augen füh­re, was da alles zwischen Bund und Ländern bewegt wurde, werde ich darin bestätigt – erinnern Sie sich doch! –: die Pflegegeldfinanzierung, die Landesverwaltungsgerichte,


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die mein Kollege Brunner schon genannt hat, die Polizeireform, die Zusammenführung der Sicherheitskörper, die Gesundheitsreform, die wir im Mai hier im Bundesrat endgül­tig beschließen werden, die Einrichtung des Bundesamtes für Asyl, die 200 Deregulie­rungsvorschläge, die mit dem Bund und den Ländern gemeinsam umgesetzt wurden, die Artikel-15a-Vereinbarung betreffend die Transparenzdatenbank, der Stabilitätspakt, ein Bundesverfassungsgesetz, mit einem Sparvolumen von insgesamt 27 Milliarden €.

In anderen Ländern gäbe es da Revolutionen und Pfeifkonzerte auf den Straßen. Das alles ist im Konsens zwischen Bund und Ländern durchgezogen worden. Das muss uns einmal jemand nachmachen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Dazu kommt noch die gemeinsame Vereinbarung – eine Artikel-15a-Vereinbarung – über die Jugendhilfe zwischen Bund und Ländern, die wir in der letzten Bundesratssit­zung gemeinsam mit Minister Mitterlehner besprochen haben.

Das sind Erfolge, die wir gemeinsam errungen haben. Und es läuft ganz gut. Wenn man auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandelt, wenn man nicht den anderen als Untertan betrachtet – die Länder sind keine Untertanen, die Länder begegnen dem Bund auf gleicher Augenhöhe –, wenn dieses Prinzip auch in Zukunft eingehalten wird, dann ist es mir um die Reformen, die noch in Aussicht stehen und die zukünftig be­wältigt werden müssen, eigentlich nicht bange.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewaltentrennung zwischen Europäi­scher Union, dem Bund, den Ländern und Gemeinden verhindert auch eine Macht­konzentration. Gerade in diesen Tagen, in denen wir wieder eines Jubiläums geden­ken, wird uns vor Augen geführt: Machtkonzentration verleitet zu Übermut! Machtkon­zentration ist nicht gut.

Wir brauchen ein System der Zusammenarbeit, wie es der Föderalismus ist, um die Macht im Staat entsprechend zu verteilen. Die Verteilung der Macht sichert gegen­seitige Kontrolle und den regionalen Ausgleich zwischen den eventuell divergierenden Interessen und verhindert auch einen undifferenzierten Zentralismus.

Es geht um Zentralismus auf der einen Seite und um Föderalismus auf der anderen Seite. Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie der Abtprimas der Benediktiner Dr. Notker Wolf, ein Bestseller-Autor, der gesagt hat: Der Zentralismus ist eine „Erfin­dung des Teufels.“ (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Pisec.) Er will Macht über andere anhäufen und die Menschen in den Regionen und Ländern entmündigen. – Er weiß offensichtlich, wovon er spricht, wenn er seine Zentrale in Rom hat, er weiß, was Zentralismus bedeutet. Aber als Benediktiner-Schüler weiß ich, dass jedes Bene­diktiner-Kloster eine autonome Verfassung und sehr wohl auch Mitspracherechte hat.

Es hat kürzlich ein Autor aus Wien, der Ihnen allen sicher bekannt ist, nämlich Helmut Gansterer, geschrieben – man höre und staune! –: Föderalismus ist teuer, aber sehr vernünftig. Um es gleich zu gestehen: Ich bin 200-prozentig aufseiten der Regionalis­ten. Die Länder sind keine untergeordneten Organe. – Zitatende.

Und Gansterer schreibt dann über die Möglichkeit der Entfaltung und der Kreativität der einzelnen Regionen in diesem Staat. – Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch auf einige Anregungen meiner Vorredner eingehen. Ich bedanke mich beim Kollegen Todt, dass er das Bun­desratsreformgesetz positiv bewertet hat. Ich glaube, da steht noch eine große Auf­gabe vor uns, die wir gemeinsam mit dem Bund lösen müssen.

Ich glaube auch – und da bin ich bei meinem Kollegen von der grünen Fraktion; auch andere Redner haben es angesprochen –, dass wir vom derzeit herrschenden Miss­trauensprinzip in der Bundesverfassung zu einem Vertrauensprinzip wechseln müssen, denn das stammt aus einer Zeit, in der die Schatten der Monarchie über Österreich ge-


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hangen sind, und auch aus verschiedenen Erfahrungen, die einzelne Politikerinnen und Politiker dieser Zeit gemacht haben. Man hat dem anderen nicht zugetraut, eine Aufgabe für den Staat zu lösen, und eine Kontrolle und eine Parallelverwaltung drauf­gesetzt. Damit müssen wir aufhören, das können wir uns einfach nicht mehr leisten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Da gilt es entsprechend anzusetzen. Wir müssen auch die Entwicklung im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung, beispielsweise e-Government, und andere Fort­schritte der Menschheit in unsere gesetzliche und verwaltungsmäßige, politische Pra­xis umsetzen. Da bin ich sehr dafür, ein Informationsfreiheitsgesetz zu beschließen, mit allen Konsequenzen. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Im Mittelpunkt unserer Aufgaben muss der Bürger stehen. Wissen Sie, beim Wort „Bürger“ schwingen 2 000 Jahre Erfahrung mit. 2 000 Jahre gibt es dieses Wort schon – Bürgerinnen und Bürger –, und das soll auch uns entsprechend anregen, für mehr Vertrauen, Solidarität, Gemeinsinn und entsprechende Zusammenarbeit zu sor­gen – in dem Sinne, wie es auch das Motto dieser Präsidentschaft ist.

Abschließend noch ein Wort zu den Finanzen. – Ich kann die Aussage schon gar nicht mehr hören, dass der gute Bund die Steuern eintreiben muss und die bösen Länder das Geld der Steuerzahler ausgeben. Es gibt nur ein Geld, meine sehr geehrten Da­men und Herren: Es gibt das Geld des Steuerzahlers, der es sauer verdienen muss, und es gibt nur eine öffentliche Hand, die nach der Aufgabenverteilung in diesem Staat dieses Geld möglichst sparsam einsetzen muss.

Das sollte, glaube ich, der Zugang für alle Reformen sein – auch beim Finanzaus­gleich, der unmittelbar bevorsteht! Ich wünsche für diese Verhandlungen, wer immer sie führen muss, sehr viel Glück und Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

11.39


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Kollege Schweigkofler. – Bitte.

 


11.40.02

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Landeshaupt­mann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich durfte als Tiroler Bürgermeister des Öfteren nach Vorarlberg fahren, denn wir Tiroler – und das möchte ich einmal betonen und auch dafür danke sagen – schauen ganz gerne nach Vorarlberg, weil in Vorarlberg ei­niges anderes gelöst wird, als wir das in Tirol machen. Ich denke nur – und Sie haben das auch erwähnt, Herr Landeshauptmann – an die ausgezeichnete Architektur, die Sie in Vorarlberg erlauben. Das würde ich mir manchmal auch für Tirol wünschen, die­se Offenheit und Liberalität, die da in Vorarlberg stattfindet, und bei einigen Exkur­sionen konnte ich mir da ganz gute Beispiele ansehen.

Auch auf einem zweiten Gebiet war dies des Öfteren schon der Fall. Und zwar war ich in Ludesch bei Dr. Zitt und bei Herrn Jenny mit ihrem Projekt IAP, das ein Projekt ist, das es schon sehr lange gibt, und ich konnte die beiden auch nach Oberndorf holen. Sie haben dort ihr Projekt vorgestellt, und ich bin froh, dass wir jetzt in etwas abge­änderter Form dieses Projekt auch hier in Oberndorf im Bezirk Kitzbühel umsetzen können. – Daher schauen wir also immer gerne nach Vorarlberg.

Ich darf mich auch für Ihre Ausführungen heute ganz herzlich bedanken, Herr Lan­deshauptmann, denn Sie haben das doch, so wie Sie gestern gesagt haben, in einer alemannischen Unaufgeregtheit gebracht, und ich würde mir das auch in manch an­deren Dingen oder auch von manch anderen Landeshauptleuten wünschen, dass die­ser Stil in der Politik auch sonst in Österreich vorherrschend wäre.


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Ich darf nun auf einige Ihrer Ausführungen eingehen. Mir hat anfänglich Ihr Motto „Ge­meinsam Verantwortung tragen“ sehr gut gefallen, ich habe mir dann aber überlegt: Was bedeutet denn das „gemeinsam“? Wenn man schon 20 Jahre in der Politik ist und vor allem als sozialdemokratischer Bürgermeister in Tirol arbeiten muss, dann hört man diese Slogans „gemeinsam“ ja sehr oft, und oft heißt es nichts anderes, als dass das dann der Wille des Mächtigen ist, der das „Gemeinsame“ dann den anderen auf­drücken will. Ich habe wirklich die Bitte, dass man immer auch auf die Minderheiten schaut, die es ja auch gibt. Dieses Gemeinsame soll ja bedeuten, dass auch jene damit einverstanden sind, die eben nicht die Mehrheit haben. Ich hoffe, dass Sie mit diesem Slogan „Gemeinsam Verantwortung tragen“ das auch so meinen.

Etwas, was mir in den letzten Jahren als Beobachter der höheren Politik sehr aufge­fallen ist, ist die Landeshauptleutekonferenz. Diese hat sich einerseits im österreichi­schen politischen System etabliert, sie ist andererseits aber nirgends verankert. In der Verfassung gibt es die Landeshauptleutekonferenz nicht. Aber – der Kollege Kneifel hat es gesagt – die Landeshauptleute haben mit dem Bund einiges schon durchgezo­gen. Das war das von ihm verwendete Wort: „durchgezogen“. (Ruf: Umgesetzt!) Die­ses „Durchziehen“ ist auch immer so etwas in der Politik. Das bezieht sich auf das Ma­cher-Image, das man von Politikern auf der einen Seite ja auch verlangt; ich hingegen habe eher den Zugang, zu sagen, wir sollten die Lösungen gemeinsam finden.

Was die Landeshauptleutekonferenz betrifft, so finde ich es ausgezeichnet, wenn dann auch wirklich Lösungen gefunden werden. Aber ich würde mir wünschen, dass gerade die Landeshauptleute jetzt den Bundesrat mehr einbeziehen. Könnte man nicht einmal andenken, dass die Landeshauptleutekonferenz und der Bundesrat viel, viel enger zu­sammenarbeiten, als es jetzt der Fall ist? Das hätte in meinen Augen wirklich einen super Sinn, denn wir sind ja die Vertreter der Länder. Im Übrigen hat, seit ich im Bun­desrat bin, noch jeder und jede von den Landeshauptleuten, die hier am Rednerpult gestanden sind, den Bundesrat gelobt und die Unterstützung zugesagt. Danke schön, dass auch Sie, Herr Landeshauptmann Wallner, das gemacht haben. Aber wir müssen, wie gesagt, das Ganze dann auch leben. Es wäre schön, wenn es dazu kommen wür­de.

Ich habe gelesen, in einer Landeshauptleutekonferenz wurde thematisiert – Sie haben es auch schon angeführt –, dass die Kameralistik in Österreich abgeschafft und die doppelte Buchführung in den Gemeinden eingeführt werden soll. Ich habe eine Ge­meinde mit 2 000 Einwohnern, und ich denke mir: Die Gemeinderäte lesen die Ka­meralistik – das ist etwas ganz Einfaches, das können sie sehr einfach lesen. Ob inso­fern die doppelte Buchführung jetzt unbedingt wünschenswert ist? – Gut, ich habe das gehört, und ich werde mir das in Vorarlberg einmal anschauen, wenn Ihre Gemeinden so gute Erfahrungen damit gemacht haben. Im Gemeindebund habe ich noch eher we­niger darüber gehört, dass die doppelte Buchführung so gut funktioniert. Ich sehe das eher als Praktiker und möchte gerne, dass die Gemeinderäte das Budget auch wirklich lesen können. Das ist ja eines der Probleme. Dass da irgendwo etwas versteckt wird in den Budgets, wie es hie und da passiert oder passiert ist, das sollte ja von vornherein nicht der Fall sein.

Damit kommen wir zum nächsten Thema, den Spekulationsverboten. Meine Einstel­lung dazu war immer die – und mit dieser bin ich in die Politik gegangen –: Mit dem Geld der Bürger ist so vorsichtig umzugehen wie mit einem rohen Ei. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, irgendwelche Spekulationen zu betreiben. Aber es hat leider Got­tes – und das vergisst man jetzt in Österreich häufig – einmal eine Zeit gegeben, so ab 2000, da wurden wir ja fast aufgefordert, zu spekulieren oder Geld anzulegen oder auszugliedern. Heerscharen von Steuerberatern sind auf die Gemeinden zugekommen und haben gesagt: Du musst eine Immobiliengesellschaft machen, denn da kannst du


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dir Geld ersparen! Und der Finanzminister hat damals ebenfalls gesagt, so müsst ihr es machen.

Gott sei Dank geht der Weg wieder zurück in die – aus meiner Sicht – richtige Rich­tung. Und in diesem Zusammenhang muss es leider ein Spekulationsverbot geben. Ich glaube, viele Bürgermeister und viele Politiker würden das nicht brauchen, aber es gibt halt wie immer auch irgendwo schwarze Schafe.

Artikel-15a-Vereinbarungen – das ist auch so ein Kapitel. Mir fällt auf, dass wir in letzter Zeit sehr viele Artikel-15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern ab­schließen. Aber da muss ich schon ein bisschen zur Vorsicht warnen. Mir wäre es oft lieber, wenn es klare Gesetze gäbe und keine Artikel-15a-Vereinbarungen, denn diese gelten nämlich für zwei, drei, vier, fünf Jahre – ich nenne als Beispiel die Kinderbe­treuung –, und wo bleibt es dann hängen? Es wurde heute gelobt, dass für die Ganzta­gesbetreuung nächstes Jahr der Bund und die Länder viel Geld zur Verfügung stellen, aber: Wer muss denn das Ganze durchführen? – Es sind wieder wir Gemeinden. Und dann bleibt es an uns hängen, und die Kosten bleiben auch an uns hängen. Wenn die Artikel-15a-Vereinbarung ausgelaufen ist, dann hoffe ich, dass schon auch die Länder wieder da sind, aber bis dato höre ich da nichts.

Es passiert oft, dass die Länder gerne auf uns Gemeinden einige Lasten übertragen, und an uns bleibt es dann hängen, wir müssen es dann verwalten. Nicht umsonst sind leider Gottes in Österreich sehr viele Gemeinden verschuldet. Ich habe gelesen, die Vorarlberger Gemeinden haben ungefähr 1 Milliarde € an Schulden. Ich hoffe nicht, dass das Land Vorarlberg – da müsste ich jetzt meine Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinden verteidigen – alles auf die Gemeinden ablagert.

Kinderbetreuung, Schule, Bildung: Ich kann Ihnen nur danke dafür sagen, dass auch Sie der Meinung sind – ich habe das heute schon in den „Salzburger Nachrichten“ ge­lesen –, die Gesamtschule sollte man sich auf jeden Fall einmal anschauen. Ich glau­be, Sie lassen das auch in Vorarlberg jetzt wissenschaftlich untersuchen. Es gibt si­cherlich schon sehr viele wissenschaftliche Untersuchungen über die gemeinsame Schule, aber wenn am Ende ein Ergebnis herauskommt, das wirklich eine gemeinsame Schule ist, dann finde ich das wirklich äußerst positiv.

Was die Kinderbetreuung betrifft, so wiederum mein Appell: Bitte nicht allzu viele Arti­kel-15a-Vereinbarungen! Wir kennen uns dann nicht mehr aus.

Zum Thema Sprachförderung muss ich als Lehrer auch sagen: Wenn ein Kind in die Schule kommt, dann muss es Deutsch können, es muss den Unterricht verstehen. Ich habe Schüler gehabt, die sind dann den ganzen Tag drinnen gesessen und haben kein Wort verstanden, weil Sie zum Beispiel aus dem asiatischen Raum gekommen sind. Im Bezirk Kitzbühel haben wir sehr viele solche Schüler – in der Zwischenzeit sind wir in­ternational –, ob das nun russische Schüler sind oder solche aus der Türkei.

Aber da fehlt mir eines, und das seit vielen, vielen Jahren: Die Wirtschaft, die Unter­nehmen haben gesagt, wir brauchen Arbeitskräfte. Logischerweise sind die Familien mitgekommen. Aber die Familien, die Kinder dieser Migranten und so weiter, das alles hat man dann der öffentlichen Hand, den Sozialsystemen überlassen. Da hätte ich mir schon manchmal gewünscht, dass die Wirtschaft hergeht und sagt, auch wir tragen einen Teil dazu bei, wir unterstützen solche Bildungsmaßnahmen für unsere Arbeitneh­mer und deren Kinder. Das wäre in Österreich vielleicht auch einmal anzudenken und anzudiskutieren. (Bundesrätin Zwazl: Das machen wir in unseren WIFIs! Und wir ha­ben Bildungsschecks, wo wir Ausbildung und Weiterbildung unterstützen!)

Das ist schon richtig, aber ich spreche in diesem Fall die Grundbildung an. Und das gilt ja schon seit vielen, vielen Jahren. Ich kann mich noch erinnern, als die transalpine Öl­leitung durch Tirol gegraben wurde, auch durch den Bezirk Kitzbühel, sind die ersten


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Gastarbeiter gekommen. Das waren die ersten türkischen und jugoslawischen Gastar­beiter, die wir gehabt haben. Anschließend haben sie dann auch ihre Kinder und Fami­lien nachgeholt, aber da hat man schon die Gemeinden alleingelassen, das muss ich schon dazu sagen, da war die Wirtschaft nirgends zu sehen. – Okay, das ist jetzt vor­bei. Jetzt versuchen wir gemeinsame Lösungen zu finden, und hoffentlich ist das dann auch zum Besten für alle.

Auf jeden Fall darf ich abschließend noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen, Herr Landeshauptmann, und darf wirklich zu Vorarlberg gratulieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Kollege Posch zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.49.32

Bundesrat Stefan Posch (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Motto „Gemeinsam Verantwortung tragen“, welches das Land Vorarlberg aus Anlass des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz sowie im Bundesrat im ersten Halbjahr 2013 gewählt hat, ist meines Erachtens in der jetzigen Zeit wichtiger und aktueller denn je. Die politischen Umbrüche und Veränderungen innerhalb unseres Landes, wenn wir gerade die letzten Landtagswahlen betrachten, aber auch innerhalb Europas, wenn wir beispielsweise nach Italien schauen, lassen uns immer wieder feststellen und erkennen, dass sich die politischen Parteien sowohl auf Gemeinde-, Landes- als auch auf Bundesebene leider viel zu wenig zu ehrlicher Zusammenarbeit bekennen.

Jedoch lehrt uns schon die Geschichte, dass nur durch die Zusammenarbeit aller, über die naturgemäß manchmal verschiedenen Auffassungen der Parteien hinweg, in Öster­reich das erreicht wurde, worauf wir heute mit Stolz hinweisen können. Das Zusam­menhalten aller hat Österreich aus der wirtschaftlichen Not des Jahres 1945, aus den Fesseln der Besatzung zu Freiheit und Wohlstand geführt. Und so ist auch heute noch die ehrliche Zusammenarbeit die erste Voraussetzung dafür, dass politische Arbeit in der Zukunft Erfolg hat.

Meine Damen und Herren! Indem wir uns auch hier im Bundesrat zu ehrlicher Zusam­menarbeit über die Parteigrenzen hinweg bekennen und dieses Bekenntnis auch wahr­machen, wollen und können wir ein Beispiel geben, das über die Grenzen hinaus wir­ken soll. Wir haben als Politiker nicht die Aufgabe, die Gegensätze, seien sie berufs­ständischer oder politischer Natur, zu verschärfen, sondern wir haben die Aufgabe, die Gegensätze auszugleichen und das Einigende über das Trennende zu stellen.

Tirol hatte im zweiten Halbjahr des Jahres 2012 den Vorsitz in der Landeshauptleute­konferenz sowie im Bundesrat inne und hat in dieser Zeit, denke ich, wichtige Akzente und Schritte, was die notwendige Stärkung beziehungsweise Reform des Bundesrates beziehungsweise den Bereich des Föderalismus betrifft, eingeleitet. Herzlichen Dank dafür dem Tiroler Landeshauptmann Platter sowie dem ehemaligen Bundesratspräsi­denten Kollegen Georg Keuschnigg. Und bewusst sage ich von dieser Stelle aus: Ge­nauso wie die Vorarlberger sind wir Tiroler Föderalisten, der Tradition nach und aus Überzeugung. Das Land Tirol ist nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg nicht einem Zentralstaat, sondern einem Bundesstaat beigetreten. Ich sehe es kritisch, wenn in der heutigen Zeit, aus welchen Anlassfällen auch immer, hier und dort Stimmen laut werden, die Länderzuständigkeiten anzurühren. Wir müssen gemeinsam alle Kraft da­für einsetzen, dass der Bundesrat zu einer echten Länderkammer wird, vor allem dort, wo die Landeshoheit und die Länderrechte infrage gestellt werden. Was die kleinere Gemeinschaft an Aufgaben vernünftigerweise besorgen kann, das soll sie auch selbst besorgen!


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Der gleiche Grundsatz gilt aus meiner Sicht auch in Europa: Wir wollen kein Europa, das zentralistisch und bürokratisch organisiert ist. Wir wollen ein Europa, das sich auf die großen Fragen unserer Zeit konzentriert, beispielsweise die Idee einer Friedens- und Sicherheitsunion oder einer großen Freihandelsunion mit Amerika. Darum sollte sich meines Erachtens Europa kümmern – und nicht um Angelegenheiten, die Europa nichts angehen, wie beispielsweise die Privatisierungspläne beim Trinkwasser.

Meine Damen und Herren! Wir leben in turbulenten Zeiten und stehen in Europa und in Österreich vor großen Herausforderungen. Die europäische Staatsschuldenkrise, die Lage in Nordafrika und im Nahen Osten, die Veränderung des Klimas in der Welt, die Umsetzung der Energiewende, der demographische Wandel, die gewaltige Entwick­lung im Bereich der Technik, des Internets, die Herausforderungen im Bereich der Bil­dung, die der Herr Landeshauptmann angesprochen hat, des leistbaren Wohnens, der sozialen Gerechtigkeit und, und, und – beinahe jede dieser Herausforderungen für sich allein genommen würde eigentlich schon für eine ganze Legislaturperiode ausreichen. Aber wir müssen uns mit all diesen Herausforderungen auf einmal beschäftigen, und wir müssen sie auch auf einmal bewältigen. Und ich habe bei Weitem noch nicht alle Herausforderungen genannt.

Deshalb sage ich, in genau diesen Zeiten kann nur die gemeinsame Wahrnehmung der Verantwortung Europa, aber auch unser Land Österreich in eine gute Zukunft füh­ren. Und deshalb freue ich mich auch über das vom Land Vorarlberg gewählte Motto „Gemeinsam Verantwortung tragen“, weil es aktueller denn je ist und wir genau diesen Politikansatz brauchen, der auf den Menschen setzt und darauf, dass die Ideen, die Tatkraft und der Fleiß der Menschen verantwortlich und zum Wohle aller eingesetzt werden.

So wünsche ich dem Land Vorarlberg bei der Vorsitzführung viel Erfolg, Mut und Tat­kraft. Gerade in der jetzigen Zeit brauchen wir Politiker, die freudig, mutig, kreativ und konstruktiv das Land gestalten und bereit sind, gemeinsam Verantwortung zu tragen, insbesondere auch was die notwendige Reform des Bundesrates betrifft. Viel Erfolg und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.55


Präsident Edgar Mayer: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Lan­deshauptmann Wallner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.55.05

Landeshauptmann von Vorarlberg Mag. Markus Wallner: Herr Präsident! Werte Ab­geordnete! Es wird nicht möglich sein, auf alle Redebeiträge einzugehen – wir stra­pazieren die Zeit –, aber es wird möglich sein, ein paar Kommentierungen zu machen, ein bisschen zu replizieren.

Zum Ersten einmal herzlichen Dank für die lobenden Worte, insbesondere für unser Bundesland, das ist nicht selbstverständlich. Ich freue mich darüber, dass viele offen­sichtlich gute Kontakte ins Land haben und auch genießen können und sehen, dass sich bei uns einiges Positives bewegt. – Ich habe gar nicht gewusst, dass ich über­haupt so viel Lob ertragen kann. Aber es ist gut auszuhalten. (Heiterkeit.) Es darf auch mehr sein, selbstverständlich.

Meine Damen und Herren! Zwei, drei Dinge, jetzt nur in Stichworten. Es wurde ange­sprochen: Wie machen wir den Föderalismus fit für die Zukunft? – Noch einmal eine Sichtweise, vielleicht ein bisschen stärker aus unserer Region, die sehr im Zusammen­hang steht mit der europäischen Dimension: Wenn man über eine Wirtschaft verfügt, die so exportstark ist wie bei uns, die ganz stark die Wachstumsmärkte vor der Haus­türe liegen hat, dann sind die europäischen Regelungen in Wahrheit das alles Ent­scheidende. Und wir beobachten sehr kritisch, ob in der nächsten Instanz – jetzt sage


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 48

ich einmal, des Nationalrates, und dann natürlich auch hier, dann auch im Bereich der Landesgesetze – in diese Bereiche eingegriffen wird.

Für uns ist entscheidend, wie die Rahmenbedingungen der Bodenseeregion, des Al­penraums – dort, wo wir direkt zusammenarbeiten müssen, wo die Wirtschaft tagtäg­lich arbeitet – gestaltet werden. Das ist weit hinausgeblickt, aber es ist ein Plädoyer für den Regionalismus, es ist ein Plädoyer für ein Europa der Regionen, und es ist ein Plä­doyer für das Zurückdrängen der nationalen Gesetzgebung, ganz offen gesagt, auch für ein Im-Zaum-Halten der Landesgesetzgebung. Es gilt vielmehr die Perspektive zu haben – und dort liegen die Wachstumschancen der Zukunft für uns –, die Augen zu öffnen für grenzüberschreitende Kooperation, für grenzüberschreitende Zusammenar­beit: Raus aus den nationalen Grenzen, hin zu mehr regionaler Sichtweise! Es gibt in etwa 270 europäische Regionen im direkten Wettbewerb. Und eine genaue Analyse, die wir sehr genau betreiben, zeigt auch sehr gut, wo die Hebel der Wettbewerbsfähig­keit der Zukunft sind. Ich meine damit bei Gott nicht nur die Wirtschaft alleine, sondern auch die Gesellschaft insgesamt.

Das ist der Vergleich, den wir machen, in unserer Region zumindest, aber es wird bei Ihnen nicht viel anders sein, eben auch in einer grenzüberschreitenden Sichtweise. Und gemeinsam Verantwortung tragen heißt, das auch zu sehen, zu überlegen, wie das in Zukunft weitergehen kann.

Ich lade sehr dazu ein – sonst sind wir in altmodischen Debatten unterwegs –, von den eher rückwärts gerichteten Kompetenzdebatten Abstand zu nehmen. Es interessiert mich auch nicht besonders, muss ich dazu sagen – gelegentlich, aber nicht beson­ders –, weil die Kompetenzdiskussionen, wenn sie überstrapaziert werden, eigentlich zu nichts führen. Und ich gehöre nicht zu jenen, die heraustreten und sagen, wir for­dern massiv mehr Länderzuständigkeiten. Überhaupt nicht! Wir sind mit der Kompe­tenzlage – ich zumindest – prinzipiell zufrieden. Natürlich kann man immer darüber reden: wo kann man noch mehr tun?, was kann man verschieben?, aber ich stelle das gar nicht so sehr in den Vordergrund der Diskussionen, überhaupt nicht. Die Kompe­tenzlage im Bundesstaat Österreich ist in Ordnung.

Und glauben Sie mir, die Frage, ob Föderalismus zukunftsfähig ist oder nicht, hat eine europäische Seite und sie hat eine innerstaatliche Seite. Und die innerstaatliche Seite hängt sehr damit zusammen, ob das Maß an Eigenständigkeit vor Ort gut genützt wird und, ganz offen gesprochen, ob die Kasse stimmt – das ist auch so im Leben –, also ob auch der Finanzausgleich bis hin zu Fragen der Steuerverteilung, Autonomie richtig funktioniert. Die finanzielle Eigenständigkeit ist in Wahrheit der Kern des Föderalismus, und nicht die Kompetenzfrage. Ich unterschreibe das sehr. Wenn Sie die Finanzkraft vor Ort verlieren, durch eigene Dummheiten oder durch Schwierigkeiten mit dem Bund, dann können Sie noch so viele Zuständigkeiten haben, Sie werden nicht innovativ sein.

Sie brauchen eine gewisse Eigenständigkeit in diesem Bereich, und dort liegt viel in ei­gener Verantwortung. Darauf möchte ich Sie hinweisen in diesen Diskussionen. Das heißt, auch selbst vorsichtig zu sein, auch selbst sparsam zu sein, auch selbst die Verwaltung zu reformieren. Das heißt es eigentlich: im eigenen Land dazuzuschauen, dass die Haushalte in Ordnung bleiben und investiert werden kann, und im Finanz­ausgleich klarzumachen, dass wir keine Filiale des Bundes sind, sondern in all den Fragen des Finanzausgleichs Gespräche auf Augenhöhe verlangen. Und noch ein Satz dort dazu – es wird ja gerade jetzt oft kritisiert, Finanzausgleich versus Steuer­autonomie –: Unterschätzen Sie, die Sie aus allen Teilen Österreichs kommen, nicht, was Finanzausgleich im Kern auch bedeutet, nämlich der Ausgleich von unterschiedli­chen Lebensverhältnissen in Österreich. Und werfen Sie auch diesbezüglich einen Blick über die Grenzen, um vielleicht zu sehen, dass das Wesen des österreichischen Finanzausgleichs eine sehr positive Seite hat, nämlich jene, dass es besser als in an-


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 49

deren europäischen Ländern gelingt – etwa in Italien, in Frankreich, in großen Teilen Südeuropas, aber auch im Norden, schauen Sie genau hin –, die Lebensverhältnisse, die unterschiedlich sind im ländlichen Raum, im urbanen Raum, in der Stadt, am Land und in anderen Gegenden, strukturell besser auszugleichen.

Wir haben nicht so große Probleme mit der Abwanderung aus den ländlichen Gebie­ten – es gibt sie natürlich auch, aber sie sind nicht so groß – wie in vielen anderen Teilen Europas. Wenn Sie in Italien unterwegs sind, im Urlaub oder beruflich, dann ge­hen Sie einmal in die Gegend drei Kilometer außerhalb der urbanen Räume: Sie finden entleerte Regionen! Dort hat man nicht die Kraft, einen ordentlichen Ausgleich von Lebensverhältnissen herzustellen. Darin liegt der Vorteil des Finanzausgleichs: Es wird ein Ausgleich hergestellt. Es gibt auch Einzahler und es gibt auch Gewinner – es gibt strukturell schwächere Regionen in Österreich, die profitieren.

Betreffend die Steuerautonomie könnte ich jetzt weit ausholen, denn dazu muss man ein paar Dinge sagen. Die kann man mit uns diskutieren, aber die Gesamtsteuerbelas­tung darf nicht hinauf-, sondern sie muss hinuntergehen. Steuerautonomie kann ja nicht bedeuten, dass die Gesamtsteuerbelastung steigt. Wenn die Einladung, die Grundsteuer selbst zu regeln, eine Einladung zur Steuererhöhung ist, ist das uninteres­sant. Bei den Massensteuern, im Bereich der Umsatzsteuer, ist das europarechtlich nicht möglich, bei der Körperschaftsteuer wäre es spannend, zum Beispiel durch ein Zuschlagssystem wie in der Schweiz, das würde einen interessanten Wettbewerb schaffen, bei der Einkommensteuer ist das nicht ganz einfach.

Und trotzdem müssen wir bei diesen Fragen gut überlegen – da bin ich jetzt fair –, um den Ausgleich und die Autonomie in eine richtige Dosierung zu bringen, weil beides – und da blicke ich schon über unser Land hinaus – in Österreich wichtig ist. Aus unserer Sicht könnte ich sagen: Steuerautonomie her!, weil wir heute – wie im Übrigen auch Oberösterreich – Nettozahler sind, in zwei Richtungen: nach Brüssel und nach Wien. Von daher wäre es logisch, aber es gibt auch andere Regionen, und das Wesen des Finanzausgleichs ist eben der Ausgleich von Lebensverhältnissen – ich sehe das schon auch.

Selbst die oft diskutierte und hergezeigte Schweiz redet im Moment ganz intensiv über Fragen des Ausgleichs – das müssen sie auch. Auch diese Seite der Diskussion gibt es, und die sollte man mit berücksichtigen, wenn man über Steuerautonomie und ähnli­che Dinge redet.

Fit machen für die Zukunft heißt in erster Linie Reformpartnerschaft, gemeinsam Ver­antwortung tragen heißt Reformpartnerschaft – zumindest meinem Verständnis nach –, in jenen Bereichen, die ich genannt habe: Bildung, Kinderbetreuung, Forschung und Entwicklung und auch weit darüber hinaus.

In Sachen der Transparenz laufen Sie bei mir prinzipiell offene Türen ein, aber ich wür­de Sie auch bitten, den Kopf bei der Sache zu lassen, weil es auch Dinge gibt – be­zogen auf den Bürger und die Bürgerin, die Sie ja so genannt haben –, die geschützt werden müssen: sensible persönliche Daten (Bundesrat Schreuder: Das habe ich ge­sagt, das ist eine Ausnahme!) – richtig! – in Fragen der Sicherheit zum Beispiel, das ist entscheidend. Und ein Informationsfreiheitsgesetz hat beide Aufgaben: klarzustellen, wo der Zugang zur Information hergestellt wird, wo sie nicht von vornherein unter ei­nem Amtsgeheimnis stehen muss, aber auch klarzustellen, wo Schutz gelten muss. Das kann man auch machen, und deswegen ist diese Überlegung durchaus interessant.

Sie können sich aber bei uns auch gerne – weil Sie das so gebracht haben – das neue Parteiengesetz anschauen. Wir gehen in der Transparenz über die Bundesbestimmun­gen hinaus. Sie können sich anschauen, was wir veröffentlichen in Bezug auf die Ab­geordneten – deutlich mehr als dieses Haus!; also die Regelungen sind eher noch wei-


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 50

ter gehend –, Sie können sich anschauen, was jetzt geschieht in Bezug auf die Rech­nungshofprüfung der Gemeinden – außer Salzburg und Vorarlberg hat sich da noch keiner bewegt. Also in Fragen der Transparenz sind wir durchaus offen und können ei­nige Beispiele liefern – aber schon ein bisschen mit Maß und Ziel, was machbar ist. Aber die Diskussion, die führe ich gerne mit Ihnen, und wir können uns auch darüber unterhalten, was diesbezüglich machbar ist und was nicht machbar ist.

In diesem Sinne darf ich mich noch einmal bedanken. Ich wünsche dem Haus eine gu­te Zukunft! Sie werden in mir einen Verbündeten haben, auch in der Landeshauptleu­tekonferenz – über der ein seltsamer Mythos schwebt, habe ich festgestellt. (Heiter­keit.) Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie der Landeshauptleutekonferenz so viel an Macht zutrauen. Ich muss sagen, das ist spannend (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), aber vielleicht liegt diese Sicht auch darin begründet, dass das eben nicht in der Verfassung steht, dass wir nicht so eng geregelt sind und dass wir in der Lage sind, auf dieser Ebene – zumindest gelegentlich – etwas auch parteiübergreifend zu­stande zu bringen, was auf der nächsthöher gelegenen Ebene oft nicht geht. Das ist auch ein Beitrag, den man unter „gemeinsam“ verstehen kann. Eine Einigung dort ist oft wesentlich einfacher, weil pragmatischer, als eine Stufe höher.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Bei­fall.)

12.06


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Nochmals herzlichen Dank, Herr Landeshauptmann, im Namen des Bundesrates, aber auch persönlich für die lobenden Worte. Wir wünschen weiterhin alles Gute, viel Erfolg, und wir werden weiter gemeinsam Verantwortung tragen. – Danke.

12.06.22Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Edgar Mayer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 2721/AB beziehungsweise

jener Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG betreffend Amts­enthebung von Mag. Norbert Darabos bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Artikel 70 Abs. 1 B-VG von Mag. Gerald Klug zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport – hier möchte ich anfügen, dass ich auch dem neuen Minister für Landesverteidi­gung und Sport im Namen des Bundesrates alles Gute und viel Erfolg wünsche (allge­meiner Beifall); zu seinem Nachfolger als Fraktionsobmann der sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat wurde Kollege Reinhard Todt gewählt; auch ihm alles Gute, viel Erfolg, gute Zusammenarbeit, Herr Kollege! (allgemeiner Beifall) – sowie

gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG, Herrn Landesrat Mag. Michael Schickhofer dem Rat der EU als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen vorzuschlagen, und

jener Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG be­treffend die Aufnahme von Verhandlungen über Abkommen zur Vermeidung von Dop­pelbesteuerungen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerumgehung mit Belarus beziehungsweise mit Albanien beziehungsweise

jenes Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundeskanzlers Werner Faymann am 14. und 15. März 2013 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 51

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung (siehe S. 5)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos gemäß Artikel 74 Absatz 3 B-VG sowie gleichzeitige Ernennung von Mag. Gerald Klug zum Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport gemäß Artikel 70 Absatz 1 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Edgar MAYER

Parlament

1017 Wien

                                                                                                                                GZ 350.000/0003-I/4/13

                                                                                                                               Wien, am 11. März 2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich Ihnen mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 11. März 2013, GZ S210.010/1-BEV/13, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Ver­fassungsgesetz Herrn Mag. Norbert DARABOS vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Ab­satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Mag. Gerald KLUG zum Bundesminister für Landesverteidigung und Sport ernannt.

Mit den besten Grüßen“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Vorschlag für eine Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Herrn Präsident des Bundesrates

Edgar MAYER

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

                                                                                                                                 Wien, am 4. März 2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundes­regierung im Rahmen der 177. Sitzung des Ministerrates am 26. Februar 2013 be-


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 52

schlossen hat, Herrn Landesrat Mag. Michael Schickhofer dem Rat der Europäischen Union gemäß Art. 23c Abs. 1 B-VG als stellvertretendes österreichisches Mitglied des Ausschusses der Regionen (AdR) vorzuschlagen.

Frau Landesrätin Mag. Elisabeth Grossmann hat mit Wirkung vom 29. Jänner 2013 ih­re Funktion als stellvertretendes österreichisches Mitglied im AdR zurückgelegt. Das Amt der steiermärkischen Landesregierung hat mitgeteilt, dass die steiermärkische Landesregierung am 7. Februar 2013 beschlossen hat, Herrn Landesrat Mag. Michael Schickhofer der Bundesregierung an ihrer Stelle zur Nominierung als stellvertretendes österreichisches Mitglied des AdR gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG vorzuschlagen. Dies wurde dem Bundeskanzleramt mit dem Schreiben vom 11. Februar 2013 gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG mitgeteilt.

Die Ernennung eines stellvertretenden Mitglieds des AdR erfolgt durch den Rat der Eu­ropäischen Union mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 305 UAbs. 3 AEUV aufgrund der mitgliedstaatlichen Nominierung.

Die vorliegende Nominierung von Herrn Landesrat Mag. Schickhofer wird dem Gene­ralsekretariat des Rates im Wege des Bundesministeriums für europäische und inter­nationale Angelegenheiten zur weiteren Durchführung des Verfahrens zugeleitet. Mit seiner Ernennung kann im Laufe des März 2013 gerechnet werden.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

2 Beilagen

Lebenslauf wird nicht veröffentlicht“

„BESCHLUSSPROTOKOLL Nr. 177

über die Sitzung des Ministerrates am 26. Februar 2013

8. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0012-IV/5/13, betr. Nominierung von Lan­desrat Mag. Michael SCHICKHOFER als stellvertretendes österreichisches Mitglied des Ausschusses der Regionen anstelle von Landesrätin Mag. Elisabeth GROSS­MANN.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.“

*****

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„DR. MARIA FEKTER

FINANZMINISTERIN

Herr Präsident

des Bundesrats

Edgar Mayer

Parlament                                                                                                    Wien, am 26. Februar 2013

1017 Wien                                                                                       GZ: BMF-010221/0020-IV/4/2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 176. Sitzung des Ministerrates am 19. Februar 2013 Verhandlungen mit Belarus zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 53

16. Mai 2001 unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Ös­terreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 69/2002, aufgenommen wurden.

Aufgrund der internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„DR. MARIA FEKTER

FINANZMINISTERIN

Herr Präsident

des Bundesrats

Edgar Mayer

Parlament                                                                                                    Wien, am 26. Februar 2013

1017 Wien                                                                                       GZ: BMF-010221/0017-IV/4/2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 176. Sitzung des Ministerrates am 19. Februar 2013 Verhandlungen mit Albanien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 14. Dezember 2007 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerum­gehung samt Protokoll, BGBl. Nr. 107/2008, aufgenommen wurden.

Aufgrund der internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mit­gliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                               Geschäftszahl: zu 350.100/0004-I/4/13

                                                                                                                                                 Abteilungsmail:

An das                                                                                     Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

Parlament                                                                         Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                                    Telefon: 01/531 15 20/2217

1017 Wien                                                                                                                                7. März 2013


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Der Ministerratsdienst im Bundeskanzleramt übermittelt im Anhang die Schreiben des Herrn Bundeskanzlers an die Präsidentin des Nationalrates bzw. an den Präsidenten des Bundesrates betreffend seinen EU-Aufenthalt am 14. und 15. März 2013.

Für den Bundeskanzler:

LEITNER“

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz (den Vorsitz übernehmend): Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass das Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzler­amtes betreffend den Aufenthalt

des Bundesministers für Gesundheit Alois Stöger vom 12. bis 15. März 2013 in Tad­schikistan und Kirgistan bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer mit seiner Vertretung so­wie

des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töch­terle vom 10. bis 17. März 2013 in Chile und Brasilien bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl mit seiner Vertretung im Plenum des Bundesrates eingelangt sind.

*****

Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt zur Vorberatung in den Ausschüssen zugewiesen wurden:

die EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen, zugewiesen dem Finanzausschuss und bildet bereits einen Tagesordnungspunkt in der heutigen Sit­zung,

die EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Was­serwirtschaft,

das EU-Arbeitsprogramm 2013 – Bericht des Bundesministers für europäische und in­ternationale Angelegenheiten, zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegen­heiten,

die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung 2013 auf der Grundlage des „Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission“ sowie des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“, zugewiesen dem Ausschuss für Wissen­schaft und Forschung sowie

die Strategische Jahresplanung 2013 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Mo­natsprogramms der irischen, litauischen und griechischen Präsidentschaften, zugewie­sen dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 55

Umstellung der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 2 GO-BR

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Da sich die Frau Bundesministerin für Finanzen derzeit noch im Finanzausschuss befindet, schlage ich gemäß § 41 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates vor, die Tagesordnungspunkte 1 und 2 als Punkte 6 und 7 in Verhandlung zu nehmen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Die Reihenfolge der Behandlung der Tagesordnungspunkte ist somit entsprechend ge­ändert.

*****

Ich habe die gegenständlichen Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die neu gereihten Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mühlwerth, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen betreffend Selbstbedienungsladen Bun­desministerium für Inneres an die Bundesministerin für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, begrüße ich Frau Ministerin Dr. Karl ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

12.11.471. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensgesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Verbraucher­kreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zahlungsver­zugsgesetz – ZVG) (2111 d.B. und 2178 d.B. sowie 8910/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 8. März 1979 über die Gemeinnützigkeit im Woh­nungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG) sowie das Bundesge-


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setz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden, geändert werden (2179 d.B. sowie 8911/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Ing. Androsch. Bitte um die Berichte.

 


12.12.25

Berichterstatter Ing. Maurice Androsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die Berichte zur Kenntnis bringen.

Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Feb­ruar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch, das Unternehmensgesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Miet­rechtsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geän­dert werden (Zahlungsverzugsgesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz vom 8. März 1979 über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungs­gemeinnützigkeitsgesetz) sowie das Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden, geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


12.13.59

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Die beiden vorliegende Geset­zesnovellen betreffen die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungs­verzug im Geschäftsverkehr, die bis 16. März 2013 zu erfolgen hat.

Es geht um den Zahlungsverkehr zwischen den Unternehmen – zwischen den kleine­ren Unternehmen, den Klein- und Mittelbetrieben und den großen Unternehmen – be­ziehungsweise der öffentlichen Hand. Wir alle wissen, dass sich gerade Bund, Land und Gemeinden bei den Zahlungen in letzter Zeit, aber auch früher sehr viel Zeit las­sen beziehungsweise gelassen haben, und gerade diese langen Zahlungsziele bringen kleinere Betriebe, die ja meistens auch dementsprechend Federn lassen haben müs­sen, damit sie überhaupt einen Auftrag bekommen, in Liquiditätsprobleme, des Öfteren auch in Existenzprobleme.


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Ich selbst habe noch gelernt, dass man etwas, was man sich bestellt, auch unver­züglich zu bezahlen hat und zahlen muss, das ist aber gerade bei Großbetrieben oder bei der öffentlichen Hand nicht immer so. Und weil das nicht so selbstverständlich ist, ist diese gesetzliche Regelung, diese EU-Richtlinie sicherlich notwendig und wichtig, denn es geht hauptsächlich, wie gesagt, um die Klein- und Mittelbetriebe.

Davon gibt es über 300 000 in Österreich mit über zwei Millionen Beschäftigten, und ich glaube, deshalb ist es auch gerechtfertigt, dass wir heute diesen beiden Vorlagen unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.15.55

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich mache es ebenso kurz. Wir werden dem genauso zustimmen, ich muss allerdings da­zusagen, es geht ja nicht nur um die Richtlinie, sondern es gibt auch ein Gerichtsurteil des EuGH (Bundesrat Steinkogler: Richtig!), das jetzt mit dieser Gesetzesnovelle um­gesetzt wird.

Es ist natürlich eine alte österreichische Tradition, dass man, wenn man sozusagen Schickschulden hat, dies im Prinzip am letzten Tag überweisen kann und das gilt – und das ändert sich jetzt. Jetzt muss das Geld am Stichtag eingelangt sein.

Was wir allerdings sehr wichtig finden – und deswegen stimmen wir dem Ganzen auch zu –, ist, dass es für die Konsumenten und Konsumentinnen eine andere Bestimmung gibt: Sie können nach wie vor am letzten Tag der Fälligkeit überweisen, das halten wir für sehr wichtig. Und für wichtig halten wir auch, dass es eine eigene Bestimmung für Mieterinnen und Mieter gibt, also man kann nach wie vor eine Miete auch am 5. des Monats überweisen und muss dies nicht am 1. machen. Das finden wir wunderbar.

Apropos Miete – da bleiben wir natürlich dabei: Wir brauchen eine völlig neue Rege­lung des Mietrechtsgesetzes; das sei hiemit auch gesagt. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

12.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Bevor ich Frau Präsidentin Zwazl das Wort erteile, begrüße ich den ehemaligen Präsidenten des Bundesrates Herrn Manfred Gru­ber ganz herzlich bei uns. Schön, dass du uns besuchst! Herzlich willkommen! (Allge­meiner Beifall.) – Bitte.

 


12.17.00

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja jetzt über das Gesetz schon sehr viel gesprochen worden. Wir begrüßen es, weil die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug ganz einfach Klarheit für die Geschäfte zwischen den Unternehmen schafft. Diese Neuerungen betreffen aber nicht nur Geschäfte zwischen Unternehmen, sondern auch von Unternehmen mit juristischen Personen öffentlichen Rechts. Nicht erfasst sind Sonderregelungen für die öffentliche Auftragsvergabe – diese werden noch gesondert im Bundesvergabegesetz geregelt.

In diesem Gesetz – es ist schon angesprochen worden – geht es um Folgendes: Wenn ein Unternehmer dem anderen für eine Leistung Geld schuldet, so ist die Geldschuld am Sitz beziehungsweise an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen. Der Schuldner kann die Erfüllung nach seiner Wahl entweder durch Barzahlung oder durch Banküberweisung vornehmen. Bei der Erfüllung durch Banküberweisung hat der Schuldner nach dieser Neuregelung die Überweisung so rechtzeitig vorzunehmen,


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dass der Betrag bei Fälligkeit auf dem Konto des Gläubigers wertgestellt ist, also wirk­sam gebucht ist. Bisher war es ausreichend, den Überweisungsauftrag spätestens bei Fälligkeit zu geben. Wenn kein Fälligkeitstermin bestimmt ist, ist ohne unnötigen Auf­schub zu überweisen. Hier sprechen die Erläuterungen von einigen wenigen Tagen.

Ganz ausgenommen sind die Privatpersonen dabei auch nicht. Wenn zwischen zwei Privatpersonen ein Vertrag geschlossen wird, wie zum Beispiel beim Kauf eines Ge­brauchtwagens, so gilt auch hier diese Regelung. Der Kaufpreis für den Wagen muss am Tag der Fälligkeit am Konto des Verkäufers gutgeschrieben sein.

Bei Rechtsgeschäften zwischen Verbrauchern und Unternehmen gilt die Geldüberwei­sung hingegen wie bisher als rechtzeitig durchgeführt, wenn der Verbraucher am Tag der Fälligkeit die Überweisung vornimmt.

Im Nationalrat hat es zu diesen Neuregelungen Diskussionen in die Richtung gegeben, dass man sich damit selbst überlassen ist und selbst berechnen muss, wann eine Überweisung rechtzeitig beim Gläubiger einlangt. – Dieser Ansatz ist mehr als irrefüh­rend. Wir haben ja im Vorjahr das Zahlungsdienstegesetz beschlossen, womit sicher­gestellt ist, dass im gesamten EU-Raum die Wertstellung einer Überweisung am nächsten Werktag durchzuführen ist. Die Banken sind dazu verpflichtet und bei Verlet­zung schadenersatzpflichtig. Die Unternehmer können sich darauf einstellen, und die Konsumenten sind ja davon ausgenommen.

Es ist natürlich auch berücksichtigt worden, was für unsere Unternehmer wichtig ist, nämlich eine Regelung für die Vertragsbeziehungen mit der öffentlichen Hand, die ja bekanntlich ihre Zahlungsziele sehr weit hinausschiebt und im Durchschnitt erst nach mehr als 40 Tagen zahlt.

Auch für die Abnahme- und Überprüfungsverfahren gibt es nunmehr eine klare Rege­lung. Zur Feststellung der vertragsmäßigen Leistungserbringung ist die zulässige Frist für Abnahme beziehungsweise Überprüfung mit 30 Tagen ab Empfang der Ware be­ziehungsweise Erbringung der Dienstleistung festgelegt. Eine darüber hinausgehende Dauer muss sachlich gerechtfertigt sein und darf für den Gläubiger nicht grob nachteilig sein.

Insgesamt sind das Maßnahmen, die einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmern beziehungsweise Unternehmern und der öffentlichen Hand dienen.

Das Mietrechtsgesetz ist auch bereits angesprochen worden. Künftig ist der Fälligkeits­termin für den Mietzins der 5. eines jeden Kalendermonats, nicht der 1.; vertraglich kann nur ein späterer Zeitpunkt vereinbart werden. Ein bisschen Rechtsunklarheit be­steht bei Mietverhältnissen, die nicht zur Gänze dem Mietrechtsgesetz unterliegen und bei denen das Konsumentenschutzgesetz nicht anwendbar ist. Da kann man auch in Zukunft vertraglich einen früheren Zahlungstermin festlegen als den 5.; grundsätzlich gelten all diese neuen Bestimmungen für Verträge, die ab dem 16. März 2013 abge­schlossen werden. Bei Mietverträgen allerdings gelten die neuen Bestimmungen auch schon für alle bereits bestehenden Verträge.

Insgesamt ist es daher auch für uns selbstverständlich, dass wir zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Taucher. – Bitte.

 


12.22.08

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Erläute­rungen vielleicht etwas salopp damit einleiten: Klare Rechnung, gute Freunde. Das


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kennen wir alle. Wenn man ein Geschäft macht, dann freut man sich, wenn rechtzeitig bezahlt wird. Das schafft Vertrauen in einer Geschäftsbeziehung, und so soll es auch sein, denn Vertrauen ist eine wesentliche Basis für gute Geschäfte. Vertrauen wiede­rum ist eine gute Grundlage für einen Wirtschaftsstandort. Das neue Zahlungsverzugs­gesetz wird sicher seinen Beitrag dazu leisten, das Vertrauen in den Wirtschaftsstand­ort Österreich und in den Wirtschaftsraum Europa zu heben. Treffen die Geldflüsse zum richtigen Zeitpunkt ein, dann geht es auch der Wirtschaft gut.

Der Erstredner ist ja schon darauf eingegangen, dass dieses Gesetz sehr stark auf die Kleinunternehmen, KMUs, Einpersonenunternehmen, Mikrounternehmen und deren Zahlungsverkehr abzielt. Gerade die leiden ja am heftigsten, wenn sie Leistungen, Sachleistungen oder Personalleistungen erbringen. Sie müssen die Löhne zahlen, sie müssen die Sachkosten beispielsweise in einem kleinen Installateurbetrieb abdecken, und dann kommen Zahlungen nicht herein. Für die ist das dann ein Problem; sie schlit­tern sehr, sehr rasch in eine Insolvenz.

Gleichzeitig muss man gerade aus Sicht meiner Fraktion, die die Interessen dieser kleinen Unternehmen immer gerne vertritt, feststellen, dass sie unter einem immensen Preisdruck von großen Handelskonzernen und Baukonzernen stehen. Deswegen ist dieses Gesetz zum Schutz der Kleinstunternehmen, EPUs und Mikrounternehmen si­cherlich eine tolle Sache. Wenn es ihnen gut geht, dann geht es den Menschen in unserem Land gut. Und wenn wir den Wohlstand in unserem Land ordentlich verteilen, dann geht es schlussendlich auch der Wirtschaft wieder gut.

Dieses Zahlungsverzugsgesetz bedingt – meine Vorrednerin ist kurz darauf eingegan­gen – ja auch eine Änderung im Mietrechtsgesetz im § 15 Abs. 3 betreffend den Zeit­punkt, wann die Miete am Konto des Vermieters eingelangt sein muss. Jetzt ist das der 5. des Folgemonats, damit nicht vorfinanziert werden muss, wenn der Lohn erst am Monatsende kommt.

Ich möchte das nicht noch einmal erläutern, sondern den MieterschützerInnen der Mie­tervereinigung meinen Dank aussprechen, die im Begutachtungsverfahren den Sach­verhalt wirklich hervorragend dargelegt und betont haben, dass es da Probleme geben kann. Dadurch ist es ja auch zu dieser Änderung gekommen. Auch dazu kann man vielleicht etwas salopp sagen: Wenn es den Mietern gut geht, dann geht es wahr­scheinlich auch den Hauseigentümern gut, weil die Miete fließt.

In diesem Sinne können wir diesem Gesetzentwurf, dieser Richtlinie unsere Zustim­mung geben. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Karl. – Bitte.

 


12.25.46

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Das Zahlungsverzugsgesetz setzt für den korrekten und vor allem rechtzeitigen Zahlungsverkehr tatsächlich ganz neue Maß­stäbe. Es geht um den Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen sowie zwischen Un­ternehmen und der öffentlichen Hand. Dieses Gesetz schützt Unternehmer vor man­gelnder Zahlungsmoral ihrer Geschäftspartner, die es leider immer wieder gibt. Die Zahlungsmoral von Unternehmen und der öffentlichen Hand soll sich dadurch merkbar verbessern, und das kommt natürlich, wie schon mehrfach angesprochen wurde, den Unternehmen, insbesondere den KMUs, und damit auch dem Wirtschaftsstandort Ös­terreich zugute.

Das Gesetz dient im Wesentlichen der Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Gerade die Eindämmung von Zahlungsverzöge-


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rungen ist ein wichtiges Anliegen. Bedenken Sie etwa, dass es dadurch den Schuld­nern sozusagen über die Hintertüre gelingt, sich zum Nachteil der Gläubiger einen Kredit zu verschaffen. Das mag vielleicht aus der Sicht des Schuldners als Kavaliers­delikt oder als lässliche Sünde betrachtet werden; in Summe betrachtet, wenn das also mehrere Schuldner tun, kann das für einen Unternehmer schon auch katastrophale Konsequenzen haben, wenn ihm dadurch sozusagen die Luft ausgeht, wenn er es sich finanziell einfach nicht mehr leisten kann, noch länger zuzuwarten, bis die Schulden beglichen werden.

Die neuen Regelungen sehen daher den Ausbau und die Verschärfung des bestehen­den Instrumentariums zur Bekämpfung von Zahlungsverzug durch Unternehmen und durch die öffentliche Hand vor. Damit wollen wir eine weitere Hebung der Zahlungsmo­ral im Geschäftsverkehr bewirken, das heißt, wir wollen zu einer Kultur der unverzügli­chen Zahlung gelangen. Damit schützen wir die integren Vertragspartner vor massiven wirtschaftlichen Nachteilen.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind in dieser Vorlage verschiedene Maßnahmen vorge­sehen, die ich schlagwortartig wie folgt zusammenfassen möchte: Es geht um die Er­höhung des Verzugszinssatzes, es geht um die pauschale Entschädigung für Betrei­bungskosten, um Höchstgrenzen für Zahlungsfristvereinbarungen, um die zeitliche Be­schränkung der Dauer von Abnahme- und Überprüfungsverfahren sowie um die Pöna­lisierung grob nachteiliger Vertragsklauseln.

In diesem Zusammenhang darf auch ein Blick über die Grenzen nicht fehlen. Immer dann, wenn bei einem grenzüberschreitenden Geschäft das österreichische Recht zur Anwendung gelangt, dann gilt das selbstverständlich auch für die Zahlungsbedingun­gen. Es ist wichtig, dass sich die österreichischen Unternehmen auch bei ihrer Export­tätigkeit auf den Schutz durch das nationale Zivilrecht verlassen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat Schreuder hat bereits darauf hingewiesen, dass es mit dieser Vorlage nicht nur um die Umsetzung der bereits ange­sprochenen Richtlinie geht, sondern auch darum, dass wir damit auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes Bedacht nehmen. In diesem Erkenntnis ist es um die Rechtzeitigkeit von Überweisungen gegangen. Es hat zu einer sehr unsicheren Rechts­lage die Geldschuld betreffend geführt, und diese unsichere Rechtslage wollen wir nunmehr einer Klärung zuführen. Dabei geht es um die praktisch doch äußerst rele­vante Frage, wann der geschuldete Betrag überwiesen werden muss. Wir wissen alle aus dem täglichen praktischen Leben, dass das keine irrelevante Frage ist.

Der Europäische Gerichtshof hat dazu entschieden, dass die Geldschuld zum Zeit­punkt der Fälligkeit schon auf dem Konto des Gläubigers sein muss. Diese Judikatur des Gerichtshofes setzen wir nun mit dem neuen § 907a ABGB um. Allerdings, und darauf wurde ja bereits von zahlreichen Bundesräten und Bundesrätinnen hingewie­sen, haben wir auch Maßnahmen vorgesehen, um unangemessene Nachteile für die Bevölkerung zu vermeiden. Es geht darum, wirkliche Härten zu vermeiden, die sich durch diese neue Regelung ergeben könnten.

Im Miet- und Wohnrecht genügt es, wenn die Zahlung am 5. des Monats auf dem Kon­to wertgestellt wird. Im Verbrauchergeschäft gilt eine Überweisung auch dann als rechtzeitig, wenn sie am Tag der Fälligkeit in Auftrag gegeben wird. Diese Begleitmaß­nahmen sorgen dafür, dass eine an sich sinnvolle Regelung, nämlich die Verpflichtung zu einer rechtzeitigen beziehungsweise vorzeitigen Überweisung, nicht das bei uns doch schon so eingelebte und tradierte Zahlungsverhalten der Bevölkerung völlig durcheinanderbringt. Ich halte das für eine sehr gute und angemessene Lösung und danke Ihnen für die breite Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.30



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Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend das Zahlungsverzugsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Feb­ruar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsge­setz sowie das Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden, geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

12.31.583. Punkt

Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehnmonats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes (III-485-BR/2013 d.B. sowie 8912/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Androsch. Bitte um den Bericht.

 


12.32.16

Berichterstatter Ing. Maurice Androsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bericht des Justizaus­schusses über die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz auf der Grundla­ge des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2013 so­wie des Achtzehnmonatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Rats­vorsitzes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 den Antrag, die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Acht­zehnmonatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


12.33.09

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Zur Jahres-


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vorschau des Bundesministeriums für Justiz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehnmo­natsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes: Wie die Euro­päische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm betont, sei es das Gebot der Stunde, die Wirtschaftskrise zu meistern und die Europäische Union wieder auf einen von Nachhaltigkeit geprägten Wachstumspfad zurückzuführen. Um dieses Ziel umsetzen zu können, hat die Europäische Kommission einige Initiativen ergriffen.

Allein im Strafrecht hat sich die Trio-Präsidentschaft Verhandlungen zu insgesamt 16 Rechtsakten vorgenommen. Das beginnt mit dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der ge­genseitigen Anerkennung von Geldstrafen, geht über einen Legislativvorschlag für ein Europäisches Strafrecht, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zur Schaffung einer Eu­ropäischen Staatsanwaltschaft, ein Europäisches Strafregisterinformationssystem für verurteilte Drittstaatsangehörige bis hin zu einem Vorschlag für eine Richtlinie für be­sondere Garantien für schutzbedürftige Verdächtige oder Angeklagte im Strafverfah­ren. Kein Vorschlag ist vorgesehen für hilfsbedürftige Opfer von Verbrechen; lediglich für Täter ist eine Richtlinie vorgesehen.

Während es im Strafrecht 16 Punkte sind, sind im Zivilrecht Verhandlungen über 18 Punkte vorgesehen. Einige Beispiele dazu: Vorschlag über ein gemeinsames Kauf­recht, Vorschlag über die gegenseitige Anerkennung der Wirkung bestimmter Perso­nenstandsurkunden, Vorschlag über die Änderung der Verordnung des Rates über In­solvenzverfahren.

Unter Sonstiges ist im Bericht angeführt: Ein mehrjähriger Finanzrahmen von 2014 bis 2020 wird in Verhandlung stehen.

Diese Jahresvorschau zeigt deutlich auf, dass unter der Trio-Präsidentschaft nicht vor­gesehen ist, das Problem Griechenland zu lösen. Obwohl Griechenland im Jahr 2011 ein Bruttoinlandsprodukt von satten 208,5 Milliarden € aufwies, kommt dieses Land nicht aus der Problemzone. Mit diesem Bruttoinlandsprodukt schneidet Griechenland europaweit nicht einmal so schlecht ab. Das berechtigt zur Frage, was mit diesem Geld geschieht. Aus der Sicht von Experten sind Politiker, die bekanntlich niemals Hunger leiden, die Wurzel allen Übels in Griechenland. Vetternwirtschaft und Postenschacherei verhindern jeden Ansatz zu Reformen und jede Chance auf Entwicklung, so ist aus Griechenland zu hören. Politik machen in Griechenland Millionäre; eine Dynastie sahnt ab, und der Rest geht sichtlich den Bach hinunter.

Zu Litauen noch ein paar Worte: Litauen ist der südlichste der drei baltischen Staaten. Das nationale litauische Staatsbudget gliedert sich in ein Budget der Regierung und eines der Gebietskörperschaften. Die Einnahmen der Gebietskörperschaften belaufen sich dabei etwa auf ein Sechstel der Gesamteinnahmen und stammen im Wesentli­chen aus ihrem Anteil an der Einkommensteuer. Dazu kommen dann noch die rein kommunalen Grundsteuern. Allerdings erhalten sie noch zusätzliche Mittel in Milliar­denhöhe aus dem Regierungshaushalt.

Zu Irland: Der Staatshaushalt Irlands musste unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen, und am 28. November 2010 einigten sich die Finanzminister der Eurozone auf ein 85-Mil­liarden-€-Hilfspaket, das von der EU und vom Internationalen Währungsfonds zur Ver­fügung gestellt worden ist.

Wir stimmen dieser Jahresvorschau, die keine Lösung der länderspezifischen Proble­me beinhaltet, nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin auch überzeugt davon, dass dieser irische, litauische und griechische Ratsvor­sitz nicht viel weiterbringen wird. Das liegt allein schon an deren unterschiedlichen


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Rechtssystemen: Litauen hat einen starken russischen Einfluss, Irland arbeitet mit an­gelsächsischem Recht und Griechenland mit Römischem Recht. Es wird also sehr viel Probleme geben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


12.39.02

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zunächst danke ich dem Kollegen Ertl für die wirtschaftspolitische Vorlesung über die Unzulänglichkeiten diverser EU-Mitglieder. Es steht mir an und für sich nicht zu, das festzustellen, aber ich habe doch den Eindruck, es war ein bisschen eine Themenverfehlung, wenngleich die Aufzählung von Verfeh­lungen einzelner EU-Staaten natürlich wesentlich spannender sein kann – vor allem für Nicht-Juristen! – als das, womit sich Juristen in dem Zusammenhang zu beschäftigen haben. Ich habe also die große Ehre, Ihnen Juristisches ein bisschen näherzubringen, was für einen Rechtsanwender, einen Juristen durchaus Spannung in sich birgt. Bei manch anderen wird sich die Spannung möglicherweise in Grenzen halten. Ich werde daher versuchen, aus diesem Programm ein paar Punkte herauszugreifen und an­schaulich darzustellen, die tatsächlich auch für den Durchschnittsbürger von irgendei­ner Bedeutung sein könnten.

Richtig ist – das hat Kollege Ertl treffend ausgeführt –, es gibt zwei Komplexe, über die wir uns zu unterhalten haben. Der eine ist das Strafrecht, über das der Staat sein Ver­folgungsmonopol hat, und der andere ist das Zivilrecht, bei dem sich zwei Partner mög­lichst auf Augenhöhe gegenüberstehen sollten.

Im Strafrecht ist es nicht erst seit der Internationalisierung des Drogenhandels ein Ge­bot der Stunde, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man übergreifend Straf­täter holen und festsetzen sowie Straftaten verhindern kann. Dazu gibt es einige Zielerklärungen, einige Vereinbarungen, einige Möglichkeiten zur Vertiefung des Pro­gramms.

Den Drogenhandel habe ich bereits angesprochen. Hier ist geplant, die Strafdrohungen zu überarbeiten und einander anzugleichen. Ich glaube, dass das Sinn macht und dass dies eine klare Erklärung der internationalen Gemeinschaft Europäische Union ist, den Drogenhandel in jeder Weise zu bekämpfen. Die Position Österreichs dazu ist, dass es mit Sicherheit nicht säumig ist. Es gibt noch ein paar Staaten, die die Absichtserklä­rungen nicht erfüllt haben. Es wäre auch wichtig, zu dokumentieren, dass man nicht Schritt drei vor Schritt zwei macht. Wenn einmal in puncto Strafrecht, Drogenbekämp­fung, aber auch Prävention alle auf demselben Level wie wir wären, dann wäre das si­cher ein guter Schritt für die gesamte Europäische Union. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wichtig ist auch, dass das Strafregister weiter internationalisiert wird. Viele werden sich noch an die Zeiten erinnern, als ein Straftäter, der beispielsweise in Italien verurteilt worden ist, weil er drei Leute umgebracht hat, in Österreich als unbescholten gegolten hat. Dieses Thema ist ja schon länger erledigt. Aber nun muss daran gearbeitet wer­den, dass es auch für Drittstaatsangehörige gilt, die in EU-Staaten Straftaten begehen. Dafür ist das internationale Strafregister bisher nicht angewendet worden.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Rechtshilfe untereinander, dass die Staaten einan­der helfen, Straftäter zu finden. Viele Juristen und Anwälte erinnern sich an die Zeiten, in denen es hieß, ein Straftäter ist nach Spanien oder Italien ausgereist, und der zu­ständige Richter hat daher die Unterbrechung des Verfahrens verfügt. Heute bekom-


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men wir einen internationalen Haftbefehl, und mit ein bisschen Glück kann man zwölf bis 24 Stunden später in Erfahrung bringen, dass der Straftäter auch festgesetzt wor­den ist und das Auslieferungsverfahren läuft.

In der Ermittlungsarbeit, in der wechselseitigen Rechtshilfe sind ganz wesentliche Schritte möglich. Hier tut Internationalität sehr gut, hier gilt es, eine Gesamtlösung und nicht nur Teillösungen anzustreben.

Etwas kritischer sieht Österreich nicht ganz zu Unrecht die Europäische Staatsanwalt­schaft. Ich denke auch, dass man sich, bevor man wieder eine Behördenebene ein­zieht, darüber Gedanken machen sollte, wozu das gut sein soll. Die österreichische Staatsanwaltschaft ist gut genug aufgestellt, um auch internationale Straftaten, die die EU massiv finanziell schädigen, zur Anklage zu bringen. Aber wenn es sein soll und ein ordentlicher Vorschlag kommt, dann wird man sich damit auseinandersetzen.

Ich streife kurz das Zivilrecht. Mir sind in diesem Programm dazu zwei, drei wesent­liche Punkte aufgefallen. Das eine ist der Vorschlag eines Gemeinsamen Europäi­schen Kaufrechts. Was ich vorher zur Staatsanwaltschaft betreffend weitere Behörden gesagt habe, das sage ich jetzt zu einem Gemeinsamen Kaufrecht: Als ob es das nicht schon gäbe! Das birgt so viele Fragen in sich. Wir haben ein UN-Kaufrecht, wir haben ein internationales Privatrecht, das in Wirklichkeit alles regelt, welches Recht wo an­zuwenden ist, mit verschiedenen Anknüpfungspunkten. Es steht schon zur Frage, ob wir hier auf EU-Ebene tatsächlich das Rad neu erfinden müssen. Ich denke, dass ein weiteres Recht da nicht notwendig ist. Und wenn ich es richtig gelesen habe, hat die­ses Haus bereits einmal Nein dazu gesagt.

Wichtig ist aus meiner Sicht – das ist auch ein guter Punkt in diesem Programm – das Ehegüterrecht. Wir haben immer mehr übernationale Ehen, leider Gottes auch solche, die zu Bruch gehen. Dies ist ein guter Ansatz, um das Ehegüterrecht, das in sehr vie­len Staaten sehr divergiert, auch übernational zu regeln und auf einen Nenner zu brin­gen, damit eine klare Rechtsfolge vorhanden ist, wenn sich zwei Bürger mit unter­schiedlicher EU-Staatsangehörigkeit scheiden lassen. Eine Vereinheitlichung in diesem Bereich, meine Damen und Herren, tut absolut not. Sie gilt auch – der Kollege Schreu­der ist gerade nicht da – für eingetragene Partnerschaften.

Das Programm enthält dann noch einige kleinere Dinge, vor allem Zustellübereinkom­men. Zustellübereinkommen sind immer relativ zweckmäßig, auch aus Unternehmer­sicht: Wenn man heute den Geschäftspartner in Italien klagt, dann kann man den Akt seitens des Gerichtes auf neun bis zwölf Monate kalendieren. So lange dauert es nämlich, bis die Sache überhaupt einmal zugestellt ist, von einer Entscheidung oder ei­nem Verfahren ist gar nicht die Rede. Das sind ganz wesentliche Dinge, die gemacht werden sollen.

Gearbeitet wird an einem Justizportal, das bis jetzt nur eine Internet-Homepage und für einen User daher noch nicht wirklich zweckmäßig ist. Wenn man sich über internatio­nales Recht kundig machen will, dann soll man das auch machen können und dann soll man dort auch die Verfahrensarten abarbeiten.

Insgesamt habe ich bei diesem Programm den Eindruck, dass einige sehr, sehr wich­tige Dinge gemacht worden sind, bei denen die Notwendigkeit der Internationalisierung besteht. Bei einem guten Teil liefert die Kommission bis jetzt nur die Überschriften, oh­ne diese auch nur mit irgendeinem Vorschlag zu versehen. Das nimmt man einmal zur Kenntnis. Man muss sich die Vorschläge anschauen, wenn sie kommen, aber die Überschriften alleine genügen nicht. Ich denke aber, wenn zwei bis drei dieser Punkte, die ich auch hier angeschnitten habe, wirklich konkret und gut umgesetzt werden, dann hilft das auf jeden Fall auch den österreichischen Staatsbürgern und den österreichi­schen Unternehmen.


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In diesem Sinne gibt es daher aus unserer Sicht die Zustimmung für diesen Bericht. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. –Bitte, Herr Kollege.

 


12.47.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich, warum man eine Vorschau ablehnen kann. Der Umkehrschluss heißt ja: Ich will nichts wissen! Es ist ja nichts anderes als eine Vorschau, ein Vorhabensbericht darüber, was die Eu­ropäische Kommission gemeinsam mit dem Rat plant, in diesem Jahr zu tun. Wenn man jetzt sagt, wir lehnen das ab, dann heißt das: Bitte, sagt es mir nicht, dann weiß ich es nicht und dann kann ich auch nicht reinfallen! – Das ist und bleibt mir ein Rätsel!

Vor allem in Bezug auf einen Justizbereich, bei dem es in der Regel keine delegierten Rechtsakte gibt, ist es für uns sehr wohl interessant – weil ja das Zivil- und das Straf­recht nationale Angelegenheiten sind –, was wir hier an Rechten abgeben oder nicht abgeben oder wie wir das verändern. Und in diesem Bericht – ich komme noch darauf zu sprechen – werden wir sehen, was hier bereits diskutiert wurde.

Aber da ich gerade den Herrn Sektionschef sehe, möchte ich mich zunächst – für alle Ausschussmitglieder, wie ich glaube; ich habe das auch von den Kolleginnen und Kol­legen gehört – für diese überaus spannende, den zeitlichen Rahmen sprengende, in­teressante Diskussion im Justizausschuss herzlich bedanken. Ich glaube, das hat uns wirklich sehr, sehr bereichert.

Zum Zweiten möchte ich einen Punkt zurückweisen, Herr Kollege Ertl: Die Europäische Union ist eine Union von Staaten in gleicher Augenhöhe; es gibt keine bloßfüßigen Staaten und keine wertzuschätzenden Staaten. (Bundesrat Ertl: Das ist eine Unter­stellung!) Wenn ein Programm unter irischem, litauischem oder griechischem Vorsitz präsentiert wird, kann man nicht sagen, das sind Staaten, die nichts zustande bringen, die unter Umständen wirtschaftliche oder auch tatsächliche Schwierigkeiten haben; das hat mit der Vorsitzführung innerhalb der europäischen Staaten absolut nichts zu tun. Ich halte das für eine Form der Überheblichkeit und zum Teil auch Desinformation, die sensationell ist! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Und wenn ich jetzt einmal davon ausgehe, dass Sie nicht die Information, sondern das, was drinnen steht, ablehnen, dann kann ich kurz an die Ausführungen meines Vorred­ners anschließen, dann lehnen Sie einen wirksamen europäischen Kampf gegen den Drogenhandel ab. Sie lehnen einen wirksamen europäischen Kampf gegen die Korrup­tion ab. (Bundesrat Ertl: Wir kämpfen ja dagegen!) Sie lehnen eine effiziente Bekämp­fung der Geldwäsche ab. – Das ist alles Gegenstand innerhalb Europas, und das kann man nicht aus der Gartenzwergperspektive behandeln. Das muss man gemeinsam als europäisches Problem ansehen; genauso wie wir heute einen weiteren Bericht über Steueroasen und Schlupflöcher haben werden. (Bundesrat Ertl: Bei jedem zweiten Punkt steht „ist abzuwarten“!) – Ja, aber es ist ein gemeinsames Wollen. Was heißt „abzuwarten“? Es ist ein gemeinsames Wollen. Ja, wir wollen eine gemeinsame euro­päische Bekämpfung der Korruption, der Geldwäsche, des illegalen Drogenhandels! Das ist ja ein Ausdruck dessen.

Bei einem Punkt haben wir kleine Nuancen, Herr Kollege – bei der Europäischen Staatsanwaltschaft. Diese hat auch einen Sinn, so wie das europäische Strafregister einen Sinn hat. Wir haben auch Erbfälle innerhalb der Union. Wir haben besprochen, ob man, wenn ein österreichisches Ehepaar seine Pension in Dänemark genießt und es dort zum Erbfall kommt, das nach dänischem Recht oder österreichischem Recht


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macht und wie wir da einfach im Sinne der Bürger und Bürgerinnen handeln können – Herr Kollege Ertl, Sie verstehen das irgendwie nicht! –, was die Personenstandsdaten betrifft, was die Urkundenanerkennung betrifft, und natürlich auch bei der Auflösung von Ehen oder im Falle des Ablebens.

Was für uns als Bundesrat jetzt natürlich auch interessant ist, ist, dass in diesem Be­richt auch die ausführlichen Diskussionen des EU-Ausschusses festgehalten sind. Ich weiß nicht, ob Sie das bemerkt haben.

Immerhin gibt es eine Subsidiaritätsrüge des Bundesrates, was das Kaufrecht betrifft. Das heißt, der österreichische Bundesrat hat die gelbe Karte gezeigt, weil wir sagen, neben den 27 geltenden nationalen Kaufrechten, die in Kürze bald 28 sein werden, brauchen wir kein 28. beziehungsweise 29. Kaufrecht. Und der gesamte EU-Aus­schuss des Bundesrates kann stolz sein, dass mittlerweile unsere Subsidiaritätsrüge als Musterbeispiel im Rahmen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Dialogs herumgereicht wird. – So soll es sein!

Über das Ehegüterrecht haben wir im Ausschuss auch sehr lange gesprochen. Für uns ist es natürlich schon interessant – wir haben gelb gezeigt –, wie die Diskussion weiter­geht. Das konnten wir mit dem Herrn Sektionschef ja sehr ausführlich im Ausschuss diskutieren, denn wir wollen, dass diese gelbe Karte des Bundesrates zum Beispiel beim Kaufrecht auch Wirkung zeigt.

Die Online-Rechte bei der Musik – eine never-ending story – haben wir sehr ausführ­lich diskutiert. Wir wissen, dass alles, was Online-Verwertung ist, überhaupt nichts mehr mit nationalem Recht zu tun hat. Und ich bezweifle – Frau Präsidentin Zwazl, auch vom wirtschaftlichen Bereich her –, ob wir da im Rahmen der jetzigen Kommis­sion überhaupt ein grünes Licht am Rande irgendeiner Kurve sehen werden.

Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, Herr Ertl, aber wir haben zum Beispiel ganz aus­führlich die Haftung im Nuklearbereich diskutiert. Österreich ist sogar der Sitz, ist aber aus guten Gründen nicht dabei. Es gibt spannende europäische Entwicklungen, zu de­nen man hier Stellung bezieht. Und wir können dankbar sein – seit dem Lissabon-Vertrag müssen wir besonders dankbar sein, aber viele sind nicht angekommen im Lissabon-Vertrag –, dass es diese gegenseitige Information und diese gegenseitige Einflussnahme und auch das Gehörtwerden gibt. Die Katastrophenschutzkommissarin ist hier ins Parlament gekommen, um mit dem Bundesrat über die gelbe Karte des Bundesrates zu diskutieren.

Das sind ganz neue Elemente, wo es für die parlamentarische Demokratie in einem Bereich der Willensbildung im Rahmen des durch den Lissabon-Vertrag uns in die Hände gelegten Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungsprozesses neue und ungeahnte Möglichkeiten gibt – und diese müssen wir nützen. Aber da dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken und sagen, die Vorschau interessiert uns nicht, sondern wir müssen mit dieser Vorschau arbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Vor­schau haben, und ich bedanke mich bei der Justizministerin, dass sie so zeitgerecht gekommen ist. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl zu einer tatsächlichen Berichtigung. Sie kennen die Geschäftsordnung. – Bitte.

 


12.55.26

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesrat Schennach! Ich habe weder behauptet, dass Griechenland ein bloßfüßiger Staat ist, noch habe ich behauptet, dass Litauen ein bloßfüßiger Staat ist, und ich habe auch nicht behauptet, dass Irland ein bloßfüßiger Staat ist.


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Was ich behauptet habe, ist, dass es, da drei verschiedene Rechtssysteme bestehen, nicht sehr einfach sein wird, zu einem Kompromiss zu kommen. Das war meine Be­hauptung; aber ich habe weder eine unterschwellige noch eine beleidigende Aussage gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)

12.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.56.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der Rede von Kolle­gem Schennach bin ich jetzt ganz traurig, dass ich gestern nicht im Justizausschuss war, aber es ist bei uns des Öfteren eine Frage der Einteilung.

Zum Bericht an sich: Ich habe schon im Vorjahr erwähnt, dass ich die Aufbereitung des Berichts ziemlich vorbildlich finde, weil er sehr übersichtlich ist und weil im Prinzip fast überall eine österreichische Meinung oder zumindest eine Meinung des Ministeriums abgebildet ist.

Kollege Ertl hat schon angeschnitten, dass es manchmal heißt: Wir warten noch auf die Vorlage des Vorschlags. – Da gibt es wahrscheinlich trotzdem ein paar Meinungen, die das Ministerium zum jeweiligen Punkt vertritt und die man anführen könnte, auch wenn der Vorschlag vielleicht noch nicht vorliegt.

Insgesamt werden wir dem Bericht aber zustimmen, weil er umfassend über die Ange­legenheiten berichtet, die in den kommenden eineinhalb Jahren im Justizbereich der Europäischen Union geplant sind.

Ich möchte noch zu einem Punkt nachfragen, der heute schon angesprochen worden ist, und zwar zur gegenseitigen Anerkennung der Wirkung bestimmter Personen­standsurkunden. Kollege Schreuder hat im Ausschuss gefragt, ob dabei auch der Fa­milienstand, sprich – natürlich sein besonderes Anliegen –, ob auch die gleichge­schlechtlichen Partnerschaften zu diesen Personenstandsurkunden zählen. Wenn dem so wäre, würden uns diesbezüglich natürlich insbesondere Ihre Meinung und Ihr Stand­punkt interessieren.

Die Haltungen des Bundesministeriums sind jetzt nicht unbedingt immer diejenigen, die auch wir vertreten. Wenn Sie im Bericht diesem Grünbuch skeptisch gegenüberstehen, dann ist das halt so. Und wenn Sie dann schreiben, eine Vereinheitlichung des interna­tionalen Privatrechts wäre dem vorzuziehen, dann hätte ich gerade hier zum Teil schon Bedenken, weil gerade in der Frage von gleichgeschlechtlichen Beziehungen das Pri­vatrecht in der Europäischen Union doch ziemlich weit auseinandergeht. Und es gibt Staaten, auf deren Level wir uns dann nicht mehr hinunterbegeben sollten.

Das ist gleich der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte: Ungarn. Es ist jetzt aktuell auch bei uns in den Medien zu lesen, dass durch die Änderung der Verfassung in Ungarn große Proteste ausgebrochen sind. Aber ich denke, dass es auch auf europäi­scher Ebene notwendig ist, da irgendwann einmal klare Worte zu finden und zu sagen, dass es so nicht geht.

Das eine ist das Problem mit der Bestimmung, dass Familien im Sinn der Verfassung nur noch Mann und Frau, offiziell verheiratet und mit Kindern sind. Das ist ein Rück­schritt in eine Zeit, in die wir eigentlich nicht zurückwollen. Aber es betrifft natürlich meiner Meinung nach schon auch das Justizministerium. Deshalb würde ich von Ihnen gerne wissen, ob es diesbezüglich auch im Justizministerrat Beratungen gibt, wie man bei solchen Vorlagen vorgeht, wenn oberste Richter Verfassungsänderungen nur mehr formal prüfen dürfen, wenn oberste Richter nicht mehr auf Beschlüsse vor 2012 zu­rückgreifen dürfen.


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Ich denke mir, das sind Regelungen, die im 21. Jahrhundert einfach wirklich keinen Platz mehr haben. Und da muss man wirklich auf europäischer Ebene – Wortlaut – da­zu Stellung nehmen und das nicht ignorieren. Da würde ich Sie bitten, dass Sie uns vielleicht ein paar Worte dazu sagen, ob Sie vorhaben oder ob der Justizministerrat vorhat, sich diesbezüglich zu äußern, wenn eine Verfassung so wie in Ungarn wirklich ausgehöhlt wird.

Ein dritter Punkt, den ich noch ganz kurz ansprechen möchte, weil er heute schon er­wähnt worden ist, und den ich im Ausschuss offensichtlich massiv versäumt habe, ist das Thema Atomhaftung, weil – und das freut mich besonders – Sie vor Kurzem den Bericht der Bundesregierung nach § 30 Atomhaftungsgesetz vorgelegt haben. Das wäre an und für sich alle drei Jahre unter Federführung des Justizministeriums fällig, aber die letzten zwei Berichte sind einfach nicht vorgekommen und nicht behandelt worden. Der diesmalige Bericht, der den Zeitraum von 2008 bis 2010 umfasst, ist in­zwischen dem Justizausschuss zugewiesen worden.

Der Umfang und die Form des Berichts sind im Vergleich zu dem, was Sie sonst ge­liefert haben, verbesserungsfähig. Was drinsteht, steht prinzipiell auch in Wikipedia, aber dort stand es schon zwei Jahre früher. Da würde ich mir schon vorstellen, dass man sich auch in diesem Bericht ein bisschen intensiver mit der Frage der Haftung für Atomschäden befasst.

Was mich doch auch ein bisschen irritiert, ist die Aussage, die dazu in der Parlaments­korrespondenz veröffentlicht – und zum Teil, wenngleich nicht ganz so scharf, auch im Bericht formuliert – wurde:

„Der Bericht gibt () zu bedenken, dass im österreichischen Atomhaftungsgesetz im Gegensatz zu den internationalen Haftungssystemen keine Haftungsobergrenze und keine Kanalisierung sowie ein österreichischer Gerichtsstand vorgesehen sind, und schließt mit der Warnung, aus österreichischer Sicht dürfe die Anwendbarkeit dieser Grundsätze des Gesetzes in keiner Weise durchbrochen werden.“

Da gebe ich Ihnen prinzipiell recht: Unser Atomhaftungsgesetz ist vorbildlich. Nur den­ke ich, es ist uns allen bewusst, dass wir noch nicht wissen, ob dieses Gesetz irgend­wann einmal anwendbar ist. Wir haben jetzt ein schönes österreichisches Gesetz, in dem steht, dass wir, wenn in Tschechien, in der Slowakei oder sonst irgendwo etwas passiert und Österreicher betroffen sind, volle Rechte und volle Deckung haben – wenn dann wirklich etwas passiert, müssen wir zu streiten anfangen, ob es auch wirk­lich so ist! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es müsste daher meiner Meinung nach nicht nur unser Ziel sein, die österreichische Atomhaftung aufrechtzuerhalten, sondern es ist auch wirklich dringend an der Zeit, dass wir an den europäischen Regelungen, die in erster Linie aus Haftungsbeschrän­kungen bestehen, massiv etwas ändern. Denn jeder weiß, Atomhaftung ist so gestal­tet, dass in Wirklichkeit jedes Kfz besser versichert ist als ein Atomkraftwerk und dass bei einem Unfall letztendlich keinerlei Schadenswiedergutmachung herrscht, was zu­sätzlich auch noch dazu führt, dass sich eine massive Wettbewerbsverzerrung ergibt, unter der in erster Linie auch österreichische EVUs leiden.

Deshalb würde ich Sie, Frau Ministerin, bitten, dass Sie sich auch mit diesem Thema befassen. Es gibt derzeit auch einen Vorstoß aus Oberösterreich, an dieser Atomhaf­tung, von Österreich ausgehend, etwas zu ändern. Da würde ich wirklich bitten, dass sich die gesamte Bundesregierung – vielleicht unter Ihrer Vorsitzführung und Federfüh­rung – diesbezüglich einsetzt. – Danke. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)


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13.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


13.03.28

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Herr Bundesrat Schennach hat ja be­reits darauf hingewiesen, was das Wesen einer Vorschau ist. Bei der Vorschau geht es primär darum, Sie zu informieren, Ihnen einfach Informationen darüber zu geben, was auf europäischer Ebene im Justizbereich in Zukunft geplant ist. Diese Jahresvorschau hat ihre Grundlage im EU-Informationsgesetz, wonach ich verpflichtet bin, Sie entspre­chend zu informieren. Diese Information soll Ihnen einen umfassenden Überblick über die von der Europäischen Kommission und der sogenannten Trio-Ratspräsidentschaft von Irland, Litauen und Griechenland bis ins erste Halbjahr 2014 geplanten legislativen Aktivitäten auf europäischer Ebene geben.

Zu den Ausführungen von Bundesrat Ertl möchte ich Folgendes festhalten: Wir sind es auf europäischer Ebene gewohnt, uns permanent mit mehr als drei verschiedenen Rechtsordnungen zu beschäftigen. Wir haben es dort mit 27, bald mit 28 verschiede­nen Rechtsordnungen zu tun! Es braucht also nicht so getan zu werden, als wären drei verschiedene Rechtsordnungen für uns eine Herausforderung, die nicht zu bewältigen ist. Sie sagen, unsere europäische Arbeit sieht ganz anders aus. Es ist natürlich eine Herausforderung, mit so vielen verschiedenen Rechtsordnungen zu arbeiten, aber drei sind wirklich leicht zu handeln. Bei 27 oder 28 wird es dann schon einmal ein bisschen schwieriger im Detail, aber selbst das schaffen wir! Man sieht ja, dass wir immer wieder zu guten Lösungen kommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Arbeiten auf europäischer Ebene im Justizbereich werden weiterhin durch die Prio­ritätensetzung im sogenannten Stockholmer Programm zur Stärkung der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union für den Zeitraum 2010 bis 2014 geprägt. Ich unterstütze nach wie vor das Bekenntnis zur Stärkung des wechselseiti­gen Vertrauens in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und insbesondere auch den Ansatz der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen und Urkunden.

Das hängt ja auch zusammen! Eine gegenseitige Anerkennung von Urteilen und Ur­kunden heißt, ich anerkenne im Inland das Urteil etwa eines Gerichtes aus einem an­deren Mitgliedstaat. Das setzt natürlich voraus, dass ich Vertrauen in dieses andere Rechtssystem habe, denn nur, wenn ich Vertrauen in das Funktionieren des anderen Rechtssystems habe, kann ich getrost auch das Urteil, das aus diesem Rechtssystem kommt, im Inland anerkennen. Es sind das also zwei Dinge, die sehr eng zusammen­hängen und die meines Erachtens beide sehr wichtig für die Zusammenarbeit im Jus­tizbereich auf europäischer Ebene sind.

Wenn Sie sich den Bericht ansehen, dann sehen Sie auch, dass hier wirklich eine Viel­zahl von verschiedenen Rechtsakten in Verhandlung steht. Das birgt natürlich auch die Gefahr in sich, dass es vielleicht dazu führen kann, dass es einfach schnell gehen soll, dass vielleicht die Qualität darunter leidet. Da müssen wir meines Erachtens sehr gut aufpassen, denn auch bei der Vielzahl der in Verhandlung stehenden Rechtsakte wird darauf zu achten sein, dass diese – wie auch im Stockholmer Programm ausdrücklich vorgesehen ist – gründlich vorbereitet werden und dadurch hohe legistische Qualität bieten, ohne zu großem finanziellen Mehraufwand für die Mitgliedstaaten zu führen. Das müssen wir bei jedem Rechtsakt meines Erachtens immer im Auge behalten.

Während des irischen Ratsvorsitzes ist aus meiner Sicht der Vorschlag für eine Richt­linie über die Europäische Ermittlungsanordnung prioritär. Herr Bundesrat Fürlinger hat bereits auf die Bedeutung von Rechtshilfeersuchen hingewiesen. Bei dieser Europäi­schen Ermittlungsanordnung geht es ganz einfach darum, dass ein umfassendes Rechtshilferegime geschaffen werden soll, das die Arbeit der Staatsanwaltschaften erleichtern soll. Es sollen diese Rechtshilfeverfahren dadurch in Zukunft effizienter und


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rascher vor sich gehen. Das wäre natürlich eine große Hilfe und große Unterstützung für die Arbeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Es soll darauf hinauslaufen, dass es künftig eine einzige und umfassende Rechts­grundlage für Rechtshilfeangelegenheiten gibt. Im Moment ist dieser Rechtshilfebe­reich ein sehr mehrschichtiger. Da gibt es verschiedene Europaratsübereinkommen mit verschiedenen Protokollen, es gibt EU-Übereinkommen mit verschiedenen Protokollen. Das ist natürlich für diesen Bereich nicht sehr förderlich. Da wäre es wirklich hilfreich, wenn wir zu einem einheitlichen Rechtshilferegime kommen könnten.

Österreich unterstützt dieses Vorhaben als Koinitiator. Dieses Vorhaben kommt ur­sprünglich von Belgien, es ist eine belgische Initiative, aber wir unterstützen diese Ini­tiative als Koinitiatoren.

Darüber hinaus liegen mir die Vorschläge für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidun­gen im Bereich des Ehegüterrechts und im Bereich der eingetragenen Partnerschaften am Herzen. Herr Bundesrat Fürlinger hat bereits darauf hingewiesen, dass es immer mehr internationale Ehen gibt, aber es gibt natürlich auch immer mehr internationale eingetragene Partnerschaften.

Für diese internationalen Beziehungen gilt natürlich, dass sie nicht immer erst durch den Tod enden, sondern häufig auch schon früher geschieden werden. Wenn früher eine Trennung erfolgt, dann stellt sich häufig das Problem: Wie ist im Trennungsfall, im Scheidungsfall mit der Aufteilung des Vermögens umzugehen? Wie sieht die Verwal­tung des Vermögens aus dieser Partnerschaft aus? Wie sieht die Trennung des Ver­mögens aus dieser Partnerschaft aus? – Das erzeugt natürlich im internationalen Be­reich besondere Probleme, und es ist meiner Ansicht nach wichtig, dass man auch hier ansetzt.

Allein dieser Bereich zeigt schon, dass auch unser Privatleben immer internationaler geworden ist. Wir sprechen immer davon, dass die Wirtschaft international geworden ist, aber das gilt natürlich auch längst schon für unser Privatleben, wie eben die in­ternationalen Beziehungen, internationale eingetragene Partnerschaften zeigen – na­türlich mit allen damit verbundenen Konsequenzen.

Aber wir müssen auch sehen, dass die Kriminalität international geworden ist! Auch das lässt sich nicht leugnen. Deshalb möchte ich noch das unterstreichen, was einige von Ihnen bereits angesprochen haben: Es ist genau bei dieser grenzüberschreitenden Kriminalität ganz wichtig, dass es eine gemeinsame Bekämpfung dieser Kriminalitäts­formen gibt, also gemeinsame Bekämpfung von Drogenhandel, Korruption, Geldwä­sche et cetera. Denn diese Kriminalitätsformen machen nicht an den nationalen Gren­zen Halt, und es wäre wirklich naiv, zu glauben, dass wir das auf rein nationaler Ebene wirksam bekämpfen können. Da braucht es eben die Gemeinsamkeit, das gemeinsa­me Bekämpfen dieser Kriminalitätsformen.

Ein Thema, das aus österreichischer Sicht auch sehr wichtig ist, wo wir in Österreich wirklich eine Vorreiterrolle einnehmen, ist der Bereich e-Justice. Deshalb setze ich mich in diesem Bereich ebenfalls für Fortschritte auch auf europäischer Ebene ein.

Für den irischen Ratsvorsitz ist ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum das Leitmotiv seiner Präsidentschaft, das natürlich auch im Justizbereich Beachtung finden soll. Dementsprechend misst Irland den einschlägigen Finanzierungsprogrammen große Be­deutung bei.

Prioritär sind ferner unter anderem der Verordnungsvorschlag zur Änderung der beste­henden Insolvenzverordnung, der Verordnungsvorschlag zur Einführung eines Euro­päischen Kontenpfändungsbeschlusses, das Europäische Kaufrecht. Dazu hat Herr


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Bundesrat Fürlinger bereits die mehr als berechtigte Frage aufgeworfen: Brauchen wir überhaupt ein 27. beziehungsweise 28. – Entschuldigung, eigentlich müsste man sa­gen: 28. beziehungsweise bald 29. – Kaufrecht? Reicht da nicht das, was wir bereits haben?

Außerdem geht es auch um einen Richtlinienvorschlag über die strafrechtliche Be­kämpfung von Betrug, der gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet ist, und um einen Richtlinienvorschlag über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Hier sei auch noch einmal der Hinweis auf die europäische Ermittlungs­anordnung gegeben, die ich bereits angesprochen habe und die vom irischen Vorsitz als Priorität eingestuft wird.

Sie sehen also, dass das Programm, das wir uns auf europäischer Ebene vorgenom­men haben, ein sehr umfassendes und ein sehr weitreichendes ist. Aber ich halte es für wichtig, dass in diesem Bereich eine gute Zusammenarbeit auf europäischer Ebene stattfindet.

Es wurden auch einige Fragen an mich gestellt. Diese möchte ich wie folgt beant­worten:

Die erste Frage von Frau Bundesrätin Kerschbaum bezog sich auf den Vorschlag über die gegenseitige Anerkennung der Wirkung bestimmter Personenstandsurkunden. Da liegt bis jetzt noch kein Vorschlag der Europäischen Kommission vor; es gibt ein Grün­buch, aber noch keinen konkreten Vorschlag der Europäischen Kommission. Nach in­formellen Informationen soll die Anerkennung von Personenstandsurkunden vom Vor­schlag der Europäischen Kommission nicht erfasst sein. Das sind also einmal infor­melle Informationen; wir werden weitersehen, wenn der Vorschlag dann wirklich kon­kret auf dem Tisch liegt.

Die zweite Frage bezog sich auf Ungarn und die dort vorgenommenen Verfassungsän­derungen. Derartige Änderungen im nationalen Verfassungsrecht sind nicht Gegen­stand der Ratssitzungen der Justizminister.

Ihre dritte Frage bezog sich auf die Atomhaftung, und Sie haben auch darauf hinge­wiesen, dass wir in Österreich diesbezüglich ein sehr gutes Gesetz haben. Unser Atomhaftungsgesetz ist vorbildlich, und Sie können der Jahresvorschau entnehmen, dass wir ein Interesse daran haben und uns auch dafür einsetzen werden, dass dieser Standard, den wir haben, natürlich erhalten bleibt und dass wir von diesem Standard nicht abgehen oder einen Schritt zurückgehen müssen.

Der Bericht, den Sie angesprochen haben, stammt vom Umweltministerium. Wir haben natürlich zugearbeitet, aber hauptverantwortlich waren wir bei diesem von Ihnen ange­sprochenen Bericht nicht.

Der Export des österreichischen Atomhaftungsprivilegs, also des Atomhaftungsre­gimes, muss man eigentlich richtig sagen, wird wahrscheinlich unrealistisch sein. Wenn wir das – so wie Sie es auch angesprochen haben – auf die europäische Ebene trans­portieren wollen und dort dieses Atomhaftungsregime wirklich umsetzen wollen, wird man das realistischerweise als unrealistisch einstufen müssen, weil man davon wird ausgehen müssen, dass die österreichische Haltung auf europäischer Ebene nicht mehrheitsfähig sein wird. Das ist die realistische Einschätzung, die ich hier vornehme, wiewohl wir es uns natürlich wünschen würden und uns auch in dieser Richtung ein­setzen werden. Aber die Realität wird vermutlich anders aussehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit unserer Meinung auf europäischer Ebene mehrheitsfähig sein werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 72

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.15.244. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (2142 d.B. und 2180 d.B. so­wie 8909/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um die Berichterstattung.

13.15.36

 


Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates von 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.16.24

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister – in Vertretung des zuständigen Ministers, aber auch als Vorgängerin des zuständigen Ministers! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher zu Hause an den Bildschirmen! „Kapazitätsorientiert“, das ist das Schlagwort und scheint das Motto die­ses Gesetzentwurfes zu sein. Allein in den Erläuterungen des Vorblattes kommt in den ersten drei Absätzen dieses Wort siebenmal vor, insgesamt weit über zwanzigmal.

Immer wird im Zusammenhang mit dem Wort „kapazitätsorientiert“ auch das Wort „stu­dierendenbezogen“ genannt. Es handelt sich dabei offensichtlich um eine zwar äußerst kreative, aber auch nichtssagende, um nicht zu sagen irreführende Wortschöpfung. Wenn man im Google nachschaut, dann findet man zu diesem Wort genau 175 Ein­träge, und fast die Hälfte davon befasst sich mit diesem Gesetzentwurf. Man sieht also schon daran, dass das im allgemeinen Sprachgebrauch nicht sehr verankert ist.

Offensichtlich ist mit dieser Wortschöpfung eigentlich gemeint: studienplatzbezogen, nämlich im Hinblick auf die Finanzierung. Geschickterweise gaukelt dieses Wort ei­gentlich vor, dass es irgendetwas für die Studierenden ist. Ich werde aber auf diese Fi­nanzierung noch zu sprechen kommen.

Man verabschiedet sich mit diesem Gesetzentwurf schrittweise vom freien Universitäts­zugang. Wir wissen, seit jeher gibt es Beschränkungen bei den Kunststudien; das ist sicherlich aus gutem Grund ein Sonderfall. Vor einigen Jahren hat man im Bereich der Medizin Beschränkungen mit Eingangstests eingeführt. Nun kommen die nächsten fünf


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Felder dazu: Architektur, Biologie – mit Biochemie –, Informatik, Pharmazie und Wirt­schaft. Insgesamt sind es, glaube ich, 28 Studien, die davon betroffen sind.

Man mag nun über den freien Universitätszugang denken, wie man will, darüber kann man sicherlich lange diskutieren. Aber der Lösungsansatz, der mit diesem Gesetz ge­troffen wird, ist sicherlich der denkbar schlechteste für eine Studienbeschränkung. Es ist ein fauler Kompromiss, bei dem man es sich wirklich sehr einfach gemacht hat. Man geht einfach vom Ist-Zustand bei jenen Studien aus, die an der Kapazitätsgrenze an­gelangt sind oder großteils bereits über der Kapazitätsgrenze liegen, gibt ein paar neue Professoren dazu und friert dann die mehr oder weniger auf- oder abgerundeten Hö­rerzahlen des Studienjahres 2011/2012 auf diesem Stand ein.

Meine Damen und Herren, da wäre es wahrscheinlich noch das kleinere Übel, wenn man statt dieses sogenannten kapazitätsorientierten Ansatzes einen bedarfsorientier­ten Ansatz wählen und sagen würde: Ich will nicht mehr ausbilden. Ich will keine ar­beitslosen Akademiker en masse ausbilden, sondern dort, wo es keine Berufschancen gibt, greife ich sozusagen steuernd ein.

Aber dieses Gesetz wirft ja insgesamt wesentlich mehr Fragen auf, als es beantwortet. Wie schaut es mit der viel zitierten und immer wieder geforderten Erhöhung der Akade­mikerquote aus? – Die wird zwar einmal erwähnt in den Erläuterungen, aber wie das mit diesem Gesetz funktionieren soll, das geht daraus nicht hervor. Mit einem Einfrie­ren der Zahl von Studienplätzen wird das sicherlich auch nicht erreicht werden.

Wie sieht es mit der Planbarkeit aus, nämlich nicht mit der Planbarkeit für die Univer­sitäten – die wird sicherlich besser dadurch –, sondern mit der Planbarkeit für die Stu­dierwilligen? Wann ist denn die Eingangsprüfung notwendig? Was tut der Studierwil­lige, wenn er jetzt diesen Test nicht besteht und dieses Studium nicht aufnehmen kann, das er sich gewünscht hat? – Dann kann er vielleicht die Uni wechseln, weil beispiels­weise Salzburg ja bereits angekündigt hat, dass es diese freiwillige Beschränkung in dieser Form nicht exekutieren will. Aber mir stellt sich schon die Frage, ob das dann auch sozial verträglich ist. Wenn jetzt ein Grazer auf der Grazer Uni keinen Studien­platz bekommt, soll er dann, muss er dann, darf er dann nach Salzburg gehen? Kann er sich das überhaupt leisten? Können sich das die Eltern leisten? Das sind schon wichtige Fragen. Wenn das nicht geht, macht er dann ein Studium zweiter Wahl? Ich weiß nicht, ob das dann im Sinne eines möglichst raschen Studienabschlusses ist und ob das einer Reduktion der Drop-out-Rate wirklich förderlich ist.

Mir kommt das Ganze ein bisschen so vor wie diese Brunnen mit mehreren Wasser­becken, die übereinander angeordnet sind, wo oben das Wasser einläuft. Wenn das erste Becken voll ist, läuft es über ins nächste und so weiter. Diese Kaskade haben wir jetzt faktisch auch mit diesem Gesetz eingeleitet, denn wir sehen das ja schon am Bei­spiel der Pharmazie. Sehr viele, die keine Möglichkeit bekommen haben, Medizin zu studieren, sind zur Pharmazie oder auch zur Biochemie ausgewichen. Jetzt ist dieses Becken auch voll. Ich frage mich, welches Becken dann das nächste ist.

Frau Bundesministerin, wir sind ja eigentlich gebrannte Kinder von solchen Husch-Pfusch-Gesetzen. Wir wissen das von den Aufnahmetests für die Medizin. Da ist man dann – es hat ein paar Jahre gedauert – draufgekommen, dass eigentlich viel weniger Frauen diesen Aufnahmetest schaffen als Männer. Was hat man dort gemacht? – Das passt zu der Diskussion, die wir heute bereits in der Aktuellen Stunde gehabt haben, nämlich zur Gleichberechtigung der Männer. – Man hat einfach einige Männer gekappt, die die notwendigen Punkte gehabt haben, und hat dafür Frauen, die weniger Punkte gehabt haben, zum Studium zugelassen. Wenn das Gerechtigkeit ist, wenn das ein vernünftiges Gesetz ist, dann, muss ich sagen, habe ich andere Vorstellungen.

Sie werden sich noch erinnern können – ich glaube, das war noch in Ihrer Zeit als Wis­senschaftsministerin –, wie wir das Gesetz mit dem Anmeldesystem beschlossen ha-


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ben, von dem ich von Haus aus gesagt habe, das wird so nicht funktionieren. Es hat auch nicht in dieser Form funktioniert. Es ist auch so nie umgesetzt worden. Dieses Gesetz sollte eigentlich Mosaikstein, Teil eines gesamtheitlichen Bildungssystems sein, nur das Gesamtbild, das dann herauskommen sollte, das lässt sich nicht erken­nen. Es handelt sich um einen Haufen von Mosaiksteinen, die ungeordnet auf einer Baustelle liegen, und jetzt schmeißt man noch einen weiteren Stein auf diesen Haufen drauf.

Wäre es nicht wesentlich klüger, junge Menschen rechtzeitig auf alternative Möglich­keiten vorzubereiten, gerade im Bereich der Technik? Es herrscht an unseren Schulen leider oft eine große Technikfeindlichkeit. Da muss man bereits ansetzen. Ich habe die große Sorge, dass gerade die technischen Universitäten wieder unter die Räder kom­men, nicht nur, weil der Herr Bundesminister ein Altphilologe ist und vielleicht nicht so viel Verständnis für die Techniker hat.

Wir haben es bei den Rahmenvereinbarungen im vergangenen Herbst gesehen, wo es sich auch bei den TUs gespießt hat. Ich habe Zweifel, dass dieses Studienplatzmodell wirklich dazu beitragen wird, dass die technischen Universitäten entsprechend ausge­stattet werden. Ich darf nur auf eine Studie von ECONOMICA verweisen, die die TU Austria in Auftrag gegeben hat, das ist der Zusammenschluss der drei technischen Universitäten, nämlich Graz, Wien und der Montanuniversität in Leoben.

Da ist herausgekommen: Die Bruttowertschöpfung im Bereich Technologie und Wissen ist beispielsweise siebenmal höher als im Tourismus. Zwischen 74 und 83 Prozent der Absolventen der TU Wien und der Montanuniversität sind in der Privatwirtschaft tätig, aber von den übrigen Absolventen sind es nur 55 Prozent. Ein erstbeschäftigter Absol­vent der TU Austria entrichtet jährlich 20 500 € an Steuern und Sozialversicherungsbei­trägen, das sind um 6 600 € mehr, als Absolventen von anderen Universitäten entrich­ten. Zwar sind im Zeitraum von 2005 bis 2012 3,1 Milliarden € an Ausgaben für die technischen Universitäten getätigt worden, aber es wurde damit ein Wertschöpfungs­effekt von 4,1 Milliarden € erzielt. Solche Bewertungskriterien müssten ebenfalls in das Finanzierungsmodell der Universitäten einfließen.

Abschließend lassen Sie mich noch meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass gerade die Sozialdemokratie bei diesem Gesetz mitgeht. Es gab vor einiger Zeit eine Presseaussendung Ihrer Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Mautz, in der zu lesen war, dass der freie Universitätszugang nicht infrage gestellt werden darf. (Bundesrat Todt: Wird er ja nicht!) Die Öffnung der Universitäten in den siebziger Jahren ist ein Grundstein für mehr Chancengleichheit. Einen Rückschritt dürfen wir daher auf keinen Fall zulassen, und wir werden ihn auch nicht zulassen. Verhindern können wir ihn nicht, aber wir werden nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Dönmez.)

13.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Rausch. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.28.04

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie sind ja hier zu einem Thema zu Gast, das Ihnen selbst sehr vertraut ist und für das Sie den einen oder anderen Grundstein schon gelegt haben, also für die heutigen Beschlüsse. Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Fernsehschirmen und Computern!

Mein Studium habe ich vor vier Jahren abschließen können, aber ich kann mich noch sehr gut an die viel zitierten vollen Hörsäle erinnern, die die Konzentration oft sehr schwer gemacht haben, vor allem im Sommer, wenn es dann wirklich heiß und unan-


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genehm war. Ich kann mich gut an lange Wartezeiten auf Korrekturen von Prüfungsar­beiten erinnern. Ich kann mich gut an lange Wartezeiten erinnern, wenn es darum ging, beim Professor, bei der Professorin einen Termin zu bekommen, weil sie einfach mit ihrer Arbeit aufgrund der schlechten Betreuungsverhältnisse überlastet waren.

In der Zwischenzeit ist einiges geschehen. Ich möchte sagen, es ist sehr viel gesche­hen. Ich weiß von Studierenden heute, dass es in vielen Studienrichtungen dahinge­hend schon Verbesserungen gab, dass man aufgrund der besseren Planbarkeit für die Universität, aber somit auch für die Studierenden, auch bessere Betreuungsverhältnis­se hat. Ich freue mich aber umso mehr, wenn wir heute auch einer Änderung des Uni­versitätsgesetzes zustimmen können – ich mit meiner Fraktion, das darf ich schon vor­wegnehmen –, weil diese Änderung Verbesserungen für die Unis und somit auch für die Studierenden und die Lehrenden bringen wird.

Hinter der Überschrift, die vom Kollegen Krusche schon so wortreich auch mit Google-Recherche-Ergebnissen erklärt wurde, hinter der Implementierung der kapazitätsorien­tierten studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung und der Verbesserung der Be­treuungssituation in stark nachgefragten Studienfeldern, da stehen ganz konkrete Maß­nahmen – Maßnahmen, die für die Studierenden Verbesserungen bringen werden.

Das sind Sofortmaßnahmen, mit denen Geld in die Hand genommen wird, um in stark nachgefragten Studienfächern wie etwa Architektur, Biologie, Pharmazie, im Bereich der Wirtschaft Studienbedingungen zu verbessern. Es werden bis 2015 – das soll hier auch deutlich gesagt werden – 36 Millionen € in die Hand genommen und damit 95 Professorinnen und Professoren zusätzlich eingesetzt, die somit Ansprechpartnerin­nen, Ansprechpartner, Lernbegleiterinnen, Lernbegleiter für die Studierenden sein wer­den. Damit wird die Betreuungssituation deutlich verbessert. Das werden geduldser­probte Studierende zu spüren bekommen. Das ist eine Verbesserung, gegen die man nichts haben kann. Da verstehe ich die FPÖ gar nicht.

Es soll auch die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in diesen Studienrich­tungen stabilisiert werden, indem die Studienplätze pro Fach festgelegt werden, ange­lehnt an die aktuellen Zahlen. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Uns ist ge­sagt worden, das sind sehr gut bemessene Zahlen. Jetzt kennen wir alle die Situation, dass in Österreich die Geburtenjahrgänge nicht unbedingt stärker werden. Es ist nicht zu erwarten, dass es noch mehr Zustrom geben wird. Es wird genug Platz vorhanden sein. Die Kapazität, die man jetzt hat, wird es auch in Zukunft ermöglichen, jedem Stu­dierenden einen Platz zu geben.

Die Rektorate haben die Möglichkeit, den Zugang zum Studium mit Aufnahmeverfah­ren entsprechend zu regeln, das ist klar, und zwar nur dann, wenn die Anzahl der re­gistrierten Studienwerberinnen und Studienwerber die Kapazität, die in den Leistungs­vereinbarungen festgelegt ist, übersteigt. Diese Registrierungsverfahren verlangen den Studierenden auch etwas ab: rechtzeitigere Entscheidungen, vielleicht mehr Organisa­tion und Planung. Möglicherweise führt das aber auch dazu, dass man sich auch an­dere Studien anschaut, in denen die Nachfrage nicht so groß ist, wo aber die Job- und Zukunftschancen größer sind. Diese Registrierungsverfahren haben somit durchaus ihren Sinn. Sie helfen der Universität bei der Planung und sorgen dafür, dass die Stu­dienbedingungen dann besser sind.

Das heißt auch – das muss man auch sehen –, dass der eine oder die andere mögli­cherweise nicht sein Wunschstudium beginnen kann. Das heißt aber – das ist die posi­tive Seite, die kann man nicht genug betonen –, dass diejenigen, die im Studium sind, bessere Bedingungen vorfinden. Ich weiß nicht, worum es uns in Österreich geht. Mir geht es nicht darum, möglichst viele Studienanfängerinnen und Studienanfänger zu ha­ben. Mir geht es darum, dass die, die im Studium sind, gute Bedingungen haben, damit wir viele Absolventinnen und Absolventen haben und damit wir Akademikerinnen und


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Akademiker haben, die auch ein Studium mit hoher Qualität absolviert haben, mit dem sie auf dem Arbeitsmarkt, in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und auch im Leben bessere Startchancen haben. Ich denke, da sind wir mit dieser Änderung heute auch auf einem guten Weg.

Neben den jetzt genannten Sofortmaßnahmen  mehr Professorinnen und Professo­ren, bessere Betreuungsverhältnisse  werden wir uns als Teil des heutigen Beschlus­ses selbst, also den Gesetzgeber, auch dazu verpflichten, in naher Zukunft konkrete Schritte in Richtung einer sukzessiven Veränderung der Unifinanzierung zu setzen. Statt einer bisher relativ undifferenzierten, aber vor allem sehr, sehr komplexen und für viele sehr undurchsichtigen Unifinanzierung sollen sich zukünftig die Geldflüsse an den Kapazitäten – wir haben es gehört – und an den Studierenden orientieren. Sie werden damit auch klarer nachvollziehbar.

Um auch da Zahlen zu nennen: Wir reden von 990 Millionen €, der sogenannten Uni-Milliarde, die in den nächsten Jahren, bis 2015, den Hochschulen zugutekommt und sich eben danach richtet, welche Kapazitäten an welcher Hochschule vorhanden sind und somit auch finanziert werden müssen. Die 990 Millionen €, die Uni-Milliarde wird auch zum Wohle des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Österreich eingesetzt.

Natürlich ist damit heute nicht alles erledigt. Es ist noch viel zu tun: Zum einen müssen wir eine Verpflichtung erfüllen, die wir uns heute mit dem Beschluss geben, nämlich die Unifinanzierung auch konkret zu machen. Da wird es noch viel Raum für Diskussionen geben, wozu ich alle einlade, auch jene, die heute Kritik üben. Es macht nicht viel Sinn, hier vom Rednerpult aus zu poltern, aber dann nicht dabei zu sein, wenn es um die konkreten Maßnahmen geht.

Aber es muss auch im Schulwesen einiges geschehen. Das ist uns auch klar. Wir brauchen weiterhin mehr Bemühungen und müssen größeres Augenmerk auf die Bil­dungs-, Berufs- und Laufbahnberatung und auch das Nahtstellenmanagement legen. Ich denke, das funktioniert Schritt für Schritt, wo es eingeführt wird, im Bereich der Neuen Mittelschule sehr gut. Schülerinnen und Schüler werden von der Volksschule in die Mittelschule begleitet und auch von der Mittelschule in die höhere Schule oder in die Lehre, aber es funktioniert aus meiner Sicht noch nicht einwandfrei, wenn es darum geht, Maturantinnen und Maturanten oder auch Menschen, die den zweiten Bildungs­weg machen, auf die Hochschule zu bringen. Da braucht es mehr Beratung.

Kollege Krusche, der jetzt so sehr für die technischen Universitäten geworben hat, ist natürlich auch eingeladen, an Schulen für die technischen Unis in seiner Funktion als Politiker Werbung zu machen. (Bundesrat Krusche: Danke für die Einladung!) – Ja, sehr gerne. Nur: Das können nicht nur wir hier machen, das muss auch institutionell in den Schulen stärker erfolgen, davon bin ich überzeugt.

Vielleicht werden dann auch die überlaufenen Studienrichtungen in Zukunft nicht mehr so überlaufen sein. Wir haben in der Lehre ja ähnliche Gegebenheiten. Das Wunsch­studium ist vielleicht gar nicht das, was gut zu mir passt. Es gibt auch andere Mög­lichkeiten, mit denen ich zufriedener bin und wo ich mehr Chancen habe.

Insgesamt freue ich mich über den heutigen Beschluss, der im Sinne der Studierenden notwendig ist, der besser gestern als heute gefallen wäre – das sage ich auch dazu – und der Verbesserungen bringen wird für die Qualität, für die Studierenden und für die moderne Hochschulfinanzierung.

Ich sage dem Herrn Bundesminister – ich bitte um Weitergabe dieses Dankeschöns – und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein herzliches Danke für die konsequente Arbeit und für das konsequente Dranbleiben, für eine Verbesserung an den Unis. Ich wünsche allen Studierenden, die uns heute zuschauen, alles Gute für das gerade frisch begonnene Semester, allen, die sich gerade in diesen Tagen entscheiden, wie


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es nach der Matura weitergeht, eine gute Wahl und Entscheidung. Vielleicht haben Sie heute ein paar Denkanstöße bekommen. Herzlichen Dank an meine Kolleginnen und Kollegen und an alle, die heute dem Beschluss zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.36.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Thematik ist wirklich zum Plärren. Ich bin wirklich empört – und das ist nicht nur eine rein rhetorische Floskel – über die Zustände, die wir im Bildungssys­tem haben. Das fängt schon im Kindergarten an. Wenn ich sehe, dass in Oberöster­reich jetzt insbesondere die KindergartenpädagogInnen der Caritas den Beschluss ge­fasst haben, auf die Straße zu gehen und zwei Tage die Kindergärten zu schließen, weil junge KollegInnen unter dem Mindestlohn angestellt und entlohnt werden, oder dass nicht einmal die Inflationsanpassung abgegolten wird, dann stellt sich mir schon die Frage, welche Wertigkeit wir Menschen geben, die in verantwortungsvollen Berufen tätig sind.

Eines der wichtigsten Fundamente für unseren Wohlstand ist die Bildung. Bildung be­ginnt für mich schon im Kindergarten und geht dann weiter in den Pflichtschulen. Wenn ich in die Pflichtschulen schaue und wir jedes Jahr 10 000 Schülerinnen und Schüler haben, die die Schule ohne abgeschlossene Schulausbildung abbrechen, dann stellen sich für mich nicht nur eine, sondern mehrere Fragen. Da gibt es einen massiven Handlungsbedarf. Der geschätzte Landeshauptmann Wallner hat das auch gesagt: Wir müssen in der Bildungspolitik weiterkommen. Und da möchte ich auch meine eigene Partei nicht ausnehmen. Wir müssen alle gemeinsam diese parteipolitischen, ideologi­schen Brillen ablegen, damit wir in dieser Frage Meter machen.

Es geht um den Zukunftsstandort Österreich, um unsere internationale Wettbewerbs­fähigkeit. Wenn wir diesen hohen Lebensstandard und das Level aufrechterhalten wol­len, werden wir das nur schaffen, wenn wir gute Rahmenbedingungen für die Schü­lerinnen und Schüler und für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, vom Kin­dergarten bis in die Hochschulen, ermöglichen.

Ich habe mir die Lehrlingsausbildung angesehen. Ich war gestern bei Jugend am Werk in der Lehrwerkstätte hier in Wien. Das ist eine ganz spannende Geschichte. Da sind Jugendliche beschäftigt und machen eine Lehre, die in Firmen, am regulären Markt, nicht unterkommen oder Schwierigkeiten haben. Wenn von 60 000 Lehrlingen, die je­des Jahr anfangen, 11 000 die Lehre, aus welchen Gründen auch immer, abbrechen – das ist fast jeder fünfte Lehrling –, dann sind das Leute, die wir verlieren. Gleichzeitig schreit die Wirtschaft, auch zu Recht, wir brauchen qualifiziertes Personal. Es müsste daher doch im größtmöglichen Interesse sein, dass wir bereits im Kindergarten, in der Pflichtschule etwas verändern.

Dann geht es zu den Universitäten weiter. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Danke für das Stichwort: Eine Novelle hat meiner Meinung nach eigentlich den Sinn, dass sich etwas verbessert, dass Klarheit geschaffen wird. Mit der vorliegenden No­velle wird der Ist-Zustand fortgeschrieben. Das sage nicht ich als Oppositionspolitiker, der aus Ihrer Sicht die Regierung natürlich zu kritisieren hat, sondern das sagt die Uni­versitätskonferenz, das sagen die Rektoren. Das sagt auch die Hochschülerschaft, die eine sehr fundierte und ausführliche Stellungnahme zu dem Gesetz abgegeben hat. Ja, bitte, warum hat man sich nicht die Mühe gemacht, die Anregungen der Kritike­rInnen – nicht der KritikerInnen, eigentlich sind das jene Experten und Expertinnen, die in der Praxis, im Feld tätig sind – aufzunehmen?


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 78

Wir beschließen in einem Hauruck-Procedere ein Gesetz, neben dem auch das be­stehende weiter bestehen wird. Es gibt zahlreiche Fristen, es kennt sich keiner mehr aus; und es kann sich auch keiner mehr auskennen.

Wenn Kollegin Bettina Rausch den StudienanfängerInnen alles Gute wünscht, dann sage ich auch, ja, ich wünsche euch wirklich alles Gute, denn in dieser Form, in der wir das jetzt beschließen, werden die meisten während der Maturazeit noch im Gymna­sium oder wo auch immer sein. Und wenn sie sich dann auf der Uni inskribieren wol­len, werden sie merken, dass das eigentlich gar nicht mehr möglich ist, weil die Frist um ist. Dadurch verlieren sie wertvolle Zeit. Sie werden sich sicher bei uns bedanken. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Rausch.) Sie werden sich auf jeden Fall bei uns bedanken. (Bundesrat Todt: Die Fristen erfahren sie ja, die wissen sie ja schon!)

Faktum ist  und das sage ich jetzt nicht als Oppositionspolitiker, sondern ich zitiere Experten und Expertinnen , dass der Ist-Zustand mit dieser Novellierung fortgeführt wird. Es bringt keine Klarheit, es wird – so wie es Kollege Krusche bildlich dargestellt hat – neben dem einen Haufen nur ein anderer hingeschüttet, und es wird zu keiner Klarheit beitragen. Ich finde es extrem schade, dass die Leidtragenden die jungen Menschen in diesem Land und auch die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, sind.

Ich bin an sehr vielen Schulen, aber auch an Universitäten und Fachhochschulen un­terwegs. Ich unterrichte als Lektor an einer Fachhochschule. Das Salär, das wir dort er­halten, ist nicht üppig, aber wir machen das nicht um des Geldes willen. Es ist nämlich ganz spannend, dass man mit den Studierenden im Austausch ist, dass man sozusa­gen auch mitbekommt, was sie interessiert, was Thema ist, wie sie denken und wie sie ticken. Das ist die eine Seite.

Ich komme aber auch in viele Schulen hinein – als Integrationsbotschafter und über das „projektXchange“ und all diese Sachen –, und da sehe ich, unter welchen Rah­menbedingungen unsere Pädagoginnen und Pädagogen arbeiten müssen. Es ist wirk­lich zum Schämen! Es ist zum Schämen, und was ich da alles unter der Hand und auch ganz offen zu hören bekomme, ist nicht etwas, mit dem wir uns rühmen können.

Deshalb ersuche ich alle in diesem Haus, dass wir in der Bildungspolitik, vom Kinder­garten angefangen bis zu den Universitäten, Meter machen und für Klarheit und Trans­parenz sorgen. Mit diesem Gesetz machen wir sicher keinen Schritt in diese Richtung. Daher werden wir Grüne dem nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

13.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.43.16

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Efgani, zuständig für Kinder­gärten ist das Bundesland, dein Bundesland Oberösterreich. Wenn du die Bedin­gungen in deinem Bundesland verändern willst, dann geh auch zu deinem Landesrat, der sitzt, soweit ich weiß, in der Landesregierung, und dann mach dort was!

Du bist aufgefordert, etwas zu tun. Wenn du ganz konkret Bildungsmaßnahmen for­derst, so tu etwas in deinem Bundesland! Setz dich dahinter und mach etwas, dann wirst du die Bedingungen verbessern! Und wenn die Caritas schlecht zahlt, dann geh hin und sag: Zahlt den Menschen mehr! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dönmez: So einfach ist das!)

Du kannst das Universitätsgesetz nicht für alles verantwortlich machen. Du kannst nicht das Universitätsgesetz für die schlechte Bezahlung von KindergärtnerInnen ver-


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antwortlich machen. (Bundesrat Dönmez: Ein bisschen mehr Weitblick!) – Ich habe ge­nug Weitblick, trotzdem muss man die Kirche im Dorf lassen, dort, wo sie hingehört.

Aber zurück zum Thema, vielleicht zur Erklärung, was mit dieser UG-Novelle 2013 ge­schieht: Es geht darum, dass im Bereich der Hochschulen eine Verbesserung nicht nur für die Finanzierung, sondern auch für die Studienbedingungen der angehenden Aka­demikerinnen und Akademiker beschlossen wird. – Darum geht es hier.

Das ist ein wesentliches Gesetz, und die vorliegende Novelle des Universitätsgesetzes beschreibt letztendlich einen möglichen Einstieg zur – Kollege Krusche hat das Wort ohnehin zelebriert – kapazitätsorientierten, studienbezogenen Universitätsfinanzierung.

Man geht von dem hohen Niveau in den sogenannten Massenfächern aus – diese No­velle gilt mit ihrem Qualitätsverbesserungspakt zunächst für die sogenannten beson­ders stark nachgefragten Studienfelder – ihr habt sie ja genannt –, das sind Pharmazie, Biologie, Biochemie, Architektur, Städteplanung, Wirtschaftswissenschaften und Infor­matik.

Sehr positiv ist da, dass es eine schrittweise Anhebung gibt, und zwar um 95 Profes­suren, um eine Angleichung der betroffenen Studienfelder an internationale Betreu­ungszahlen zu erreichen. Völlig neu ist eine Aufsplittung des Universitätsbudgets in die Säulen Lehre, Forschung beziehungsweise Entwicklung und Erschließung der Künste sowie Infrastruktur und klinischer Mehraufwand.

Die neue Universitätsfinanzierung beruht im Wesentlichen darauf, dass die steigenden Budgetmittel für Universitäten auf die entsprechenden Studien orientiert nach der Anzahl der Studierenden berechnet und verteilt werden. Es ist ein Pilotprojekt zur Stu­dienplatzfinanzierung, das eine neue, transparente, faire Form der Finanzierung der Universitäten bringen soll. – Das sind die Eckpfeiler des Gesetzes.

Dieser Pilotversuch versucht die Studienbedingungen zu verbessern, und das durch Aufstocken des Lehrpersonals und nicht durch Abbau der Studienplätze. Es soll lang­fristig gesehen die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden – also jener Studierenden, die mindestens 16 ECTS Anrechnungspunkte oder positiv beurteilte Studienleistungen im Umfang von wenigstens 8 Semesterstunden pro Studienjahr abgelegt haben – und die Zahl der abgeschlossenen Studien steigern.

Wir konnten im Gegensatz zu einer Studie der Rektoren, die das Ziel hatte, die Stu­dienplatzfinanzierung so einzusetzen – und jetzt kommt nämlich der Punkt mit dem freien Zugang –, dass wir die vorhandenen Studienplätze halbiert hätten, die Studien­plätze sogar ausbauen. Das ist ein besonders wichtiges Ergebnis der Verhandlungen, die es gegeben hat.

Also genau schauen und nachschauen, dann sieht man, wie positiv dieses Gesetz ist! Studienplatzfinanzierung soll als Instrument zu einer fairen, transparenten Finanzie­rung der Universitäten genutzt werden, aber nicht als Instrument zur Reduktion von Studienplätzen.

Es ist wichtig, dass Österreich gut qualifizierte Studierende im Land hat. Wir werden jetzt in diesem Pilotversuch weiterhin nach dem Grundsatz agieren, dass in Österreich jeder Studierende nach Möglichkeit das Wunschstudium beginnen kann, wenn auch nicht immer an der Universität der ersten Wahl.

In einzelnen Studienrichtungen wird es an einzelnen Standorten zu Aufnahmeverfah­ren kommen. Wichtig sind da genaue Vorgaben im Gesetz. Ebenfalls wichtig ist uns, dass in diesem Zusammenhang auch die Studieneingangsphase entschärft wird, dass es – und das war uns beiden ein gemeinsames Anliegen – eine schicksalshafte Prü­fung und Auswirkung, nämlich die lebenslange Sperre eines Studiums an der Univer-


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 80

sität, nicht mehr geben wird. Das ist ein wesentlicher Punkt und sichert den freien Zu­gang. (Bundesrat Dönmez: Das ist das einzige Positive, was auch die ÖH angemerkt hat!)

Besonders wichtig ist es auch, in diesem Pilotversuch unter anderem auch zu beob­achten und zu evaluieren, wie sich die soziale Zusammensetzung der Studierenden verändert; denn was wir nicht wollen, ist, dass es von der Herkunft, vom Elternhaus abhängt, wie sich die Bildungschancen eines Menschen in diesem Land entwickeln. Das werden wir genau beobachten, denn Bildung muss weiterhin allen zugänglich blei­ben, und das bringt die Verbesserung dieses Gesetzes. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Zwazl. – Bitte.

 


13.50.14

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Efgani, ich muss zum Rednerpult rauskommen, wenn du meine Lehrlinge an­sprichst. Wenn du sagst, jeder Fünfte fällt durch, dann muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Da muss man zuerst einmal dazusagen, dass eine Lehre eine hochwer­tige Ausbildung ist und nicht jeder eine Lehre machen kann. (Bundesrat Dönmez: Ich habe selber eine Lehre gemacht!)

Ja, ich sage das nur dazu. Man muss sich auch überlegen, dass es gescheiter ist, je­mandem eine Teilqualifikation zukommen zu lassen. Dass wir uns als Sozialpartner dann unterhalten, ob das jetzt Praktikum oder wie auch immer heißt, ist mir egal, aber wir müssen hier ehrlich sein. Wenn wir sagen, eine Lehre ist hochwertig, dann muss das auch so bleiben, und es kann nicht jeder machen.

37 Prozent unserer Lehrlinge machen die Lehrabschlussprüfung mit ausgezeichnetem und gutem Erfolg. Wenn man sich aber anschaut, woher das kommt, dass jeder Fünfte durchfällt, dann sieht man, dass in der Statistik auch die überbetrieblichen Lehrwerk­stätten aufscheinen – aber die schneiden gar nicht so schlecht ab – und auch die JASG-Lehrgänge, die jetzt noch auslaufen, und wir haben den erleichterten Zugang zur Lehrabschlussprüfung. Das sind, ich sage das jetzt salopp, die Schnellsiedekurse, und es darf niemanden wundern, dass dort mehr durchfallen.

Unsere Ausbildung, die duale Ausbildung, ist gut. Man muss auch aufpassen, wenn man glaubt, dass man das verkürzen kann und trotzdem genau dieselbe Qualität er­reicht. Das geht nicht.

Auf der anderen Seite habe ich mir das angeschaut, weil das diese Woche in den Me­dien Thema war: 18 von 100 SchülerInnen schaffen es in der Oberstufe des Realgym­nasiums nicht, auf Anhieb ohne Fünfer die Klasse zu beenden. Das kommt auch daher, dass vielfach junge Leute in Ausbildungen gesteckt werden, für die sie nicht die Talente, die Fähigkeiten, die Begabungen, die Potenziale haben. Deshalb wäre es wichtig, dass man, was ich heute schon einmal gesagt habe, den Begabungskompass in ganz Österreich flächendeckend macht. Dann werden da auch die Zahlen besser werden.

Aber noch einmal: Unsere Jugend hat eine tolle Ausbildung und ist auch sehr gut. Wir haben hervorragende Lehrlinge, und man muss bei diesen Zahlen immer aufpassen, was man sagt. Man kann nicht sagen, unsere Jugend, unsere Lehrlinge sind nicht die besten und nicht geeignet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 81

13.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.52.42

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was Herr Kollege Dön­mez gesagt betreffend chaotische Zustände – ich möchte sie vielleicht nicht „chaotisch“ nennen, aber unhaltbare Zustände –, hat sicher im gewissen Sinne seine Berechti­gung.

Das betrifft nämlich das jetzt neu geformte Bakkalaureat-System. Denn wenn man sich das in der Praxis anschaut, so bilden sich Flaschenhälse. Am Beginn erscheint das Studium überlaufen, aber wenn man sich die nachfolgenden Lehrveranstaltungen an­sieht, die meistens leer oder völlig unterbucht sind, dann entsteht da ein falscher Ein­druck. Und das ist nicht notwendig.

Das bezieht sich vor allem auf das Bakkalaureat-Studium und noch mehr auf das Mas­terstudium. Ursprünglicher Sinn des Studiums war ja, dass das ganze „verschult“ – un­ter Anführungszeichen – wird, also ein aufbauendes System hätte. Aber in der Praxis zeigt sich, dass jede Lehrveranstaltung für sich abgeschlossen ist. Es steht bei einer Lehrveranstaltung die dreifache Zahl jener, die ein Hörsaal fasst, auf der Warteliste. Eine Lehrveranstaltung darüber hinaus, die jeder besuchen könnte, ist zu einem Drittel leer, weil sich die Studenten und die Studierenden nicht anmelden konnten.

Das Zauberwort heißt jetzt, sehr geehrte Frau Minister, das ist vielleicht interessant, Interessenmodul. Jetzt melden sich alle Studierenden über das Interessenmodul an. Das kann natürlich nirgends angerechnet werden. Jetzt sind die Studienvertretungen überlaufen, weil jeder nachträglich versucht, sich das Ganze korrekt anrechnen zu las­sen. Das ist ja alles nicht notwendig.

Das Zauberwort heißt hier sicherlich, die Anmeldungen, die Lehrveranstaltungen öff­nen, damit sich keine Flaschenhälse bilden und man das ganze Studium praktisch kon­tinuierlich hinaufwandern kann und die Lehrveranstaltungen gleichmäßig besetzt und besucht sind.

Die Fristen sind sicher auch ein Problem, was Kollege Dönmez schon angesprochen hat. Die Fristen hören viel zu früh auf, praktisch im Semester davor. Da kann sich noch niemand entscheiden, welches Studium oder welches Studienfach er wirklich wählen möchte, ohne dass er sich hier schon vorbereitet hat. Zu Beginn des Studiums sind die Fristen abgelaufen, er steht vor verschlossenen Türen.

Da sollte es also zwei Ansätze geben: erstens die Fristen verlängern und zweitens die Lehrveranstaltungen für alle öffnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundes­rates Dönmez.)

13.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.55.155. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend Rahmenabkom­men über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäi-


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 82

schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Sozialistischen Repu­blik Vietnam andererseits (2133 d.B. und 2174 d.B. sowie 8913/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


13.55.42

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Sozialistischen Republik Vietnam andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.56.57

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Vizepräsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Nach der Justiz über Forschung und Wissenschaft jetzt auf die internationale Bühne. Ich be­wundere unsere Frau Ministerin, die heute alle drei Teilbereiche sozusagen zu vertre­ten hat. Aber sie hat ja selbst, glaube ich, im Februar 2011 Vietnam einen Besuch ab­gestattet, bei dem es um die Unterzeichnung einen Abkommens gegangen ist, sodass sich auch der Bogen zu diesem Tagesordnungspunkt spannen lässt.

Tagesordnungspunkt 5, es geht eben um dieses Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten, also auch Österreich, auf der einen Seite und Vietnam auf der anderen Seite.

Worum konkret geht es dabei? – Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Vietnam werden auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt. Damit wird zwei­felsohne ein wichtiger Schritt zu einem stärkeren politischen und wirtschaftlichen Enga­gement der EU und deren Mitgliedstaaten in Südostasien gesetzt.

Das Abkommen umfasst im Artikel 2 unter „Ziele der Zusammenarbeit“ politische Klau­seln der EU über die Menschenrechte, über den Internationalen Strafgerichtshof, Mas­senvernichtungswaffen, Kleinwaffen und leichte Waffen, Steuern, Migration sowie Ter­rorismusbekämpfung.

Das Abkommen bietet eine neue Basis für ein effektives und nachhaltiges Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten in den Themenbereichen Entwicklung, Handel, Wirt­schaft und Justiz. Konkret behandelt werden auch die Teilbereiche Gesundheit, Um­welt, Klimawandel, Energie, Bildung und Kultur, Arbeit, Beschäftigung, Soziales, Wis­senschaft, Technologie, Verkehr, Geldwäsche, die Finanzierung des Terrorismus, die organisierte Kriminalität und das Thema Korruption.

Was erscheint dabei für Vietnam von besonderem Interesse? – Vor allem die Zusam­menarbeit bei der Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sowie die


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 83

Beseitigung von Kampfmittelrückständen. Wenn man sich darüber informiert, wird man herausfinden, dass neben den Umweltgiften in den ländlichen Gebieten auch noch eine große Zahl von Blindgängern und Landminen zu finden ist und jedes Jahr dadurch viele Menschen den Tod finden, auch heute noch.

Zum Thema Umwelt, ich habe es bereits erwähnt, dem Bereich Umweltgifte: Es wur­den Millionen Hektar der tropischen Wälder, die zuvor bereits durch Herbizide ge­schädigt worden waren, weiter zerstört. Während des Vietnamkrieges wurden rund 40 Millionen Liter dioxinhaltige Gifte, wie zum Beispiel das berühmt-berüchtigte Agent Orange, in den Boden gebracht. Diese Wälder hatten darunter zu leiden und wurden seit den sechziger Jahren zusätzlich durch Brandrodung und Abholzung weiter zer­stört.

Für Vietnam ist auch das Thema Vorbeugung von Naturkatastrophen von Interesse. Immer häufiger treten während der Regenzeit Taifune auf, was insbesondere im Me­kong-Delta, aber auch in anderen Küstenregionen zu Überschwemmungen führt.

Dieses Abkommen ist die Grundlage für ein noch auszuhandelndes Freihandelsab­kommen mit Vietnam. Ich möchte mich beim Gesandten Dr. Michael Postl vom Minis­terium bedanken, der uns dies auch im Ausschuss ausführlich erläutert hat.

Wie sehen nun aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Vietnam konkret aus? – Erstmals durchbrachen im Jahr 2011 die österreichischen Exporte nach Vietnam die 100-Millionen-€-Marke. Insgesamt konnten die Ausfuhren um 11 Prozent auf zirka 103,2 Millionen € gesteigert werden. Interessant ist dabei, dass sie sich ins­besondere in den ersten Quartalen 2011 – für 2012 habe ich noch keine Daten gefun­den – um 63 bis 76 Prozent gesteigert haben.

Was waren die volumenstärksten Bereiche? – Maschinen und Anlagen im Gesamtwert von rund 50 Millionen, Schmuckwaren um 42 Millionen, Glas- und Glaswaren um 22 Millionen, elektronische Waren um 24 Millionen sowie chemische Erzeugnisse um 11 Millionen. Da hat es überall Steigerungsraten zwischen zirka 15 und 50 Prozent ge­geben.

Die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Vietnam entwickeln sich seit Jahren sehr gut. Seit 1995 haben sich die österreichischen Exporte mehr als verzehnfacht. Für diesen Erfolg zeichnen vor allem die Markterschließung durch österreichische Projekt­firmen, Anlagenbauer und Maschinenlieferanten verantwortlich. Österreich importiert vor allem Schuhe, Textilien, Lebensmittel, Möbel, Druckmaschinen und, seit Neues­tem, auch Kunststoffprodukte aus Vietnam.

Gestatten Sie mir auch noch ein paar persönliche Anmerkungen. Ich möchte dazu fol­genden Titel wählen: Ein Land mit bewegter Geschichte auf dem Weg nach oben.

Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, erinnere ich mich auch an die ersten Bilder, die ich im Fernsehen gesehen habe: Bilder aus dem Vietnamkrieg. Das war eine schreckliche Auseinandersetzung, rund 2 Millionen Menschen haben den Tod gefun­den. Es waren die bewegenden Bilder der ersten sogenannten Boatpeople, von Flücht­lingen, die alles verloren und versucht haben, woanders hinzukommen, und dabei auch oft ihr Leben lassen mussten. Heute finden wir diese Bilder von Boatpeople leider auch in Europa.

Vietnam ist nach wie vor eine Diktatur, geführt von einer kommunistischen Einheits­partei. Im Artikel 4 der Verfassung heißt es, dass dort Oppositionsparteien ausge­schlossen sind. In der Präambel der Verfassung steht geschrieben, die Partei ist der Führer, das Volk ist der Herrscher, und der Staat ist der Verwalter. – Das mutet uns doch etwas kurios an.

Die Bevölkerungszahl Vietnams beträgt derzeit zirka 90 Millionen Menschen. Das heißt, das Land hat mehr als zehnmal so viele Einwohner wie Österreich, ist aber nur


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viermal so groß. Interessant im Zusammenhang mit der Bevölkerung ist weiters, dass landesweit rund ein Drittel der Menschen unter 14 Jahre alt ist und nur etwa 6 Prozent älter als 65 Jahre sind. Das ist eine ganz interessante und zukunftsträchtige Bevölke­rungsentwicklung.

Seit dem Jahre 2000 erlebt Vietnam einen Boom im Tourismus. Neben Studienreisen­den kommen auch immer mehr Rucksack-, Pauschal- und Badetouristen, die vor allem die unberührte Natur und das Land mit seiner sehr niedrigen Kriminalitätsrate schät­zen. In den letzten Jahren wurden auch einige Fischerdörfer umgebaut – wenn man das so sagen darf –, um dort Hotel- und Resortprojekte hochzuziehen. Mehrere hun­derttausend Menschen sind bereits im Tourismus beschäftigt.

Erwähnenswert ist auch, dass es eine interessante Geschichte im Bereich der diploma­tischen Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam gibt. Österreich war im Jah­re 1972 – erinnern wir uns: noch während der Auseinandersetzung im Vietnamkrieg – eines der ersten Länder, das Vietnam offiziell anerkannt hat. Diese diplomatischen Be­ziehungen wurden seit, wie gesagt, 40 Jahren weiter ausgebaut.

Eine Anmerkung zum Schluss: Österreich und Vietnam liegen zwar weit auseinander – etwa 8 250 Kilometer zwischen Wien und Hanoi –, aber mit diesem Abkommen kom­men wir uns zweifelsohne ein Stück näher. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.05.43

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau – heute allgemeinzuständige – Ministerin! Ich möchte gleich an den letzten Satz des Herrn Köberl anknüpfen. Im Dezember 2012 haben wir 40 Jahre diploma­tische Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam gefeiert. Ich möchte das noch ein bisschen hervorheben. Mitten im Bombenhagel, als die USA täglich Hunderte Ton­nen von Bomben auf Hanoi und Haiphong abgeworfen haben, mitten in diesem un­glaublich brutalen Krieg, der in gesamt Indochina dreieinhalb Millionen Menschenleben gefordert hat, sagt die österreichische Bundesregierung unter dem damaligen Außen­minister Kirchschläger und dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky, Österreich anerkennt die Republik Nordvietnam. Wenn man sich vorstellt, das würde heute ge­schehen, dann wäre das ein weltweiter Paukenschlag.

Das war am 1. Dezember 1972. Zweieinhalb Wochen später – und da sieht man, wel­ches Signal Österreich da praktisch als politischer Trendsetter ausgestrahlt hat – wur­de Österreich nahezu einstimmig zum ersten Mal in den Weltsicherheitsrat gewählt. Später, als es nach der Zeit des geteilten Vietnam von 1954 bis 1973 zur Aufarbeitung der Kriege im ASEAN-Bereich kam, wurde wiederum ein österreichischer Botschafter, nämlich Willibald Pahr, zum Vorsitzenden der Kambodschakonferenz ernannt. Das heißt, man hat sehr wohl im ganzen Raum gemerkt, was Österreich da gemacht hat.

Vielleicht noch eine Anmerkung, denn es handelt sich hier zum Teil um unsere Jugend. Das war dasselbe Jahr, in dem Jane Fonda Nordvietnam besucht hat, während die Amerikaner bombardiert haben. Es war die Zeit, in der ein Cassius Clay, alias Muham­mad Ali, den Befehl verweigert hat, als Soldat nach Vietnam zu gehen, und dafür in Haft gegangen ist. Das ist meiner Meinung nach eine wirklich große Geschichte.

Österreich hat im letzten Jahr dieser 40 Jahre Anerkennung und diplomatischer Bezie­hungen mit Vietnam in besonderer Weise gedacht. Der Bundespräsident hat Vietnam letztes Jahr besucht. Eine ganze Reihe von Veranstaltungen hat stattgefunden. Die Stadt Wien war zum Beispiel Partner aller Veranstaltungen in Vietnam, und es wurden


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eine ganze Reihe humanitärer Projekte realisiert. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Dabei geht es um Projekte im Bereich Kindergärten und Schulen, um Ausbildungs­kurse für Frauen, um Bildungsprojekte für Waisenkinder, um Reha-Zentren für Kinder – denn das von Kollege Köberl angesprochene Agent Orange hat auf Generationen ge­netische Schäden hervorgerufen –, um Mütterkurse und Vorschulausbildung.

Natürlich, Vietnam hat eine eigene Auffassung von Staatsführung. Das ist aber ein umfassendes Partnerschaftsabkommen. Und ein Teil in diesem Partnerschaftsabkom­men ist auch die Durchsetzung von Menschenrechten. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt in dieser Partnerschaft, denn eines sollten wir nicht vergessen: Der Krieg in Vietnam hatte mächtige Kriegsgegner für das vietnamesische Volk – Frankreich, Ja­pan, USA. 30 Jahre Krieg.

Das sind Generationen, die eigentlich nichts anderes kennen als Krieg. Umso mehr Verständnis erfordert es, wenn man danach versucht, im Trauma dessen, was passiert ist, einen Staat zu ordnen. Gerade deshalb ist es aber wichtig, dass diese EU-Partner­schaftsabkommen so umfassend sind. Sie beinhalten zum Beispiel den Kampf gegen den Klimawandel sowie das Verbot oder den Bann der Verbreitung von Massenver­nichtungswaffen.

Es ist eine politische Partnerschaft, und es hat schon einen interessanten Vorlauf ge­geben. Sieben Jahre hat es bereits eine Partnerschaft zwischen der EU und Vietnam im Bereich sozioökonomischer Entwicklungspläne, Unterstützung des Gesundheitssek­tors, soziale Sicherheit, Aufbau – und das ist jetzt auch interessant – des Justizwe­sens, Menschenrechtsentwicklung und so weiter gegeben. Das heißt, es ist zwar ein Abkommen, das die EU mit allen ASEAN-Staaten schließt, aber was Vietnam betrifft, muss man eines sehen: Es ist eine extrem dynamische Volkswirtschaft, und diese ex­trem dynamische Volkswirtschaft hat auch einige Umweltsünden hinterlassen, die in dieses Abkommen mit einbezogen wurden.

Vietnam übernimmt zunehmend eine Führungsrolle innerhalb der ASEAN-Staaten. Für Österreich und für die österreichische Wirtschaft machen sich diese sehr frühe Partner­schaft und diese sehr frühe Anerkennung durch ein wirklich beachtliches Handelsbi­lanzplus auf österreichischer Seite bemerkbar. Wir haben in den unterschiedlichsten Bereichen, die ich jetzt nicht wiederholen möchte, die Kollege Köberl sehr ausführlich geschildert hat, sehr interessante Exportzahlen erzielt.

Ich finde, es ist ein wichtiger Schritt, ein Schritt des Zusammenrutschens, wobei Ös­terreich und Vietnam schon seit 40 Jahren mit gegenseitigen Botschaften zusammen­gerutscht sind. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mitterer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.12.57

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Hohes Haus! Dieses Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Union und der Sozialistischen Republik Vietnam ist ein wichtiger Schritt zu einem stärkeren politi­schen und wirtschaftlichen Engagement der EU in Südostasien. Das wurde bereits von meinen Vorrednern erwähnt. Die freiheitliche Fraktion wird diesem Abkommen selbst­verständlich auch zustimmen. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Um das zu sagen, hätte ich jetzt nicht ans Rednerpult herauszugehen brauchen, denn das wurde ja bereits durch unser Abstimmungsverhalten im Ausschuss dokumentiert. Es gibt aber einen weiteren und mir wichtigen Grund, hier ans Rednerpult zu treten. Ich


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erhoffe mir vom Herrn Präsidenten, dass er es akzeptiert, dass ich ein paar Sätze des persönlichen Abschiedes an den österreichischen Bundesrat richte.

Mein Ausscheiden aus dem Bundesrat hängt nicht mit dem Ausgang der Wahlen in Kärnten zusammen, sondern ich habe bereits vor vier Jahren die Entscheidung ge­troffen, dass dies die letzte Legislaturperiode sein wird, in der ich in der Politik tätig bin.

Am 25. März, das heißt in wenigen Tagen – in elf Tagen genau –, sind es 40 Jahre, in denen ich ununterbrochen in der Politik tätig war, beginnend als Gemeinderat und Vizebürgermeister über zwei Jahre Nationalrat bis hin zu 13 Jahren Landtag, davon die Hälfte als zweiter und dritter Präsident des Kärntner Landtages, und nun beinahe acht Jahre im österreichischen Bundesrat – so nebenbei erwähnt, davon dreieinhalb Jahre zusätzlich auch als Mitglied des Europarates.

Ich hatte die große Ehre, in diesen fast acht Jahren der Mitgliedschaft im Bundesrat auch zweimal den Vorsitz zu führen. Ich habe das sehr, sehr gerne getan und möchte diese Zeit in meinem Leben nie missen. Besonders die erste Präsidentschaft war sehr spannend, denn damals gab es eine andere Mehrheit hier im Bundesrat als im Na­tionalrat. Während heute die Mehrheitsverhältnisse klar und deutlich auf Seiten der Re­gierungsparteien sind, gab es damals eine schwarz-orange-blaue Regierung mit einer Mehrheit im Nationalrat, aber eine Mehrheit von Rot und Grün hier im Bundesrat. Ins­gesamt hat es seit 1918 nur wenige Monate gegeben, in denen es solch eine Situation gab, dass im Nationalrat eine andere Mehrheit herrschte als hier im Bundesrat.

Viele von Ihnen werden sich noch an diese Zeit erinnern. Die Diskussionen waren da­mals sehr, sehr spannend, da es ja immer verschiedene Auffassungen über die Partei­grenzen hinweg gegeben hat. Aber es hat sich auch etwas gezeigt, was den österrei­chischen Bundesrat auszeichnet: Die Wortwahl hier herinnen im Hohen Hause war immer von Respekt und Achtung dem anderen gegenüber geprägt. (Bundesrätin Mühl­werth: Meistens, nicht immer!) Das ist etwas, was den Bundesrat auszeichnet, und das war einer der Gründe, weshalb ich dem Bundesrat so gerne angehört habe.

Vor eineinhalb Jahren begann für mich eine schwere Zeit, eine ernsthafte Erkrankung, die ich dabei bin, dank eines starken Willens, aber dank auch meiner Familie, vor allem meiner Frau und meiner kleinen Tochter, zu besiegen. In dieser Zeit war aber auch der österreichische Bundesrat eine Kraftquelle – und ist es immer noch. Diese fortgesetzte Tätigkeit, auch während meiner Erkrankung, hat mir sehr viel Kraft gegeben. Das war nur möglich, weil das Klima hier herinnen positiv geprägt ist. Deshalb muss ich auch sagen, es ist mein Abschied zu diesem Zeitpunkt, mit Ende der Legislaturperiode, zwar gewollt, schon seit vier Jahren, aber natürlich auch ein bisschen von Wehmut geprägt und auch vom Dank, dass Sie mir Freundschaft entgegengebracht und Zusammenar­beit angeboten haben, nicht nur in meiner Zeit der Präsidentschaft, sondern auch da­rüber hinaus.

Ich wünsche mir, dass auch in Zukunft viele positive Beschlüsse im Sinne des Föde­ralismus zum Wohle der Bundesländer und deren Bevölkerung hier im Hause gefasst werden. – Glück auf! (Allgemeiner anhaltender Beifall.)

14.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Lieber Herr Kollege Mitterer! Ich möchte mich im Namen des gesamten Bundesrates für deine hier geleistete Arbeit ganz herzlich bedanken, vor allen Dingen auch für die Zeiten deiner zweimaligen Präsidentschaft, in denen ich dich unter anderem auch als Vizepräsidentin erleben durfte. Ich bedanke mich bei dir für die konstruktive Zusammenarbeit, die wir in diesen Zeiten hatten, und für alle positiven Dinge, die du hier im Bundesrat eingebracht hast. Ich wünsche dir im Namen des gesamten Bundesrates alles, alles Gute und für dich persönlich vor allen Dingen Gesundheit und ein schönes weiteres Leben im Kreise deiner Familie! – Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)


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Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.20.126. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend ein Bundesge-
setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (2113 d.B. und 2177 d.B. sowie 8906/BR d.B. und 8907/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Damit kommen wir zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


14.20.31

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Fi­nanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.21.23

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden der heuti­gen Änderung nicht zustimmen, obwohl an und für sich die Änderungen, die heute vor­genommen werden, ein Schritt in die richtige Richtung wären.

Wir begrüßen es, dass die Doppelförderung für Firmenwagennutzer jetzt gestrichen wird; wir begrüßen die Einführung eines „Pendlereuros“, sprich einer fixen Zuwendung


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für PendlerInnen; wir begrüßen die Erhöhung des Pendlerzuschlages und das „Job­ticket“. Das ist alles positiv.

Das Problem ist: Bei dem, worüber wir heute reden, geht es um 140 Millionen €, aber die Pendlerpauschale, die es gibt und die nicht angegriffen worden ist, das ist über 1 Milliarde €. Und was diese 1 Milliarde € und die Aufteilung dieser 1 Milliarde € betrifft, gibt es da ideologische, prinzipielle, grundlegende Unterschiede. Wir sehen es so, dass die Kosten für jeden Pendler und für jede Pendlerin für eine gewisse Strecke gleich hoch sind. Wir sehen es sogar so, dass die relative Belastung für jemanden, der weniger verdient, wenn er pendeln muss, höher ist als für jemanden, der viel verdient.

Die Frau Ministerin sieht es prinzipiell so, dass jemand, der mehr Steuern bezahlt, auch mehr zurückbekommen soll. Das heißt aber dann, dass diejenigen, die gut ver­dienen, bei der üblichen Pendlerpauschale, die nicht angegriffen wird, mehr herausbe­kommen, und das ist unserer Meinung nach ungerecht, ungerecht, ungerecht!

Diese Ungerechtigkeit wird nicht beseitigt. Wir würden einen gerechteren Zugang be­grüßen. Da kann man jetzt von halbvollen und halbleeren Gläsern reden, wie man will, aber prinzipiell ist es einfach nicht ausreichend, ein bisschen zu ändern und den gro­ßen Teil unverändert zu lassen.

Ich habe im Ausschuss eine Zahl bekommen, nämlich die Relation zwischen kleiner und großer Pendlerpauschale, sprich zwischen öffentlichem Verkehr und Autoförde­rung in dem Sinn. Es gibt diese Zahl nicht offiziell, aber es gibt interne Zahlen. Mir wurde gesagt: 75 Prozent der Pendlerpauschale sind große Pendlerpauschale, sprich: Das bekommen die Leute, die mit dem Auto in die Arbeit fahren müssen, weil sie kein öffentliches Verkehrsmittel benützen können.

Es gibt die Beantwortung einer Anfrage der Kollegin Moser vom Nationalrat, darin ste­hen etwas detailliertere Zahlen. Darin findet sich zum Beispiel diese 1 Milliarde €, so­gar über 1 Milliarde, die wir jährlich für die Pendlerpauschale ausgeben. Darin steht, dass 600 Millionen € von dieser 1 Milliarde € jenen zugutekommen, die mehr als 50 000 € im Jahr verdienen, sprich höchste Steuerstufe, sprich 20 Prozent der Pendle­rInnen bekommen 60 Prozent der Pendlerpauschale. Wie gesagt, das ist möglicher­weise ein ideologischer Unterschied, aber über den können wir nicht drüberhupfen, deshalb können wir dem heute einfach nicht zustimmen.

Ein zweiter ideologischer Unterschied ist: Öffi-FahrerInnen bekommen eine Pendler­pauschale erst ab 20 Kilometern. Also wenn ich 20 Kilometer unterwegs bin, dann kann ich die kleine Pendlerpauschale beantragen. Wenn ich mit dem Pkw unterwegs sein muss, weil ich keine öffentliche Anbindung habe, bekomme ich das ab 2 Kilome­tern.

Aber jeder, der mit einem Öffi unterwegs ist und 20 Kilometer fährt, muss auch ein bis zwei, möglicherweise sogar drei Zonen ÖV bezahlen, und das sind 500 € bis 1 500 € im Jahr. Der kann aber nichts absetzen, bekommt also keine Pendlerpauschale gutge­schrieben. Das ist meiner Meinung nach nicht gerecht.

Deshalb begrüße ich, wie gesagt, prinzipiell die Änderungen. Ich möchte das noch ein­mal betonen – Kollege Schennach hat mir heute schon gesagt, keiner versteht, warum ihr da nicht zustimmt –: Die Änderungen begrüßen wir, aber wir sind damit nicht einver­standen, dass das nicht geändert worden ist und dass das nicht angegriffen worden ist. Da würden wir bitten, dass man doch noch einmal überlegt, vielleicht ideologische Hür­den überwindet und auf die Pendler schaut und nicht nur auf die Steuereinnahmen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)


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14.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Kainz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.25.28

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! (Der Redner stellt eine Tafel mit den beiden Logos von „Pendlereuro“ und „NÖAAB“ vor sich auf das Rednerpult.)

Ich glaube, der heutige Beschluss ist ein guter Beschluss, und ich glaube, dass alle Pendlerinnen und Pendler diesen Beschluss begrüßen. So freue ich mich auch als Bezirksobmann des ÖAAB und als Funktionär und Mandatar, dass wir diesen Schritt setzen. Man kann immer alles zerreden und zu Tode diskutieren. Wichtig ist aber, dass die Bürger draußen etwas spüren, und mit dem heutigen Beschluss spüren sie etwas. (Zwischenruf von Bundesrätin Kerschbaum.)

Wenn du kritisierst, liebe Frau Kollegin Kerschbaum, dass man beim öffentlichen Ver­kehr erst ab 20 Kilometern die Pendlerpauschale beantragen kann, so möchte ich auch in die Diskussion einbringen, dass die öffentliche Hand auch den öffentlichen Verkehr massiv unterstützt und fördert und dass man das auch als Positivum in Richtung Pend­lerunterstützung sehen könnte und sollte. (Bundesrätin Kerschbaum:  Autoverkehr auch!)

Aber vielleicht zurück zur eigentlichen Diskussion, zum eigentlichen Tagesordnungs­punkt, nämlich zum Paket, das die Pendlerinnen und Pendler massiv unterstützt. Das ist letztendlich der Startschuss für die größte Pendlerreform seit der Einführung der Pendlerpauschale vor rund 25 Jahren unter Alois Mock, mit der wir den Veränderun­gen, die wir zurzeit haben, eben Rechnung tragen.

Es sind Veränderungen da. Ich denke, dass es Aufgabe der Politik ist, auf Veränderun­gen die richtigen Antworten zu geben. Und mit dem heutigen Tag setzen wir ein ganz entscheidendes und richtiges Signal für die arbeitenden Mitbürgerinnen und Mitbürger, indem wir 150 Millionen € zusätzlich in die Hand nehmen, um Pendlerinnen und Pend­ler zu unterstützen, um jene Leute zu unterstützen und finanziell zu entlasten, die vor allem mit dem Auto längere Wegstrecken zum Arbeitsplatz bewältigen müssen.

Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet für mich auch Antworten auf Veränderungen zu geben, und in diesem Sinn haben der ÖAAB und vor allem auch die Österreichische Volkspartei in den letzten Jahren durch zwei Initiativen wirklich zum Wohl der arbeitenden Menschen viel umgesetzt. Ich denke da nur an die Initiative, die wir vor einigen Jahren gesetzt haben, nämlich die Abfertigung neu. Das ist etwas, das heute selbstverständlich ist, womit wir auf die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt die richtigen Antworten gegeben haben.

Mit der Einführung beziehungsweise sozusagen der Erweiterung der Pendlerinitiative und der Pendlerreform beschließen wir heute einen weiteren wichtigen und wesentli­chen Schritt, nämlich die Beibehaltung der Pauschale, wie sie bis jetzt war, aber auch die Einführung des „Pendlereuros“. Ich habe dazu auch eine Tafel mitgebracht.

Eine gute Initiative und ein wichtiger Punkt ist für mich auch die Möglichkeit des „Job­tickets“. Auch das ist eine Initiative. Allein aus diesem Grund müssten die Grünen schon zustimmen, denn mit dem „Jobticket“ haben wir, glaube ich, eine ökologische und vorbildliche Variante, von zu Hause zum Arbeitsplatz zu kommen, ermöglicht. Ge­rade in Zeiten der höheren Spritpreise ist es notwendig, die richtigen Antworten zu ge­ben, und mit diesem Paket geben wir die richtigen Antworten für die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer.

Ich möchte an dieser Stelle, bevor ich ganz kurz auf den Inhalt dieses Pakets eingehe, Danke sagen, weil das auch für mich ein längerer Prozess war, den wir in guter Ge­meinsamkeit auf den Weg gebracht haben, und zwar Danke allen voran an Frau Bun­desminister Fekter als Finanzministerin. Ich freue mich auch, dass die Frau Bundes-


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minister Karl als ehemalige Generalsekretärin des ÖAAB heute hier ist. Sie ist ja engstens vertraut mit dieser Materie.

Ich möchte aber auch zwei Persönlichkeiten in den Bundesländern erwähnen, nämlich den Landeshauptmann-Stellvertreter Sobotka aus Niederösterreich und den Landes­hauptmann-Stellvertreter Franz Hiesl aus Oberösterreich, die sich beide in ihrer Funk­tion als ÖAAB-Landesobleute ganz massiv und wesentlich in diesem Bereich einge­bracht haben, nämlich in guter Partnerschaft mit unserer Bundesobfrau Hanni Mikl-Leitner und dem Generalsekretär August Wöginger. Ich denke, dass dies ein Beispiel für erfolgreiche und gute Arbeitnehmerpolitik in dieser Republik ist. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Was beinhaltet dieses Paket? – Dieses Paket beinhaltet, dass insgesamt 800 000 Pend­lerinnen und Pendler die große Pendlerpauschale weiter beziehen, wenn es nicht zu­mutbar ist, weiter als 2 Kilometer mit dem öffentlichen Verkehrsmittel anzureisen. Au­ßerdem ist der „Pendlereuro“ neu eingeführt worden.

Ich glaube, es ist insgesamt ein sehr einfaches und treffsicheres System, nämlich ein System, wo die Kilometer, die gefahren werden, letztendlich auch abgegolten werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Ein Fallbeispiel: Fährt jemand 65 Kilome­ter zum Arbeitsplatz, sind das 130 Kilometer, tour-retour sind das 130 € im Jahr – ein­fach, treffsicher und nachvollziehbar. Ich glaube, es ist ein gutes System, was ja auch von der Opposition hier erwähnt wurde.

Zweiter Punkt: Wir erweitern auch den Kreis der Anspruchsberechtigten, nämlich auf jene, die weniger arbeiten. Wenn man zwei Tage pendelt, hat man einen Anspruch auf zwei Drittel der Pendlerpauschale; wenn man einmal in der Woche pendelt, bekommt man ein Drittel des zur Verfügung stehenden Betrages. Auch diese Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten ist ein guter Punkt.

Dritter Punkt: Wir verdoppeln den Pendlerzuschlag. Ich glaube, auch das ist ein wichti­ger Punkt, gerade in Richtung der Teilzeitkräfte. Damit wollen wir ganz bewusst in die­se Richtung Signale setzen: Bis jetzt betrug der Pendlerzuschlag 141 €, künftig sind das 290 €. Sogar mit der Anrechnung der Negativsteuer kann man da auf bis zu 400 € kommen. Auch das ist, glaube ich, eine gute und richtige Maßnahme, wo die Bürgerin­nen und Bürger einen Mehrwert haben.

Nächster Punkt, auch das wurde bereits erwähnt, das Job-Ticket. Auch das ist etwas sehr Vernünftiges, wo der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis dem Arbeitnehmer eine Fahrkarte für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellt. Der Arbeitgeber kann das steuerlich absetzen und der Arbeitnehmer ist dafür weder lohnsteuer- noch sozialver­sicherungsverpflichtet.

Auch das ist, glaube ich, ein gutes Beispiel der guten Kooperation zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern; und ich denke – ich schaue da Frau Präsidentin Zwazl an –, dass nur bei uns, der Österreichischen Volkspartei, Wirtschaft und Arbeitnehmerinteressen bestens aufgehoben sind.

Der fünfte Punkt ist der Pendlerrechner. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn Dinge müssen nachvollziehbar sein. Ich bin gestern in diesen Pendlerrechner einge­stiegen, habe das eingegeben. Das ist wirklich ein extrem gutes Service, das wir hier anbieten.

Wenn ich sage „wir“, dann meine ich einerseits das Bundesministerium für Finanzen, wo der Pendlerrechner ja installiert ist, andererseits haben wir es als Serviceorganisa­tion des NÖAAB installiert. Da gibt man die Fahrstrecke ein, die Tage, wie oft man diese Fahrstrecke zurücklegt, sowie die Familiensituation, und per Knopfdruck wird so­fort berechnet, welchen Anspruch man auf diese Pendlerunterstützung hat.


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Ich denke, das ist ein gutes Beispiel, einer der Gründe, weshalb wir diesem Paket wirk­lich gerne zustimmen – weil dieses Paket eben eines ist, wo Pendlerinnen und Pendler wirklich unterstützt werden, wovon die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich etwas haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Rede aber auch dazu nüt­zen, obwohl ich mich heute noch einmal zu Wort melden darf, um ganz kurz auf meine Tätigkeit hier im Hohen Haus einzugehen.

Ich freue mich, dass ich mit April in den niederösterreichischen Landtag wechseln darf. Ich durfte zehn Jahre in diesem Haus tätig sein, ich war von 2002 bis 2008 Abgeord­neter zum Nationalrat und ab Februar 2009 Mitglied des Bundesrates. Es waren schö­ne, interessante, formende und spannende Jahre; und ich möchte mich den Worten meines Vorredners anschließen, dass die Tätigkeit im Bundesrat eine besonders schö­ne, kameradschaftliche und kollegiale ist.

Ich denke, dass es immer Aufgabe der Politik ist, auf Veränderungen einzugehen. Es ist aber auch Aufgabe der Politik, diese Veränderungen dem Bürger zu erklären, denn jede Veränderung, die der Bürger nicht versteht, bedeutet letztendlich eine Verschlech­terung. Da sind wir, glaube ich, gefordert, insgesamt diese Veränderungsprozesse, die wir praktizieren, auch draußen besser zu erklären.

Ich verstehe das Mandat immer als Bindeglied zwischen den Bürgern draußen in den Gemeinden, in den Regionen und dem Hohen Haus. Es gibt in der Politik einen sehr klar definierten Pflichtbereich. Der spielt sich im Hohen Haus ab, der spielt sich in der Plenarsitzung ab, der spielt sich in der Ausschussarbeit ab und er spielt sich sonst noch in einigen Punkten ab.

Aber dann gibt es einen sehr großen, nicht definierten Kürbereich; und alle, die hier tä­tig sind, müssen, glaube ich, diesen Kürbereich weiterhin sehr ernst nehmen, vor allem die Sprechtage, wo es darum geht, den Kontakt mit den Bürgern zu pflegen und auch Ansprechpartner draußen für die Bürger zu sein. Wenn wir das stärker praktizieren, dann wird auch der Stellenwert der Politik, die Art und Weise, wie die Bürger uns drau­ßen sehen, besser werden.

Österreich ist ein wunderschönes Land. Der Nationalrat ist für die Bundesgesetzge­bung zuständig, die Landtage sind für die Landesgesetzgebung zuständig. Das ist auch gut und richtig so. Die haben das Ohr am Bürger und wissen genau, wo in den Regionen der Schuh drückt.

Aber dann gibt es ein ganz wichtiges Bindeglied, das ist der österreichische Bundesrat. Der Bundesrat ist das Bindeglied zwischen den Regionen und der Bundesgesetzge­bung, und wir können froh und stolz sein, dass es diesen Bundesrat gibt. Der Bundes­rat ist in den letzten Tagen zur Kaderschmiede geworden: Der Herr Bundesminister ist aus dem Bundesrat entsandt worden, in Niederösterreich wurde ein Landesrat aus dem Bundesrat entsandt. Es gibt einige gute Beispiele, wo engagierte Mandatare mit einem guten Vorzugsstimmenergebnis in Landtage entsandt wurden.

In diesem Sinne wünsche ich euch alles, alles Gute. Danke, dass ich mit dabei sein durfte. Ich werde dem Haus weiterhin die Treue halten. (Allgemeiner Beifall.)

14.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Kollege Kainz! Auch ich darf dir im Namen des gesamten Bundesrates für deine Arbeit, die du hier im Sinne der Bürgerinnen und Bür­ger unseres Landes geleistet hast, danken und dir für deine weitere politische Arbeit im Landtag alles, alles Gute und viel Erfolg wünschen. Herzlichen Dank. (Allgemeiner Bei­fall.)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kemperle zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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14.36.19

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Frau Bundes­ministerin! Geschätzter Bundesrat! Zur Pendlerpauschale ist schon einiges gesagt wor­den, aber nicht alles, sage ich jetzt einmal ganz flapsig. Wir wissen, dass es bei der Pendlerpauschale – Elisabeth, da bin ich mit dir voll einer Meinung – doch noch einiger Maßnahmen bedarf, damit sie tatsächlich beziehungsweise für uns als Sozialdemokra­tie dem entspricht, was wir uns für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vorstellen.

Trotzdem, denke ich, ist mit dieser Pendlerpauschale doch einiges gelungen. Auch wenn Kollege Kainz meint, dass die ÖVP quasi die einzige ArbeitnehmerInnen-Vertre­tung ist (Bundesrat Kainz: Nein, das habe ich nicht gesagt!), möchte ich darauf hin­weisen, dass es doch auch noch eine andere ArbeitnehmerInnen-Vertretung in Öster­reich gibt, die, wie ich glaube, voll in der Sozialpartnerschaft anerkannt ist und auch die volle Legitimation dazu hat, das ist der Österreichische Gewerkschaftsbund mit seinen Gewerkschaften. – Nur ein wenig zur Klarstellung in der Ordnung der Arbeitnehme­rInnen und der Interessenvertretungen dazu. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra-
tes Kainz.)

Sie haben den ÖGB sehr wohlweislich verschwiegen. (Bundesrat Kainz: Nein, habe ich nicht!) Ich will mit Ihnen jetzt nicht streiten, aber wir könnten uns dann das Protokoll zukommen lassen und nachschauen. Ansonsten denke ich, dass das ein Kompromiss war, der für uns nicht einfach zu tragen war. Im Grunde genommen hat sich bei der Pendlerpauschale doch einiges an Klarstellung in manchen Bereichen ergeben. Das sind Bereiche, die in der Zusammenarbeit, in der Auswirkung ihrer Tätigkeit letztendlich Auswirkungen bei der Inanspruchnahme haben.

Das ist zum Beispiel bei der arbeitgebereigenen Nutzung eines Kraftfahrzeuges. Da gibt es eine Klarstellung im Gesetz. Da hat es ja immer wieder Probleme gegeben und Fragen: Ist die Pendlerpauschale letztendlich in Anspruch zu nehmen oder nicht? Oder beim Vorliegen mehrerer Wohnsitze, auch da hat es diesbezüglich immer wieder Pro­bleme gegeben. Das heißt, auch die Handhabung wurde jetzt letztendlich neu im Ge­setz geregelt beziehungsweise klargestellt. Bei der Zumutbarkeit beziehungsweise Un­zumutbarkeit selbst ist auch eine gewisse Klarstellung in der Regelung erfolgt.

Was natürlich auch Auswirkungen hat, ist die tageweise Umrechnung, auch für Teilzeit­beschäftigte. Wir wissen, es ist dies nicht der Weisheit letzter Schluss, allerdings ist bei einer Angleichung oder einer Annäherung daran, dass auch Teilzeitbeschäftigte in den Genuss der Pendlerpauschale kommen, die Umrechnung der Werktage beziehungs­weise der Tage der Nutzung der Pendlerpauschale wichtig. Der Werkverkehr ist eben­falls, obwohl im Moment relativ spärlich in den Betrieben vorhanden, doch einer Rege­lung unterworfen worden.

Was für uns aus ArbeitnehmerInnensicht sehr wesentlich ist, ist die Klarstellung des sogenannten Ausfallsprinzips in der Pendlerpauschale, dass die Pendlerpauschale auch dann gewährt wird, wenn es sogenannte gesetzliche Freistellungstage oder Frei­stellungsbereiche gibt, das heißt, dass Feiertage beziehungsweise Krankenstands- oder Urlaubstage ebenfalls für die Pendlerpauschale angerechnet werden.

Das Jobticket ist natürlich auch ein positiver Schritt. Jene Bereiche, die Auswirkungen auf den ArbeitnehmerInnenbereich haben, werden also positiv bewertet, wiewohl wir uns trotzdem wünschen, dass ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorangetrieben wird. Zum jetzigen Zeitpunkt war diese Erweiterung der Pendlerpauschale allerdings eine Möglichkeit dafür, dass zumindest einiges an zusätzlichen Kosten abgegolten be­ziehungsweise ausgeglichen werden kann.

Noch ein unserer Meinung nach wesentlicher Bereich auch im EStG ist der Pensionis­tenabsetzbetrag. Da hat es zunächst wesentliche Verschlechterungen gegeben, die


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man jetzt aber wieder repariert hat. Dadurch hat es für jene, die vom Finanziellen her sonst nicht gerade zu den Gewinnerinnen und Gewinnern zählen, wirklich Verände­rungen gegeben, sodass diese letztlich wieder finanziell mehr zur Verfügung haben.

Ich glaube, dass dieser Pensionistenabsetzbetrag wirklich ein guter Schritt war, unse­ren Pensionistinnen und Pensionisten eine Anerkennung zuteilwerden zu lassen und ihnen zu signalisieren, dass es auch für sie im Steuersystem nicht nur Negatives gibt, sondern dass auch positive Akzente gesetzt werden.

Wir bedanken uns daher für die Veränderungen gerade in diesem Bereich, bezüglich dessen es im Vorfeld wirklich harte Auseinandersetzungen gegeben hat. Wir als So­zialdemokratische Partei werden diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


14.42.30

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Beispiel meiner geschätzten Vorredner, Frau Kollegin Kemperle und Herrn Kollegen Kainz, sieht man bereits, wie komplex und kompliziert unser System ist. Ich hoffe, die Pendler kennen sich überhaupt noch aus und wissen, worum es da geht. Aber letztlich wird es wahr­scheinlich am Unternehmer hängen bleiben, denn der muss das Ganze berechnen und errechnen. Der Unternehmer oder die Unternehmerin wird sich aber auch nicht aus­kennen, und letztlich wird es beim Steuerberater oder beim Lohnverrechner landen, damit man überhaupt einen Durchblick bekommt, worum es dabei eigentlich geht.

Aus optischen Gründen stimmen wir Freiheitlichen dem Ganzen zu, aber das ist es auch schon. Es sind nur optische Gründe, denn es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, auf dem Belastungsstein der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer beziehungsweise Unternehmerinnen und Unternehmer – und zwar aller zusam­men. (Bundesrat Schennach: Aus „optischen Gründen“!)

Wenn man sich dieses Gesetz anschaut, dann erkennt man, dass es eigentlich um drei Themenfelder geht. Ich habe mir erlaubt, das herauszuarbeiten, damit man bei diesem komplizierten Gesetz zumindest ein bisschen einen Durchblick bekommt.

Erstens ist es wieder einmal ein rückwirkendes Gesetz. Zweitens geht es um die Net­tolöhne in Österreich – dieses Thema haben wir heute Vormittag schon mit dem ge­schätzten Herrn Landeshauptmann Wallner angerissen. Und drittens geht es um die Infrastruktur, wobei ich mir erlaube, in diesem Zusammenhang ein bisschen über den Raum Wien zu sprechen.

Zum ersten Punkt: Es ist ein leidiges Thema, dass immer wieder rückwirkende Geset­ze gemacht werden. Der Gesetzentwurf ist, glaube ich, im Dezember im Ministerrat be­schlossen worden, kommt jetzt nach dem Beschluss im Nationalrat in den Bundesrat, gilt aber ab 1.1.2013. Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass man sich schon im Som­mer 2012 mit der Materie auseinandersetzt, sodass das Gesetz im Dezember be­schlossen werden und dann wirklich korrekt mit 1.1.2013 in Kraft treten kann, sodass sich jeder danach richten kann. Das ist etwas, das diese österreichische Bundesregie­rung offensichtlich immer weniger schafft.

Zum zweiten Punkt, zu den Nettolöhnen – und das ist eigentlich der springende Punkt, warum es zu diesem Gesetz überhaupt gekommen ist: Offensichtlich ist die Erhöhung dieser Pendlerpauschale notwendig – ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen –, damit sich die Arbeitskräfte überhaupt die Fahrt von der Wohnstätte zur Arbeitsstätte leisten


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können. Das gibt einem schon zu denken. Wie schaut es überhaupt mit den Netto­löhnen in Österreich aus? Man sollte nämlich nicht immer die Bruttolöhne verglei­chen, sondern das Nettoeinkommen!

Ohne jetzt ins Detail zu gehen, möchte ich nur sagen: Der durchschnittliche Bruttolohn in Österreich liegt bekanntlich bei 2 000 €. Netto kriegt der Arbeitnehmer nicht einmal 1 400 € heraus, und den Arbeitgeber kostet das 2 600 €. Im Preis-/Lohnvergleich zeigt sich, dass die Schere zwischen dem netto verfügbaren Einkommen und den Preisen, die ja aufgrund der Inflationsrate immer mehr steigen, immer stärker auseinanderklafft. Es ist nicht nur die offiziell ausgewiesene Teuerung, sondern es sind vor allem die Gü­ter des täglichen Bedarfs, die wir alle kaufen müssen, um zu überleben. Deren Preise sind um 5 Prozent gestiegen. Ein von der Arbeiterkammer letzten Sommer publizierter Bericht zeigt interessanterweise, dass im Städtevergleich Wien/München in Wien die Lebensmittelkosten um 20 Prozent höher sind als in München, die Löhne hingegen um ein Viertel geringer. Da wundert es mich nicht, dass wir eine Pendlerpauschale benöti­gen, damit sich der Arbeitnehmer die Fahrten überhaupt leisten kann – und darum geht es ja. (Bundesrat Beer: Warum zahlen die Arbeitgeber nicht mehr?)

Über die kalte Progression habe ich schon einmal gesprochen, das will ich jetzt nicht noch einmal tun, nur so viel: Die Pendlerpauschale wird verteilt – 1 Milliarde €. Die kal­te Progression macht auch 1 Milliarde € aus, die die österreichische Bundesregierung lukriert, weil sie die Bemessungsgrundlagen von 11 000, 25 000 und 60 000 einfach nicht der Inflation anpasst. Das ist ein europäisches Novum, denn das macht jedes Land, nur wir offensichtlich nicht. Wenn nur diese Anpassung vorgenommen würde, hätten die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wesentlich mehr davon als von die­sem extrem komplizierten Pendlerpauschalsystem, bei dem sich eigentlich nur der Steuerberater – und der Steuerberater braucht wahrscheinlich auch einen Steuerbera­ter – auskennt.

Da wir heute Vormittag über dieses Thema gesprochen haben, sei mir ein ganz kurzer Exkurs zum Thema Föderalismus gestattet. Zentralismus ist eine Erfindung des Teu­fels, hast du, glaube ich, ein Buch zitiert. (Bundesrat Kneifel: Ja, von Notker Wolf!) Das ist sicherlich interessant, das werde ich sicherlich lesen.

Um den Föderalismus zu stärken – das wurde, glaube ich, heute schon kurz von mei­ner Kollegin Michalke angesprochen –, braucht man immer einen Steuerwettbewerb. Wenn man keinen Steuerwettbewerb mit dem Föderalismus schafft, dann macht man das ja wieder zum Zentrum, und man hat geeinigte Steuersätze, Steuertarife. Man muss einen Wettbewerb schaffen, wenn man Steuerautonomie schaffen möchte, denn wenn die Steuergelder nur zu den Ländern wandern und damit wieder alles quer über den Kamm geschoren und zentralistisch wird – halt föderalistisch-zentralistisch –, bringt es ja wieder nichts. (Bundesrat Dönmez: Aber der Herr Landeshauptmann ...!)

Beispiele sind die Schweiz, eine kleine Volkswirtschaft, der unmittelbare Nachbar von Vorarlberg, und die USA, eine große Volkswirtschaft. Der Steuerwettbewerb, der Föde­ralismus ist das Geheimnis für eine gesunde Volkswirtschaft und letztlich für ein erhöhtes persönlich verfügbares Einkommen. (Bundesrat Kneifel: Aber immer, ohne die Gesamtsteuerbelastung zu erhöhen! Ohne die Gesamtsteuerbelastung zu erhö­hen!) Richtig, aber die Gesamtsteuerbelastung wird in Österreich von selbst erhöht, ohne dass überhaupt Steuersätze erhöht werden – Beispiel kalte Progression –, und das ist ja das Tragische! Die Steuerbelastung steigt permanent, steigt täglich, und da­her die Pendlerpauschale. Die wird man wahrscheinlich im Dezember 2013 wieder be­schließen müssen, weil die Leute einfach kein Geld haben. Die können sich nichts mehr leisten, und darum geht es ja hier in Österreich.

Das dritte Thema, das die Pendlerpauschale betrifft, ist die öffentliche Infrastruktur im Großraum Wien, vor allem die U-Bahn. Bedingt durch meinen Beruf muss ich manch-


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mal unterwegs sein. Wenn man sich zum Beispiel London anschaut, dann sieht man: Es gibt dort einen exzellenten Bürgermeister, Boris Johnson – ausnahmsweise einmal kein Sozialist, man kann Städte also offensichtlich auch nicht-sozialistisch regieren. In London baut man in neun Jahren 41 Kilometer Untertunnelung, und zwar die Cross Line durch London – in ganzen neun Jahren! In Österreich braucht man 5 Jahre für 5 Kilometer U1-Verlängerung, davon nur 3 Kilometer untertunnelt. Das heißt, man braucht in Wien für einen Tunnelkilometer im Schnitt eineinhalb Jahre, das ist insge­samt sieben Mal so lang wie die Londoner. Ist das eine tolle Leistung? Wo ist da der Staat? Die österreichische Staatsquote ist eine der höchsten in ganz Europa! Na, wo ist denn da die Leistung des Staates? – Offensichtlich weder bei den Pendlern, noch bei der Infrastruktur. Da muss man ansetzen! (Bundesrat Stadler: Wo fährst du jetzt mit der U-Bahn? – In London oder in Wien? Dein Kollege sagt, du fährst nur mit dem Auto!)

Die U-Bahn wird auch durch die Unternehmer finanziert. Es hat geheißen, das sei ein wirtschaftsfreundliches Gesetz. Ich glaube, das hat sogar jemand von der ÖVP gesagt. Was ist denn da wirtschaftsfreundlich, wenn die Besteuerung und die Abgaben um 180 Prozent erhöht worden sind? Wer finanziert denn das?

Da verlangen wir Freiheitliche, dass der U-Bahnbau um genau diese 180 Prozent be­schleunigt wird – und nicht ein Tunnelkilometer in eineinhalb Jahren Bauzeit. Das ist ja lächerlich! Da bräuchte ich für die 41 Kilometer der Cross Line in London 60 Jahre, wenn ich die österreichische Arbeitsleistung dieser Bundesregierung hernehme. – Nein, das wollen wir nicht! (Bundesrat Stadler: Hast du die Umstände auch vergli­chen? Das ist wurscht! Weiterer Ruf bei der SPÖ: ... schlecht gebaut! Bundesrätin Kerschbaum: Zum Glück gräbt bei uns nicht die Bundesregierung die Tunnel!)

Der Vergleich macht einen sicher. Man braucht sich nur andere Länder anzusehen und darf nicht immer durch die Brille der österreichischen Bundesregierung zu schauen.

Zusammenfassend kann man sagen, der Kaufkraftvergleich ist das Wichtigste: Was können sich die Leute leisten? Was bekommen sie um ihr Geld? Was kostet was? – Das wird in Österreich leider immer schlechter, um nochmals eine aktuelle Studie der UBS-Bank zum Kaufkraftvergleich von internationalen Städten, was das Nettoeinkom­men und die Preise betrifft, zu zitieren. Durch die unverschämt hohen Steuern und Abgaben in Österreich, die alle betreffen, sinkt bei uns die Kaufkraft und damit leider auch für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Wohlstand – der Kaufkraftver­gleich ist dafür nämlich der Indikator schlechthin.

Man kann also infolgedessen sagen, dass wir Rahmenbedingungen brauchen, durch die der Wohlstand in Österreich steigt und nicht sinkt. Die Vergütung für die Pendler ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir stimmen dem natürlich zu, aber es ist, wie ge­sagt nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, weil die Ursachen woanders liegen. Was wir brauchen, sind geringe Steuern auf allen Ebenen und den Ausbau der Infrastruktur in Wien, weil das zumindest eine positive Staatsaufgabe ist. (Beifall bei der FPÖ.)

14.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


14.51.25

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war wieder ein interes­santer Vortrag vom Kollegen Pisec. Natürlich ist es die Sache jedes Einzelnen, die Din­ge so darzustellen, wie er sie sieht. Mich würde es jedoch freuen, wenn du dich einmal hier herausstellst und nicht bloß sagst, was für Abgaben du alle senken möchtest, wo


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überall die Steuern gesenkt werden sollen, sondern wenn du einmal sagen würdest, wer das dann zahlen soll.

Wenn du immer davon redest, dass die Steuern runtergehören, dann bin ich voll bei dir. (Bundesrat Ertl: Mach du einen Vorschlag! Bundesrätin Mühlwerth: Er hat ein­mal einen Vergleich gebracht! Entweder habt ihr nicht zugehört, oder ihr habt es nicht verstanden!) Ich sage ja gar nicht, dass die Steuern überall runtergehören. Im Gegen­teil, ich finde, für Menschen, die sehr viel Geld verdienen, ist 50 Prozent Steuern zu zahlen keine Schande. Das ist nichts Schlechtes. Über diese Menschen lasse ich das System gerne finanzieren. (Bundesrat Mag. Pisec: 36,5 Prozent?!) – Herr Kollege, nicht gerne lasse ich das System jedoch so finanzieren, dass man sagt, faire Steuern, also bei den Hochverdienenden die Steuern ein bisschen hinunter, aber vielleicht bei anderen Menschen ein bisschen hinauf, zum Beispiel für jemanden, der in der Ordi­nation eines Arztes beschäftigt ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er ja gerade ge­sagt!)

Eine Ordinationsgehilfin hat aktuell einen Kollektivvertragslohn von 1 099 € und zahlt keine Steuern. Kollege Pisec, möchtest du, dass die Steuern zahlt? Willst du der noch was „obareißen“? Die Frage ist doch: Ist das System gerecht oder nicht? Ja, es gibt Mängel. Eine hundertprozentige Steuergerechtigkeit gibt es nicht, das ist richtig. Ist das neue Pendlersystem, das wir jetzt beschließen, ist diese Veränderung der Weisheit letzter Schluss? – Das wird sicher nicht so sein, und wir werden in wenigen Monaten oder Jahren klarerweise wieder Veränderungen vornehmen müssen.

Ist es fair, dass man jenen Damen und Herren, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fah­ren, eine andere Pauschale gibt als jenen, die mit dem Privat-PKW fahren? (Bundesrä­tin Mühlwerth: Nein!) – Du sagst nein, Frau Kollegin! Okay, das ist deine Anschauung. Sie ist vielleicht richtig, ja.

Da ich mich beruflich verändert habe, bin ich selbst sieben Monate lang mit öffentlichen Verkehrsmitteln von mir daheim nach Graz gefahren. Ich habe ein Halbjahresticket gelöst und hätte mir um dieses Geld nicht einmal das Benzin kaufen können, wenn ich mit dem Privat-PKW gefahren wäre. Also ich bin damit wirklich gut gefahren, und ich bin auch gerne öffentlich gefahren. Es schadet nicht, wenn man unter die Leute geht, und ich habe mir auch etwas gespart.

Tatsache ist, dass viele Menschen diese Möglichkeit nicht haben, mit einem öffentli­chen Verkehrsmittel zu fahren. Es gibt nicht überall U-Bahn, S-Bahn oder was auch immer. Als einfaches Beispiel: Ich bin jetzt seit ein paar Tagen beruflich in Hartberg tätig und wollte, da ich auch nach Graz öffentlich gependelt bin, mit dem Bus von mir daheim nach Hartberg fahren. Wenn man die Verbindung im Internet sucht, nämlich von Ilz, wo ich wohne, ins 30 km entfernte Hartberg, dann sieht man, dass das im günstigsten Fall 1 Stunde 7 Minuten dauert. Je nachdem, wie dann der Anschluss ist, kann das bis zu 2 Stunden 13 Minuten dauern – für 30 km! Ich bin nicht der große Ath­let, aber da wäre ich mit dem Rad schneller dort.

Bei der Rückfahrt schaut es anders aus, da geht es schneller. Da beträgt die schnellste Verbindung 1 Stunde für 30 km. Wenn man aber diesen Bus nicht erwischt, weil man ja manchmal länger bleiben muss, dann braucht man mit der langsameren Verbindung 2 Stunden 33 Minuten. Frau Kollegin, ich glaube, wir sind uns wohl einig, dass man es den Menschen nicht zumuten kann, für 30 km zweieinhalb Stunden unterwegs zu sein, und das vielleicht noch nach einem Achtstundentag. Da ist man einen ganzen Tag auf Achse.

Wenn man auf den Privat-Pkw angewiesen ist – und das ist leider vielerorts so –, dann braucht man eben eine bessere Unterstützung, auch wenn wir das nicht gerne haben. Ich würde auch gerne mit dem Bus fahren, aber das ist halt problematisch.


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Kollege Pisec, das mit der U-Bahn in London, das taugt mir. Ich weiß nicht, fährst du auch in Wien öfter U-Bahn? Also ich fahre zum Beispiel in Wien gerne mit der U-Bahn. (Bundesrat Mag. Pisec: ... da muss ich aussteigen ...!) In Wien gibt es eine gut funktio­nierende U-Bahn. Es ist halt einmal so. Wenn etwas funktioniert, soll man es weg­sprengen und etwas Neues bauen? Die U-Bahn funktioniert, sie geht schnell, es gibt tolle Verbindungen in Wien. Ich bin kein Wiener. Ich singe kein Loblied auf die Wiener Stadtregierung, aber wenn wir eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur haben, wozu sollen wir dann bauen? Wenn man dort, wo neue Ortsteile entstehen, zusätzlich Ver­bindungen baut, dann soll man sie bauen, aber wir brauchen ja nicht eine komplette Linie unten durchzuziehen, wenn es funktioniert.

Fahrt doch öfter mit der U-Bahn! Ich weiß nicht, wie oft ihr fahrt, aber ich finde, es funk­tioniert gut, und ich kenne mich sogar als Steirer im Wiener U-Bahnnetz aus, und es geht hervorragend. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schennach: Du kannst ruhig eine Lobeshymne anstimmen, du musst dich nicht zurückhalten!) – Vielleicht werde ich ja Wiener Ehrenbürger.

Weil Sie gesagt haben, wir führen das erst jetzt ein, das muss man dann rückwirkend nachrechnen, und das sei so kompliziert: Aufrollungen bei Lohnabrechnungen sollte doch jeder Lohnverrechner machen können. Also das ist zwar vielleicht kompliziert, aber die Menschen, die das rückwirkend bekommen, werden sich darüber freuen. Für mich ist es kein Problem, dass das jetzt rückwirkend per 1. Jänner beschlossen wird. Das ist überhaupt kein Problem und unkompliziert.

Herr Kollege Pisec, du hast auch gesagt, das sei vom Steuersystem her so kompliziert. Da ist doch einmal ein Finanzminister angetreten, der gesagt hat, er mache das Steu­ersystem so einfach, dass man es auf einem Bierdeckel ausrechnen kann. (Bundesrä­tin Mühlwerth: ... in der Bundesrepublik Deutschland!) – Das war ein österreichischer Finanzminister, und seinerzeit, glaube ich, war er sogar noch ein Blauer. Grasser heißt er. Der hat gesagt, er macht das Steuersystem so einfach, dass man es auf einem Bierdeckel ausrechnen kann. (Bundesrat Schennach: Aber wenn man so viel Geld in einem Plastiksackerl hat!) Das Problem ist, sie haben noch nie einen Bierdeckel er­funden, der groß genug war. Das ist das Problem daran.

Ja, sicher kann alles einfacher werden, darüber brauchen wir nicht zu reden, aber ich glaube, es ist trotzdem ein guter Schritt, den wir jetzt gemeinsam gegangen sind. Dass es „Urheberrechtsdebatten“ darüber gibt, wer das erfunden hat, das kann vorkommen. Der ÖAAB reklamiert das für sich, okay, das steht einem jeden zu. Tatsache ist – darauf hat mich mein Kollege aus dem Burgenland hingewiesen –, Landeshauptmann Niessl hat das schon lange eingefordert, da das Burgenland ja sozusagen eine „Pend­lernation“ ist.

Tatsache ist, wir haben das jetzt, und das ist gut so. Es freut mich, wenn das breite Zu­stimmung findet, aus welchen Gründen auch immer. Ob man – ich weiß nicht mehr genau, wie die Formulierung war – aus „optischen Gründen“ zustimmt, wie die FPÖ das macht, oder ob man das wie wir entschieden befürwortet, damit es den Pendlern gut geht, das ist wurscht, Hauptsache, wir haben eine Mehrheit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es freut mich im Interesse der Pendlerinnen und Pendler. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Es liegen hiezu jetzt keine weiteren Wortmel­dungen mehr vor. Die Frau Finanzministerin ist sichtlich immer noch im Finanzaus­schuss tätig.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuchen jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.59.277. Punkt

EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen (III-487-BR/2013 d.B. sowie 8908/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


14.59.37

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat!

Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über die EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2013 den Antrag, die EU-Jahresvorschau 2013 des Bundesministeriums für Finanzen zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Edgar Mayer (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Kollege Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.00.30

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister – noch immer in Vertretung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Diese Jahresvorschau strotzt vor Gemeinplätzen und allgemeinen Formulierungen, und man findet eigentlich kaum oder gar nichts Konkretes drinnen. Und es entsteht schon der Eindruck, dass Planung und Realität bei diesem Bericht und bei den Inhalten dieses Berichtes weit auseinan­derklaffen.

Großer Raum wird beispielsweise dem Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug einge­räumt. Ich sage, no na, wenn man einen Betrug nicht bekämpfen würde, wo käme man da hin? Das versteht sich eigentlich von selber. Aber in Wirklichkeit haben wir es im­mer mehr mit Scheinfirmen am Markt zu tun, die diesen Mehrwertsteuerbetrug bege­hen und die auch Lohndumping machen. Gerade euer sozialdemokratischer National­rat und steirische Baugewerkschafter Beppo Muchitsch ist einer, der zu Recht immer wieder vor dieser Situation warnt, und es wird in Wirklichkeit nicht besser, sondern schlechter. Und wer ist schuld an dieser Entwicklung? – Genau diese EU, die das jetzt bekämpfen will, weil die Märkte und die Grenzen für, sage ich jetzt einmal, unter­schiedliche Volkswirtschaften einfach zu früh geöffnet worden sind.

Zur Finanztransaktionssteuer, von der da noch die Rede ist, 1.1.2014: Es hat sich der deutsche Finanzminister Schäuble bereits davon verabschiedet, die 2 Milliarden, die im Budget vorgesehen waren, weiter im Budget zu lassen, weil erkannt wurde, dass es


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unrealistisch ist, dass diese Finanztransaktionssteuer, die zwar als Vorhaben vorhan­den ist, aber im Detail bei Weitem noch nicht ausverhandelt ist, vor 2016/17 überhaupt kommen wird.

Es ist die Rede von der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise mit Placebos und Schulterklopfen, auf die eigene nämlich. Es wird von einer deutlichen Beruhigung ge­sprochen, allerdings habe ich manchmal den Eindruck oder die Befürchtung, dass es sich nicht um eine Beruhigung, sondern nur um die Ruhe vor dem Sturm handelt; denn auch da sieht die Realität ganz anders aus. Man braucht nicht nur auf Zypern bei­spielsweise zu schauen, aber auch Slowenien. (Bundesrat Kneifel: Kärnten!) Das neue Beitrittsland Kroatien hat größte Probleme, und es besteht die Gefahr, dass auch dieses Land kaum in der EU drinnen ist und schon Hilfe in Anspruch nehmen muss. Von Regierungskrisen in Italien will ich hier gar nicht sprechen, auch die Situation in Frankreich beispielsweise ist alles andere als berauschend.

Und was fällt dem Bundesministerium für Finanzen bei seiner Position dazu ein? – Im Grunde befürwortet es alles und sagt vielleicht warnend, den Zeigefinger erhebend: Ja, die Budgetkonsolidierung ist wichtig. Und so geht das auch bei den anderen Punkten munter weiter, der Tenor der Stellungnahme des Finanzministeriums ist, grundsätzlich passt das schon so. Und es wird in diesem ganzen Bericht kein Wort über die Ar­beitslosigkeit in der EU, aber auch in Österreich verloren, denn auch wir haben im Monat Februar eine Steigerung der Arbeitslosigkeit um 5,3 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Wir haben um 9,9 Prozent weniger offene Stellen und um 10,2 Prozent mehr Menschen in Schulungen. Frankreich hat die höchste Arbeitslosenquote mit über 10 Prozent innerhalb der letzten zehn Jahre.

Kein Wort wird verloren über die Gefahren, die daraus entstehen können, nämlich auch für diese vielgepriesene Budgetkonsolidierung. Wenn zurückgehende Einnahmen aus Lohnsteuern erhöhten Ausgaben für Arbeitslosigkeit gegenüberstehen, so wird das den Finanzen der einzelnen Staaten nicht guttun. Von der Problematik der Jugendarbeitslo­sigkeit will ich gar nicht reden.

Man könnte natürlich über einzelne Punkte sehr lange diskutieren, aber dieser Bericht ist so oberflächlich, dass er das gar nicht wert ist. Und es fehlen, was ich besonders kritisiere, jegliche kritische Ansätze und Hinterfragungen in diesem Bericht. Vom EU-Budget beziehungsweise Finanzrahmen will ich gar nicht reden, wir wissen ja seit ges­tern, dass der nachverhandelt werden muss, weil er vom Europäischen Parlament ab­gelehnt wurde.

Bevor jetzt Herr Kollege Schennach dann in seiner Wortmeldung wieder sagt, dass man einen solchen Bericht ja eigentlich gar nicht ablehnen kann, muss ich schon be­tonen, wir lehnen nicht die Vorlage, die Tatsache, dass es diesen Bericht gibt, ab, son­dern, und das ist das gute Recht, man kann in einem Bericht Inhalte ablehnen, man kann formale Punkte ablehnen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es gibt genügend Gründe, einen Bericht abzulehnen.

Mein Demokratieverständnis, Herr Kollege, ist es, dass grundsätzlich jede Materie, die mir zur Beschlussfassung vorgelegt wird, positiv oder negativ beurteilt werden kann. Wir werden diese negativ beurteilen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schennach: Das Blöde ist nur, dass man keinen Beschluss fasst, aber ist ja wurscht!)

15.07


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Mag. Himmer. Ich stelle fest, dass er momentan nicht anwesend ist. Dann darf ich Frau Kollegin Kersch­baum um ihren Redebeitrag bitten. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Zweimal? Zweimal contra?)

 



BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 100

15.07.28

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich bin aufgerufen, ich rede jetzt, der Stefan dann danach. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz noch einmal darauf eingehen, was Sie mir zuerst zu Ungarn gesagt haben, Frau Ministerin, denn eigentlich ist es für mich schwer enttäuschend.

Sie sagen auf der einen Seite, Sie müssen sich darauf verlassen, dass die europäi­schen Länder alle einen Rechtsstatus haben, der es erlaubt, dass wir gegenseitig Do­kumente und Entscheidungen anerkennen. Wenn man auf der anderen Seite davon redet, wie Ungarn derzeit mit Verfassungsrecht umgeht und wie Ungarn derzeit mit Menschenrechten umgeht, hat sich meiner Meinung nach Ungarn sehr wohl von dem entfernt, was wir unter einem europäischen Level an Recht verstehen. Und ich würde mir gerade auch, wenn es jetzt nicht verpflichtend auf irgendeiner Tagesordnung steht, vom Justizministerrat erwarten, dass man sich da zu Wort meldet.

Ich denke mir, das könnten Sie vielleicht irgendwie auch einbringen. Sie vertreten uns dort, darum stehen Sie auf und machen Sie es einfach! Man muss ja nicht unbedingt darauf warten, dass es irgendwer auf die Tagesordnung setzt. Das machen wir auch nicht immer. Ich denke mir, es ist wirklich eine dringliche Angelegenheit, denn in die­sem Fall geht es wirklich um ganz Europa und darum, wie Recht in Europa gelebt wird. Und wie das in Ungarn derzeit gelebt wird, nach dieser Verfassungsänderung, finde
ich wirklich, wirklich unzumutbar für eine Europäische Union. (Beifall des Bundesra-
tes Dönmez.)

Aber jetzt noch zum Bericht des Bundesministeriums für Finanzen, wo Sie die Frau Mi­nisterin hier vertreten. Es kommt bei uns sehr selten vor, dass wir einen derartigen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen, aber in diesem Fall machen wir das doch. Viel­leicht kann das auch Herr Kollege Schennach nachvollziehen, denn es ist einfach so, dass der Bericht unvollkommen ist, also sehr unvollständig.

Wenn bei den wichtigsten Fragen in diesem Bericht die Frau Ministerin oder das Bun­desministerium keinen Standpunkt hat, dann tut es mir leid. Ich brauche keine Über­setzung von irgendwelchen Programmen, dafür brauche ich kein Ministerium, denn die Programme liegen ja auf und die bekommen wir auch im EU-Ausschuss, et cetera. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die bekommt man ja von der Europäischen Union, da brauche ich keine Ministerin, dass man das abschreibt. Wofür ich eine Ministerin oder ein Ministerium brauche, ist, dass sie dazuschreibt, was der Stand der Dinge und was der Standpunkt ist, den sie in diesem Fall vertritt.

Und das ist insbesondere in diesem Bericht so gut wie nicht zu finden  und insbesonde­re bei den Dingen, die im letzten Jahr intensivst diskutiert worden sind. Hier und auch auf europäischer Ebene reden wir von der Finanztransaktionssteuer, dazu steht so gut wie nichts drinnen. Wir reden von der Zinsrichtlinie, von der Bankenaufsicht, von der Ban­kenabwicklung, von der Energiebesteuerung, und dazu gibt es offensichtlich keinen Stand­punkt des Bundesministeriums. Einen Bericht ohne Standpunkt, tut mir leid, den kön­nen wir so nicht zur Kenntnis nehmen.  Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

15.10


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Kollege Schennach. – Bitte.

 


15.11.04

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Zu den Ausführungen der Kollegin Kerschbaum: Ich kann diese, was den zweiten Teil betrifft, sogar nachvollziehen. Es könnte durchaus erläuterndere Aus­führungen des betreffenden Ministeriums geben.


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Wir können derzeit alle froh sein, dass es so wie einst Präsident Pöttering jetzt einen Präsidenten des EU-Parlaments gibt, der Martin Schulz heißt. Diese beiden Herr­schaften sind nämlich durch und durch Demokraten, Parlamentarier, die gerade jetzt, wo wir in eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gehen, ganz massiv auf den Anteil des Parlaments pochen und darauf Wert legen, dass die parlamentarische Ebene neben Kommission, neben ECOFIN-Rat und so weiter nicht übersehen wird und dass nicht die Parlamente, wie es sich in der Krise eingerichtet hat, ununterbrochen die demokratischen Beschlüsse nachliefern müssen. Das spürt man und das ist wichtig.

Ich durfte diese Woche unseren Präsidenten bei einer Tagung in Kopenhagen vertre­ten, wo es im Rahmen der COSAC, der Vereinigung der Europaausschüsse der natio­nalen Parlamente, genau darum ging, wie wir künftig genau das alles nachvollziehen, das hier in diesem Bericht auch angesprochen wird, nämlich eine echte Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Das ist das Gebot der Stunde, und es sind schon längst die Weichen gestellt und der Zug dampft. Er hat auch klare Ziele, nämlich die Durchsetzung der Stabilitätsmechanismen und gleichzeitig aber die Bekämpfung des­sen, was wir in Europa vorrangig zu bekämpfen haben, nämlich die Jugendarbeitslo­sigkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Europa taucht durch alle Krisen, Europa ist stark, der Euro ist stark, aber wenn die Jugend nicht mehr an dieses Europa glaubt, wenn die Jugend desillusioniert wird, wenn die Jugend in die Sackgasse geht, sich politisch nicht mehr für dieses Europa in­teressiert, nicht mehr für die Politik interessiert  und das ist leider der Fall, wir beob­achten es schon , dann kann dieses Europa nicht gelingen. Die einzige Gefahr und Frage für Europa ist folgende: Schaffen wir für die Jugend diese Garantie, dass sie wiederum glauben können? Und deshalb ist diese Beschäftigungsgarantie nach vier Monaten etwas ganz immanent Wichtiges. Und wenn es uns noch gelingt, Frau Präsi­dentin Zwazl, und derzeit sind die Anzeichen gut, das duale Ausbildungssystem in die EU zu exportieren, wo wir Beschäftigung und Ausbildung bieten können  und es gibt derzeit auch schon von österreichischer Seite Ansätze, so etwas in Griechenland und in Spanien zu machen –, dann gewinnen wir.

Ich musste im Dezember eine Konferenz in Griechenland eröffnen und habe dort den Rektor der Universität gefragt: Herr Rektor, sagen Sie einmal ganz ehrlich, wie viele Studenten beziehungsweise Absolventen Ihrer Universität haben in den letzten drei Jahren einen Job bekommen? Das ist eine wunderbare Universität, die Aristoteles Uni­versität, eine Vorzeigeuniversität in Europa. Er hat gefragt, ob er offen sprechen darf, und gesagt: kein Einziger!

Das sind dann Fragen, die wir aus Tunesien kennen, wo die Akademikerrate fast höher ist als in Österreich. Wenn eine hochausgebildete Jugend in eine Situation kommt, in der die Ausbildung kein Jobkriterium und kein Beschäftigungskriterium mehr ist, dann kann die Demokratie nicht gelingen, die wir haben.

Zur Reform der Finanzmarktregelungen, Eigenkapital: Dass wir in der Bankenunion künftig auch parlamentarisch etwas zu reden haben und dabei sind, das sind ja alles wichtige Sachen. Ich verstehe  na ja gut, warum soll ich die FPÖ verstehen? (Heiter­keit bei der SPÖ.) Das ist ja irgendwie  (Bundesrat Krusche: Das wird dir nie gelin­gen!) Einlagensicherheit, einheitlich auftreten, dann kommen wir zur Finanztransak­tionssteuer, die ist auch irgendwie von allen so belächelt worden.  Hallo, was ist denn passiert?

Zu den Elfen  zu den elf Ländern, nicht den Nixen, sondern den elf Ländern , wo der österreichische Bundeskanzler der Motor war und wo die Regierung das gemeinsam überall verfolgt hat, sagen jetzt weitere Länder: Wir wollen dazu, lasst uns das jetzt noch einmal anschauen! Das war der ECOFIN-Rat im Jänner. Dann könnte die Trans-


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aktionssteuer nicht nur aus elf, sondern vielleicht aus 15 oder 16 Staaten bestehen, und das ist etwas ganz Wichtiges.

Der Kampf gegen die Steuerumgehung und die Steueroasen ist ein wirklich bitteres Thema. Sie befinden sich innerhalb des EU-Gebietes, wir reden nicht von irgendwo, von der Karibik, sondern wir reden über diese innerhalb des EU-Gebietes.

Der mehrjährige Finanzrahmen: Kollege Krusche, Sie haben gesagt, im Zentrum steht der Mehrwertsteuerbetrug. Ich habe noch während Ihrer Rede die Jahresvorschau durchgesehen, das sind schüttere vier Zeilen. Das Hauptthema ist das dritte Mal das Europäische Semester. Das Europäische Semester ist eine unglaubliche epochale Er­rungenschaft, in dem die Wirtschaftspolitik, die Konsolidierung der Budgets und die Haushaltsdisziplin konsolidiert werden  und das steht im Zentrum, nicht die vier klei­nen Sätze zur Mehrwertsteuer.

Es beginnt, indem ein Jahreswachstumsbericht gemacht wird, eine Analyse der wirt­schaftlichen Situation innerhalb der gesamten EU und in den einzelnen Mitgliedstaa­ten. Das heißt Vertiefung. Man kann sagen, nein, wollen wir nicht, aber Europa ist ein Wirtschafts- und Währungsraum.

Es ist übrigens interessant, lieber Edgar Mayer, dass zum Beispiel jetzt einzelne Staa­ten anfangen, zum Europäischen Semester ein nationales Semester dazuzugeben. Zum Beispiel macht Dänemark jetzt im März ein nationales Semester und setzt ein Mo­nat lang in Dänemark die Politik genau in das Zeichen dieses Europäischen Semes­ters.

Dann kommt es in diesem Europäischen Semester im März zu einer Einigung über die Maßnahmen, im April mit den einzelnen Mitgliedstaaten, wo dann Stabilitäts- und Kon­vergenzprogramme vorgelegt werden. Dann kommt es zu einem Beschluss im ECO­FIN-Rat, im EU-Rat, und dann kommt es zu den länderspezifischen Empfehlungen. Im Herbst  und das sind eben wirklich Weichenstellungen, das steht da im Zentrum und nicht die Mehrwertsteuer  kommt es dann dazu, dass die nationalen Parlamente ge­mäß diesen Empfehlungen bei ihren Budgethaushalten entsprechende Weichenstel­lungen und Berücksichtigungen machen.

Das ist es, und dazu kommen noch zwei Dinge – das haben Sie vielleicht auch nicht gelesen –, das sind die Two-Pack-Programme und die Six-Pack-Programme. Das sind Instrumente der Krisenbewältigung, die nicht nur bei den Two-Packs über die einzel­nen Haushaltskürzungen und Budgetkürzungen gehen. Im Bereich des Six-Pack geht es genau um das, worüber wir am Anfang gesprochen haben: neben die Stabilitäts- auch Wachstumsprogramme zu setzen. Das ist wichtig auch für die Arbeitsplätze und die Ankurbelung der Wirtschaft.

Das ist es, und es ist wichtig, dass es diesen Rahmen gibt. Zum zweiten Teil von Kol­legin Kerschbaum: Es wären ein paar Ausführungen mehr seitens des Ministeriums vielleicht für alle ein bisschen hilfreicher gewesen. Insgesamt geht die EU hier aber den richtigen Weg, und dieser kommt in dieser Jahresvorschau auch sehr eindrucks­voll zur Geltung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.20


Präsident Edgar Mayer: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich Frau Bundesministerin für Finanzen Dr. Fekter. – Herzlich willkommen! (Allgemei­ner Beifall.)

Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


15.21.18

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also ich bin jetzt


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schon ein bisschen schockiert über die zwei Contra-Redner. Was in dieser Jahresvor­schau steht, hören wir ja heute nicht zum ersten Mal. Wir haben das ja teilweise schon mitbeschlossen, und wir diskutieren diese Themen permanent (Zwischenruf bei der FPÖ), aber ich fasse das gerne noch einmal zusammen.

Es ist für mich eigentlich logisch, dass im Zentrum des europäischen Arbeitsprogram­mes nach wie vor die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem durch die Schaffung von nachhaltigem Wirtschaftswachstum steht. Es ist in den letzten Jahren viel geschehen, was die Bewältigung der Banken- und Schuldenkrise betrifft. Einerseits gab es eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen mit Auflagen für die in Not gera­tenen Länder, aber andererseits auch die Krisenvorsorge. Wir haben ja den ESM vori­ges Jahr mitbeschlossen.

Die wachstumsorientierte Defizitreduzierung ist eine Herausforderung für alle Mitglied­staaten, das heißt: die Konsolidierung der Budgets, aber auch die Stärkung der Real­wirtschaft. Kollege Schennach hat das Europäische Semester schon angesprochen, in dem nicht nur der nationale Haushalt rechtzeitig überprüft wird, sondern in dem auch die Übereinstimmung mit den Zielen und Maßnahmen der EU-2020-Strategie aufge­zeigt wird.

Er hat auch die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion durch die wirt­schaftspolitische Koordination – Stichwort Fiskalpakt – angeschnitten. Wichtig sind auch noch die effiziente Bankenaufsicht und die neuen Eigenkapitalvorschriften, die auch in dieser Jahresvorschau thematisiert werden. Großbanken werden ab 2014 von der EZB kontrolliert, und die kleinen Banken bleiben bei der nationalen Aufsicht.

Ganz wesentlich, wofür sich auch unsere Abgeordneten Mag. Karas und Dr. Rübig im Europaparlament dankenswerterweise sehr eingesetzt haben, war die Risikogewich­tung für die KMU-Kredite, dass diese unserer kleinstrukturierten Wirtschaft angepasst wird.

Mir ist besonders wichtig, dass diese Bankenvorschriften auch für alternative Finanzie­rungsformen gelten, denn auch hier müssen die Regeln der Einlagensicherung einge­halten werden. Ich habe absolut nichts gegen Crowdfunding, aber es müssen die glei­chen Vorschriften gelten. Ich warne da vor übertriebener Sozialromantik, denn bei ei­nem Schuster aus dem Waldviertel mit einem sympathischen Produkt ist dies genauso ein Finanzgeschäft (Zwischenruf des Bundesrates Schennach – Heiterkeit bei Bun­desräten der SPÖ) wie bei einem Wettbüro am Gürtel, wo das dann vielleicht nicht mehr so sympathisch rüberkommt. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Und genau so muss man diese Finanzgeschäfte auch betrachten.

Spannend wird sicherlich der in diesem Jahr noch zu beschließende Rahmen für die Sanierung und Abwicklung der Banken; das, glaube ich, ist eine sehr große Heraus­forderung. Kollege Schennach hat auch die Finanztransaktionssteuer auf kurzfristige Spekulationen angesprochen: Auch da weiß man noch nicht, wie sich das entwickelt, ob das ein Schaden für den Wirtschaftsstandort wird, aber das wird die Frau Bundes­ministerin sicherlich ganz genau überwachen.

Fakt ist, die Finanztransaktionssteuer ist eine Vermögensteuer und wir brauchen keine weitere mehr, denn diese kann unser Wirtschaftsstandort sicherlich nicht mehr ver­kraften. Es ziehen sich jetzt schon aufgrund der Diskussion Investoren zurück (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach), und auch unsere bestehenden Betriebe ha­ben tolle Angebote im Ausland, nicht nur die großen. Ich wünsche uns nicht, dass un­sere produktiven Betriebe abwandern und uns die Arbeitslosen bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.25



BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 104

Präsident Edgar Mayer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Bundesrates Lindinger, der eine Tafel zunächst Bundesministern Dr. Fekter zeigt, bevor er sie vor sich auf das Red­nerpult stellt –: Bitte in alle Richtungen! – Bundesrat Lindinger dreht die Tafel, auf der ein Säulendiagramm zu sehen ist, daraufhin in alle Richtungen.)

 


15.25.43

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Es freut mich, dass Sie jetzt zur Debatte über die EU-Jahresvorschau ge­kommen sind, denn Sie sehen und hören ja, wie sich die Vorrednerinnen und Vorred­ner schon damit beschäftigt haben, pro und contra. Diejenigen, die sich dagegen ausgesprochen haben, verstehe ich nicht, sie dürften sich nicht mit den Inhalten und mit der Bedeutung der Inhalte beschäftigt haben. (Bundesrat Krusche:  Inhalte!)

Die EU-Jahresvorschau ist ja eine Vorschau, und wir sehen, was die EU in den nächs­ten 18 Monaten unter den Präsidentschaften Irlands, Litauens und Griechenlands vor­hat. Da geht es um das Krisenmanagement, die Bewältigung der Banken- und Schul­denkrise, um die Frage, wie man die Banken und damit auch die Staatshaushalte sta­bilisiert.

Wir haben ja gesehen, dass sieben EU-Staaten in die Krise gekommen sind. In dieser Grafik, auf die ich noch eingehen werde, sieht man, warum es wichtig ist, dass man die Krise in den Staaten bewältigt, denn ursächlichen Zusammenhang haben die Krisen immer mit Arbeitslosigkeit, insbesondere mit der Jugendarbeitslosigkeit.

In den nächsten Tagen stellen wir vielleicht auch noch Zypern Finanzhilfen bereit. Der zyprische Nationalbankpräsident hat ja schon gesagt, wenn es nicht in den nächsten Tagen geschehe, dann sei auch Zypern zahlungsunfähig. – Da muss halt in den nächs­ten Tagen gehandelt werden.

Aber wir kommen da nur raus, indem wir gemeinsam zum Europäischen Stabilitätsme­chanismus stehen – die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, Defizite abzubauen und die Verschuldungsquoten zu senken –, Maßnahmen für Wachstum und Beschäfti­gung setzen, insbesondere gegen die Jugendarbeitslosigkeit.

Wenn man Europa durchleuchtet, dann sieht man, dass 25 Millionen Menschen ohne Beschäftigung sind. Der Durchschnitt liegt zwischen 5 und 25 Prozent. Die Jugendar­beitslosigkeit ist in den letzten Monaten bis 50 Prozent gestiegen, und – das sieht man hier in der Grafik – in Ländern, die in den letzten Wochen und Monaten in die Krise ge­raten sind, ist die Jugendarbeitslosigkeit vehement gestiegen.

Wenn man sieht, dass vor der Krise die Jugendarbeitslosigkeit auf Zypern 7,9 Prozent betragen hat und jetzt, im Jahr 2012, 25,3 Prozent beträgt; wenn man sieht, dass es in Irland – und Irland ist für uns nie ein Krisenland gewesen – vor der Finanzkrise, vor der Bankenkrise 10,8 Prozent Jugendarbeitslosigkeit gab und sie jetzt bei 30 Prozent liegt, dann steht das in einem Zusammenhang mit der Finanzkrise. Wenn wir die Finanzkrise und die Bankenkrise bewältigen, dann gibt es wieder Arbeit und Beschäftigung, und das steht damit auch in einem Zusammenhang mit der Jahresvorschau.

Wenn zum Beispiel in Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit vor der Krise sehr hoch war – über 22 Prozent –, jetzt aber bei 60 Prozent liegt, und die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien auch um die 22 Prozent beträgt, auch zu hoch, sie aber um mehr als das Doppelte gestiegen ist, dann läuten schon die Alarmglocken.

Wir wissen, was Jugendliche tun, wenn sie den Glauben verlieren und keine Arbeit ha­ben und dann auch auf die Straße gehen, dann endet das – wir kennen das aus vielen Ländern in Europa – in Rechtsradikalismus, in Vandalismus und in Ausschreitungen. Das wollen wir nicht. Wir wollen der Jugend nicht die Visionen an ein Europa, an ein


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geeintes Europa und an ein gemeinsames Europa, nehmen. Darum ist es wichtig, dass wir sehr viel gegen die Jugendarbeitslosigkeit, für einen Beschäftigungspakt tun – und da gibt es die Absicht in Europa, etwas zu tun.

Bei der letzten Tagung der Obmänner der Finanzausschüsse in Dublin haben wir am Abend mit Kollegen ein Gespräch geführt, sie haben gefragt: Wie schafft ihr es, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich – und man sieht das hier ganz deutlich (der Redner hält die zuvor vor sich auf das Rednerpult gestellte Tafel in die Höhe) – gegen­über den anderen Staaten so gering ist?

Die Antwort ist: In Österreich ist die Ausbildung von jungen Menschen, das duale Aus­bildungssystem ein toller Erfolg der Nachkriegsgeschichte, ein toller Erfolg der Sozial­partner, sodass wir – auch wenn es laufend Veränderungsbedarf in diesem Ausbil­dungsbereich gibt – in Europa als Vorbildland betreffend Ausbildung und Beschäfti­gung gelten. Auch wenn die Krise in Österreich oft diskutiert wird, glaube ich, dass wir mehr Geld für die Armutsbekämpfung brauchen, wenn wir die Jugendarbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen, denn die Armutsbekämpfung ist der nächste Schritt, wenn wir die Jugendarbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen.

Wesentliche Mittel für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bekommen wir mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer, eine Initiative – und Kollege Schennach hat das schon erwähnt – unseres Bundeskanzlers Werner Faymann, der europaweit von Land zu Land gefahren ist und dafür geworben hat. Seit es in Frankreich Verän­derungen in der Präsidentschaft gegeben hat, haben sich auch die Ansichten zur Fi­nanztransaktionssteuer geändert. (Ruf bei der ÖVP: Die Arbeitslosigkeit ist gestie­gen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Elf Mitgliedstaaten treten schon dafür ein, haben den Antrag auf Einführung der Fi­nanztransaktionssteuer gestellt. Es nähert sich eine Nation, ein Mitgliedstaat nach dem anderen und sagt: Schauen wir uns die Rahmenbedingungen an! Es wäre ja ganz gut, wenn wir zusätzliche Mittel für Beschäftigungspakete und andere Maßnahmen, die ganz wichtig sind, bekämen, um die Armut in gewissen Ländern zu verhindern.

Ein weiterer wesentlicher Teil, wo wir viel Geld auf der Strecke lassen, ist die Steuer­hinterziehung. Das ist geschätzt zirka eine Milliarde – oder tausend Milliarden; ich glaube, tausend Milliarden. (Bundesministerin Dr. Fekter:  1 Billion!) – Mit Steuerhin­terziehung und Betrug in Europa und Betrug in den Mitgliedsländern! Mit einem Ab­kommen mit der Schweiz ist es gelungen, Steuerhinterziehung ein wenig hintanzu­halten, und es erklären sich schon sehr viele Drittstaaten bereit, auch hier Maßnahmen zu setzen.

Wichtig ist aber eine europaweite Initiative, denn Beschäftigung soll im Vordergrund stehen, ganz wichtig ist auch die Armutsbekämpfung, und am wichtigsten ist die Ver­hinderung von Jugendarbeitslosigkeit, die Eindämmung und Rückführung auf ein Maß, das für eine Entwicklung in Europa gedeihlich ist und wo junge Menschen wieder Vi­sionen haben können. (Beifall bei der SPÖ.)

15.34


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Fekter. – Bitte.

 


15.35.00

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Um der Legendenbil­dung keinen Vorschub zu leisten: Josef Pröll war es, der im September 2009 die Fi­nanztransaktionssteuer an die Kommission übermittelt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und um der Wahrheit nahe zu bleiben: Auch Sarkozy war immer für die Finanztransaktionssteuer. Da hat der Wech-


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sel der dortigen Verhältnisse überhaupt keine Änderung gebracht. Also man soll das nicht so interpretieren, als wäre das nur eine Erfindung von einer Seite. Es gibt in Ös­terreich Konsens darüber, dass wir uns um diese Steuer bemühen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist aber richtig, was Kollege Lindinger ge­sagt hat: Die Jugendarbeitslosigkeit ist das Problem in Europa schlechthin, denn was jetzt nicht im System, im Arbeitsprozess ist, das kann man à la longue nicht aufholen. Das heißt, wenn Jugendliche zehn, fünfzehn Jahre keine Arbeit finden, dann gehen ih­nen diese Zeiten in der Versicherung ab, dann geht ihnen das in der Pension ab, dann geht ihnen das in der Karriere ab. Und wenn wir eine ganze Generation in der Ar­beitslosigkeit verlieren, dann hemmt dies das Wachstum in Europa, dann hemmt das die Investitionen in Europa, dann haben wir morgen einen Rucksack, der noch größer ist als das Problem der Jugendarbeitslosigkeit von heute. Daher ist es gerechtfertigt, dem auf europäischer Ebene enorm viel Bedeutung beizumessen.

Wir werden gefragt, egal, wo wir hinkommen, wie wir das machen. Und ich sage Ihnen: aufgrund zweier Elemente, die die anderen europäischen Länder so nicht kennen, wie wir sie kennen. Das ist erstens einmal das duale System, mit dem wir marktgerecht – also nicht auf Vorrat oder hinein ins Selbstverwirklichende, sondern marktgerecht – ausbilden. Wir bilden jene Kräfte aus, die die Wirtschaft braucht, und wir bilden in jenen Branchen, Bereichen, Sektoren und mit jenen Bildungsinhalten aus, die auf dem Markt gefragt sind. Daher haben alle Jugendlichen anschließend auch einen Arbeitsplatz. Wir kombinieren also Schule und Praxis.

Und das zweite Element, das ich nicht vernachlässigen möchte, das mindestens ge­nauso wertvoll ist, sind unsere berufsbildenden höheren Schulen. Das ist ein System, das nur wir kennen, das die anderen nicht haben: HTLs, berufsbildende Schulen in in­zwischen allen Berufen – vom Sozialen bis zum Flugzeugbau, von den Tischlern bis zu den kreativen Berufen. Hier haben wir Berufsbilder im schulischen Bereich mit Praxis dazu, und die Menschen kommen nicht nur mit einer Qualifikation heraus, die sie be­rechtigt, an Universitäten zu gehen, sondern mit einer Qualifikation, die auch von den Betrieben nachgefragt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Modell unserer HTLs, unserer be­rufsbildenden Schulen – auch wenn es nicht ganz Bologna-konform ist –, soll man da­her nicht zerstören, soll man nicht – ich sage es jetzt einmal so – um einer Harmoni­sierung willen, die uns aber nicht weiterbringt, verändern. Ich bekämpfe sozusagen Tendenzen, die unsere HTLs zerstören und damit der Wirtschaft Qualifikation entzie­hen würden, die wir dringend brauchen.

Neben der Jugendarbeitslosigkeit ist natürlich das Thema Wachstum eine Herausfor­derung. Wir haben im Jahr 2012 erstmals seit mehreren Jahren eine leichte Schrump­fung in Europa – minus 3, minus 6 –, das heißt, eine Reihe von Mitgliedstaaten haben neben dem Arbeitslosigkeitsproblem auch Rezession.

Auch das ist ein europäisches Anliegen: dass wir zu mehr wachstums- und beschäfti­gungsfreundlichen Situationen kommen – unter Beibehaltung des Reformationsdrucks, unter Beibehaltung der Konsolidierungspolitik. Wachstum darf nämlich nicht auf neuen Schulden aufgebaut werden.

Wir brauchen deutliche Stabilisierungsfortschritte. Es ist uns bisher viel gelungen. Die EU-Länder haben insgesamt die makroökonomischen Ungleichgewichte tendenziell verringert, die Programmstaaten konnten ein bisschen mehr Wettbewerbsfähigkeit er­halten, Griechenland wird heuer erstmals wieder einen Primärüberschuss haben, Por­tugal und Irland haben im Hinblick auf ihre Zinsbelastung wieder Verhältnisse, die ih­nen erlauben, wieder auf den Markt zurückzukehren. Irland hat beispielsweise eine


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Zinsbelastung von 3,75 Prozent, und das ist schon ein Level, um wieder auf den Markt zurückkehren zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben diesen Stabilisierungsmaßnahmen müssen wir aber auch die EU weiterentwickeln. Es darf nicht sein, dass dann, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, oder dass beispielsweise dann, wenn Staaten durch übermäßige Schulden nicht mehr zah­lungsfähig sind, die Steuerzahler der Mitgliedsländer zur Kasse gebeten werden. Wir haben daher den ESM aufgestellt, über den wir diese Hilfeleistung in Zukunft abwickeln.

Der erste Fall, der uns diesbezüglich begegnet, wird morgen in einer Sondersitzung der Euro-Gruppe beraten werden. Ich fahre morgen, am späten Nachmittag, nach Brüssel, wo über Zypern beraten wird. Zypern hat zwei große Probleme: Einerseits steht es kurz vor einer Staatspleite. Es fehlen in etwa 10 Milliarden €, um den Staat weiter finanzieren zu können. Andererseits ist auch der große Finanzsektor, der we­sentlich stärker ist als die Realwirtschaft in Zypern, in großen Schwierigkeiten. Es geht also darum, den Bankensektor zu rekapitalisieren.

Das sind schwierige Fragen, die morgen zu entscheiden sein werden, nämlich deshalb, weil wir nur dann ein Programm für Zypern aufstellen können, wenn es in einem mittelfristigen Horizont – da denke ich ohnehin schon bis 2030 – wieder selbst auf die Beine kommt. Aber die kleine Volkswirtschaft Zypern kann diesen Megafinanzsektor nicht stemmen.

Dieser Finanzsektor ist entstanden, weil Zypern ein Steuerparadies der Sonderklasse ist, eines, bei dem die Vermutung naheliegt, dass es Geldwäsche im großen Stil gibt. Beispielsweise gibt es in Zypern Konstruktionen, von denen man nicht weiß, wer dahin­tersteht – etwas, das Österreich nicht kennt –; die Trusts beispielsweise. Daher haben wir gefordert, dass ein Programm für Zypern auch ein Trustregister vorsieht, damit wir in Zukunft wissen, wer dort unter welchen Bedingungen Geld angelegt hat.

Über 270 000 solcher Trusts gibt es auf dem kleinen Zypern. Das ist eine Dimension, die bedingt, dass man schaut, was dahinter steht. Daher hat Österreich mehrmals ein­gefordert, dass auch die Geldwäscherichtlinien in Zypern operativ umgesetzt werden müssen. Das heißt, dass wir auch durch eine dritte unabhängige Stelle erfahren kön­nen müssen, wie viel von den Geldwäscherichtlinien implementiert sind und ob das funktioniert oder nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es dann darum geht, den Banken­sektor zu retten, dann gilt in Zypern die Regelung: 100 000 € der Einlagen sind gesi­chert. Aber in Zypern liegen nicht nur europäische Gelder, sondern in Zypern liegen auch viele Milliarden außereuropäische Gelder. Und daher muss man schon fragen, ob der europäische Steuerzahler auch diese Gelder schützen muss. Es gibt eine intensive Debatte darüber, wie die Behandlung dieser Einlagen stattzufinden hat.

Sie können versichert sein, dass ich morgen mit großer Sorgfalt und vor allem mit Au­genmaß und im Sinne des Schutzes des österreichischen Steuerzahlers verhandeln werde. Das gesamte Paket muss dann raschest hier im Hohen Haus, im ESM-Un­terausschuss, beraten werden, und nur wenn dieses Hohe Haus dem Paket zustimmt, kann ich es in Europa abschließen.

Wir sind solidarisch mit Zypern, aber wir wollen Fairness im Hinblick auf Geldwäsche, Transparenz im Hinblick auf Stiftungen und Trusts – in Österreich gibt es immerhin auch ein Stiftungsregister, ebenso in Deutschland, in Liechtenstein, in der Schweiz, da­her kann auch Zypern ein derartiges Register anlegen –, und ich werde auch sehr sorgsam sein im Hinblick darauf, was das den österreichischen Steuerzahler kostet


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und wer seinen fairen Beitrag zu leisten hat. Das können auch nichteuropäische Anle­ger sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.46


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Him­mer. Ich erteile es ihm.

 


15.46.34

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, wir wissen alle, wie wichtig diese Debatten sind, die wir führen, wenn wir über Wirtschaftspolitik, über Finanzpolitik spre­chen und wenn wir diese Themen richtigerweise in einem europäischen Zusammen­hang diskutieren. Wir haben oft bei vielen Debatten zu unterschiedlichen Politikberei­chen festzustellen, dass Lösungen, die uns nach vorne bringen und die von der Dimen­sion her adäquat sind, oft nur auf europäischer Ebene zustande kommen können.

Ich glaube, wir sind uns weitgehend einig, dass wir eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion brauchen. Wir sind uns einig, dass wir eine integrierte Finanz­dienstleistungspolitik brauchen. Und wer, bitte, will kein Wirtschaftswachstum?! Ich glaube, darin sind wir uns alle einig, dass wir Wachstum brauchen, dass Wachstum auch notwendig ist, damit wir den Wohlstand finanzieren können.

All das sind Dinge, die wir nicht allein in Österreich auf die Reihe bringen können, wie­wohl aber wichtige Impulse von uns und von unserer Bundesregierung und von unse­rer Finanzministerin ausgehen können.

Wir haben heute Vormittag den Landeshauptmann von Vorarlberg als Gastredner hier bei uns begrüßen dürfen, der in seiner ruhigen Sachlichkeit doch einige Dinge an­gesprochen hat, insbesondere was den Föderalismus und damit verbunden sozusagen die Verantwortung auf den unterschiedlichen politischen Ebenen betrifft. Er hat das in seiner trockenen alemannischen Art sehr verständlich dargestellt.

Wenn zum Beispiel die Vorarlberger über den Finanzausgleich oder die finanzielle Sta­bilität im Österreich-Verbund diskutieren, dann sagen sie: Wir sind Nettozahler, Netto­zahler Richtung Österreich und als Österreicher noch einmal Nettozahler in Richtung Europa, also leisten wir uns eine eigene Meinung zu den Themen. Sie meinen, Vorbild sein zu können, wenn man selbst ein ausgeglichenes Budget hat. Wenn wir jetzt als Österreicher – auch wenn wir, was unsere Budgetdisziplin betrifft, in der Vergangenheit da und dort gesündigt haben – nach Europa fahren beziehungsweise wenn unsere Fi­nanzministerin nach Europa fährt und über Wirtschafts- und Finanzpolitik im globalen Zusammenhang diskutiert, dann macht sie das auch aus der Position heraus, aus einem Land zu kommen, das von seinen Aufgaben weit mehr erledigt hat als andere. Deswegen hat unsere Finanzministerin dort auch den moralischen Anspruch, den Fin­ger in die eine oder andere Wunde zu legen, um eine sinnvolle Heilung zustande zu bringen.

Deswegen habe ich das auch als sehr richtig empfunden, dass unsere Finanzminis­terin im Zusammenhang mit der Griechenland-Rettung et cetera auch immer wieder ab und zu deutliche Worte gefunden hat. Diese deutlichen Worte waren nicht immer je­dem recht, damit löst man manchmal auch gleich eine Panik aus, die dann gleich zu der Debatte führt: Darf man überhaupt kritisieren, irritiert man nicht jeden Einzelnen, indem man irgendwo eine Wahrheit ausspricht? – Darf man schon! Man darf schon Wahrheiten aussprechen, man darf auch jene Staaten, die Auflagen bekommen haben, daran erinnern, dass sie diese Auflagen zu erfüllen haben.

Es wäre in einer Solidargemeinschaft in Europa, genauso wie in einem Bundesstaat, einfach ungerecht, wenn diejenigen, die ihre Beiträge leisten, ihre Disziplin erbringen,


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auch natürlich da und dort den Gürtel enger schnallen, um in ihrem eigenen Land eine Budgetdisziplin auf die Reihe zu bringen, dann die Dummen sind. Das darf nicht so sein, nicht in Vorarlberg, nicht in Österreich, nicht in Europa. Hier muss es sozusagen einen entsprechenden Zusammenhalt geben.

Daher denke ich, eines der wirklich spannenden Dinge an Europa ist, wenn wir uns als Europäer auch als einen Leistungsverbund sehen, der im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb, nämlich gegenüber den anderen Regionen, gegenüber den Amerikanern, gegenüber Asien, gegenüber Afrika, gegenüber den lateinamerikanischen Ländern, überall dort, wo Wachstumsmärkte entstehen, sogar in BRICS-Staaten et cetera, seine eigene Fitness, seine eigenen Muskeln, seine eigenen Fähigkeiten erweitert, weil wir den Wohlstand nur daraus generieren werden, dass wir selbst im Wettbewerb irgend­wo irgendwelche Matches gewinnen. Wenn ein Unternehmen wachsen will, wird es ir­gendeine Ausschreibung gewinnen müssen. Wenn ein Wirtschaftsraum wachsen will, wird er hie und da gegen einen anderen Wirtschaftsraum gewinnen müssen. Der Wett­bewerb bringt einen nicht gleich um, aber man muss auch immer wieder gewinnen, um weiterzukommen.

Daher halte ich es für so wichtig, dass wir auf diese Dinge abzielen, wenn wir über Wirtschafts- und Finanzpolitik sprechen. Wir müssen über Innovationspolitik reden, wir müssen dort ansetzen, wo es heißt: Was macht uns als Europäer stärker? Wo setzen wir unsere Muskeln ein, um auch gegenüber China, gegenüber Asien und anderen wachsenden Märkten unsere eigenen Vorteile herauszuarbeiten, um auch Wachstums­raten zu erreichen, mit denen wir international bestehen können?

Das wird ohne Innovation nicht möglich sein. Ich möchte jetzt kein Referat über In­novationspolitik halten, aber das hat natürlich seinen Ursprung – was heute auch schon diskutiert worden ist – in der Bildung. Wir müssen unser Bildungssystem ständig weiterentwickeln. Das geht von der Grundschule bis in den universitären Bereich und zieht sich bis hin zu einer Exzellenzinitiative, die man in den Forschungseinrichtungen braucht.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon von vielen angesprochen worden, daher kann ich mich kurz halten, aber es ist mir schon extrem wichtig, das zu sagen: Es kann uns nicht gleichgültig sein, wenn es beispielsweise in Spanien 40 Prozent Jugendar­beitslosigkeit gibt. Das ist ein Problem auch für uns in Österreich, im Leistungsverbund in Europa, wir können uns nicht abkoppeln. Es ist ja ganz logisch, wenn es dann heißt, das löst politische Instabilität aus. – No na! Was erwartet man von einer Generation, die völlig an den Rand gedrängt ist, die nicht in die Gleitpension übergehen kann? Die Jugend hat nicht die Möglichkeit, zu sagen: Das halt’ ich noch drei Jahre durch, dann bin ich in der Pension! – Das ist nicht möglich, wenn man mit Jugendarbeitslosigkeit sein Leben beginnt. Daher kann bei den Gipfeln, die in Brüssel und in Straßburg und sonst wo auf der Welt stattfinden, gar nicht weit genug oben auf der Agenda stehen, dass man dort ansetzen muss.

Trotz allem, ich bekenne mich dazu, dass wir eine Budgetdisziplin brauchen. Auch wenn wir Wachstum generieren müssen und wollen, müssen wir das intelligent ma­chen, aber nicht wieder sozusagen durch das Öffnen der Schleusen, was zusätzliche Schulden und sozusagen wieder Maßnahmen auf dem Rücken der nächsten Genera­tionen bedeutet. Aber ich bin zuversichtlich – nach all dem, was wir in den letzten Jah­ren und Monaten erlebt haben, und weil es auch eine gewisse Erholung der Volkswirt­schaft in Europa gibt –, dass wir das als Europäer bewältigen werden. Ich bin im Spe­ziellen zuversichtlich, dass unsere Finanzministerin für Europa, aber dort auch die ös­terreichischen Interessen hervorragend vertreten wird. Dafür wünsche ich dir alles Gu­te. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.55



BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 110

Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


15.55.26

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort melden, obwohl es inzwischen schon einige mehr wä­ren. Beispiel: Von wo fährst du nach Europa, lieber Kollege Himmer? Du hast ein paar Mal gesagt: Wenn man nach Europa fährt. Aber das sind ja auch nur Kleinigkeiten.

Die tatsächliche Berichtigung, die ich eigentlich anführen wollte: Da Bundeskanzler Faymann und Ex-Finanzminister Josef Pröll die Finanztransaktionssteuer in Österreich offensichtlich erfunden haben, möchte ich schon betonen, dass die Grünen schon in den neunziger Jahren die Finanztransaktionssteuer eingefordert haben und Herr Pröll ein bisschen später dran war. (Beifall bei den Grünen.)

Darüber hinaus möchte ich noch erwähnen, dass der Schritt von diesem allgemeinen Wollen – mittlerweile sind wir ja alle gemeinsam der Überzeugung, dass wir die Finanz­transaktionssteuer wollen – bis hin zum Tun auch auf Initiative der Grünen bei den Ver­handlungen zum ESM erfolgte. Das wollte ich, da es von (in Richtung ÖVP) der Seite gekommen ist und ich es von (in Richtung SPÖ) der Seite erwartet habe, auch noch dringend anmerken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.56


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche die Sitzung bis 16 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 15.57 Uhr unterbrochen und um 16.04 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Edgar Mayer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

16.03.16Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kolle­gen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Selbstbedienungsladen Bun­desministerium für Inneres (2941/J-BR/2013)

Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mühlwerth, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 111

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.04.21

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren hier im Saal und zu Hause! Der Rechnungshof hat massive Kritik an der Verga­bepraxis im Innenministerium geübt, was nicht nur von der derzeitigen Innenministerin zu verantworten ist, sondern auch von ihren Vorgängern, weil der Prüfzeitraum ein län­gerer war.

Aber die Antwort hat uns doch auch zu denken gegeben, die von Ihnen, Frau Minister, über die „Wiener Zeitung“ gekommen ist, nämlich: Bei ordnungsgemäßer Ausschrei­bung wären der Republik Millionen im zwei- bis dreistelligen Bereich entgangen, weil die Verfahren zu lange gedauert hätten. – Sehr interessant. Was heißt das jetzt?

Heißt das, die vorgeschriebenen Ausschreibungen werden einfach eingestellt, weil das alles zu lange dauert, und bevor man sich das antut, umgeht man das einfach? Oder heißt das letztendlich, was ich ja nicht hoffe, dass eine auf die Verfassung und auf die Einhaltung der Gesetze vereidigte Ministerin sagt, dass sie die bestehenden Gesetze nicht interessieren? – Ich unterstelle Ihnen das jetzt nicht, aber das könnte man daraus ablesen. Wäre es so, wäre das ganz schlimm, weil wir dann auf dem Weg in eine Ba­nanenrepublik wären. (Bundesrat Kainz: Das kann man nicht herauslesen!)

Ein weiterer Auszug aus der „Wiener Zeitung“ von gestern, den ich zitieren darf, wo Sie Folgendes gesagt haben – das hört sich schon ganz positiv an –:

„Bezüglich der Berateraufträge an ÖVP-nahe Unternehmen kann sich Mikl-Leitner zwar eine ,Abkühlungsphase‘ vorstellen (also dass ehemalige Partei- oder Ministeriumsmit­arbeiter eine gewisse Zeit lang keine Aufträge eines Ministeriums übernehmen dürfen), es dürfe aber kein ,Berufsverbot‘ geben.“

Das ist schon ein erster positiver Ansatz, den ich nicht unerwähnt lassen möchte, näm­lich dass Sie durchaus gewillt sind, da mit einer gewissen Praxis aufzuräumen.

Als ich recherchiert und meine Rede geschrieben habe, ist mir der damalige Finanzmi­nister Androsch eingefallen. Dessen Kanzlei hat staatsnahe Betriebe geprüft, was auch durch rechtliche Verträge abgesichert war. Trotzdem war es unmoralisch, trotzdem ist er darüber gestolpert, trotzdem musste er in letzter Konsequenz gehen. Wir sehen da­ran, ein solches Naheverhältnis ist einfach untragbar, das kann man so nicht machen. Und ich hoffe wirklich sehr, dass Ihr positiver Ansatz von gestern auch tatsächlich um­gesetzt wird.

Man braucht sich nur die Schlagzeilen der Medien anzuschauen, um zu erkennen, wie wichtig es ist – das ist auch der Grund für die heutige Dringliche –, diese Dinge zu hin­terfragen. Die Schlagzeilen lauten: Aufträge ohne Kontrolle. Frontalattacke auf das In­nenministerium. Christoph Ulmer – ehemaliger Kabinettschef von Minister Strasser – bis heute Strippenzieher. Vergabepraxis Ministerium. Wie Ex-Mitarbeiter profitieren.

Das ist wirklich eine ganz schlechte Optik für ein Ministerium, gleich, welcher Art, für das Innenministerium, würde ich sagen, noch ein bisschen mehr.

Was sind jetzt die konkreten Vorwürfe? – Da ist zu lesen, dass die Einführung einer elektronischen Amtssignatur mit exakt 99 999,99 € angesetzt wurde. Warum? – Weil man ab 100 000 € ausschreiben muss! Also hat man einen Cent weggestrichen und gesagt, dann geht es ohne Ausschreibung.


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Das kann es aber wohl nicht sein, dass das so unterlaufen wird, noch dazu, ehrlich ge­sagt, so frech, nämlich mit einem Cent weniger. Es ist wirklich eine Frechheit jedem gegenüber, zu sagen: 100 000 € wären die Grenze, wir machen es eben mit einem Cent weniger!

Was wird sonst noch kritisiert? – Diese Art der Vergabe wird laut Rechnungshof allzu oft verwendet. 2010, sagt der Rechnungshof, sind rund 45 Prozent des geprüften Ver­gabevolumens von fast 9 Millionen direkt vergeben worden, also unter Umgehung der Ausschreibung. In 39 Prozent der Fälle ist kein Vergleichsangebot eingeholt worden. In 29 Prozent der Fälle ist nicht einmal geprüft worden, ob der Auftrag überhaupt notwen­dig ist.

Und diese Liste geht weiter: Wahl des falschen Vergabeverfahrens, fehlender oder nicht nachvollziehbarer Auftragswert, Leistungsbeginn vor einem schriftlichen Auf­trag – also man hat mit der Leistung schon angefangen, und dann hat man den Auftrag offensichtlich irgendwie dazugestrickt –, mangelhafte Leistungsdokumentation und auch mangelhafte Leistungsverrechnung. Da wird unter anderem sehr konkret kritisiert, dass ein Auftrag für strategisch-politische Beratung – was immer das ist, strategisch-politische Beratung – ohne Ausschreibung an die Firma Headquarter vergeben wurde. Und das ist jetzt wieder ein interessanter Fall, weil an der Firma Headquarter der ehe­malige Kabinettschef von Minister Strasser beteiligt war, und diese Firma hat auch noch Wahlkämpfe für die ÖVP ausgerichtet.

Also da ist die Optik mehr als schief, und da muss man zu dem Schluss kommen, das ist in Wirklichkeit ein einziges Sammelsurium, wo einer dem anderen Aufträge zu­schiebt, und dann funktioniert die ganze Sache schon. Aber wir reden hier immer, ich möchte daran erinnern, vom Geld des Steuerzahlers, weil das ja alles aus Steuergel­dern finanziert wird.

Und dieser Kabinettschef Ulmer musste ja auch im parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss wegen der Vergabe zum Beispiel des Blaulichtfunk-Projektes Rede und Ant­wort stehen, wo auch Korruptionsvorwürfe im Raum gestanden sind.

Ein weiterer Vorwurf ist die Direktvergabe eines PR-Auftrags, also Public-Relations-Auftrags, also Werbung, über 140 000 € – das betrifft nicht Sie, Frau Minister, sondern Ihren Vorvorgänger, nämlich den jetzigen Landeshauptmann von Tirol Günther Platter. Und das Argument dafür, dass das so war – diese Vergabe über 140 000 € ist natürlich auch wieder ohne Ausschreibung erfolgt –, ist, dass keine andere Firma das hätte ma­chen können. Es findet sich also in ganz Österreich keine andere Firma, die das ma­chen könnte, daher braucht man gar nicht fragen, ob es ein Vergleichsangebot gibt, sondern kann das auch freihändig vergeben.

In Summe gibt das Innenministerium viel mehr Geld aus als alle anderen Ministerien. 2010 waren es immerhin 72 Millionen für 15 000 Beschaffungsfälle, und die meisten davon sind freihändig vergeben worden; immer so, dass man knapp unter der Grenze bleibt – und das noch dazu ohne begleitende Kontrolle. Da ist nichts kontrolliert wor­den, wie der Rechnungshof festgestellt hat.

In den Medien wird der Rechnungshof zitiert: „,Das BMI‘“ – Bundesministerium für In­neres – „,hatte keinen vollständigen und verlässlichen Überblick über sein Beschaf­fungsvolumen‘, stellen die Prüfer gleich eingangs fest. Auch eine ,regelmäßige, risiko­orientierte Kontrolle ausgewählter Beschaffungen‘ fehle. In sechs Jahren führte die in­terne Revision demnach nur eine einzige Prüfung im Beschaffungsbereich durch.“

Also das Geld sitzt bei Ihnen offensichtlich schon sehr locker in der Tasche.

360 000 € sind ebenfalls ohne Ausschreibung für strategische Beratung und Coaching aufgewendet worden. Also nicht nur, dass man viel Geld in die Hand genommen hat ohne begleitende Kontrolle, ohne Vergabe, ohne Einholung von Vergleichsangeboten,


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sind das auch noch Fälle, bei denen man sich beim Verwendungszweck fragt: Wofür eigentlich? Für „strategische Beratung“ – was ist das genau? – und für „Coaching“ ist diese Summe aufgewendet worden. Wozu? Weshalb? Wieso?

Und wieder kommt die Firma Headquarter ins Spiel. Es sind immer dieselben Perso­nen, die da genannt werden. Und wieder fällt der Name des ehemaligen Kabinetts­chefs von Innenminister Strasser.

In diesem Fall darf ich den „Falter“ zitieren, der schreibt, dass man auch vermutet, dass 250 000 € davon – ich weiß es nicht, ich kann es auch nicht beweisen, daher ziehe ich mich jetzt auf das zurück, was der „Falter“ schreibt, aber dieser Vorwurf steht im Raum –, dass also von diesen 360 000 € 250 000 € in den Wahlkampf von Ernst Strasser, der ja mittlerweile wegen Korruption verurteilt ist, aber auch in den Wahl­kampf von Christine Marek geflossen sein sollen.

Der nächste Vorwurf ist: 113 000 € für ein Kommunikationscoaching. Da schreibt eine Zeitung etwas süffisant, weil das Ministerin Fekter betrifft, dass wahrscheinlich das Image der damaligen Innenministerin Fekter unter der Arigona-Geschichte ein biss­chen gelitten hat und die Ministerin deswegen Geld in die Hand nehmen musste, um ihr Image etwas aufzupolieren. Aber 113 000 € sind jetzt, auf Wienerisch gesagt, kein Lercherl, und das für ein Kommunikationscoaching. Da muss man sich wieder fragen: Wofür? Kann man das nicht anders machen? Gibt es da nicht andere Wege?

117 000 € für Beraterkosten für die Asylaufnahmestelle in Eberau. Wozu es ein Minis­terium mit Beamten gibt, weiß ich jetzt überhaupt nicht, wenn man für die Asylauf­nahmestelle – egal, wo auch immer – ein Beraterhonorar für einen externen Berater zahlen muss.

140 000 € für PR-Beratung des früheren Ministers Platter. – Wir haben ja immer Kritik an den Ministern geübt, aber so schlecht, dass sie ununterbrochen so viel Geld für Beraterkosten in die Hand nehmen mussten, würde ich jetzt sagen, waren sie letztlich doch auch wieder nicht.

Weil sich das ja immer wieder wiederholt: Profiteur laut Zeitungsbericht war diesmal ein Berater, der dann später ÖVP-Geschäftsführer in Tirol wurde.

Auch Ulmer kommt immer wieder ins Spiel, und da schreibt der Rechnungshof:

„Der karenzierte ehemalige Kabinettchef des BMI“ – Bundesministeriums für Inneres, da geht es jetzt um die Blaulichtfunk-Affäre – „führte im engen zeitlichen Zusammen­hang mit grundlegenden Entscheidungen im Vergabeverfahren Gespräche mit zwei po­tenziellen Auftragnehmern. Diese Gespräche fanden zwar im Auftrag des BMI, aber außerhalb des Vergabeverfahrens statt und widersprachen damit dem Transparenz­gebot.“

Gerade beim Blaulichtfunk ist es um viel Geld gegangen. Der Blaulichtfunk war sehr wohl Gegenstand des dann abgedrehten Untersuchungsausschusses.

Und da sagt der Rechnungshof weiter: „Der Inhalt der Gespräche war nicht dokumen­tiert und daher nicht nachvollziehbar.“

Diese Kritik auch an ehemaligen Angestellten des Ministeriums, die dann immer wieder kommen – man weiß ja, dass der Kabinettschef auch einen Beratervertrag gehabt hat –, weist darauf hin, dass da im Innenressort unglaublich schlampige Verhältnisse geherrscht haben. Diese Vorgänge haben Sie, aber auch Ihre Vorgänger selbstver­ständlich zu verantworten, denn es kann und darf nicht sein, dass sich das Thema Korruption, das wir ja schon behandelt haben – man hat dann Antikorruptionsgesetze sonder Zahl gemacht –, jetzt wiederfindet, auch dann nicht, wenn es schon vorher war oder schon begonnen hat, bevor diese Gesetze beschlossen wurden. Es kann nicht


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sein, dass Aufträge an parteinahe Organisationen ohne öffentliche Ausschreibung ver­geben werden. Wenn es nicht gerade die ÖVP betroffen hat, ist ja die Kritik auch immer stark gewesen, durchaus zu Recht. Und wenn so etwas stattfindet, hat jeder kritisiert zu werden, muss sich auch jeder dafür verantworten, egal, welche Farbe er hat.

Wir haben uns ja mit solchen Vorwürfen schon öfter hier befasst. Ich erinnere daran – interessanterweise auch eine Dringliche von Freiheitlichen und Grünen –, wie wir uns über die ÖBB unterhalten haben, über ihren Ex-Chef Huber, über die dubiosen Grund­stücks- und Häuserkäufe, die über neu gegründete Firmen, die wieder jemandem ge­hört haben, den man kennt und mit dem man irgendwie verbandelt ist, abgewickelt wurden, was wir auch nicht in Ordnung gefunden haben, weil es auch nicht in Ordnung war.

Man kann gar nicht genug aufpassen, daher muss man immer früh anfangen. Und da­her ist es ja für uns auch dann, wenn wir eine Sitzung haben, ein dringliches Thema, weil hier Aufklärung betrieben werden muss.

Ich sage es noch einmal: Wir reden hier immer von Steuergeld, und mit Steuergeld muss transparent und umsichtig umgegangen werden. Es muss das beherzigt werden: Was jeder ordentliche Kaufmann macht, was jede ordentliche Hausfrau macht, was jeder von uns privat macht, das sollte auch und vor allem die öffentliche Hand tun, nämlich fragen: Brauche ich das überhaupt? Und wenn ja, was kostet das, wie teuer ist das? Und will und kann und soll ich mir das leisten? Das muss natürlich für den ge­samten öffentlichen Bereich, vor allem aber für ein Ministerium gelten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Präsident Edgar Mayer: Zur Beantwortung hat sich Frau Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister.

 


16.19.34

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Gerne gebe ich Ihnen Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen. Ich darf somit mit der Beantwortung der ersten Frage beginnen.

Zur Frage 1:

Das Bundesministerium für Inneres hat einen verlässlichen und vollständigen Überblick über sein Beschaffungsvolumen, das heißt, in diesem Punkt kann das Haus die Mei­nung des Rechnungshofes nicht teilen. Darüber hinaus haben wir einen Beschaffungs­workflow eingeführt, der für Transparenz steht. Mit diesem Beschaffungsworkflow sind wir in jeder Minute und zu jeder Zeit vollkommen transparent. Dieser ist seit Anfang März in der Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres und ab dem 15. März 2013 auch in den Landespolizeidirektionen in Betrieb.

Zur Frage 2:

Bei uns im Haus gilt das Sechs-Augen-Prinzip, das heißt, die Abteilung, die eine Be­schaffung vornimmt, meldet ihren Bedarf an, zum Zweiten wird die Finanzierung ge­prüft, und zum Dritten geht es weiter in die Vergabeabteilung, wo die gesetzmäßige Vergabe erfolgt. Gerade bei Beschaffungen über 40 000 € wird die interne Revision da­mit befasst.

Zur Frage 3:

Diese Feststellung stimmt so nicht. Die Preisangemessenheit ist zu prüfen, es ist zu prüfen, ob der angebotene Preis auch adäquat zur Leistung ist. Diese Überprüfung


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wurde in jedem einzelnen Fall gemäß den Bestimmungen des Bundesvergabegeset­zes gemacht.

Zur Frage 4:

Die Dokumentation der Beschaffungsvorgänge erfolgte immer gemäß den Bestimmun­gen des Bundesvergabegesetzes und des Beschaffungserlasses. Das Bundesverga­begesetz stellt auf einen wirtschaftlich vertretbaren Dokumentationsaufwand ab, Be­schaffungsvorgänge werden in diesem Sinne auch dokumentiert und sind nachvoll­ziehbar.

Zur Frage 5:

Bei dieser Feststellung muss wie folgt unterschieden werden: Wenn der Ausnahmetat­bestand der Geheimhaltung aus Sicherheitsgründen zur Anwendung kam, dann ist die Einholung von Vergleichsangeboten nicht angebracht. Bei der Verfahrensart der Di­rektvergabe wurde in allen Fällen im Sinne des Grundsatzerlasses geprüft, ob die tech­nische, rechtliche und wirtschaftliche Möglichkeit eines Wettbewerbes gegeben war. Die Einholung von Vergleichsangeboten setzt voraus, dass eine Vergleichbarkeit der Preise gegeben ist.

Zur Frage 6:

Ich kann die konkreten Fälle nicht nennen, da der Rechnungshof von den 79 geprüften Fällen exemplarisch nur die Prüfergebnisse von zwölf Fällen detailliert bekanntgege­ben hat. Diese sind ohnedies im Rechnungshofbericht umfassend dargestellt.

Zu den Fragen 7 und 8:

Die Unternehmen der zwölf Fälle sind dem Rechnungshofbericht zu entnehmen, die anderen Unternehmen kann ich nicht nennen, da die Feststellung des Rechnungshofes zu den übrigen Fällen nur allgemein und zusammenfassend bekannt ist.

Zur Frage 9:

Die Feststellung ist in dieser Form nicht nachvollziehbar. Bedarfsprüfungen werden dann nicht durchgeführt, wenn der Bedarf unmittelbar von der Ressortleitung kommu­niziert wird. Ich darf Ihnen dafür auch exemplarisch ein Beispiel nennen. Exemplarisch dafür ist die Kooperation zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem Un­terrichtsministerium, wo beide Ressortleitungen eine Kampagne zum Thema „Sicherer Schulweg“ vereinbart haben, wo es vor allem um den Schutz und die Sicherheit der Kinder gegangen ist.

Zur Frage 10:

Ich kann die konkreten Fälle nicht nennen, da der Rechnungshof von den 79 geprüften Fällen exemplarisch nur die Prüfergebnisse von zwölf Fällen detailliert bekanntgege­ben hat, wir aber im Bundesministerium für Inneres 15 000 Beschaffungen pro Jahr ha­ben.

Zur Frage 13:

Hier verweise ich auf die Beantwortung von Frage 4.

Zu den Fragen 14, 15 und 16:

Ich kann die konkreten Fälle nicht nennen, da der Rechnungshof von den 79 geprüften Fällen exemplarisch nur die Prüfergebnisse von zwölf Fällen detailliert bekanntgege­ben hat.

Zur Frage 17:

Diese konkreten Fälle können nicht nachvollzogen werden, da der Rechnungshof nur die Prüfergebnisse von zwölf Fällen detailliert bekanntgegeben hat. Ich möchte hier aber


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ganz klar festhalten, dass mit April eine neue Revisionsordnung in Kraft tritt und ich persönlich die Fachaufsicht übernehme.

Zu den Fragen 18, 19 und 20:

Ich kann die konkreten Fälle nicht nennen, da der Rechnungshof exemplarisch nur die Prüfergebnisse von zwölf Fällen detailliert bekanntgegeben hat.

Zur Frage 21:

Ich möchte hier klarstellen, dass der Berater keine Bietergespräche geführt hat. Bie­tergespräche finden nur zwischen der vergebenden Stelle und den Bietern statt. Ge­spräche zwischen dem Berater und Unternehmensvertretern sind grundsätzlich zuläs­sig. Sie wurden geführt, um allfällige Einflüsse von den am Vergabeverfahren Beteilig­ten fernzuhalten. Wie gestern bereits im Innenausschuss gesagt, wird es eine derartige Vorgangsweise nicht mehr geben.

Zu den Fragen 22 und 23:

Die Frau Bundesministerin, die Pressesprecher und die Abteilung für Öffentlichkeits­arbeit.

Zur Frage 24:

Die Coaching- und Beratungsleistungen beziehungsweise -inhalte der Frau Bundesmi­nister wurden aufgrund der mit dem Leistungsgegenstand in Zusammenhang stehen­den Themen und Inhalte sowie aus Geheimhaltungsinteresse nicht aktenmäßig doku­mentiert. Termine und damit die Leistungserbringung, die auch Grundlage für die Zah­lungen waren, wurden im Kalender dokumentiert.

Zur Frage 25:

Die Preisangemessenheit wurde geprüft und im Akt auch dokumentiert.

Zur Frage 26:

Nach dem Abgang von Frau Minister Fekter waren die Leistungen nicht mehr not­wendig, daher kam es auch zur Auflösung des Vertrages.

Zur Frage 27:

Hule/Bachmayr-Heyda/Nordberg.

Zur Frage 28:

Es sind keine Kosten angefallen.

Zur Frage 29:

Drei Unternehmen wurden von der technischen Fachabteilung im Zuge eines Hearings in die Vergabeentscheidung eingebunden. Das Projektteam Amtssignatur Servicesys­tem hat das Leistungspaket der beauftragten Firma als beste und kostengünstigste Lö­sung ausgewählt.

Zur Frage 30:

Es war dies die Raiffeisen Informatik Consulting GmbH.

Zur Frage 31 – zu Ihrer letzten Frage –:

Ab April wird es die geforderte Teilung der Zuständigkeit geben, die Innenrevision wird direkt mir unterstellt. Damit übernehme ich die Fachaufsicht. Die Fachaufsicht des BAK liegt de facto bei der Staatsanwaltschaft und der WKStA. Der Leiter der Sektion IV ist somit de facto nur für die Dienstaufsicht der Innenrevision und des BAK zuständig. Durch die Eingliederung der Beschaffungsabteilung in die Sektion IV wird ein Sechs-


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Augen-Prinzip sichergestellt, das heißt, Bedarfsträger, Budget und Beschaffung sind organisatorisch vollkommen getrennt.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich habe diese Fragen mit voller Ver­antwortung und von meinen Experten unterstützt beantwortet. (Beifall bei der ÖVP.)

16.28


Präsident Edgar Mayer: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.29.06

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Präsidium! Im 21. Jahrhundert ist es in gewissen Institutionen noch üblich, dass man per Rauchzeichen kommuniziert, nicht nur im fernen Rom, sondern anscheinend auch in Österreich, in einem Minis­terium, in dem versucht wird, mit Rauch-und-Nebel-Aktionen gewisse Sachen zu ver­schleiern.

Sehr viele Punkte hat ja meine Kollegin Mühlwerth schon angesprochen. Sie haben auch den Versuch gewagt, in der Beantwortung der Fragen eine Antwort darauf zu ge­ben, nur, geschätzte Frau Ministerin, Sie wissen auch, dass im Nationalrat eine Son­dersitzung zu dieser Thematik ins Haus steht. Die Abgeordneten werden sich sicher nicht mit solchen oberflächlichen Antworten zufrieden geben. Die Oppositionsparteien, die Grünen, FPÖ, BZÖ und auch das Team Stronach haben sich darauf geeinigt, dass eine Sondersitzung zu dieser Thematik abgehalten wird, um das zu prüfen, worüber wir heute schon bei manchen Tagesordnungspunkten gesprochen haben.

Hier geht es um die verantwortungsvolle Verwendung von Steuergeld. Wir hören im­mer wieder in diesem Haus, in dieser Kammer, aber auch im Nationalrat, das Geld sei nicht da oder knapp und man müsse sich genau überlegen, wo und wie man es ein­setzt. – Das Geld löst sich nicht in Luft auf.

Es ist eine politische Entscheidung – die treffen wir und darüber diskutieren wir in die­sem Haus –, wofür dieses Geld ausgegeben wird. Gerade sind junge Leute hier in den Saal hereingekommen. Es müsste in unserem Interesse sein, dass wir für die Jugend­lichen in Bildung investieren, vom Kindergarten bis hin zu den Hochschulen. Diese Thematik haben wir ja heute schon ausführlich besprochen. Und wenn gewisse Dinge angeschafft werden müssen, sollte das möglich sein. Natürlich braucht unsere Exeku­tive gutes Equipment, sei es Hardware oder Software oder auch, was Dienstleistungen betrifft.

Aber wenn ich mir Ihren Mitarbeiterstab anschaue, Frau Ministerin, dann, muss ich sa­gen, haben Sie exzellente Leute in Ihrem eigenen Haus, vom Pressesprecher ange­fangen bis hin zu hochrangigen Beamten, die eine Supergage bekommen. Denen bin ich es auch nicht neidig, die haben einen verantwortungsvollen Job, aber was ich nicht verstehe – und ich habe selber eine Firma, mit der ich Beratungen anbiete –, ist, dass man dann Beträge zahlt, die jenseits von Gut und Böse sind.

Also diese Beratungsgeschichten, die Sie da angeboten bekommen haben, bekämen Sie im Linzer Umfeld bei den Menschen, die im Beratungsbereich tätig sind, die ich kenne, um die Hälfte angeboten. Da liegen die Stundensätze bei 120 € inklusive Mehr­wertsteuer. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hier ist aber alles exklusive!)


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Ein Christoph Ulmer war Mitarbeiter im Kabinett des ehemaligen Innenministers Stras­ser. Er wird karenziert, wird wieder angestellt und bekommt noch Beträge jenseits von 100 000 € zugeschanzt. Wenn man das genau durchrechnet, so verdient er pro Tag 2 400 €. Bitte, 2 400 € pro Tag! Das im Monat zu verdienen, davon können viele Österreicherinnen und Österreicher nicht einmal träumen, auch wenn sie Überstunden machen!

Und dann diskutieren wir heute, wie bei vielen anderen Tagesordnungspunkten, über Transparenz und darüber, wie wichtig es ist, dass wir verantwortungsvoll umgehen. Auch die Übergabe der Präsidentschaft steht ja unter dem Titel „Gemeinsam Verant­wortung tragen“.

Ja, natürlich gemeinsam Verantwortung tragen, aber so, wie es das Innenministerium macht – und da mache ich nicht Sie persönlich verantwortlich, Frau Ministerin, denn es waren Ihre Amtsvorgänger und -vorgängerinnen, die so agiert haben –, so gewinnt man kein Vertrauen.

So erreichen wir genau das Gegenteil, nämlich dass sich die Menschen von der Politik abwenden und „ang’fressen“ sind, uns alle in einen Topf hineinhauen und sagen: Das sind eh alle miteinander die gleichen „Hiasln“, ich höre eh schon gar nicht mehr hin. – So werden wir die Menschen in diesem Land nicht überzeugen. (Vizepräsident Mag. Him­mer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir anschaue, dass Frau Ministerin Fekter, damalige Innenministerin, jetzt Fi­nanzministerin – eigentlich hätte sie hier sitzen bleiben können, wir hätten nichts da­gegen gehabt (Heiterkeit) –, einen Auftrag für eine Homepage erteilt hat und die Er­stellung dieser Homepage zuerst mit Kosten von in etwa 170 000 € veranschlagt wur­de, letztendlich machte es über 550 000 € aus, dann wurde noch eine Präsentation im Design Center Linz gemacht, die auch noch einmal 75 000 € kostete, dann frage ich mich schon, wo die Sinnhaftigkeit ist, wo das Augenmaß ist und wie man das den Exe­kutivbeamten und -beamtinnen erklärt, die tagtäglich im Dienst sind.

Diese BeamtInnen – ich bin zwar kein Polizist, das wisst ihr, aber ich bin auch mit vie­len Polizisten und Polizistinnen im Gespräch – erzählen mir: Das Equipment, das wir haben, es ist zwar schön, dass wir es haben, aber da gäbe es ein besseres, das uns die Arbeit erleichtern würde.

Das fängt bei der Schussweste an, die in der jetzigen Version, glaube ich, 8 Kilo wiegt. Laufen Sie einmal jemandem, der schwer bewaffnet ist, in voller Montur hinterher! Es gäbe auch eine Schussweste, die 1,2 Kilo wiegt, dünner und stichfest ist, aber die wird den BeamtInnen nicht bezahlt. Das müssen sie aus der eigenen Tasche zahlen, mit dem Argument: Ihr kriegt ja eh eine Schussweste zur Verfügung gestellt.

Und dann müssen wir Politiker den Leuten erklären, dass das zweckmäßig ist. Diese Zweckmäßigkeit sehe ich nicht, ich erkenne sie nicht.

Gerade im Ministerium, wo hochsensible Themen wie Bekämpfung der Wirtschaftskri­minalität, der organisierten Kriminalität und der Internetkriminalität angesiedelt sind, müsste es größtmögliches Interesse daran geben, dass diese Machtposition, die man innehat, nicht missbraucht wird. Ich erkenne leider Gottes schon, dass eine Aussage, die wir sicher alle schon einmal gehört haben, doch Gültigkeit hat, und zwar: Macht verleitet zu Missbrauch.

Leider Gottes, die Vorgänge, die Frau Kollegin Mühlwerth aufgezählt hat, sind nicht „Hirnwichsereien“ – verzeihen Sie den Ausdruck! – von den Freiheitlichen und von den Grünen, von den Oppositionsparteien, sondern sie sind im Rechnungshofbericht fest­gehalten.


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Der Rechnungshof ist eine unabhängige Behörde, zu der wir auch stehen. Seine Be­richte nehmen wir auch dankend zur Kenntnis. Und wenn der Rechnungshof sagt: „In fast 40 (!) Prozent der Stichproben sei die Angemessenheit des Preises schlicht nicht überprüft worden  Bei jedem dritten Beschaffungsvorgang sei keine ,Bedarfsprüfung‘ erfolgt. 15 Prozent der Einkäufe würden sich durch ,unvollständige Dokumentation der Beschaffungsprojekte‘ auszeichnen.“, dann nehmen Sie sich diese Kritik bitte zu Her­zen.

Sie haben ja schon die ersten Maßnahmen ergriffen, dass diese Prüfungskompetenz jetzt bei Ihnen liegt und nicht mehr bei der Person, die anschafft und gleichzeitig auch noch überprüfen soll. Ich meine, das ist ja ein Widerspruch in sich, der war systemisch schon vorprogrammiert.

Sie haben ja schon die Notbremse gezogen, aber ich wünsche mir, dass wir hier in die­sem Haus nicht immer hinterherrennen und Sachen aufdecken müssen, die an und für sich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Wenn es um Transparenz und Nachvoll­ziehbarkeit – Kollegin Mühlwerth hat es schon angesprochen – geht, so ersuche ich jetzt den Kameramann, das vielleicht ein bisschen heranzuzoomen (ein Dokument in die Höhe haltend); das ist der Beschaffungsvorgang für den TETRON Digitalfunk, für den Blaulichtfunk.

Da gibt es zig Firmen, in Ungarn, in Wien, noch irgendwo in einem anderen europäi­schen Land: die Firma Motorola, die Telekom Austria – Namen, die wir alle schon ein­mal gehört haben –, Mensdorff-Pouilly, Tim Landon und so weiter. Und da werden Geldbeträge in 100 000-Stellen hin- und herbewegt. Da kennt sich keiner mehr aus, das ist nicht die Transparenz, von der  (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Du kannst schon sagen, tu es weg! Ich weiß, dass es wehtut, aber das ist die Realität!

Da brauchen wir nicht über Zypern zu schimpfen, verschachtelte Briefkastenfirmen und so weiter, wo Schwarzgelder hin- und hergeschoben werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben das in Österreich: verschachtelte Geldflüsse mit unterschiedlichen Firmen. Und wenn etwas nachvollziehbar und transparent sein soll, dann brauche ich nicht solche komplizierten Vorgänge, denn dann würde es reichen, ganz genau Sender und Empfänger von A nach B, von Konto A auf Konto B anzugeben, und die Ge­schichte ist erledigt. Dann ist es nachvollziehbar und transparent.

Darum ist auch der Punkt, den Kollege Schreuder heute schon einmal angesprochen hat, ganz wichtig: Es muss alles öffentlich sein.

Die Menschen haben ein Recht darauf zu wissen, sofern es nicht die nationale Sicher­heit oder persönliche Daten betrifft, wofür Steuergeld verwendet wird. Und ich möchte, dass Steuergeld sinnvoll eingesetzt wird. Hier wird es für solche Geschichten hi­nausgeschmissen, und ich könnte jetzt auch über sinnlose Tunnelprojekte reden, über die Eurofighter und, und, und.

Mein persönliches Anliegen ist es, dass das Geld bei den arbeitenden Menschen an­kommt, bei der Jugend, denn das ist unsere Zukunft, die sichern unseren Wohlstand ab.

Mit einer derartigen Vorgangsweise werden wir alle, die wir in der Politik sind, auf der Verliererseite sein, denn durch solche intransparenten Vorgänge gewinnen wir nicht das Vertrauen der Menschen. Wir müssen daran arbeiten, das Vertrauen der Bürger wieder zu gewinnen, und wir müssen Verantwortung gemeinsam tragen – unter dem Motto des derzeitigen Vorsitzes.

Ich danke, dass einige Änderungen bereits vorgenommen worden sind. Aber Sie sind noch nicht aus dem Schneider. Die Kollegen im Nationalrat werden sich zu Recht mit dieser Thematik noch beschäftigen.


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Man kann nur hoffen, dass sich derartige Dinge nicht wiederholen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


16.40.55

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Bevor ich diese Thematik aus meiner Sicht beziehungsweise aus unserer Sicht be­leuchte, möchte ich auf die Ausführungen meiner beiden Vorredner kurz eingehen.

Wenn du, Efgani, sagst, du möchtest das Steuergeld für Bildung einsetzen (Bundesrat Ertl: Für die Sicherheit – dort gehört es hin!), für die Jugend, die ich herzlichst be­grüße, dann kann ich nur sagen: Ja, natürlich, das ist überhaupt keine Frage, da sind wir auch dabei! (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) Aber so einfach funktioniert ein Staat, eine Republik nicht, da gibt es umfassende Aufgaben, die zu erfüllen sind. Und ein ganz wesentlicher Teil dieser Aufgaben, denen wir uns stellen und um die sich vor allem unsere Sicherheitsministerin Johanna Mikl-Leitner mit vollem Engagement, und auch mit der dementsprechenden Wertschätzung vonseiten der Bevölkerung, be­müht, betrifft das Thema Sicherheit. (Bundesrat Dönmez: Das kostet viel Geld!)

Das Thema Sicherheit ist ein ganz zentrales Thema. Jeder Euro, der für die Sicherheit im Land ausgegeben wird, ist richtig investiert. Und einer Sache bin ich mir auch hun­dertprozentig sicher: Es ist im Interesse aller, die im Innenministerium tätig sind, dass die Geldmittel – und das sind die Steuermittel aller Österreicherinnen und Österrei­cher – effizient, zielgenau und punktgenau eingesetzt werden. (Zwischenrufe der Bun­desräte Dönmez und Mühlwerth.)

Nun möchte ich darauf eingehen, was die Kollegin Mühlwerth gesagt hat, nämlich auf das Beispiel mit dem durchaus – da gebe ich ihr schon ansatzweise recht – sehr kreativen Betrag von 99 999,99 €. Das ist durchaus ein bisschen ein kreativer Betrag, das mag schon sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war aber nicht das Einzige!) Nur: So einfach ist die Sache nicht, wie Sie sie hier darstellen, Frau Kollegin Mühlwerth. Da geht es letztendlich darum, dass, wenn das Ministerium in dieser Frage nicht so vorge­gangen wäre, nämlich hier sozusagen den Auftrag so zu vergeben, der Republik Mil­lionenverluste gedroht hätten, weil die elektronische Signatur deswegen nicht umge­setzt hätte werden können.

Ich gebe Ihnen recht, der Betrag schaut durchaus ein bisschen interessant aus, aber Faktum ist, dass man mit diesem Betrag  (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dann wäre man halt auf 92 000 € gekommen. Das ist ja vollkommen wurscht. Aber Faktum ist, dass man mit dieser Vorgangsweise, die man zweimal zu Recht wiederholt hat, die Republik vor einem Millionenschaden bewahrt hat und dem Rechtsstaat letzt­endlich auch gerecht geworden ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist überhaupt nicht er­wiesen, dass dem so ist!) Das hätten Sie an dieser Stelle fairerweise auch dazusagen sollen. Das hätte ich mir schon von Ihnen erwartet. (Neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Weil Sie die strategische Beratung so kritisieren: Gerade die FPÖ wäre nach den bei­den Landtagswahlergebnissen gut beraten, auch ein bisschen was in strategische Be­ratung zu investieren. Hätte Sie das getan, dann wären vielleicht diese Ergebnisse nicht so ausgefallen, wobei ich sagen muss, dass ich durchaus sehr froh darüber bin, dass es so passiert ist, wie es passiert ist. – Das zum Thema „strategische Beratung“. (Bundesrat Krusche: Das ist versteckte Parteienfinanzierung!)


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 121

Ich möchte nun auf das eigentliche Thema eingehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil ich denke, dass es ein Thema ist, das die Menschen zu Recht – zu Recht! – sehr bewegt.

Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, zählt zu den sichersten Ländern der Welt. Und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben ein subjektives Si­cherheitsgefühl, das die Sicherheit in diesem Land auch bestätigt. Wir können in der Gesamtkriminalität vom Jahr 2012 im Vergleich zu 2003 ein Sinken der Kriminalität verzeichnen.

Der Weg gibt uns recht: Wir haben bei den Einbrüchen in Einfamilienhäuser ein Minus bei den Anzeigen.

Der Weg gibt uns recht: Wir haben eine Erhöhung der Aufklärungsquote.

Der Weg gibt uns recht: Wir zählen zu den sichersten Ländern der Welt. Die Gesamt­kriminalität sinkt und die Aufklärungsquote steigt. – Also, der Weg gibt uns recht! Wir sind da auf einem richtigen Weg, und den werden wir auch weiter fortsetzen. (Bundes­rätin Mühlwerth: Davon wird in der Dringlichen nicht gesprochen! Sie sind auf der fal­schen Veranstaltung!)

Damit komme ich jetzt zu den Beschaffungsvorgängen, wo es um die Frage geht: Wie effizient organisiere ich eine Struktur, um jenes Sicherheitsgefühl zu bekommen, das die Bürger zu Recht von der Republik erwarten? (Bundesrätin Mühlwerth: Da geht es nicht um die Struktur, sondern um Beratungen der Ministerin!)

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, beginnend mit der Polizeireform im Jahr 2005, nämlich der Zusammenführung der Wachkörper Polizei und Gendarmerie. Wir haben die Sicherheitsbehörden von 31 auf 9 zusammengeführt und effizientere Strukturen ge­schaffen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir haben dadurch mehr Polizis­ten auf der Straße. Wir haben Doppel- und Dreifachgleisigkeiten abgeschafft und haben dadurch ein Einsparungspotenzial von 8 bis 10 Millionen € pro Jahr erzielt. Das sind Maß­nahmen, die notwendig waren. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Jetzt komme ich zu den Ausgaben, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ja auch Thema dieser Dringlichen Anfrage sind.

Das Bundesministerium für Inneres gibt jährlich 681 Millionen € – ich betone: 681 Mil­lionen € – für die Sicherheit in diesem Land aus. Wir haben 1 000 Polizeidienststellen, von Vorarlberg bis ins Burgenland. (Bundesrat Ertl: Trotzdem ist die Polizei schwer unter Druck!) Wir gaben in diesem Bereich für Mieten und Betriebskosten in einem Jahr, nämlich im Jahr 2012, 117,3 Millionen € aus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das The­ma ist, was ohne Kontrolle, ohne Ausschreibung ausgegeben wird!)

Wir geben allein für IT- und Kommunikationstechnik im Jahr  (Bundesrätin Mühl­werth: Das ist nicht das Thema!) Frau Kollegin, beruhigen Sie sich einmal! (Neuerli­cher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Frau Kollegin, bei aller Wertschätzung, ist alles in Ordnung? Melden Sie sich noch einmal zu Wort! (Weitere Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth.)

Frau Kollegin, wenn man so Sicherheitspolitik macht, wie Sie das kommunizieren, kommt nichts heraus. Sie sollten sich noch einmal zu Wort melden. (Bundesrätin Mühl­werth: Das ist nicht das Thema!) Lassen Sie mich einmal in Ruhe ausreden! Ich habe Sie auch ausreden lassen. Schreiben Sie es sich auf, wenn Sie es sich nicht merken, und kommen Sie hier noch einmal heraus und diskutieren Sie es noch einmal. Das ist ja kein Problem. – Gut. Also ich darf weiter fortsetzen.

Wir geben allein für IT- und Kommunikationsleistungen im Jahr 69,6 Millionen € aus. Das betrifft 27 000 IT-Dienststellen. Das ist eine gewaltige Summe.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 122

Ich komme jetzt auf den Digitalfunk zu sprechen, den Sie in Ihren Ausführungen auch angesprochen haben. Der Digitalfunk, der sich bewährt, ist aus der Situation heraus entstanden, dass die Einsatzkräfte dieser Republik bei zwei großen Katastrophen, nämlich bei der Lawinenkatastrophe in Galtür und bei der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002, draufgekommen sind, dass wir ein Funksystem in dieser Republik brau­chen, wo alle Blaulichtorganisationen effizient und vernünftig miteinander kommunizie­ren können. Daher ist die Einführung des Digitalfunks zu Recht erfolgt. (Beifall bei der ÖVP.)

Und jetzt schildere ich Ihnen etwas aus der Praxis, liebe Frau Kollegin und geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Ich bin selber Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Pfaff­stätten. Dort haben wir den Digitalfunk, und er bewährt sich. Alle Einsatzorganisationen sagen, das ist ein System, das zu Recht eingeführt worden ist. Deswegen glaube ich, dass das ein Beispiel für eine verantwortungsvolle Verwendung unserer Budget- und Geldmittel ist.

Das Bundesministerium für Inneres, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht ganz klar nach drei Kriterien vor, die ausschlaggebend sind, letztendlich auch in Bezug darauf, was vergaberechtlich zulässig ist: nach der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit. Das ist eine Vorgangsweise, die auch im Interesse der inneren Si­cherheit ist, die hier letztendlich ganz klar gewährleistet wird.

Das Bundesministerium für Inneres, meine sehr geehrten Damen und Herren – auch diese Zahl sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen –, bezahlt im Jahr für 95 000 Beschaffungsvorgänge. 95 000 Beschaffungsvorgänge gibt das Bundesministe­rium für Inneres jährlich in Auftrag, damit dieser große Apparat, den ich im Vorfeld dar­zustellen versucht habe, funktioniert, damit wir in dieser Republik einen Apparat haben, der die Sicherheit draußen gewährleistet.

Dieser Rechnungshofbericht, den Sie heute zum Anlass für diese Dringliche Anfrage genommen haben, hat 59 der insgesamt 95 000 Beschaffungsvorgänge – ein Teil war ja nicht prüfbar, weil da die Beträge unter 3 000 € lagen – herausgenommen und hat diese noch um 20 erweitert. Also 79 Beschaffungsvorgänge waren Teil der Prüfung, und davon hat der Rechnungshof zwölf detailliert untersucht beziehungsweise geprüft. Und das mit den zwölf Beschaffungsvorgängen wird jetzt wieder hochgerechnet, und das Bild, das sich da darstellt, sieht wirklich sehr verzerrt aus, nämlich: In diesem Rechnungshofbericht gibt es dazu 27 Schlussempfehlungen. – Das ist ein ganz nor­maler Vorgang. Da wir zum Glück in dieser Republik als Teil des Parlamentarismus den Rechnungshof haben, werden Prüfvorgänge ermöglicht.

Also: Vom Rechnungshof gibt es dazu 27 Schlussempfehlungen, und ich bin überzeugt davon, dass von diesen 27 Schlussempfehlungen mindestens zwei Drittel entweder be­reits umgesetzt worden sind oder sich in Umsetzung befinden. Ich glaube, dass das In­nenministerium da sehr richtig und auch korrekt gehandelt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein sicheres Land. Österreich bleibt ein sicheres Land. Und mit dieser Innenministerin und mit diesem Innenminis­terium sind wir auch weiterhin auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

16.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Reich zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.50.24

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätztes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Nun liegt der Bericht des Rechnungshofes vor, und er schlägt hohe Wellen in den Medien.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 123

„Das Innenministerium schöpfte aus dem Vollen und vergab 2010 am meisten externe Aufträge im Vergleich zu anderen Ministerien. Die 72 Millionen Euro waren in Summe aber nicht nur der höchste Betrag, sondern teilweise auch fragwürdig.“ – „Mittagsjour­nal“, 11. März 2013.

Liste an Verfehlungen des Ministeriums ist lang: Unzulässige Direktvergabe, Wahl des falschen Vergabeverfahrens, fehlender oder nicht nachvollziehbarer Auftragswert, Leistungsbeginn vor schriftlichem Vertrag ()“ – „Die Presse“, 12. März 2013.

Und Michael Völker schreibt im „Standard“: „Auftragsvergabe hart an der Illegalität vor­bei, von Vetternwirtschaft getrieben. Da wurden () Parteifreunde bedient, Ausschrei­bungsrichtlinien vorsätzlich umgangen.“ – „Der Standard“, 12. März 2013.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben nun die wenig ehrenvolle Aufgabe, für ein System in Ihrem Haus verantwortlich zu sein, das allen Österreicherinnen und Österrei­chern als das „System Strasser“ bekannt wurde und das für Freunderlwirtschaft und Versorgungspolitik stand, und das nicht nur in den Medien, nicht nur an den Stamm­tischen, sondern es beschäftigt auch Gerichte und Untersuchungsausschüsse.

Der Rechnungshofbericht zur Vergabepraxis im Bundesministerium für Inneres, Schwerpunkt Digitalfunk, liegt uns nun vor. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Ministerin, dafür bedanken, dass Sie am 30. August 2011 dazu den Auftrag gegeben haben, da Sie eine Prüfung haben wollten, damit Ihr Ministerium einen vollständigen und verläss­lichen Überblick über sein Beschaffungsvolumen hat.

Ich möchte nun aus dem mehrere hundert Seiten umfassenden Bericht eine Kurzdar­stellung geben.

Die Beamten des Rechnungshofes prüften von September bis Dezember 2011, nach­dem die Frau Ministerin den Auftrag dazu erteilt hatte, die Gebarung des BMI hin­sichtlich der Vergabepraxis mit dem Schwerpunkt Digitalfunk. Das vom Rechnungshof aufgedeckte System von Vergaben, Kontrolle, Dokumentation und Transparenz wurde, wie heute schon öfter erwähnt, unter Bundesminister Strasser mit seinem damaligen Büroleiter Christoph Ulmer eingeführt und unter Bundesminister Platter sowie Bundes­ministerin Fekter weitgehend fortgeführt.

Besonders setzt sich der Rechnungshofbericht mit dem Beschaffungsvolumen ausein­ander, da das Bundesministerium für Inneres mit 72 Millionen € Spitzenreiter unter al­len Ministerien ist. Es wurden mehr als 15 000 „Beschaffungsfälle“ für Material und Leistungen unter Bundesministerin Fekter extern vergeben. Damit, sagt der Rech­nungshof, lag das Innenressort in diesem Bereich an der Spitze aller Ministerien.

Eine zentrale Rolle als Auftragnehmer und Verteiler – und das haben wir heute schon häufig gehört – spielte die Werbeagentur Headquarter, an der auch Ernst Strassers Ex-Kabinettschef Christoph Ulmer beteiligt war.

Vor wenigen Wochen haben Sie, Frau Ministerin, den Rahmenvertrag mit dieser Agen­tur gekündigt.

Der Rechnungshof bekrittelt auch, dass es keine Vergleichsangebote gab. Laut Rech­nungshofbericht wurden bei mehr als der Hälfte der geprüften Aufträge Mängel fest­gestellt. In 39 Prozent der Fälle fehle ein Vergleichsangebot, in 29 Prozent die Bedarfs­prüfung und in 15 Prozent sei es nicht vollständig oder gar nicht dokumentiert.

Die Direktvergaben mit dem seltsamen Betrag, den schon einige Kollegen von mir an­gesprochen haben, möchte ich nicht mehr wiederholen.

Aber auch in der hausinternen Kontrolle gab es einen Interessenkonflikt, denn die Sek­tion IV war nicht nur für Beschaffungen, sondern auch für die interne Revision und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung zuständig. In sechs Jahren wurde eine einzige Beschaffung hausintern geprüft.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 124

Frau Ministerin, Sie haben nun die interne Revision übernommen, und dafür möchte ich Ihnen danken.

Ein ganz besonderes Beispiel für Verfehlungen ist der Blaulichtfunk unter dem früheren Minister Ernst Strasser. Da kritisiert der Rechnungshof vor allem die Kostenexplosion. Der oft verzögerte Vollausbau soll nun 2018 stehen und soll dann Gesamtkosten von über 1 Milliarde € erreichen.

Nicht nachvollziehbar ist für den Rechnungshof, warum Ulmer, damals als Strassers Kabinettschef schon ausgeschieden, Beratergespräche auch mit den späteren Siegern geführt hatte.

Bereits beim Vorgänger-Projekt konnten keine bindenden Zusagen der Bundesländer zur Teilnahme am Behördenfunknetz vor Vertragsabschluss erreicht werden. Eigent­lich, glaube ich, sollten die Länder mit ihren Blaulichtorganisationen von vornherein ins Boot geholt werden und nicht im Nachhinein einzeln überredet werden. Es ist der Status in Oberösterreich noch offen, im Bundesland Salzburg noch offen und auch im Bundesland Vorarlberg noch offen.

Es gibt eine lange Mängelliste bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres. Ich möchte mich zu den Projekten zur Organisationsentwicklung, zur PR-Beratung, zur strategisch-politischen Beratung, zum Kommunikationscoaching nicht näher äußern, da das von mehreren meiner Vorredner schon ausgeführt wurde.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ab­schließend möchte ich sagen, dass der Rechnungshof feststellt, dass insgesamt, wie schon erwähnt, über 1 Milliarde € in das Projekt Behördenfunk fließen werden.

Dass dieses Projekt äußerst dilettantisch und teilweise auch verantwortungslos in An­griff genommen und durchgeführt wurde, steht für mich persönlich und für viele andere hier herinnen außer Zweifel.

Als Bundesrätin, aber auch als Bürgerin von Österreich möchte ich Ihnen, Frau Minis­ter, für Ihren Auftrag an den Rechnungshof, die Vergabepraxis ordentlich zu prüfen, danken, möchte aber daran meine Bitte anschließen, die Empfehlungen des Rech­nungshofes in Ihrem Ministerium umzusetzen – erste Schritte sind schon gesetzt wor­den –, damit der Begriff „Selbstbedienungsladen“ für das Bundesministerium für Inne­res der Geschichte angehört. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.58.22

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kol­lege Kainz, wenn du es als kreativ bezeichnest, wenn man statt 100 000 den Betrag 99 999,99 wählt, weil man ihn nicht ausschreiben muss, dann muss ich sagen: Das kann vielleicht einmal kreativ, dringlich oder sonst etwas sein, das haben wir wahr­scheinlich schon alle irgendwo erlebt, aber das ist im Innenministerium regelmäßig passiert.

Und außerdem frage ich mich: Wozu diese Kreativität? Entweder steht man dazu, dass man ein Bundesbeschaffungsgesetz habe, in dem steht, dass man ab einem gewissen Betrag ausschreiben muss. Ausschreibungen haben ja den Sinn und Zweck, dass man Angebote vergleicht, das günstigste herausfindet und das dann nimmt. (Bundesrat Kainz: Mit Millionenverlust?) Die Kreativität dieser Aktion mag vielleicht einmal akzep­tabel sein, aber wenn sie häufiger auftritt, dann, denke ich, muss man das sehr wohl hinterfragen.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 125

Und was das betrifft, was du uns mit diesem Millionenverlust sagen wolltest: Vielleicht kannst du uns das irgendwann einmal genauer erklären! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kainz.) Wo kann ein Millionenverlust entstehen? – Man kann rechtzeitig ausschreiben, und dann hat man keinen Millionenverlust. Wenn man knapp dran ist, dann kann es heikel sein, das ist klar.

Im Übrigen möchte ich schon sagen, weil das immer so läppisch als „kreativ“ be­zeichnet wird: Wenn wir schon ein Gesetz haben, dann sollten wir uns alle daran auch halten, nämlich die Gemeinden, die Ministerien, bis ganz oben hin, aber auch die Län­der, die das ja auch nicht immer machen. Wir sollten, wie gesagt, das Gesetz, das wir selber beschlossen haben, auch einhalten. Das sollte man vor allem auch von einem Ministerium erwarten können.

Der Millionenverlust ist meiner Auffassung nach genauso eine Rauchbombe wie man­ches, das die Frau Ministerin gesagt hat. In Wirklichkeit waren es keine Antworten. Es war ein beiläufiges „Der Rechnungshof hat sich offenbar geirrt“ – das ist so durchge­klungen – oder „Damit stimme ich nicht überein“. Eine Begründung, warum, habe ich nicht gehört. Dann war dieses „Ich kann das nicht sagen, denn der Rechnungshof hat mir ja auch nicht gesagt, welche Firmen er da geprüft hat“ oder „Die Namen sind nicht bekannt“. – Da frage ich mich – der Rechnungshof macht normalerweise einen Roh­bericht, dann gibt es eine Stellungnahme vom Ministerium, und dann gibt es einen Endbericht –: Gibt es da keine Kommunikation dazwischen?

Wenn Sie uns jetzt bei ich weiß nicht wie vielen Fragen gesagt haben, Sie können die Namen nicht nennen, denn der Rechnungshof hat einige geprüft, aber Sie wissen nicht, welche, dann fehlt es an Kommunikation, sorry. Auch wenn man sich jetzt ange­griffen fühlt von einem Rechnungshof – das betrifft ja gar nicht Sie, es geht ohnedies um Ihren Vorgänger und Ihren Vorvorgänger et cetera –, kann man doch kommunizie­ren und nachfragen!

Dieses Interesse daran würde ich mir schon von Ihnen erwarten, denn es ist jetzt Ihr Ressort, und ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie das ernst nehmen. Es geht um viel, viel Geld. Und dieses viele, viele Geld, das da in diverse Kanäle geschwommen ist, nur nicht in die richtigen Kanäle, wo es hingehört hätte – nämlich in die Ausrüstung unserer Polizisten und Polizistinnen –, das sollte man schon nachvollziehen. Und ich denke mir, gerade wenn Sie das Amt relativ frisch übernommen haben, haben Sie jetzt die Möglichkeit, selbst nachzuvollziehen und selbst nachzuschauen, was da wirklich passiert ist. Das können Sie in Ihrer Lage am allerbesten.

Ich würde mir wünschen, dass man diese Abwehrhaltung, die immer gleich so auf­taucht – so nach dem Motto: der Rechnungshof irrt sich halt, denn der irrt sich nur bei der anderen Farbe nicht –, irgendwann einmal aufgeben würde, denn das bringt es ja nicht wirklich. Die Menschen – Sie lesen ja auch Medienberichte – bilden sich ihre Mei­nung, und sie werden sich auch ihre Meinung bilden, wenn Sie derartige Rauchbom­ben dazu werfen.

Ich würde mir wünschen, dass Sie die Fehler suchen – wobei ich eines nicht ganz ver­stehe: Wenn Sie persönlich jetzt die Revision übernehmen, so gehe ich nicht davon aus, dass Sie jetzt die Akten durchblättern. Oder ist das so gemeint? – Vielleicht kön­nen Sie das auch noch erklären, wer das dann wirklich macht; denn ich nehme an, Sie übernehmen die Verantwortung für die Revision, aber selbst werden Sie es nicht erle­digen.

Ich würde mir also wünschen, dass die Fehler wirklich ernsthaft gesucht werden und dass es auch Konsequenzen hat – denn wenn Beamte, die ja auch nicht so wenig ver­dienen, regelmäßige Fehler bei der Vergabe gemacht haben, dann muss das Konse­quenzen haben, und die Konsequenzen müssten eigentlich Sie setzen.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 126

Ich würde Sie darum bitten – und es würde Sie wirklich auszeichnen, wenn Sie als eine der ersten Betroffenen auch wirklich so vorgehen würden. Ich weiß, es hat ja auch in anderen Ministerien schon viele Skandale und viele Probleme gegeben – ich denke nur an den Herrn Lebensminister, und diverse Homepages gab es auch schon bei anderen Finanzministern. Man kann es sich dann ja anschauen, ehrlich dazu stehen und das, was passiert ist, auch wirklich transparent machen. Das wäre vielleicht einmal ein Ver­such einer neuen Vorgangsweise, mit der man auch in den Medien vielleicht dann an­ders dastehen würde, als Sie es jetzt tun. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

17.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Perhab zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.03.14

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesrätin Reich, ich kann Sie beruhigen: Die Frau Minister hat bereits reagiert (Bundesrat Todt: Das hat sie ja ge­sagt!), und von den angekündigten 27 Empfehlungen des Rechnungshofes sind schon 23 umgesetzt. (Rufe bei der SPÖ: Das hat sie ja gesagt!) Wir und vor allem die Frau Ministerin sind hier auf dem Weg, diese Dinge abzustellen. Wobei ich grundsätzlich schon hinzufügen muss: Ich bin ein begeisterter Parlamentarier und ich schätze das Instrument der Dringlichen Anfrage und lebendigen Parlamentarismus, aber, Frau Kol­legin Mühlwerth, irgendwo ist die Suppe für eine Dringliche Anfrage heute relativ dünn. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sehe ich aber nicht so!)

12 Fälle von 95 000 Beschaffungen im Ministerium, 12 Fälle! (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das macht es nicht besser!)

Da du unterschwellig so getan hast: Es könnte ja sein, dass das mit der ÖVP irgend­was zu tun hat! (Bundesrätin Mühlwerth: Hat es ja auch!), so muss ich, wenn ich auf diesem Niveau mit dir diskutieren will, sagen: Es könnte auch sein, dass der Herr Präsident des Rechnungshofes zufällig ein FPÖ-Mitglied ist! (Bundesrat Jenewein: Ist er nicht!) Das ist auch ein Zufall, gell? (Bundesrätin Mühlwerth: Ist er nicht!) – Aber macht ja nichts. (Bundesrätin Mühlwerth: Außerdem haben wir uns einmal darauf ge­einigt, !) Lassen wir das.

Ich denke, dass die Grundsätze im Vergabewesen mit den durch uns auch beschlos­senen Gesetzen in Österreich nicht nur relativ transparent, sondern auch sehr scharf gefasst sind und es nicht immer leicht ist, die formalen Kriterien einzuhalten. Ich denke etwa nur daran, dass die Vergabepraxis im Innenministerium nämlich wie folgt ist: Was ist vergaberechtlich zulässig? Welche vergaberechtlich zulässige Vorgangsweise ent­spricht am besten dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit, Zweckmä­ßigkeit und Sparsamkeit?

Dazu kommt aber noch, dass es im Innenministerium Thematiken gibt, die natürlich et­was mit Sicherheit zu tun haben, mit nationaler Sicherheit. Das kann man nicht alles so transparent im „Falter“ oder sonst irgendwo darstellen und ausschreiben. Diese Dinge haben eine spezielle Materie zu behandeln.

Kein Geringerer als einer der Experten, nämlich Herr Universitätsprofessor Aicher, hat die wichtigsten Vergabevorgänge geprüft und sie exakt beurteilt mit seiner Expertise. Ich meine, wenn das alles nicht zählt, dann muss man zumindest einmal sagen: Uns und dem Ministerium und der Frau Minister kann man den besten Willen überhaupt nicht absprechen, dass sie, wenn das nun einmal passiert ist, das abstellt, sodass das in der Zukunft natürlich nicht mehr vorkommt.

Das Innenministerium ist das Ministerium in Österreich, in dem in den letzten sieben, acht Jahren unter ÖVP-Ministern die größten Reformvorhaben umgesetzt wurden. Den-


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ken Sie an die Vereinigung der beiden Wachkörper, die Polizeireform, jetzt wieder die Ausrüstung der Polizei und, und, und – es gibt kein anderes Ministerium, in dem derart riesige Reformen gemacht wurden. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber darum geht es nicht!) Und wo gehobelt wird, fallen Späne! (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein, nein, so einfach ist das nicht: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“!)

Lass dich beruhigen, Frau Kollegin: Unsere Minister in der Regierung sind angetreten, um Reformen umzusetzen, um zu arbeiten und das Beste für Österreich zu machen, und das wird auch in Zukunft so bleiben! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jene­wein. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.07.04

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mich jetzt nicht zu Wort gemeldet, wenn es zuletzt nicht noch zwei so „kreative“ Redebeiträge gegeben hätte; dann hätte man das auf sich beruhen lassen können. Aber es gilt, ein paar Dinge klarzustellen, die man so sicher nicht im Raum stehen lassen kann.

Erstens, Herr Kollege Perhab: Herr Rechnungshofpräsident Moser ist kein Mitglied der FPÖ. Er war Mitglied der FPÖ, das ist aber schon über zehn Jahre her. – Das zur Klar­stellung.

Wenn man – das sollte man schon klarstellen – dem Rechnungshofpräsidenten hier unterschwellig Parteilichkeit vorwirft, dann wäre es auch notwendig, diese zu bewei­sen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es kann nicht so sein, dass der Rechnungshof immer dann gut ist, wenn es die ande­ren betrifft – da hört man dann nämlich nichts davon –, aber nicht, wenn der Rech­nungshof vielleicht einmal einen Blick auf Vergaben wirft, die – der Herr Kollege Kainz hat das vorher so schön beschrieben – „kreativ“ sind. Na ja, die kreative Buchhaltung, die kennen wir. Und wenn das einmal der Fall wäre, dann würde man vielleicht sogar noch sagen: Na ja, da haben Sie recht, das war eine Notwendigkeit, und darum kommt man hier auf 99 999,99. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn Sie ein bisschen hineingeschaut hätten in diesen Bericht, dann würden Sie auch nachvollziehen können, dass das nicht nur einmal passiert ist, sondern das ist ja in mehreren Fällen passiert. Und wenn so etwas in mehreren Fällen passiert, dann liegt zumindest der Verdacht auf der Hand, dass diese „kreative“ Buchhaltung vielleicht auch genau deshalb so kreativ ist, um eben zu verhindern, dass man eine öffentliche Ausschreibung machen muss. Und das ist schon einmal sehr interessant.

Es gibt ja auch noch andere Dinge; wir reden jetzt nicht nur von 99 999,99 Cent. Was das Jahr 2010 betrifft, so müsste ich Sie übrigens auch da ganz kurz korrigieren: Sie sprechen von 95 000 Beschaffungsvorgängen. Der Rechnungshofbericht spricht von 15 000 Beschaffungsvorgängen – nicht von 95 000, sondern von 15 000. Und von diesen 15 000 sind 59 Fälle stichprobenartig herausgenommen worden, und bei diesen 59 Fällen sind genau diese Auffälligkeiten gewesen. Das ist einmal der Punkt. Und wenn man weiß, dass das nur Stichproben waren, was meinen Sie, was da zum Vor­schein kommt, wenn man die ganze Buchhaltung noch einmal aufschnürt? Da wird es dann wirklich interessant!

Wir haben zum Beispiel im Jahr 2010 die AURA Unternehmensberatung, bei der macht es zum Beispiel 128 845,10 € aus – ebenfalls freihändig vergeben, obwohl da der


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Schwellenwert überschritten wurde. Das Bundesvergabegesetz sagt eindeutig, was zu tun ist, wenn eine Vergabe über mehr als 100 000 € erfolgt.

Dann haben wir noch den Herrn Niko Alm mit seiner Super-Fi GmbH. Die ist nicht so spannend, aber dann wird es wieder interessanter, denn dann gibt es die REPUCO Unternehmensberatung GmbH mit einer Vergabe über 75 000 €, und zufälligerweise ist der Herr Wolfgang Gattringer, der auch im Kabinett Strasser für die Blaufunk-Vergabe zuständig war, einer der Profiteure.

Dann schaut man weiter und findet dann zufällig eine Sandfire AG. Schaut man nach, dann stellt man fest: Aha, eine Schweizer Firma – das kann ja nicht so spannend sein – mit Sitz in Luzern. Wenn man dann schaut, wer denn bei dieser Sandfire AG in Luzern eigentlich mitarbeitet, dann findet man interessanterweise wieder den Herrn Gattringer! Zufälligerweise ist der Herr Gattringer auch in Luzern engagiert, und zufälli­gerweise kriegt dann diese Firma den Zuschlag!

Es ist schon richtig, Frau Bundesministerin, dass Sie selbst veranlasst haben, dass der Herr Ulmer mit seiner der ÖVP zumindest nicht fernstehenden Agentur „Headquarter“ künftig nicht mehr für Ihr Ressort arbeiten wird. Aber ganz eigenartigerweise, unmit­telbar nachdem Sie das bekanntgegeben haben, Frau Minister, gründet der Herr Ul­mer, und zwar am 13. Dezember 2012 – das ist also noch nicht allzu lange her, im De­zember vergangenen Jahres –, die Gradus Proximus GmbH, gemeinsam mit einem gewissen Herrn Thomas Zach. – Für die, die nicht wissen, wer der Herr Thomas Zach ist: Schauen wir einmal ein bisschen in Richtung Staatsdruckerei, schauen wir einmal, was dort gelaufen ist.

Zufälligerweise gibt es da also eine neue Firma. Und ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Wir werden ganz genau schauen, ob vielleicht zukünftig mit dieser Gradus Proximus, oder wie diese Firma halt künftig heißen wird – vielleicht ändert sie ja auch den Na­men, und der Herr Ulmer taucht in einer anderen Firma wieder auf –, ob vielleicht der Herr Ulmer mit einer weiteren Firma irgendwie wieder auftaucht. Denn eines ist schon auffällig: Es sind immer dieselben Pappenheimer!

Es ist ja nicht so, dass es verboten sein soll – um Himmels willen! –, nur weil jemand ÖVP-nahe ist, dass er mit einem Ministerium Geschäfte macht. Darum geht es be­stimmt nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, nein, nein, darum geht es bestimmt nicht. Wenn die Arbeit in Ordnung ist, dann hat überhaupt niemand ein Problem damit. Die Auffälligkeit macht es aus, und die Optik macht es aus. Und da muss man schon sagen – und da möchte ich eigentlich meinen Vorrednern recht geben –, bei der Optik, die da an den Tag gelegt wird, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Politver­drossenheit in den kommenden Monaten und Jahren weiter ansteigt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

17.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Mikl-Leitner. – Bitte, Frau Minister.

 


17.11.52

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren im Bundesrat! Ich darf noch einmal ganz klar betonen, dass ich es war, die den Rechnungshof gebeten hat, da eine umfassende Prüfung vor­zunehmen, um in diesem Bereich für Klarheit und Transparenz zu sorgen.

Ich darf noch einmal ganz klar die Zahlen vorbringen. Es handelt sich bei uns im Bun­desministerium für Inneres um 15 000 Beschaffungsaufträge pro Jahr über den Wert von 3 000 € – ohne die Beschaffungen über die Bundesbeschaffungsagentur. In Sum­me ergeben alle Beschaffungen, auch jene unter 3 000 €, ein Volumen von 95 000 Auf­trägen, die pro Jahr erteilt werden.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 129

Der Rechnungshof hat in seinem Bericht 79 Beschaffungen geprüft und zwölf detailliert dargestellt. Das heißt, es handelt sich um eine ganz kleine Stichprobe, auf deren Grundlage es nicht zulässig ist, auf das gesamte Beschaffungswesen oder die ge­samte Beschaffungsvergabe Schlüsse zu ziehen. Ganz klar ist auch, dass sich die Ex­pertinnen und Experten unseres Hauses an alle gesetzlichen Grundlagen, an alle Richtlinien und Verordnungen gehalten haben.

Der Rechnungshof hat jetzt umfassend diese zwölf Vergaben geprüft. Selbstverständ­lich werden wir den Empfehlungen des Rechnungshofes Rechnung tragen, und ich kann jetzt schon sagen, dass wir einen Großteil dieser Empfehlungen umgesetzt ha­ben.

Gestatten Sie mir noch, ein Wort zu sagen betreffend die Amtssignatur, betreffend die Auftragsvergabe über 99 999 €. Sie wissen ganz genau, dass es da seitens des Bun­deskanzleramtes einen ganz klaren Auftrag betreffend die Umsetzung der Amtssig­natur gab, dass die Bundesbeschaffungsagentur den Auftrag gehabt hätte, da eine Ausschreibung vorzunehmen, die es bis dato nicht gab. Daher hat das Haus nach ei­ner Individuallösung gesucht und hat den Zuschlag an diese Firma gegeben.

Warum hat das Haus nach einer Individuallösung gesucht? – Weil wir sonst nämlich Gefahr gelaufen wären, auf Einnahmen zu verzichten, weil es bei uns im Haus um Hunderte von Verwaltungsstrafverfahren geht. Das heißt, diese Verwaltungsstrafver­fahren müssen zugestellt werden, und die hätten nicht zugestellt werden können. So­mit wäre ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden.

Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich lasse mir diesen Vorwurf, den Sie heute getätigt haben, auch gerne gefallen, denn ich möchte nicht wissen, wie der Vorwurf von Ihnen gelautet hätte, wenn das Haus auf einen zweistelligen Millionenbetrag an Euro verzich­ten hätte müssen.

Ich sage den Expertinnen und Experten meines Hauses ein herzliches Danke dafür, dass sie in diesem Fall zu 100 Prozent korrekt gehandelt haben, damit für das Haus und die Republik kein Schaden entsteht. Dafür ein Danke an die Beamtenschaft! (Bei­fall bei der ÖVP.)

17.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

17.15.39Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2939/J-BR/2013 bis 2942/J-BR/2013, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, 5. April 2013, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis da­hin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll818. Sitzung / Seite 130

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 3. April 2013, ab 14 Uhr, vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.16.16Schluss der Sitzung: 17.16 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien