Stenographisches Protokoll
836. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 4. Dezember 2014
836. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Donnerstag, 4. Dezember 2014
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 4. Dezember 2014: 9.02 – 15.00 Uhr
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Tagesordnung
Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 30
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert wird
2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 (ASRÄG 2014)
3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird
4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird
5. Punkt: Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angelegenheiten des Pflegegeldwesens
6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden
7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird
8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird
9. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013
10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden
11. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Bildungsmaßnahmen im Bereich Basisbildung sowie von Bildungsmaßnahmen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses für die Jahre 2015 bis 2017
12. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013
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Inhalt
Bundesrat
Vorschlag der Präsidentin Ana Blatnik gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR, die Tagesordnung um das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013 (46545/EU, XXV. GP) zu ergänzen – Annahme 30, 30
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................................ 8
Aktuelle Stunde (30.)
Thema: „Aktuelle Herausforderungen in der Asylpolitik“ ........................................ 8
Redner/Rednerinnen:
Franz Perhab ........................................................................................................... ....... 8
Christian Füller ....................................................................................................... ..... 10
Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 13
Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 16
Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 18
Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 20
Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 21
Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 23
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 24
Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 26
Bundesregierung
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 29
Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 30
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 30
Ausschüsse
Zuweisungen ........................................................................................................... 28, 99
Verhandlungen
1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert wird (320 d.B. und 344 d.B. sowie 9257/BR d.B. und 9259/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 31
Berichterstatterin: Brigitte Bierbauer-Hartinger ......................................................... 31
Redner/Rednerinnen:
Michael Lampel ....................................................................................................... ..... 31
Peter Oberlehner .................................................................................................... ..... 33
Christoph Längle .................................................................................................... ..... 34
Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 35
Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ..... 36
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 38
Gemeinsame Beratung über
2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 (ASRÄG 2014) (319 d.B. und 334 d.B. sowie 9260/BR d.B.) 38
Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 38
3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird (335 d.B. sowie 9261/BR d.B.) ................................. 38
Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 38
4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (336 d.B. sowie 9258/BR d.B. und 9262/BR d.B.) ............................................................................................................................... 38
Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 38
Redner/Rednerinnen:
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 39
Richard Wilhelm ..................................................................................................... ..... 42
Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 43
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 44
Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 45
Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 47
Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ..... 50
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53
5. Punkt: Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angelegenheiten des Pflegegeldwesens, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (III-535-BR/2014 d.B. sowie 9263/BR d.B.) ................................................................................ 53
Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 54
Redner/Rednerinnen:
Christoph Längle .................................................................................................... ..... 54
Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 55
Josef Saller .............................................................................................................. ..... 56
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 57
Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 57
Bundesminister Mag. Gerald Klug ....................................................................... ..... 59
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-535-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................... 59
6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden (318 d.B. und 327 d.B. sowie 9265/BR d.B.) ................................................................................................................. 60
Berichterstatter: Günther Novak .................................................................................. 60
Redner/Rednerinnen:
Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 60
Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 61
Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 62
Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 62
Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ..... 63
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 64
Gemeinsame Beratung über
7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (721/A, 697/A und 329 d.B. sowie 9266/BR d.B.) 64
Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 64
8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (295/A und 330 d.B. sowie 9267/BR d.B.) 64
Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 64
Redner/Rednerinnen:
Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 65
Günther Novak ........................................................................................................ ..... 66
Friedrich Reisinger ................................................................................................. ..... 67
Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 68
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 70
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 70
9. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-534-BR/2014 d.B. sowie 9268/BR d.B.) ............................................................................................................................... 70
Berichterstatter: Günther Novak .................................................................................. 70
Redner/Rednerinnen:
Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 70
Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 73
Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 74
Gerhard Schödinger ............................................................................................... ..... 75
Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................... ..... 76
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-534-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................... 77
10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (263 d.B. und 325 d.B. sowie 9256/BR d.B. und 9269/BR d.B.) ............................................................................................................................... 77
Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 77
Redner/Rednerinnen:
Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 77
Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 78
Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 79
Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 79
Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ..... 80
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 81
11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Bildungsmaßnahmen im Bereich Basisbildung sowie von Bildungsmaßnahmen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses für die Jahre 2015 bis 2017 (317 d.B. und 324 d.B. sowie 9264/BR d.B.) ............................... 81
Berichterstatter: Rene Pfister ....................................................................................... 81
Redner/Rednerinnen:
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 81
Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 83
Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 84
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 86
Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 87
Mag. Christian Jachs .............................................................................................. ..... 89
Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 89
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 91
12. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013 (46545/EU, XXV. GP) 91
Redner/Rednerinnen:
Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 91
Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 93
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 94
Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 96
Reinhard Todt (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. ..... 98
Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 98
Eingebracht wurden
Antrag der Bundesräte
Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebührenzahlung aufgrund nachträglicher Zurechnung der Kellerabteile zur Wohnnutzfläche (208/A(E)-BR/2014)
Anfragen der Bundesräte
Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anhaltezentrum Vordernberg (3038/J-BR/2014)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Sicherheit in unseren Gemeinden (3039/J-BR/2014)
Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Verankerung von „Erster Hilfe“ im Lehrplan (3040/J-BR/2014)
Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Blutsicherheits- und Arzneiwareneinfuhrgesetz (3041/J-BR/2014)
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verleumdung von öffentlich Bediensteten und Beamten (3042/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich der Bundesministerin für Bildung und Frauen (3043/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich der Bundesministerin für Inneres (3044/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich der Bundesministerin für Familie und Jugend (3045/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich der Bundesministerin für Gesundheit (3046/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundeskanzlers (3047/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (3048/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres (3049/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Finanzen (3050/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Justiz (3051/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (3052/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport (3053/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (3054/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (3055/J-BR/2014)
Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Softwarenutzung im Vollzugsbereich des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien (3056/J-BR/2014)
Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr
Präsidentin Ana Blatnik: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 836. Sitzung des Bundesrates.
Einen wunderschönen guten Morgen! Dobro jutro!
Das Amtliche Protokoll der 835. Sitzung des Bundesrates vom 2. Dezember 2014 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.
Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Gerhard Dörfler, Ilse Fetik, Johanna Köberl, Ewald Lindinger und Elisabeth Reich.
Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema
„Aktuelle Herausforderungen in der Asylpolitik“
mit Frau Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner, die ich herzlich bei uns im Bundesrat willkommen heißen darf. Schön, dass Sie hier sind! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:
Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner oder eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eventuell eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.
Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. Ich mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.
9.03
Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Selten hat eine Aktuelle Stunde durch die internationale Lage, die keiner von uns vor zwei Jahren voraussagen hätte können, eine derartige Aktualität. Österreich ist angesichts dieser Dramen, die sich östlich unseres Kontinents abspielen, herausgefordert, seinen Teil beizutragen. Kein Mensch hat realistisch damit rechnen können, dass wir eine Flut von über fünf Millionen syrischen Flüchtlingen haben werden, die wir auch teilweise in Europa versorgen und menschenwürdig behandeln müssen. Ich denke, das ist eine der größten Herausforderungen für unsere Regierung, in besonderer Weise für das zuständige Innenministerium, aber auch für alle österreichischen Verantwortungsträger auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Österreich braucht sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Wir haben eine große Tradition bei der Aufnahme von Flüchtlingen, von der Ungarnkrise über die Tschechoslowakei bis zum Kosovo, und auch die heutigen Zahlen sprechen Bände.
Wenn man schaut, dass wir im Jahr 2014 4 720 Asylanträge von Flüchtlingen aus Syrien, aus Afghanistan 2 818, aus Tschetschenien 1 230 – heuer zwar minus 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr –, aus dem Kosovo und so weiter, sogar aus Somalia 806 Anträge haben, so sehen wir, dass wir gefordert sind, nicht nur den gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen, sondern auch unseren humanitären Ansprüchen. Ich denke, für meine Gesinnungsgemeinschaft kann ich das als Wertkonservativer auch begründen, dass wir selbstverständlich menschlich zu agieren haben.
Nichtsdestotrotz gibt es natürlich in der Umsetzung dieser Herausforderung sowohl in unserer Bevölkerung, aber auch in anderen Nebenbereichen große Probleme. Da bin ich schon bei einem wichtigen Punkt, der in den letzten Monaten immer wieder gefordert wurde, dem freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber.
Wir haben uns das genau angeschaut und mit Frau Präsidentin Zwazl in der Wirtschaftskammer auch diese Zahlen diskutiert. Lässt es der österreichische Arbeitsmarkt bei 410 000 Arbeitslosen zurzeit zu, dass wir uneingeschränkt diese Arbeitserlaubnis erteilen?
Die zweite Frage ist, ob es nicht eine Möglichkeit ist, über die normale Zuwanderung eine Arbeitserlaubnis zu erlangen, wenn wir das Asylverfahren verkürzen. Die subsidiär Schutzbedürftigen sind, wenn die Schutzbedürftigkeit festgestellt wurde, ja nach drei Monaten bereits de jure auf dem Arbeitsmarkt zugelassen. Faktum ist, dass diese subsidiär Schutzbedürftigen diese Quote gar nicht ausnützen. In Wien sind zum Beispiel 40 Prozent der Mindestsicherungsbezieher bereits subsidiär schutzbedürftige Personen.
Ich denke, da müssen wir nachschärfen, weil wir von der Wirtschaft ja nicht a priori gegen eine Arbeitsbewilligung für einen Asylwerber sind, wenn Not am Mann ist. Und diese Möglichkeit gibt es ja vor allem für Saisonniers im Tourismus, aber auch in der Landwirtschaft. Sie wird aber leider sehr wenig angenommen, weil wir die Flüchtlings- und Asylkonzentration in den Ballungszentren haben und niemand gerne freiwillig in der Wintersaison für drei oder vier Monate vielleicht nach Vorarlberg zieht, wenn er hier in Wien seine familiäre Umgebung als Asylwerber hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, in Österreich, auch im Bereich des zuständigen Innenministeriums, hat sich in den letzten Jahren einiges verbessert, auch durch die Einrichtung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts. 2013 dauerte ein Asylverfahren im Schnitt 2,8 Monate, 70 Prozent der Verfahren wurden binnen sechs Monaten entschieden. Hier haben wir auf europäischer Ebene fast ein Best Practice-Beispiel.
Ich war mit der Kollegin Korun und dem Kollegen Wittmann bei diesem Asyl-EU-Meeting in Rom. Dort wurden wir aufgrund der prekären Situation aufgefordert, zusätzliche Quoten zu übernehmen. Aber wir können uns von den Basisdaten her durchaus europaweit sehen lassen.
Damit auch die Zukunft funktioniert, hat es von der Frau Ministerin im EU-Innenministerrat in Brüssel die Initiative „Save Lives“ gegeben. Bei der europaweiten Festlegung von Quoten würden wir unseren Anteil natürlich übernehmen. Wenn wir die Quoten nach Einwohnerzahlen der einzelnen EU-Staaten regeln würden, dann hätten wir heute statt 17 000 8 000 Flüchtlinge in Österreich zu versorgen. Auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hat da mitgezogen, für Deutschland wäre das eine Verringerung von derzeit 65 000 auf 25 000. Also wenn wir das Stichwort Verteilungsgerechtigkeit einmal in einem anderen Sinne betrachten, dann würde ich sagen, dass wir uns im europäischen Vergleich durchaus ab und zu auch selbst loben dürfen, noch dazu, weil wir einen Standard der Unterbringung haben, von dem andere europäische Länder nur träumen können.
Ich weiß nicht, wer vor Ort irgendwelche Flüchtlingslager in Italien oder in Griechenland besucht hat, vielleicht Efgani Dönmez, aber ich denke, wir befinden uns da durchaus auf einem hohen Niveau.
Die Kunst wird es in Zukunft sein, die österreichische Bevölkerung nicht zu überfordern, sie miteinzubinden, damit nicht schon a priori diese Konflikte entstehen, die die FPÖ natürlich gerne schürt, dass man sagt, wir sind zu klein, wir sind nicht in der Lage, das zu bewältigen, und andererseits wird hier natürlich politisches Kleingeld gewechselt. Ich denke, dass das nicht die Hauptstrategie sein kann und dass der humanitäre Aspekt durchaus auch zu berücksichtigen ist.
Ich glaube, ein wesentlicher Meilenstein für die Zukunft ist der Beschluss der Landeshauptleutekonferenz über das neue Flüchtlingskonzept, das die Frau Bundesministerin ausverhandelt hat und das beinhaltet, dass anstatt der Konzentration auf das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen ein Teil der Flüchtlinge direkt in die Bundesländer und in die Regionen geschickt wird und von dort eine raschere Verteilung auf kleinere Einheiten organisiert wird.
Die Bundesländerquoten – wir befinden uns ja hier in der Länderkammer – sind nicht überall erfüllt. In meinem Bundesland Steiermark liegen wir zurzeit bei 98 Prozent, und ich bin guten Mutes, dass wir die fehlenden 150 Flüchtlinge noch unterbringen werden.
Nicht beispielgebend war die Situation in Steinhaus am Semmering, die durch alle Medien gegangen ist. Ich denke, wer dieses Hotel – ich glaube, es ist ein ehemaliges Gewerkschaftsheim – kennt und weiß, wo das ist, der kann niemals das Problem aufwerfen, dass die Bevölkerung dort belästigt werde, weil es dort keine Bevölkerung gibt. (Heiterkeit bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
Da gibt es zwei Kilometer weiter oben den Pass, und zwei Kilometer unten ist Steinhaus. Das liegt mitten im Wald, also eine direkte Belästigung hat es dort nie gegeben, und ich hoffe, dass diese Überbrückung mit den 120 Personen demnächst endet und eine Lösung gefunden wird, dass wir in der Steiermark Gemeinden finden, die freiwillig zehn oder 15 Flüchtlinge aufnehmen. Wenn wir das in der Steiermark nämlich der Gemeindegröße entsprechend machen, dann haben wir in Zukunft weniger Probleme, die Integration wird leichter sein, und auch die Überbrückung und die Finanzierung ist, glaube ich, besser sichergestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das ist auch eine der Stärken der Österreichischen Volkspartei, dass wir versuchen, beiden Seiten gerecht zu werden: dem humanitären Aspekt und dem internationalen Aspekt unserer Verantwortung innerhalb der Europäischen Union einerseits, und andererseits auch – zukunftsorientiert – jenem Aspekt, unsere Bevölkerung nicht radikal zu überfordern. Ich glaube, das ist ein gangbarer Weg, ein menschlicher Weg, der Österreich guttun wird und unsere Menschen mit viel Überzeugungsarbeit dazu bringen wird, humanitär zu handeln und Verständnis zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)
9.12
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. – Bitte.
9.12
Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Thema der heutigen Aktuellen Stunde wurden von der Frau Bundesministerin aktuelle Herausforderungen in der Asylpolitik genannt. Es handelt sich dabei um einen sehr umfassenden Themenkomplex, der, wenn man sich damit ernsthaft beschäftigt, auch nicht ohne Weiteres abzuhandeln ist.
Tagtäglich erreichen uns über die Medien – Zeitungen, Fernsehen, Internet und so weiter – viele erschreckende Bilder aus dem syrischen Kriegsgebiet. Nicht nur Bilder einer zerstörten Infrastruktur nach dreieinhalb Jahren Krieg in Syrien, sondern auch eine Vielzahl von Berichten über Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Vergewaltigungen, Folter und Mord an vermeintlichen oder echten Kriegsgegnern oder Angehörigen von religiösen Minderheiten oder Volksgruppen aufseiten der meisten Kriegsparteien kommen bis in unsere Wohnzimmer.
Hier zu handeln, hier nicht wegzusehen und Menschen den bestmöglichen Schutz angedeihen zu lassen, ist die Pflicht eines zivilisierten Staates, ist die Pflicht einer zivilisierten Gesellschaft, und das trifft auf die Europäische Union, das trifft auf Österreich zu.
Wir sprechen momentan von einigen Tausenden Kriegsflüchtlingen aus Syrien, müssen uns aber auch vor Augen halten – Kollege Perhab hat es ja angesprochen –, dass Länder wie die Türkei, der Libanon, der Irak oder Jordanien jeweils mehrere Hunderttausend Flüchtlinge aufgenommen haben – im Falle des Libanon sogar 1,2 Millionen bei 5,8 Millionen Einwohnern.
Wie verhält es sich jetzt mit der Situation in Österreich? Von 1999 bis 2013 lag die durchschnittliche Zahl der jährlichen Asylwerber in Österreich bei rund 20 100. In den Jahren 2001 bis 2005 lag diese Zahl wesentlich über dem Durchschnitt, mit über 39 300 war das Jahr 2002 ein Spitzenreiter. Durchschnittlich wurden im Großen und Ganzen, über die Jahre hinweg betrachtet, rund 20 Prozent der Asylanträge als berechtigt anerkannt, der Rest wurde abgelehnt. Momentan bilden die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan die mit Abstand größte Gruppe der Asylwerberinnen und Asylwerber in Österreich.
Die Zuerkennung der Schutzbedürftigkeit erfolgt relativ schnell, zumal diejenigen aus Syrien aus einem direkt betroffenen Kriegsgebiet kommen. Flüchtlinge aus Afghanistan bekommen die Schutzbedürftigkeit nicht automatisch zuerkannt, sondern nur dann, wenn sie aus einem Gebiet mit relativ hoher Gefährdung kommen.
Bezüglich der schnellen Abwicklung der Verfahren liegt Österreich mittlerweile EU-weit an der Spitze. Dafür auch recht herzlichen Dank den Beamtinnen und Beamten für ihre Arbeit. Mittlerweile ist es auch so, dass der Grund für den humanitären Aufenthalt gleich von Beginn an mitgeprüft wird. Die Erstanerkennung erfolgt bereits nach drei Monaten, die Entscheidung nach dem Einbringen von etwaigen Rechtsmitteln erfolgt im Durchschnitt bereits nach rund neun Monaten, und sollte das Verfahren bis zum Verwaltungsgerichtshof gehen, gibt es Entscheidungen in höchster Instanz im Durchschnitt bereits nach rund 15 Monaten. Damit liegt Österreich bezüglich der Schnelligkeit der Verfahren EU-weit am vordersten Platz.
Auch die Tatsache, dass die ausgefolgten Bescheide von den höheren Instanzen kaum infrage gestellt werden und fast ausschließlich anerkannt werden, spricht für die Qualität und die schnelle Abwicklung. Der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtshof haben ja diese Qualität der Erstentscheidungen bereits hier im Haus hervorgehoben.
Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen und festhalten, dass wir anhand der aktuellen Zahlen vom 27. November 2014 von 29 000 Personen sprechen. Bei über 2 000 Gemeinden – Kollege Perhab hat es ja schon angesprochen – dürfte das eigentlich kein großes Thema sein. Ich halte es zum Teil auch für eine Schande, wie diese Debatte geführt wird und dass wir hier Riesenprobleme bei der Unterbringung haben.
Ich stimmen Ihnen, Frau Bundesministerin Mikl-Leitner, auch zu, dass es unerlässlich sein wird, auch EU-weit für eine bessere Lastenverteilung zu sorgen, diese herbeizu-
führen und dafür einzutreten. Aber ich befürchte auch, dass das nicht so schnell umgesetzt werden kann, wie wir uns das wünschen würden, wenn wir in Österreich schon mit neun Bundesländern zum Teil Probleme in diesem Bereich haben. Des Weiteren, denke ich, muss man sich auch im Klaren darüber sein, dass sich höchstwahrscheinlich auch die Dauer der Verfahren wieder länger hinziehen wird.
Da die Grundversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich oder außerhalb der EU auch in der Schweiz auf einem relativ guten Niveau liegt, kann ich mir auch nur schwer vorstellen, dass selbst bei einem Gleichziehen auf EU-Ebene dieses Niveau in anderen Ländern erreicht werden könnte.
Auch in meiner Heimatgemeinde, in Judenburg, und der westlichen Obersteiermark werden jetzt im Dezember und im Jänner 2015 knapp über 100 Kriegsflüchtlinge in Privatquartieren untergebracht werden. Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, festzuhalten, dass es sich um normale Menschen handelt, die vor Mord und Totschlag geflüchtet sind und hier ein sicheres Überleben für ihre Familien und für sich ermöglichen wollen. Gegen diese Menschen liegt in dem Sinn auch nichts vor, es wird nicht ermittelt oder Ähnliches.
Ich bin auch nicht blauäugig und sage, es ist immer alles eitel Wonne. Natürlich wird das eine oder andere – unter Anführungszeichen – „schwarze Schaf“ dabei sein. Das liegt auch in der Natur der Sache. Wir haben aber auch die Rechtsmittel, Probleme abzustellen, sollten welche auftreten. Was mich allerdings schon sehr aufbringt und aufregt ist die Tatsache, dass die Freiheitlichen, in meinem Fall die regionale FPÖ mit dem Kollegen Nationalratsabgeordneten Zanger an der Spitze, noch nie einen Lösungsansatz auf den Tisch gelegt haben, sondern nur immer weiter Öl ins Feuer gießen. In jeder Aussendung der Freiheitlichen lese ich immer nur diesen Gleichklang: „Asylwahnsinn“, „Bettlermafia“, „kriminelle Machenschaften“ – diese Begriffe werden laufend verwendet.
Wenn ich nur diesen Eintrag auf Kollegen Zangers Facebook-Seite lese (der Redner hält eine ausgedruckte Seite in die Höhe): „Asylwahnsinn, Bettelmafia ... Wir Murtaler wehren uns!“ – Jedes Mal dieser Gleichklang! Oder auch ein Zitat von Kollegen Nationalrat Zanger aus den „Obersteirischen Nachrichten“:
„Immer, wenn wieder in irgendeiner Gemeinde ein Asylantenheim eröffnet wird, muss man sich aber die untrennbare Frage stellen: Handelt es sich hierbei wirklich um Unterkünfte für Kriegsflüchtlinge, die Schutz brauchen? Oder wird eine kostenlose Herberge für Kriminelle, Tachinierer und Wirtschaftsflüchtlinge in Betrieb genommen und Leuten, die in ihrer Heimat ganz offensichtlich nicht arbeiten wollen und in die österreichische soziale Hängematte flüchten?“
Das jedes Mal miteinander zu verknüpfen (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist da falsch daran!?), ist nicht Teil der Problemlösung, das macht die Problematik einfach umso schwieriger. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) – Na, die FPÖ ist kein Teil der Problemlösung. Ihr seid ein Teil des Problems und ihr schürt permanent und ewig diese Ressentiments.
Ich bin überzeugt davon, dass nicht immer alles superglatt ablaufen wird, aber die Art und Weise, wie damit umgegangen wird, ärgert mich, und man hat ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das stört aber nur euch, weil die Bevölkerung gibt uns recht! Und darum geht es!) – Na, es gibt auch sehr viele in der Bevölkerung ... Natürlich ist es ein kontroverses Thema, aber ihr bildet es euch ein und ihr macht auch jedes Mal ein Problem daraus, aber ihr habt noch nie einen Lösungsansatz gebracht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja nicht wahr!) – Ist so. (Bundesrätin Mühlwerth: Stimmt ja nicht! ... weil du unaufmerksam bist!) Und wenn man sich die Diskussion anschaut, hat man
halt auch den Eindruck, dass es manchmal so ist, dass der Bund das Problem an die Länder weiterschiebt und die Länder das Problem an die Kommunen weiterschieben.
Ich kenne viele Bürgermeister, die auch bereit wären, Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in ihrer Heimat unterzubringen, natürlich auch unter der Prämisse einer gewissen Verhältnismäßigkeit im Vergleich zur Einwohnerzahl. Das Beispiel Steinhaus am Semmering ist halt kein klassisches Beispiel einer Unverhältnismäßigkeit selbst gewesen. Schön wäre es allerdings auch, wenn Gemeinden etwas früher eingebunden werden könnten, um die Bevölkerung informieren zu können, um ihre Ängste aufzunehmen. Man könnte sie mit ins Boot holen, sie miteinbinden, oder zum Beispiel als Gemeinde mithelfen, eine Tagesbetreuung mitzuorganisieren. So wären die Gemeinden nicht gezwungen, nur auf Gerüchte und irgendwelche Behauptungen reagieren zu müssen.
Das geht in meinem Fall sogar so weit, dass in einem Judenburger Stadtteil nach einem Aufruf von Ihnen, Frau Ministerin Mikl-Leitner – dass, wenn jemand Privatquartiere hat, diese zur Verfügung stellen möchte und sich melden soll –, Leute auf mich zugekommen sind, das missverstanden und gesagt haben: Ich werde gezwungen, mein Haus, oder einen Teil meiner Wohnung zur Verfügung zu stellen.
Dieser Bereich, also alles, was mit Flüchtlingen und Asyl zu tun hat, sorgt immer wieder sehr stark für Gerüchte und auch irgendwelche Geschichten, die dann herumschwirren.
Meines Erachtens steckt leider hinter dem Thema Asyl und Flucht oftmals auch die Thematik des Menschenhandels und von kriminellen Machenschaften von Schiebern. Ich denke dabei zum Teil an Verbrechen, die sich im Mittelmeer ereignen, wo Flüchtlinge auch über Bord geworfen werden, wenn die Küstenwache irgendwo am Horizont auftaucht.
Ich glaube, das Thema selbst ist einfach zu ernst, um damit irgendwelche parteitaktischen Spielchen zu machen. Ich bin auch der Meinung, dass wir den Zugang zum Arbeitsmarkt mit allen Vor- und Nachteilen ganz offen diskutieren sollten, aber ich finde nicht, dass das ein Tabuthema sein sollte. Wir haben auch die völkerrechtliche und menschliche Verpflichtung, die Menschen, die um ihr Überleben gekämpft haben, zu beschützen, ihnen Schutz zu gewähren, und ich würde mir wünschen, dass hier alle Parlamentsparteien an einem Strang ziehen würden. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
9.23
Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.
9.23
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf diese heutige Aktuelle Stunde zu Beginn zum Anlass nehmen, jener Kollegin und jenem Kollegen, die vergangene Woche in Ausübung ihres Dienstes im Zuge von Verkehrsunfällen schwer verletzt wurden, meine Anteilnahme aussprechen. Ich darf erinnern: Es gab einen schweren Verkehrsunfall, wobei ein Funkwagen der Polizei von einem betrunkenen Fahrzeuglenker gerammt wurde, und eine 24-jährige Kollegin dabei schwer verletzt wurde, und einen Fall – erst vergangenes Wochenende in Fischamend –, als ein 50-jähriger Polizist, der dort Absperrungsmaßnahmen im Zuge eines Umzuges durchführte, ebenfalls von einem Fahrzeuglenker niedergestoßen wurde.
Beide wurden schwer verletzt, beiden wird wahrscheinlich zukünftig der Polizeidienst aufgrund der Verletzungen und deren Nachfolgewirkungen verwehrt bleiben. Ich möchte ihnen hier meine Anteilnahme aussprechen, und auch meine Anerkennung für
ihre dienstlichen Leistungen und ihnen – auch namens meiner Fraktion – die besten Genesungswünsche übermitteln. (Allgemeiner Beifall.)
Zum Thema selbst: Da kommen die üblichen Plattitüden von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von Rot-Schwarz. – Einmal mehr ist es die FPÖ, die zeigt, wie es tatsächlich um die Asyl- und Fremdenpolitik in unserem Land bestellt ist, die Realitäten aufzeigt, die sich hier als Mahnerin im – ich sage einmal – manchmal sehr oberflächlichen Umgang mit dem Thema Asyl- und Fremdenrecht zum Nachteil der österreichischen Bevölkerung immer wieder der Diskussion stellt. Einmal mehr kommen von Ihnen die üblichen Vorhalte, die jeglicher Grundlage entbehren. (Bundesrat Füller – den vorhin gezeigten Ausdruck in die Höhe haltend –: Das ist oberflächlich!)
Ein kurzer Blick in die Statistik gibt mir recht. Wir haben, wenn wir uns die Asylanträge von heuer, nämlich von Jänner bis Oktober, anschauen, einen Zuwachs von plus 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (Bundesrat Schreuder: Es ist nämlich Krieg! Das wissen Sie schon!?) – Sie kommen schon noch dran, Kollege Schreuder, seien Sie nicht nervös, Sie kriegen noch Ihre Chance. (Bundesrat Schreuder: Sie wissen, dass Krieg ist!?) – Natürlich, Sie wissen es auch, aber lassen Sie mich ausreden, dann erkläre ich Ihnen, was eigentlich Sache ist. Passen Sie gut auf, dann können Sie noch etwas lernen!
Der Zuwachs von 34 Prozent bedeutet: Die Mär, dass die überwiegende Anzahl an Flüchtlingen, die zu uns kommen, arme Familien sind, und hier unbedingt schutzbedürftig sind, ist widerlegt, weil nämlich zwei Drittel dieser Flüchtlinge ausschließlich Männer und ein Drittel Frauen sind, Familien sind ein unterschwelliger Bereich.
Wenn wir uns den Schlepperbericht 2013 anschauen – den letzten aktuellen Bericht, der hier seitens des Ministeriums vorliegt –, dann können wir daraus ableiten, dass wir mit dieser Zunahme der Asylaktivitäten – bedingt natürlich, und da gebe ich Ihnen schon recht, Herr Kollege Schreuder, durch die Kriegsverhältnisse in anderen Kontinenten (Bundesrat Schreuder: So weit weg ist das auch wieder nicht!) – auch wahrnehmen müssen, dass auch das kriminelle Schlepperunwesen das sehr gut und günstig ausnützt, um seinen kriminellen Machenschaften nachgehen zu können.
Es gab im Vorjahr insgesamt eine Steigerung im Schlepperkriminalitätsbereich um 13 Prozent. Schaut man sich hier die Entwicklung genauer an, nämlich: Wie viele Flüchtlinge kommen aus Syrien und wie viele kommen aus anderen Ländern?, dann sieht man, dass es schon eine schwungvolle Kriminalitätsentwicklung gibt, die diese problematischen und zugegebenermaßen auch durchaus schwierigen Verhältnisse auf krimineller Ebene für uns sehr negativ ausnützt.
Was ich damit sagen will ist – auch um den Kreis mit den Vorhaltungen gegenüber der FPÖ hier zu schließen –, dass wir es nicht mit einer illusionistischen und sozialromantischen Problematik zu tun haben, dass wir halt ein paar armen Flüchtlingen helfen müssen. Ich bin bei Ihnen, dass jeder, der aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention Schutzanspruch hat, diesen Schutz temporär und kurzfristig auch bekommen soll. (Bundesrat Schreuder: Dann lesen Sie sie einmal!) Das bedeutet aber nicht, dass jeder, der bei uns aufzeigt und sagt: Asyl!, sofort und automatisch ein Bleiberecht für die nächsten Generationen bekommt. Das heißt es nicht!
Das kann es auch nicht heißen, vor allem, wenn wir uns vor Augen halten, dass wir uns in Österreich schon jetzt in einer außerordentlich schwierigen sozialen Lage befinden, die wir finanziell kaum mehr gestalten können. Wir erfahren, dass seitens des Finanzministers angedacht wird, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um Defizite abzudecken, wir wissen, dass laut Sozialminister Hundstorfer Sozialleistungen gestrichen werden sollten oder müssten, dass wir einen finanziellen Ausgleich finden müssen, um die Pensionen sicherzustellen und andere Sozialleistungen grundsätzlich
zu erhalten. – Da frage ich mich schon, ob es fair und gerecht der österreichischen Bevölkerung gegenüber ist – und da spreche ich Sie an, Kollege Füller –, dass man sagt: Wir schütten das Füllhorn über alle Zuwanderer aus und die eigene Bevölkerung bleibt auf der Strecke. – Das kann es nicht sein. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Füller.)
Ich bekenne mich auch namens meiner Fraktion dazu, dass wir dem Grundsatz folgen: Auf die eigenen Leute sollte man immer zuerst schauen! – So schaut es aus.
Wenn wir schauen – da das auch angesprochen wurde –, wie diese Asylpolitik, die Fremden- und Asylpolitik der vergangenen Jahre, aber auch insbesondere in der letzten Zeit abgelaufen ist, wie hier versucht wird, die Bevölkerung – ich will nicht sagen: überfahren – doch einigermaßen zu „beglücken“, indem man einfach, ohne viel Absprache mit den Gemeinden, ohne mit der Bevölkerung den Konsens zu suchen, quotenmäßig Asylströme zuteilt.
Stichwort „Semmering“ – das von Ihnen, Kollege Perhab, aber auch vom Kollegen Füller bereits angesprochen wurde –: Das zeigt, dass es genau der falsche Weg ist, den wir auch immer wieder kritisieren. Ich verstehe schon, dass Ihnen das nicht gefällt, KollegInnen von Rot und Schwarz, aber auch von Grün, denn wer wird schon gerne für die eigenen Fehler kritisiert, die noch dazu so offensichtlich sind, dass die Bevölkerung dem politischen Gegenüber – in dem Fall: der FPÖ – auch in zunehmendem Maße immer mehr recht gibt.
Aber bleiben wir am Boden der Realität! Wenn man hier einen realistischen, einen guten politischen Zugang finden will, dann geht das nicht ohne Einbindung der Bevölkerung. – Zum einen.
Zum anderen bedarf es aber auch zunehmender polizeilicher Ressourcen, die es ermöglichen, diese Vielzahl an administrativen, aber auch sicherheitspolizeilichen Aufgaben zu bewerkstelligen. Wir haben das Problem, dass zwar in Tageszeitungen Werbungen geschalten werden: Kommt zur Polizei!, es aber ohnedies eine hohe Dichte an Polizeischülern gibt. Um heute bei der Polizei aufgenommen zu werden, muss man im oberen 10-Prozentbereich der möglichen Leistungspunkte sein. Das heißt, es gibt ohnedies einen guten Zulauf zur Polizei. Das Problem ist nur: Es sind keine Planstellen, keine zusätzlichen Arbeitsplätze für die Leute vorhanden, die sich bei der Polizei bewerben.
Da wir wissen, dass hier aufgrund der Überalterung bei der Exekutive in den nächsten Jahren ein sehr großer Personalaustausch stattfinden wird, und wir das ob der Problematiken, die gerade im Fremden- und Asylbereich auf uns zukommen werden, wissen – auch zukünftig, weil ja die Krisengebiete nicht weniger, sondern eher mehr werden –, dann würde ich sagen: Es gibt hier nur zwei logische Lösungsansätze.
Der eine ist: Mehr Personal über mehr Planstellen, also mehr Köpfe. Das heißt, es soll keinen Personalaustausch zwischen Pensionierungen und jenen, die neu aufgenommen werden, geben, sondern mehr Köpfe; mehr Personen, die faktisch die Arbeit erledigen.
Frau Bundesminister! Wenn Sie sagen, es gibt jetzt mehr Polizeibedienstete als noch vor zehn Jahren, dann gebe ich Ihnen insofern recht, dass wir zwar einen Personalzuwachs von 0,5 Prozent hatten, aber dieser Personalzuwachs in erster Linie in Ihrem Kabinett und den nachgeordneten Zentralstellen zu finden ist, und nicht draußen auf der Straße, nicht in der Polizeiinspektionen und nicht in der exekutiven Außendienstgestaltung. Vom Personalaustausch in den SOKOs zwischen den PIs will ich gar nicht erst reden, weil das eine andere Geschichte ist, denn dort wird einfach Personal hin-
und hergeschoben, ohne einen effektiven Mehrwert zu haben. Das heißt: Wir brauchen mehr Personal.
Und wir brauchen gesetzliche Maßnahmen, um die Schlepper- und auch Asylströme zu kanalisieren – Stichwort „Grenzkontrollen“.
Bei der letzten Sitzung habe ich einen Antrag eingebracht, den auch – nachgewiesenermaßen aufgrund von Zeitungsmeldungen und Medienberichten – die Mehrheit aller Landeshauptmänner und Landeshauptmann-Stellvertreter in Österreich unterstützt. Sie haben ihn abgelehnt. Das müssen Sie sich eh selber mit Ihren Landeshauptmännern oder Landeshauptmann-Stellvertreter ausmachen – ist nicht mein Problem. (Bundesrat Füller: Das machen wir schon!) Aber so viel zum Thema, weil es heißt, wir hätten keine Lösungsansätze.
Wir haben die richtigen Lösungsansätze, wir hätten die richtigen Antworten und wir haben auch die Lage richtig erkannt. Was Sie nicht erkennen wollen ist, einzugestehen, dass Sie in der Vergangenheit die falschen politischen wie auch sicherheitspolizeilichen Schritte gesetzt haben und dieses Problem eigentlich erst zu diesem Problem haben werden lassen, das wir heute haben. Das ist meine Kritik an Ihnen, und ich darf Sie einladen: Gehen Sie in sich, sonst wird Sie der Wähler einer fürchterlichen Strafe unterziehen! Und das kann es wohl – auch in Ihrem Sinne – nicht sein. Also arbeiten Sie für die Zukunft, für unser Land! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Füller und Mayer.)
9.34
Präsidentin Ana Blatnik: Nun gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.
9.34
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich gerade in einer Asyldebatte immer ein bisschen strafverschärfend, nach der Freiheitlichen Partei reden zu müssen. Nur so viel, Herr Kollege Herbert: Sie haben jetzt so viele Themen durcheinandergebracht, dass ich glaube, Sie kennen sich nicht wirklich aus, denn Asylwerber und Asylwerberinnen und Zuwanderung sind schon einmal zwei Paar Schuhe. Das sind zwei verschiedene Dinge. (Bundesrat Füller – in Richtung FPÖ –: Das haben Sie noch nie verstanden! – Gegenrufe bei der FPÖ.) Kriminalitätsbekämpfung und Asylpolitik sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Ich halte es für einen großen Fehler – und das sage ich schon auch in aller Deutlichkeit –, dass Asylpolitik – das ist jetzt nicht gegen Sie persönlich gerichtet, Frau Ministerin Mikl-Leitner – im Innenministerium angesiedelt ist. Genau dann werden wir immer wieder diese Verwirrung, die auch von der FPÖ immer in die Debatte geworfen wird, dass es sich bei Asylpolitik um eine innenpolitische, sicherheitspolitische Frage handeln würde, einfach weiterführen. (Bundesrat Krusche: Was schlagst denn vor? – Verkehrsministerium?!) Das halte ich für hochproblematisch, denn im Grunde genommen geht es hier um so etwas wie Menschlichkeit und Solidarität.
Es geht um Menschlichkeit und Solidarität gegenüber diesen Menschen, die vor Not, vor Unterdrückung, vor politischer Verfolgung, vor Krieg ... (Bundesrätin Mühlwerth: Und die, die vortäuschen! Da gibt es genügend Leute, die das vortäuschen!) – Ich weiß nicht, Frau Kollegin, ob Sie jemals kurdische Flüchtlinge aus Syrien getroffen haben. Ich habe es. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Vor kurzer Zeit hatte ich mit kurdischen Flüchtlingen aus Homs interessante Treffen. Die sind in Erzberg untergebracht und relativ verzweifelt, und sie wissen auch nicht, wohin es nachher gehen wird. – Ja, es sind sehr viele junge Männer dabei, weil sie gar keine andere Chance mehr hätten, nach Europa zu kommen als unter Lebensgefahr in
Booten. Sie haben die Hoffnung, wenn sie hier ankommen, dass sie irgendwann ihre Familien, die in Zeltlagern irgendwo in Jordanien oder in der Türkei sind, wieder treffen und hierher holen können. Das ist die Realität, mit der ich in diesen Gesprächen konfrontiert war. In welcher Not Menschen hier handeln, das sind Realitäten, die Sie offenbar nicht kennen.
Wenn die Freiheitliche Partei immer wieder sagt – da können Sie noch so sehr raunzen, Frau Kollegin Mühlwerth –: Wir sind die Kämpfer gegen Islamismus!, dann halte ich es für unfassbar, dass Sie die Menschen, die vor dieser Barbarei fliehen, nicht aufnehmen wollen. Solange Sie das nicht tun, sind Sie vollkommen unglaubwürdig – in jeder Hinsicht. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Sie haben zu Recht gesagt, dass natürlich auch in Österreich gespart werden muss, dass auch wir in Österreich im sozialen Bereich Probleme haben. Aber wenn wir uns dann einmal vergegenwärtigen, wo die meisten Flüchtlinge, global gesehen, leben, dann sind es die armen Länder, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Das soll hier auch einmal deutlich gesagt werden. Wenn in einem Land wie im Libanon – das so groß ist wie Oberösterreich und wo 4,5 Millionen Menschen leben – 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen werden, dann ist Solidarität global und auch die Solidarität Europas gefragt. Da ist aber auch die Europäische Union als Gesamtes gefordert. (Bundesrat Krusche: Wie viel nimmt Saudi-Arabien auf? Wie viele nehmen die Emirate auf?)
Also ich bin kein Sprecher der saudi-arabischen Regierung, das wissen Sie. Und ich würde mir auch wünschen, dass Saudi-Arabien als reiches Land mehr Flüchtlinge aufnehmen würde. Allerdings würden dann zum Beispiel Menschen, die vor dem Islamismus fliehen, in ein Land fliehen, das genau dieses System hat, vor dem sie fliehen. Also sorry, ich verstehe, dass die Flüchtlinge, die vor der IS fliehen, nicht nach Saudi-Arabien gehen wollen. Wenn Sie außenpolitisch ein bisschen Ahnung haben, dann machen Sie solche Zwischenrufe nicht. Das zeigt ja einmal mehr, mit welcher Dummheit wir in dieser Debatte konfrontiert sind. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Der Einzige, der eine Ahnung hat, ist der Herr Schreuder! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)
Die Europäische Union ist als Gesamtes gefordert. Meine Kollegin, Frau Reiter, hat vor zwei Tagen völlig zu Recht gesagt, dass sich die Frage stellt, ob 25 Jahre nach dem Mauerfall Europa rund um sich herum eine neue Mauer baut – und eine dieser „Mauern“ verläuft durch das Mittelmeer. Über das Mittelmeer fliehen die meisten Menschen, auch die Syrien-Flüchtlinge, nebenbei bemerkt. Wir haben auch das große Problem, dass sie erst um Asyl ansuchen können, wenn sie mit beiden Beinen auf europäischem Boden stehen. Das ist das große Problem, das wir haben, und da muss dringend umgedacht werden. Wir müssen den Leuten schon viel früher helfen können, um die Menschen gerecht in Europa aufzuteilen. Auch das ist sicherlich eine große Herausforderung.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt von der Landeshauptleutekonferenz eine sogenannte Lösung präsentiert bekommen, neue Verteilerzentren, wobei wir noch nicht wissen, ob es sechs, sieben oder acht sein werden, und ich muss hier schon auch sehr skeptisch sagen, dass ich mir nicht sicher bin, ob tatsächlich Ein Verteilerzentrum schafft noch keinen Schlafplatz, das muss man einfach so deutlich sagen, und es hilft uns in der wahren Not, die wir haben, genug Schlafplätze zu finden, nicht wirklich.
Wir kennen das auch von unserer grünen Landesrätin in Salzburg, die verzweifelt auf der Suche nach Schlafplätzen in den Gemeinden ist. Sie ist mit folgendem Problem konfrontiert: Kaum sind irgendwo – und sind es nur 20 – Zimmer im Gespräch, steht
schon ein FPÖ-Gemeinderat dort, mit irgendeiner Bürgerinitiativenliste, freut sich auf die Wählerstimmen: Ah, da hetze ich wieder wunderbar gegen Migrantinnen und Migranten oder in diesem Fall gegen Asylwerber und Asylwerberinnen! – Die Bürgermeister bekommen Angst, und will eine Gemeinde irgendwo AsylwerberInnen unterbringen, heißt es: Bloß nicht in der eigenen Gemeinde!
Man muss aber auch – und das finde ich wichtig – in der öffentlichen Diskussion die positiven Beispiele stärker in den Vordergrund rücken, die Orte, in denen es funktioniert. Hier seien ein paar Gemeinden genannt – nur beispielhaft, es gibt mehr –, die wirklich hervorragend agieren, sei es Neudörfl im Burgenland, sei es St. Gilgen in Salzburg, sei es Altmünster in Oberösterreich oder sei es auch Wien, das sich besonders stark für Asylwerber und Asylwerberinnen engagiert.
Zur Frage, ob Arbeit für Asylwerber und Asylwerberinnen möglich sein soll, sei hier schon auch deutlich gesagt: Eines der Ressentiments der Bevölkerung gegenüber Asylwerbern und Asylwerberinnen liegt natürlich auch darin, das muss man ganz offen sagen, dass sie nichts tun dürfen. Da kommt dann dieses Bild, da kommt zum Beispiel die Freiheitliche Partei und spricht beispielsweise von der sozialen Hängematte, obwohl diese jungen Männer voller Tatendrang alles andere tun wollen als Nichtstun.
Meine Damen und Herren, es ist erstaunlich – wenn man mit den Flüchtlingen spricht –, mit welch hoher Qualifikation viele Menschen hierher kommen, mit welch hoher Ausbildung Menschen hierher kommen, mit welcher Fachausbildung Menschen hierher kommen, die die Wirtschaft eigentlich sogar händeringend sucht – und sie dürfen nichts tun, auch weil die Verfahren nach wie vor zu lange dauern; sie sind zum Nichtstun mehr oder minder verdonnert.
Herr Kollege Herbert, man sollte die Zahlen tatsächlich auch in Relation setzen. Es ist schon richtig, dass im Vergleich zu den vorigen Jahren die Anzahl der Asylwerber und Asylwerberinnen wieder angestiegen ist – was ja logisch ist, wenn wir an die Konflikte, etwa jetzt im Nahen Osten, denken. Allerdings sei hier auch Folgendes gesagt: 2014 gab es zum Beispiel 19 374 Anträge – und jetzt vergleichen wir das einmal mit viel früher, 2002 beispielsweise, da waren es 39 000 Anträge. Also in diesem Vergleich sind es heuer 20 000 Anträge weniger; auch deswegen, weil es damals, das wissen wir auch, in Wirklichkeit mehr Krisenherde gab – im Irak, in Afghanistan, in Tschetschenien und so weiter – als jetzt.
Krisenherd ist derzeit der Bereich, der von dieser schrecklich barbarischen ISIS dominiert wird, und wenn die Freiheitliche Partei gegen den Islamismus und gegen die ISIS ist, dann sollten Sie die Flüchtlinge, die von dort fliehen, tatsächlich mit offenen Armen empfangen. Wenn Sie es nicht tun, sind Sie unglaubwürdig. Ich finde, wir als konstruktive Kräfte in dieser Republik – ganz egal, ob es sich um Religionen handelt, um religiöse Einrichtungen, um NGOs, um Parteien –, sollten hier auch ganz klar sagen, wir sind die Stimme der Menschlichkeit – und wir sind mehr in diesem Land als die Stimme der Unmenschlichkeit! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
9.44
Präsidentin Ana Blatnik: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Inneres Mag. Mikl-Leitner. Frau Ministerin, auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.
9.44
Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Einige meiner Vorredner haben es richtigerweise schon skizziert: Ja, die Lage in Syrien, im Irak und in anderen Krisen-
gebieten ist dramatisch und wird leider auch in den nächsten Monaten und Jahren dramatisch bleiben. Daher können wir uns leider nicht auf eine Entspannung einstellen, sondern die Herausforderung bleibt letztendlich bestehen.
Die Herausforderung bleibt bestehen, weil tagtäglich Tausende von Menschen den Weg nach Europa suchen, vor Vergewaltigung, vor Verfolgung und vor Ermordung fliehen. Da gibt es einige Herausforderungen, zum einen, was die Behörde betrifft. Es müssen Tag für Tag Asylanträge geprüft werden, entschieden werden, und da sage ich ein herzliches Danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wo alleine im letzten Monat 2 400 Asylentscheidungen, Statusentscheidungen getroffen worden sind. Das ist die beste Bestätigung dafür, dass dieses neue Amt auch tatsächlich funktioniert, und damit es auch weiterhin funktioniert, haben wir jetzt das Personal um 87 Mitarbeiter aufgestockt.
Das ist auch wichtig und notwendig, denn in den letzten Wochen haben durchschnittlich 720 Personen einen Asylantrag in Österreich gestellt, letzte Woche waren es sogar 1 000 Asylanträge, die es nun zu bearbeiten gilt. Daher ein Danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bunderates Zelina.)
Ich darf mich aber nicht nur bei den Mitarbeitern der Behörde bedanken, sondern vor allem auch bei den Landeshauptleuten, die bei der letzten Landeshauptleutekonferenz unserem neuen Konzept zur Neustrukturierung der Grundversorgung zugestimmt haben. Wir haben im Sommer seitens des Bundesministeriums für Inneres ein neues Konzept betreffend die Grundversorgung präsentiert, mit dem Ziel, einen sogenannten Automatismus einzuführen, damit in Zukunft die Quote auch tatsächlich von allen Bundesländern erfüllt wird.
Wie soll das neue System ausschauen beziehungsweise was ist das Ziel? – Wir wollen auf alle Fälle die Erstaufnahmezentren Thalham und Traiskirchen entlasten. Sie alle wissen, dass dort alle Plätze, die zur Verfügung stehen und die eine humanitäre Unterbringung möglich machen, auch wirklich voll und ganz ausgelastet sind. Gerade mit dem neuen System wollen wir Traiskirchen und Thalham entlasten und vor allem unnötige Transfers verhindern.
Jetzt werden sich die einen oder anderen von Ihnen die Frage stellen, wie denn das gehen soll. Das kann man erklären, indem man sich vor Augen führt, wie das System jetzt funktioniert: Egal, wo heute jemand einen Asylantrag stellt, egal, ob in Tirol, Kärnten, Salzburg oder Vorarlberg: Jeder Asylantragsteller wird ungeprüft nach Thalham oder Traiskirchen gebracht. Das bedeutet sowohl für die Behörden sehr viel an Transferzeiten als auch für die Asylantragsteller einen gewissen Zeitverlust. Derzeit wird in Thalham und Traiskirchen die Erstprüfung vorgenommen. Erstprüfung heißt nichts anderes, als zu überprüfen, ob Österreich für das Verfahren zuständig ist. Ist dann festgestellt, dass Österreich zuständig ist, kann die Verbringung in die Bundesländer, in die Quartiere erfolgen.
In Zukunft wollen wir es so machen, dass die Asylantragsteller – egal, wo sie einen Asylantrag stellen, ob in Kärnten, Salzburg oder Tirol – gleich im Bundesland bleiben und dort innerhalb kürzester Zeit geprüft wird, ob Österreich für das Verfahren zuständig ist. Dafür braucht es die Verteilerquartiere in den Bundesländern. Wir gehen von sieben Verteilerquartieren aus; wahrscheinlich wird Vorarlberg mit Tirol und Burgenland mit Wien kooperieren, und in allen anderen Bundesländern braucht es sogenannte Verteilerquartiere.
Wozu dienen diese Verteilerquartiere? – Sie dienen dazu, in den ersten zwei, drei Tagen eine Versorgung gewährleisten zu können und dann die Zuteilung in die Privatquartiere vornehmen zu können. Auch da müssen wir natürlich sensibel vorgehen.
Aufgrund der verschiedenen Ethnien ist es natürlich wichtig und richtig, dass wir da sehr sorgsam sind, damit ein gemeinsames Miteinander in den Quartieren möglich ist.
Gerade mit dieser Systematik wollen wir garantieren, dass jedes Bundesland die 100-Prozent-Quote erfüllt; das heißt: Hat Kärnten zum Beispiel seine 100 Prozent erfüllt, werden die Asylantragsteller gleich in jenes Bundesland gebracht, das seine 100 Prozent nicht erfüllt hat. Damit können wir garantieren, dass jedes Bundesland die Quote erfüllt – und letztendlich können wir damit auch die unwürdige Herbergssuche, so wie sie bisher stattgefunden hat, beenden. Fakt ist nämlich, dass es auf nationaler Ebene eine Schieflage gibt, dass immer wieder nur zwei oder drei Bundesländer die 100-Prozent-Quote erfüllen, alle anderen jedoch unter der Quote liegen.
Es gibt aber natürlich nicht nur eine Schieflage auf nationaler Ebene, sondern die Schieflage besteht auch auf europäischer Ebene. So ist es einfach Faktum, dass 10 von 28 Mitgliedstaaten über 90 Prozent aller Asylanträge bewerkstelligen. Auch diese Schieflage gilt es aufzulösen, deswegen hat Österreich ein ganz konkretes Modell vorgelegt, nämlich das Projekt „Leben retten“. Bei diesem Projekt geht es uns darum, dass vor allem in den Drittstaaten vom UNHCR eine Prüfung durchgeführt werden soll, ob Schutzbedürftigkeit besteht. Das hätte zum einen den Vorteil, dass Flüchtlinge nicht den riskanten Weg über das Mittelmeer nehmen müssen und Leben gerettet werden kann. Zum anderen hätte es den Vorteil, dass wir vor allem den Schleppern den Nährboden dafür entziehen, viel Geld auf dem Rücken von Flüchtlingen zu verdienen.
Dieses Modell werden wir auch auf europäischer Ebene weiter diskutieren; es geht uns darum, dass jene, die seitens UNHCR vorerst Schutzstatus zugesprochen bekommen, entsprechend einer Quote auf alle europäischen Mitgliedstaaten verteilt werden. Das tatsächliche Asylverfahren soll dann aber selbstverständlich in den Mitgliedstaaten erfolgen. Wir werden dieses Modell heute in Brüssel im LIBE-Ausschuss vor Parlamentariern, vor EU-Abgeordneten präsentieren und es morgen im Rahmen des EU-Innenministerrates diskutieren. Entscheidend ist, dass wir unser Ziel erreichen, dass es zu einer Quotenfestlegung kommt, damit auch tatsächlich alle 28 Mitgliedstaaten Solidarität leben und Solidarität zeigen.
An dieser Stelle möchte ich mich noch herzlich bei allen Gemeinden, die ihre Türen öffnen, um Kriegsflüchtlinge unterzubringen, bedanken. Gott sei Dank werden es Woche für Woche mehr, die Solidarität mit den Flüchtlingen zeigen, und dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
9.52
Präsidentin Ana Blatnik: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer/Teilnehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.
9.52
Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Was soll man in 5 Minuten zu einem Thema sagen, das, seit es von verschiedenen politischen Bewegungen vor ungefähr 20, 25 Jahren als taugliches Mittel zur Agitation entdeckt worden ist, sehr stereotyp diskutiert wird? Das Thema Asyl – kaum vom Thema Einwanderung zu trennen, kaum vom Thema Integration zu trennen – ist ein Problem auf mehreren Ebenen, das, und das muss an dieser Stelle gesagt werden, von dieser Bundesregierung ganz entscheidend in Angriff genommen worden ist. Es ist ein zweigeteiltes Thema: Es gibt eine emotionale Ebene und eine technische Ebene.
Die emotionale Ebene ist, dass wir irgendwann einmal anfangen müssen, uns damit zu beschäftigen, dass es Menschen gibt, denen es schlecht geht, dass es Menschen gibt, denen wir helfen müssen, dass nicht jeder, der hier ist, dem wir helfen müssen, automatisch unter irgendeinem Generalverdacht steht. Da, möchte ich dazusagen, hat der vormalige Staatssekretär und jetzige Außenminister Sebastian Kurz einen ganz, ganz wesentlich Beitrag dazu geleistet, dass dieses Thema in den Köpfen der Österreicher da oder dort entkrampft wird.
Die zweite Ebene ist das Technische. Die technischen Themen sind jene, die die jetzige Innenministerin in einer sehr guten Art und Weise aufgegriffen hat – zweigeteilt. Zum einen ist ihr zu gratulieren, dass sie das zusammengebracht hat, woran viele gescheitert sind: dass endlich einmal eine ordentliche Aufteilung beschlossen wird, dass sie die Landeshauptleute und die Länder letztlich in einem gemeinsamen Gespräch im positiv getragenen Geiste dazu heranziehen und verpflichten konnte, dass sie Flüchtlinge aufnehmen. Zum anderen ist der erste Schritt getan, ordentliche Verfahren zu haben.
Wir alle wissen – und ich weiß das aus der eigenen Berufserfahrung –: Asylverfahren, die über drei Instanzen gehen und fünf bis sieben Jahre dauern – was soll das, bitte sehr? Es hat auch und gerade ein Flüchtling das Recht, zeitnah zu erfahren, ob er in diesem Land bleiben kann oder nicht. Wir müssen natürlich auch den Beamtinnen und Beamten, die in der Situation sind, entscheiden zu müssen, die in entsprechenden Drucksituationen sind, jede Hilfestellung geben und klarmachen, dass eine Entscheidung, die auf rechtsstaatlicher Ebene getroffen wird, auch durchgesetzt wird, ganz egal, wie sie ausgeht.
Letztlich müssen wir auch klarstellen – in Fortsetzung dessen, was diese Bundesregierung getan hat –, dass Integration nicht nur Bring-, sondern auch Holschuld ist. Das heißt, wir haben denen, die hier sind, ein entsprechendes Angebot zu machen, mit dem leisen Zusatz, dass es auch gewisse Verpflichtungen gibt. Ich brauche gar nicht auf das Sprachthema einzugehen, das ist natürlich eines der wichtigsten Themen; das ist aber auch oft genug diskutiert worden.
Österreich und die Österreicher und Österreicherinnen sind grundsätzlich hilfsbereite Menschen. Dort, wo jemand Not leidet, öffnen die Österreicher die Tür. Da können wir auf unsere Landsleute durchaus stolz sein; dazu gibt es viele Initiativen. Wir müssen einerseits diese Tür offen halten, jene, die hereinkommen, die den Status bekommen, willkommen heißen, ihnen andererseits aber auch klarmachen, dass es im neuen Zuhause eine Hausordnung gibt, die natürlich beachtet werden muss. Das Einhalten der Regeln ist einer der wesentlichsten Punkte, die die Bevölkerung braucht, sonst wird sie es auch nicht verstehen.
Mit diesen Methoden und mit dem, was die Bundesregierung zustande gebracht hat, werden wir das fortsetzen und für in Not geratene Menschen auch weiterhin ein guter Heimathafen sein – und das sollte unser Ziel sein. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
9.56
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte.
9.56
Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass ich nur 5 Minuten habe, aber erlauben Sie meinem Herzen, das übergeht, ein Eingangsstatement,
das ich mir nicht verkneifen kann! Es ist beschämend, wenn man mit der Angst und mit dem Leid von Menschen Politik macht (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen), aber ich wünsche Ihnen, Kollegen von der FPÖ, von ganzem Herzen, dass Sie, wenn Sie einmal Hilfe brauchen, nicht so ein Visavis haben, wie es dem Wunsch Ihrer Köpfe entsprechend den Flüchtlingen aus einem Kriegsgebiet zusteht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Jenewein: Können Sie in meinen Kopf hineinschauen?)
In Österreich hat die Solidarität mit Menschen auf der Flucht eine lange Tradition: angefangen bei den Flüchtlingen, die aus Ungarn kamen – und ich darf daran erinnern, dass unsere Vorfahren eine schlechtere wirtschaftliche Ausgangslage hatten, diese Flüchtlinge aber trotzdem unterstützten –, über Flüchtlinge, die nach dem Prager Frühling kamen, bis hin zu den Menschen, die aus Ex-Jugoslawien zu uns kamen. Und immer wieder waren wir bereit, diesen Menschen Hilfe zu gewähren, richtigerweise waren wir bereit, diesen Menschen Hilfe zu gewähren. Daher glaube ich, dass wir auch diese Bewährungsprobe, der wir jetzt ausgesetzt sind, wieder bestehen werden, mit dem Ausmaß, das notwendig ist, um den Menschen zu helfen, aber die österreichische Bevölkerung nicht über Gebühr zu belasten.
Mit einer Quotenerfüllung von über 100 Prozent und einem Erstaufnahmezentrum ist Niederösterreich da sicherlich ein Bundesland, das sich nicht aus der Verantwortung stiehlt. Ich denke jedoch, dass es aufgrund der aktuellen Situation – und wir wissen, es ist eine angespannte Situation – vielleicht von Interesse ist und es gut wäre, einen Kommunalgipfel einzuberufen, um mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern einen Konsens zu finden, vielleicht auch betreffend die Quartiere kleinere Einheiten zu finden, in denen man Flüchtlinge, deren Kinder und Jugendliche unterbringt. Das hätte zwei positive Effekte, nämlich zum einen, dass es im Konsens mit den Kommunalpolitikern vor Ort erfolgt, und zum anderen wäre die Integration der Flüchtlinge in den Orten auch leichter, je kleiner die Einheit ist.
Lassen Sie mich in einem Jahr, in dem wir 25 Jahre UNO-Kinderrechtskonvention feiern, ganz kurz noch auf die unbegleiteten jugendlichen Asylsuchenden eingehen!
Natürlich haben diese jugendlichen Menschen den gleichen schrecklichen Hintergrund, und sie wollen ein Gebiet verlassen, in dem ihnen jegliche Hoffnung auf die Zukunft genommen wurde.
Ich glaube aber, dass diese jungen Menschen auch noch ganz spezielle Jugendprobleme haben. Sie müssen sich vor Zwangsrekrutierungen zu Kindersoldaten fürchten. Sie müssen sich vor Zwangsverheiratungen fürchten. Mädchen werden in Kriegsgebieten versteigert, das wissen wir alle, und das ist schrecklich. Es gibt Kinderhandel, und es gibt auch sexuelle Ausnutzung dieser jungen Menschen. – Für diese jungen Menschen müssen wir da sein!
Es wird natürlich alles versucht – und das ist meines Erachtens ein ganz wichtiges Thema –, um rasch zur Normalität zu gelangen: Es gibt psychologische Betreuung. Es gibt Unterbringung. Ich meine allerdings, der beste Weg zurück zur Normalität ist, wenn man die jungen Menschen sehr schnell an unserem normalen Leben teilhaben lässt. Es dauert aber oft Wochen oder Monate, bis sie in den Schulbetrieb aufgenommen werden. Ich denke, das müsste und könnte schneller gehen, denn das würde den jungen Menschen rasch einen Weg in den Alltag weisen.
Zusammenfassend darf ich sagen: Wir stehen natürlich vor großen Herausforderungen, aber ich denke, wir werden diese Herausforderungen annehmen und wir werden sie bewältigen. Allerdings werden wir sie nicht – wie es sehr viele in diesem Haus
versuchen – durch Angstmacherei und Hetze bewältigen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)
10.01
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jenewein. Ich erteile ihm dieses. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)
10.01
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Jetzt fangt ihr schon mit Zwischenrufen an, bevor ich überhaupt angefangen habe! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ja, aber ich habe nur fünf Minuten, daher gehe ich nicht so sehr auf die Zwischenrufe ein, was vielleicht sogar schade ist. Aber nachdem jetzt so viel auf die Tränendrüse gedrückt wurde, sollte man nun wieder ein bisschen auf den Boden der Realität zurückkommen.
Wir hören die ganze Zeit nur von den vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen, und dass sie alle schutzbedürftig sind. Wenn wir uns dann aber anschauen, dass im Jahr 2013 von 6 860 Anträgen 5 435 abgelehnt wurden, dann muss ich mir schon die Frage stellen: Wenn nur 20 Prozent der Anträge der Asylwerber angenommen wurden, wo ist denn da die Schutzbedürftigkeit? Könnte es nicht sein, dass es sich zu einem Gutteil auch um Wirtschaftsflüchtlinge handelt? Und könnte es nicht auch sein, dass wir uns mit diesem Import von Wirtschaftsflüchtlingen nicht nur Probleme auf dem Arbeitsmarkt – von diesen möchte ich heute gar nicht reden –, sondern vor allem auch soziale Probleme direkt in unsere Ballungszentren importieren?
Es ist vielleicht ein bisschen unorthodox, aber ich möchte mich trotzdem bei der Frau Innenministerin bedanken, und zwar für ihren großen Einsatz am vergangenen Freitag: Es hat eine Schwerpunktaktion gegen den Dschihadismus in Österreich gegeben. – Wir kennen dieses Thema jetzt seit vielen Jahren, und auch in diesem Zusammenhang haben wir immer wieder gehört: Mein Gott! Die Freiheitlichen übertreiben immer so sehr!
Blicken wir einmal ein bisschen in die Vergangenheit zurück! Im Jahr 2005 gab es den Imam Abu Muhammad. Er hat damals das islamische Kriegsrecht als taugliches Mittel bezeichnet, was natürlich eine riesige Geschichte in der Presse bewirkt hat. Das hat er auch in seiner Moschee gepredigt. 2007 hat dann Imam Adnan Ibrahim in der Schura-Moschee von Märtyrertum gesprochen, das für jeden islamischen Kämpfer erstrebenswert sei. – All das waren Vorboten dessen, was wir heute erleben. Im Hinblick darauf haben wir jahrelang vor den sich anbahnenden Ereignissen gewarnt. Wir haben über Jahre hinweg davor gewarnt, sind aber immer abgeschasselt worden.
Das ist genau dasselbe, was wir jetzt gerade von meiner Vorrednerin gehört haben. Sie sagen: All das ist so furchtbar. Und diese Freiheitlichen denken nur ans politische Kleingeld! – Ich kann das nicht mehr hören! Vor allem vom Kleingeld kann ich nichts mehr hören! Das ist nämlich politisches Großgeld, denn es sind große Probleme, die uns hier beschäftigen! Das sind große Probleme! (Zwischenrufe des Bundesrates Schreuder.)
Jetzt habe ich Ihnen gerade erklärt, dass wir nur 20 Prozent der Anträge, die hier gestellt werden, anerkennen! Ein Gutteil der Abgelehnten kommt aus Afrika. Und Sie fragen jetzt: Was ist mit den Flüchtlingen? – Schauen wir uns einmal an, wie viele Flüchtlinge bleiben! Hätten wir nicht in den letzten Jahren jedem, der hier angeklopft hat, Quartier gegeben, dann hätten wir heute Platz für die wirklichen Flüchtlinge. Diese gibt es, das leugne ich überhaupt nicht, nämlich jene Flüchtlinge, die aus den Kriegs-
gebieten kommen. Für diese hätten wir dann Platz, dann bräuchten wir heute nicht über EU-Quoten zu reden!
In diesem Punkt, Frau Bundesinnenministerin, möchte ich Ihnen deutlich widersprechen: Ich halte es nicht für erstrebenswert, hier auf europäischer Ebene eine EU-Quote auszuhandeln, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es hat sich bisher schon gezeigt, und die Medienberichterstattung lässt vermuten, dass diese Quote aufgrund des Bruttoinlandsprodukts festgelegt wird. – Und wenn dem wirklich so ist, dann werden wir künftig noch größere Probleme haben als schon jetzt, denn wir alle wissen, dass unser BIP, berechnet auf das Pro-Kopf-Einkommen der Österreicher, im EU‑Durchschnitt ein relativ hoher Betrag ist. Wenn es also jetzt eine Quotenberechnung aufgrund des Bruttoinlandsprodukts gibt, dann können wir uns heute schon ausrechnen, wie es in ein paar Jahren hier ausschauen wird! Darum lehnen wir diese Quotenberechnung ab. (Beifall bei der FPÖ.)
Aber lassen Sie mich abschließend (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Lassen Sie mich abschließend (Zwischenruf des Bundesrates Fürlinger.)
Schauen Sie, Herr Kollege! Wir können nicht einmal mehr diesen Faktor von eins zu zehn gegenüber der Bundesrepublik Deutschland heranziehen, denn wenn Sie das auf die Pro-Kopf-Einkommen umrechnen, dann nehmen wir heute schon wesentlich mehr Flüchtlinge auf als die Bundesrepublik Deutschland. – Das heißt: Wir haben uns diesbezüglich nichts vorzuwerfen. Die Republik hat sich diesbezüglich nichts vorzuwerfen. Vorwürfe sind allerdings all jenen Leuten zu machen, die in der Vergangenheit Menschen in dieses Land geholt haben, und zwar teilweise auch deswegen, weil es ein riesiges Geschäft war, das muss man auch dazu sagen, und deshalb besteht hier heute einfach Quartiermangel.
Abschließend möchte ich ein Zitat aus der APA vom 1. Dezember dieses Jahres bringen. Darin wird eine „bosnische Zelle“ in Wien als „stärkste Jihadisten-Gruppe Europas“ bezeichnet. – Das sollte man sich tatsächlich auf der Zunge zergehen lassen!
Wenn wir heute von diesem Problem sprechen, dann brauchen wir eigentlich nur einen Blick auf den Balkan zu werfen! Den Leuten, die dafür Zeit haben, schlage ich vor, einmal nach Sarajewo zu fahren. Ich war im Jahr 1999 dort, und ich war voriges Jahr dort. Sarajewo hat sich in dieser Zeitspanne kaum verändert. Das Einzige, was sich tatsächlich verändert hat, sind die großen Moscheen, die dort stehen, die von Saudi-Arabien finanziert wurden.
Das ist das wahre Problem vor der Haustür Europas, und dessen sollten wir uns annehmen – anstatt immer Krokodilstränen zu zerquetschen, wenn man auf der anderen Seite sieht, dass von den vielen Tausenden Menschen, die zu uns kommen und um Asyl bitten, nur ein ganz, ganz geringer Anteil von unseren Gerichten auch als Flüchtlinge anerkannt wird, weil die Mehrzahl davon Wirtschaftsflüchtlinge sind. Wir können nicht das Armenhaus für Europa und für die ganze Welt sein! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
10.07
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
10.07
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten letzten Dienstag den geschätzten EU-Kommissar Hahn hier bei uns, und er hat etwas gesagt,
was vielleicht – wie ich glaube – manchen noch in Erinnerung ist. Er sprach vom „Ring of Fire“. – Europa ist umgeben von Krisenherden. Und ich sehe das genauso wie Sie, Frau Ministerin, dass nämlich die Krisen nicht weniger und die Zuströme nicht geringer werden, sondern dass sie – im Gegenteil! – noch zunehmen werden. Und das wird uns noch vor massive Probleme stellen, wenn wir so weitermachen wie bisher.
In dieser Diskussion kommt es, wie bei manch anderer Diskussion, stets darauf an, welchen Standpunkt man einnimmt. Von der Sichtweise eines Flüchtlings verstehe ich, dass dieser versucht, sich selber oder seine Familie nach Österreich, nach Deutschland, nach Holland oder nach Schweden zu bringen, weil es dort eben viel bessere Leistungen vor Ort gibt als etwa in Griechenland, in Italien oder anderswo. Nicht von ungefähr hat das europäische Höchstgericht die Rücküberstellungen nach Griechenland eingestellt, weil de facto dieser europäische Mitgliedstaat das Asylsystem nicht mehr aufrechterhalten und für die Versorgung und Sicherheit der Asylwerber nicht mehr sorgen kann.
Diesbezüglich ist die Europäische Union gefragt, und ich bin absolut bei Ihnen, Frau Ministerin, dass wir die Verantwortung – nicht die Last, Kollege! –, die wir alle haben, gerecht aufteilen müssen. Es kann nicht sein, dass zehn Länder in der Europäischen Union 90 Prozent der Verantwortung tragen! Das gehört korrigiert, da muss man ansetzen. Was Sie da in die Wege geleitet haben, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung! Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.
Aber das löst nicht die Probleme vor Ort, denn da geht es auch um die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Die Ministerin hört nämlich, sobald sie bei den Ländern anklopft und sagt, wir brauchen mehr Quartiere: Ja, wir bemühen uns eh, aber es geht nicht!
So schaffen wir keine Plätze! Es gibt viele Gemeinden, die ihrer Verantwortung gerecht werden. Viele Gemeinden und Bezirke werden jedoch ihrer Verantwortung nicht gerecht.
Vielleicht sollte man andenken, auf Bezirksebene und nicht nur auf Gemeindeebene Quartiere zu schaffen. Und wenn Sie beispielsweise ansprechen, dass knapp 2 000 Verfahren entschieden werden, dann muss man aber auch dazu sagen, sehr geehrte Frau Ministerin, dass diese Verfahren noch nicht rechtskräftig entschieden wurden, sondern erst in erster Instanz.
Ich begrüße es, dass unsere Beamten und Beamtinnen, die im Feld tätig sind, jegliche Unterstützung bekommen. Aber es handelt sich wirklich um eine äußerst komplexe Materie, und ich wage zu bezweifeln, dass man nach einem Crashkurs in ein paar Monaten bereits so fit ist, dass man sichere Bescheide hinausgeben kann, die dann nicht mehr angefochten werden können. Darin besteht nämlich das Problem, dass zwar viele Bescheide hinausgegeben werden, dass aber die nächste Instanz diese Bescheide wieder aufhebt und in die vorige Instanz zurückschickt.
Zur Versorgung: Wir haben gegenwärtig einen Betreuungsschlüssel von 1 : 170. – Ich bin unter anderem Sozialarbeiter, und ich habe über zehn Jahre im Flüchtlingsbereich unmittelbar mit den Leuten gearbeitet. Daher weiß ich: Bei 1 : 170 kann man nicht mehr von Betreuung sprechen und schon gar nicht von Qualität! Ich glaube, das wird jedem einleuchten, dazu braucht man kein Experte zu sein.
Ich weiß, es gibt jetzt eine Verbesserung, nämlich indem dieses Verhältnis von 1 : 170 auf 1 : 140 reduziert wird. Das ist eine Verbesserung, damit wird aber bei Weitem noch nicht die Qualität erreicht, die meines Erachtens erreicht werden sollte.
Welches Problem ergibt sich nämlich daraus? – Dadurch, dass viele Menschen in den Quartieren herumsitzen und keine Tagesstruktur haben, sind sie quasi einem luftleeren Raum ausgesetzt, und dieser luftleere Raum ist der ideale Nährboden für diese Seelenfänger, also genau für diese radikalen Kräfte, die Kollege Jenewein angesprochen hat, denn sie rekrutieren die Leute unter anderem in diesen Kreisen. Es kommen nicht umsonst viele, die in dieser Szene tätig sind, aus Tschetschenien und so weiter. Und ich sehe diesbezüglich noch einiges auf uns zukommen. Wenn man sich die Asylstatistiken anschaut, dann sieht man: Die Zahlen werden nicht geringer! Die Gruppe hier bei uns wird immer größer. Die Tschetschenen haben wir schon hier, die Nächsten sind die Afghanischstämmigen, die Nächsten jene, die aus Somalia kommen, und gegenwärtig kommen auch viele aus Syrien, dem Irak und so weiter.
Das heißt, wir müssen uns auch als Politiker Gedanken machen, wie wir diese Menschen erreichen können, und erreichen können wir sie, wenn wir ihnen eine Tagesstruktur anbieten. Mein Kollege Schreuder hat das schon angesprochen. (Zwischenruf des Bundesrates Köberl.) Kollege, du hast schon recht! Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit. Das ist unbestritten.
Aber ich blicke auch voraus: Wenn wir diesen Menschen einen Beruf beibringen, dann können sie, wenn sie in Österreich bleiben, ihre Existenz davon bestreiten. Wenn sie aber zurückgehen müssen, weil das Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet wurde, dann können sie mit dem Wissen, das sie erlernt haben, auch eine neue Existenz aufbauen und beim Aufbau ihres Landes mithelfen. – Insofern würde ich das nicht nur als Beschäftigungspolitik, sondern auch als eine Art Entwicklungspolitik sehen. Wir schicken ja viele Millionen Gelder in betroffene Länder. Wir könnten aber auch in diese Richtung Akzente setzen und auf diese Weise, wie ich glaube, viel effektivere Maßnahmen gestalten.
Effektiver wäre es meines Erachtens auch, wenn der Westen und wir nicht immer diese Despoten unterstützen, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, korrupt sind und die Milliarden auf Kosten ihrer Bevölkerung auf die Seite schaffen, sondern wenn wir dafür sorgen, dass unsere Unterstützung jenen zukommt, die unserer Hilfe bedürfen. Das sind genau jene, die vor diesen Tyrannen, vor dem islamistischen Terror und so weiter flüchten müssen. – Das heißt, hier muss man auch ein bisschen Selbstkritik üben!
Es gäbe noch vieles zu sagen, aber meine Redezeit ist schon um. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)
10.14
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Zelina. Ich erteile ihm dieses.
10.14
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Auch wenn wir es gerne täten: Österreich kann nicht alle Kriegsflüchtlinge dieser Welt retten. Österreich ist ein kleines Land und kann pro Jahr nur beschränkte Kapazitäten an Asylanten und Zuwanderern aufnehmen.
Maximale Asylaufnahmequoten für extreme Flüchtlingswellen müssen festgelegt werden. Zum Beispiel vier Asylwerber pro 1 000 Einwohner pro Jahr als Maximalquote bei Flüchtlingswellen. Eine mittelgroße österreichische Stadt mit 25 000 Einwohnern müsste dann im Flüchtlingswellen-Extremfall 100 Flüchtlinge aufnehmen. Das sollte bewältigbar sein!
Wir brauchen einen Asylautomatismus, eine automatische Verteilung der Asylwerber mit festen jährlichen Maximalquoten auf allen Verwaltungsebenen, von der EU herab zu Österreich, zu den Bundesländern, zu den Städten und auch zu den Gemeinden, um jede Art von Flüchtlingswelle bewältigen zu können.
Das Asylerstaufnahmelager Traiskirchen in Niederösterreich platzt aus allen Nähten, ist dreifach überbelegt und gehört entlastet.
Das Nichterfüllen von Quotenregelungen durch einzelne Bundesländer ist nicht tolerierbar! Jeder muss seinen Beitrag zur Bewältigung von Asyl- und Flüchtlingswellen leisten.
Die Verteilerquartiere in den Bundesländern zur Umverteilung in Privatquartiere, die Sie angesprochen haben, Frau Minister, sind eine gute Lösung.
Auch auf EU‑Ebene brauchen wir eine nach Wirtschaftskraft und Bevölkerungsanzahl gerechte Aufteilung der Asylsuchenden auf alle Länder. In Italien, wo viele Flüchtlinge ankommen, haben wir nur 0,3 Asylwerber pro 1 000 Einwohner, in Österreich hingegen sind es zwei Asylwerber pro 1 000 Einwohner. Das ist keine faire EU-Verteilung!
Das kleine Land Österreich nimmt in der EU die dritthöchste Zahl an Asylanten auf. Die EU muss mit den Mitgliedstaaten gerechte Asylquoten aushandeln.
An das Dubliner Abkommen, wonach jenes Land, das ein Flüchtling zuerst betritt, für dessen Versorgung zuständig ist, hält sich weder Italien noch Griechenland. Die Italiener lassen Flüchtlinge ausreisen, ohne dass Italien als Erstaufnahmeland festgestellt wird. Wer in Österreich erwischt wird, wird wieder zurück nach Italien verfrachtet, und das Schlepperspiel beginnt von vorne.
Eine von der EU finanzierte Asylbehörde direkt an den EU-Außengrenzen, wo die Flüchtlinge ankommen, wäre sinnvoll, um gleich dort die Identität der Menschen festzustellen.
Zu viele Fremde im eigenen Land plus Wirtschaftsflaute plus 410 000 Arbeitslose plus Rekordverschuldung plus Rekordbesteuerung der Bürger ist eine Mischung, aus der Revolutionen entstehen können. Von Unzufriedenheit bis zum Fremdenhass und weiter zu gewalttätigen Ausschreitungen ist es nicht weit.
Gegen die Kriminalität an unseren Ostgrenzen und gegen die illegalen Flüchtlingsströme aus Italien muss härter durchgegriffen werden! Frau Innenministerin, legen Sie einen Plan gegen Schlepperkriminalität und illegale Einwanderung vor!
Militärische Kernaufgabe der EU-Staaten wäre, die EU-Außengrenzen zu sichern und die Grenzen im Extremfall auch dicht zu machen. EU-Außengrenzkontrollen gehören sowieso regelmäßig durchgeführt.
Österreich ist mit seinem großzügigen Sozialsystem ein gelobtes, sehr attraktives Land für Immigranten. Gegen eine qualifizierte, am wirtschaftlichen Bedarf orientierte Zuwanderung mit Leistungsbereitschaft und positivem Beitrag zum Gemeinwohl ist nichts einzuwenden. Auch all diejenigen, die wirklich verfolgt werden und Asyl brauchen, sollen es bekommen. Jedoch gegen Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen, Ausnützern unseres Sozialsystems, Kriminellen und radikalen Terroristen müssen wir rigoros vorgehen!
Wir brauchen strenge Asylgewährungs- und Zuwanderungskriterien. Eine vollständige Arbeitsgenehmigung für Asylwerber in Zeiten österreichischer Rekordarbeitslosigkeit
kann nicht gewährt werden. Zuerst müssen wir unsere österreichischen Arbeitslosen in Beschäftigung bringen. Asylwerber können dennoch einen positiven Beitrag leisten, indem sie sich bei gemeinnützigen Tätigkeiten in den Gemeinden ihres Aufenthalts und bei gemeinnützigen Vereinen engagieren.
Wichtig ist, dass unsere Asylverfahren straffer und viel schneller werden. Jeder Asylwerber, der einen positiven Asylbescheid bekommt, erhält dann ohnehin ein uneingeschränktes Arbeitsrecht. Eine maximale Dauer von drei Monaten für einen Asylbescheid sollte das Ziel sein.
Und zum Schluss noch eine wichtige Botschaft an alle Asylwerber und Migranten:
Lebt in Österreich wie Österreicher, lernt die deutsche Sprache, geht arbeiten, zahlt Steuern und belastet nicht unser Sozialsystem! Haltet euch an österreichische Gesetze!
Barbarische Scharia-Gesetze und barbarische Teile des Koran lassen sich mit dem österreichischen Rechtsstaat, der österreichischen Verfassung und dem Wertesystem der Europäischen Union nicht vereinbaren! (Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Mayer.)
Du sollst nicht töten, denn jedes Leben ist heilig!, das sollte der Hauptleitsatz jeder Weltreligion sein! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Diesen Satz sollt ihr täglich predigen – in den Moscheen, in den Kirchen, in den heiligen Tempeln und in allen Schulen dieser Welt! – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ.)
10.21
Präsidentin Ana Blatnik: Hinsichtlich eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:
*****
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsidentin Ana Blatnik: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz von 3. bis 5. Dezember 2014 in der Schweiz bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin-Schaller mit dessen Vertretung.
*****
Liebe Frau Ministerin (in Richtung der den Saal verlassenden Bundesministerin Mikl-Leitner), danke schön, dass Sie da waren. Einen schönen Tag! (Allgemeiner Beifall.)
Ergänzung der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR
Präsidentin Ana Blatnik: Ich schlage vor, die Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates um das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14, Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013 (46545/EU XXV.GP) zu ergänzen.
Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.
Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.
Ich werde daher die Tagesordnung um das genannte Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG ergänzen und dieses als 12. und damit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.
*****
Ich begrüße Herrn Bundesminister Klug im Bundesrat. – Schön, dass du da bist. (Allgemeiner Beifall.)
Eingelangt ist der Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2014) (III-536-BR/2014 d.B.), der dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.
Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe diese Verhandlungsgegenstände sowie das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14, Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013 (46545/EU XXV.GP), auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.
Behandlung der Tagesordnung
Präsidentin Ana Blatnik: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 sowie 7 und 8 jeweils unter einem zu verhandeln.
Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.
Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert wird (320 d.B. und 344 d.B. sowie 9257/BR d.B. und 9259/BR d.B.)
Präsidentin Ana Blatnik: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu Punkt 1.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Bierbauer-Hartinger. Bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Brigitte Bierbauer-Hartinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Grüß dich, Herr Bundesminister! Wertes Präsidium! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsidentin Ana Blatnik: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.
10.26
Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Viele von uns kennen die Meldungen, in denen Spitzensportler bei sensationellen sportlichen Leistungen von den Medien und von der Öffentlichkeit bejubelt werden.
Dadurch wird der Druck auf den Sportler massiv, immer bessere Leistungen zu erbringen, um Sponsoren zu halten beziehungsweise Sponsoren zu gewinnen, um im Mittelpunkt der Sportberichterstattung zu stehen. Diesem Druck können Sportler dann manchmal nicht mehr standhalten und greifen zu verbotenen Hilfsmitteln, wie es zum Beispiel bei einem österreichischen Sportler Anfang dieses Jahres passiert ist. Da gibt es sicherlich in den verschiedensten Sportarten einige Beispiele.
Verbotene Hilfsmittel, auch Doping genannt, die die Schnelligkeit und Kraft erhöhen, die das Selbstvertrauen eines Sportlers verbessern und so weiter – manch einer kann der Versuchung nicht widerstehen und greift dabei wissentlich und, aufgrund eines schlechten Umfeldes, auch unwissentlich zu Mitteln, die eigentlich nicht erlaubt sind. Neben dem Aspekt des Betruges an den korrekt handelnden Sportlern ist das nicht zuletzt auch ein Raubbau an der eigenen Gesundheit.
Eine Studie, die in Deutschland vor einigen Jahren mithilfe von Befragungen von ehemaligen DDR-Sportlern, die von ihrem Umfeld damals systematisch mit illegalen Mitteln versorgt wurden, erarbeitet wurde, brachte ein erschreckendes Ergebnis. 62 Prozent der Befragten haben psychische Probleme, 25 Prozent Krebs, 23 Prozent Essstörungen. Die Hälfte der befragten Frauen leidet unter gynäkologischen Erkrankungen. 11 Prozent der Männer sind durch Hormonstörungen brustkrebsgefährdet.
Neu in einer Untersuchung zum DDR-Doping erforscht wurden die Folgen für die Kinder der Sportler: Athletinnen hatten laut Untersuchungen 32 Mal mehr Fehlgeburten als andere Frauen, die Quote der Totgeburten lag um 10 Prozent höher. Laut einer Studie leidet ein Viertel der Kinder der befragten DDR-Spitzensportler unter Allergien, Haut- oder Lungenerkrankungen.
Neben den oft langfristigen gesundheitlichen Folgen für die Sportler ziehen Dopingschäden inzwischen auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Doch offensichtlich hält weder das eine noch das andere manchen Sportler beziehungsweise das Umfeld davon ab, die natürlichen Leistungsgrenzen des Sportlers anzuerkennen. Durch die medienwirksame Veröffentlichung von Dopingfällen ist nicht nur die Öffentlichkeit entsetzt, sondern auch die betreffende Sportart wird dabei in Misskredit gebracht. Auch die Sportler in dieser Sportart, die clean sind und sportliche Leistungen ohne Zuhilfenahme von irgendwelchen Mitteln erbringen, werden dadurch direkt oder indirekt – durch Abspringen von Sponsoren oder Reduzierung der Förderungen und so weiter – bestraft.
In Österreich wurde 2007 das Anti-Doping-Gesetz von allen Parlamentsparteien beschlossen – damit verfügt Österreich über eine der umfangreichsten Anti-Doping-Gesetzgebungen Europas. Ein wesentlicher Schritt im Kampf gegen Doping wurde damit bereits beschritten, es zeigt aber auch, dass dieser Schritt ein wichtiger und ein richtiger war.
Heute beschließen wir eine Novelle des Anti-Doping-Gesetzes, denn mit 1. Jänner 2015 tritt der neue Welt-Anti-Doping-Code in Kraft. Österreich muss seine Anti-Doping-Bestimmungen diesen Regelungen anpassen, um einerseits hinkünftig auch weiterhin als möglicher Kandidat für die Austragung von Sportgroßveranstaltungen aufgrund der Code-Compliance infrage zu kommen. Andererseits werden durch diese Novelle wichtige Bestimmungen beschlossen, um das Anti-Doping-Gesetz noch effizienter, moderner und zielgerichteter zu gestalten.
Um die Doping-Netzwerke noch stärker bekämpfen zu können, wurden auf Grundlage des Welt-Anti-Doping-Codes auch zwei neue Tatbestände geschaffen: Komplizenschaft und der verbotene Umgang. Damit wird Beihilfe sowie Betreuung durch Personen mit Doping-Vergehen verboten, was eine ganz wichtige Bestimmung in der Bekämpfung der Doping-Netzwerke ist.
Weiters wird die Regelstrafe von zwei auf vier Jahre erhöht, und die Zusammensetzung des nationalen Testpools wird geändert. Bisher waren Sportlerinnen und Sportler, die durch die NADA getestet wurden, aus ziemlich allen Fachverbänden im obersten Testpool. Nun wird eine Risikoanalyse eingeführt, damit werden zwei Testpoolsegmente eingerichtet und die im Zusammenhang mit Doping gefährdeten Sportarten sicherlich besser geschützt. Auch die Trennung zwischen der NADA und der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission wurde klarer strukturiert. Des Weiteren wurde eine flexiblere Gestaltung beim Ausschluss von Förderungen umgesetzt, und das Anti-Doping-Verfahren wurde straffer und klarer strukturiert.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Mit dieser Novelle schaffen wir eine weitere Verbesserung im Kampf gegen Doping im Sport. Doping hat im Sport nichts verloren. Wir müssen gemeinsam mit den betreffenden Institutionen und Verbänden weiter hart
daran arbeiten, in Zukunft weitere Schritte setzen und – wie es auch die Vision der NADA ist – gemeinsam mit allen verantwortlichen Organisationen, Ministerien, Fachverbänden und so weiter dafür sorgen, dass es in Österreich einen dopingfreien und fairen Sport gibt und Nachwuchssportler bei uns Bedingungen vorfinden, die es für sie erstrebenswert machen, sich in Zukunft der sportlichen Betätigung zu widmen.
Aber auch auf internationaler Ebene wird eine noch stärkere Zusammenarbeit und Reglementierung bei Doping-Vergehen von Sportlern, bei denen es auch das Umfeld betrifft, erforderlich sein. Wie gesagt: Doping hat im Sport nichts verloren, denn wer dopt, handelt unfair und schadet sich selbst. Meine Partei wird diesem Gesetz gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)
10.33
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte.
10.33
Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Österreich ist zweifellos eine große Sportnation, und obwohl wir ein kleines Land sind, können wir uns über sehr viele sportliche Erfolge in vielen Bereichen und in vielen Sportarten freuen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
Heuer konnten wir uns sogar über unsere Fußballer freuen – sicher eine Besonderheit. Längst sind alle Sportfans wieder darauf vorbereitet, dass es im Winter viele Erfolge unserer Skisportler und Wintersportler geben wird – die ersten Erfolge haben sich ja bereits eingestellt. Aber auch in vielen anderen Sportarten, speziell in sogenannten kleineren Randsportarten, sind wir Österreicher oftmals sehr, sehr erfolgreich.
Ganz wichtig ist es da aber auch, dass wir einen sauberen Sport anbieten können, denn nur fair errungene Erfolge sind letztlich auch wirklich wertvolle Erfolge. Ein ganz wichtiger Faktor ist dabei meiner Meinung nach ein modernes Anti-Doping-Gesetz, das wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zweifellos haben werden.
Mit 1. Jänner 2015 tritt der neue Welt Anti-Doping Code in Kraft: WADC 2015. Mit diesem Gesetz ziehen wir dann in Österreich nicht nur großartig mit, sondern ich denke, wir sind damit wieder einmal Vorreiter und Vorbild für sehr viele andere Nationen in Europa und auf der ganzen Welt. Es ist die Basis, dass wir in Österreich alles tun, um dem Doping Einhalt zu gebieten und es weitestgehend überhaupt zu verhindern. Doping ist unsportlich, unfair und wettbewerbsverzerrend und zudem auch eine gesundheitliche Gefährdung aller betroffenen Sportler, die sich darauf einlassen. – Weil damit Schluss sein muss, ist dieses Gesetz mit seinen Inhalten so wichtig.
Da sind einmal die Komplizenschaft und der verbotene Umgang: Das bedeutet, dass Beihilfe zum Doping strafbar ist und dass die Betreuung durch Personen, die wegen Dopings gesperrt sind, ebenfalls verboten wird. Die Regelstrafen werden dabei von zwei auf vier Jahre erhöht, was ich für eine sehr wichtige und gute Entscheidung halte.
Besonders gut finde ich aber auch die Neugestaltung des nationalen Testpools und dass aufgrund des sportartbezogenen und individuellen Risk-Assessments zwei Testpoolsegmente – Topsegment und Basissegment – eingerichtet werden.
So sollen besonders gefährdete Sportarten einerseits besser geschützt werden, andererseits soll aber auch der Aufwand nicht bei allen Sportarten unermesslich groß werden, was gerade für kleinere Verbände – und als Vizepräsident des sehr erfolgreichen, aber sehr kleinen Österreichischen Faustballverbandes weiß ich, wovon ich spreche – sehr, sehr wichtig ist.
Gut finde ich auch noch, dass es zu datenschutzrechtlichen Verbesserungen durch dieses Gesetz kommt, weil es ganz wichtig ist, die Rechte der Sportlerinnen und Sportler auch entsprechend zu schützen.
Wichtig ist dieses klare Anti-Doping-Gesetz aber auch, damit Österreich auch in Zukunft als Austragungsland großer internationaler Sportveranstaltungen ausgewählt werden kann, und ich freue mich, dass es im Nationalrat einen einstimmigen Beschluss zu diesem, für den österreichischen Sport so wichtigen, Gesetz gegeben hat. Ich gehe davon aus und hoffe, dass es auch im Bundesrat diesen einstimmigen Beschluss geben wird. Seitens meiner Fraktion kann ich jedenfalls sagen, dass wir die Zustimmung geben werden.
Sehr geehrter Herr Minister, eine kleine Bitte hätte ich noch zum Schluss: Für die Sportverbände wird die Einführung dieses neuen Gesetzes anfangs auch mit vielen zusätzlichen Arbeiten und Aufwendungen verbunden sein. Es wäre schön – und ich glaube, es wird auch daran gedacht –, würde seitens des Ministeriums dabei auch eine entsprechende Begleitung erfolgen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
10.37
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Längle. – Bitte.
10.37
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geschätzter Herr Minister! Die Vorredner haben es bereits gesagt: Leider Gottes steht Doping beim Sport immer wieder auf der Tagesordnung. Leider gab es auch gestern wieder in den Medien Berichte über Doping-Missbrauch, über Fälle, die da leider Gottes wieder passiert sind, die einfach einen Missbrauch und eine Wettbewerbsverzerrung darstellen. Nicht die fähigsten Sportler, die schnellsten oder die kräftigsten sind die Sieger, sondern die Sportler, die sich am besten mit Doping irgendwelche Titel erschwindeln.
Leider Gottes gibt es auch viele Negativbeispiele. Da möchte ich aus den vergangenen Jahren gerade auch die Tour de France erwähnen. Radrundfahrt Frankreich: Eigentlich ist das ein tolles, sportliches Ereignis. Leider war es so, dass dort immer wieder viele, viele Missbräuche stattgefunden haben – ich will jetzt hier keine Namen nennen –, aber auch mit österreichischer Beteiligung. Das ist schon ein schlimmes Zeichen, und ich denke, dass wir mit dieser Novellierung des Gesetzes eine Verbesserung herbeiführen werden.
Leider Gottes auch zu erwähnen sind die Olympischen Spiele 2006 in Turin. Das würde ich schon als schwarzen Tag, gerade auch im Bereich des Sportes in Österreich, bezeichnen.
Hervorzuheben beziehungsweise herauszustreichen ist, dass wir jetzt mit der Schaffung eines Testpools beziehungsweise mit der Konzentration auf das wirklich Wesentliche eine deutliche Verbesserung herbeiführen werden. Gewisse Sportarten, die ich hier nicht schmälern möchte – aber etwa Schach –, haben mit Doping eher nichts zu tun, und da können wir jetzt besser entgegenwirken.
Es freut mich auch, dass wir im Nationalrat eine Einstimmigkeit erzielen konnten. Wir, seitens der FPÖ-Fraktion, werden diesem Gesetz zustimmen. Ich hoffe für die Zukunft, dass wir freier von Doping werden.
Ich bedanke mich auch für das Engagement der Beamten und des Ministers im Sportministerium. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
10.40
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
10.40
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine Frage, der Sport ist zu einem Milliardengeschäft geworden, der Sport ist ein Massenereignis, das Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Menschen weltweit interessiert. Das hat natürlich etwas zur Folge, nämlich dass der Druck auf den einzelnen Sportler und die einzelne Sportlerin, die dann in einer Wettkampfarena vor tausenden Menschen Bestleistungen bringen möchten, sehr hoch ist, weil auch die Medienberichterstattung entsprechend ist: Wenn man einen vierten Platz erreicht, dann ist das bekanntermaßen ein Misserfolg.
Diese Situation und dieser Druck haben über all die Jahre dazu geführt, dass wir auch im Sport die Schattenseiten dieses Erfolgs erleben. Eine davon ist beispielsweise die Korruption, das ist ja auch jetzt ganz stark Thema im Konflikt zwischen FIFA und UEFA, und auf der anderen Seite sind es die illegalen medizinischen Mittel, die Sportler und Sportlerinnen in Anspruch nehmen, um dem Druck sozusagen gerecht zu werden, um die Spitzenleistungen erbringen zu können.
Umso mehr freue ich mich, dass wir alle hier einstimmig diesem Gesetz zustimmen. Wir müssen es auch tun, weil es ja 2015 international in Kraft tritt. Also wir sind jetzt ohnehin schon etwas spät dran, aber es geht sich schön aus. Gut so. Wir freuen uns, dass es in Österreich auch zu einem starken Anti-Doping-Grundsatz kommt.
Nichtsdestotrotz, wir haben das im Ausschuss auch schon diskutiert, und ich möchte nicht, dass Sie das als Kritik verstehen, sondern als Anregung für die Zukunft: Wir haben noch immer das Problem, dass Sportler und Sportlerinnen verpflichtet sind zu wissen, welche medizinischen Mittel verboten sind, was aber für Ärzte und Ärztinnen nicht zutrifft. So kann es natürlich dazu kommen, dass ein Sportler, eine Sportlerin zu einem Arzt geht wegen einer ganz anderen Beschwerde – man ist zum Beispiel irgendwo auf Urlaub –, und diesem sagt, ich unterliege dem Anti-Doping-Übereinkommen und darf gewisse Substanzen nicht nehmen, und der Arzt kann das zur Kenntnis nehmen und trotzdem irgendetwas verschreiben, was auf der Dopingliste steht, weil er nicht im Internet nachschaut. Die Ärzte und Ärztinnen sind auch gar nicht verpflichtet dazu, das zu tun.
Deswegen, bitte als Anregung zu verstehen, würde ich es sehr gut finden, wenn diesbezüglich das Sportministerium, Herr Minister, und das Gesundheitsministerium eng zusammenarbeiten würden, auch mit den Sportärzten und -ärztinnen, die sich natürlich damit beschäftigen sollten, aber nicht dazu verpflichtet sind. Daher auch unsere Anregung, dass es sehr gut wäre, wenn Ärzte und Ärztinnen hier ein Zertifikat erlangen könnten, damit ein Sportler, eine Sportlerin die Sicherheit hat, wenn er oder sie zu einem Arzt oder zu einer Ärztin geht, dass diese Person sich auch wirklich genau auskennt, welche medizinischen Mittel erlaubt sind und welche nicht.
Wir hatten ja zum Beispiel einmal das Problem, dass ein Tennisspieler – in dem Fall zum Glück nicht sehr lange – gesperrt war, weil er aufgrund eines anderen Wehwehchens zum Arzt gegangen ist und dieser ihm etwas verschrieben hat, was auf der Dopingliste gestanden ist. Zahlen dafür musste natürlich dann der Spieler. Deswegen glaube ich, dass es ganz gut wäre, wenn wir diesen sehr guten Ansatz, den wir heute beschließen und den wir gerne mitbeschließen, weiterentwickeln, damit für alle auch die Sicherheit gewährt bleibt, und auch international stärker Druck machen, dass Doping nicht akzeptiert wird.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern die Dokumentation vom WDR über Doping in Russland im Leichtathletikverband gesehen hat. Das ist heute auch ganz stark in den
Medien, das ist ja hochaktuell, was wir jetzt gerade diskutieren. Da ist festgestellt worden, dass in Russland im Leichtathletikverband Doping stattgefunden hat, und zwar nicht privat, nicht über einen Arzt, sondern tatsächlich staatlich organisiert. Und das gehört dringend abgestellt, denn das ist keine Fairness unter Sportlern und Sportlerinnen, das ist kein Fair Play, und Fair Play muss im Sport immer im Vordergrund stehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)
10.45
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als letzter Redner situationselastisch zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Klug. (Heiterkeit.)
10.45
Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Geschätzter Herr Präsident! Österreich ist international anerkannt für seine Vorreiterrolle im Kampf gegen Doping. Wir haben seit der Novellierung aus dem Jahr 2009 weltweit eines der strengsten Anti-Doping-Gesetze international betrachtet, und auch mit der Implementierung der Regelungen aus dem WADA-Code 2015 finden unsere ersten kräftigen Signale eine Fortsetzung. Österreich wird damit seiner Vorreiterrolle einmal mehr gerecht, indem wir rechtzeitig diese Bestimmungen umsetzen.
Ich möchte mich neben einer sehr guten Zusammenarbeit auch für die breite Unterstützung sehr herzlich bedanken, habe das bei der Debatte im Ausschuss des Nationalrates, aber auch in der Plenardebatte des Nationalrates schon gesagt. Wie ich mittlerweile jetzt auch aufgrund der Redebeiträge in der Plenarsitzung des Bundesrates reflektieren konnte, bedanke ich mich auch für die breite Unterstützung des Bundesrates.
Der Dank gilt in diesem Zusammenhang aber vor allem meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wenn ein Gesetz, das äußerst professionell vorbereitet wurde, dann auch vom Parlament mit so breiter Mehrheit, in dem Fall auch einstimmig, verabschiedet wird – einen größeren Dank kann man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gar nicht ausrichten. Vielen herzlichen Dank für die Unterstützung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten von FPÖ und Grünen.)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen setzt Österreich den Kampf gegen Doping aktiv, zielgerichtet und effizient fort. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal kurz, sie wurden angesprochen, in Erinnerung rufen, dass wir zwei neue Tatbestände einführen, einerseits die Komplizenschaft und andererseits auch den sogenannten verbotenen Umgang. Also eine Entwicklung in die Richtung, dass das Umfeld der Athletin und des Athleten in Zukunft stärker in den Fokus der Anti-Doping-Arbeit gerückt wird.
Sie wurde angesprochen, ist es aber wert, noch einmal herausgestrichen zu werden, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Die Regelsperre wird von zwei auf vier Jahre erhöht. Ich glaube, dass man in einer sportpolitischen Debatte in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen darf, dass diese Erhöhung der Regelstrafe in einigen Sportarten das Karriereende bedeuten wird. Also auch ein deutlicher Schritt zu signalisieren, dass Doping kein Kavaliersdelikt ist, sondern von uns vehementest abgelehnt wird.
Eine zentrale Neuerung – die sollte in der politischen Debatte nicht untergehen – führen wir in der Entwicklung des nationalen Testpools ein. Wir setzen in Zukunft auf eine sogenannte intelligente Testung. Früher war es so, dass Sportlerinnen und Sportler aller Sportarten im obersten Testpool zu finden waren. Das führte letztlich dazu – mit einem Beispiel sinnbildlich vor Augen geführt –, dass Sportangeln und Langlauf
gleichermaßen getestet wurden. Wir werden in Zukunft im Rahmen einer intelligenten Testung anhand einer Risikoanalyse jene Sportarten herausfiltern, die von Doping betroffen zu sein mehr gefährdet sind als andere Sportarten. Also zwei Testpoolsegmente: Top- und Basissegment.
Und ich sage auch dazu, dass Sportlerinnen und Sportler in Zukunft verstärkt damit rechnen müssen, in das Blutpassprogramm aufgenommen zu werden. Wir hatten im Vorjahr 20 Sportlerinnen und Sportler in diesem Programm, es werden heuer 85 sein, und wir peilen für das kommende Jahr 110 Athletinnen und Athleten im Blutpassprogramm an.
Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Neu ist auch – und das ist meines Erachtens ein weiterer Meilenstein –, es wird zu einer sogenannten gerichtlichen Rechtshilfe im Fall des Nichterscheinens wichtiger Zeugen kommen, also eine richterliche Befragung ermöglicht, sodass das Nichterscheinen von wichtigen Zeugen in Zukunft der sprichwörtlichen Vergangenheit angehören wird.
Auch datenschutzrechtlich wurden einige Verbesserungen vorgenommen.
Ja, Kollege Oberlehner, geschätzter Vizepräsident, wir werden die Verbände bei der Implementierung der neuen Regelungen aktiv begleiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zuletzt der Fall Dürr hat gezeigt, dass wir im Kampf gegen Doping noch nicht am Ziel sind. Aber mit der weiteren Verschärfung geht der Gesetzgeber klar und deutlich in die Richtung: Null Toleranz gegenüber vorsätzlichem Doping!
Ich wünsche mir allerdings auch – und das sage ich als österreichischer Sportminister; Kollege Schreuder hat das angesprochen –, dass wir auch international im Kampf gegen Doping gleiche Schritte unternehmen, also auch andere Staaten sehr stringent im Kampf gegen Doping vorgehen. Ich habe mich bemüht, regelmäßig auf der Ebene der Sportminister in diesem Zusammenhang deutliche Signale auch auf europäischer Ebene zu geben und einzubringen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Europa auch hier mit einer Stimme sprechen muss. Auch wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Diskussion jetzt in Deutschland im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Doping geführt wird, bin ich der Meinung, dass wir mit der Spezifizierung des § 147 Strafgesetzbuch, schwerer Betrug durch Doping im Sport, eine sehr gute Regelung getroffen haben.
Zu dem Hinweis beziehungsweise der Anregung Stichwort Medikamente. Ich möchte spontan sagen, vielleicht zur allgemeinen Information: Wir haben auf der NADA-Homepage eine Auflistung der Medikamente, welche in Ordnung und welche problematisch sind. Also der Zugang wäre an sich verhältnismäßig leicht, aber wir schließen in der Praxis Probleme nicht aus. Daran arbeiten wir.
Klar ist: Ich freue mich, dass beide Kammern des österreichischen Parlaments klar und deutlich ein Signal im Kampf gegen das Doping geschlossen abgeben. Und klar ist auch, dass ich mich weiterhin international dafür einsetzen werde. Vielen herzlichen Dank für die Unterstützung! (Allgemeiner Beifall.)
10.53
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 (ASRÄG 2014) (319 d.B. und 334 d.B. sowie 9260/BR d.B.)
3. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird (335 d.B. sowie 9261/BR d.B.)
4. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (336 d.B. sowie 9258/BR d.B. und 9262/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 4, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatterin Adelheid Ebner: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird.
Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.
Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
10.56
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014 werden einige Änderungen vorgenommen, in deren Zusammenhang wir eigentlich schon 2011 hingewiesen haben, dass sie damals schon notwendig gewesen wären.
Es zeigt sich auch in einer Anfragebeantwortung aus dem November des heurigen Jahres, dass da durchaus Handlungsbedarf gegeben ist. Auf die Frage, wie viele Anzeigen es gegeben hat wegen Unterentlohnung, Nichtvorlegen der entsprechenden Unterlagen von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, kam die Antwort: Die Finanzpolizei hat bei 26 977 Firmen – davon waren 6 307 ausländische Firmen – Lohnkontrollen durchgeführt. Immerhin sind 938 Anzeigen gegen Arbeitgeber wegen Unterentlohnung erstattet worden, insgesamt gab es 974 Bescheide wegen Unterentlohnung.
Also man sieht schon, da tut sich immer noch einiges, auch nach fünf Jahren. Und mit fünfjähriger Verspätung hat auch die Regierung erkannt, dass unsere damaligen Forderungen durchaus berechtigt waren. Wir wären schon einen Schritt weiter, hätte man das damals schon berücksichtigt.
Es ist, wie es oft der Fall ist: Bei einem Gesetz, wo nachgebessert wird, bleibt man wieder auf halbem Weg stehen. Es gibt jetzt einige Verbesserungen, das will ich überhaupt nicht bestreiten, aber auch hier bleibt man wieder auf halbem Weg stehen. Die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist zweifellos für uns alle ein wichtiges Anliegen – auch für uns. Und wenn wir dann einem solchen Gesetz – wie wir es heute tun – nicht zustimmen, dann kommen ja immer sehr polemisch von den anderen die Rufe, wir wären für das Lohn- und Sozialdumping. Nur weil wir einem Gesetz nicht zustimmen, weil wir es in der Form, wie es vorliegt, nicht gut finden, würden wir Lohn- und Sozialdumping unterstützen. Das ist aber einfach lächerlich, und das wissen Sie selber auch. Ich weiß schon, in der politischen Auseinandersetzung macht man das halt so und behauptet einfach etwas und hofft, damit durchzukommen. (Bundesrat Stadler: Ihr macht das nicht, oder?)
Ich sage Ihnen, es ist lächerlich. Wir sind sehr wohl gegen Dumping bei Lohn- und Sozialpolitik. Das ändert nichts daran, dass das Gesetz leider wieder nur ein Stückwerk ist, und darum geht es ja immer wieder: Sie schaffen es nicht, wie bei vielen anderen Gesetzen auch, einmal etwas aus einem Guss zu machen, wo man sagen kann: Das hält jetzt einmal die nächsten zehn Jahre! Sie machen immer Stückwerk, Stückchen für Stückchen (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Keine Hektik, ich bin noch nicht am Ende meiner Rede! Kommt schon noch! – Sie machen immer Stückchen für Stückchen und hoffen dann, dass das der große Wurf ist. – Ist es aber nicht! Wir wollen, dass Sie endlich einmal Nägel mit Köpfen machen. (Bundesrat Schennach: Die Halbwertszeit von Ihrem Kollegen Haupt war nicht schlecht! Ambulanzgebühren!)
Was wollen wir jetzt?, war die Frage. Wir haben gesagt, wir wollen, dass die Sozialversicherung in Österreich abgeführt wird. Warum? Weil es ja viele, viele Unternehmer, vor allem ausländische, gibt, die man plötzlich nicht findet, die keine Zustelladresse haben, wo man nicht einmal weiß, wo sie sich aufhalten, weil es natürlich auch Scheinfirmen gibt und weil es natürlich auch diese Anlage zum Betrug gibt.
Wir wissen ja, dass es vor allem im Ausland Arbeitnehmer gibt, die angemeldet und am nächsten Tag wieder abgemeldet werden – und das geht. Und wir wissen es natürlich nicht, das heißt, der zuständige Minister weiß es natürlich auch nicht, weil es zwar bei Steuern jede Menge Austausch in der Europäischen Union gibt, aber leider nicht bei den Sozialversicherungsanmeldungen – worüber man ja auch einmal nachdenken könnte, dass das ein wichtiger Weg wäre.
Wir haben auch gesagt, wir wollen, dass Baustellen geschlossen werden – und zwar nicht dann, wenn es darum geht, dass einer einen Fehler in der Abrechnung gemacht hat oder seine Unterlagen gerade nicht findet. Es geht nicht um diese Kleinigkeiten, aber es gibt auch Baustellen – und das wissen Sie so gut wie wir auch –, wo man vermuten muss, dass es Missbrauch gibt. Um dem einen Riegel vorzuschieben, sind wir dafür, dass man diese Baustellen dann auch schließt, einfach um solchen Arbeitgebern zu zeigen: So geht es nicht, und beim nächsten Mal überlegt ihr euch bitte dreimal, ob ihr euch auf dieses Risiko einlassen wollt oder ob es nicht für euch billiger, einfacher und gescheiter ist, gleich dem Gesetz und den Vorschriften Rechnung zu tragen!
Das ist unsere Intention, und das sollte ja auch Ihre Intention sein, denn jedes Gesetz ist doch nur so gut, wie gut die Kontrolle ist.
Damit komme ich zum Personalstand. Man hat die Kontrollen ja vom Sozialministerium an die Finanzpolizei abgeschoben. Die Finanzpolizei hat aber im nächsten Jahr, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, 50 Dienstposten weniger. Aber wenn ich ein Gesetz ausweite, verschärfte Kontrollen darin festlege, brauche ich auch das Personal, um das kontrollieren zu können! Und gerade bei der Finanz wissen wir ja, dass wir jetzt schon zu wenige Leute haben.
Das ist zwar jetzt eine andere Baustelle, aber dieser Schlenker sei mir bitte erlaubt, dass man bei der Finanz im Bereich der Betriebsprüfungen Leute abgebaut hat, obwohl man weiß, dass es ganz wichtig wäre, dort mehr Personal zu haben. Da muss man sagen, die Personalpolitik der Regierung steht offensichtlich manchmal unter der Devise: Wir fahren mit dem Rasenmäher drüber, wir müssen Personal einsparen, denn Personal ist teuer – und wir haben kein Geld und müssen die Kosten senken. Ratzfatz gehen wir einmal so mit der Sense drüber und sagen, jeder muss Arbeitnehmer X oder Beamte Y hergeben.
Das geht nicht! Man muss sich die einzelnen Ressorts anschauen und sich die Frage stellen: Welchen Personalstand brauche ich denn dort, um meine Arbeit bestmöglich erledigen zu können, um den Aufgaben der Kontrolle nachkommen zu können? Dann kann man in dem einen Bereich mehr abbauen und woanders weniger abbauen, oder bei manchen bleibt es auch gleich. Aber darauf muss man auch Rücksicht nehmen! Und das gilt auch in diesem Fall, wo man sagt, man verschärft zwar das Gesetz und es muss auch mehr kontrolliert werden, aber das muss durch weniger Personal erfolgen. Ich kann Ihnen jetzt schon prophezeien, wir stehen in ein, zwei Jahren wieder da und stellen fest, dass die Kontrollen nicht ausreichend waren und dass sich der Missbrauch erhöht haben wird. Das ist nicht das, was wir haben wollten. (Bundesrat Perhab: Das ist eine Frage der Effizienz!)
Wir haben natürlich auch – das haben wir heute schon einmal besprochen – die Herausforderung der Zuwanderung und des Asylwesens, und wenn man sich dann anschaut – das ist auch ein Teil dieser Anfragebeantwortung –, wie viele Bescheide gegen inländische und ausländische Unternehmen erlassen worden sind, dann sind – der Herr Sozialminister hat im Nationalrat gesagt, es hält sich die Waage, es sind also gleich viel; das stimmt aber nicht ganz – 405 Bescheide gegen inländische Unternehmen hinausgegangen, aber 569 gegen ausländische Unternehmen. Das heißt
aber, das Böse ist immer und überall – hier genauso wie bei den anderen auch. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez. – Bundesrat Günther Köberl: Der war gut!)
Ich sehe – und es freut mich –, dass Sie mitgedacht haben. Danke schön! (Heiterkeit der Rednerin.)
Alles in allem muss man sagen, es ist wichtig, durchzugreifen. Prävention ist nett, und es hat unlängst ganz jemand anderer – gar nicht wir, sondern es war meiner Erinnerung nach einer aus ÖVP-Kreisen, ich glaube, es war Herr Kopf vom Arbeitsmarktservice – gesagt: Es ist wirklich nett, Prävention zu üben, und es ist ja auch grundsätzlich richtig, aber es gibt einfach Leute, die verstehen nur eine Sprache, und die lautet Strafe, und zwar drastische Strafe! Und erst dann, wenn sie diese zahlen müssen – denn in der Geldbörse tut es am meisten weh –, dann wissen sie, so geht es nicht. – So müssen wir das daher machen.
Um den Wirtschaftsmotor Österreich, der eh schon stottert und kurz vor dem Liegenbleiben ist, wieder in Gang zu bringen, müssen wir schauen, dass wir möglichst gut aufgestellt sind. Das heißt aber auch, dass wir nicht nur die billigen, minderqualifizierten Arbeitskräfte aus der Slowakei oder woher auch immer – Rumänien, Bulgarien et cetera – bei uns aufnehmen können. – Ich meine damit nicht die PflegerInnen! Die meine ich nicht damit – nur falls jemand diesen Verdacht äußern sollte –, denn die leisten wirklich tolle Arbeit um relativ wenig Geld, und Pflege ist eine schwere Arbeit.
Aber wir müssen vor allem dafür sorgen – und auch das ist heute von meinem Kollegen schon gesagt worden –, denn wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik – über 400 000 Arbeitnehmer, inklusive der Personen in Schulungen, sind heute arbeitslos –, dass unsere eigenen Leute einmal einen Arbeitsplatz haben, bevor wir sagen können, auch die anderen können einen Arbeitsplatz bei uns bekommen. Das müssen wir einfach immer im Auge haben.
Wenn man die Ausgabe des „Kurier“ vom 2. Dezember liest, kann man dieser auch entnehmen, dass die Arbeitslosigkeit bei den Migranten doppelt so hoch ist wie bei den Inländern. Das stellt nicht die Freiheitliche Partei Österreichs fest, das stellt die OECD fest! Und was ist ein Grund dafür – das ist ja etwas, worüber wir uns heute bei einem späteren Tagesordnungspunkt auch noch einmal unterhalten werden –: vor allem die Migranten, also die Jugendlichen, die entweder einen oder zwei Elternteile haben, die im Ausland geboren sind, oft auch schon hier geboren sind. Was können diese Jugendlichen nämlich nicht? – Lesen, rechnen und schreiben! Das können sie nicht, und sie sind daher natürlich unbrauchbar.
Jedes vierte hierzulande geborene Zuwandererkind zwischen 16 und 34 Jahren kann nur schlecht Deutsch lesen und schreiben. Das geht aus einer aktuellen Migrationsstudie der OECD hervor. (Bundesrätin Zwazl: Es soll nicht unterbezahlt sein, darum geht es jetzt eigentlich! Es geht ja ums Lohnniveau!) – Es soll nicht unterentlohnt sein – das ist keine Frage, darum geht es ja. (Bundesrätin Zwazl: Aber was hat das mit dem Gesetz zu tun, bitte?)
Ein Lohn- und Sozialdumpinggesetz hat schon etwas damit zu tun, weil es natürlich, wie wir ja an diesen Fällen sehen, die Tendenz gibt, Leute zu nehmen, die weder das eine noch das andere können, die meistens Zuwanderer sind, und diesen weniger zu zahlen, denn sonst gäbe es ja nicht (Bundesrätin Zwazl: Aber zahlen muss ich sie trotzdem!) Ah, nein? (Bundesrätin Zwazl: Es gibt eben das Entgelt, und nicht den kollektivvertraglichen Grundlohn!)
Die in der Anfragebeantwortung genannten Bescheide bedeuten also nicht, dass unterentlohnt worden ist? – Es steht aber in der Anfragebeantwortung etwas ganz
anderes! Es scheint also sehr wohl der Fall zu sein, dass es Fälle von Unterentlohnung gibt, und da stehen natürlich diese Zuwandererkinder, die nicht lesen, schreiben und rechnen können, an allererster Stelle unter denjenigen, die gefährdet sind, davon betroffen zu sein, dass es solche Unternehmer gibt. Bei allem Verständnis dafür, dass eine Wirtschaftskammerpräsidentin ihre Klientel verteidigt, aber es gibt immer schwarze Schafe, und gar nicht so wenige, wie wir hier festgestellt haben. (Bundesrätin Zwazl: Monika, wovon reden wir denn jetzt?) Das muss man eben auch zur Kenntnis nehmen, und daran muss man auch arbeiten. (Bundesrätin Zwazl: Ja, eh!)
So gute Ansätze dieses Sozialrechts-Änderungsgesetz hat, unserer Meinung nach ist es zu wenig, zu wenig drastisch in dem Sinne, dass Strafen auch wirklich spürbar werden würden. Aus diesem Grund werden wir unsere Zustimmung nicht geben – und nicht deswegen, weil wir für Lohn- und Sozialdumping wären. (Beifall bei der FPÖ.)
11.09
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.
11.09
Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister Klug in Vertretung des Herrn Sozialministers! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich vorweg bei den Fraktionen, die dieser Änderung zustimmen werden, recht herzlich bedanken.
Der Bereich Unterentlohnung ist ja leider kein Bagatellbereich, das kann man nicht kleinreden, und dieses Gesetz soll unlauterem Wettbewerb sowie Sozialbetrug einen Riegel vorschieben. Künftig wird nicht nur der Grundlohn kontrolliert werden können, sondern auch sämtliche Entgeltbestandteile wie Zulagen, Sonderzahlungen oder Zuschläge. Und ich sehe keinen Grund, dieser Änderung nicht zuzustimmen.
Es geht hier nicht um etwaige Fehler, die im Lohnbüro tagtäglich passieren, sondern um ein bewusstes Vorenthalten des Lohnes. Betrügerische Unternehmer, die sich auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereichern, müssen und sollen gestoppt werden, da es auch wettbewerbsverzerrend ist und zum Nachteil jener Unternehmer, die ihre Arbeitnehmer ordentlich und laut Kollektivvertrag bezahlen.
Des Weiteren ist das nicht nur ein Betrug an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sondern auch am Staat, was die Steuerabgabe betrifft, da die Unternehmen ja zweimal kassieren, einmal an der geleisteten Arbeit von Arbeitnehmern und einmal dadurch, dass sie nicht bezahlen.
Die Zahlen in Österreich sprechen für sich. Die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer bestätigen, dass in Österreich rund 300 Millionen Überstunden im Jahr geleistet werden, 70 Millionen davon überhaupt nicht bezahlt werden und x-Tausende Überstunden falsch, also nicht dem Kollektivvertrag entsprechend, abgerechnet werden.
Künftig ist damit jede Unterschreitung des Entgelts nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag strafbar. Ein weiterer Vorteil für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt vor allem dort, wo es keine Belegschaftsvertretung, keinen Betriebsrat gibt, wo Bestandteile des Lohns nicht oder nur teilweise ausbezahlt werden, weil die Arbeitnehmer zum Teil ihre Ansprüche auf Zulagen schlicht und einfach nicht kennen, weil sie den Kollektivvertrag gerade nicht bei der Hand haben, oder wie auch immer. Die Arbeitnehmer werden nun auch automatisch über wegen ihrer Unterentlohnung verhängte Strafbescheide informiert.
Allein heuer hat es Strafanzeigen von Sozialbetrug in der Höhe von 3,65 Millionen € gegeben. Natürlich darf man jetzt nicht alle Unternehmer unter Generalverdacht stellen. Dieses Gesetz ist sicher im Sinne aller, die ihre Arbeitnehmer nicht nur als
Mittel zum Zweck sehen, sondern als jene, die ihre Betriebe mit Wissen, Fleiß und Erfahrung aufrechterhalten, und das nicht nur in guten wirtschaftlichen Zeiten.
Österreich ist das einzige europäische Land, in dem jetzt Unterentlohnung verwaltungsstrafrechtlich verfolgt wird. Das ist gut so und soll eine Vorbildwirkung für andere Länder haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)
11.12
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.
11.12
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr „Sozialminister“ Klug! – Er kommt ja aus der Arbeitnehmerbewegung, und seine Hauptthemen als Fraktionsobmann im Bundesrat waren hauptsächlich derartige Themen, Arbeitsrecht insbesondere. Man könnte hier schon eine gemeinsame Ebene aufbauen.
Zu den vorliegenden Themen darf ich Folgendes ausführen, Frau Kollegin Mühlwerth: Kollege Hans-Jörg Jenewein hat im Sozialausschuss wortwörtlich gesagt: „situationselastisch“. – Es ist an und für sich ein gutes Gesetz. Es fehlen ein paar Nuancen dafür, dass es dann auch ein ausgezeichnetes Gesetz wird, ein paar Nuancen. (Bundesrat Jenewein: Pferdefüße, habe ich gesagt!) Aber wenn man sagt, dass es auf halbem Weg stehen geblieben ist, ist das natürlich eine glatte Übertreibung. Es fehlen vielleicht ein paar Prozent, aber daran wird gearbeitet, wie wir im Ausschuss gehört haben, Herr Kollege Jenewein. Wie wir gehört haben, ist bereits wieder eine entsprechende Novelle angedacht, auf dem Weg und vorbereitet, die dann diesen Punkt auch sanieren möchte. Außerdem haben wir auch gehört, dass die Prüfungsbereiche nicht nur mit der Finanzpolizei, sondern auch mit der BUAK entsprechend funktionieren. Frau Kollegin Zwazl wird dann noch darauf zu sprechen kommen, weil natürlich auch die Wirtschaftsbereiche und die Unternehmer etwas in die Bredouille gebracht wurden. Das kann man dann in einer weiteren Sequenz aufklären. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ja, das werden wir noch hören.
Insgesamt kann man einfach sagen: Es ist eine gute Geschichte, Sozial- und Lohndumping zu bekämpfen. Wir haben jetzt auch die Möglichkeit, dass viel mehr miteinbezogen ist, also nicht nur der kollektivvertragliche Grundlohn, sondern auch sämtliche Zulagen sind jetzt mit dabei. Auch wenn man sagen möchte, dass es hier natürlich Probleme gibt: Wir sind nicht unbedingt dafür, dass man gleich Baustellen schließen soll, sondern man soll das Gesetz entsprechend gut anwenden. Es gibt hier nun weit größere Möglichkeiten der Bestrafung, also zwischen 1 000 € und 10 000 €. Ich denke, wenn jemand nach Wiederholung zu 10 000 € Strafe verdonnert wird, dann muss er lange Arbeitskräfte beschäftigen, bis sich das schlussendlich rentiert.
Ich denke, es ist schon eine gute Maßnahme, dass wir da entsprechend beraten statt strafen wollen. Das passt gut und stimmig, glaube ich, hier hinein.
Auch bei den Arbeitsaufzeichnungen sieht das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz wesentliche administrative Änderungen vor: Bei fixen Arbeitszeiten ist nicht immer wieder dasselbe Formular miteinzubringen – hier gibt es also auch sinnvolle Neuerungen. Dass die ganzen Arbeitsaufzeichnungen dann auch übermittelt werden können, ist auch in diesem Gesetz beinhaltet. Auch Entbürokratisierung oder Bürokratieabbau ist ein wesentlicher Punkt. Da kann man auch sagen, dass der Arbeitsschutzausschuss mit mehr als 100 Beschäftigten nicht zwei Mal im Jahr tagen muss, sondern es reicht wirklich, wenn man sich ein Mal trifft. Oder: Sicherheitstechniker und
Arbeitsmediziner können auch Sicherheitsvertrauenspersonen sein. – Also hier gibt es sicher sinnvolle Adaptierungen.
Wir fahren auch nicht mit dem Rasenmäher drüber, Frau Kollegin Mühlwerth. Übrigens, wenn natürlich der FPÖ-Rasenmäher mit dem Viertakter Kollegen Strache unterwegs ist, dann ist der kleine ÖVP-Rasenmäher da schon eher im bescheidenen Umfang unterwegs, das muss man natürlich in aller Deutlichkeit auch einmal anmerken. (Bundesrat Jenewein: Das sieht man dann am Wahlergebnis!) – Nein, nein, nein. Die Wahlen sind schon längst vorbei, Herr Kollege (Bundesrätin Mühlwerth: Die nächste Wahl kommt bestimmt!), außer vielleicht die Personalvertretungswahlen, die könnten wir jetzt noch irgendwie in diesen Zusammenhang bringen.
Natürlich muss man in diesem Bereich dann auch einhalten, was man sagt. Es gilt dann das gesprochene Wort. Da schauen wir noch, was sich in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Für den Arbeitsmarkt von großer Bedeutung ist auch, dass hier weitere 30 Millionen € bereitgestellt werden. Das ist für die Verlängerung der Kurzarbeitshilfe wichtig – wir haben das im Ausschuss auch gehört. Auch die Zahlen von 2014 sind bekannt. Hier haben wir sicher eine Situation, wo es im nächsten Jahr aufgrund der schwächeren Konjunktur mehr Mittel braucht. Ich denke auch – Herr Minister, da sind wir einer Meinung –, jeder zusätzliche Euro, der in den Arbeitsmarkt fließt, um hier entsprechende Hilfen zu gewähren, ist ein gut angelegter Euro. – Ich danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
11.16
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
11.17
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, aber noch nicht von jedem. Ich halte mich deswegen ganz, ganz kurz.
Dieses Gesetz, diese Verschärfung ist absolut zu begrüßen, weil es, wie meine Vorredner und Vorrednerinnen schon richtigerweise gesagt haben, verhindert, dass einerseits ArbeitnehmerInnen ausgenutzt werden – dem muss man einen Riegel vorschieben – und dass andererseits für die Firmen eine massive Wettbewerbsverzerrung stattfindet. Wie kommen die anständigen Firmen, die sich an alle Gesetze und Regeln halten, dazu, mit jenen konkurrieren zu müssen, die auf Arbeitnehmerentlohnung, Arbeitnehmerschutz und so weiter pfeifen? Dass da die Strafen angezogen werden, ist absolut nachvollziehbar.
Man braucht manchmal auch gar nicht lange zu suchen. Man braucht nur eine Tageszeitung aufzuschlagen und sich die Inserate, die drinnen sind, ein bisschen durchzuschauen. Da fragt man sich dann ab und zu – dazu muss man auch kein großes Finanzgenie sein –: Wie kann es sein – ein Beispiel, das mir schon oft untergekommen ist –, dass zwei Arbeiter und ein Transporter für eine Übersiedlung um 40 € in der Stunde angeboten werden? Das kann hinten und vorne nicht zusammenpassen. Das heißt, hier gibt es auch Firmen, die ganz offensichtlich damit werben, dass sie auf ihre Mitarbeiter und deren Rechte pfeifen.
Ich habe mir wirklich einmal den Spaß gemacht und habe dort angerufen und habe dann auch einmal mit Leuten gesprochen, die dort arbeiten. Da haben sich tiefe Abgründe aufgetan. Dass diese Firmen geschlossen und zugedreht werden, das befürworte ich auf jeden Fall, denn diese Menschen wurden wirklich ausgebeutet. Das ist modernes Sklaventum.
Und eines sage ich auch: Ich komme selbst aus dem Baugewerbe, habe im Baubereich gearbeitet, und ich kenne viele Menschen, die in der Gastronomie tätig sind. Aber ich kenne keinen einzigen Arbeiter, der im Schweiße seines Angesichts reich geworden ist. Das gibt es nicht. Daher muss man die Leute schützen und auch die Firmen, die versuchen, ihre Arbeitnehmer entsprechend zu entlohnen.
Zu dem, was Kollegin Mühlwerth gesagt hat: Frau Kollegin Mühlwerth, kein einziger Migrant oder Drittstaatsangehöriger wird jemals einem Österreicher einen Arbeitsplatz wegnehmen können. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht?) Wissen Sie, warum? – Weil wir in Österreich das Ersatzkraftverfahren haben. Das heißt, wenn eine offene Stelle frei ist, muss das AMS zuerst prüfen, ob ein österreichischer Staatsbürger für die freie Stelle zur Verfügung ist, und wenn nein, ob ein EU-Bürger für diese freie Stelle zur Verfügung ist. Wenn nein, wird geprüft, ob es Drittstaatsangehörige mit den unterschiedlichen Aufenthaltstiteln und Arbeitsbeschäftigungsmöglichkeiten, die für diese offene Stelle infrage kommen, gibt. Und ganz zum Schluss kommen Asylwerber und Asylwerberinnen, die aber auch nur in bestimmten Bereichen und nur befristet Zugang zum Arbeitsmarkt haben, zum Beispiel bei der Saisonarbeit in der Gastronomie und der Land- und Forstwirtschaft.
Also bleiben wir bei den Fakten! Ich weiß, dass das, was Sie zitiert haben, gerade unter jungen Migranten und Migrantinnen – nicht das beste Bildungsniveau – ein Problem ist. Aber das mit diesem Gesetz in Verbindung zu bringen, das halte ich für äußerst falsch und problematisch, weil man dann den Bildungsbereich diskutieren müsste. Wir werden dazu noch einen weiteren Tagesordnungspunkt verhandeln – ich glaube, Tagesordnungspunkt 11 –, und dann können wir diese Sachen, die Sie richtigerweise angesprochen haben, diskutieren. Ich halte es für falsch, sie mit dieser Materie zu vermischen. Ich weiß, dass das eine das andere bedingt, aber gerade wir Mandatare sollten saubere Diskussionen führen und nicht das eine mit dem anderen vermischen.
Das, was wir heute beschließen – das möchte ich zum Schluss noch anmerken –, haben meine Kollegen und Kolleginnen im Nationalrat schon im Jahr 2011 als Abänderungsantrag eingebracht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Damals ist es sozusagen negiert worden, heute erkennt man, dass es Nachjustierungen, Nachschärfungen benötigt. Ich begrüße das, lieber spät als gar nicht! Wir werden dem natürlich unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
11.21
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte, Herr Kollege.
11.21
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte grundsätzlich all jenen Fraktionen, die heute diesem Gesetz die Zustimmung erteilen, herzlich danken. Ich glaube, es ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, um Lücken zu schließen. Dieser Lückenschluss wird natürlich noch weitere Schritte mit sich bringen, wie Kollege Mayer schon gesagt hat.
Warum darf ich das jetzt schon sagen? – Weil wir davor stehen, nächstes Jahr die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsendungsrichtlinie umzusetzen. Durch diese Umsetzung wird es dann auch möglich sein, Verwaltungsstrafen im Ausland zu exekutieren.
Ich möchte auch die Ausführungen von Frau Kollegin Mühlwerth, die sich jetzt leider nicht im Raum befindet, etwas geraderücken. Ich glaube, dass, wenn ihre Partei, die
immer wieder vorgibt, den kleinen Mann – die Arbeitnehmerin, den Arbeitnehmer – zu vertreten, heute diesem Gesetz nicht zustimmt, das ein wirklicher Schlag ins Gesicht dieser Leute ist. Dafür sind Sie dann verantwortlich, und ich ersuche Sie auch, dass Sie doch den kleinen Leuten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sagen, dass es Ihnen wurscht ist, wie es ihnen geht! (Bundesrat Krusche: Du negierst hartnäckig, was die Monika Mühlwerth gesagt hat!)
Ein paar Dinge betreffend die Entsenderichtlinie zur Klarstellung, meine Damen und Herren! Darin gibt es immerhin schon das, was wir heute Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsmöglichkeiten nennen, natürlich nicht in riesiger Zahl. Aber immerhin sind 17 ausländische Firmen bereits jetzt für den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt gesperrt, weil sie wegen Unterentlohnung, Nichtvorliegen von Lohnunterlagen und so weiter Verwaltungsstrafen bekommen haben. Das Verhängen dieser Verwaltungsstrafen bedeutet immerhin für 17 Unternehmungen – ausländische Firmen –, dass sie hier nicht arbeiten und ihre Dienstleistungen nicht anbieten dürfen.
Das ist die Rechtslage, das tun wir, und wir verschärfen das heute auch mit diesem Gesetz.
Allein bei der Unterentlohnung betrug das gesamte Strafmaß rund 19 Millionen €. Das heißt, dass diese Gesetzesmaterie in Wirklichkeit sehr wohl gegriffen hat, aber auch, dass es notwendig ist, ein paar Dinge noch weiter zu verschärfen. Wir sind hier auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Ich hätte das natürlich gerne in allen Bereichen umgesetzt, aber wir sind hier step by step unterwegs und versuchen, das auch Schritt für Schritt umzusetzen.
Ich möchte noch einmal an alle appellieren, diesem Gesetz zuzustimmen, weil wir damit nämlich in Österreich etwas geschaffen haben, das uns sozusagen einzigartig macht. Wir sind das einzige Land der Welt, das im Verwaltungsstrafrecht den Tatbestand der Unterentlohnung verfolgt, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ein weiterer Punkt ist natürlich auch die Gesetzesreparatur im Bereich der Nebenerwerbsbauern. Diese Reparatur ist im Interesse dieser Personengruppe unbedingt notwendig, denn in Wirklichkeit sind das zu 50 Prozent Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wie alle anderen auch –, und zu 50 Prozent sind diese Personen in der Landwirtschaft tätig – wie eben Vollerwerbsbauern. Das heißt, dass diese Menschen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in diesen Bereich fallen. Man stellt damit die alte Rechtslage des Arbeitslosenversicherungsgesetzes für Nebenerwerbslandwirte wieder her.
Ein sehr wichtiges Gesetz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird heute novelliert, und ich hoffe, dass es auch Ihre Zustimmung findet.
Die vier wichtigsten Eckpunkte sind für uns folgende: In Zukunft wird das gesamte Entgelt aller Branchen überprüft. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil Entgeltbestandteile nach der alten Gesetzeslage nicht inkludiert waren. So ist es möglich, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern enorm entgegenzukommen.
Die Lohnunterlagen haben da zu sein – schwindeln gehört der Vergangenheit an. Es wird eine Informationspflicht für Arbeitnehmer geben, wie Verstöße geahndet werden, würden sie nachgewiesen werden, auch das ist ein wesentlicher Punkt. Und vor allem eines ist ganz wichtig: Es wird höhere Strafen geben und es wird teurer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch zum Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und zum Thema Kurzarbeit kommen! Ich glaube, dass das ein sehr wichtiger Punkt ist, weil wir das in Österreich auch benötigen. Die Kurzarbeit ist ein wesentliches Instrument, um Menschen in Beschäftigung zu halten. Die Menschen in unserem Land gehen nicht in Kurzarbeit, weil es an der notwendigen Flexibilität der
Unternehmen fehlt. Es mag schon sein, dass es vielleicht da und dort an den notwendigen Regelungen fehlt. Würde man sich in der Industrie aber auskennen, dann wüsste man, dass man dort nicht deshalb nicht in Kurzarbeit geht, weil es keine Zeitkonten gibt, weil diese Zeitkonten nicht vorhanden sind, sondern dass das Instrument Kurzarbeit notwendig ist, weil diese Zeitkonten nicht mehr ausreichen.
Wenn wir über Flexibilität sprechen, dann schauen wir in unsere Nachbarländer! Was machen unsere Nachbarländer? – Es gibt zum einen keine Arbeitszeitflexibilität bei den Arbeitnehmern, und das Instrument der Kurzarbeit ist auch nicht bekannt. Das heißt, in vielen Ländern Europas, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden die MitarbeiterInnen unbezahlt nach Hause geschickt oder gekündigt.
Wenn wir heute bezüglich Flexibilität Diskrepanzen haben, dann deshalb, weil der Wunsch da ist, für uns ein Zeitkonto zu führen. Die Gegenleistung dieses Zeitkontos bedarf natürlich auch eines Entgegenkommens der Arbeitgeber. Wird er dann seitens der Gewerkschaft oder der Belegschaftsvertretung auf Arbeitsplatzgarantien angesprochen, dann gibt es diese Flexibilität seitens der Unternehmungen leider nicht.
Darum herrscht bei uns auch große Skepsis gegenüber diesen Zeitarbeitskonten, und darauf möchte ich etwas näher eingehen. Man muss sagen, dass Kurzarbeit von den Unternehmen auch deshalb angewendet wird, damit topausgebildete Fachkräfte – Facharbeiterinnen und Facharbeiter – im Unternehmen bleiben können. Es ist nicht so einfach, auf dem Arbeitsmarkt topqualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter zu bekommen. Es werden 30 Millionen € für das Jahr 2015 neu zur Verfügung gestellt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass uns das Instrument der Kurzarbeit sehr erfolgreich durch die Krise geführt hat. Es ist ein Instrumentarium, bei dem beide Sozialpartner – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Last auf den Schultern tragen. Wir sind in Europa wirklich einer der wenigen Staaten, die aus der Krise schneller herausgestartet sind. Wir sind schneller herausgestartet als unsere Nachbarstaaten. Es ist wirklich gut, dass dieses Modell – ausgehend von 2009 – noch flexibler gehandhabt werden kann. Wir können in kürzester Zeit Kurzarbeit in den Betrieben einführen. Als Beispiel nenne ich nur MAN in Oberösterreich. Innerhalb von fünf Tagen hat es dort funktioniert, ein Kurzarbeitsmodell einzuführen. (Bundesrat Schmittner: Was ist mit BMW?)
Betriebsratskolleginnen und -kollegen aus Deutschland haben uns damals gar nicht geglaubt, dass das in so kurzer Zeit möglich ist. Ich darf für die Flexibilität Danke sagen. Einen Dank natürlich auch an den Herrn Sozialminister, der die Realität des Wirtschaftslebens kennt und federführend und unter großer Bedachtnahme diese Vorgangsweise vorangetrieben hat.
Ich möchte auch den nachgeschalteten Stellen Danke sagen – dem Arbeitsmarktservice, das in diesem Zusammenhang ganz besonders gefordert war. Es hat wirklich alles geklappt. Diesen Menschen gehört einfach Danke gesagt.
Ich habe eingangs gesagt, dass das heute ein wichtiger Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Wir stehen auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und die Abstimmung wird zeigen, wer sich gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen in Österreich ausspricht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
11.30
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Kollegin.
11.30
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die unter den drei Tagesordnungspunkten zum Arbeits- und Sozialrecht in Diskussion stehenden Maßnahmen sind
durchaus neue Meilensteine, und zwar für alle, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie für die Unternehmerinnen und Unternehmer!
Die Wirtschaft, das sind wir alle miteinander, und deshalb begrüßen gerade wir von der Wirtschaft das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz. Es bringt eine wichtige Verbesserung bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, es bringt eine Entlastung für die Unternehmen hinsichtlich ihrer bürokratischen Verpflichtungen und Erleichterungen in Bezug auf die Aufzeichnungspflicht nach dem Arbeitszeitgesetz. Im Sinne des fairen Wettbewerbs begrüßen wir – gerade die Wirtschaft – alle Maßnahmen, die dahin gehen, dass es faire Regeln gibt, und deshalb ist uns das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz so wichtig.
Nichts bringt mich so sehr in Wallung wie die immer wieder laut werdenden Unterstellungen. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die sich nicht an Gesetze halten, aber man darf das nicht immer verallgemeinern. Wir – die Wirtschaft – sitzen alle in einem Boot. Deshalb ist es uns auch wichtig, dass wir gerade dort, wo es Übergriffe gibt, mit diesem neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das die Sozialpartner gemeinsam erarbeitet haben, jetzt wirklich ein Instrument in der Hand haben, um eingreifen zu können.
Es ist uns wichtig, wirklich wichtig, dass die österreichischen Entgeltbestimmungen eingehalten werden; nicht nur der kollektivvertragliche Grundlohn – es ist ja schon darauf hingewiesen worden –, sondern eben das Entgelt mit all den Zulagen, mit den Überstunden, den Sonderzahlungen und natürlich den verschiedensten anderen Zulagen, die es noch gibt. Es gibt manche Branchen, die 43 Zulagen haben. Dort muss man schon aufpassen, dass man nicht übers Ziel schießt, dort kann es schon einmal passieren, dass eine Kleinigkeit nicht beachtet wird.
Wir sind für eine faire, korrekte Entlohnung im Sinne eines fairen Wettbewerbs, weil gerade diejenigen, die sich an die Regeln halten, immer einen Nachteil haben – und das kann es nicht sein! Deshalb sind wir froh, dass wir jetzt wirklich strengere Gesetze haben.
Es stimmt nicht, dass die Finanzpolizei geschrumpft ist. Im Gegenteil! Allein aus dem Ressort von Herrn Minister Klug sind 200 Beamte zur Finanzpolizei gekommen. Wir haben derzeit 530 Finanzpolizisten, die laufend unterwegs sind und kontrollieren. Also so, wie die geschätzte Frau Kollegin Mühlwerth gemeint hat, ist es überhaupt nicht! (In Richtung FPÖ:) Vielleicht können Sie ihr das ausrichten. Man soll nicht immer alles schlechtreden.
Es ist wichtig, dass die Anmeldung zur Sozialversicherung verpflichtend ist. Das Nichtbereithalten der Unterlagen am Arbeitsort ist strafbar. Die Lohnkontrollen – das habe ich schon gesagt – sind auf das gesamte Entgelt ausgedehnt worden. Und weiters ist klargestellt, dass das Nichtbereithalten der Unterlagen für jeden Arbeitnehmer gesondert strafbar ist. Somit ist es für Unternehmen ganz einfach nicht mehr rentabel, ihre Arbeitnehmer zu gering zu entlohnen. Es rechnet sich nicht, die Unterentlohnung durch das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen zu verschleiern.
Ich habe schon gesagt, dass es sehr viele Zulagen gibt, und daher kann schon ein kleiner Fehler passieren. Deshalb ist es auch so, dass Strafen durch Beratung ersetzt werden können. Das heißt, bei leichter Fahrlässigkeit und dann, wenn die Entgeltdifferenz nachbezahlt wird, ist von einer Bestrafung abzusehen.
Auch das Einstellen der Arbeit ist möglich. – Ich weiß nicht, was da jetzt immer angesprochen wird?!
Von uns ebenfalls begrüßt wird, dass man zum Beispiel auch das Equipment beschlagnahmen kann. Wenn sich jemand nicht korrekt verhält, kann man ihm – was weiß ich? – die Hilti oder das Auto wegnehmen.
Das sind jetzt wirklich Bestimmungen, die wir bisher nicht gehabt haben. Dass man das nicht begrüßt und nicht herausarbeitet, was positiv ist, das verstehe ich überhaupt nicht.
Insgesamt ist das für uns eine ausgewogene Novelle. Als Wirtschaftsvertreterin bekenne ich mich dazu, ist mir das wichtig, weil – noch einmal – ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile nicht im Interesse der gesamten Wirtschaft, also auch nicht in eurem, sein können.
Es gibt noch erfreuliche Änderungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Kollege Edgar Mayer hat schon angesprochen, dass Sicherheitsfachkräfte oder Arbeitsmediziner – das kommt ja nur in ganz großen Firmen vor – auch die Funktion der Sicherheitsvertrauensperson ausüben können, wenn sie Arbeitnehmer im Unternehmen sind. Weiters entfällt die Verpflichtung zur Bestellung einer Brandschutzgruppe, und der Arbeitsausschuss ist nur mehr ein Mal im Jahr einzuberufen.
Das sind erfreuliche Maßnahmen, die zur Entlastung der Wirtschaft beitragen. Es sind kleine Schritte, aber immerhin. Wir freuen uns auch über noch so kleine Schritte. Aber ich erwarte mir schon, dass wir nicht nur immer davon reden, dass die Bürokratie, das Bürokratiemonster eingebremst werden soll, sondern wirklich versuchen, diese Bürokratiehürden für unsere Unternehmen so gering wie möglich zu halten und sie überall dort, wo es möglich ist, auch zu reduzieren, denn das trifft die Kleinen genauso wie die Großen.
Ein ganz plakatives Beispiel dafür: Wissen Sie, wie viele Bestimmungen, wie viele Paragraphen das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz hat? (Bundesrätin Mühlwerth: Zu viele!) – 1 209! Jetzt möchte ich gerne wissen, wer die alle kennt. Ich glaube, nicht einmal der taffste Arbeitsinspektor kennt die alle (Bundesminister Klug: Das hoffe ich doch!), und das kann es ganz einfach nicht sein!
Jetzt ist es so, dass wir statt 1 209 1 205 haben werden. Darüber freuen wir uns, das muss man begrüßen, Monika! Ich habe auch schon gesagt, dass die Finanzpolizei aufgestockt worden ist, du kannst dann gerne meine Zahlen haben. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Wir begrüßen jeden Schritt in die richtige Richtung, und deshalb ist es auch wichtig, dass man nichts schlechtredet, was gut ist, auch wenn das nicht ein so großer Wurf ist, wie du ihn dir vorstellst. Für uns ist das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ein sehr großer Wurf, wir begrüßen es.
Die Bürokratie betreffend stellen wir uns größere und schnellere Schritte vor, weil es ganz einfach darum geht, dass Bürokratie einem Zeit- und Gelddiebstahl gleicht. Und wenn ich nicht weiß, wofür es gut ist, sehe ich nicht ein, wieso ich es machen muss. Ich denke, dass das wichtig ist, weil unnötige Bürokratie auch eine Innovationsbremse ist. Ein Produktionsleiter eines großen Unternehmens hat mir gesagt, dass er vor 20 Jahren ungefähr 30 Prozent der Zeit für ein Projekt darauf verwendet hat, zu prüfen, welche Regeln er alle einhalten muss. Jetzt ist es umgekehrt, jetzt braucht er bei Innovationen 70 Prozent der Zeit, um herauszuarbeiten, ob all die Regeln und Materien, die es gibt, überhaupt das hergeben, was er braucht, um die Kundenwünsche erfüllen zu können.
Ebenso wichtig und erfreulich sind die Änderungen im Arbeitszeitgesetz. Das Arbeitsinspektorat ist jetzt nicht mehr von der Einführung einer durchlaufenden mehrschichtigen Arbeitsweise oder Nachtschwerarbeit oder von Kurzpausen zu informieren. Die Aufzeichnungspflichten sind insofern gelockert, als nur mehr dann Saldenaufzeichnun-
gen über die Dauer der Tagesarbeitszeit geführt werden dürfen, wenn der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen kann. Das gilt natürlich auch – was ganz wichtig ist – für die Telearbeit. Ruhepausen müssen nicht mehr aufgezeichnet werden, wenn Beginn und Ende der Ruhepause im Betrieb festgelegt sind oder es dem Arbeitnehmer überlassen wird, die Ruhepause innerhalb eines festgelegten Zeitraumes zu nehmen. Für Arbeitnehmer in einer fixen Arbeitszeiteinteilung entfällt die laufende Arbeitszeitaufzeichnungspflicht. Es sind lediglich die Abweichungen aufzuzeichnen.
Ich bedanke mich dafür und bin sehr froh darüber, dass man diese wesentlichen Meilensteine gesetzt hat. Ich bedanke mich dafür, weil wir – die Wirtschaft – für einen fairen Wettbewerb und in diesem Sinne froh darüber sind, dass es jetzt diese Maßnahmen und auch Möglichkeiten geben wird.
Unsere Finanzpolizei hat bei Wettbewerbsungleichheiten und Lohndumping einzuschreiten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
11.39
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Klug. – Bitte, Herr Minister.
11.39
Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, den von mir sehr geschätzten Herrn Sozialminister vertreten zu dürfen. Als mittlerweile auch Vater einer noch sehr jungen Tochter habe ich vollstes Verständnis für den Grund seiner heutigen Verhinderung.
Dies bietet mir gleichzeitig die Möglichkeit, wie das Kollege Edgar Mayer schon angesprochen hat, kurzzeitig in eine meiner ursprünglichen Spezialdisziplinen zurückzukehren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Ich möchte einleitend sagen, dass sich jetzt natürlich sehr viele Möglichkeiten bieten, im Bereich der politischen Debatte des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes den Arbeitsmarkt und sozusagen die Stellung der Partner auf dem Arbeitsmarkt zu reflektieren. Die Kolleginnen und Kollegen aus der Sozialdemokratie legen verständlicherweise, da die SPÖ ja die einzige Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerpartei in Österreich ist (Heiterkeit bei der ÖVP – Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Bundesrates Mayer), den Fokus auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, während Frau Präsidentin Zwazl auch mit ihrer sozusagen Heimatmotivation stärker die Wirtschaft reflektiert. Wie ich aber auch von meinem geschätzten Kollegen Edgar Mayer weiß, gibt es das innerparteiliche Korrektiv im Bereich der ÖVP (Bundesrat Brunner – auf Bundesrat Mayer zeigend –: ... auch ArbeitnehmerInnen!), das darüber wacht, dass auch in der ÖVP gelegentlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu kurz kommen.
Ich möchte, wenn Sie gestatten, einleitend die Arbeitsinspektoren und Arbeitsinspektorinnen nur ganz kurz ansprechen, ohne dass ich besonders weit ausholen möchte. Ich möchte diese grundsätzlich in Schutz nehmen, denn ich gehe davon aus, Frau Präsidentin Zwazl, dass alle in diesem Bereich tätigen Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz selbstverständlich bis ins Knochenmark kennen, sonst hätten sie ja ein Problem mit dem Job, und davon gehe ich nicht aus.
Sie machen das sehr gut und sehr engagiert, wiewohl ich weiß, dass die Tätigkeit der Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren im Allgemeinen in der Wirtschaft immer
ein bisschen mit Argusaugen beobachtet wird. Ich weiß aber auch, wie es war – und deshalb sage ich immer leise kollegial: Wehret den Anfängen! –, nicht dass wir uns in der einen oder anderen Formulierung an diese unleidliche politische Aufgabenstellung erinnern, die Martin Bartenstein damals als Arbeits- und Wirtschaftsminister in einer Person vereinigt hat, denn das war ja der klassische Widerspruch. Eines seiner größten Probleme, das er während seiner Amtszeit hatte, waren ja die Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren. – Ich möchte aber deshalb nicht viel Zeit damit verlieren, weil das Gott sei Dank alles Vergangenheit ist.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte betreffend den Bereich des Lohn- und Sozialdumpings zusammenfassend doch auf eines aufmerksam machen – der Kollege Pfister hat das meines Erachtens sehr professionell dargestellt –, indem ich noch einmal die europaweite Perspektive ins Auge fasse: Es ist uns 2011 mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wirklich ein in diesem Zusammenhang europaweit einzigartiges Gesetz gelungen. Ich gebe zu, es hat einen etwas sperrigen Name, aber der Inhalt an sich kann sich sehen lassen.
Es ist so, wie es die Frau Präsidentin Zwazl auch angesprochen hat: Es werden zuerst einmal die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt – das ist einmal ganz wichtig! –, nämlich gegen Lohn- und Sozialdumping. Aber zum Zweiten – das sage ich als jemand, der aus der Sozialpartnerschaft kommt und sich dieser auch verpflichtet fühlt – werden darüber hinaus auch die fairen Unternehmer geschützt, denn wie kommt ein sogenannter fairer Unternehmer dazu, dass er sich durch unfairen Wettbewerb Marktnachteile einhandelt. Das ist daher auch ganz klar.
Es geht in diesem Zusammenhang um das erklärte Ziel im österreichischen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, dass Unterentlohnung wirksam verhindert wird, nicht mehr als Kavaliersdelikt betrachtet wird und daher durch einen fairen Wettbewerb auch die von mir schon angesprochenen fairen Unternehmer geschützt werden sollen. Die Nichteinhaltung von Regelungen des österreichischen Arbeits- und Sozialrechts darf sich eben nicht lohnen, indem dieses Verhalten letztlich zu Wettbewerbsvorteilen führt. Vielmehr geht es darum, dass die Einhaltung auch der neuen Regelungswerke für alle Unternehmer in Österreich selbstverständlich sein muss.
Es kommt zu wesentlichen Verbesserungen im Bereich der Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings, nämlich durch die Ausweitung der behördlichen Lohnkontrolle auf alle Entgeltbestandteile – Frau Präsidentin Zwazl hat darauf aufmerksam gemacht –, die Möglichkeit der Einholung von Auskünften durch öffentliche Auftraggeber in einem Kompetenzzentrum im Bereich der Gebietskrankenkasse, eine Erhöhung der Verwaltungsstrafen im Falle fehlender Lohnunterlagen, aber letztlich werden auch den Kontrollbehörden verbesserte Instrumente in die Hand gegeben. Und da der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein gemeinsames Anliegen ist, werden die Informationsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso gestärkt.
Man könnte glauben, es ist beabsichtigt, in diesem Fall sage ich aber reinen Herzens, es ist Zufall: Ich möchte als Verteidigungsminister in diesem Zusammenhang auch auf Verbesserungen im Bereich des Bundesheeres aufmerksam machen; im Konkreten geht es um ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Dezember 2013 im Zusammenhang mit der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nach § 14 Abs. 4 AlVG. Ich freue mich, dass jetzt auch die Zeiten des Präsenzdienstes in diesem Zusammenhang berücksichtigt wurden.
Da in der Debatte die Frage aufgetaucht ist, ob es jetzt sozusagen ausreichende Fortschritte gibt oder ob das eine oder andere in diesem Bereich nicht doch noch politisch zu machen wäre, mache ich darauf aufmerksam, dass wir auch weitere Schritte setzen
werden zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und bezüglich der Einhaltung der österreichischen Arbeitsbedingungen.
Die Bundesregierung hat sich in einem Ministerratsvortrag vom 30. September gemeinsam auf ein Maßnahmenpaket gegen den Sozialbetrug verständigt. Es wird zu einer weiteren Verbesserung der Behördenzusammenarbeit durch die Schaffung eines Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes kommen, zur Einführung von Risikoanalysetools, zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie – Kollege Pfister hat das schon angesprochen –, aber zu guter Letzt wird in diesem Paket auch das Vergaberecht explizit genannt mit einem eindeutigen Verweis auf das Prinzip Bestbieter und eben nicht Billigstbieter.
Lassen Sie mich abschließend etwas sagen zu dem einen oder anderen Argument, das seitens einer Oppositionspartei ins Treffen geführt wurde, um ein negatives Abstimmungsverhalten rechtfertigen zu können. Stichwort: Warum schließt man eine Baustelle nicht gleich zur Gänze? – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, auf einer Baustelle arbeiten in der Regel mehrere Unternehmer, und ich sage schon, so wie ich es eingangs in meiner Argumentation darzulegen versucht habe, dass der faire Unternehmer zu schützen ist. Und wenn es nun mehrere Unternehmer auf einer Baustelle gibt, dann ist wohl nicht einzusehen, warum, wenn unter sechs, acht oder zehn Unternehmer ein unfairer dabei ist, durch die Schließung der Baustelle sieben Unternehmer ins Gras beißen sollen. – So einfach und plakativ kann man sich das in der politischen Debatte nicht machen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)
Sie werden wahrscheinlich nicht besonders überrascht sein, wenn ich als Jurist grundsätzlich der Meinung bin, dass ein Gesetz nicht nur so gut ist wie seine Kontrolle, sondern grundsätzlich einmal so gut ist wie seine Vollziehung. Mit einem gewissen Augenzwinkern sage ich das klarerweise auch als Mitglied eines Organs der Vollziehung. Aber grundsätzlich gehen wir einmal von einer korrekten Vollziehung aus. Was aber die Kontrolle betrifft, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, dass wir in diesem Bereich – nämlich Kontrollen und Strafen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – durchaus schon eine Statistik vorzuweisen haben, die meines Erachtens mehr als herzeigbar ist.
Kontrollierte Firmen gesamt: 28 138; im Baubereich: 15 481 Baustellenkontrollen mit 25 122 Firmen und 94 291 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Verdachtsfälle auf Unterentlohnung: 1 267 Firmen; Finanzpolizei-Kontrolle: 3 016; Verdachtsfälle auf Unterentlohnung bei 708 Betrieben.
Die Unterentlohnung jetzt im Speziellen: 977 Anzeigen und sich daraus ergebende 941 Bescheide wegen Unterentlohnung führten zur Verhängung von Strafen in Gesamthöhe von 10 951 130 € – also, wie Sie sehen, in Summe eine Entwicklung, die durchaus beachtlich ist.
Im Bereich der Lohnunterlagen und deren Nichtbereithalten: Gesamtsumme an Geldstrafen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Höhe von 21 234 940 € – also meines Erachtens ein Gesetz, das nicht nur im Bereich der Vollziehung funktioniert, sondern im engeren Sinne auch im Bereich der Kontrolle.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich versuche zusammenzufassen: Was bleibt am Ende der Beschlussfassung? – Wir sprechen uns klar und deutlich gegen Lohn- und Sozialdumping aus, wir sprechen uns klar und deutlich für den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, wir sprechen uns damit aber auch klar für einen fairen Wettbewerb aus und wir sprechen uns daher ebenso klar dafür aus, dass wir faire Unternehmer unterstützen und schützen wollen.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang, dass oftmals Oppositionsparteien sagen: Ich hätte gerne ein bisschen mehr gemacht, sage aber gleichzeitig dazu, dass das Gesetz eine Verbesserung ist. – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich habe das in meiner Zeit als Vorsitzender der Bundesratsfraktion der SPÖ bereits immer wieder erlebt, und offensichtlich hat sich das nicht geändert.
Wie ist denn diese politische Haltung einzuschätzen, wenn ich sage: Es gibt ein Gesetz, das Verbesserungen bringt, ich stimme diesem aber nicht zu, weil das eine oder andere eben nicht mitgeregelt wurde? – Ich muss dazu sagen, ich komme, wie auch damals, zum selben Ergebnis: Es handelt sich um den klassisch untauglichen Versuch einer Oppositionspartei, einem Gesetz nicht zuzustimmen, nur weil es von der Regierung kommt. – Das ist schade, das ist bitter. Ich bedanke mich bei allen, die zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schreuder: Das ist aber umgekehrt genauso! – Bundesrätin Mühlwerth: ... von der Regierungsbank brauchen wir auch nicht!)
11.53
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es liegt mir dazu keine weitere Wortmeldung vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.
Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden – Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angelegenheiten des Pflegegeldwesens, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (III-535-BR/2014 d.B. sowie 9263/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angelegenheiten des Pflegegeldwesens, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 den Antrag, den Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat – Vollziehung der Angelegenheiten des Pflegegeldwesens, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.
11.55
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Minister! Stichwort: Pflegebericht, Pflegegeldreformgesetz 2012. – Pflege ist sicherlich etwas, das uns nicht nur heute betrifft, sondern in weiterer Folge natürlich auch in Zukunft betreffen wird.
In vielen Kommunen ist es so, dass die Pflegeheime voll sind, wenig Platz ist, und viele Menschen, die der Pflegestufe 1, 2, 3, manche auch der Stufe 4 angehören, dort teilweise keinen Platz mehr finden. Bei 454 000 Pflegegeldbeziehern ist das schon etwas, das nicht in Vergessenheit geraten darf und unsere Aufmerksamkeit erfordert.
Der Bericht betreffend die Pflegegeldreform hat diesbezüglich doch deutliche Ziele formuliert, und zwar eine Beschleunigung der Verfahren, eine Reduktion der Anzahl der Entscheidungsträger, eine Vereinheitlichung der Vollziehung und auch eine Verwaltungsersparnis. Viele von Ihnen kennen es vielleicht: Wenn es zu Hause oder auch im Pflegeheim jemanden gibt, kann der mittels Formular den Arzt konsultieren, der dann die Pflegestufe gegebenenfalls ändert. Prinzipiell funktioniert das ja relativ gut und es ist auch erfreulich, dass hier ein Reformwille beziehungsweise auch wirklich eine Verbesserung zu erkennen ist, wobei, wie ich meine, die Reform nicht abgeschlossen ist und es sicherlich noch Verbesserungen geben wird müssen.
Von den angesprochenen 454 000 Pflegegeldbeziehern beziehungsweise -bezieherinnen befinden sich rund 236 000 Personen in der Stufe 1 beziehungsweise 2. Das sind rund 52 Prozent. Der Zugang zu diesen Stufen ist in den letzten Jahren erschwert worden und soll in einer Novelle noch weiter erschwert werden. Das ist, wenn man an die Würde der Menschen denkt, schon etwas, das hier infrage zu stellen ist.
Die Erhöhung, die stattgefunden hat, auf derzeit 154,20 € in der Pflegestufe 1 beziehungsweise 284,30 € in der Stufe 2 ist schon irgendwo nur eine Mini-Erhöhung. Zusätzlich kommt dazu, dass es in diesem Bereich leider Gottes auch viele Ablehnungen gegeben hat und dies die Antragsteller quasi dazu veranlasst, erneut einen Antrag zu stellen.
Ich meine schon, dass das eine Verschlechterung des ganzen Systems ist. Gerade auch angesichts der aktuellen Debatte „Würde am Ende des Lebens“ sollte uns doch allen bewusst sein, dass es da um Menschen geht. So ist zu fragen: Was ist mit der Verantwortung? Ebenso ist die ganze Reform kritisch zu hinterfragen.
Wir hoffen, dass sich in Zukunft im Bereich der Pflege doch deutliche Verbesserungen zeigen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
11.59
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.
11.59
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Bundesminister! Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausgangslage für diese Reform des Pflegegeldwesens war: Es hat keine einheitlichen Rechtsgrundlagen und keinen einheitlichen Vollzug gegeben. Es hat unterschiedliche Begutachtungen und über 300 Entscheidungsträger im Pflegegeldwesen gegeben. Bei den Ländern gab es zum Teil sehr, sehr lange Verfahrensdauern; das hatte natürlich auch Kritik durch den Rechnungshof zur Folge.
Was ist dann passiert? – Dann kam es zur Umsetzung, die in konstruktiven Arbeitsgesprächen mit den Ländern, mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, mit der Pensionsversicherungsanstalt und mit der Beamtenversicherung erfolgte. Danach wurde eine Änderung der Bundesverfassung eingeleitet. Im Jahr 2012 wurden die Landespflegegeldgesetze aufgehoben. Es kam zur Übernahme der Daten und der Zahlungen von den Ländern ohne Zahlungsunterbrechung, die aufgrund der vielen unterschiedlichen EDV-Systeme quer durch Österreich eine große Herausforderung war. Es wurden über 70 000 LandespflegegeldbezieherInnen in das Bundespflegegeldgesetz überführt. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)
Die Verwaltungsreform ist immer wieder ein Thema. Das gilt natürlich auch für den Pflegegeldbereich. In diesem kam es aufgrund der Änderungen zu einer Reduktion von über 300 Entscheidungsträgern auf sieben und in weiterer Folge auf fünf.
Die gegenständliche Gesetzesnovelle hat sehr viele Verbesserungen gebracht, und zwar: die Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen und auch der Einstufungspraxis, in der erstmalig auch Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden, eine deutliche Verkürzung der Verfahrensdauer, wo wir jetzt im Schnitt auf unter 60 Tage kommen, eine massive Einsparung bei der Verwaltung, einen geringeren Verwaltungsaufwand durch die Reduktion auf mittlerweile fünf Entscheidungsträger.
Und wir haben etwas ganz Besonderes erreicht: Wir haben erstmalig eine umfassende Datenlage zum Pflegegeld für das gesamte Bundesgebiet, und zwar Daten, die sehr aussagekräftig sind. Des Weiteren gibt es ab jetzt eine einheitliche Fortbildung durch die Einrichtung der Akademie für ärztliche und pflegerische Begutachtung.
Die Übernahme der Landespflegegeldfälle in die Bundeskompetenz hat sich als große und schwierige Herausforderung, und zwar auch in materiell-rechtlicher Sicht, erwiesen. Durch das große Engagement, die hohe Kooperationsbereitschaft und das hohe Fachwissen der beteiligten Personen ist es gelungen, mit dieser Pflegegeldreform eine bedeutende Maßnahme zur Vereinheitlichung des Pflegegeldsystems in Österreich zu setzen.
Aus unserer Sicht wurde mit dieser Reform ein richtiger Schritt sowohl im Bereich der Legistik als auch im Bereich der Vollziehung gesetzt, der zu einem schlankeren, flexibleren und kostengünstigeren System geführt hat. Auch für die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen konnten durch die einfacheren und klaren Strukturen Verbesserungen erreicht werden.
Die Ziele liegen auf der Hand, meine sehr geehrten Damen und Herren: eine Reduktion der Zahl der Entscheidungsträger, die Vereinheitlichung der Vollziehung, die Verkürzung der Verfahrensdauer, die Umsetzung der vom Rechnungshof vorgeschlage-
nen Maßnahmen und eine Verwaltungseinsparung bei Ländern und Gemeinden in Vollzug und Legistik.
Wir nehmen diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. Ich möchte mich von diesem Rednerpult aus beim Sozialminister und auch bei den Kolleginnen und Kollegen für ihre Arbeit herzlich bedanken, die sie für diese sehr wichtige Vereinheitlichung des Pflegegeldwesens geleistet haben.
Schließen möchte ich mit einem Zitat, das auch im Bericht nachzulesen ist, und zwar sind das Aussagen von Dr. Greifeneder und Dr. Mayr, die anerkannte Pflegegeldexperten sind. Sie sagen Folgendes:
„Das Pflegegeldreformgesetz 2012 mit seinem Herzstück der Verbundlichung des gesamten Pflegegeldwesens kann daher samt ihrer Umsetzung als Musterbeispiel für eine Verwaltungsreform gesehen werden.“
(Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
12.03
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. Ich erteile es ihm.
12.04
Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir alle wissen, verändert sich die Gesellschaft in ihrer gesamten Struktur ständig und damit natürlich auch die Altersstruktur. Die Menschen werden gesund älter. Die Verantwortlichen aller Seniorenorganisationen leisten dazu, wie ich meine, einen wichtigen und entscheidenden Beitrag.
Natürlich steigt parallel dazu auch die Zahl jener Menschen, die Hilfe und Pflege brauchen. Wir sind froh darüber, dass das Pflegegeld ab 1. Jänner 2015 um 2 Prozent erhöht wird. Damit sichern wir die Wahlfreiheit der Betroffenen, verhindern, dass Geldleistungen zugunsten von Sachleistungen, nämlich Gutscheinen, gekürzt werden und erfüllen damit auch eine langfristige und wichtige Forderung unseres Seniorenbundes. – Das ist die gute Nachricht.
Die nicht so gute Nachricht ist, dass im kommenden Jahr die Zugangsbestimmungen für die Pflegegeldstufen 1 und 2 geändert werden, und zwar sind fünf Stunden zusätzlich für die Pflegegeldstufe 1 und zehn Stunden für die Pflegegeldstufe 2 erforderlich. Ich glaube aber, dass jene Leute, die zuletzt in Stufe 1 oder 2 eingestuft waren, in den meisten Fällen mehr als das geforderte Mindestmaß an Pflegestunden erreichen.
Sehr geehrte Damen und Herren, zwei Dinge sind da besonders wichtig:
Erstens: Niemand, der heute Pflegegeld bezieht, verliert etwas oder wird zurückgestuft, das Bestehende bleibt weiterhin erhalten.
Zweitens: Alle Anträge, die bis zum 31. Dezember 2014 eingebracht werden, werden nach der jetzigen Regelung behandelt. Es ist daher den Leuten zu sagen, rasch tätig zu werden und diese Frist noch zu nützen.
Geld für Pflege darf nicht länger in Strukturen versickern, sondern muss den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen zugutekommen. Das ist der Kernpunkt und besonders wichtig.
Der Seniorenbund, aber auch alle anderen Seniorenorganisationen bieten kostenlose Beratung und Unterstützung in allen Angelegenheiten rund um das Pflegegeld an. Wir fordern alle Leute auf, diese Angebote entsprechend zu nützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
12.07
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.
12.07
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Meine zwei Vorredner, die eine Pro-Rede gehalten haben, haben ja schon sehr vieles vorweggenommen. Auch ich kann sagen: Dieses Pflegegeldreformgesetz ist wirklich ein positives Beispiel für eine Verwaltungsvereinfachung, es ist daher begrüßenswert. Was ich eher weniger begrüßenswert finde, ist der Umstand, dass man in den Pflegestufen 1 und 2 Verschärfungen vorsieht. Ich weiß, man versucht dadurch vielleicht etwas weniger Mittel in diesem Bereich auszugeben, aber ich meine, wenn jemand Pflege benötigt, dann soll er auch die Ansprüche, die ihm aufgrund dessen zustehen, bekommen. Diese Änderung ist für mich wie ein Stein im Magen, aber nichtsdestotrotz geht das Ganze in eine richtige Richtung, und wir werden dem auch unsere Zustimmung erteilen.
Bemerkenswert ist – und das muss schon klar festhalten –, dass es, wie man es an den Zahlen der PflegegeldbezieherInnen sieht, große regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme und bei der Zuerkennung des Pflegegeldes gibt. Da muss man kritisch hinterfragen, wie denn das möglich sein kann.
Begrüßenswert ist auch die einheitliche Ausbildung jener Personen, die mit der Begutachtung betraut werden. Dass die Österreichische Akademie für ärztliche und pflegerische Tätigkeit schon im Herbst dieses Jahres mit der Ausbildung beginnt, ist sicher ein richtiger und wichtiger Schritt.
Bei der Pflege-Enquete des Seniorenrates wurde berichtet, dass das Pilotprojekt zur Einbeziehung von Pflegefachkräften bei der Einstufung zum Pflegegeld nun abgeschlossen ist. Es würde mich interessieren, welche zentralen Ergebnisse dabei herausgekommen sind. Aber ich weiß nicht, ob Sie, sehr geehrter Minister Mag. Klug, die Antworten darauf jetzt geben können. Nichtsdestotrotz werden wir dem zustimmen, denn es geht in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
12.09
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. Ich erteile es ihr.
12.09
Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich halte dieses Thema für ein ganz wichtiges. Das meiste wurde hier heute schon sehr positiv dargestellt, und mir ist es ein Anliegen, das noch zu verstärken.
Gerade diese Umstellung war – wie ich aus der Praxis weiß – eine unglaubliche Erleichterung für all jene, die in diesem Bereich arbeiten: von der Beratung von Angehörigen, bei der die unterschiedlichen Varianten und teils auch unterschiedlichen Richtlinien weggefallen sind; bis dahin, dass für diejenigen, die in entsprechenden Einrichtungen arbeiten, der Abrechnungsmodus stark vereinfacht wurde. Aus diesen Gründen war ich für diese Umstellung wirklich sehr dankbar.
Ebenfalls angesprochen wurde die Verfahrensdauer, die sich mit 60 Tagen, glaube ich, gut eingependelt hat. Zusätzlich möchte ich aber noch festhalten: Es ist wichtig, zu wissen, dass das Pflegegeld rückwirkend auf das Antragsdatum beziehungsweise den Ersten des Folgemonats ausgezahlt wird. Dabei möchte ich positiv herausstreichen, dass sich bei Menschen, die finanzielle Probleme gehabt und das zusätzlich deponiert haben, wirklich alle Beteiligten bemüht haben, damit es noch einmal schneller ging und diese Menschen in der Zwischenzeit nicht in finanzielle Schwierigkeiten kamen.
In Bezug auf die Pflegeeinstufung möchte ich kurz dem Herrn Kollegen Längle antworten. Ich glaube, es ist Gott sei Dank eher selten der Fall, dass die Einstufung wirklich falsch ist. Sollte es so sein, kann man ja glücklicherweise auch den Rechtsweg einschlagen. Aber bezüglich der Pflegestufen möchte ich jetzt schon noch eines ergänzen: Bei den Pflegeeinrichtungen sind es häufig nicht die Menschen mit Pflegestufe 1 oder 2, die auf einen Platz warten, sondern meistens diejenigen mit darüberliegenden Stufen. Ich bin auch der Meinung, dass man bei den stationären und ambulanten Einrichtungen den eingeschlagenen Weg weitergehen muss. Deswegen hat es mich damals auch verwundert, dass Ihre eigene Fraktion, Herr Längle, sofern ich es richtig in Erinnerung habe, gegen die Verlängerung des Pflegefonds gestimmt hat, obwohl dies ganz entscheidend ist, um die budgetären Mittel auch für die Länder auszubauen. Dies wollte ich dazu noch anmerken.
In den 20 Jahren, in denen es das Pflegegeld gibt, sind die Zahlen massiv gestiegen – einerseits die Zahl der Leistungsbezieher, andererseits natürlich auch was die finanziellen Aufwendungen betrifft. Wir reden dabei von einer Summe von rund 2,5 Milliarden € jährlich. Das ist unglaublich viel Geld, das in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland, wo ja ein Versicherungsbeitrag dafür geleistet wird – rein aus dem Budget bestritten werden muss. Dennoch sind wir, glaube ich, alle einer Meinung, wie wichtig diese Unterstützung ist. Und wir wissen auch, dass die Menschen oft sehr bewusst damit umgehen.
Ich habe selber diese Erfahrung gemacht, und vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, warum es Unterschiede zwischen Bundesländern oder regionale Unterschiede gibt: Gerade bei Menschen in der niedrigen Pflegestufe dauert es oft lange, bis sie wirklich um Pflegegeld ansuchen. Bei den höheren Pflegestufen geht es meistens schneller, da sind die Herausforderungen noch einmal anders oder es geht um eine stationäre Einrichtung. Aber bei niedrigen Pflegestufen war es sehr oft der Fall, dass Menschen zu uns gekommen sind, die unter Umständen schon ein Jahr oder länger zu Hause betreut haben, und wenn wir nachgefragt haben, ob sie überhaupt Pflegegeld haben, wurde klar, dass sie den Antrag noch nicht gestellt haben. Dieser Umstand trägt vielleicht auch zu regional unterschiedlichen Ergebnissen bei.
Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, die Menschen diesbezüglich aufzuklären. Für manche gibt es da auch eine Hemmschwelle, insbesondere die ältere Generation hat manchmal ein Problem damit, dann da zu sitzen und zu sagen: Ja, mir geht es schlechter, ich brauche Unterstützung, ich kann mein Leben nicht mehr alleine bestreiten! Da spielen auch menschliche Gefühle eine Rolle, da ist einfach eine Hürde vorhanden.
Die geplante Änderung bei den niedrigen Pflegestufen löst auch bei mir nicht gerade Begeisterungsstürme aus, weil ich gerade diesen Teil des Pflegesystems für sehr, sehr wichtig halte. Ich habe Verständnis dafür, dass das Gesamtpaket auch budgetär passen muss, hoffe aber trotzdem, dass wir in Zukunft das Augenmerk ganz klar auf jene Leute legen, die noch einen geringeren Pflegeaufwand haben. Denn ich bin der tiefen Überzeugung: Je früher wir anfangen, Menschen zu betreuen und zu begleiten, umso länger können sie zu Hause betreut werden und damit so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Zudem hat man bei früher Begleitung auch die Chance, eine schnellere Zunahme der Pflege ein bisschen aufzuhalten und zu bremsen. Das wäre, meiner Meinung nach, im Sinne der pflegenden Angehörigen, aber vor allem auch im Sinne der betroffenen Personen. Daher hoffe ich, dass wir diesen Weg in Zukunft gemeinsam weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
12.14
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Klug. – Bitte.
12.15
Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorab darf ich mich bedanken, dass diese große Verwaltungsreform auch im Bundesrat ein so positives Echo findet!
Die Ausgangslage und die konkrete Umsetzung hat meines Erachtens Kollege Pfister sehr ausführlich dargelegt. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal hervorheben: So schnell kann es gehen! Wenn wir uns an die Zeit vor 2012 erinnern: Damals gab es im Bereich der Struktur des Pflegegeldes und der Struktur des Pflegewesens in ganz Österreich zehn ähnliche Landesgesetze, über 300 verschiedene auszahlende Stellen. Damit war letztlich auch eine unterschiedliche Verfahrensdauer verbunden, die für die Anspruchsberechtigten natürlich unbefriedigend war. Diese Verfahrensdauer lag im Bereich des Bundes bei durchschnittlich 65 Tagen, im Bereich der Länder bei 94 Tagen. Sie sehen, auch anhand der Vollziehung: Es war eine sehr durchwachsene Ausgangslage.
Ich freue mich, dass es gelungen ist, alle Geldleistungen beim Bund zu fokussieren, und dass es letztlich auch zu einer immensen Reduktion der Zahl der auszahlenden Stellen gekommen ist. Die vollziehenden Stellen haben sich immerhin von 300 auf jetzt im Wesentlichen fünf Stellen mit klarer Zuständigkeit reduziert.
Ich möchte noch auf einen Aspekt aufmerksam machen, der gerade in diesem Bereich der Vollziehung wesentlich ist: Es ist gelungen, die Verfahrensdauer auf nunmehr 55 Tage zu senken! Das ist meines Erachtens ein maßgeblicher Fortschritt – nicht nur, weil wir damit sogar die Vorgaben des Rechnungshofes im positiven Sinn unterbieten. Für die zukünftige Entwicklung ist zu beachten, dass es für die Gutachter in Hinkunft eine gemeinsame Fortbildung gibt.
Hinweisen möchte ich auch darauf, dass die operative Umsetzung für die Übertragung der rund 70 0000 Pflegegeldbezieherinnen und Pflegegeldbezieher tadellos und ohne Zahlungsverzögerung über die Bühne gegangen ist. Das ist meines Erachtens durchaus beachtlich.
Ich kann also, auch aufgrund der Debatte, zusammenfassend sagen: Die Theorie hat im Vorfeld funktioniert, die Praxis hat ebenfalls funktioniert, der Rechnungshof hat gelobt, die Experten haben gelobt, der Bundesrat lobt auch – ein Musterbeispiel für eine gelungene Verwaltungsreform! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
12.18
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
6. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden (318 d.B. und 327 d.B. sowie 9265/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak.
Ich darf recht herzlich Herrn Minister Hundstorfer bei uns im Bundesrat begrüßen und mich gleichzeitig bei Herrn Minister Klug bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Bitte, Herr Berichterstatter Novak.
Berichterstatter Günther Novak: Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, der Inhalt ist bekannt; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.
12.20
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen und Gäste hier und zu Hause vor dem Livestream! Wir freuen uns sehr, dass die EU-Richtlinie jetzt endlich vollständig umgesetzt wird. Trotzdem werden wir jetzt dagegen stimmen, weil die Umsetzung mit einer zehnjährigen Verspätung kommt und weil wir Grünen bereits 2010 eine Anfrage gestellt haben und damals schon genau die Mängel, die jetzt in der EU-Klage beanstandet werden, nachgefragt haben.
Unter anderem fragten wir auch nach, ob Österreich nicht befürchtet, ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung zu bekommen. Und genau zu diesem Vertragsverletzungsverfahren ist es letztendlich nun auch gekommen.
Am meisten beanstandet wurde von uns und von der EU, was uns am meisten gestört hat, nämlich diese Verschiebung von Verantwortlichkeiten für viele Kontrollaufgaben und Maßnahmen zur Eisenbahnsicherung weg vom BMVIT und weg von den untergeordneten Behörden hin zu den Eisenbahnunternehmen selbst. Dies war klar EU-rechtswidrig und ist jetzt in der Klage genauso bemängelt worden.
Das hat sich negativ ausgewirkt auf die Sicherheit der Fahrgäste, auf die Bediensteten der Eisenbahnunternehmen und auch im möglichen Unfallfall, zum Beispiel bei Gefahrengütern, auf die Umwelt.
Diese Zuständigkeitsverschiebung würde übertragen auf den Hausbau bedeuten, dass ein Häuselbauer einfach nur bestätigen müsste, dass er die Sicherheitsbestimmungen
eingehalten hat, ohne dass jemals überprüft wurde, ob es passt und wie es umgesetzt worden ist.
Ich habe eingangs schon gesagt, dass wir hier jetzt dagegen stimmen werden. Ein weiterer Grund dafür ist auch noch, dass die Regierungsvorlage weiterhin ein paar sehr fragwürdige Kann-Formulierungen beinhaltet, insbesondere im Eisenbahngesetz. In den Erläuterungen wird weiterhin auch behauptet, dass die bisherige Umsetzung völlig in Ordnung war und dass die EU den grundsätzlichen Weg der Umsetzung in Österreich nicht in Frage gestellt hätte.
Genau das hat die EU jetzt aber mit diesem Vertragsverletzungsverfahren gemacht und gesagt, dass vor allem dieses Davonstehlen der Behörden aus der Verantwortung vom BMVIT abwärts beendet werden muss. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)
12.22
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.
12.22
Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin Nicole Schreyer hat bereits gesagt, dass im Jahr 2014 die Europäische Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union eine Klage eingereicht hat, weil nach einer umfassenden Prüfung der Umsetzung einzelne Punkte verblieben, in denen nach Ansicht der Europäischen Kommission die österreichischen gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichend genau die Vorgaben aus der Richtlinie umsetzen. – Das ist richtig. Darum ist es auch zu dieser Klage gekommen.
Aber, Frau Kollegin Schreyer, ich möchte schon betonen, das System der Umsetzung im Sinne der Eisenbahnsicherheit ist ja, wie ich meine, nicht nur für Eisenbahnverkehrsunternehmen das Wichtigste, sondern auch für uns Reisende muss die Sicherheit natürlich im Vordergrund stehen. Das wurde dabei aber in keinem einzigen Punkt in Frage gestellt.
Um einen Rechtsstreit zu vermeiden und völlige Rechtsklarheit bei der Umsetzung herzustellen, sieht die vorliegende Gesetzesanpassung daher ergänzende Regelungen im Eisenbahngesetz 1957 und im Unfalluntersuchungsgesetz vor.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Beispiele für die heute vorliegende Anpassung: Vor Ausstellung einer Sicherheitsbescheinigung haben die Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits im Vorfeld die nötigen Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit des Betriebes von Schienenfahrzeugen und des Verkehrs auf Haupt- und vernetzten Nebenbahnen nachzuweisen und eine Genehmigung durch die Behörde einzuholen.
Für den Fall, dass es nach Ausstellung einer Sicherheitsbescheinigung zu wesentlichen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen kommt, kann seitens der Behörde eine neuerliche Überprüfung verlangt werden.
Das Unfalluntersuchungsgesetz wird dahin gehend geändert und angepasst, dass die Unfälle jetzt in fünf Kategorien eingeteilt werden. Und ergänzend wird neu festgeschrieben, dass die Sicherheitsuntersuchungen von schweren Unfällen auch dann durchzuführen sind, wenn zu erwarten ist, dass eine solche Sicherheitsuntersuchung neue Erkenntnisse zur Vermeidung künftiger Unfälle bringt.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch Folgendes betonen und besonders hervorstreichen: Um auf Österreichs Schienen einen inter-
national vorbildlichen Sicherheitsstandard zu schaffen, wurden in den letzten Jahren massive Investitionen getätigt, und dies soll auch so weitergeführt werden, damit das Beförderungsmittel Schiene auch in Zukunft – und das ist zu betonen – das sicherste ist und bleibt.
Ein Punkt, der mir noch am Herzen liegt, ist folgender: Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr EVUs oder Private – es gibt ja nicht nur die ÖBB, sondern immer mehr private EVUs – das europäische und somit natürlich auch das österreichische Schienennetz benutzen, haben wir in Zukunft verstärkt darauf zu achten, dass es mangels von Kontrollen im Schienenverkehr im Zusammenhang mit Ausbildung, Fahrerlaubnissen und Fahrzeiten des Personals nicht zu einer Verschlechterung kommt. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
12.25
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile es ihr.
12.26
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Da Herr Kollege Stadler die Gesetzesvorlage und die Änderungen schon ganz genau erläutert hat, möchte ich nur ganz kurz aus dem Ausschuss berichten. Der zuständige Herr aus dem Ministerium hat gesagt, ursprünglich waren es zwei Dutzend Punkte, die bemängelt worden sind, übriggeblieben sind fünf Punkte, die korrigiert werden mussten, aber die Sicherheit ist nie gefährdet gewesen.
Er hat das dann so formuliert: Der Gesetzestext war in österreichischem Deutsch gehalten, wurde jetzt auf deutsches Deutsch korrigiert, und somit hat man der EU Rechnung getragen. Aber ich glaube, unser Unfalluntersuchungsgesetz, das Sicherheitsgesetz der Eisenbahn war nie gefährdet, und wir sind in Österreich sicher, was Unfallschutz und Unfallaufklärung betrifft, auf einem sehr hohen Standard. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
12.27
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Krusche zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
12.27
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Irgendwie scheint da an mir eine Regierungsumbildung vorbeigegangen zu sein (Bundesminister Hundstorfer: Nein!), aber als Oppositionspolitiker kann man ja nicht alles wissen. Wie auch immer.
Warum dieses Gesetz jetzt angepasst werden muss, ist ja bereits hinlänglich erläutert worden. Es ist nur etwas auffällig, dass gerade im Eisenbahnwesen sehr häufig von EU-Institutionen, sagen wir einmal, interveniert werden muss. Ein Schelm, wer dabei denkt, dass da die ÖBB und die Verteidigung ihrer Interessen irgendeine Rolle spielen.
Wir haben bereits von zwei Vorrednern gehört, dass die Sicherheit nie gefährdet war. Das beweist wieder, dass die besten Gesetze nicht immer alles abdecken können. Ich möchte ein Beispiel bringen, das über die Medien bekannt geworden ist, und zwar die fehlerhaften Achsen beim Railjet. Einige Züge mussten umgebaut werden, weil Achsen eingebaut waren, die bis zu einer Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern geeignet waren, während diese Züge aber auf Strecken gefahren sind, auf denen bis zu 230 Stundenkilometer erlaubt sind.
Nun gut, überall dort, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren, aber das eigentlich Bedenkliche an diesem Vorfall ist die Art und Weise, wie man dieses Problem zu vertuschen versucht hat. Man kann das nämlich sehr schön auf der Homepage des Eisenbahnforums mitverfolgen. Dort ist durch ein Posting einmal der Verdacht aufgekommen – und dieser hat sich dann verdichtet –, dass diese Achsen in den ÖBB-Werkstätten klammheimlich in Nacht- und Nebel-Aktionen getauscht wurden, wobei es für die Mitarbeiter Maulkorberlässe gegeben hat. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Mayer. – Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) – Lesen Sie das, bitte! Das sind alles Insider-Informationen. Diese sagen auch, dass die betroffenen Züge nur mehr auf der Südbahn verkehrt sind, weil dort ohnehin nur 160 Stundenkilometer erlaubt sind.
Das ist dann so weit gegangen, dass auch der „Kurier“ darüber berichtet hat. Daraufhin hat sich auch das Bundesministerium veranlasst gesehen, in harscher Form eine klare Stellungnahme von den ÖBB einzufordern. – Das ist nicht das, was wir uns unter Qualitätsmanagement vorstellen. Wie gesagt, Fehler können passieren, sie gehören aber offen, transparent und ehrlich kommuniziert. (Beifall bei der FPÖ.) Nur dann wird es gelingen, das Vertrauen in die Sicherheit auch wirklich aufrechtzuerhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
12.30
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.
12.31
Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben keine Regierungsumbildung verpasst, Sie haben gar nichts verpasst, sondern wir haben heute schlicht und einfach ein kleines Terminchaos, und Sie waren zu schnell in der Tagesordnung. – Das ist der Hintergrund. Sie gestatten: Eine meiner Töchter hatte um 11 Uhr Promotion. (Allgemeiner Beifall.) Ich habe zwei Töchter. Die eine ist schon alles Mögliche, die andere ist in der „Pipeline“, und sie bekommt halt nicht jeden Tag ein Doktorat in Internationalem Steuerrecht. Das ist der Hintergrund dafür, dass ich da gefehlt habe. – Und Sie waren zu schnell! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Kollege Stöger ist schlichtweg auf der Pyhrn Autobahn bei einer Neueröffnung. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) – Sie haben es richtig gelesen, Herr Bundesrat Krusche, oder sich richtig informiert. Vielleicht waren Sie auch eingeladen, weil es in der Steiermark ist. Demzufolge sind wir alle miteinander ins Schleudern gekommen. Ich nehme an, Herr Brandstetter wird dann pünktlich sein. – Das ist einmal Punkt eins.
Somit haben wir einander vertreten. Da Kollege Klug Lohn- und Sozialdumping aufgrund seiner beruflichen Laufbahn ganz gut kennt, war das auch inhaltlich kein wirklich neues Thema für ihn. Für mich ist das jetzt schon ein bisschen schwieriger. Trotzdem möchte ich einen Punkt klarstellen: Die Europäische Kommission hat bei der Nachprüfung der Umsetzung das System, das wir hatten, per se nie infrage gestellt. Es wurden Formulierungen infrage gestellt; die sind, glaube ich, ausgebessert.
Es sind jetzt wie immer, wenn man etwas angreift, einige allgemeine Anpassungen zu machen gewesen. Aber ich meine, dass wir in Österreich immer schon ein gutes System hatten, was die Sicherheit betrifft. Was meiner Meinung nach am meisten für das Transportmittel Eisenbahn spricht, sind die Transportzahlen von Personen und auch von Gütern. Da wir eine der höchsten Transportdichten bei Personen haben, glaube ich, ist die Zufriedenheit eine sehr, sehr hohe, und damit auch die Sicherheit.
Dass man über Sicherheitsstandards immer wieder nachdenken kann, ist kein Thema. Und dass man bei eventuellen Fehlentwicklungen bei Reparaturen nachdenken muss,
ist ebenfalls klar. Die ÖBB haben da auch nachgedacht, denn sie haben die erwähnten Achsen nicht auf der Westbahnstrecke, sondern auf der Südbahnstrecke zum Einsatz gebracht. Demzufolge wurde auch dort nachgedacht.
Ich danke jenen, die hier zustimmen. Und noch einmal: Ich ersuche Sie, Kollegen Stöger zu entschuldigen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
12.33
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Damit ist die Debatte geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (721/A, 697/A und 329 d.B. sowie 9266/BR d.B.)
8. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (295/A und 330 d.B. sowie 9267/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte um die Berichte.
Berichterstatter Wolfgang Beer: Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrats vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrats vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile es ihr.
12.36
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte KollegInnen und Gäste hier und vor dem Livestream! Zuerst zum Kraftfahrzeuggesetz. Wir werden dem unsere Zustimmung nicht geben, weil wir in der Novelle einfach noch Verbesserungsmöglichkeiten sehen. Es geht bei der ersten Änderung um Fahrtenschreiber, und zwar um die elektronischen – und nicht um die Scheiben, an die Sie jetzt vielleicht denken –, nämlich darum, dass O-Busse von der Fahrtenschreiberpflicht ausgenommen sind, und zwar deswegen, weil der starke Elektromotor die elektronischen Fahrtenschreiber stört. Mit den analogen Scheiben war das früher kein Problem.
Das ist nicht wirklich zufriedenstellend, dass O-Busse ausgenommen sind, aber damit können wir leben. Vor allem gibt es auch nur mehr in Linz und Salzburg ein paar Linien. O-Busse sind österreichweit – und ich glaube, man kann auch sagen, weltweit – eher als Auslaufmodell zu bezeichnen. Da sehen wir das noch halbwegs ein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Der Protest von der Salzburger Seite.
Warum man da, wenn es wirklich nicht geht, vorher aber analog sehr gut funktioniert hat, nicht auf analoge Fahrtenschreiber zurückschwenkt und diese dann stattdessen verwendet, verstehe ich aber auch nicht ganz.
Ein weiterer offener Punkt ist, dass vor allem im Ortslinienverkehr Doppelbeschäftigungen von FahrerInnen nicht aufgeführt werden. Es kann so zu Überschreitungen von Fahrtdauern kommen, wenn beispielsweise jemand untertags Lkw und nachts Bus fährt.
Und der dritte Punkt, über den ich kurz sprechen möchte, ist, dass die Ausnahme für Lebendtiertransporte zum Schlachthof von 50 auf 100 km einfache Fahrtstrecke erweitert wird. Es ist zwar richtig, dass die EU-Tachographen-Verordnung dahin gehend geändert wurde. Es ist aber eine Kann-Bestimmung und keine Muss-Bestimmung und müsste daher nicht im österreichischen Recht implementiert werden. Das ist aus unserer Sicht auch nicht im Sinne der Verkehrssicherheit. Ich denke dabei vor allem an Nebenerwerbslandwirte, die als Lkw- oder Buslenker bereits viele Stunden gefahren sind und dann noch sozusagen unkontrolliert ihre Tiere zum Schlachten führen, und das gerade in ländlichen Gebieten. 100 km können inklusive Rückweg schon noch einmal drei, vier Stunden mehr hinter dem Steuer bedeuten.
Wir halten dies auch im Sinne des Tierschutzes für nicht sinnvoll, was allerdings hier jetzt einmal beiseitegelassen wird. Und schon gar nicht halten wir dies im Sinne von regionalwirtschaftlichem Denken für sinnvoll, denn so wird der Konzentrationsprozess von Schlachthäusern weiter gefördert und die Investition vieler Regionen in dezentrale, kleinere Schlachthöfe weiter entwertet. Gerade uns als Länderkammer sollte diese Regionalität aber wichtig sein.
Zum nächsten Tagesordnungspunkt, der Straßenverkehrsordnung: Da geht es um die Vereinfachung von Ausnahmen von Lkw-Fahrverboten, also Nacht-, Wochenend- und Feiertagsfahrverboten. Wir lehnen das deswegen ab, weil die AnrainerInnen von vielbefahrenen Straßen jetzt schon massiv unter dem Lärm leiden und nicht noch mehr Lärmbelastung in den Nächten, an Feiertagen und Wochenenden haben sollten.
Die Vereinfachung besteht darin, dass nur mehr jenes Bundesland zuständig ist, in dem die Fahrt ihren Anfang nimmt. Um Ausnahmegenehmigungen muss nur mehr dort angesucht werden. Diese Stelle ist dann dafür zuständig, die anderen Bundesländer zu koordinieren. Das heißt, die AntragstellerIn muss nicht mehr selbst in jedem Bundesland ansuchen.
So weit, so gut. Im Sinne eines One-Stop-Shops wäre das ja nicht schlecht. Es muss aber ein Einvernehmen der Länder hergestellt werden, ansonsten gibt es keine Genehmigung. Und genau da sehen wir Grüne den Punkt, an dem wirklich massiver Druck auf die sich negativ entscheidenden Länder ausgeübt werden kann. Darin sehen wir einfach eine große Gefahr.
Die ursprüngliche Intention ging ja auch in diese Richtung. Der ursprüngliche Initiativantrag hätte zusätzlich zu der jetzt verbliebenen StVO-Novelle auch eine Verfassungsänderung vorgesehen, die sich nicht nur auf Fahrverbote bezogen hätte, sondern noch viel weitreichender gewesen wäre. Damit wäre dem Antragsteller beziehungsweise den Ländern, die darum ansuchen, generell in Angelegenheiten im autonomen Ländervollzug bei bundesländerübergreifenden Projekten nach sechs Monaten ohne einvernehmlichen Bescheid der betreffenden Länder das Recht eingeräumt worden, eine Entscheidung des jeweiligen Bundesministers anstelle der Länder zu verlangen. Und das wäre – über straßenpolizeiliche Themen hinausgehend – auch bei anderen Themen, zum Beispiel im Energiewesen, schlagend geworden und hätte bei länderübergreifenden Großprojekten letztendlich die Möglichkeit geboten, Landeszuständige auszubooten.
Gott sei Dank ist es nicht dazu gekommen. Die Grünen haben nämlich ein Expertenhearing im Ausschuss durchgesetzt, wo sowohl der Chef des Bundeskanzleramtes/Verfassungsdienst als auch ein Verfassungsexperte gesagt haben, dass die in der Straßenverkehrsordnung angestrebte Lösung auch ohne Verfassungsänderung möglich ist, nämlich so, wie sie jetzt vorliegt, und dass es weit über das Ziel hinausschießend wäre, das anders umzusetzen.
Wir sind aber auch dem verbliebenen Teil gegenüber sehr misstrauisch, weil damit aus unserer Sicht auf die Länderautonomie vehementer Druck ausgeübt werden soll – daher auch die Ablehnung von unserer Seite. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
12.41
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. Ich erteile es ihm.
12.42
Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Mag. Schreyer, ich habe das Gefühl: Wie man’s macht, ist es falsch! (Bundesrätin Schreyer: Das sollten wir machen!) Da wird Bürokratie entfernt, man versucht, Gesetze zu vereinfachen – und es ist auch nicht richtig.
Wenn Sie jetzt von der Technik reden, die da vereinfacht werden sollte, sage ich: Man sollte einfach der Technik vertrauen. Die Änderungen, die im Nationalrat beschlossen worden sind, sind sinnvoll und bringen eine praxisnahe Vereinfachung mit sich.
Hinsichtlich des Kraftfahrgesetzes, das Sie betreffend Technik in allen Details zerpflückt haben, muss man schon darüber nachdenken, ob diese verpflichtende Mitführung von Kontrollgeräten in Omnibussen im lokalen Linienverkehr sinnvoll ist. Es geht auch um entsprechende Ausnahmegenehmigungen sowie die Handhabung von Schaublättern und Formblättern. Komplizierter geht es ja im Grunde genommen nicht mehr. Das wird nun vereinfacht.
Die Oberleitungsbusse, die ja angehängt sind und ohnehin nicht davonfahren können, sollen von der Verpflichtung der Mitführung dieser Kontrollgeräte ausgenommen werden. Man hat versucht, unnötigen Bürokratismus zu vermeiden und ein reibungsloses Funktionieren von getakteten Fahrplänen zu erleichtern.
Diese Maßnahmen finden auch einen breiten Konsens unter den Sozialpartnern – das ist ja nicht immer so, in diesem Fall ist er Gott sei Dank gegeben –, und sie wirken sich
auch positiv auf den Arbeitnehmerschutz aus. So gesehen ist diese Anpassung auf jeden Fall sehr gut und in Ordnung.
Weiters erfolgt eine Anpassung der Ausnahmeregelung für die Mitführung von Kontrollgeräten an die EU-Verordnung. Was soll denn da jetzt schlechter sein, wenn schon erprobt wurde, dass die Beförderung der lebenden Tiere von landwirtschaftlichen Betrieben zu Lokalmärkten und Schlachthöfen von 50 auf 100 Kilometer erweitert wird und diese Regelung besser ist? – Dem Ganzen kann man im Grunde genommen ja wirklich nur zustimmen.
Zur Straßenverkehrsordnung: Da geht es um die Ausnahme vom Lkw-Nachtfahrverbot. Es ist ja auch ein Nonsens, dass bei Fahrten durch Österreich für jedes Bundesland eine Genehmigung einzuholen ist. Auch das wird vereinfacht. Nun wird es möglich, dass eine Landesregierung die Ausnahmegenehmigung für mehrere Bundesländer, durch die die Fahrt führt, erteilen darf. Und jene Busse, die aus dem Ausland kommen, bedürfen der Zustimmung jenes Bundeslandes, das zuerst befahren wird.
Auch das ist eine klare Verwaltungsvereinfachung, natürlich auch eine Kostenersparnis, da eine mehrfache Beantragung und eine mehrfache behördliche Befassung verschiedener Länder mit einer einzigen Fahrt wegfällt.
Ich glaube, dass man an diesem Beispiel deutlichmachen kann, wie im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung unnötiger Bürokratismus beseitigt werden kann. Ich kann nur sagen: Danke, danke, danke! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
12.45
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. Ich erteile es ihm.
12.45
Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde ja von meinen Vorrednern schon sehr ausführlich erklärt, worum es bei diesen beiden Gesetzesänderungen geht. Auch ich bin sehr froh, dass es zu dieser Ausnahmegenehmigung im Bereich der Fahrtenschreiber kommt, weil es auch technisch nicht leicht machbar ist und der Aufwand da in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
Die Ausweitung von 50 auf 100 Kilometer bei den Lebendtiertransporten zu Viehmärkten und zu Schlachthöfen, aber vor allem auch die Ausweitung im innerbetrieblichen Verkehr ist eine sehr sinnvolle, weil praxisgerechte Regelung. Es ist richtig, dass es viele regionale Viehmärkte, aber auch Schlachthöfe nicht mehr gibt und deshalb die Entfernungen größer geworden sind. Warum gibt es aber diese Viehmärkte und diese Schlachthöfe nicht mehr? – Weil es eine Vielzahl an Bestimmungen, an behördlichen Auflagen gibt, die es schwer gemacht haben, diese Märkte im kleinen Bereich abzuhalten. Auch Schlachtbetriebe konnten nicht mehr bestehen, weil die Auflagen und die Stückzahlen nicht zusammenpassen.
Wenn man glaubt, etwas besser zu machen, hat das natürlich auch negative Auswirkungen. So haben sich eben die Distanzen, was die Viehtransporte betrifft, entsprechend vergrößert.
Kollegin Schreyer ist jetzt leider nicht im Saal. Wenn sie Bedenken hat, weil man nicht weiß, was ein Landwirt gemacht hat, bevor er einen Viehtransport durchführt, muss ich sagen: Eine 24-Stunden-Überwachung der Bauern wird es sicher nicht geben! Eine solche Regelung gibt es für keinen Beruf, sonst sagt vielleicht der Nächste: Na ja, man weiß ja auch nicht, was ein Abgeordneter macht, bevor er hier herinnen sehr wichtige Beschlüsse fasst! Ich glaube, da muss man schon sehr aufpassen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)
Auch bei der Änderung der Straßenverkehrsordnung geht es im Wesentlichen, glaube ich, um eine wichtige Verwaltungsvereinfachung. Auch diese muss man begrüßen, weil es wichtig ist, dass die Verwaltung so einfach wie möglich erfolgt.
Im Großen und Ganzen sind dies, denke ich, zwei sehr positive Novellen, die für viele andere Gesetzesnovellen Vorbild sein können. Unser Landesrat Drexler hat einmal gesagt: Wir sollten viel öfter vom Gesetzgeber zum Gesetznehmer werden. – Wir haben das heute auch in einem anderen Fall schon umgesetzt. Ich glaube, ein Entrümpeln ist in gewissen Bereichen höchst notwendig und tut uns allen gut.
Unser Vizekanzler Mitterlehner hat einmal gesagt: Wir sollten vielleicht mehr Hausverstand und weniger Amtsverstand in unsere Entscheidungen einbringen.
Herr Bundesminister, Sie sind zwar nicht für Verkehr und Infrastruktur zuständig, aber die Arbeitsplätze betreffen Ihr Ressort. Ich möchte hier zwei Bereiche ansprechen, weil ich glaube, dass wir gerade vor dem Hintergrund der steigenden Arbeitslosenzahlen ganz dringend Impulse für die Wirtschaft brauchen.
Der erste Punkt ist der Ausbau des Breitbandnetzes. Es ist sehr wichtig, dass wir in den ländlichen Regionen schnellstmöglich Breitbandnetze zur Verfügung stellen, damit die ländlichen Regionen gleiche Chancen als Wirtschaftsstandort haben.
Das Zweite, das mir ein großes Anliegen ist, ist der Semmering-Basistunnel. Da kommt es leider immer wieder zu Verzögerungen, weil Verfahrensfehler passieren, weil man glaubt, man könne über gewisse Interessen einfach drüberfahren. Verfahren müssen dann neu aufgerollt werden, das kostet sehr viel wertvolle Zeit und damit auch sehr viel Geld.
Wir brauchen diesen Tunnel. Wir brauchen diese Infrastruktur. Wir brauchen diese Verbesserung des Bahnangebotes, und wir brauchen vor allem auch diesen Impuls während der Bauzeit des Tunnels. Das ist ganz notwendig.
Ich bitte Sie wirklich, diesen meinen Wunsch auch weiterzugeben und sich auch dafür einzusetzen, dass dieser Tunnel so rasch wie möglich kommt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
12.50
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile es ihm.
12.50
Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gesetze, die die Wirtschaft fördern und unterstützen, sind immer positiv. In diesem Sinne stimmen wir von der FPÖ und ich als Vorsitzender – wenn ich das auch erwähnen darf – von FPÖ pro Mittelstand in Wien diesem Gesetz natürlich zu, weil es Bürokratie abbaut und Vereinfachungen der Administration immer positiv sind.
Mitliefern kann ich aber gleich das andere Beispiel. Ist es wirklich notwendig, einen eigenen Antrag zu stellen, um „Schweinwerfer“ durch „Scheinwerfer“ zu ersetzen? Ist es notwendig, dieses mühsame Prozedere der Änderung durch Nationalrat und Bundesrat zu absolvieren, um einen orthographischen Fehler, der jedem passieren kann, zu beheben? Ich glaube, in der nächsten Auflage hätten wir das einfach wegstreichen können. Jeder weiß, dass statt „Schweinwerfer“ „Scheinwerfer“ gemeint war. Es ist nicht notwendig, das extra durchzuackern. Aber soll so sein. Auch diesem Antrag stimmen wir natürlich zu.
Der Infrastruktur mehr Raum zu geben ist wichtig für die Wirtschaft, und das ist uns Freiheitlichen auch in Wien wichtig, denn Wien läuft anders. Wien wird als Stadt der
Radfahrer propagiert – das ist es aber für die Wirtschaft definitiv nicht. Wien braucht den Verkehr vor allem für die Gewerbetreibenden, damit man schnell von Lieferanten zu Kunden und vice versa fahren kann.
Interessanterweise ist in Wien, das möchte ich betonen, ein Konzept entstanden, das von einem der Sozialpartner, und zwar von der Wirtschaftskammer Wien, an vorderster Stelle mitgetragen und forciert wird.
Das Gesetz, von dem ich jetzt spreche, ist auch ein Sozialpartnergesetz, es ist ein guter Entwurf, und man kann daran auch sehen, wie gut sich die Sozialpartner einbringen können – also auch die Wirtschaftskammer, zu deren Mitgliedschaft ich zwangsweise verpflichtet bin.
In Wien ist das, wie gesagt, nicht so. In Wien stimmt die Wirtschaftskammer den Hochhausbauten, der Einbetonierung des historischen Wiens zu, und das lehnen wir von FPÖ pro Mittelstand in Wien entschieden ab. Da unterscheiden wir uns vom Wirtschaftsbund, wir wollen das nicht. Es kann doch nicht sein, dass mit einer Ankurbelung der Bauwirtschaft nur gemeint ist, dass man verglaste Hochhäuser im Container herstellt und nicht das Zentrum revitalisiert.
Als positives Beispiel kann ich die Wiedererrichtung, die Revitalisierung der abgebrannten Bank Austria nennen. Jetzt ist dort das wunderschöne Hotel Park Hyatt, wo der alte Saal mit Dutzenden von Handwerkern, Gewerbetreibenden, kleinen und mittleren Betrieben wiedererrichtet worden ist. Auch das ist eine Ankurbelung der Bauwirtschaft, und das ist ein positives Beispiel. Es müssen ja nicht immer Hochhäuser sein, die Nachfrage zeigt ja, dass die gar nicht angenommen werden. In Wien ist praktisch jedes vierte Büroobjekt leer, von den ganz verwaisten Einkaufsstraßen in den leeren Kino-Centern möchte ich gar nicht sprechen. Da wird die Zukunft im digitalen Zeitalter völlig falsch prognostiziert und gestaltet. Das wollen wir nicht. Es wäre nicht verwunderlich, wenn das ein rot-grüner Alleingang wäre, das kennen wir ja in Wien, aber dass in diesem Fall der Wirtschaftsbund Wien mitmacht, ist erstaunlich. Wir wollen das nicht!
Sehr geehrter Herr Sozialminister, weil Sie gerade hier sind, mein Anliegen an Sie: Die SVA-Beiträge für die Wirtschaftstreibenden gehören reduziert. Überlegen Sie bitte, ob wir Unternehmer wirklich diese hohen Versicherungsbeiträge benötigen. Wir Unternehmer sind es gewohnt – und wir machen es gerne – zu arbeiten, unsere Leistung zu erbringen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich glaube, das wäre dem Wirtschaftswachstum Österreichs insgesamt förderlich. Wir wollen bitte nicht mit dermaßen hohen Beiträgen – wie soll man sagen? – belastet werden, die unsere Ertragskraft nur beeinträchtigen. Und die Beeinträchtigung der Ertragskraft hilft sicherlich nicht der österreichischen Wirtschaft.
Zusammenfassend: Dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz. Aber Wien ist anders, und das wollen wir nicht! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
12.54
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist geschlossen.
Die Abstimmungen über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-534-BR/2014 d.B. sowie 9268/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Günther Novak: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2013, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, zur Kenntnis zu nehmen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.
12.57
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Lieber Herr Sozialminister! Wenn ich mir den Bericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung anschaue, stelle ich fest, das ist ein Thema für Ihre Töchter, Herr Minister, für meinen Sohn, für unsere Kinder, denn letztlich stellt sich für die Politik da nicht die Frage: Wie machen wir weiter bis zur nächsten Wahl?, sondern im Grunde müssen wir uns in verschiedenen Gesellschaftsbereichen vorstellen, wie die Welt 2030 und 2050 ausschauen wird.
Da gibt es natürlich einige Indizien. Ich selbst habe letztes Jahr beim Weltdemokratieforum versucht, über die Welt 2030 zu reden, und auch dieser Bericht gibt schon einige Auskünfte. Deshalb ist es gar nicht so schlecht, dass durch einen Zufall unser
Sozialminister jetzt hier ist. Es gibt die ganz großen Challenges, und dazu gehören zum Beispiel die Antworten auf die Fragen: Wie leben wir? Wie werden wir 2030 leben? Aber wie werden wir vor allem 2050 leben? – Wir werden dann zu über 75 Prozent in den Städten wohnen.
2030 wird nicht einmal mehr die Hälfte der Leute einen Führerschein haben, weil er gar nicht mehr notwendig sein wird, nicht als Mobilitätsanspruch und schon gar nicht als Statussymbol. Bereits heute haben wir enorme Rückläufe bei den Führerschein-Neuerwerbungen. Der Besitz eines Autos ist für einen Jugendlichen in der Stadt kein Ziel mehr. Es gibt andere Autos, die man sich ganz schnell nimmt und auch wieder stehen lässt.
Es wird wahrscheinlich eine riesige Herausforderung sein, die Menschen von den Städten auf das Land zu bringen, und da werden wir auch neue Formen der Mobilität haben.
Die Haushalte werden sich verändern. Wir werden eine dramatische Zunahme von Single-Haushalten haben.
Im Bereich Technik: Wir sind ja hier alle mit iPhones und Handys ausgestattet. Diese Technologie ist 20 Jahre alt, gilt aber schon wieder als uralt, weil die nächste Technologie hinter der nächsten Kurve wartet. Wir haben da eine unglaubliche Geschwindigkeitszunahme.
Die Wohnformen werden sich verändern.
Dann kommt natürlich die ganz große Herausforderung für einen Sozialminister bei den großen Challenges: Sie heißt Ageing. Das heißt, die Zahl der über 60-Jährigen wird sich verdreifachen. Die Lebenserwartung ist 80 plus.
Wenn wir alle Parameter heranziehen, dann können wir etwas sagen: 2050 hat die Welt zehn Milliarden Menschen. Es wird einen Kampf um Rohstoffe geben. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Frage nach Energie, nach verfügbarem Trinkwasser eines der Top-Themen und Priorities wird und dass Armut wachsen wird. Das sagt auch dieser Bericht. Das sage nicht ich, das sagt dieser Bericht.
Ich möchte an der Stelle Herrn Androsch und Herrn Skalicky für diese unglaubliche Arbeit danken, die sie hier gemacht haben!
Wenn wir bei den großen Challenges sind, 2030 bis 2050, dann schlägt hier natürlich etwas komplett hinein, und das nennen wir Klimawandel. Der Klimawandel wird die Welt verändern!
Österreich ist, im Gegensatz zum Beispiel zu Russland als einer rohstofforientierten Ökonomie, eine wissensbasierte Ökonomie. Das ist schon der ganz große, spannende Ansatz, und da setzt dieser Bericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung an. Hier muss man etwas unterstreichen, und das, was wir hier unterstreichen müssen, ist: Wenn wir diese großen Challenges hernehmen, dann müssen wir die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften fördern, denn diese geben Antworten auf Ageing, auf Migration! Unsere Gesellschaft im Jahre 2050 wird das Wort „Migration“ gar nicht mehr kennen, weil sie sowieso eine durchmischte Gesellschaft ist.
Wenn wir schauen, wie Österreich hier abschneidet, zum Beispiel im Bereich der Demokratieentwicklung: Wie werden wir 2030 wählen? – Mit Sicherheit Internet-basiert! Mit Sicherheit, ob wir es heute wollen, ob wir es uns heute vorstellen können. Es gibt heute Demokratien in Europa, die gar keine andere Form des Wählens als das Internet haben, zum Beispiel Estland.
Das Crowdsourcing ist eines der ganz wichtigen Elemente, und das Empowerment of People ist etwas, was ganz wichtig ist, wenn wir schauen: Was macht das finnische Parlament? – Wir haben Ausschüsse; wir haben Ausschüsse für Außenpolitik, für Wirtschaft, für Landesverteidigung. Das finnische Parlament hat ein eigenes Parlament für die Beteiligung der Menschen. Das heißt Crowdsourcing, und die Garantie für die Menschen ist, dass nach einem bestimmten Schlüssel pro Jahr so viele Gesetze das Parlament passieren – die zusammengearbeitet werden –, wie sie der Bevölkerung versprochen wurden.
Ich bin froh darüber, dass die Stadt Wien heuer dem Beispiel gefolgt ist und zum ersten Mal ein Crowdsourcing-Projekt begonnen hat. Es sind innerhalb von einem Monat vonseiten der Bürger und Bürgerinnen über 600 Initiativen gekommen. Jetzt ist es wichtig, für uns wiederum wichtig, dass wir hier Wort halten! Wenn wir sagen, von 500 Vorschlägen gehen wir auf 50 ein, und von den 50 werden fünf Realität, so haben wir das auch umzusetzen.
Wenn wir sehen, wie sich die Städte entwickeln, so muss ich jetzt auch noch einmal als Wiener Mandatar sagen: Ja, wir sind Gott sei Dank bei den Smart Cities, und die Smart Cities sind die Marke der Zukunft in Europa! Die ganze Verbindung der Smart Cities sehen wir vorneweg, und das ist etwas, dazu brauchen wir eben die Forschung, dazu brauchen wir die Technologie.
Es ist gut, wenn man zum Beispiel das 6. Rahmenprogramm der EU sieht, Citizens and Governance in a Knowledge-based Society, dass österreichische Universitäten – und da müssen wir sagen: gut so! – an 37,2 Prozent der Projekte aus der Geistes- und Sozialwissenschaft beteiligt sind. Wenn wir es gesamt sehen, sind es nur 13 Prozent. Oder bei den Socio-economic Sciences and Humanities ist Österreich zu 27,4 Prozent dabei; insgesamt liegt Österreich nur bei 3,4 Prozent.
Das heißt, in diesen antwortgebenden Bereichen der Forschung sind wir dabei. Deshalb ist eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses Berichtes die Schaffung von Forschungsfreiraum. Und: Gebt den Menschen Zeit! Gebt den Forschern Zeit!
Einen letzten Satz noch zu den Technologiefolgen: Österreich, das österreichische Parlament, wird nächstes Jahr Gastgeber der europäischen Technologiefolgenkonferenz sein. Wir sind erst seit 2013 Mitglied.
Der Bundestag in Deutschland beschäftigt 60 bis 90 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die pro Gesetz die Technologiefolgen abschätzen. Wir haben das an die Akademie der Wissenschaften ausgegliedert. Aber zum Beispiel das finnische Parlament beschäftigt sich damit in einem eigenen Parlamentsausschuss, und das ist zukunftsweisend. Wo wird der nächste schwarze Schwan auftauchen? – Wir haben ja nur weiße Schwäne. Aber es gibt schwarze Schwäne, und was fällt sozusagen technologisch und vom Risiko her unter die schwarzen Schwäne?
Ich durfte da einmal teilnehmen, und ich muss ehrlich sagen: Was mir an einem Parlament wie dem finnischen imponiert hat, ist diese Vorausschau und dieses „Nicht in Legislaturperioden denken“. Ich glaube, da sollten wir zurück.
Frau Präsidentin Zwazl! Sie werden die nächste Präsidentin sein. Es wäre im Vorfeld dieser Konferenz, die im Herbst in Wien stattfinden wird, vielleicht interessant, eine Enquete des Bundesrates über Technikfolgenabschätzung zu machen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.06
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile es ihr.
13.06
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt: Wie kann oder wie sollte Österreich im Jahre 2050 aussehen?
Der Rat hat sich auch die Mühe gemacht zu durchleuchten: Wie ist der jetzige Stand? – Da hat Österreich die Wirtschaftskrise 2009 mit einem blauen Auge gut überstanden. Einerseits war es der Export, der Österreich geschützt hat, und die 2. Säule war der Tourismus. Es waren auch die Österreicher, die in Österreich Urlaub gemacht haben, die gesagt haben: Wir unterstützen Österreich.
Dennoch stellt sich die Frage: Wie schaut Österreich in Zukunft aus? – Das Jahr 2014 hat ein ganz geringes wirtschaftliches Wachstum beziehungsweise fast keines. Die Arbeitslosigkeit ist im Steigen begriffen. Ohne Wirtschaftswachstum gibt es natürlich auch keine Arbeit. Die Staatsfinanzen sind auch nicht so rosig, also jubilieren können wir da nicht! Das heißt auch: Die Staatshaushalte müssen dringend saniert werden.
Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat deshalb den Blick in die Zukunft gerichtet und schaut, welche Schritte schon jetzt unternommen werden müssten, um die Zukunft des Landes erfolgreich gestalten zu können. 30 namhafte Expertinnen und Experten waren dazu bereit, sich den unterschiedlichsten Themen zu stellen, und haben diese Themen aufgearbeitet: von der Bildung und demographischen Entwicklung über die Möglichkeit zu Verfassungs- und Steuerreformen sowie globale Entwicklungen bis natürlich hin zu Wissenschaft und Forschung und zu allgemeinen Themen. Der Rat hat aufgezeigt, wo die Reise Österreichs hingehen sollte und welche Schritte auch jetzt schon gesetzt werden müssen.
Um die Zukunft unseres Landes erfolgreich zu gestalten, müssen wir uns bewegen. Es ist sicher notwendig, dass wir mehr Geld für Forschung und Entwicklung in die Hand nehmen. Wir sind auf einem guten Pfad, aber doch ist das auch das Thema der Zukunft.
Im August 2013 hat der Rat bei den Alpbacher Technologietagen die Publikation „Österreich 2050“ vorgestellt. In acht Kapiteln wurden die Herausforderungen Öster-reichs analysiert: die Herausforderungen für Bildung und Forschungspolitik, Migration und Demographie, Energieversorgung und Umweltprobleme, Strukturreformen, globale Entwicklung und die Zukunft im Allgemeinen.
Fazit aus diesen Beiträgen ist: Für eine kleine offene Volkswirtschaft wie jene Öster-reichs wird es künftig nicht ausreichen, im globalen Wettlauf nur dabei zu sein, sondern wir müssen in Bildung, Forschung, Technologie, Innovation investieren, was für ein rohstoffarmes Land wie Österreich die entscheidende Voraussetzung ist, um in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben zu können und wirtschaftlich-technische, souveräne, ökologische und kulturelle Fortschritte zu erzielen.
Im Buch ist auch ein Satz darüber enthalten, was das Buch bewirken soll. Das Buch soll auch Orientierung geben und dazu beitragen, der Politik wieder Mut zum Handeln zu machen. Haben wir diesen Mut! Und gehen wir das Projekt Zukunft gemeinsam an, um für Österreich diese Vorreiterrolle, die wir jetzt schon haben, vielleicht noch um ein paar Stufen zu erhöhen, aber dass Österreich lebenswert und in der Wirtschaft auch ein toller Platz sein soll. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.11
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile ihm dieses.
13.11
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Vorredner haben sich ja sehr allgemein und global mit diesem Bericht auseinandergesetzt. Kollege Schennach ist primär eigentlich auf das Vorwort eingegangen.
Es soll aber dabei nicht vergessen werden, dass dieser Bericht durchaus auch sehr, sehr konkrete Dinge anspricht, gerade im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften, wo – wie es bereits gesagt worden ist – der hohe Anteil und die hohe Beteiligung Österreichs in der europäischen Forschung lobend erwähnt wird. Er hat aber durchaus auch Handlungsfelder und Probleme in sehr konkreter Weise aufgezeigt, beispielsweise die Massenfächer betreffend. Hier ist von einem untragbaren Betreuungsverhältnis die Rede, unter dem schlussendlich auch die Forschung leidet.
Er richtet auch einen kritischen Blick auf die Zulassungsbeschränkungen in diesen Fächern – in Österreich bricht die Gefahr an, dass viele Jugendliche auf verwandte Fächer ausweichen und dass die Selektionsmethoden schwer nachvollziehbar sind – und schlägt in diesem Zusammenhang eine Verbesserung von Information und Beratung für die Auswahl des Studiums vor.
Auch über die Laufbahn und die Karrieremöglichkeiten der Forscher wird sehr detailliert berichtet. Kritisch angemerkt wird die dienstrechtliche Komponente mit den Laufzeiten für die Verträge, die ja sehr kurz sind – wobei man natürlich sagen muss, dass das zwei Seiten hat. Das ist sicherlich sehr zutreffend im Bereich der Geisteswissenschaften. Im Bereich der technischen Forschung sehe ich persönlich das etwas anders. Hier ist es sicherlich besser, wenn ein junger Akademiker nicht sein ganzes Leben in einer universitären Laufbahn verbringt, sondern auch seine Erfahrungen in der Praxis erwirbt. Aber natürlich gibt es hier die besseren Voraussetzungen und Möglichkeiten, auch, was das Geldverdienen betrifft.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Bachelor bei uns eigentlich nicht richtig anerkannt ist und dass es für die Forscher oft nur einen sehr schwierigen und kostenintensiven Zugang zu Publikationen gibt.
Bei den Empfehlungen ist ein ganz zentraler Punkt – und den hast du, Herr Kollege Schennach, wahrscheinlich als Mitglied einer Regierungspartei wohlweislich vergessen – die Finanzierung! Der Rat sagt hier ganz deutlich, dass wir sehr weit entfernt sind von den 2 Prozent des BIP, die wir uns auch selbst auferlegt haben, und schlägt sogar vor, ein diesbezügliches Gesetz zu schaffen, in dem dies vorgeschrieben wird.
Er hat auch sehr viele Aussagen zur Vereinfachung getroffen, vor allem in der Förderlandschaft, und hat ganz konkrete Finanzierungsvorschläge abgegeben, beispielsweise im Bereich Forschung, Technologie und Innovation, in seinem Weißbuch, auf das ich hier natürlich nicht im Detail eingehen möchte.
Klar ist aber – und das geht aus diesem Bericht hervor –, dass wir in Österreich noch sehr viel zu tun haben, wenn wir den Anschluss an Europa und an die Welt bei diesem Thema Forschung und Entwicklung nicht verlieren wollen. Dazu ist die Bundesregierung in ganz hohem Ausmaße gefordert, die entsprechende Entbürokratisierung und vor allem die Sicherstellung der Finanzierung betreffend.
Ein konkretes Beispiel, das ich zum Abschluss noch erwähnen möchte, ist auch dieses Unding, das hier angeprangert wird: dass die Universitäten hohe Mieten an die BIG zahlen müssen. Wenn man das weglassen würde, wäre das natürlich eine große Erleichterung. Hier wird auf der einen Seite dieses Geld über Förderungen, die man dann als Förderungen verkaufen kann, zurückgegeben, aber in Wirklichkeit gibt man
ihnen nur einen Teil jenes Geldes, das man ihnen vorher vom Staat weggenommen hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
13.16
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schödinger. Ich erteile es ihm.
13.16
Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Herren Minister! Wenn man sich den Bericht anschaut, so kann man eigentlich relativ klar absehen, was notwendig ist, um im Jahr 2050 unserer Bevölkerung diesen Standard zu erhalten, den wir heute haben. Aber ich möchte jetzt gar nicht in das Jahr 2050 schwenken, sondern mir geht es um ein paar Punkte, die ich anreißen möchte, die wir heute schon berücksichtigen sollten.
Das Erste ist – das hat Kollegin Anneliese Junker schon angesprochen –: Das Jahr 2009 mit der Krise haben wir deswegen relativ gut überstanden, weil wir einen hohen Forschungs- und Wissenschaftsstandard aufweisen. Dieser Forschungs- und Wissen-schaftsstandard sichert unseren Lebensstandard und ist die Wohlstandsgarantie für morgen. Aber was müssen wir alles tun, um attraktiv zu bleiben, um die Unis attraktiv zu gestalten und die Wirtschaft für Forschung und Wissenschaft attraktiv zu halten?
Wir haben ein Problem mit der Abwanderung von Wissenschaftern. Ich habe das immer sehr abstrakt gesehen und war aus der Nähe nicht damit befasst, weil ich ein kleiner lokaler Abgeordneter bin. Aber wir haben in meiner Nachbargemeinde ein Spital, und plötzlich schließt sich hier der Kreis, wenn ich feststellen muss, dass wir eine Menge Mediziner ausbilden, die dann alle in alle möglichen Länder abwandern, weil es dort lukrativer ist.
Hier geht es jetzt aber nicht allein um die Behandlung unserer Patienten, sondern es geht auch darum, dass mit der Behandlung der Patienten auch Wissenschaftserkenntnisse mitgehen. Genau das ist der Grund dafür, warum wir hier Handlungsbedarf haben, um da die Wissenschaft und die Forschung zu intensivieren.
Ein weiterer Punkt ist, was diese Abwanderung betrifft – und dieser Punkt zieht sich wie ein roter Faden durch unsere ganze Politik, indem er dort immer wieder angeführt wird –: Es ist ein Bürokratieabbau notwendig! Das ist jetzt nicht nur im Bereich der Forschung und der Universitäten notwendig, sondern ich glaube, dass sich dieser rote Faden durch unsere ganze Republik zieht.
Was könnte ich mir als Laie vorstellen? Und was wird auch zeit- und teilweise schon praktiziert? – Das ist die Einrichtung von Forschungs-Clustern in unserem Land, indem man nicht mehr nur national denkt, sondern international, auf europäischer Ebene, auf Ebene der Industriestaaten entsprechend versucht, diese ganzen Fähigkeiten und Kenntnisse zu bündeln.
Ich glaube auch, dass es eine gute Sache und für uns sinnvoll ist, wenn unsere jungen Forscher und Wissenschafter unser Land eine Zeit lang verlassen und sich weiterbilden. Der internationale Weg ist schon zu begrüßen, aber die Rückkehranreize zu uns nach Hause, in unser Europa und in unser Österreich, sollten doch entsprechend hochgehalten werden. Die Internationalisierung sollte von unserer Warte aus heißen: Wir wollen von den Besten lernen.
Ich habe aus dem Bericht noch ein Zitat des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Persson aus Schweden entnommen, der sagt:
„,Das Problem liegt nicht darin zu erkennen, was zu tun ist, sondern es zu tun.‘ Zur Reform der öffentlichen Finanzierung brauche es kein Genie, sondern den politischen Willen ().“ (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)
13.20
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.
13.20
Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Lieber Kollege Ostermayer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst für die relativ hohe Zustimmung zur Kenntnisnahme des Berichts. Es ist keine Frage, dieser Bericht zeigt natürlich auf, wie wir uns in Zukunft entwickeln müssen, was wir für die Zukunft alles vorsehen müssen. Hinter diesem Bericht stehen auch die Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt, Veränderungsprozesse in Berufsbildern, in Berufsfeldern. Berufe, die wir heute noch kennen, wird es in zehn Jahren nicht mehr geben, so wie das in den letzten 20 Jahren beispielsweise dem Buchdruck ergangen ist. Vor 20 Jahren hat es noch Buchdrucker gegeben, heute ist das ein Fremdwort. Heute gibt es das de facto nicht mehr. Die technologische Entwicklung hat den Beruf überflüssig gemacht.
All das beschäftigt uns, und wird uns auch in Zukunft beschäftigen. Sie dürfen sich sicher sein, innerhalb der Regierung gibt es da kein schwarzes Loch, sondern ein aktives Auseinandersetzen mit der Problematik. Wir stellen auch weiterhin 500 Millionen € zur Verfügung für Forschungseinrichtungen und für Unternehmen, um sie in ihrer Forschung zu unterstützen. Das wissen Sie so gut wie ich. Wir tun natürlich alles, um unsere Forschungsquote aufrechtzuerhalten auch in wirtschaftlich nicht gerade einfachen Zeiten. Gerade in den letzten Wochen hat es sehr viele Initiativen gegeben, um den Industriestandort Österreich wieder nach vorne zu bringen und dem auch entsprechend Rechnung zu tragen.
Ich möchte nun einen kleinen Sidestep zu den Ärzten, zur Medizin machen. Ja, wir haben eine Wanderbewegung in Europa. Ich hätte eine Bitte: Fahren Sie bitte nach Deutschland, schauen Sie sich dort für einen Monat die Bürokratie in einem Krankenhaus an und vergleichen Sie sie dann mit unserer Bürokratie! Sie werden draufkommen, wir sind easier. Und dann kann ich Sie auch noch einladen: Halten Sie sich eine Woche in einem amerikanischen Krankenhaus auf! Dort werden Sie draufkommen, dass hinter dem Mediziner der Rechtsanwalt steht, der bereits für die zukünftige Schadenersatzklage dokumentiert. Und dann probieren Sie noch als europäischer Forscher, in Amerika ein Bankkonto zu eröffnen.
Ich kann Ihnen nur sagen, ja, Bürokratie gehört ständig überprüft, Bürokratie gehört ständig hinterfragt, da teile ich durchaus Ihre Meinung, nur machen wir uns nicht selbst runter. Wir sind nicht so schlecht, wir sind ganz gut unterwegs. Dass wir da oder dort mit der Bürokratie etwas tun müssen, ja, aber gerade im Gesundheitsbereich ist nicht die Dokumentation der Grund dafür, warum junge Kolleginnen und Kollegen weggehen, eine Zeit woanders hingehen. Der wahre Grund ist einerseits die Entlohnung, und der zweite Grund sind natürlich unter anderem auch Fragen der Arbeitszeit.
Das ist eines unserer großen Probleme im Westen Österreichs, in Vorarlberg, weil die Schweiz andere Arbeitszeiten hat, nämlich sehr relativ gesehen nur die 48-Stunden-Woche, und weil die Schweiz ganz anders zahlt. Das ist die wahre Ursache, warum Menschen sagen, okay, ich gehe jetzt ein Jahr oder zwei dorthin.
Das heißt, die Bürokratie – und darauf wollte ich anspielen – ist nicht der Grund. Ich sage aber noch einmal dazu: Beim Bürokratieabbau sind wir natürlich dabei, und
gerade erst vorgestern haben wir als Bundesregierung wieder einen Bericht der Aufgabenreformkommission bekommen, in dem es auch darum geht, Bürokratie zu hinterfragen. Und Sie dürfen sicher sein, es ist uns nicht nur ernst damit, sondern sehr, sehr ernst und auch ein permanenter Prozess. – Ich danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.24
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich darf jetzt Herrn Minister Dr. Josef Ostermayer bei uns sehr herzlich begrüßen. Willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Herrn Minister Hundstorfer darf ich noch verabschieden. Danke schön.
Wortmeldungen hiezu liegen keine mehr vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden (263 d.B. und 325 d.B. sowie 9256/BR d.B. und 9269/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte.
13.26
Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gesetzesbeschwerde, meine Damen und Herren, ist eine eher trockene Materie, aber für jede Bürgerin und für jeden Bürger ungemein wichtig. Ich werde, auch wenn es sich hiebei nur rein um Gesetze handelt, versuchen, diese sehr wichtige Neuerung einfach zu erklären. Vielleicht noch etwas zur Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes. Dieses Gesetz ist eigentlich schon im Zuge
der Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit entstanden und es wurden vor eineinhalb Jahren die verfassungsrechtlichen Regelungen getroffen.
Jetzt wird eine Weiterentwicklung des Rechtsschutzes beschlossen. Jede Privatperson bekommt jetzt die Möglichkeit, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof zu wenden. Dies war bis dato nicht möglich. Ist jemand der Meinung, dass in einem Gerichtsverfahren ein Urteil auf Basis eines Gesetzes, das verfassungsrechtlich nicht entspricht, gefällt wurde, also aufgrund eines vereinfacht gesagt falschen, unvollständigen oder fehlerhaften Gesetzes, so hat er nunmehr die Möglichkeit, eine Gesetzesbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Bis dato musste man das zur Kenntnis nehmen und hatte keine Möglichkeit, seine Bedenken zu artikulieren. (Präsidentin Blatnik übernimmt wieder den Vorsitz.)
Dieses Gesetz ist natürlich ein Kompromiss, der aber eine breite Zustimmung in allen Parteien gefunden hat. Dieses Gesetz ist keine Urteilsbeschwerde, sondern eine Gesetzesbeschwerde, welche das Recht einräumt, ein Gesetz auf dessen Verfassungskonformität überprüfen zu lassen. Man legt also keine Beschwerde gegen das Urteil ein, weil man der Meinung ist, dass es ungerecht ist. Diese Möglichkeit besteht nicht. Für diese Fälle haben wir ja sowieso den Instanzenzug. Man hat aber die Möglichkeit, bereits nach einem Urteil in erster Instanz ein Gesetz überprüfen zu lassen.
Es genügt nicht, dass man behauptet, das Gesetz sei verfassungswidrig, damit der Verfassungsgerichtshof tätig wird. Es muss eine begründete Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof übermittelt werden, und diese Stellungnahme wird dann überprüft und entweder angenommen oder verworfen. Es ist auch kein Mittel, um Gerichtsurteile oder bestimmte Verfahren zu verzögern oder außer Kraft zu setzen. Zu diesem Zweck hat man einzelne Ausnahmen von der Möglichkeit zur Gesetzesbeschwerde vorgesehen. Diese Ausnahmen betreffen etwa Exekutions-, Besitzstörungs-, Beweissicherungsverfahren, Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen, Rückstellungen widerrechtlich verbrachter Kinder, Verfahren nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Auslieferungsverfahren.
Man hat sich bei diesem Gesetz also schon einiges überlegt, und ich glaube, es ist eine gute Weiterentwicklung. Im Ausschuss haben wir dieses Gesetz behandelt, auch schon in der vorletzten Ausschusssitzung. Es wurde die Frage an den Verfassungsgerichtshof gestellt: Wie wird sich der Arbeitsaufwand in diesem Bereich entwickeln? Und der Verfassungsgerichtshof hat uns versichert, dass sich der zu erwartende Arbeitsaufwand in Grenzen halten wird. Es wird mit maximal 200 Beschwerden gerechnet, und das ist ohne zusätzliches Personal ganz einfach machbar.
Mit der Gesetzesbeschwerde ist eine massive Erweiterung des Rechtsschutzes für den Einzelnen gelungen, und ich begrüße daher dieses Gesetz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.31
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.
13.31
Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Kollege Beer hat alles gesagt, was zu sagen ist. Er hat trefflich ausgeführt, worum es geht, wenngleich, Herr Kollege, mir als Juristen das Herz ein bisschen geblutet hat, wenn jemand sagt: Es handelt sich nur um Gesetze. Sie haben „nur Gesetze“ gesagt, also die sind doch sozusagen ein bisschen das Blut unserer Republik.
Ich will das gar nicht lange ausführen, Sie haben das richtig gesagt: Es wird dem Rechtsschutzbedürfnis des Einzelnen Rechnung getragen. Das ist in verschiedenen
Gesetzen bereits geschehen. Das Einzige, was wir jetzt noch zu tun haben, da wir drei große Verfahrensordnungen haben – die Strafprozeßordnung, die Zivilprozessordnung und das Außerstreitgesetz –, ist, dass wir ein paar kleine technische Anpassungen in diesen Gesetzen vornehmen müssen, damit wir diesen Ablauf der Beschwerdeerhebung möglich machen. Das ist der eine wesentliche Teil.
Der zweite war noch – und das wurde im Nationalrat eingehend diskutiert – die Offenlegung von Erwerb und Nebenerwerb von Verfassungsrichtern, die bis jetzt freiwillig möglich war. Jetzt gibt es das per Gesetz, dass die Nebentätigkeiten offengelegt werden. Das ist im Sinne von Transparenz ordentlich und richtig, wenngleich wir auch festhalten wollen, dass es bis jetzt nie irgendeinen Anlass gab, an der Honorigkeit und den Entscheidungen der Verfassungsrichter zu zweifeln. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.32
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.
13.32
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorredner haben ja schon inhaltlich nahezu alles dazu ausgeführt. Konkret geht es darum, dass man nunmehr als Partei in einem Straf- oder Zivilrechtsverfahren unmittelbar den Verfassungsgerichtshof anrufen kann, wenn man der Meinung ist, dass das Urteil, von dem man als Partei betroffen ist, aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes gefällt wurde. Dies ist eine gute, eine wichtige, eine sinnvolle Gesetzeserweiterung, mit der für unsere Staatsbürger eine wesentliche Lücke geschlossen wird.
Besonders erfreulich ist, dass diese Gesetzesvorlage auf den Antrag meiner Fraktionskollegen im Nationalrat aus dem Jahr 2009, nämlich den Antrag von Kollegen Harald Stefan zurückzuführen ist. Es hat zwar einige Zeit gedauert, aber gut Ding braucht eben Weile, und so gesehen ist diese Weile gut genützt worden.
Ich weiß, es gab auch einige Vorbehalte in der Richterschaft, weil man der Meinung war, es könnte dadurch die Möglichkeit geschaffen werden, Urteile indirekt zu überprüfen und dadurch den Berufsstand der Richter einer Kontrolle zu unterwerfen, was man so nicht haben will oder so auch nicht sein sollte. Das war ein Grund, der der Beschlussfassung ein bisschen entgegenstand. Das konnte ausgeräumt werden. Das war nie und ist auch nicht die Intention dieser rechtlichen Bestimmungen.
Insofern freut es mich, dass wir damit eine Gesetzeslücke schließen können, und wir werden auch diesem Gesetzesvorschlag gerne unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Todt.)
13.34
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.
13.34
Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Auch wir werden diesem Gesetz gerne zustimmen, weil damit der Schutz der Grundrechte wesentlich verbessert wird. Die Details dazu wurden schon ausgeführt, und dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Diese Reform wird ihr Ziel vor allem dann erreichen, wenn der Verfassungsgerichtshof die Latte für die Normprüfungsanträge nicht zu hoch hängt. Den Grünen war sehr wich-
tig, dass es beim Zugang zum Verfassungsgerichtshof nur wenige Ausnahmen gibt. Es ist sehr erfreulich, dass im Zuge des Stellungnahmeverfahrens die Ausnahmeliste noch weiter verkürzt wurde.
Bemerkenswert finde ich, dass diese Reform sehr maßgeblich im Parlament gestaltet wurde. Darauf können und sollten alle Parteien stolz sein, und ich würde mir auch für unser Gremium da hin und wieder mehr Mut und Initiative wünschen.
Was vorliegt, ist gut. Dass man möglicherweise noch verbessern und nachjustieren kann, ist unbestritten. Jetzt gilt es, das zu beobachten. Das Perfekte ist der Feind des Guten. Und darum sollten wir mit dem, was vorliegt, glücklich sein.
Uns war auch sehr wichtig, dass – erfolgreich – mit verhandelt werden konnte, dass in Zukunft die Nebentätigkeiten von Verfassungsrichtern offengelegt werden. Dabei geht es nicht um Neid und Misstrauen, sondern um Transparenz als wesentliches und tragendes Element einer modernen Demokratie. Da wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, um das Vertrauen gegenüber Richtern und Richterinnen noch weiter zu bestärken. Wir werden gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesräte Stadler, Todt und Zwazl.)
13.36
Präsidentin Ana Blatnik: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.36
Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es ist das ein sehr schöner Moment. Ich durfte das jetzt schon mehrfach miterleben, dass es eine so einhellige Zustimmung zu einem Gesetz gibt. Es ist auch ein schöner Moment, wenn dann die Diskussion ausbricht, wem die Vaterschaft/Mutterschaft oder Urheberschaft zukommt. Wir haben das im Nationalrat auch schon kurz diskutiert. Es ist schön, wenn diese Einhelligkeit herrscht, und dann ist es eigentlich egal, wer Urheber war. Ich weiß natürlich, dass der Verfassungsdienst ganz wesentlich legistisch mitgearbeitet und unterstützt hat. Dafür danke ich auch.
Ich weiß natürlich auch, weil ich ziemlich intensiv involviert war, um die Diskussionen, die es zwischen dem Obersten Gerichtshof, uns, den Justiz-, den Verfassungssprechern und dem Verfassungsdienst gegeben hat. Ich weiß auch, dass es vor Kurzem, also kurz vor der Plenarsitzung im Nationalrat, eine Diskussion gegeben hat, in der kritisiert wurde, dass schon nach der ersten Instanz der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann und dass das möglicherweise dazu führt, dass viele Menschen davon Gebrauch machen. – Das halte ich ja nicht für eine Kritik, sondern eigentlich für ein Lob, wenn ein möglichst breiter Rechtszugang gewährt wird.
Ich freue mich also, dass es diese Einhelligkeit gibt, dass es nach intensiven Diskussionen diese Einhelligkeit gibt. Das ist nicht selbstverständlich. Es ist der letzte Baustein, den wir im Zuge der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit beziehungsweise der Schaffung der Bundes- und Landesverwaltungsgerichtsbarkeit vereinbart haben.
Ich hoffe, dass wir auch bei einem nächsten Projekt, nämlich dem Informationsfreiheitsgesetz einen Konsens finden werden. Wir haben es gestern, nein, vorgestern in der Regierung beschlossen. Ich hoffe, dass wir den Konsens finden, dass wir dieses neue System der Informationsfreiheit in das mit einhelliger Zustimmung beschlossene System der Verwaltungsgerichtsbarkeit integrieren, weil ich glaube, dass wir dann auch
erfolgreich sein werden. – Vielen herzlichen Dank für die breite Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.39
Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Bildungsmaßnahmen im Bereich Basisbildung sowie von Bildungsmaßnahmen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses für die Jahre 2015 bis 2017 (317 d.B. und 324 d.B. sowie 9264/BR d.B.)
Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Rene Pfister: Werte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2014.
Die Artikel-15a-Vereinbarung betreffend Initiative Erwachsenenbildung wird aufgrund dringenden Bedarfs und der großen Nachfrage von 2015 bis 2017 fortgeführt. Mit dieser wichtigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme soll der Anteil an gering qualifizierten Erwachsenen nachhaltig gesenkt werden und die Chancen auf eine aktive Teilnahme am sozialen Leben verbessert werden. Den Menschen wird eine Perspektive für eine bessere Zukunft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten geboten.
Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Dezember 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Präsidentin Ana Blatnik: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
13.41
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Heute haben wir wirklich, glaube ich, das einmalige Erlebnis, dass kein einziger Minister, der für seinen Tagesordnungspunkt zuständig ist, da ist, jeder vertritt heute jeden. (Bundesminister Ostermayer: Ich war bei meinem Punkt da!) – Ja, der Einzige, aber seit in der Früh hat jeder Minister jeden vertreten. Jetzt wäre ja das Thema Unterricht dran. (Bundesrat Pfister: Die Innenministerin war da!) Da sieht man wieder, wie universell unsere Minister sind. Jeder kann jeden zu jedem Fachthema vertreten. Ich finde das ja grundsätzlich sehr positiv.
Thema Pflichtschulabschluss und Basisbildung: Auch das muss man sich anschauen, weil wir seit Jahren, um nicht zu sagen, seit Jahrzehnten einen doch nicht so kleinen
Anteil an Leuten haben, die nicht ausreichend lesen und schreiben können und/oder keinen Pflichtschulabschluss haben. Wir haben heute schon einige Male, weil die Tagesordnungspunkte sich daraus ergeben haben, auch darüber gesprochen, wie es mit der Zuwanderung ist, was die Zuwanderer können, wie es um ihre Bildungsabschlüsse bestellt ist und inwieweit sie das Bildungsangebot annehmen.
Das ist ein ewiges Streitthema zwischen uns und Ihnen. Wir sagen, das Bildungsangebot wäre da, man muss es ja nur annehmen. Man kann, wenn man will, einen Pflichtschulabschluss machen, man kann ein Gymnasium oder auch ein Universitätsstudium absolvieren, wenn man es will und kann. Also daran liegt es ja nicht.
Tatsache ist aber, dass jeder vierte hier geborene Zuwanderer nicht ausreichend lesen und schreiben kann, was laut OECD weltweit der zweithöchste Wert ist, nur Belgien ist noch schlechter dran als wir. Im Gegensatz dazu haben nur 5 Prozent der Inländer Probleme, sagt ein Arbeitsmarktexperte der OECD, nämlich Thomas Liebig. Da sind die Probleme zuallererst zu suchen, weil sich das ja auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt.
Die Arbeitslosenquote ist so hoch wie nie in dieser Republik. Über 400 000 Menschen sind beschäftigungslos. Dabei sind doppelt so viele Ausländer beschäftigungslos wie Inländer. (Bundesrat Brunner: Immer die Ausländer!) Der Bereich, wo die Beschäftigung der Zuwanderer leicht gestiegen ist, ist natürlich gerade der niedrigstbelohnte. Bei der Beschäftigung mit den niedrigsten Qualifikationsanforderungen gibt es laut AMS eine leichte Zunahme der Zuwanderer, aber das sind eben die, die dann, um es salopp zu sagen, die Dreckarbeit um einen Bettel machen müssen. Das kann aber nicht unsere Intention sein.
Unser Ziel muss es ja sein, möglichst alle so gut zu bilden und auszubilden, wie es eben geht. Es ist nicht jeder gleich gescheit, es ist nicht jeder gleich fleißig, es ist nicht jeder gleich tüchtig, also sage ich immer: So gut es einer kann, soll er die höchste Stufe erreichen können, die er eben erreichen kann, denn das Land braucht ja auch Steuerzahler.
Wir brauchen Sozialabgaben, wir brauchen Steuern, und da kann man nur daran interessiert sein, dass jeder einen guten Arbeitsplatz hat, wo er auch in die Gemeinschaftskasse einzahlen kann. Da sind wir uns hoffentlich einig. (Bundesministerin Heinisch-Hosek betritt soeben den Sitzungssaal.) – Grüß Gott, Frau Minister! (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Entschuldigung!) – Kein Problem, wie haben wir heute gesagt: Heute vertritt jeder jeden.
Daher ist es natürlich auch richtig, dass man einen Pflichtschulabschluss nachholen kann, dass man eine Basisausbildung nachholen kann. Ich glaube, das ist 2012 zum ersten Mal beschlossen worden, wir haben dem zugestimmt, und ich halte dieses Ansinnen nach wie vor für berechtigt.
Trotzdem haben wir dagegen gestimmt. Die Kollegin von den Grünen hat heute ein ähnliches Problem gehabt, nämlich dass man zwar die Intention richtig findet, aber dann doch Punkte hat, derentwegen man sagt, diesmal stimmen wir nicht zu.
Darum bin ich jetzt froh, Frau Ministerin, dass Sie da sind, denn der Herr Ostermayer hätte mir die Fragen gar nicht so beantworten können. (Bundesrat Stadler: Das ist eine Unterstellung!) – Wahrscheinlich. Wie soll einer die Zahlen aus einem anderen Ressort aus dem Hut zaubern? (Bundesrat Stadler: Geh bitte!) Also wirklich, bei aller Wertschätzung, bei allem Glauben daran, dass unsere Minister allumfassend allwissend sind, glaube ich dennoch, dass es ein bisschen schwierig ist, für jedes Ressort die Zahlen parat zu haben.
Die Frage, die sich für uns gestellt hat, ist, wie Sie schon aus dem Nationalrat wissen, das hat sich nicht geändert: Woher nehmen Sie das Geld dafür? Der Wiener würde jetzt salopp sagen: Sie krachen budgetär wie eine Kaisersemmel. Sie haben alles oder zumindest vieles nach 2016 verschoben. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Wenn ich alles verschieben hätte können!)
Aber es ist ja schon genug verschoben. Sie bleiben quasi die Miete schuldig. Die BIG stundet Ihnen die Miete, und diese 15a-Vereinbarung ist im Budget, soweit wir das gesehen haben, nicht veranschlagt gewesen, obwohl man gewusst hat, dass die Verlängerung kommen wird. Also wo kommt jetzt eigentlich das Geld her?
Dann haben wir festgestellt, dass die Zahlen darüber, wie viele diesen Bildungsabschluss oder diese Basisbildung brauchen, sehr unterschiedlich dargestellt werden; sodass ich mich nicht mehr ausgekannt und gefragt habe: Wie viele sind das eigentlich? Sind es 6 000, 4 000 oder 8 000? Es ist ja nicht wurscht, wie viele das sind. Aber darüber könnten wir vielleicht noch hinwegsehen.
Es gibt aber noch etwas, worüber ich mir Gedanken mache. Da würde ich meinen, wir sollten schauen, ob das System optimal ist, so wie es ist. Es wird ja eine Evaluierung geben. Ich hoffe, dass man dann beschließt, sich das noch einmal anzuschauen, um zu sehen, ob das der richtige Weg ist – nicht die Tatsache an sich, sondern der Weg.
Ihre Beamten haben hier im Ausschuss zwar gesagt, dass die Abbrecherquote, zumindest was die Pflichtschulabschlüsse betrifft, gegenüber der erstgenannten Zahl von 28 Prozent auf 14 Prozent gesunken ist, aber bei der Basisbildung ist es, glaube ich, mit 17 Prozent ziemlich gleich geblieben. Und das ist eine ziemlich hohe Zahl, denn das sind schon die Leute, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, wo man einmal die Grundkulturtechniken nachholen sollte. Da finde ich eine Abbrecherquote von 17 Prozent schon hoch.
Ich finde auch 14 Prozent bei den Pflichtschulabschlüssen hoch. Auch wenn sich diese Zahl zumindest in der Zahlendarstellung nahezu halbiert hat, ist sie immer noch hoch. Ich finde, da müssen wir uns, wenn die Evaluierungsergebnisse da sind, anschauen, ob der Weg, der Zugang und das Angebot auch wirklich richtig sind. Und weil da eben noch so viele für uns offene Fragen da sind, werden wir diesmal dieser Verlängerung leider nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)
13.49
Präsidentin Ana Blatnik: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich in unserer Mitte unsere Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.
13.49
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Unser föderalistisches System enthält eine Regelung, wonach der Bund und alle Bundesländer oder der Bund mit einzelnen Bundesländern Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches schließen können.
Diese Artikel-15a-Vereinbarungen binden sowohl den Bund als auch die Bundesländer hinsichtlich der getroffenen Vereinbarungen. Vereinbarungen, die auch die Organe der Bundesgesetzgebung binden sollen, dürfen nur von der Bundesregierung mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossen werden.
Der Abschluss der heute vorliegenden derartigen Vereinbarung wurde vom Nationalrat in seiner Sitzung am 20. November 2014 mit dem Ziel genehmigt, die 15a-Vereinba-
rung betreffend Initiative Erwachsenenbildung von 2012 bis 2014 aufgrund des dringenden Bedarfs und der großen Nachfrage von 2015 bis 2017 fortzuführen. Die Fortführung ist nach einem Beschluss der Landeshauptmännerkonferenz auch ausdrücklicher Wunsch der Länder.
Die Vereinbarung umfasst erstens: die Verlängerung der Initiative Erwachsenenbildung von 2015 bis 2017 mit 48,5 Millionen € Bundesanteil, und zwar inklusive, und das war mein Zwischenruf, Mittel des ESF in der Höhe von 21,2 Millionen € und 27,28 Millionen € Landesanteil, also insgesamt rund 75 Millionen €.
Noch immer gibt es Menschen in Österreich, die nicht über ausreichende Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen, um am sozialen Leben angemessen teilnehmen und am Arbeitsmarkt langfristig bestehen zu können. Darunter befinden sich Personen in erwerbsfähigem Alter, die über keinen positiven Pflichtschulabschluss als Mindestvoraussetzung für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben verfügen.
Zweitens: Die Vereinbarung sichert die kostenlose Teilnahme an Bildungsprogrammen in den Programmbereichen Basisbildung und Nachholen des Pflichtschulabschlusses unter Aufteilung des erforderlichen Förderbetrags zwischen dem Bund und den Ländern.
Drittens: Die Qualitätsstandards für die Kursgestaltung, Inhalte und die Qualitätsanforderungen an Trainerinnen und Trainer, Prüferinnen und Prüfer werden einheitlich festgelegt. Dies betrifft die Bildungsträger, also die Qualität der Organisation, zum Beispiel Raumgestaltung, Infrastruktur et cetera, die Inhalte und den Aufbau des Bildungsangebotes, zum Beispiel die Qualität von Beratung, das Lehrgangskonzept, die Nahtstellenbetreuung und das Personal, also die formalen und nicht formalen Qualifikationen von Beraterinnen und Beratern, Trainerinnen und Trainern.
Viertens: Damit können insgesamt 19 400 Personen am kostenlosen Bildungsprogramm teilnehmen, nämlich 13 600 Personen im Programm Basisbildung, doppelt so viele wie in der letzten Vereinbarung, und 5 800 Personen im Programmbereich Pflichtschulabschluss.
Ich darf auch noch zur Förderung der Frauen kommen. Die besondere Förderung von Frauen ergibt sich aus dem Umstand, dass bereits bisher im Bereich der Basisbildung rund 61 Prozent der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer weiblich waren. Im Bereich des Pflichtschulabschlusses waren es 44 Prozent. Diese Quote soll nun in der nächsten Programmperiode erhöht werden. Außerdem können im Bereich der Basisbildung die Kosten für eine Kinderbetreuung an Erwachsenenbildungseinrichtungen in die förderfähigen Kosten eingerechnet werden.
Meine Fraktion wird der vorliegenden Vereinbarung zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
13.54
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster hat sich Bundesrat Dr. Brunner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
13.55
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Zuerst, Frau Bundesministerin, möchte ich Ihnen in meiner Rolle als Funktionär eines Sportverbandes und Vater von Kindern zu Ihrer Initiative im Rahmen der täglichen Turnstunde gratulieren. Auch Ihr Auftritt bei den panathletischen Freunden vor zwei Tagen war wirklich bemerkenswert. Also zuerst einmal vielen Dank dafür.
Aber zurück zum heutigen Thema, der Artikel-15a-Vereinbarung zur Finanzierung der Bildungsmaßnahmen im Bereich der Basisbildung und der Nachholung von Pflicht-
schulabschlüssen. Darüber hat es in Österreich im Sommer und bis in den Frühherbst hinein relativ große Verunsicherung gegeben – vor allem natürlich bei den betroffenen Jugendlichen, aber auch bei den Einrichtungen, die sich in diesem Bereich über viele, viele Jahre ein entsprechendes Know-how angeeignet haben.
Wir Vorarlberger Bundesräte haben dann im Mai eine parlamentarische Anfrage an Sie, Frau Minister, gestellt, die Sie im Juli beantwortet haben. In dieser Antwort war eine Art Restunsicherheit natürlich noch gegeben, weil die Finanzierung noch nicht gestanden ist. Umso glücklicher sind wir heute, dass diese Weiterfinanzierung nun doch beschlossen werden kann.
Interessant ist aus Vorarlberger Sicht, dass unsere damalige Kollegin Conny Michalke diese Anfrage mitunterzeichnet hat, nämlich die Forderung an Sie, diese Finanzierung sicherzustellen, heute aber die freiheitlichen Kollegen anscheinend dagegen stimmen werden.
Lieber Christoph Längle, vielleicht kannst du dir das wirklich überlegen, denn nächste Woche wird dieses Thema auch im Landtag im Ausschuss behandelt. Wir werden dabei sein, zu einem anderen Tagesordnungspunkt. In diesem Ausschuss wird die 15a-Vereinbarung auch Thema sein – nicht, dass du anders abstimmst als deine Vorarlberger Kollegen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Längle.) – Nein, gar nicht. Das ist nur ein kleiner Hinweis. Schauen wir, wie sich die Landtagsfraktion verhalten wird. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) – War nur eine Frage.
Die Bildungseinrichtungen in ganz Österreich bieten seit vielen Jahren Vorbereitungslehrgänge für die Nachholung des Pflichtschulabschlusses an und ermöglichen dadurch einer wirklich großen Anzahl von Menschen, diesen Abschluss im zweiten Bildungsweg nachzuholen. Dieses Projekt war jahrelang zuerst nur durch das BMUKK finanziert, und seit 2012 gibt es eben eine Artikel-15a-Vereinbarung, sodass Bund und Länder gemeinsam vorgehen und diese Ausbildungschancen für alle in einer sehr gut abgestimmten Aktion unterstützen.
Man muss sich vorstellen, es sind rund 220 000 Menschen in Österreich zwischen 15 und 64 Jahren, die keinen positiven Pflichtschulabschluss haben. 130 000 davon sind Erwachsene. Und pro Jahr verlassen circa 5 000 Jugendliche das Schulwesen, ohne einen Pflichtschulabschluss beziehungsweise ein positives Zeugnis zu haben.
Dieser Pflichtschulabschluss ist aber natürlich in der Regel die Voraussetzung für jede Weiterentwicklung, nämlich für jede schulische oder berufliche Weiterentwicklung. Die Initiative Erwachsenenbildung ermöglicht vielen Menschen dieses kostenlose Nachholen des Pflichtabschlusses, eben mit dem Ziel, den Anteil Geringqualifizierter nachhaltig und dauerhaft zu senken.
Das betrifft natürlich auch das Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Der Pflichtschulabschluss, der frühere Hauptschulabschluss eigentlich, ermöglicht auch einen besseren Zugang zur Arbeitswelt. Ich denke an Pflegeberufe, aber auch an die Lehre insgesamt.
Der Pflichtschulabschluss ist auch ein wichtiger Meilenstein, um überhaupt in der Bildung und im Beruf weiterzukommen. Die Lernenden in diesen Institutionen bringen enorme Leistungen. Sie kommen auch ihrer Verpflichtung, sich weiterzubilden und weiter zu lernen, stark nach. Dafür benötigen sie aber natürlich diese Unterstützung der öffentlichen Hand, eben in Form von gebührenfreier Vorbereitung zu diesem Pflichtschulabschluss.
Ich glaube, nicht zuletzt auch die Wirtschaft profitiert vom Nachholen des Pflichtschulabschlusses. Das führt nämlich zu einer Erhöhung des Qualifikationsniveaus, und dieses stärkt natürlich auch die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft.
Es wäre wünschenswert, dass man gewisse Dinge genauer evaluieren würde, wobei einzelne Anbieter das natürlich schon machen. Und natürlich wäre es wünschenswert – da gebe ich den Kritikern zum Teil recht –, dass diese Maßnahmen auch in eine Art Regelsystem übergeführt werden könnten, weil dann die Institutionen diese Kurse auch langfristig planen und sich darauf vorbereiten könnten. Aber aus meiner Sicht ist das kein Grund, dieser 15a-Vereinbarung nicht zuzustimmen.
Ich denke, diese Artikel-15a-Vereinbarung ist eine gute Sache. Vielen Dank, dass sie nach den anfänglichen Schwierigkeiten doch noch zustande gekommen ist. Das ist vor allem für die betroffenen Jugendlichen, aber eben auch, wie gesagt, für die Anbieter solcher Maßnahmen, für die Einrichtungen, die über Jahre intensiv daran gearbeitet haben, ein sehr guter Tag. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
14.01
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
14.01
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass junge Menschen die Pflichtschule ohne Abschluss verlassen, kann mehrere Gründe haben. Das kann an der eigenen Biografie liegen, an den Familienumständen. Das sind individuelle Schicksale. Aber was schon systematisch erkennbar ist – und das sagt fast jeder Experte –, das ist, dass wir ein äußerst sozial selektives Bildungssystem haben. Aufgrund dieses sozial selektiven Bildungssystems kommen immer mehr jene unter die Räder, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Das hat jetzt noch nichts unbedingt mit In- und Ausländern zu tun. Und wenn man schon die Ausländer in dieser Frage strapaziert, dann muss man eines ganz klar sagen: Je höher der Ausbildungsgrad wird, umso geringer ist der MigrantInnenanteil. – Und das ist auch kein Zufall. Das hat auch System. Das heißt, wir haben auch hier ein sehr selektives Bildungssystem.
Wenn man sich die Sonderschulen anschaut – weswegen Österreich zu Recht kritisiert worden ist, denn diese Schulform sollte es meines Erachtens gar nicht mehr geben –, dann erkennt man auch, dass gerade in den Sonderschulen viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind. Ja, haben die alle miteinander eine Beeinträchtigung? Oder hat nicht doch unser System eine Beeinträchtigung oder eine selektive Wahrnehmung? – Ich glaube, Letzteres ist der Fall.
Wir haben viele, viele Kinder mit unterschiedlichen Nationalitäten, aus unterschiedlichen Herkunftsländern und so weiter. Gerade in den Schulen in Wien, wie man hört, hat ja fast jeder Zweite einen Migrationshintergrund. Statt dass man das Thema immer mit „problembehaftet“ andiskutiert, sollte man das doch ressourcenorientiert ansprechen. Hier ist doch ein Schatz, der gehoben werden könnte! Aber das können wir nicht mit dem gegenwärtigen Bildungssystem, das das nicht als Wert erkennt, sondern als Problem sieht. Das heißt, hier muss sich in unseren Köpfen noch sehr viel ändern.
Die Wirtschaft – der Kollege Brunner hat es schon angesprochen – kann nur davon profitieren, wenn wir diese Leute im eigenen Land haben. Wenn diese die Sprache ihres Herkunftslandes beherrschen und wenn sie die deutsche Sprache gut erlernen, so können das die Brückenbauer zu den zukünftigen Märkten von Österreich sein. (Bundesrat Kneifel: Das ist wichtig!) Wir verdienen 70 Prozent unseres Wohlstands im Ausland. Was kann uns denn Besseres passieren, als diesen Reichtum, dieses Potenzial in unserem eigenen Land zur Verfügung zu haben?
Natürlich – und das muss man gar nicht schönreden – gibt es Probleme, stellt es massive Herausforderungen für einen Schulbetrieb dar, wenn man auf diese unter-
schiedlichen Bedürfnisse, auf diese Individualitäten, die wir immer wieder in den Vordergrund stellen, eingehen muss. Aber nur so können wir auch dafür sorgen, dass der Wohlstand, den wir gegenwärtig haben, auch gesichert wird. Österreich verfügt nicht über weiß Gott wie viele Bodenschätze. Das einzige Potenzial, das wir haben, liegt hier oben, und das kann man nur bestmöglich ausschöpfen, indem man unseren Kindern – und das sind unsere Kinder, egal, von wo sie herkommen – die bestmögliche Bildung zukommen lässt. (Bundesrat Perhab: Der Schüler muss schon lernen wollen!) – Natürlich muss er das wollen. Das ist ja genauso wie bei einem Arbeiter. Du bist ein Gastronom. Wenn du jemanden anstellst, wirst du ihn auch anstellen, weil er „hackeln“ will und nicht in deiner Küche herumstehen will.
Natürlich ist es immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Aber wir, die Gesellschaft, müssen die entsprechenden Angebote anbieten. Es ist eine Holschuld der Leute, diese Angebote dann auch in Anspruch zu nehmen. Überall dort – egal in welcher Region –, wo das Angebot passt, nehmen es die Leute auch an, gerade die Migranten und Migrantinnen. Es kommt ja keiner und sagt: Nein, mich interessiert das alles nicht, ich will ja nichts machen. Im Gegenteil: Ich habe mit UMF jahrelang gearbeitet, und die möchten lernen, die möchten arbeiten, nur die rechtliche Lage lässt es nicht zu, außer sie unterliegen der Schulpflicht, dann müssen sie ja in die Schule gehen.
Das heißt, hier gibt es meines Erachtens noch sehr, sehr viel zu tun. Wir müssen an den Rahmenbedingungen für unsere Pädagogen und Pädagoginnen arbeiten. Es kann nicht sein, dass jährlich 8 000 Schülerinnen und Schüler die Schule verlassen und nicht sinnerfassend lesen und schreiben können. Dass das die zukünftigen Sozialhilfeempfänger sind, liegt klar auf der Hand. Das ist ja vorprogrammiert. Eine gute Ausbildung, ein hoher Qualifizierungsgrad ist natürlich kein Schutz vor Arbeitslosigkeit. Das kann niemand behaupten. Aber die Wahrscheinlichkeit, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, ist wesentlich geringer, je höher der Ausbildungsgrad ist beziehungsweise je mehr Ausbildungen und Qualifizierungen man hat. Darum müssen wir uns da in diesem Bereich noch massiv anstrengen.
Ich finde es wirklich beschämend, Frau Ministerin – ich komme als Integrationsbotschafter in sehr viele Schulen –, wenn sich drei, vier PädagogInnen einen Arbeitsplatz so groß wie dieses Rednerpult teilen müssen, wenn in manchen Konferenzzimmern nur ein Computer für sieben, acht PädagogInnen zur Verfügung steht, wenn teilweise nicht einmal ein Internetzugang vorhanden ist und, und, und. Das heißt, wir müssen hier an vielen, vielen Ebenen ansetzen, damit wir ein gutes Umfeld für die LehrerInnen, für die SchülerInnen, aber auch für die Eltern schaffen.
Dass man den Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, den Pflichtschulabschluss nicht machen konnten, die Möglichkeit bietet, dass sie das im späteren Leben erledigen können, das finde ich absolut wichtig und richtig. Österreich ist im Bereich der dualen Ausbildung federführend, und viele Länder kupfern dieses System von uns ab und implementieren es in ihre eigenen Bildungslandschaften. Und ich bin der festen Überzeugung, dass auch diese Möglichkeit eines späten Pflichtschulabschlusses ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung ist. Wir werden deshalb dem selbstverständlich zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)
14.08
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.
14.08
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die
Initiative Erwachsenenbildung, denn ich begrüße alle Maßnahmen, die sicherstellen, dass Menschen ein Leben lang lernen dürfen, ein Leben lang Ausbildungen machen können und auch ein Leben lang Abschlüsse im Bildungssystem nachholen können. Es ist aus meiner Sicht zweitrangig, ob dies der Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt dient oder einfach der persönlichen Weiterentwicklung.
Die Initiative Erwachsenenbildung ist somit ein starkes Bekenntnis zum lebenslangen Lernen, und sie ist eine notwendige Ergänzung im Sinne der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Diese Maßnahme ist eine Investition in die Zukunft. Dieses Geld ist sehr gut investiert.
Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung. Bildung ist ein Menschenrecht. Bildung ist ein anerkanntes Instrument, um Chancen zu erlangen, Chancen auszubauen und auch um Armut zu bekämpfen. Sie führt damit zur Emanzipation. Der Zusammenhang zwischen Bildungschancen und Chancen am Arbeitsmarkt – das wurde heute schon erwähnt – liegt ja auf der Hand und wird durch die aktuelle Arbeitslosenstatistik belegt. Um diesen engen Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeit Rechnung zu tragen, macht eine entsprechende Verknüpfung, eine entsprechende Zusammenarbeit und Verschränkung des Bildungssystems mit dem Arbeitsmarktsystem sehr viel Sinn. In diesem Bereich möchte ich für eine noch stärkere Kooperation appellieren.
Es gibt einige europäische Länder, die uns in dieser Frage der Kooperation zwischen Bildung und Arbeit um einiges voraus sind. Dort werden junge Menschen beim Wechsel vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt durch das Bildungssystem noch intensiver und länger begleitet, vor allem auch dann, wenn sich dieser Wechsel schwierig gestaltet oder schwerfällt. Gerade dann brauchen junge Menschen stabile, konsequente, nachhaltige Beziehungen und eine Begleitung bei diesem Übergang. Diese Bezugspersonen sind im Idealfall natürlich auch gut geschult, pädagogisch geschult.
Diesem Anspruch kann das Bildungssystem am besten gerecht werden, wahrscheinlich noch um einiges besser als das Arbeitsmarktservice, denn es geht hier nicht nur – wie vorhin schon erwähnt – um die Verwertbarkeit eines jungen Menschen für den Arbeitsmarkt, sondern es geht um seine Persönlichkeitsentwicklung, und es geht um das Erkennen und Fördern seiner Talente und Stärken.
Bildungssysteme aus anderen Ländern zeigen uns, dass hier eine breite Palette an modularen Angeboten, die dieser individuellen Situation eines jungen Menschen gerecht werden, sinnvoll ist. Eine jüngst veröffentlichte Studie des Österreichischen Institutes für Kinderrechte und Elternbildung zeigt, dass in jenen Ländern Europas die SchulabbrecherInnen-Rate niedrig ist, in denen die einzelnen Schulstandorte eine große Autonomie genießen, und dass dadurch auch eine hohe Professionalisierung der pädagogischen MitarbeiterInnen an diesen Standorten gefördert und ausgebaut wird. Infolge dieser Schulautonomie übernehmen die Menschen vor Ort eine große Verantwortung für jeden einzelnen Schüler und jede einzelne Schülerin. Das hat sich sehr bewährt.
Ich möchte noch auf eine andere Facette dieses Themas eingehen, die heute schon kurz erwähnt worden ist. Die aktuelle OECD-Studie zeigt ja, dass eine Million ÖsterreicherInnen nicht ausreichend die Schlüsselkompetenzen beherrschen. Diese Kompetenzen sind aber der Schlüssel für eine gesellschaftliche Teilhabe. Sie sind auch ein Mittel gegen gesellschaftliche Isolation. Bildung ist dementsprechend nicht nur wichtig für Chancen am Arbeitsmarkt, sondern generell – und das ist mir wichtig – für ein persönliches Weiterkommen. In diesem Zusammenhang begrüße ich also den vorliegenden Vorschlag zur Verlängerung dieser ursprünglich 2011 beschlossenen
Maßnahmen in diesen beiden Bereichen, nämlich das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen und das Angebot der Basisbildung.
Ein letzter Aspekt, mein Vorredner hat ihn kurz erwähnt: Bildung wird in Österreich vererbt. Das belegen sehr viele Studien. Diese Maßnahme, die es Menschen ermöglicht, einen neuen, einen besseren Platz im Bildungssystem einzunehmen, ist wichtig. Und möglicherweise können sie diesen besseren Platz dann auch an Ihre Kinder weitervererben. Eigentlich müssen wir hoffen, dass diese Maßnahme in einigen Jahren nicht mehr notwendig sein wird, weil unser Bildungssystem es schaffen wird, diese jungen Menschen von vornherein so zu begleiten, dass sie zu ihren Bildungsabschlüssen kommen. Dennoch wünsche ich dieser Maßnahme für die nächsten Jahre, dass möglichst alle Plätze besetzt werden und dass sie weiterhin gut angenommen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
14.14
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.
14.14
Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen sehr oft ein Geheimnis daraus, aber Tatsache ist, dass jährlich 3 000 bis 5 000 Jugendliche das Schulsystem ohne Abschluss verlassen. Das ist tatsächlich ein alarmierender, ein besorgniserregender Befund, ein Thema, dem wir uns gemeinsam ganz konsequent stellen müssen. Es kann nicht sein, dass wir diese jungen Menschen im Schatten stehen lassen. Wir müssen etwas dagegen tun, auf sie zugehen, ihnen die Hand reichen, und dieses Förderprogramm ist so eine attraktive, eine gute, eine vernünftige Handreichung für unsere jugendlichen Menschen ohne Bildungs- und ohne Schulabschluss. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Dass es gut ankommt und dass es wirkt und dass es sehr positiv ist, das beweist auch die beachtliche Drop-out-Quote von 14 bis 18 Prozent. Das hört sich an, als wäre es viel, aber schaut man sich die Zielgruppe an, um die es geht, dann muss man sagen, in diesen Programmen an den Instituten wird sehr, sehr erfolgreich gearbeitet.
Was uns freut, ist, dass es heute möglich ist, die Verlängerung zeitgerecht auf den Weg zu bringen, denn das ist für die jungen Menschen die zweite große Chance, und jeder hat sich eine zweite Chance verdient. Henry Ford hat gewusst, wovon er spricht. Ford hat die Menschen beschäftigt, er hat sie ausgebildet, er war an sich ein sozial engagierter Unternehmer, und dieser Henry Ford hat einmal gesagt: Es gibt mehr Menschen, die kapitulieren, als Menschen, die scheitern. – Und dieses Förderprogramm ist die zweite große Chance, daher stimmen wir, die ÖVP-Fraktion, dem Programm sehr gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
14.16
Präsidentin Ana Blatnik: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.
14.16
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Bundesrates! Ich freue mich auch, dass diese Regierungsvorlage heute fast einstimmig beschlossen werden wird.
Ich möchte zu den Zahlen nur so viel sagen: Fast 20 000 Menschen können wir mit dieser Maßnahme in den nächsten drei Jahren erfassen. Eine Verdoppelung derer, die eine Basisbildung absolvieren können, ist ermöglicht worden – ich sage es noch einmal –, weil die ESF-Mittel verdoppelt wurden.
Diese Artikel-15a-Vereinbarung läuft bis zum Ende dieses Jahres. Ich möchte in diesem Hohen Bundesrat auch sehr offen sagen: Da noch nicht klar war, wie die nächsten drei Jahre aussehen werden, aber das Budget schon im April beschlossen werden musste – es musste ja auch noch mit den Ländern verhandelt werden –, ist sozusagen die Sicherstellung der nächsten drei Jahre mit dem Finanzministerium im Laufe dieser Monate danach, nach Beschluss, vonstatten gegangen. Ich kann Ihnen versichern, dass die nächsten drei Jahre finanziell absolut abgesichert sind, denn sonst hätten die Länder ja ohnehin dieser Artikel-15a-Vereinbarung nicht zustimmen können, die ja durch die Länder in gleicher Höhe kofinanziert wird.
Das heißt, alle neun Bundesländer haben Vertrauen darauf, was bilateral zwischen dem Finanzministerium und meinem Ressort vereinbart wurde und dass – obwohl nicht budgetiert – diese nächsten drei Jahre vom Finanzministerium sichergestellt werden, und sie haben auch ihre Zustimmung gegeben. Das heißt, ich kann alle beruhigen, dass die Initiative Erwachsenenbildung bis 2017 weitergehen kann.
Wir werden Ende dieses Jahres die Evaluierung erhalten. Ich habe gerade wieder mit meinen KollegInnen aus dem Ressort kommuniziert. Die arbeiten noch daran, weil sie den ersten Durchgang anschauen mussten. Ich kann nicht etwas schon nach einem Jahr evaluieren, wenn ich nach drei Jahren die Erfolgsquote besser messen kann. Daher bitte ich um Verständnis. Ich werde dann selbstverständlich kommunizieren, wie diese Evaluierung ausgeschaut hat. Wir können auch sagen, dass die Verwaltungskosten, die damit verbunden sind, gleich geblieben sind. Wir liegen da wirklich sehr gut, was das Angebot anlangt.
Aber lassen Sie mich noch etwas sagen: Es sind schon spezielle Trainerinnen und Trainer, die sich mit den Erwachsenen in sehr geduldiger Art und Weise auseinandersetzen. Wir können uns nicht vorstellen, nicht über diese Basiskompetenzen zu verfügen, einen Text zu lesen, aber nicht hundertprozentig zu verstehen oder einfache mathematische Aufgaben nicht lösen zu können. Ich kenne verschiedene Fälle. Über einen möchte ich ausführlicher berichten: Ein Mädchen in der dritten Klasse, damals noch Hauptschule, nennen wir sie Melanie, wollte die Schule nicht abbrechen, aber sie musste wegen des Umzugs der Eltern in eine andere Region die Schule wechseln. Vielleicht interessiert Sie das, Frau Kollegin Mühlwerth, warum Menschen diese Basisbildung in Anspruch nehmen und einen Pflichtschulabschluss nachholen wollen.
Durch den Umzug war es diesem Kind nicht möglich, einen Pflichtschulabschluss zu machen. Das Mädchen ist dann irgendwie in nicht so gute Kreise geraten, ist mit 16 Jahren schwanger geworden und ist jetzt, mit 25 Jahren, so weit, dass sie sagt, sie möchte diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, sie möchte diesen Abschluss für sich selber machen, damit sie vielleicht noch eine Lehre beginnen kann oder, wenn sie gleich arbeiten geht, zumindest diesen Pflichtschulabschluss nachweisen kann. Diese Gelegenheit ist auch für zugewanderte Personen wichtig, die, weil daheim nur in der Muttersprache kommuniziert wurde, nicht die Möglichkeit hatten, im Bildungssystem Fuß zu fassen, und daran arbeiten wir.
Die Kritik nehme ich natürlich auf. Wir wollen ja, dass bei den Kleinsten begonnen wird. Ich wünsche mir ja, dass beim Schuleintritt – nicht nur bei zugewanderten Kindern, sondern auch bei einheimischen Kindern – möglichst wenige Probleme bestehen, und es wäre auch wünschenswert, dass Probleme bezüglich der Sprache, aber auch bezüglich anderer Fähigkeiten und Fertigkeiten so weit erkannt und vielleicht auch schon behoben wurden, dass die Kinder dann möglichst gleiche Startbedingungen haben. Damit sollten wir vor Schuleintritt beginnen.
Es wurde heute, zumindest habe ich es so vernommen, auch schon einmal gesagt, Kinder müssen auch wollen. – Ja, das stimmt. Kinder werden grundsätzlich mit einer
gesunden Neugierde geboren und Kinder sind mehr als bereit, ihr Leben lang zu lernen, schon und vor allem vom Kleinstkindalter an. Es können dann aber Umstände eintreten – und das sind meist ganz persönliche Umstände –, die Kinder zu Verweigerern werden lassen, und da kommen dann die SchulabbrecherInnen heraus. Diese 3 000 bis 5 000 pro Jahr sind natürlich viel zu viele, und diese müssen wir auch begleiten, bis sie eine zweite Chance bekommen haben. Manche brauchen auch eine dritte Chance.
Ich glaube, dass gerade die Mittel für die Basisbildung und den Pflichtschulabschluss sehr wichtig sind. Natürlich werden noch zu wenige Menschen erfasst, es sind viel mehr, die das brauchen würden, aber durch die Verdoppelung der ESF-Mittel können 20 000 Personen erfasst werden und erhalten dadurch eine neue Lebenschance. – Ich bedanke mich bei Ihnen allen, die Sie heute Ihre Zustimmung geben, dass Sie diesen Menschen damit eine Chance geben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
14.22
Präsidentin Ana Blatnik: Danke, Frau Bundesministerin.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Liebe Frau Bundesministerin, schön, dass du da warst! – Bis zum nächsten Mal!
Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 3173/14 Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013 (46545/EU, XXV.GP)
Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun – da die Tagesordnung ergänzt wurde –zum 12. Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm dieses.
14.23
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist heute ein besonderer Tag, würde ich sagen, nicht nur, was die Diskussionen anlangt, sondern auch, was den gegenständlichen Tagesordnungspunkt betrifft, denn erstmals wird im österreichischen Parlament ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes diskutiert. Ich bedaure natürlich außerordentlich, dass der zuständige Minister die Zeit nicht gefunden hat, beziehungsweise waren wir wirklich etwas kurzfristig unterwegs, das sei angemerkt. Aber ich denke, wenn in Zukunft ein solcher Bericht im Bundesrat wieder vorliegen wird, dann kann auch der zuständige Minister rechtzeitig eingeladen werden.
Ich darf mich auch bei der Präsidiale und natürlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im EU-Ausschuss des Bundesrates dafür bedanken, dass dies möglich geworden ist. Wir haben wieder einmal gezeigt, welchen Stellenwert der EU-Ausschuss hat, und er hat seine Kompetenz, denke ich, auch entsprechend wahrgenommen. Deshalb auch
nochmals mein besonderer Dank für die hervorragende Arbeit den Kolleginnen und Kollegen im EU-Ausschuss des Bundesrates.
Jetzt zum Bericht: Wir haben diesen Bericht gestern im EU-Ausschuss im Rahmen einer entsprechenden Präsentation ausdrücklich und eindrücklich diskutieren können und auch einen tiefen Einblick bekommen, was der Europäische Rechnungshof so macht. Dieser ist die externe Prüfeinrichtung der EU und trägt auch wesentlich zum besseren EU-Finanzmanagement bei. Zugleich ist er auch unabhängiger Hüter der finanziellen Interessen der Unionsbürger.
Der Europäische Rechnungshof ist ein Kollegialorgan. Das heißt, 28 Mitglieder – eines aus jedem Mitgliedsland – sind in diesem Gremium vertreten. Der Sitz ist Luxemburg – und nicht in Brüssel, wie medial behauptet wurde.
Die wichtigsten Aufgaben sind die Erstellung entsprechender Jahresberichte, die Zuverlässigkeitserklärung – ganz ein wesentlicher Bestandteil, wo es um Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge geht – und auch Jahresberichte zu entsprechenden Agenturen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU, Sonderberichte, wo es um die Beurteilung von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit in ausgewählten Bereichen des EU-Haushaltsplans geht, Analysen von ganzen Projekten, die Länder betreffen, auch länderübergreifend, wo es um längerfristige Trends beziehungsweise Entwicklungen im Bereich der Finanzkontrolle geht, und dann dazu auch die entsprechenden Stellungnahmen.
Wenn man das Volumen betrachtet, um welche Summe es hier jährlich geht – es wird jährlich geprüft und auch im Rahmen eines Fünf-Jahres-Planes –, sieht man, dass das für das Jahr 2013 immerhin 148,5 Milliarden € sind. – Das ist der EU-Haushalt des vergangenen Jahres.
Wenn man jetzt die Fehlerquote betrachtet: Diese beträgt 4,7 Prozent – immerhin noch etwa 7 Milliarden €, die nicht gemäß den entsprechenden Regeln ausgegeben wurden.
Am größten ist die Problemsituation im Bereich Regionalpolitik, Verkehr und Energie mit 6,9 Prozent, gefolgt von Ausgaben für die Entwicklung im ländlichen Raum, wo es um 6,7 Prozent geht. Darauf wird Kollege Preineder in seinem Redebeitrag entsprechend eingehen, weil insbesondere auch der ländliche Raum kritisiert wurde, wobei man das natürlich schon differenziert betrachten muss. Aber, wie gesagt, das macht Kollege Preineder dann.
Welches Land ist nun am stärksten von dieser Fehlerquote betroffen? Das geht eigentlich aus diesem Jahresbericht nicht hervor, weil die Länder nicht spezifisch an den Pranger gestellt werden, sondern es gibt eine Untersuchung, wer am öftesten Fehler macht, also die meisten Fehler in diesen Abrechnungsszenarien, und da liegt Österreich leider an erster Stelle, wobei das Volumen wieder eine andere Sache ist als die Häufigkeit.
Geprüft wurden insgesamt 2 920 Geldflüsse in stichprobenartiger Manier. Das heißt, es wurde nicht das ganze Volumen von 148,5 Milliarden € geprüft. Wenn man das so betrachtet: bei 45,2 Prozent wurden Fehler entdeckt, in Österreich lag die Quote sogar bei 48,2 Prozent.
Bei der Fehlerquote wird nach der Schwere der Fehler differenziert, und die meisten schweren Fehler im Abrechnungsbereich macht Malta. Da sind wir Gott sei Dank nicht an erster Stelle. Hinter Malta kommt dann Rumänien, Spanien, Ungarn und dann schon Österreich. Also auch da sind wir nicht unbedingt als vorbildlich zu betrachten.
Der zuständige Beamte, Herr Mag. Herics – er ist österreichischer Vertreter beim EU-Rechnungshof –, hat sich ob dieser Prüfsituation selber überrascht gezeigt, weil wir
aus österreichischer Sicht natürlich immer den Ansatz haben, entsprechend hochwertige, qualitativ gute Berichte abzuliefern und auch die Geldmittel entsprechend einzusetzen. Die Fehlerhäufigkeit in Österreich ist da wirklich überproportional hoch.
Fehlerhäufigkeit bedeutet aber nicht zwangsläufig – das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, den man hier anmerken muss –, dass es um Betrug geht oder per se um die Verschwendung von Geldern. Vielmehr stehen die Zahlungen nicht im Einklang mit den EU-Regeln, und das ist auch ein wichtiger Punkt. Oft widersprechen sich die Kriterien für staatliche Beihilfen oder es wurden entgegen der Vorgaben keine öffentlichen Ausschreibungen gemacht.
Ein wichtiger Punkt: Keiner dieser in Österreich geprüften Fälle wurde wegen Betrugs an die Betrugsbehörde OLAF in Brüssel weitergeleitet. Ich denke, das ist auch ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt.
Insgesamt ist es ein Meilenstein, den der EU-Ausschuss des Bundesrates hier mit diesem Bericht gesetzt hat. Ich darf mich nochmals für die Möglichkeit bedanken, dies hier im Plenum auch zu diskutieren, und ich hoffe auch auf Unterstützung, dass wir das institutionalisieren und auch im nächsten Jahr diesen Bericht wieder diskutieren dürfen. – Ich danke euch. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)
14.30
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.
14.30
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Lieber Edgar! Schon bei deiner Wiederbestellung nach dem Vorarlberger Ergebnis habe ich Vorarlberg gedankt, dass sie dich wieder geschickt haben. Ich mache es jetzt auch vom Rednerpult aus, weil ich glaube, unsere Zusammenarbeit hat mitermöglicht, dass wir dieses Vorzeigeprodukt EU-Ausschuss entwickelt haben und auf dem Weg zu einer Europakammer sind.
20 Jahre sind wir bei der EU, und noch nie ist der Europäische Rechnungshof in dieses Haus gebeten worden. Das war gestern eine Premiere, und noch dazu eine beeindruckende. Wir haben ja nicht nur über die geprüften Felder, die Edgar Mayer ausgeführt hat, sondern auch über das prinzipielle Verständnis gesprochen. Von populistischer Seite wird ja immer gesagt, das Geld versickert in Brüssel. Diese Demonstration des Europäischen Rechnungshofes – wir können aber durchaus einmal die OLAF-Betrugsbehörde einladen – gestern zeigt, wie exakt diese Kontrolle bei der Europäischen Union mit ihrer großen Differenziertheit, mit ihren unterschiedlichen Systemen von Kohäsionspolitik – EFRE und so weiter –, ausgeübt wird. Vielleicht wird sogar noch ein Stück mehr Kontrolle über den Haushalt und die Finanzen seitens der Europäischen Union ausgeübt, als in manchem nationalen Land. Der Vertreter Österreichs gestern hat als langjähriger Spitzenbeamter des österreichischen Rechnungshofes gemeint, im europäischen Feld sind wir viel genauer, viel exakter, das hätten wir uns in Österreich manchmal gewünscht.
Sehr spannend an der Diskussion gestern war, dass wir etwas neu denken müssen, nämlich in Richtung gemeinsame Fonds, gemeinsame Agenturen und gemeinsame Politik, also nicht nur alles durch die nationale Brille zu betrachten. Eine ganz große Erkenntnis der gestrigen Sitzung war, sich stets die Frage zu stellen, ob mit den Mitteln, die wir hier einsetzen, ein Ergebnis erreicht wird, oder die zweite Frage, was der Mehrwert für die Europäische Union ist, wenn wir zum Beispiel Regionalförderungsprojekte finanzieren. Und wenn wir uns heute Regionalförderungsprojekte anschauen, sind das ganz spannende Dinge. In Wien wird jetzt gerade eine Seestadt
verwirklicht, das hat sehr wohl Relevanz für die Zukunft der Städte in der Europäischen Union. Wir hatten ja auch diesbezüglich eine Richtlinie in diesem Jahr im Ausschuss.
Was uns gestern auch ein bisschen zum Nachdenken mitgegeben worden ist, ist, dass der Rechnungshof schon prüft, wo die Mitnahmeeffekte sind. Das heißt, bei einem Projekt, das ohnedies finanziert worden wäre und schon gestartet wurde, und man sagt in letzter Minute, das reichen wir noch ein, da kriegen wir noch eine Kofinanzierung, ist das Geld eigentlich falsch eingesetzt. Wichtig ist auch, dass alle Agenturen der Europäischen Union geprüft werden. Die Erweiterungspolitik, die Außenhilfe und die Außenbeziehungen, die ja oft auch kritisiert werden, haben im Gegensatz zu anderen Bereichen eine wesentlich geringere Fehlerquote und liegen mit 2,6 Prozent schon am untersten Ende.
Das heißt, hier dürften sehr wohl Ergebnisse erzielt werden, hier dürften sehr wohl eine Wirkung, ein EU-Mehrwert und keine Mitnahmeeffekte zu verzeichnen sein. Edgar Mayer hat jetzt alles über Fehlerhäufigkeit, was ja nicht unbedingt kriminell ist, gesagt, und dass wir hier wahnsinnig viel zu tun haben. Aber einen Satz müssen wir noch dazu sagen: Das Prüfungsergebnis Österreichs ist negativ, und das ist bitter.
Das ist bitter, denn wenn wir uns anschauen, dass wir 2013 eine Fehlerhaftigkeit von 4,7 Prozent haben und 2009 schon auf 3,3 Prozent waren, dann entwickelt sich da etwas falsch, und ich glaube, sowohl die Behörden, die Interessenvertretungen, die Städte, die Gemeinden und auch der Bund sind hier aufgefordert, wirklich in dem Sinne etwas zu tun. Ich erspare mir jetzt – Kollege Preineder braucht sich jetzt gar nicht in Startposition zu begeben –, etwas über das Agrarbudget und die fehlerhaften Entwicklungen zu sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Mein Kollege Ewald Stadler (Bundesrat Stadler: Werner!), ah, Werner Stadler ... (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Himmer: Das kostet dich ein Bier!)
Nein, nein, liebe Leute, unser lieber Kollege Ewald hat eine ganz schwere Operation vor sich, und wir haben gerade eine Karte mit Genesungswünschen unterschrieben, und die hat Werner Stadler vorhin gehabt, deshalb habe ich mich versprochen. Lacht nicht, wenn es nicht zum Lachen ist, aber ihr könnt unserem Kollegen Ewald, der nächste Woche eine wirklich sehr harte Operation vor sich hat, auch eine Karte schreiben.
In diesem Sinne erspare ich mir das, lieber Kollege Preineder, aber man muss schon sagen, manche Dinge müssen wir abstellen und wir müssen zur Flächengenauigkeit und zu echten Tierbeständen kommen. In diesem Sinne ein Danke allen, ein Danke an die Frau Präsidentin für die Initiative dieses Sonderpunktes, und ich glaube, wir haben uns auf kurzem Weg bereits im EU-Ausschuss geeinigt, wir werden den EU-Rechnungshofbericht somit jährlich hier auf der Tagesordnung haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)
14.37
Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
14.37
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das war gestern wirklich ein spannendes Erlebnis. Den Europäischen Rechnungshofbericht kann man ja lesen, aber auch mit den fachkundigen Beamten und mit dem Leiter diskutieren zu können, Fragen stellen zu können, um mehr zu erfahren, wie geprüft wird, wer geprüft wird, wann geprüft wird et cetera, also das ganze Prozedere, fand ich wirklich sehr interessant. Ich wäre auch dafür, dass wir das als Fixpunkt im Bundesrat etablieren, wenn der nächste Bericht kommt, ihn
auch hier zu diskutieren, weil ich glaube, dass das auch für Zuseher interessant ist. Vielleicht weiß gar nicht jeder, dass es einen Europäischen Rechnungshof gibt, und wenn ja, wie er funktioniert – also das ist durchaus in Ordnung.
Was sich natürlich gestern auch gezeigt hat, ist, man kann nicht alles und jedes prüfen, und ein großes Gebilde wie die Europäische Union – auch wenn sie jetzt anders hieße oder etwas anderes wäre – ist natürlich immer anfällig: erstens für Fehler, aber zweitens auch für Missbrauch. Da haben wir uns keinen Illusionen hinzugeben, und da stelle ich schon fest, das kann der Rechnungshof gar nicht alles prüfen; wahrscheinlich prüft er nur, wenn er darauf hingewiesen wird oder selber eine Idee, eine Ahnung hat, dass etwas vorliegt.
Ich möchte nicht dem Rechnungshof einen Vorwurf machen, aber Folgendes hat mich schon bestürzt: Ich war heuer im Oktober in Nordspanien unterwegs und habe dann mit einem der Reiseleiter, den ich vorher nicht kannte und dessen politische Einstellung ich auch nicht kannte, geredet. Der war nämlich wirklich empört und hat zu mir gesagt:
Ich sage Ihnen etwas. 60 Prozent aller Spanier sind ehrliche, fleißige, arbeitsame Leute, aber 40 Prozent, das muss ich leider als Spanier sagen, sind korrupt und versuchen, den Staat und alles und jedes zu betrügen.
Das hat ihn deswegen so empört, weil die 60 Prozent darunter leiden. Die anderen hätten eine schlechte Meinung von ihnen, weil sie glauben, jeder Spanier sei korrupt und betrügerisch. Ich habe ihn dann gefragt, was er denn konkret meint. – Dann sagt er mir: Diese Waldbrände, die da immer im Sommer sind, da gibt es schon – das war seine Aussage, ich erzähle sie nur – einige Bürgermeister, die den Wald selber anzünden, weil sie genau wissen, dass sie von der Europäischen Union, vom Fonds, Geld kriegen. Davon wird die Hälfte für die Wiederaufforstung verbraucht und die andere Hälfte landet in der eigenen Tasche. Er hat mir erzählt, dass das kein Einzelfall sei, und das hat ihn wirklich empört.
Dieser Spanier hat gesagt, dass er hoffe, dass in diese Richtung in der Europäischen Union endlich etwas passiert, dass so etwas abgestellt werden kann. Also so etwas – und das wird kein Einzelfall sein und Spanien wird auch nicht das einzige Land sein, wo so etwas passiert – sind Dinge, auf die man vielleicht auch in der Europäischen Union ein bisschen ein Auge haben sollte, und wo der Europäische Rechnungshof auch stichprobenartig kontrollieren sollte.
Dass Österreich in manchen Dingen an erster Stelle steht oder die Fehlerquote sehr hoch ist, das haben wir gestern im Ausschuss diskutiert. Unter anderem ist es ja um die Almflächen gegangen, und da haben wir gesagt: Ja, wir wissen, dass die schon einmal vermessen waren, dann hat sie die AMA digitalisiert, dann hatten die Flächen eine andere Quadratur, und dann mussten die Bauern wieder das Geld zurückzahlen, obwohl sie eigentlich nichts dafür konnten. In diesem Bereich wird schon einiges versteckt sein.
Wo ich aber guter Hoffnung bin – weil ich ja positiv gestimmt bin –, ist, dass die Fehlerquote beim nächsten Mal sinken wird. Betrüblich ist allerdings – was der Leiter des Europäischen Rechnungshofes gestern gesagt hat –, dass die zuständige Behörde das seit 2001 gewusst und nichts getan hat, obwohl sie mehrmals darauf hingewiesen worden ist, dass hier etwas zu tun ist, und es ist nichts passiert.
Aber das erleben wir ja mit dem österreichischen Rechnungshof auch oft genug. Allerdings kann sich da der Europäische Rechnungshof glücklicher schätzen, denn er gibt an, dass 80 Prozent seiner Empfehlungen stattgegeben wird, nur 20 Prozent nicht. Das ist beim österreichischen Rechnungshof, glaube ich, genau umgekehrt. Da stehen
80 Prozent halt im Bericht, interessieren aber ansonsten kaum jemanden Verantwortlichen. Da könnten wir wieder etwas tun.
Interessant war für mich auch – wie es Kollege Schennach schon angesprochen hat – die Frage nach dem Mehrwert und dieser Mitnahmeeffekt. Wäre das Projekt nicht gebaut worden, wenn es keine Fördermittel gegeben hätte? – Nein, es wäre ohnehin gebaut worden. Also warum müssen wir da Fördermittel ausschütten? – Das ist nur ein kleiner Baustein des ganzen Systems, und man kann jetzt schon den Schluss daraus ziehen, dass vielleicht generell zu viele Fördermittel ausgeschüttet werden.
Das führt mich wieder nach Österreich zur Transparenzdatenbank. Wir kennen ja das Problem mit dem gleichzeitigen Ausschütten von Fördermitteln auf verschiedenen Ebenen, wo man die Transparenzdatenbank wieder einfordern muss. Auch in Europa, also in der Europäischen Union, kann man durchaus darauf schauen, ob alle Fördermittel wirklich für jeden Zweck ausgeschüttet werden müssen oder wie viele Mehrfachförderungen es gibt, die auch nicht nötig wären. Ich glaube, da ist noch einiges zu tun.
Insgesamt aber war es ein sehr positiver Bericht, es war eine sehr positive Diskussion, und wir warten mit Spannung auf den nächsten Bericht. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)
14.43
Präsidentin Ana Blatnik: Nun gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.
14.44
Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ja, es war wirklich erstaunlich, dass diese Präsentation des Europäischen Rechnungshofes eine Premiere war und dass dessen Vertreter tatsächlich im Ausschuss waren. Es war eine sehr interessante und intensive Diskussion im Ausschuss. Ich hoffe, dass auch hier die Gelegenheit nicht dazu genutzt wird, wieder über die Almförderungen zu diskutieren oder dazu, ob Bauern ihre Tiere zählen können oder nicht, sondern dass diese Diskussion und Präsentation dazu genutzt wird, um zu lernen, um Dinge zu verbessern.
Einerseits, weil Österreich sich im Umgang mit den Fördergeldern der EU nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat – darüber wurden wir gestern aufgeklärt –, und dass die Probleme, die es in Österreich gab, offensichtlich schon 2001 angesprochen wurden und Österreich darauf kaum oder sehr spät reagiert hat, nämlich wirklich erst, als die EU-Finanzkorrektur zu arbeiten begann; das heißt, als die Rückforderungen in Höhe von 68 Millionen € bereits im Raum standen. Dann aber hat Österreich unglaublich reagiert, sehr effektiv, sehr konsequent. Also an Know-how scheint es in Österreich nicht zu fehlen, denn was die Beträge betrifft, die rückgezahlt wurden, sind wir ganz am unteren Ende der Skala in der EU. Es ist in Österreich tatsächlich gelungen, diese Korrekturen vorzunehmen und hier entsprechend zu reagieren. Und das erfüllt einen eigentlich wieder mit Stolz und Hoffnung betreffend den Umgang mit diesen Geldern.
Es geht aber nicht nur um die Almförderung, denn auch die jüngsten Überprüfungen in Österreich im Bereich erneuerbare Energien haben ergeben, dass die EU-Energierichtlinie nicht entsprechend umgesetzt wurde. Auch beim Weinabsatz und anderen Dingen waren die Ergebnisse eigentlich nicht sehr gut und haben dazu geführt, dass wir in diesem Ranking so weit vorne sind.
Nichtsdestotrotz würden wir uns wünschen, dass die Verwendung unserer Fördergelder in Österreich – und damit der Steuergelder – in vielen Fällen auch nur annähernd so kontrolliert und so transparent gemacht würde, wie das mit den EU-Geldern offensichtlich geschieht.
Ich glaube, dass es auch eine Möglichkeit wäre, vom EU-Rechnungshof entsprechend zu lernen, das ist auch im Sinne des Rechnungshofes. Es ist angeklungen, dass es angedacht ist, hier Schulungen vorzunehmen und sozusagen auch die Zusammenarbeit mit den nationalen Rechnungshöfen zu intensivieren, um zu mehr Transparenz, zu mehr Vergleichbarkeit und zu einem besseren Know-how zu kommen.
Der Rechnungshof legt sich die Latte für die Zuverlässigkeitsprüfung wirklich sehr hoch, das muss man auch ganz deutlich sagen. Das ist eine hohe Latte, über die es zu springen gilt und die im Bereich der Ausgaben nicht geschafft wurde. Ich finde es spannend, zu beobachten, was das Europäische Parlament im Frühjahr damit macht: ob das entsprechende Konsequenzen hat und ob auch das Europäische Parlament in der Behandlung dieser Zuverlässigkeitsprüfung stärker in seine Kontrollfunktion hineinwachsen wird.
Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus dem Rechnungshofbericht in meinen Augen ist, dass Geld zu häufig unter dem Gesichtspunkt der Absorption eingesetzt wird. Das heißt: Use it or lose it, also raus damit, sonst ist es weg. Das ist eine bekannte Vorgangsweise. Weiters, dass in der kommenden Programmperiode der Fokus stärker auf die Leistung gelegt werden soll. Das heißt eben, die Frage zu beantworten: Wurde mit den Geldern ein echter EU-Mehrwert erzielt oder handelt es sich um Mitnahmeeffekte? – Aber es ist nicht so trivial, eine Zielerreichung tatsächlich im Sinne des Rechnungshofes zu messen, denn die legislativen Vorgaben, die politischen Vorgaben über diese Zielerreichung sind ja oft sehr vage und nicht als Parameter oder als Benchmarks zu verwenden.
Es ist auch ein wichtiger Punkt, sich national die Zielerreichung betreffend die Fördergelder, die man sich wünscht, zu überlegen. Die ist ja viel klarer, viel besser zu formulieren, um dann auch viel besser die Möglichkeit zu haben, zu überprüfen, ob Ziele tatsächlich erreicht wurden – und zwar mit entsprechenden Management-Methoden.
Eine Feststellung des Rechnungshofes ist auch noch erwähnenswert, nämlich dass der Einsatz von Finanzinstrumenten und Finanzierungsinstrumenten gestiegen ist, das heißt, dass immer öfter versucht wird, die Fördergelder sozusagen noch zusätzlich zu heben. Das wird sehr kritisch gesehen. Darauf wird auch vermehrt die Aufmerksamkeit gerichtet, es wird im nächsten Frühjahr einen Sonderbericht dazu geben.
Das Lesen dieser Sonderberichte, die der Rechnungshof auch noch erstellt, ist wirklich lohnenswert. Davon ist eine sehr klare Darstellung, auch im Internet, immer wieder verfügbar. Ich glaube, diesbezüglich gibt es sehr viele wichtige Informationen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber sicher auch, dass die Finanzinstrumente und die Finanzierungsinstrumente im Einklang mit international anerkannten Rechnungsführungsgrundsätzen für den öffentlichen Sektor gestaltet sind, damit auch das bewertet werden kann. Auch in diesem Rahmen gibt es wichtige Hausaufgaben in Österreich zu erledigen, wenn man sich die Vergleichbarkeit der Haushaltsführung der verschiedenen Gebietskörperschaften innerhalb von Österreich vor Augen hält.
Ich glaube, dass da im Sinne der Transparenz – da gibt es ja jetzt auch wichtige Ansätze – wichtige Hausaufgaben in Österreich zu machen sind. Daher halte ich es für sehr wertvoll, sich mit diesem Bericht dahin gehend zu beschäftigen, was daraus für eine verbesserte, erleichterte Kontrolle, für mehr Transparenz und damit für mehr Effektivität gelernt werden kann, eben nicht nur im Einsatz der Fördergelder der EU, sondern auch der Fördergelder in Österreich und im nationalen Rahmen.
Also ich denke, es ist ein sehr wertvolles Unterfangen, dass das in diesem Rahmen weiterbetrieben werden soll – wertvoll auch, um zu vermitteln, was die EU für uns tut
oder in welchem Zusammenhang all diese Dinge stehen, und dass es notwendig und dringlich ist, auch über die nationalen Grenzen hinauszuschauen. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)
14.52
Präsidentin Ana Blatnik: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Todt zu Wort gemeldet.
Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Bitte.
14.52
Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Monika (in Richtung Bundesrätin Mühlwerth), ich muss dich tatsächlich berichtigen, und zwar was die Empfehlungen des österreichischen Rechnungshofes betrifft:
Der Bund setzt 79 Prozent der Empfehlungen um, die Länder 80 Prozent und die Gemeinden 82 Prozent der Empfehlungen.
Dies dient auch zur Information. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
14.53
Präsidentin Ana Blatnik: Weiters zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.
14.53
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Es war gestern eine interessante Erfahrung, ein erstmaliges Ereignis, dass der Europäische Rechnungshof im Europaausschuss zu Gast war. Ich danke unserem Vorsitzenden Edgar Mayer, dass er diese Möglichkeit geschaffen hat, dadurch den Europaausschuss sehr intensiv nutzt und positiv ausbaut.
Womit haben wir uns beschäftigt? – Die Europäische Union steuert und lenkt nicht mit Steuern, sondern mit Förderungen. Es werden Unterstützungen, Ausgleichszahlungen gewährt, und das im Umfang von 184 Milliarden € europaweit. Der Grund dafür, warum ich mich hier als Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses zu Wort gemeldet habe, ist, weil 40 Prozent dieser Mittel im Bereich Landwirtschaft, ländliche Entwicklung eingesetzt werden und immer wieder sehr viele Diskussionen über den richtigen Einsatz dieser Mittel geführt werden.
Für mich war Folgendes interessant: Genau am Vorabend der Sitzung – alle, die gestern im Ausschuss waren, haben bemerkt, dass ich etwas emotionaler war – habe ich bis ein Uhr in der Nacht mit Berufskollegen aus der Landwirtschaft, mit Bauern diskutiert, die gemeint haben, wie schwierig es ist, mit wie vielen Auflagen es behaftet ist, wie kompliziert es ist, die Bestimmungen der Europäischen Union auch einzuhalten, wie streng etwa die Prüfungen durch die Agrarmarkt Austria sind. Was man ändern könnte?, das war auch eine Frage an mich. In diesem Bereich besteht eine sehr hohe Unzufriedenheit.
Zwölf Stunden darauf konnte ich erleben, wie der Europäische Rechnungshof präsentiert, dass auch er unzufrieden ist, dass er nämlich ein negatives Prüfergebnis abgibt, weil er das Ziel gesetzt hat, 2 Prozent Unregelmäßigkeiten können sein, das lässt sich nicht vermeiden. Aber wir haben in Österreich eine Fehlerquote von im Durchschnitt 4,7 Prozent: 3,6 Prozent Fehlerquote bei den Marktstützungsmaßnahmen im landwirtschaftlichen Bereich, 6,7 Prozent Fehlerquote im Bereich ländliche Entwick-
lung und Landschaftsförderung. Und diese hohe Fehlerquote gibt uns zu denken. Hier gibt es – das wurde auch schon gesagt – die Notwendigkeit, neue Denkansätze zu pflegen.
Wenn von 56 Prüfungen in Österreich 27 mit Fehlern behaftet sind und der Vertreter Österreichs im Europäischen Rechnungshof, Herr Herics, sagt, das seien keine Betrugsmaßnahmen, sondern einfach Fehler, wo nicht ordentlich gearbeitet wird – im landwirtschaftlichen Bereich von 41 Prüfungen 18 mit Fehlern, wenn man sie quantifiziert –, so sind aber 16 Prüfungen nur mit sehr wenigen Fehlern behaftet.
Das heißt: Wir machen sehr viele kleine Fehler, denn schwerwiegende Abweichungen führen zu Rückzahlungen. Frau Kollegin Reiter hat das schon gesagt. Wir sehen, dass wir im Bereich der Rückzahlungen sehr niedrig liegen – das österreichische Agrarbudget liegt pro Jahr bei 2,076 Milliarden €, 60 Prozent davon europäische Mittel, also 1,2 Milliarden € seitens der Europäischen Union, und Österreich hat im Jahr 2012 1 Million €, also 1 Promille, zurücküberwiesen und im Jahr 2013 3,6 Millionen €, das sind genau 3 Promille. Bei den Rückzahlungen wegen wirklich schwerer Fehler ist das Maß durchaus vertretbar.
Es hat sich schon etwas verändert, das ist vielleicht die gute Nachricht: Im Jahr 2014 gab es vier Prüfungen durch den Europäischen Rechnungshof, alle vier waren ohne Beanstandung. Das zeigt, es verändert sich etwas in positiver Weise. Aber was wir brauchen – und da sind wir, glaube ich, auch als Gesetzgeber gefordert –, das sind einfachere, klarere, lesbarere Bestimmungen. Das hat auch der Vertreter des Europäischen Rechnungshofes betont, als ich ihn gefragt habe, wie wir die Fehlerquote reduzieren können.
Wir brauchen einfachere Bestimmungen und präziser arbeitende Behörden. Das dürfen wir uns für die nächste Periode wünschen, um uns entsprechend weiterzuentwickeln. Mit einfacheren Bestimmungen haben wir zufriedenere Bauern und auch zufriedenere Rechnungshofbeamte. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
14.58
Präsidentin Ana Blatnik: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Präsidentin Ana Blatnik: Ich gebe noch bekannt, dass seit der 834. Sitzung beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 19 Anfragen, 3038/J-BR/2014 bis 3056/J-BR/2014, eingebracht wurden.
Eingelangt ist der Entschließungsantrag 208/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Dr. Schmittner, Kolleginnen und Kollegen, der dem Justizausschuss zugewiesen wird.
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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 18. Dezember 2014, 9 Uhr, in Aussicht genommen.
Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.
Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 16. Dezember 2014, ab 14 Uhr, vorgesehen.
Diese Sitzung ist geschlossen.
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