Stenographisches Protokoll
842. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Mittwoch, 3. Juni 2015
842. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Mittwoch, 3. Juni 2015
Dauer der Sitzung
Mittwoch, 3. Juni 2015: 9.04 – 16.07 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Schulunterrichtsgesetz geändert werden
2. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Reinhard Todt, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung des Rechtes auf umfassende, altersadäquat angepasste, individuelle, gendergerechte Bildungs- und Berufsorientierung für Kinder und Jugendliche vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit
3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015)
4. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik, durch welchen der am 13. Februar 2004 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit geändert und ergänzt wird
5. Punkt: Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit
6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bezügegesetz, das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundesbezügegesetz, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Einsatzzulagengesetz, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Wehrgesetz 2001 und das Heeresgebührengesetz 2001 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2015)
7. Punkt: Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) geändert wird
8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz) geändert wird
9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird
10. Punkt: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut
11. Punkt: ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz
12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finanzkonglomerategesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Nationalbankgesetz 1984, das Pensionskassengesetz, das Übernahmegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden (Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz 2015 – RÄ-BG 2015)
13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz – ZvVG) erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz, das Depotgesetz, das Aktiengesetz, das Finalitätsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden
14. Punkt: COM(2015) 80 final Paket zur Energieunion/Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank/Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie
15. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2015
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Inhalt
Bundesrat
Schlussansprache der Präsidentin Sonja Zwazl ........................................................ 9
Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 89
Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 90
15. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2015 ............................................................................................................ 125
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................................ 9
Fragestunde (167.)
Bildung und Frauen ..................................................................................................... 11
Elisabeth Reich (1870/M-BR/2015); Josef Saller, Christoph Längle, Efgani Dönmez, PMM
Mag. Christian Jachs (1873/M-BR/2015); Johanna Köberl, Gerhard Dörfler, Efgani Dönmez, PMM
Monika Mühlwerth (1877/M-BR/2015); Dr. Andreas Köll, Ingrid Winkler, Efgani Dönmez, PMM
Efgani Dönmez, PMM (1876/M-BR/2015); Mag. Christian Jachs, Ing. Hans-Peter Bock, Christoph Längle
Ilse Fetik (1871/M-BR/2015); Peter Oberlehner, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder
Angela Stöckl (1874/M-BR/2015); Ana Blatnik, Gerd Krusche, Marco Schreuder, Mag. Gerald Zelina
Rene Pfister (1872/M-BR/2015); Mag. Klaus Fürlinger, Gerhard Dörfler, Efgani Dönmez, PMM, Mag. Gerald Zelina
Günther Köberl (1875/M-BR/2015); Mag. Daniela Gruber-Pruner, Monika Mühlwerth, Efgani Dönmez, PMM
Bundesregierung
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ....................................................... 36, 37
Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 38
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 38
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................................. 38
Verhandlungen
1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Schulunterrichtsgesetz geändert werden (531 d.B. und 600 d.B. sowie 9376/BR d.B.) ................................................................................................................. 38
Berichterstatter: Rene Pfister ....................................................................................... 38
Redner/Rednerinnen:
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 39
Elisabeth Reich ....................................................................................................... ..... 40
Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 42
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 44
Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ..... 44
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 45
2. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Reinhard Todt, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung des Rechtes auf umfassende, altersadäquat angepasste, individuelle, gendergerechte Bildungs- und Berufsorientierung für Kinder und Jugendliche vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit (213/A(E)-BR/2015 sowie 9386/BR d.B.) ...................................................... 45
Berichterstatterin: Elisabeth Reich ............................................................................... 45
Redner/Rednerinnen:
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 46
Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 48
Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ..... 49
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 52
Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 53
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschussbericht 9386/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend Sicherstellung des Rechtes auf umfassende, altersadäquat angepasste, individuelle, gendergerechte Bildungs- und Berufsorientierung für Kinder und Jugendliche vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit anzunehmen (E 244-BR/2015) .......................... 54
3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015) (582 d.B. und 610 d.B. sowie 9372/BR d.B. und 9379/BR d.B.) ................................................................................................................. 55
Berichterstatter: Gerhard Schödinger ......................................................................... 55
Redner/Rednerinnen:
Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 55
Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 58
Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 59
Christian Füller ....................................................................................................... ..... 62
Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 64
Christian Poglitsch ................................................................................................. ..... 65
Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 67
Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 69
Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 71
Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 73
Gemeinsame Beratung über
4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik, durch welchen der am 13. Februar 2004 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit geändert und ergänzt wird (529 d.B. und 614 d.B. sowie 9380/BR d.B.) ...................... 73
Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 73
5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit (586 d.B. und 615 d.B. sowie 9381/BR d.B.) ................................................................. 73
Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 73
Redner/Rednerinnen:
Gerhard Schödinger ............................................................................................... ..... 74
Richard Wilhelm ..................................................................................................... ..... 76
Christoph Längle .................................................................................................... ..... 76
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 77
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 77
Gemeinsame Beratung über
6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bezügegesetz, das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundesbezügegesetz, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Einsatzzulagengesetz, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Wehrgesetz 2001 und das Heeresgebührengesetz 2001 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2015) (585 d.B. und 604 d.B. sowie 9373/BR d.B. und 9382/BR d.B.) ................................................................................... 78
Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 78
7. Punkt: Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) geändert wird (210/A-BR/2015 sowie 9385/BR d.B.) 78
Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 78
8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz) geändert wird (584 d.B. und 605 d.B. sowie 9383/BR d.B.) ....... 78
Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 79
Redner/Rednerinnen:
Werner Herbert ...................................................................................................... 79, 88
Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 82
Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 83
Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 85
Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ...................................................................... 86, 89
Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend Dienstrechts-Novelle 2015 Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) – Ablehnung ..................................................................................... 81, 90
Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 90
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 91
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, dem Antrag 210/A-BR/2015 keine Zustimmung zu erteilen ............................................................................................................................ 91
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 91
Gemeinsame Beratung über
9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (563 d.B. und 598 d.B. sowie 9377/BR d.B.) 91
Berichterstatter: Rene Pfister ....................................................................................... 92
10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (456 d.B. und 599 d.B. sowie 9378/BR d.B.) ........................................................................................ 92
Berichterstatter: Rene Pfister ....................................................................................... 92
Redner/Rednerinnen:
Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 92
Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 93
Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 94
Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 95
Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ..... 96
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 97
Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ........................................................................... 98
11. Punkt: ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-552-BR/2015 d.B. sowie 9384/BR d.B.) ............................................................................................................................... 98
Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 98
Redner/Rednerinnen:
Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 98
Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 100
Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 102
Marco Schreuder ............................................................................................... 104, 108
Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ... 107
Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 109
Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-552-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................................................................................. 110
Gemeinsame Beratung über
12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finanzkonglomerategesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Nationalbankgesetz 1984, das Pensionskassengesetz, das Übernahmegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden (Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz 2015 – RÄ-BG 2015) (560 d.B. und 589 d.B. sowie 9374/BR d.B.) ............................................................................................................... 110
Berichterstatterin: Ingrid Winkler ................................................................................ 110
13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz – ZvVG) erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz, das Depotgesetz, das Aktiengesetz, das Finalitätsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden (562 d.B. und 590 d.B. sowie 9375/BR d.B.) ....... 110
Berichterstatterin: Ingrid Winkler ................................................................................ 110
Redner/Rednerinnen:
Marco Schreuder .................................................................................................... ... 111
Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 111
Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 112
Ilse Fetik ................................................................................................................... ... 113
Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 114
Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 115
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116
Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116
14. Punkt: COM(2015) 80 final Paket zur Energieunion/Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank/Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie (57441/EU XXV. GP sowie 9371/BR d.B.) ............. 116
Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 116
Redner/Rednerinnen:
Hans-Jörg Jenewein ......................................................................................... 117, 125
Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 119
Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 121
Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 123
Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 124
Annahme des Antrages des Berichterstatters, der dem schriftlichen Ausschussbericht 9371/BR d.B. angeschlossenen Mitteilung gemäß Artikel 23f Abs. 4 B-VG die Zustimmung zu erteilen 125
Eingebracht wurden
Anfragen der Bundesräte
Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Dienstfahrzeuge der Exekutive (3077/J-BR/2015)
Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Sparmaßnahmen beim Bundesheer in Tirol und Vorarlberg (3078/J-BR/2015)
Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend ärztliche Versorgung Justizanstalt Leoben (3079/J-BR/2015)
Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung (3080/J-BR/2015)
Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung (3081/J-BR/2015)
Anfragebeantwortungen
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend durch Heirat erschlichene Aufenthaltstitel 2014 (2841/AB-BR/2015 zu 3066/J-BR/2015)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Hypo-Abwicklung auf das Land Salzburg (2842/AB-BR/2015 zu 3067/J-BR/2015)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen betreffend temporäres Tempo 80 auf der Westautobahn im Bereich Salzburg Stadt (2843/AB-BR/2015 zu 3065/J-BR/2015)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend IS-Sympathisanten in Wien-Margareten (2844/AB-BR/2015 zu 3068/J-BR/2015)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zentrales Waffenregister 2 (2845/AB-BR/2015 zu 3069/J-BR/2015)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze im Umfeld der Wiener U-Bahnstation Margareten Gürtel (2846/AB-BR/2015 zu 3070/J-BR/2015)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend kosovarische Tätergruppen (2847/AB-BR/2015 zu 3071/J-BR/2015)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Exekutive – Planstellen und Überstunden 2014 (2848/AB-BR/2015 zu 3072/J-BR/2015)
Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr
Präsidentin Sonja Zwazl: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 842. Sitzung des Bundesrates. Herzlich willkommen!
Ich begrüße recht herzlich auch die Gäste aus Niederösterreich. Ich freue mich ganz besonders über Ihre Anwesenheit! Herzlich willkommen hier bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
Ich begrüße recht herzlich auch unsere Frau Bundesminister Gabriele Heinisch-Hosek. Frau Bundesminister, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Das Amtliche Protokoll der 841. Sitzung des Bundesrates vom 7. Mai 2015 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.
Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Wolfgang Beer, Dr. Magnus Brunner, Gottfried Kneifel, Dr. Heidelinde Reiter und Stefan Schennach.
9.05
Präsidentin Sonja Zwazl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das erste Halbjahr 2015 ist nun fast abgelaufen, und ich bin überzeugt: Wir im Bundesrat haben die Zeit gut genutzt. Wir haben über Parteigrenzen hinweg intensiv gearbeitet und sind richtigen Wegmarken gefolgt.
Das gilt erstens für Europa. Wir wollen den Bundesrat als Brücke der Regionen in der EU weiter stärken. – So lautete eines unserer großen Vorhaben zu Beginn des Halbjahres, und wir haben dieses Vorhaben mit einem Meilenstein umgesetzt: Das lang diskutierte Rederecht für unsere österreichischen EU-Abgeordneten hier im Bundesrat ist seit Kurzem in Kraft. Damit ist der Informationsaustausch zwischen dem österreichischen und dem europäischen Parlament vertieft, und der Bundesrat ist als Kompetenzzentrum für Regional- und Europafragen weiter gestärkt.
Damit haben wir trotz diverser Widerstände einen Durchbruch für das ganze Parlament geschafft, und ich glaube – frei heraus gesagt – nicht, dass das Rederecht für EU-Abgeordnete im Nationalrat ohne unsere Initiativen, ohne unseren Impuls und ohne unseren Anschub schon umgesetzt wäre!
Die zweite Wegmarke gilt unserer Jugend. Gestern haben wir hier unsere Enquete „Schlummernde Talente“ abgehalten, bei der wir uns mit den sogenannten NEETs beschäftigt haben. Das sind jene jungen Menschen, die aus unseren Ausbildungs- und Berufsschienen verschwinden. Wir haben dabei Wege aufgezeigt, wie wir sie über eine zweite oder dritte Chance zurückholen können.
Bereits Anfang Mai haben wir mit unserer Zukunftskonferenz, die wir gemeinsam mit dem Niederösterreichischen Landtag abgehalten haben, Strategien entwickelt, wie wir unsere Jugend bei der Berufs- und Ausbildungswahl besser begleiten und ihre Talente besser zur Entfaltung bringen können.
Jeder junge Mensch hat in bestimmten Bereichen besondere Talente und Begabungen. Die Herausforderung besteht darin, diese Talente nicht zu vergeuden, sondern die richtige individuelle Berufs- und Ausbildungswahl zu treffen. Dazu gehört auch ein Schulterschluss zwischen Schule, Lehrern und Eltern.
Wir im Bundesrat haben uns dafür drei Maßnahmen vorgenommen, die wir heute noch in einer eigenen Entschließung fixieren und gegenüber Regierung und Nationalrat konsequent verfolgen werden.
Erstens: Bildungs- und Berufsorientierung muss über die gesamte Sekundarstufe ein Fixpunkt im Schulbetrieb sein, und zwar an allen Schultypen, also auch an den AHS.
Zweitens: Um die Berufswelt für unsere Jugendlichen anschaulich und erlebbar zu machen, sollten in der dritten und vierten Klasse gesetzlich jeweils fünf berufspraktische Tage vorgesehen werden.
Drittens: Berufsorientierung muss ein fixer Bestandteil in der Ausbildung aller Pädagoginnen und Pädagogen werden.
Wir treffen damit sozusagen auch den Nerv unserer Jugend, denn sie wünscht sich laut einer großen Jugendstudie, die wir schon bei unserer Zukunftskonferenz präsentiert haben, mehr Berufsorientierung. Überdies halten die Jugendlichen mehr Berufsorientierung für das beste Mittel, um Drop-outs aus Schule und Lehre zu verhindern. – Das kann man ganz einfach nicht wegwischen! Das dürfen wir nicht wegwischen, das ist unser politischer Gestaltungsauftrag!
Die dritte Wegmarke betrifft unseren Umgang mit der Demokratie. Wir haben sowohl in Bezug auf das Rederecht für EU-Abgeordnete als auch in unseren Aktivitäten für die Jugend das Gemeinsame vor das Trennende gestellt. Wir haben vorgelebt, dass es ganz einfach nicht notwendig ist, einander parteipolitisch – umgangssprachlich ausgedrückt – die Köpfe einzuschlagen, sondern dass konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe tatsächlich auch konstruktivere Ergebnisse bringt.
Das heißt nicht, dass man immer einer Meinung ist. Das kann und soll auch nicht so sein. Aber es zeigt, dass Politik etwas anderes sein kann und sein muss als demonstrative Schaukämpfe zwischen Parteien und ein ewiger Wettlauf um die bessere Schlagzeile. – Diese Konstruktivität, wie wir sie hier in der Länderkammer leben, ist eine Wegmarke gegen Politikverdrossenheit, und ich sage euch allen dafür ein herzliches Dankeschön.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Demokratie verlangt ständig Arbeit. Dazu gehört aber insbesondere auch, dass wir unsere Jugend für diese Demokratie begeistern und sie dafür gewinnen, sich politisch zu engagieren. Das ist langfristig der beste Schlüssel gegen Politikverdrossenheit.
Ein sichtbares Zeichen in diesem Haus sind das Schülerparlament und auch das Lehrlingsparlament, das erstmals stattgefunden hat. Das war sehr beeindruckend. – Zwei konkrete Vorschläge könnten die Strahlkraft der Demokratie aus der Länderkammer heraus noch stärker betonen.
Erstens: Wenn Schulklassen Plenarsitzungen besuchen, dann gehen sie praktisch immer in den Nationalrat. Warum kommen sie nicht auch zu uns in den Bundesrat? Unser Parlament hat zwei Kammern der Gesetzgebung. Laden wir die Schulklassen auch gezielt zu uns ein! – Ich denke, diese Initiative wird sich lohnen.
Zweitens: Ich bin davon überzeugt, dass wir uns im Bundesrat künftig, unabhängig vom politischen Tagesgeschäft, inhaltlich Schwerpunkte über längere Zeiträume als ein halbes Jahr setzen sollten. Damit würden wir zusätzlich inhaltliches Profil und politische Gestaltungskraft gewinnen. Die Zusammenarbeit über Bundesländer- und Parteigrenzen hinweg würde weiter gestärkt werden.
Meine Vorgängerin Ana Blatnik und ich haben ein übergreifendes Jahresthema bereits vorgelegt: Ana Blatnik hat den Themenschwerpunkt auf die duale Ausbildung gelegt, und ich habe die Berufsorientierung und das Heben von Talenten in den Fokus gestellt. Und unser nächster Präsident Gottfried Kneifel wird das Thema EU-Rederecht für Parlamentarier bei uns weiterführen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem aber auch geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke euch für die konstruktive und offene Zusammenarbeit! Ich bedanke mich aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments für die großartige, hilfreiche Unterstützung und richte vor allem auch an Sie, Frau Stoiber, ein herzliches Dankeschön.
Wir haben sehr viel erreicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns. Die geht uns nicht aus, denn der politische Gestaltungsauftrag ist nie zu Ende – und lockerlassen, das gibt es nicht! (Allgemeiner Beifall.)
9.13
Präsidentin Sonja Zwazl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gelangen nun zur Fragestunde, zu der ich noch einmal recht herzlich dich, Frau Bundesminister, begrüße.
Ich beginne jetzt mit den Anfragen und weise darauf hin, dass die Fragestunde im Einvernehmen mit der Vizepräsidentin und dem Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstreckt werden kann.
Bundesministerium für Bildung und Frauen
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bundesminister für Bildung und Frauen. Ich bitte die Anfragestellerin um ihre Anfrage.
Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:
„Welches Zwischenresümee ziehen Sie nach den ersten Ergebnissen der teilstandardisierten Reifeprüfung?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herzlichen Dank für die Möglichkeit und Gelegenheit, heute nicht nur ein Zwischenresümee über die Reifeprüfung zu geben, sondern mit Ihnen gemeinsam in dieser Fragestunde auch bildungspolitische und frauenpolitische Fragen zu diskutieren.
Das Zwischenresümee sieht folgendermaßen aus: Wir erwarten nach den Kompensationsprüfungen, die diesen Montag und Dienstag stattgefunden haben, für nächste Woche ein Zwischenergebnis. Das heißt, das, worüber ich jetzt berichten werde, gibt noch keinen Aufschluss über die Ergebnisse der schriftlichen Reifeprüfungen, denn diese können sich prozentuell noch verbessern. – Das wollte ich nur vorwegschicken.
Ab nächster Woche beginnt ja auch die mündliche Matura, für welche sich die Schülerinnen und Schüler die Themenblöcke schon vor einem halben Jahr aussuchen konnten. Der Zwischenstand schaut aber wie folgt aus: In Deutsch waren 96,7 Prozent, in Englisch 94,2 Prozent und in Mathematik 89,5 Prozent positiv. Was bedeutet das
umgekehrt? – 3,3 Prozent haben in Deutsch, 5,8 Prozent in Englisch und 10,5 Prozent in Mathematik negative Leistungen erbracht.
Wir haben die Ergebnisse auch nach männlich und weiblich aufgeschlüsselt, und dabei ergibt sich folgendes Bild: Von den jungen Männern haben in Deutsch 96,1 Prozent und von den jungen Frauen 97,1 Prozent positiv abgeschnitten. Das heißt, hier sind die jungen Frauen etwas besser. In Englisch sieht es ein bisschen anders aus: 95,7 Prozent der männlichen und 93,1 Prozent der weiblichen Kandidaten haben positive Ergebnisse. Letztere liegen also knapp darunter. Und in Mathematik spiegelt sich wiederum der Gap in den naturwissenschaftlichen Fächern wider: 92,4 Prozent der männlichen Kandidaten schnitten positiv ab und 87,4 Prozent der weiblichen. – Diese Prozentsätze werden sich durch diejenigen, die jetzt zu den Kompensationsprüfungen angetreten sind, noch geringfügig verbessern.
Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte.
Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Frau Ministerin, sehen Sie aufgrund der jetzigen Erfahrung auch Bereiche, in denen es in den nächsten Jahren noch Verbesserungsmöglichkeiten für die Reifeprüfung gibt?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich ziemlich erleichtert bin, dass entgegen den Vorausmeldungen und, wie ich es jetzt bewusst formulieren möchte, dem Katastrophenszenario, das im Vorfeld quasi heraufbeschworen wurde, dieser erste wirkliche Durchgang der schriftlichen Reife- und Diplomprüfung – es haben ja alle AHS-Schülerinnen und -schüler, aber auch schon rund 7 000 Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden höheren Schulen daran teilgenommen – wirklich gut verlaufen ist.
Wir werden sofort nach Ende der mündlichen Prüfungen mit einem Evaluierungsdurchgang beginnen, um zu schauen, ob man das eine oder andere noch verändern oder verbessern muss. Ich kann mir zum Beispiel, weil das im Vorfeld zu einiger Aufregung geführt hat, vorstellen, dass man gemeinsam einheitliche Beginnzeiten festlegt. Es konnte zwar nichts im Zusammenhang mit Schwindeln und Schummeln passieren, weil innerhalb der Phase der Beginnzeiten von halb acht bis neun keine Möglichkeit bestand, so rasch fertig zu sein, dass man irgendetwas weitergeben könnte – das hätten schon wirklich Genies sein müssen, und es ist auch nichts passiert –, aber ein Punkt wäre, im nächsten Jahr sicherzustellen, dass alle einheitlich beginnen.
Ansonsten werden sich große Gruppen einerseits in den Bundesländern, andererseits aber auch vom Bildungsressort aus damit beschäftigen, was wir für nächstes Jahr noch optimieren können.
Damit wird gleich nach dem Ende der mündlichen Prüfungen begonnen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.
Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Zusammenhang mit der Reifeprüfung haben Sie im Nationalrat auch ein neues BIFIE-Gesetz angekündigt und haben gesagt, eine Art Lenkungsausschuss würde das überarbeiten.
Meine Frage lautet: Wann kann mit einem solchen Vorschlag gerechnet werden, und was wird dieser beinhalten?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Vielen Dank, Herr Bundesrat. Ich glaube, dass es wichtig ist, vorweg auch zu sagen, dass es nicht
zielführend gewesen wäre, während der Prüfungen mit dem BIFIE-Gesetz und den Vorschlägen des Lenkungsausschusses an die Öffentlichkeit zu gehen. Es soll eines nach dem anderen geschehen, wie ich das schon angekündigt habe.
Der Lenkungsausschuss hat mir vor einigen Tagen schon berichtet, und ich werde in den nächsten Tagen die Öffentlichkeit und selbstverständlich den Koalitionspartner informieren, wie wir mit dem BIFIE-Gesetz für die Zukunft verfahren wollen.
Ich kann mir vorstellen – und das habe ich auch schon artikuliert –, dass hoheitliche Aufgaben, also die Reife- und Diplomprüfung, laut einer der Empfehlungen dieser Lenkungsgruppe eventuell wieder ins Haus zurückgeholt werden. Es ist aber vor allem ganz wichtig im Hinblick auf jene, deren Expertise wir so dringend brauchen, dass wir keine Verunsicherung schüren. Wir wollen das selbstverständlich auch mit den BIFIE-Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern besprechen.
Ich kann Ihnen ankündigen: In den nächsten Tagen wird es weitere Schritte betreffend das BIFIE-Gesetz neu und zumindest das geben, was die Lenkungsgruppe empfiehlt – und nur das nehme ich entgegen; es hätte keinen Sinn, der Öffentlichkeit jetzt meine eigenen Vorstellungen zu präsentieren. Das muss jetzt mit dem Koalitionspartner und den handelnden Personen durchgegangen werden, und diese nötige Zeit wollen wir uns nehmen, damit wir dann gemeinsam ein neues BIFIE-Gesetz entstehen lassen können.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Längle.
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin, in diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie hoch die zusätzlichen Kosten sind, die durch die Einführung der teilstandardisierten Prüfung entstanden sind.
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Der dafür zuständige Herr Sektionschef hat mir berichtet: Wenn man alles zusammenzählt, dann handelt es sich um eine Summe in der Höhe von um die 5 Millionen €. Dabei muss man alles vom Entwickeln über die Logistik bis hin zu Honoraren für extra Aufgaben, die man ausgelagert hat, berechnen. Das ist im BIFIE-Budget vorhanden. Es war also keine zusätzliche Bedeckung notwendig – aber wenn man die Kosten herauszieht und isoliert, dann sind es rund 5 Millionen €.
Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Guten Morgen, sehr geehrte Frau Ministerin! Die Erfolgsquote bei der Zentralmatura ist im Durchschnitt etwas höher als bisher bei den konventionellen Reifeprüfungen.
Wie viele SchülerInnen konnten allerdings nicht zur Reifeprüfung antreten, weil sie das Abschlussjahr der jeweiligen Schule nicht positiv abgeschlossen haben?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesminister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Da muss ich Ihnen die Antwort schriftlich nachreichen, ich habe nämlich, ehrlich gestanden, diese Zahl jetzt nicht bei mir.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Jachs, diese zu verlesen.
Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, nach den Maturafragen möchte ich ganz nach vorne an den Beginn des Bil-
dungsweges springen, denn im Kindergarten findet ja eine wichtige Vorbereitung auf die Schule statt.
Daher meine Frage an Sie, Frau Bundesministerin:
„Welche Maßnahmen setzen Sie für ein engeres Zusammenrücken von Kindergarten und Volksschule, damit der Bildungsstart für jedes Kind optimal verläuft?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Diese Frage ist für mich sehr relevant und wichtig, weil ich darauf zurückgreifen kann, dass schon meine Vorgängerin in sogenannten Sprachclustern fast 50 Leuchtturmprojekte für den Übergang vom Kindergarten zur Volksschule im Hinblick auf Sprachförderung initiiert hat und wir mit weiteren über 40 Projekten – es sind jetzt also fast 90 Projekte – quasi diese sanfteren Übergänge vom Kindergarten zur Volksschule sicherstellen wollen, weil wir das natürlich auf ganz Österreich ausrollen wollen.
Was ist der Stand der Dinge? – Erst letzte Woche haben sich rund 120 Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Kindergartenpädagogik und der Grundschulpädagogik zusammengefunden. Ich konnte dabei auch mit den teilnehmenden Personen diskutieren, die sich alle sehr positiv darüber ausgesprochen und festgehalten haben, dass sozusagen das Feststellen in einem Gespräch, ob ein Kind schulreif ist oder nicht, nicht ausreichend sein kann, weil Kinder gerade in diesem Alter unterschiedlichste Entwicklungsschritte in unterschiedlicher Zeit vollziehen.
Daher wurde es sehr begrüßt, dass möglichst rasch diese Möglichkeit des Datenaustausches, an dem wir gerade arbeiten, geschaffen wird. Wie Sie wissen, haben wir nämlich neun Kindergartengesetze, die Schulgesetze sind auf das Unterrichtsorganisationsgesetz und noch viele andere Gesetze mehr aufgeteilt. Und damit wir die Daten betreffend Grundschule und Volksschule empfangen dürfen, müssen die Länder dazu bereit sein, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, und die entsprechenden Möglichkeiten werden gerade erarbeitet, weil auch im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, dass wir diese Übergänge quasi fließend gestalten.
Das wird vieles erleichtern, denn jetzt braucht man die Zustimmung aller. Diese wird man nachher natürlich auch einholen, aber das wird rechtlich einfacher sein. Und wenn diese Projekte, die sehr gut angelaufen sind, auf Österreich ausgerollt sein werden, dann könnten wir ab dem Schuljahr 2016/2017 diese fließenden Übergänge für alle Kleinen, die ins Bildungssystem kommen, vollzogen haben.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wünscht jemand eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jachs.
Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Mit der Ankündigung weiterer Projekte und des optimierten Datenaustausches haben Sie die Zusatzfrage bereits beantwortet. – Danke.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Köberl.
Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Guten Morgen, Frau Minister! Es gibt schon einige Schulprojekte, die den Schulstart Neu ermöglichen, bei welchen es eine Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule gibt. Liegen diesbezüglich schon Erkenntnisse und Erfahrungen vor?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau
Bundesminister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Der Austausch dieser 120 Expertinnen und Experten vorige Woche hat Folgendes zutage gebracht: Es wird äußerst positiv angenommen, dass Diagnoseinstrumente, die wir vor Jahren schon den Kindergärten in Zusammenarbeit mit dem Charlotte Bühler Institut zur Verfügung gestellt haben, sehr gut angenommen werden, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, wie Kinder die eigenen Leistungen darstellen können und dass die PädagogInnen zusätzlich auch ihre diesbezügliche Expertise einbringen können. Das können Portfolios, Pensenbücher oder Diagnosefragebögen sein, und ich glaube, es wird uns helfen, wenn wir von einer einzigen Schulreifefeststellung abgehen.
Es war vorige Woche auch die einhellige Meinung, dass aufgrund dieser Diagnoseinstrumente und aufgrund des Datenaustausches, der dann möglich wird – man wird das weitergeben dürfen –, Kindern der Einstieg sehr viel leichter gemacht wird. Wir können nicht sagen, dass ein Gespräch mit der Schulleitung darüber entscheidet, ob ein Kind sofort in eine Vorschulklasse eingeteilt wird, ob es einen sonderpädagogischen Förderbedarf hat oder ob es aus Gründen der Sprache eine außerordentliche Schülerin oder ein außerordentlicher Schüler wird.
Wenn wir alle Kräfte bündeln und alle Kinder einsteigen lassen könnten, wie es im Regierungsprogramm auch durch diesen gemeinsamen Bildungsraum vom fünften bis zum siebten beziehungsweise achten Lebensjahr vorgesehen ist, dann wäre meiner Meinung nach der Stress für die Eltern weg und könnten vor allem Kinder ihrer Entwicklung entsprechend übertreten.
Das waren bisher die Haupterkenntnisse aus diesen Projekten, dass es nämlich durchaus sinnvoll ist, sich gegenseitig nicht nur bei Schulfesten und Kindergartenfesten zu besuchen und dass ältere gegenüber jüngeren Kindern eine MentorInnentätigkeit übernehmen, sondern dass auch der Austausch von KindergartenpädagogInnen mit GrundschulpädagogInnen sehr gewünscht wird. Man wünscht sich, dass die Expertise, die im Kindergarten angesammelt wurde, nicht plötzlich an einer Schnittstelle endet. Das kann es nämlich nicht sein. Das ist nicht zukunftsorientiert.
Man ist also zu der Erkenntnis gelangt, dass etwas weitergegeben werden kann, was aber kein Stigmatisieren von Kindern ist, wie ja immer befürchtet wurde. Deswegen gibt es ja bis dato keinen Datenaustausch. Man hat jetzt aber erkannt, dass man dadurch viel Positives erfährt, dass man nämlich weiß, auf welchem Stand sich ein Kind befindet und wo man ansetzen muss, was möglichst stressfrei für die Kinder sein kann. Das war eine einhellige Erkenntnis.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.
Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Bundesministerin! Schwächen und Defizite aus dem Vorschulbereich ziehen sich ja dann, wie wir wissen, in den Volksschulbereich.
Ich muss meine Frage dazu kurz begründen: Beim aktuellen Wiener Lesetest 2015 wurden 15 279 Kinder getestet. 4 Prozent der Kinder – 553 Kinder – haben trauriger Weise kein Leseverständnis. 12,4 Prozent der Kinder beziehungsweise 1 848 Schüler sind in der schwächsten Lesestufe, davon zwei Drittel mit nicht deutscher Erst- oder Muttersprache.
Dazu möchte ich kurz ausführen: Ich war zwölf Jahre lang Kinderbetreuungsreferent. Wir haben in Kärnten als erstem Bundesland das verpflichtende Vorschulkindergartenjahr eingeführt, um diese Defizite zu beheben, und ich darf auch festhalten, dass es eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule gibt. Da gibt es wenig Defizite.
Das Hauptproblem, das ich sehe – und dazu möchte ich Sie jetzt um Ihre Meinung fragen –, ist, dass, wie mir viele KindergartenpädagogInnen berichten, einfach der Betreuungsschlüssel von 25 Kindern zu zwei Betreuerinnen und die oft vielen Muttersprachen, die im Kindergarten gesprochen werden, dazu führen, dass eine vorschulische Pädagogik, wie wir sie erwarten und die eigentlich auch gesetzlich durch das verpflichtende Vorschulkindergartenjahr vorgesehen ist, nicht mehr machbar ist.
Wenn Sie denken, dass eine Mutter zwölf Kinder betreuen soll (Bundesrätin Kurz: Das ist eine Fragestunde! Also stellen Sie eine Frage, und halten Sie kein Referat! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich glaube, man sollte doch die Qualität des Zuhörens an den Tag legen, wenn eine Frage begründet wird!
Ich frage Sie, Frau Bundesministerin, ob Sie sich vorstellen können, dass in der nächsten Zeit der Betreuungsschlüssel österreichweit verbessert werden kann. Das wäre für mich eine qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung auch im Hinblick auf die Vorbereitung auf die Schule.
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Es ist wahrscheinlich unüblich, mit einer Gegenfrage zu antworten, aber als ehemaligen Landespolitiker möchte ich Sie fragen, warum Sie den Betreuungsschlüssel nicht geändert haben, denn das ist Landeskompetenz. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
Dabei geht es halt immer auch um die Frage der Finanzierungsmöglichkeiten und darum, inwiefern man das auch von der Bedeutung her als erste Bildungseinrichtung sehen möchte, und das ist den Ländern überlassen. Ich denke, in Zeiten wie diesen ist es wahrscheinlich finanziell schwer machbar, den Betreuungsschlüssel entsprechend zu gestalten. Bei den Kleinsten haben wir ja zum Glück einen anderen Betreuungsschlüssel als bei den Drei- bis Sechsjährigen. Eine Änderung wäre wünschenswert, aber ich sage Ihnen: Das ist eine Frage der Machbarkeit, und das liegt nicht in Bundeskompetenz.
Dazu darf ich Ihnen berichten, dass in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Elementarpädagogik als sehr bedeutend erachtet wurde und in der Bildungsreformkommission, in welcher wir jetzt in drei technischen Arbeitsgruppen die Finanzierbarkeit, die rechtliche Situation und auch die Pädagogik untersuchen, in allen drei Gruppen die Elementarpädagogik als bundesgesetzliche Aufgabe für die Zukunft gesehen wird, wobei das Personal, sprich die PädagogInnen, allerdings von Landesseite her angestellt sein könnten. Diesbezüglich sind wir aber noch am Beginn eines Weges.
Meine persönliche Meinung ist natürlich, dass ein anderer Betreuungsschlüssel wünschenswert wäre. Aber die Machbarkeit und Finanzierbarkeit sind halt eine andere Sache, und ich kann mir das jetzt im Moment so nicht vorstellen. (Bundesrat Dörfler: Darf ich jetzt eine Antwort geben?)
Präsidentin Sonja Zwazl: Nein! Ich muss jetzt ganz ehrlich sagen: Du hast jetzt gar keine Zusatzfrage gestellt, sondern das wie eine Diskussionsrunde behandelt. Ich halte daher fest, dass wir jetzt eine Fragestunde haben, und ich bitte wirklich alle, ihre Fragen knapp zu stellen. Die Frau Bundesminister gibt dann eine Antwort darauf. (Bundesrat Dörfler: Aber sie hat eine Gegenfrage gestellt!)
Noch einmal: Wir haben jetzt eine Fragestunde und keine Diskussionsrunde! Herr Bundesrat, ich bitte dich wirklich, das jetzt zu akzeptieren. (Bundesrat Dörfler: Okay!) Du hast deiner Frage eine sehr lange Einleitung vorangestellt. Diese Frage wurde
beantwortet. Vielleicht gibt dir die Frau Bundesminister dann außerhalb des Bundesrates die Möglichkeit, das zu besprechen! Vielleicht könnt ihr das bei einer anderen Gelegenheit besprechen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.)
Noch einmal: Wir haben jetzt eine Fragestunde, und ich bitte euch wirklich alle, euch daran zu halten. Herr Bundesrat, ich bin gerne bereit, mit dir draußen zu diskutieren, aber jetzt haben wir eine Fragestunde.
Nächster Fragesteller ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte zeig vor, wie man das macht! (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von Grünen, SPÖ und ÖVP.)
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin, die Latte legst du sehr hoch!
Sehr geehrte Frau Ministerin! Werden neben den Pilotprojekten auch andere Formen des kindgerechten Schulstarts, wie die seit den 1990er Jahren mögliche flexible Schuleingangsphase, evaluiert?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Es laufen ja sehr viele Schulversuche betreffend die Notengebung. Es laufen etliche Schulversuche betreffend jahrgangsübergreifendes Unterrichten in der Volksschule. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir das bald auch ins Regelschulwesen überführen könnten.
Eine Möglichkeit ist die Autonomie. Es soll kein Zauberwort bleiben, sondern Wirklichkeit sein, dass es im Rahmen der pädagogischen Autonomie her in Zukunft möglich sein soll, wenn diese Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Volksschule quasi auch rechtlich abgesichert ist, zu bestimmen, wie Kinder einsteigen und wie man dann diese ersten vier Jahre gestaltet, entweder jahrgangsübergreifend oder altersgruppengemischt, wie auch immer man das nennen mag, es läuft immer aufs Gleiche hinaus: Es geht darum, Kinder quasi gemeinsam auch voneinander profitieren zu lassen, miteinander lernen und diese Zeit auch gemeinsam verbringen zu lassen. Es geht um das Miteinander von behinderten Kindern und nicht behinderten Kindern, es geht darum, Kinder von der Begabungsförderung und von der Defizitorientierung her gemeinsam ein Stück des Weges zu begleiten.
Wenn Autonomie Wirklichkeit für alle wird, dann kann das jede Schule für sich entscheiden.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich darf dich, Frau Bundesrätin Mühlwerth, um deine Frage bitten.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:
„Wann werden Sie den von vielen besorgten Eltern gewünschten ‚Neustart‘ Ihres Sexualerziehungserlasses vornehmen?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich denke, dass es wichtig ist, über eine Neuorientierung der Sexualpädagogik in unseren Schulen zu sprechen, weil der erste Erlass bekanntlich aus dem Jahr 1970 stammt. Damals hat es im Bereich von Smartphones noch genau gar nichts gegeben, und betreffend den Umgang mit Medien, wie ihn Kinder und Jugendliche heute pflegen, und die Phänomene, die damit verbunden sind, gab es damals noch keine Erfahrungen.
Ich möchte jetzt nur erklären, warum es notwendig ist, diesen Erlass nicht nur aufgrund der medialen Zugänge von Kindern und Jugendlichen zu überarbeiten. Er wurde einmal im Jahr 1990 überarbeitet und 2008 neu verkündet. Dennoch verhält es sich im Jahr 2015 so, dass sich vieles im Laufe der Jahrzehnte quasi im Umgang mit und beim Zugang zu dieser Thematik verändert hat. Daher erfolgte eine erneute Überarbeitung in Zusammenarbeit mit namhaften Expertinnen und Experten und wird dieser Sexualpädagogik-Erlass demnächst verlautbart werden, an die Schulen gehen und im Herbst als Erlass in das Unterrichtsprinzip – wir haben ja 13 Unterrichtsprinzipien in Österreich – Eingang finden.
Das bedeutet, dass Sexualpädagogik in jeden Gegenstand einfließen kann, aber nicht muss, und Pädagoginnen und Pädagogen dazu angehalten werden, wenn Fragen jenseits des Biologieunterrichts auftauchen, wo man sich eher zum Beispiel mit der Entwicklung der primären Geschlechtsorgane und Fragen der Aufklärung und Verhütung beschäftigt beziehungsweise vom Lehrplan her beschäftigen muss, diese aufzugreifen. Das ist Teil des Lehrplans, und wenn weitere Fragen auftauchen, sollen auf diese kindadäquate und moderne Antworten gegeben werden können. Auch im Hinblick darauf ist es nötig, dass die Aus- und Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen, die sehr interessiert an dem Thema sind, wirklich zeitadäquat stattfinden kann und nicht anhand eines Erlasses aus dem Jahr 1990.
Übrigens habe ich jetzt vor lauter Erzählen, warum es wichtig ist, dass wir den Erlass neu verlautbaren, etwas zu sagen vergessen.
Erstens: Es ist nicht üblich, dass man bei Erlässen Stellungnahmen einholt. Zweitens: Wir haben das aber trotzdem getan, und zwar deswegen, weil das ein sensibles Thema ist. Mir ist klar und bewusst, dass das Elternhaus beziehungsweise die Familie die erste Anlaufstelle dafür ist, wenn Fragen dieser Art auftreten, welche die Eltern hoffentlich kindadäquat beantworten. Manche trauen sich allerdings nicht, mit ihren Kindern über Sexualität und deren eigene Entwicklung zu sprechen. Auch solche Beispiele höre ich.
Wir haben die entsprechenden Stellungnahmen selbstverständlich eingearbeitet, und es findet etliche Male die Bedeutung der Eltern in der Textierung Platz. Es ist ganz klar, dass einige Ängste bezüglich der Wertevermittlung bei der Sexualpädagogik auch mit eingeflossen sind.
Um also um auf die Grundfrage zurückzukommen: Ja, natürlich haben wir den Entwicklungen Rechnung getragen und auch Formulierungen verändert.
Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Es steht aber unter anderem in dem geplanten Erlass – ich zitiere –: „Als Beispiel kann hier die Auseinandersetzung der Medienerziehung mit Sexualität in den Medien (u.a. Pornografie, Sexting ) angeführt werden.“
Können Sie sicherstellen, dass in diesem Zusammenhang den minderjährigen Kindern keine Pornos als Anschauungsmaterial gezeigt werden?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich finde diese Frage befremdlich, weil ich davon ausgehe und zutiefst davon überzeugt bin, dass die Pädagoginnen und Pädagogen sehr wohl wissen, was sie mit den Schülerinnen und Schülern zu dieser Thematik besprechen, und ich dieser so wichtigen Gruppe – nämlich der Pädagoginnen und Pädagogen – das nicht unterstellen möchte, was ich von Ihnen quasi indirekt vernehmen muss, dass Sie nämlich Pädagoginnen
und Pädagogen zutrauen, mit Schülerinnen und Schülern Filme dieser Art anzuschauen. Ich gehe jedenfalls davon aus, und mein Vertrauen in unsere österreichischen Pädagoginnen und Pädagogen geht so tief, dass ich meine, dass damit adäquat umgegangen wird. Wenn Schülerinnen und Schüler zu Pornografie eine Frage haben, dann wird man darüber reden, wird sich aber sicherlich keinen Pornofilm anschauen!
Wir wissen allerdings – und das sei auch einmal ausgesprochen –, dass sich Burschen hauptsächlich über Pornografie selbst aufklären, und darüber muss man sehr wohl reden. Es könnte nämlich geschehen, dass Burschen dann etwas von dem Wissen, das sie sich so angeeignet haben, in ihre ersten sexuellen Erfahrungen und Beziehungen mit Mädchen beziehungsweise jungen Frauen einfließen lassen, ohne zu wissen, dass das eigentlich nicht das Übliche und Normale ist, wie man sich in einer ersten Liebesbeziehung mit Verliebtheit annähert. Und daher muss sehr wohl besprochen werden, dass das zum Teil der falsche Weg ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Köll.
Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wird Ihr neuer Erlassentwurf ausschließlich auf Fragen der Sexualität abzielen? Oder planen Sie, darin auch Antworten auf gesellschaftsrelevante Fragen zu geben, die damit in Verbindung stehen, wie beispielsweise im Hinblick auf Verantwortung, Liebe, Partnerschaft oder Familie?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: In erster Linie ist ein Sexualpädagogik-Erlass, der sozusagen Leitlinien für ein Unterrichtsprinzip beinhaltet, ein sehr weitgehender Erlass, denn ein Sexualpädagogik-Erlass beinhaltet nicht nur, dass man über Sexualität redet. – Diese Meinung, wenn sie irrigerweise vorherrschen sollte, stimmt so nicht, denn darin geht es um ein gesundes Körperbewusstsein von Menschen, es geht darum, wie junge Menschen sich in der Gesellschaft sehen und wie nahe sie jemanden an sich heranlassen, und auch darum, wie selbstbewusst sie aufwachsen, um Nein sagen zu lernen.
Alle sagen immer, dass man Kindern beibringen muss, dass sie in einem gewissen Alter ja nicht mit Fremden mitgehen. – All das gehört natürlich zur Sexualpädagogik auch mit dazu. Die jungen Menschen sollen lernen, ein gesundes Körperbewusstsein für sich selber zu entwickeln und sich beispielsweise gegenüber Medien, aber auch gegenüber unerwünschten Annäherungen abzugrenzen.
Und selbstverständlich wird auch über Gefühle geredet werden, denn Liebe ist logischerweise ein Gefühl.
Aber grundsätzlich soll der Erlass Leitlinie für Pädagoginnen und Pädagogen sein, sich im 21. Jahrhundert adäquat an das Thema anzunähern.
Präsidentin Sonja Zwazl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Winkler.
Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Wir haben jetzt schon sehr viel gehört. Erlaub mir bitte trotzdem die Frage: Wie wurde der neue Grundsatzerlass erarbeitet, und wer war eingebunden?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Da muss ich jetzt kurz nachschauen.
Im November letzten Jahres hat sich ein Beirat gebildet, der zwischen 26. November und Ende April dreimal getagt hat. Am 1. Juni, also diese Woche, war die letzte Sitzung, um quasi die Anregungen, die von außen gekommen sind, noch einmal zu
prüfen und, falls notwendig, einzuarbeiten. Dieser Beirat bestand aus Expertinnen und Experten der Pädagogischen Hochschule Salzburg, des Österreichischen Instituts für Familienforschung, der Frauengesundheitsbeauftragten der Stadt Wien, des Instituts für Sozialpädagogik, der Bundesjugendvertretung, der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und der Aids Hilfe Wien, Bereich Prävention bei Jugendlichen. Daraus waren die Mitglieder des Beirates rekrutiert worden, und in vier Sitzungen ist in der neue Text entstanden.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben vorhin richtigerweise gesagt, dass viele Jugendliche, und zwar insbesondere männliche Jugendliche, Informationen zu sexuellen Erfahrungen teilweise über das Internet beziehen. – Das sehe ich auch so.
Andererseits gibt es aber viele unterschiedliche, insbesondere auch religiöse Gruppierungen, bei denen Sex absolut tabuisiert wird, wodurch diese Jugendlichen in ein Spannungsfeld geraten. Oder sie kommen auch aus einem Kulturkreis, wo das absolut kein Thema sein kann und darf.
Im Hinblick darauf lauten meine Fragen: Wie kann man mit diesem Spannungsfeld als Pädagoge oder Pädagogin in der Schule umgehen? Gibt es bereits in der Ausbildung eine diesbezügliche Sensibilisierung?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Selbstverständlich, denn wenn man in der Schule über Sexualpädagogik spricht, in diesem Zusammenhang arbeitet oder Projekte macht, dann ist es durchaus üblich, dass man in einem gewissen Alter Burschen und Mädchen trennt. Ich kann mir das genauso etwa im Hinblick auf muslimische Mädchen vorstellen, die natürlich auch daran interessiert sind und diesen Zugang in der Schule auch brauchen, dass man das in einzelnen Gruppen mit den Mädchen und mit den Burschen sehr behutsam besprechen kann. Und ich habe von den Expertinnen und Experten des Beirats gehört, dass es eigentlich – auch aus der Praxis heraus – nie ein Thema war, dass man auf die unterschiedlichen Bereiche zu wenig Rücksicht genommen hätte.
Ich glaube aber, ein Sexualpädagogik-Erlass ist für alle Gruppierungen wichtig, egal welcher religiösen Glaubensgemeinschaft jemand angehört. Das kann man, wie gesagt, sehr behutsam mit Gruppentrennungen durchführen, und die Pädagoginnen und Pädagogen sind selbstverständlich auch darauf sensibilisiert.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 4. Anfrage. Darf ich dich, Herr Bundesrat Dönmez, um deren Verlesung bitten. – Du bist wieder an der Reihe.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:
„Wie viele SchülerInnen haben, aufgeschlüsselt nach Schultypen, die vorwissenschaftliche Arbeit nicht eingereicht beziehungsweise eine negative Beurteilung darauf erhalten und konnten daher nicht zur Matura antreten?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesminister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Die vorwissenschaftliche Arbeit als einer von drei Teilen der neuen teilstandardisierten Reife- und
Diplomprüfung ist, glaube ich, ein gutes Instrument, junge Menschen auf das Sich-Präsentieren und auf das Recherchieren und Suchen von Quellen vorzubereiten.
Ich darf sagen, dass wir in Anbetracht von zirka 18 500 Einreichungen eine Schätzung haben, weil wir in dieser ersten Tranche nicht jede Einreichung der vorwissenschaftlichen Arbeit erhoben haben. Das ist mit allen Schulleitern und Schulleiterinnen sowie mit den Administratoren und Administratorinnen abgesprochen. Wenn Sokrates, das neue Softwareprogramm, fertiggestellt sein wird – was jetzt schon fast der Fall ist –, wird man ab dem nächsten Schuljahr jede einzelne VWA, wenn auch nicht vom Inhalt her, genau erfassen können.
Das heißt, Sie bekommen jetzt als Antwort eine Schätzung: Wir schätzen, dass zwischen 3 und 5 Prozent entweder nicht hochgeladen beziehungsweise eingereicht haben, die VWA nicht absolviert haben oder negativ waren. Es besteht allerdings für jede Schülerin und jeden Schüler die Möglichkeit, die VWA, wenn sie negativ war oder auch nicht gemacht – sprich eingereicht – wurde, als einen von den drei Teilen nachzuholen, und zwar entweder im Herbst, im Dezember oder beim nächsten Haupttermin. Und es gibt erst dann ein Reifeprüfungszeugnis, wenn alle drei Bereiche abgehandelt wurden.
Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage, Herr Bundesrat Dönmez? – Das ist nicht der Fall.
Bevor ich die nächste Zusatzfrage aufrufe, begrüße ich recht herzlich die zweite Gruppe der Niederösterreicher bei uns im Parlament. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.
Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister, Sie haben uns heute schon über unterschiedliche Maturaergebnisse in den Kernfächern, in den Hauptfächern Deutsch, Englisch, Mathematik, informiert. Meine Frage an Sie: Gibt es auch schulformspezifische Unterschiede in den Maturaergebnissen?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Diese Erhebungen liegen uns noch nicht zur Gänze im Ressort vor. Ich habe am 9. Juni eine Runde mit allen Landesschulratspräsidenten und -präsidentinnen und werde mir – das ist Tagesordnungspunkt eins – aus den Bundesländern berichten lassen. In Summe liegt mir das also noch nicht vor, erhoben haben wir vorerst nur vorläufig, worüber ich heute schon berichtet habe.
Wenn Sie jetzt zum Beispiel die anderen Sprachen meinen, dann kann ich Ihnen sagen: Diese Ergebnisse liegen mir noch nicht vor, wir werden diese im Lauf der nächsten Woche haben, und dann kann ich Ihnen diese gerne zur Verfügung stellen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Bock.
Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin, wozu dient die vorwissenschaftliche Arbeit, und welchen Vorteil haben die Schülerinnen und Schüler aus dieser Arbeit?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Die vorwissenschaftliche Arbeit soll aus der Abgabe einer schriftlichen Arbeit von 40 000 bis 60 000 Zeichen bestehen – das ist aber nur ein Teil – und hat auch den Sinn und Zweck, dass von jungen Menschen verschiedenste Möglichkeiten der Recherche geübt
und trainiert werden und dass vor allem Präsentationstechniken erlernt werden, die man für ein eventuelles Studium sehr wohl braucht. Diese Fähigkeiten braucht man, wenn man während eines Studiums Arbeiten erstellt, man braucht das als Teil von mündlichen Prüfungen auch in einer Fachhochschule oder auch, wenn man einen Beruf ergreift: Auch dann soll man sich selbstbewusst präsentieren können.
Die ersten Rückmeldungen aus den Schulen betreffend diese vorwissenschaftliche Arbeit zeigen, dass die Präsentationen sehr wohl sehr gut und selbstbewusst erfolgt sind und dass die Präsentationen nur vereinzelt fehlgeleitet dargestellt waren. Jedenfalls ist diese vorwissenschaftliche Arbeit als ein Teil der dreiteiligen Reife- und Diplomprüfung sehr wohl wichtig. Im Hinblick auf das nächste Jahr kann man noch über das eine oder andere Detail etwa beim Zitieren reden, etwa wie man das einrechnen und mehr Klarheit schaffen beziehungsweise noch Veränderungen vornehmen kann.
Prinzipiell sind die ersten Rückmeldungen aber sehr positiv, und der Sinn und Zweck dieser vorwissenschaftlichen Arbeiten ist, dass man sich nicht nur einer schriftlichen Klausur und einer oder mehreren mündlichen Maturafragen unterzieht, die man sich im Jänner aus einem Pool ausgesucht hat, sondern dass die jungen Menschen auch üben und lernen, eigenständig in Büchern, im Internet et cetera zu recherchieren und sich entsprechend zu präsentieren.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Längle.
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin, in diesem Zusammenhang haben Sie meine Frage jetzt schon zum Teil beantwortet.
Mich würde aber noch im Detail genau interessieren, wie sich der Unterrichtsablauf im Hinblick auf die vorwissenschaftliche Arbeit im Detail geändert hat.
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Bundesminister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Junge Menschen, die zur Matura antreten, können sich ein Spezialgebiet aussuchen. Dieses ist von den Schülerinnen und Schülern ganz frei zu wählen. Sie werden während der Zeit des Erstellens dieser vorwissenschaftlichen Arbeit betreut, und diese werden dann auch benotet. Das läuft eigentlich fast schon wie an einer Universität ab. Die Betreuer sind die Lehrer und Lehrerinnen. Diese sprechen sich dazwischen immer wieder mit den Schülerinnen und Schülern ab, die Betreuer und Betreuerinnen schauen aber natürlich nicht hinein, denn sonst würde man ja Zwischenergebnisse vorwegnehmen.
Die Schülerinnen und Schüler können aber die Wahl des Themas mit der betreuenden Lehrperson besprechen und sich währenddessen auch Ezzes holen – wenn ich das so ausdrücken darf –, denn es ist ja dann genug Zeit, diese Arbeit zu schreiben, und absolvieren bei der Abgabe auch die mündliche Präsentation. Das scheint dann als eigene Note im Reifeprüfungszeugnis auf, und diese Präsentation ist der erste Teil dieser dreiteiligen Matura.
Man wird währenddessen betreut, man hat einige Monate Zeit, man sucht sich das Thema selber aus, und ich glaube, dass es auch von Vorteil ist, dass Spezialgebiete ausgesucht werden dürfen, weil sich Schüler und Schülerinnen eben besonders für dieses oder jenes Thema interessieren. Sie können dann auch wählen, was sie gerne für die Recherche als Quellen heranziehen möchten, und damit ist die VWA eine praktische Vorübung für sehr eigenständiges Arbeiten. Ich glaube, das ist gut im Hinblick auf die Anforderungen, die wir heute an junge Menschen stellen, nämlich eine wirkliche Kompetenzorientierung: Nicht der Lehrer oder die Lehrerin geben das Thema vor, sondern die Schülerinnen und Schüler suchen sich ihr Spezialgebiet selber aus
und arbeiten dazu und müssen es dann auch verteidigen beziehungsweise präsentieren.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 5. Frage, die von Frau Bundesrätin Fetik gestellt wird. – Bitte.
Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Frau Ministerin! Noch immer wählen Mädchen und Burschen im Hinblick auf ihre Berufswahl und Berufsausbildung eher traditionelle Wege. Ich weiß, dass es schon viele Bemühungen durch Sie und Ihr Ressort gegeben hat, diese Geschlechterstereotype aufzubrechen, die ja dann den weiteren Berufsweg und die jeweilige Einkommensentwicklung et cetera sehr einschneidend beeinflussen.
Meine Frage lautet:
„Wie wollen Sie als Frauenministerin dazu beitragen, Geschlechterstereotype bei der Bildungs- und Berufswahl – wie etwa bei der Kfz-MechanikerInnen-Ausbildung – aufzubrechen, um verstärkt Mädchen und Frauen in für sie atypische Berufe zu bringen?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Vielen Dank für diese Frage! – Ich musste vorher, als ich herkam, der APA entnehmen, dass der Bundeselternverband am Freitag eine Pressekonferenz gegen Gendern in Schulbüchern absolvieren wird.
So, wie du mir diese Frage stellst, herrscht, wie ich hoffe, die Meinung hier im Hohen Bundesrat möglichst einhellig vor, dass man Rollenstereotype beziehungsweise Geschlechterstereotype nur dann aufbrechen kann, wenn das auch in der Sprache sichtbar wird und man gute neue Wege Geschlechterstereotype betreffend beschreitet. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich übrigens sehr für den Entschließungsantrag zur Berufsorientierung.
Wir haben an der Pädagogischen Hochschule Salzburg eine Professur für Geschlechterpädagogik eingerichtet. Berufsorientierung ist jetzt außerdem auch in der PädagogInnenbildung Neu und in vielen Fort- und Weiterbildungsangeboten für Lehrerinnen und Lehrer verankert. Geschlechterpädagogik, geschlechtersensibles Umgehen miteinander in Bezug auf Berufsorientierung und Berufswahl sind also dabei, sind verankert, und das wird natürlich auch noch vertieft.
Die Plattform Mädchen und Frauen in die Technik – die genau Bezeichnung ist „meine Technik“ – mit über 250 eingemeldeten Projekten, was jederzeit erweiterbar ist, soll möglichst rasch Möglichkeiten aufzeigen, welche Berufswege Mädchen atypischer Weise ergreifen können beziehungsweise, umgekehrt gesagt, welche Berufswege Burschen ergreifen könnten, die sie nicht ergreifen. In diesem Zusammenhang gibt es viele gute Projekte – ich muss es wieder erwähnen – auch mit Wirtschaftskammer und anderen Institutionen, damit man die eigenen Talente entdecken kann und dann doch nicht das tut, was einem vielleicht Eltern oder Großeltern empfehlen, weil man sich eh schon immer für Technik interessiert hat, jedoch keine entsprechende Empfehlung bekommen hat.
Diese Wege für Mädchen ordentlich aufzubauen und zu erschließen, daran arbeiten wir in allen Bereichen der Bildungspolitik. Als Frauenministerin ist es mir durch die Plattform „meine Technik“ aber darüber hinaus natürlich auch sehr wichtig, dass sich Frauen, egal wo im Bundesgebiet sie sich befinden, auch alles einfach handhabbar
herunterladen können, um zu sehen, was für sie gut ist, was in ihrer Nähe ist, wie sie sich schlaumachen und eventuell eine Bewerbung schreiben können. Das ist ohnedies ein Teil des Unterrichts, es ist aber wichtig, sich darüber informieren zu können, wie man sich dafür fit machen kann und wie viele Möglichkeiten es jeweils gibt.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.
Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sie haben die Frage praktisch schon beantwortet, weil es wirklich auch um diese meiner Meinung nach sehr innovative Plattform gegangen ist und darum, wie man diese noch etwas bekannter machen kann.
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Indem man Geld in die Hand nimmt. Wer jetzt gerade die Tageszeitungen aufmerksam liest – man überblättert so etwas ja leicht –, der sieht ab und zu Inserate. Inserate sind allerdings sehr teuer – das ist das eine, und das ist ja nur ein kleiner Teil der Werbung.
Auf allen Berufsbildungsmessen liegen aber die Folder auf, die wir dazu erstellt haben. Wir werben also überall, wo es geht. Alle Schulen, die das interessiert, bekommen – das Nachdrucken ist nämlich nicht teuer – haufenweise Informationsmaterialien.
Wichtig ist aber natürlich auch die Mundpropaganda, etwa über Pädagoginnen und Pädagogen, die sagen: Schau mal rein in diese Online-Plattform!
Wir versuchen, sehr flächendeckend vorzugehen. Auch eine Ausgabe der „Schulnews“ wird heuer noch konzipiert, in der diese Plattform breit Raum finden wird. – Die „Schulnews“ ist eine Zeitschrift, die an alle Schulen gehen wird, in welcher man diese Bewerbung so gut und so flächendeckend wie möglich, abseits von Inseraten, durchführen wird.
Präsidentin Sonja Zwazl: Danke, Frau Minister. Ich bedanke mich bei dir, dass du eine nicht gestellte Zusatzfrage doch beantwortet hast.
Wir gehen weiter. Der Nächste, der eine Zusatzfrage stellt, ist Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte.
Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Frau Ministern, ich würde gerne eine Frage zur konkreten Beschäftigung von Mädchen im Bundesdienst stellen.
Am Girls’ Day wird ja immer versucht, vielen Mädchen auch den Bundesdienst sehr schmackhaft zu machen. Können Sie uns konkrete Zahlen nennen, wie viele Mädchen tatsächlich im Bundesdienst verwendet werden: Wie viele fangen an, wie viele machen eine Ausbildung, und wie viele bleiben dann tatsächlich auch im Bundesdienst beschäftigt?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich gebe Ihnen jetzt eine Schätzung, weil meine Zeit als Verantwortliche für den öffentlichen Dienst der Vergangenheit angehört und ich daher die aktuellen Zahlen nicht habe, die ich Ihnen aber nachreichen werde.
Ich schätze, dass von rund 1 300 Lehrlingen, die wir zurzeit im Bundesdienst haben, 20 Prozent bis 25 Prozent Mädchen sind. Ich werde Ihnen die konkreten Zahlen aber nachreichen, ich habe das jetzt so im Kopf aus der Vergangenheit.
Ich darf nur ergänzen: Heuer waren auch 300 Kindergartenmädchen auf dem Girls’ Day MINI, den wir zum ersten Mal vonseiten der einzelnen Ministerien angeboten haben, und ich freue mich sehr, dass auch reges Interesse bestand, die Kleinsten
dafür zu interessieren, was man im Bundesdienst arbeiten und was man auch alles werden kann.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe durchaus Sympathien dafür, dass man Mädchen auch dazu bringt, für Frauen atypische Berufe zu ergreifen. Auf der anderen Seite sehe ich kein Problem darin, dass Mädchen einfach anders sind und andere Interessen haben, und ich bin nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass stereotype Geschlechterrollen aufgebrochen werden müssen.
Mich würde vielmehr interessieren – auch wenn das nicht wirklich in Ihr Ressort fällt –: Was werden Sie zum Beispiel gemeinsam mit dem Arbeitsminister tun, damit die Mädchen außerhalb der drei typischen Berufe, die sie jetzt ergreifen, andere Berufe ergreifen?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich weiß genau, was Sie meinen, weil es ja seit Jahren unser – gemeinsames – Bestreben ist, die weit über 200 Berufsbilder, die es in Österreich gibt, möglichst früh möglichst breit zu bewerben. Und die Berufsbilder ändern sich ja wirklich rasant, wir passen zum Beispiel die Lehrpläne für die Berufsschulen immer wieder an. Das, was ich der Kollegin vorher beantwortet habe, gilt hier gleichermaßen. Entscheiden müssen sich die Mädchen letztlich ohnehin selber.
Ich habe ja überhaupt nichts gegen die drei Berufe, die Mädchen am häufigsten wählen, aber es gilt schon, darauf aufmerksam zu machen, dass es in anderen Bereichen auch andere Verdienstmöglichkeiten gibt und typische Frauenbranchen zum Teil schlechter entlohnt werden. Über Arbeitsbewertung werden wir auch noch eine Debatte zu führen haben – etwa warum Pflegetätigkeiten schlechter entlohnt werden als die Metallbranche.
All das ist ein gemeinsames Ansinnen, das ist selbstverständlich. Aber in einem Land, in dem traditionell die Sozialpartner die Kollektivverträge verhandeln – und das soll meiner Ansicht nach auch so bleiben –, muss man sich sehr bemühen, bei Mindestlöhnen neue Wege zu beschreiten. Der Handel, der so sehr von Frauen durchflutet ist, kann jetzt schon 1 300 € Mindestlohn anbieten. Das soll weitergehen, das heißt, jeder Mensch soll ein Einkommen haben, von dem er halbwegs leben kann. Bei Mädchen ist es natürlich wichtig, auch diese Einkommensfrage immer wieder aufs Tapet zu bringen.
Zum ersten Teil Ihrer Bemerkung muss ich schon noch etwas sagen: Wie alle FrauenpolitikerInnen versuche auch ich als Frauenministerin seit Jahren den Unterschied zwischen Sex, dem biologischen Geschlecht, und Gender, dem sozialen Geschlecht, herauszuarbeiten. Wir sind zwar biologisch anders als Männer, aber das, was uns anerzogen wird, wie wir aufwachsen, wie wir unsere Rollen finden oder auch nicht – auch die Burschen –, das ist noch einmal ein anderes Thema, und damit beschäftigt sich Gender. Das ist nichts Böses und auch nichts, wovor man sich fürchten muss, sondern etwas, was man in einem sehr traditionellen Land wie Österreich, wo die Mama beim Kind zu Hause ist – was nicht mehr ganz so ist, weil der Kindergarten längst als erste Bildungseinrichtung anerkannt ist –, aufbrechen muss. Man muss hier einfach die Vielfalt aller – nämlich Männer in Karenz, Frauen sollen Karriere machen können – immer wieder debattieren. Nichts anderes ist meine Aufgabe. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Ministerin, das Programm „FiT“ wurde schon angesprochen – Frauen in Handwerk und Technik. Soweit uns bekannt, ist es für 2015 verlängert worden und auch finanziert.
Wie sieht es mit der Verlängerung des Programms und auch mit der Finanzierung über das Jahr 2015 hinaus aus?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich darf etwas ganz anderes auch schnell erwähnen. Viele dieser Programme sind von der Finanzierung her nur über zwei Jahre abgesichert, beispielsweise die „Initiative Erwachsenenbildung“ oder die Sprachförderung. Das muss ich immer wieder neu mit dem Finanzminister verhandeln.
Ein Grundsatzprogramm wie „FiT“ wollen wir aus unserer eigenen Kraft, aus dem Ressort heraus weiterführen, ich weiß jetzt aber nicht auswendig, auf wie viele Jahre es abgesichert ist. Das reiche ich gerne schriftlich nach, da es in den einzelnen pädagogischen Sektionen des Bildungsressorts neben „FiT“ ja noch viele andere Projekte und Programme gibt, die schon sehr gut Platz gegriffen haben und natürlich fortgeführt werden. „FiT“ ist nur eines davon, aber ich gehe davon aus, dass „FiT“ selbstverständlich weitergeführt wird.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte Frau Bundesrätin Stöckl, diese zu verlesen.
Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:
„Welche konkreten und effektiven Maßnahmen werden von Ihnen ergriffen, um die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen zu schließen?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Das ist in der Tat keine Frage, die sehr einfach zu beantworten ist, weil sie die Frauenministerin alleine nicht beantworten kann, denn so wie die Sexualpädagogik ein Unterrichtsprinzip ist, ist auch die Einkommensschere ein Bereich, der sehr viele Ressorts betrifft, auf der einen Seite selbstverständlich den Arbeitsminister, aber gleichermaßen auch den Wirtschaftsminister.
Wir haben zwar Gleichbehandlungsgesetze – jenes für die Privatwirtschaft gibt es schon seit 1979, und es hatte ursprünglich ja genau das zum Ziel, nämlich die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu minimieren beziehungsweise zu beseitigen – und zahlreiche Novellen, bis zur letzten im Jahr 2014, die es jedoch nicht geschafft haben, diese Diskriminierung am Arbeitsplatz bezüglich der Einkommen zu beseitigen.
Das heißt, obwohl wir gute gesetzliche Möglichkeiten haben, ist es uns nicht gelungen, das zu erreichen. Wir haben – ich habe Arbeitsbewertung erwähnt – typische Branchen, die vom Stundenlohn her prinzipiell anders entlohnt werden als andere Branchen. Das ist ein zweiter Grund.
Daher sehe ich es als meine Aufgabe als Frauenministerin, all das immer wieder aufzuzeigen. Aber wir konnten ja gemeinsam die Verabschiedung eines Gesetzes über die Einkommenstransparenz durchsetzen – beziehungsweise ich konnte das durchsetzen. Der erste Teil ist abgeschlossen, wir evaluieren gerade, wie dieses Instrument gewirkt hat, warum sich die Einkommensschere so langsam schließt – sie schließt sich zwar, aber viel zu langsam, da sind wir wahrscheinlich alle ungeduldig, aber zu Recht – und wie man dieses Gesetz auch noch optimieren könnte. Ich bin der Meinung, man könnte das beschleunigen, indem man auch Gehaltsbestandteile aufschlüsselt, denn dann würde man genau sehen, wer die Überstunden macht, wer Zusatzbonifikationen hat. Sind es mehr die Männer, sind es mehr die Frauen? – Die Antwort kennen wir ja schon, aber wenn man dann auch dieses Evaluierungsinstrument hat, kann man sagen, beim Gesetz muss man dieses oder jenes nachschärfen.
Wir haben auch ein Gesetz über das verpflichtende Angeben der Gehälter in Stelleninseraten, sprich des Kollektivs oder der Überzahlung, das auch gerade evaluiert wird. Wir können also alles, was es an gesetzlichen Möglichkeiten gibt, als Instrumente einsetzen, aber in der Alltagsrealität besteht bei denen, die Menschen anstellen, hinsichtlich gleicher Arbeit doch noch ein ziemlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen. Und es ist eine Kraftanstrengung aller, auch der Wirtschaft selbst, dass sie die Arbeitskraft Frau wertschätzt, hochschätzt, etwa beim Wiedereinsteigen gleich behandelt wie vorher. – Das ist auch gesetzlich geregelt, aber dennoch hören wir immer wieder von Einzelfällen, dass Frauen zu schlechteren Gehaltsbedingungen wiedereinsteigen, obwohl es nicht erlaubt ist.
Das heißt, all das ist auszuschöpfen, denn es ist ja nicht zielführend, dass Frauen ständig vor Gericht gehen müssen, um das zu beanstanden, sondern das sollte selbstverständlich werden.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.
Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Ministerin, gospa ministrica! Die Transparenz der Einkommen von Männern und Frauen ist sehr wichtig, um Maßnahmen aufzuzeigen, was man gegen die Lohnschere machen kann. Deswegen meine Frage:
Welche Schritte sind geplant, um die Wirksamkeit der eingeführten Instrumente für mehr Einkommenstransparenz zu überprüfen und gegebenenfalls noch zu verbessern, vielleicht was die Einkommensberichte betrifft?
Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Das ist eine in der Tat sehr wichtige Frage, weil wir durch diese von mir gerade erwähnte Evaluierung ziemlich genau in die Praxis hineinschauen können. Diese Evaluierung ist eine Studie, die Befragungen von ArbeitgeberInnen, BetriebsrätInnen, aber auch von ArbeitnehmerInnen beinhaltet, bei der es darum geht, aufgrund dieser Rückmeldungen aus der Praxis Rückschlüsse zu ziehen, was mit diesem ersten Hebel – wie ich das nennen möchte – gut funktioniert hat, denn nur zu schauen, wer in welcher Verwendungsgruppe wie viel verdient, gibt noch keinen Aufschluss darüber, wie sich die Gehaltsunterschiede im Detail wirklich darstellen. Diese Evaluierung des Gesetzes zur Einkommenstransparenz wird jetzt darüber Aufschluss geben, wie sich das wirklich zusammensetzt.
Dann muss man Schlüsse ziehen, dann werde ich wieder an die Sozialpartner herantreten und sagen: Treten wir doch in Verhandlungen ein, um das Gesetz entweder nachzuschärfen oder vielleicht doch an Sanktionen zu denken, wenn etwas nicht so gut funktioniert hat! Ich erwarte diesen Evaluierungsbericht zur Mitte des Jahres, den
werde ich dann vorstellen und dann in Verhandlungen darüber eintreten, was wir eventuell verbessern können.
Präsidentin Sonja Zwazl: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wird dieser Evaluierungsbericht auch darauf Rücksicht nehmen, dass endlich einmal nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen werden, sondern wirklich Gleiches mit Gleichem, sprich Funktionen, Branchen et cetera? Sehr häufig wird ja diese Einkommensschere dazu verwendet, um ein Bashing gegen die Wirtschaft zu betreiben und zu sagen, es sind die „bösen“ Unternehmer, die so ungerecht sind, wobei aber sehr oft ungleiche Statistiken miteinander verglichen werden.
Wird das in dieser Evaluierung wirklich gezielt vergleichbar gemacht?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, da wir laufend unterschiedlichste Instrumente – sprich die Statistik Austria auf der einen Seite, EU-Vergleiche auf der anderen Seite – haben. Es gibt mindestens vier, fünf verschiedene Zugänge und Berechnungsmöglichkeiten, wie sich die Gehaltsschere darstellt.
Selbstverständlich wird aus diesen Praxisberichten besser ersichtlich werden, ob es eventuell an der Tatsache liegt – und das ist jetzt kein Vorwurf an die von Ihnen so genannte „böse“ Wirtschaft –, dass für die gleiche und gleichwertige Tätigkeit Männer und Frauen mitunter völlig unterschiedliche Einstiegsgehälter angeboten bekommen. Frauen sagen halt ja dazu, weil sie nicht wissen, was die Männer angeboten bekommen haben, oder verhandeln ein bisschen zu wenig progressiv, das gebe ich durchaus zu, und so entstehen diese nicht erklärbaren Unterschiede, auf die ich mich konzentrieren möchte.
Die Dinge, die man aufgrund der Branche, wie Sie es gesagt haben, aufgrund Teilzeit/Vollzeit und Ähnlichem erklären kann, kann man ja wegrechnen. Dadurch reduziert sich diese Lohnschere dann auf immer noch 15 Prozent, die man nicht erklären kann. Mich interessiert aber, wie es zustande kommt, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit bei der Bewerbung unterschiedliche Gehälter angeboten bekommen – das ist nämlich vom Gleichbehandlungsgesetz her auch nicht zulässig, und dennoch passiert es. Wie kann es passieren, dass Frauen, wenn sie eine Pause gemacht haben, unter schlechteren Bedingungen wiedereinsteigen, obwohl das vom Gesetz her auch nicht passieren dürfte? – Man muss sich daher genauer anschauen, wieso all diese Instrumente nicht genutzt werden und Gesetze unter Umständen umgangen werden.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Wir begrüßen natürlich auch die Einkommensberichte, die es jetzt gibt. Es ist auch schon richtigerweise angesprochen worden, dass es derzeit einmal ein Bericht ist. Noch gibt es keine Konsequenzen, aber man kann Konsequenzen ziehen, wenn man will. Die gehen jetzt einmal nur an die Betriebsräte und Betriebsrätinnen.
Sie haben soeben gesagt, Sie möchten auch in Verhandlungen treten. Welche Sanktionen könnten Sie sich denn vorstellen? Mit welchen Plänen hinsichtlich Sanktionen, von denen Sie sich wünschen, dass die dann durchgeführt werden, würden Sie denn in solche Verhandlungen eintreten?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Bundesminister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Es gibt Länder in Europa, die Sanktionen so definiert haben, dass dann Nachzahlungen stattfinden mussten, wenn man nicht erklärbare Unterschiede festgestellt hat. Das ist eine Möglichkeit.
Eine Sanktion wäre wahrscheinlich auch schon die Veröffentlichung der Berichte an sich. Das habe ich schon früher immer wieder gefordert, es ist sich halt nicht ausgegangen. Aber vielleicht werden wir jetzt bei der Evaluierung sehen, dass es doch sinnvoll wäre, dass alle ArbeitnehmerInnen diese Berichte auch für den Vergleich heranziehen könnten und man die Branchen besser vergleichen können sollte. Ich muss es verhandeln, aber auch das könnte ich mir als Sanktion vorstellen.
Es gibt viele Möglichkeiten, wie man Unternehmen dazu bringen könnte, ohne dass man jetzt gleich die Wirtschaft als „böse“ Wirtschaft tituliert, denn manches ist auch erklärbar. In einem Land der Klein- und Mittelbetriebe verstehe ich schon, dass es schwieriger ist, die Anonymität zu wahren, und dass es nicht so ist wie in einem internationalen Konzern, wo ja nicht nur Frauenfördermaßnahmen selbstverständlich sind, sondern auch die Einsicht in die Gehälter einen ganz anderen Zugang ermöglicht.
Tatsache ist aber, dass es für mich schon eine Sanktion wäre, Gehaltsbestandteile mit zu veröffentlichen. Man wird sich jetzt anschauen, wer die Zulagen bekommt, wer die Überstunden macht, warum überhaupt so viele Überstunden gemacht werden, warum man da nicht neue Leute anstellt und so weiter und so fort. Das muss man dann im Paket betrachten, da würde ich mich nicht jetzt schon festlegen wollen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage wäre zum Thema Mädchen und Technik sowie zum Girls’ Day MINI gewesen. Diese Fragen haben Sie bereits im vorhergehenden Frageblock beantwortet. – Danke.
Präsidentin Sonja Zwazl: Damit kommen wir zur 7. Anfrage, und ich bitte dich, Herr Bundesrat Pfister, um die Verlesung deiner Anfrage.
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:
„Wie werden Sie sicherstellen, dass die zusätzlichen Ressourcen, die nun in eine autonomere Verwendung überführt werden, weiterhin zweckgewidmet eingesetzt werden?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich freue mich erstens sehr, dass wir im Parlament gemeinsam übereingekommen sind – und wir werden das heute ja auch noch im Hohen Bundesrat beschließen –, dass diese sechs Zusatzstunden für die Neue Mittelschule flexibler eingesetzt werden können als bisher. Sie sollen nicht nur im Teamteaching eingesetzt werden, das war auch in der Vergangenheit nicht so, aber weil es neu war und eine gute Möglichkeit darstellt, auch verschiedene Gruppen von Lehrerinnen und Lehrern zusammen in einer Klasse zu haben, hat man einen Schwerpunkt darauf gelegt. Es gibt in Wirklichkeit sieben verschiedene Möglichkeiten, wie man diese Doppelbesetzung bewerkstelligen kann, wenn man die Schülerinnen und Schüler betreut: gemeinsam und individuell, auch adäquat ihrer Entwicklung, durch Begabungsförderung, Defizitorientierung, das Herausnehmen von SchülerInnen, durch die Bildung von Kleingruppen.
Diese Flexibilisierung wird jetzt von der Schulaufsicht ganz genau begleitet, und die Schulen melden auch zurück, wie sie diese Stunden einsetzen – auch das wird angeschaut. Nach wie vor wird aber natürlich auch Wert auf die Grundkompetenzen gelegt. Das heißt, es kann auch für Projekte eingesetzt werden, um Defizite beim Lesen, beim Schreiben, beim Rechnen zu beheben. Aber es kann auch sein, dass es in einer Schule für ein ganz besonderes Projekt, das viele Kinder weiterbringt, verwendet wird. Dann muss aber darüber immer auch Rechenschaft abgelegt werden, das wird in der Schulentwicklung auch genau monitort und begleitet.
Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte.
Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Meine Frage hätte sich auf das Teamteaching bezogen, die wurde bereits beantwortet. Herzlichen Dank.
Präsidentin Sonja Zwazl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Fürlinger.
Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Ministerin, wir haben zuletzt ja einen Evaluierungsbericht der ersten Zeit der NMS bekommen, der durch die Medien gegangen ist und vielleicht auch nicht ganz unkritisch war. Jetzt wurde aufgrund des kurzen Evaluierungszeitraumes von drei Jahren vorgeschlagen, eine weitere solche Evaluierung in Bezug auf Maßnahmen der Förderung im Unterreicht, in Bezug auf die effiziente Mitteleinsetzung in diesem Projekt vorzunehmen.
Können Sie diesem Vorschlag etwas abgewinnen, und haben Sie vor, eine derartige Studie wieder in Auftrag zu geben?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Im Moment nicht, und zwar deswegen, weil wir jetzt schon feststellen können, dass zwischen den Generationen eins und zwei, das sind diese ersten Neuen Mittelschulen, die untersucht wurden, sehr viele Maßnahmen für dieses Schulsystem gesetzt wurden, die jetzt schon Verbesserungen zeigen.
Wir haben zudem ein gutes Instrument, mit dem wir in jede Schule hinsichtlich dessen hineinschauen können, wie sich Schülerinnen und Schüler weiterentwickeln, und zwar die Bildungsstandards. Wenn wir heuer Deutsch in der 4. Klasse Volksschule testen und nächstes Jahr Deutsch in der 8. Schulstufe, dann werden wir in Deutsch, Mathematik und Englisch zwei Mal die Möglichkeit haben, zu kontrollieren, wie sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler von der Volksschule weg durchschnittlich weiterentwickeln. Man kann beim sogenannten fairen Vergleich ganz genau bei jeder Schulart ablesen, wie sich auch das sozioökonomische Umfeld der Schülerinnen und Schüler entwickelt. Diese Daten stehen dann selbstverständlich auch den Schulen zur Verfügung. Wir wollen sie dafür verwenden, dass die jeweiligen Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich der Schulqualität Allgemeinbildung – SQA genannt –, wenn der Weg nicht der richtige ist, dabei begleitet werden, zu schauen, wie sich Kinder entwickeln.
Wir haben also die Instrumente. Daher sehe ich im Moment keine Notwendigkeit für eine neuerliche Evaluierung, da – im Regelschulsystem gelandet – die Neue Mittelschule viele Fortschritte gemacht hat. Es ist für mich nicht zulässig, den Vergleich zwischen AHS-Unterstufe, Neuer Mittelschule und alter Hauptschule so zu ziehen, dass man behauptet, na ja, eh klar, die sind ja viel schlechter, weil das die schlechtere Schule ist. Wenn die Schülerpopulation sich nicht durchmischt, so wie es in vielen Ländern Europas üblich ist, und auch einen guten Durchschnitt darstellt, wird es immer so sein, dass die eine Schulart ein bisschen anders abschneidet als die andere, dazu braucht man keine Evaluierung.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.
Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Bundesminister, eine Studie der AK besagt, dass in Österreich im Jahr 660 € pro Schüler für Nachhilfekosten ausgegeben werden – für Schüler der Neuen Mittelschule 620 € – und auch 35 Prozent der Eltern Nachhilfearbeit leisten.
Glauben Sie, dass durch diese zusätzlichen Ressourcen der Bedarf nach Nachhilfe wesentlich gesenkt werden kann? Ich fürchte, dass es ein Zweiklassenbildungssystem gibt – die einen werden sich Nachhilfe leisten können, die anderen vielleicht nicht.
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Sie haben jetzt nur eine Schulart erwähnt. Diese Frage ist in der Tat sehr wichtig, weil meine Information auch ist, dass besonders viele AHS-Schülerinnen und -Schüler Nachhilfe benötigen. 620 € ist natürlich sehr viel Geld für Eltern. Ich möchte kein Zweiklassenbildungssystem, deswegen bin ich auch eine Befürworterin einer gemeinsamen Zeit, die Schülerinnen und Schüler miteinander verbringen, vom fünften oder sechsten Lebensjahr bis zum 15. Lebensjahr, und sich dann entscheiden.
Aber ich glaube, der wahre Schlüssel, um Nachhilfekosten zu senken, ist nicht Halbtagsschule mit Nachmittagsbetreuung, sondern eine verschränkte ganztätige Schule, in der das alles in einer sinnvollen, guten Abwechslung, dem biologischen Rhythmus von Kindern aber auch Erwachsenen entsprechend präsentiert wird, sodass Eltern nicht mehr viel Geld für Nachhilfe ausgeben müssen.
Das bedeutet ein Umdenken, dass wir Kinder nicht in eine Schule geben, in der man den ganzen Tag nur lernen muss, sondern dass während der Schulzeit eine sinnvolle Abwechslung stattfindet – zwischen Sport, Bewegung, Kreativität und Üben, Wiederholen, Hausübungen machen und auch Nachhilfe bekommen. Das würde ja bedingen, dass diese Lernzeiten am Nachmittag zum Teil von Lehrern und Lehrerinnen und in Zukunft hoffentlich auch von FreizeitpädagogInnen – dafür setze ich mich stark ein – übernommen werden und dieses sinnvolle Abwechseln den Eltern eine große Sorge nimmt, nämlich viel Geld für Nachhilfe ausgeben zu müssen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Planen Sie mittelfristig eine indexbasierte Mittelzuwendung an Schulen einzuführen, um statt dem bisherigen Gießkannenprinzip eine zielgerichtete Finanzierung im Schulsystem umzusetzen?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Wenn es nach mir geht, ja. Es gibt Studien dazu, es gibt wissenschaftliche Expertise dazu, es gibt vorgelebte Beispiele dazu, dass eine indexbasierte Ressourcensteuerung aufgrund verschiedenster Umstände – sozioökonomischer Umstände, geographischer Umstände – sinnvoll wäre, weil dadurch natürlich Standorten, die besonderen Herausforderungen ausgesetzt sind, durch eine andere Ausstattung mehr Möglichkeiten gegeben werden, das aufzuholen und auszugleichen, was Schülern und Schülerinnen, die in diesem Fall unter Bildungsungerechtigkeit zu leiden haben, zugutekäme.
Das wird gerade auch in diesen drei technischen Arbeitsgruppen für die Reformkommission Bildung bearbeitet, und ich hoffe, dass wir uns – und der Herr Finanzminister beginnt ja gerade die Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern – auch auf eine Vorgangsweise einigen könnten, die diese Ressourcensteuerung anders darstellen lässt. Das würde natürlich bedeuten, dass Ballungsräume unter Umständen mehr Mit-
tel zugewiesen bekommen müssen als ländliche Bereiche. Das ergibt daher keine leichte Verhandlungsbasis, aber ich würde sehr dafür plädieren.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wenn ich mir eine kleine Bemerkung erlauben darf: Wir haben gestern bei der Bundesrat-Enquete Experten hier gehabt, die unter anderem auch das eingefordert haben. (Zwischenrufe.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Jetzt sage ich euch etwas. Als Vorsitzende darf man eh nichts reden, manches Mal platze ich ja fast, aber ich sage das jetzt. Frau Dr. Bachmann wird auch platzen, wenn ich jetzt rede, weil ich ja nicht reden darf. Ich habe es Herrn Kollegen Dörfler gesagt, und Efgani Dönmez hätte das jetzt auch nicht machen dürfen. Er hat aber nur darauf hingewiesen, dass wir ja unser Programm haben, die Zukunftskonferenz, und dass die Bundesrat-Enquete „Schlummernde Talente“ stattgefunden hat. Somit steht es ausgeglichen, denn ihr (in Richtung FPÖ) habt euch nicht daran gehalten, er (in Richtung Grüne) hat sich nicht daran gehalten. Also! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Aus is’! Na, na (das Glockenzeichen gebend), aus! – So, jetzt habe ich auch einmal die Glocke verwendet.
Das heißt, das war jetzt keine Aufforderung, weder an meine Fraktion noch an euch. Wir halten uns daran. Jetzt ist Fragestunde, und ich bitte, dies entsprechend handzuhaben; man muss schlechte Beispiele nicht nachmachen.
Wir gehen weiter. Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister, wie hoch sind die jährlichen Ausgaben für Schulversuche? Der Rechnungshof kritisiert ja, dass da aufgrund der Kompetenzzersplitterung ein wenig der Überblick fehlt.
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Wir hatten letzte Woche im Rechnungshofausschuss auch Gelegenheit, genau über diese über 5 000 Schulversuche, die der Rechnungshof überprüft hat, zu diskutieren. Dem Ressort erwachsen keine Kosten, denn von der Vorgabe her ist es so, dass jeder Schulversuch kostenneutral sein muss. Verwaltungstätigkeiten fallen natürlich an, die kann ich nicht beziffern, weil das Teil der Arbeitszeit der in den Landesschulräten und in der Zentralverwaltung beschäftigten Personen meines Ressorts ist, es aber sehr wohl für Schulen unter Umständen durch Umschichtungen und Verschiebungen zu Kostenverschiebungen kommt – von Wertigkeiten her, was gebraucht wird und was nicht. Aber wir genehmigen Schulversuche nur dann, wenn sie uns als kostenneutral eingemeldet werden. Das ist das, was das Ressort auch dazu zu sagen hat.
Ich würde mir gerne viele Schulversuche ersparen. Und wenn wir es schaffen, dass beispielsweise die fast 2 000 Schulversuche an den Volkschulen, die immer wieder ansuchen müssen, um eine alternative Leistungsbeurteilung durchführen zu können, bald einmal in der Schulautonomie aufgehen oder wir unser Regierungsprogramm als nächsten Schritt umsetzen, indem wir diese alternative Leistungsbeurteilung bis auf die 3. Klasse Volkschule ausdehnen und das auch gesetzlich ermöglichen, dann hat man gleich 2 000 Schulversuche weniger. Über 800 weniger werden wir jetzt auch durch die Reifeprüfung haben, die auch als Schulversuch begonnen hat.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 8. und letzten Anfrage, und ich bitte dich, Herr Bundesrat Köberl, um deren Verlesung.
Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Bundeminister, ich darf noch einmal zur Sexualerziehung in den Schulen zurückkommen. Meine Frage lautet:
„Wird der neue Grundsatzerlass des BMBF zur ‚Sexualerziehung in den Schulen‘ wieder den Leitsatz enthalten, dass Sexualerziehung die primäre Aufgabe der Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten ist und der Unterricht in steter Zusammenarbeit mit dem Elternhaus erfolgt, oder droht die Verstaatlichung der Sexualerziehung?“
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Minister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Dieser neue Erlass zur Sexualpädagogik wird vier oder fünf Mal die Bedeutung und Wichtigkeit der Arbeit der Eltern beinhalten. Eins zu eins wird der Satz aus dem Jahr 1990 nicht übernommen, aber ich habe noch nicht die letzte Information, da dieser Beirat erst vorgestern noch einmal getagt hat und wir natürlich der Auffassung sind, dass all diese Sorgen und Anfragen auch berücksichtig werden sollen. Ich glaube nicht, dass er eins zu eins übernommen wurde, aber dass selbstverständlich sehr prominent auch die Bedeutung hervorgehoben wird, gemeinsam Elternabende zu veranstalten und sich natürlich auch über die Themen mit den Eltern abzustimmen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.
Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Im Sinne der Frau Präsidentin verzichte ich auf meine Zusatzfrage. (Allgemeine Heiterkeit.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin, zur Frage nach der Notwendigkeit der Überarbeitung dieses neuen Erlasses haben Sie ja schon mehrfach etwas ausgeführt, daher ist die Frage meiner Ansicht nach auch schon bearbeitet und beantwortet.
Was mich noch interessieren würde, ist: Nach welchen Grundprinzipien und nach welchen Werten ist diese Überarbeitung vorgenommen worden?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Bundesminister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Wir haben bei der Einladung der Beiratsmitglieder natürlich versucht, den Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern der verschiedensten Richtungen der Sexualpädagogik zusammenzusetzen und diesen verschiedenen Richtungen Rechnung zu tragen. Daher sind in diesen vier Sitzungen, die stattgefunden haben – über die vierte habe ich jetzt noch keinen Endbericht –, unterschiedliche Zugänge zu moderner Sexualpädagogik eingeflossen, weil etwa, um nur eine Stelle zu nennen, auch die Aids Hilfe Wien dabei war. Es geht sehr um Prävention, das war in den siebziger Jahren noch ein anderes Thema. Das heißt, man hat versucht, anhand der Zusammensetzung der Beiräte die unterschiedlichen Zugänge zu Sexualpädagogik abzubilden und auch neue Phänomene aufzunehmen. Und ich glaube, das ist recht gut gelungen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister, es gibt aber auch andere Meinungen zu dem geplanten Sexualkundeerlass, unter anderem von Ärzten und auch Psychologen, die der Meinung sind, dass die Kinder in der Form, wie es jetzt geplant ist, überfordert sind. Werden Sie mit diesen Experten auch noch Gespräche führen?
Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Bundesminister, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich glaube, dass es Pädagoginnen und Pädagogen nicht nur zuzumuten ist, sondern sie auch in ihrer Arbeit bestätigt werden, wenn sie genau wissen, was sie ihren Schülerinnen und Schülern zumuten können. Was will ich damit sagen? Ich glaube, wenn man spürt, dass in einer Klasse ein Thema im Bereich der Sexualpädagogik noch nicht adäquat ist, dann werden die Lehrerinnen und Lehrer das auch nicht mit den Schülerinnen und Schülern besprechen. Man kann ja auch einzelne Schülerinnen und Schüler herausnehmen, wenn dazu Fragen auftauchen oder Probleme auftreten, und die Pädagoginnen und Pädagogen können das auch in einer Sprechstunde mit den Schülerinnen und Schülern besprechen. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)
Es ist also nicht so, dass quasi dieser Erlass vorschreibt, man muss jetzt einmal in der Woche über Sexualpädagogik reden – überhaupt nicht, keinesfalls. Das kann in Form eines Projektes passieren, zum Beispiel mit Ärztinnen und Ärzten, oder das kann mit SexualpädagogInnen von außen passieren, wenn sich die Lehrerinnen und Lehrer das nicht zutrauen und ein Thema nicht ansprechen möchten, weil es ihnen zu „heiß“ ist.
Wir haben in diesem Beirat und bei den Stellungnahmen selbstverständlich auch die medizinische Sichtweise – denn wir hatten unlängst auch eine Besprechung mit einer Primaria, die Gynäkologin ist – sehr wohl einfließen lassen. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, noch einmal eine Runde mit Medizinerinnen und -medizinern zu drehen, weil sie eingebunden waren. Auch wenn unter den Beiratsmitgliedern keine Ärztinnen und Ärzte waren, haben wir wirklich ganz breit Expertise eingeholt, wissend, dass das ein sehr sensibles Thema ist.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez. Zugleich ist das auch die letzte Frage.
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin, die Betreiber der Homepage www.sexualerziehung.at betreiben meiner Meinung nach etwas Panikmache und streuen Gerüchte. Meine Frage: Haben Sie diesbezüglich schon Stellung bezogen? Werden Sie Stellung beziehen? Und wenn ja, wie können wir sozusagen dieser gezielten Fehlinformation etwas entgegensetzen?
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Ich kenne die Inhalte dieser Website nicht. Ich habe nur Zeitungsmeldungen einige Horrorgeschichten entnommen, die sich keinesfalls im Erlass wiederfinden. Sobald er fertig formuliert ist, wird er selbstverständlich auf der Homepage veröffentlicht. Das ist, glaube ich, die beste Entgegnung, um das zu entkräften: dass man zeigt, dass sich keines dieser Horrorszenarien in diesem Erlass wiederfindet.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2841/AB bis 2848/AB und der
Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.
Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:
(Liste der Anfragebeantwortungen: siehe S. 8)
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Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen:
Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2016 bis 2019 erlassen wird – BFRG 2016-2019 (583 und 616/NR der Beilagen),
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (674/A, 502/A, 547/A und 619/NR der Beilagen).
*****
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:
*****
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin-Schaller vom 1. bis 3. Juni 2015 in Israel bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer für 3. Juni 2015 mit deren Vertretung.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt und dem Ausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurden:
Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2014, zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss, und
2. Freiwilligenbericht, zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, sowie
Datenschutzbericht, zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus.
Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Anträge und jener Bericht beziehungsweise jenes EU-Vorhaben, die beziehungsweise der beziehungsweise das jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.
Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.
Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Behandlung der Tagesordnung
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5, 6 bis 8, 9 und 10 sowie 12 und 13 jeweils unter einem durchzuführen.
Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Schulunterrichtsgesetz geändert werden (531 d.B. und 600 d.B. sowie 9376/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Rene Pfister: Werte Frau Vizepräsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über
den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Schulunterrichtsgesetz geändert werden.
Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates soll die Einsatzmöglichkeit der für die Neue Mittelschule zusätzlich vom Bund zur Verfügung gestellten Lehrpersonalressourcen auch auf (schulautonome) Schwerpunktfächer ausgeweitet werden, sprich: Es geht hier um die sechs zusätzlichen Lehrpersonenstunden für die Neue Mittelschule.
Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.
Wir gehen in die Debatte ein.
Als Erste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
10.34
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Wir haben jetzt unter dem Titel Schulautonomie zusätzliche Stunden. Die zusätzlichen Ressourcenstunden können jetzt nicht nur für Sprache, Rechnen, Lesen, Schreiben aufgewendet werden, sondern für zusätzliche Schwerpunktfächer. – Schön.
Aber wenn man sich anschaut, was diese zusätzlichen Stunden gebracht haben, stellt man fest, zumindest dann, wenn man sich die gar nicht so lange zurückliegenden Tests, die die Standards der Schüler abfragen sollten, anschaut, dass jedes Mal die Hauptschule besser war als die viel geliebte Neue Mittelschule. Das heißt, die Neue Mittelschule hat nicht das gehalten, was versprochen wurde. Man könnte auch sagen, sie ist zu einem „Rohrkrepierer“ geworden. Auf jeden Fall ist sie nicht besser als die alte Hauptschule, obwohl sie mehr Ressourcen hat.
Auch bei den Oberstufengymnasien ist es so. Ziel all jener Gesamtschulbefürworter ist es ja, dass die Schüler von 6 bis 15 Jahren in eine gemeinsame Schule gehen und danach die Möglichkeit haben, in ein Oberstufengymnasium zu wechseln. Es ist zwar jetzt nicht offiziell, aber was man so hört, haben die Oberstufengymnasien bei der Zentralmatura auch schlechter abgeschnitten als die AHS – die AHS, die ja bei vielen nicht mehr sehr beliebt ist, obwohl sie bei allen Tests immer am besten von allen Schularten abschneidet, aber die wollen wir eigentlich nicht mehr haben. Das Ziel sollen ja die Oberstufengymnasien sein. Die AHS wird damit ausgehungert, denn sie hat keine zusätzlichen Ressourcen bekommen, obwohl viele Schüler zumindest in die Unterstufe der AHS gehen wollen. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Nein, nicht wahr!)
Jetzt nimmt man eben, weil es gut klingt, den schönen Titel „Schulautonomie“ her und vergibt diese Stunden flexibler. Wir glauben, dass das die Gesamtschule nicht besser machen wird. Wir glauben ja, wie ich es auch gestern bei der Enquete gesagt habe, dass die Ursachen dafür, dass die Schüler auch nach neun Schuljahren nicht lesen und schreiben können, woanders zu suchen sind.
Die zentrale Gesamtschule, die es seit Jahrzehnten gibt, ist die Volksschule. Dort ist anzusetzen, auch dort gibt es – obwohl die Ergebnisse der Lesetests jetzt besser werden, wie ich gehört habe – immer noch das Problem, dass die Kinder mit Migrationshintergrund bei den Lesekompetenzen am schwächsten sind, also die größte Gruppe derer sind, die die geringste Lesekompetenz haben. Da müssen wir ansetzen, bei der Gesamtschule ist es viel zu spät. Sie haben eine gemeinsame Schule in
Modellregionen, Sie haben das flächendeckend gemacht. Und natürlich gibt es sie. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Haben wir ja nicht!)
Aber die AHS gibt es natürlich nach wie vor. Ich bin auch dafür, dass die AHS beibehalten bleibt, und werde mich immer dafür einsetzen, denn Sie werden mich nicht – auch unterlegt mit Ihren eigenen Testergebnissen – davon überzeugen können, dass eine gemeinsame Schule aller 6- bis 15-Jährigen das Nonplusultra ist. Es wird immer Eltern geben, die schauen werden, dass ihre Kinder mehr machen oder ein größeres Angebot bekommen.
Wir sehen ja jetzt schon die Flucht aus der öffentlichen Schule in Richtung Privatschule. In der Privatschule müssen sie sich heute schon im Kindergartenalter anmelden, damit sie in der Volksschule einen Platz bekommen – noch besser wäre es bei der Geburt. Und ich weiß, wovon ich rede.
Daher sage ich Ihnen: Das ist es nicht! Und das ist für mich jetzt auch eine Geschichte der Makulatur, die Sie unter dem schönen Titel „Schulautonomie“ dem Parlament vorlegen und die jetzt beschlossen werden wird – allerdings ohne unsere Stimmen! (Beifall bei der FPÖ.)
10.38
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reich. – Bitte.
10.38
Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Werte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zur Kollegin Mühlwerth: Monika, ich finde es nicht sehr gut gewählt, wenn du die Neue Mittelschule als „Rohrkrepierer“ bezeichnest. Du weißt genau – wie wir alle auch –, dass wir nicht die Neuen Mittelschulen, die Hauptschulen und die AHS in ihrer Langform vergleichen können. Die AHS-Schülerinnen und Schüler werden nach bestimmten Selektionskriterien ausgewählt. Viele Schülerinnen und Schüler in Österreich haben keine Möglichkeit, eine AHS zu besuchen, weil es vom Weg her nicht möglich ist.
Nun zur Neuen Mittelschule, zu den flexiblen Zusatzstunden: Das Schlüsselelement der Neuen Mittelschule ist die Individualisierung, so, wie sie die meisten, die sich intensiv mit Bildung beschäftigen, verstehen wollen und sich diese Individualisierung sehr stark wünschen. Unsere Kinder sind verschieden, haben verschiedene familiäre Hintergründe, haben differenzierte Entwicklungsstände, differenzierte Entwicklungsgeschwindigkeiten, verschiedene Stärken, verschiedene Interessen und sollen dort, wo sie sich gerade in ihrer persönlichen Entwicklung befinden, abgeholt, gefördert, gestärkt und bestärkt werden.
Wir wissen, dass sich diese neue Schulform dort am besten bewährt und auch dort sehr erfolgreich ist, wo diese Individualisierung am besten umgesetzt wird.
Mit diesen Novellen erhalten die Neuen Mittelschulen nun die Chance auf mehr Flexibilität beim Einsatz der Bundesmittel, die ursprünglich als Fördermaßnahmen an die Pflichtgegenstände Deutsch, Mathematik und Englisch, meistens an die lebende Fremdsprache der Schule, gebunden waren. Ab dem kommenden Schuljahr können die wöchentlich sechs zusätzlichen Unterrichtseinheiten auch in Schwerpunktfächern an den Schulen genutzt werden. Durch diese hundertprozentige Freigabe der Zusatzstunden wird auch ein Vorhaben des Regierungsprogramms, nämlich ein Drittel dieser Fördereinheiten flexibel zu gestalten, mehr als erfüllt.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, aller vorauseilenden Befürchtungen zum Trotz entwickelt sich nämlich diese Neue Mittelschule recht gut – was sich auch in der Statis-
tik Austria-Erhebung ausweist, wonach NMS-Absolventinnen und -Absolventen viel häufiger an weiterbildende Schulen wechseln als HauptschülerInnen.
Dass die flexible Stundennutzung an den NMS noch weiter zur Qualitätssteigerung beitragen soll, wünschen wir uns alle. Und dass diese wichtigen Ressourcen aber wohl an den meisten Schulen in den sogenannten Hauptgegenständen eingesetzt werden, ist auch sicher. Ich glaube, momentan sind es ungefähr 60 Prozent, die sie in den Hauptgegenständen haben wollen.
Die Förderqualität hängt, neben dem Teamteaching, noch von weiteren Maßnahmen ab, etwa, so wie es die Frau Ministerin schon gesagt hat, dem zeitlich begrenzten Unterricht in Kleingruppen, der Einzelförderung von Schülern, speziellen Programmen für Begabte sowie zur Sprachfestigung. Da, so wie auch an meinem Schulstandort, Kinder unterrichtet werden, deren Spektrum von Hochbegabung bis zu sonderpädagogischem Förderbedarf reicht und die Klassenstärke bis zu 25 verschiedene Schülerpersönlichkeiten aufweisen kann, wäre ohne diese Stunden eine Individualisierung und eine gute innere Differenzierung nicht möglich.
Um Fördermaßnahmen wie Teamteaching an Neuen Mittelschulen langfristig erfolgreich zu realisieren, gilt es natürlich, die Kooperations- und Teamfähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer von ihrer Ausbildungszeit an zu fördern, um das Bilden von LehrerInnenteams im Unterricht zu unterstützen.
Auch meine LehrerInnen haben nach anfänglicher Scheu und etwaiger Skepsis nach den ersten intensiven Vorbereitungen, sehr guten Fortbildungsveranstaltungen, auch an der Schule, einen enormen Mehrwert im Teamteaching gefunden und meiner Meinung nach damit auch den Zugang zur Leistungsbeurteilung und Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler verändert.
Meine Schule hat den gemeinsamen Entschluss gefasst, die Stunden in den Gegenständen Deutsch, Mathematik und Englisch einzusetzen – unter anderem auch, um damit unseren Schülerinnen und Schülern das Rüstzeug für einen guten Start ins Berufsleben, aber auch für eine Ausbildung in den weiterführenden Schulen zu geben und ein weiteres Auseinanderdriften, das sowieso durch die frühe Trennung verursacht wird, zu vermeiden.
Durch die ganztägige, verschränkte Betreuung – an meiner Schule ein weiterer enormer Mehrwert – können wir unseren Schulschwerpunkt „Soziale Kompetenz“ den ganzen Tag, jede Woche und in den verschiedensten Projekten das ganze Jahr über anbieten.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Novellen zum Schulorganisations- und Schulunterrichtsgesetz bringen nun durch die Möglichkeit einer selbstbestimmten Ressourcenverteilung an den NMS eindeutig mehr Autonomie für die Standorte, die die Förderung der SchülerInnen maßgeblich erleichtert. Somit wird vor allem der Individualisierung des Unterrichts, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler, Rechnung getragen, und es können Schwerpunkte in den Bereichen Wirtschaft, Naturwissenschaften, Vermittlung digitaler Fähigkeiten in Verbindung mit Medienkompetenzen und kreativem Unterricht gesetzt werden. Für manche Schulen ist das eine wirksame Unterstützung ihrer Schwerpunktfächer – so auch an einer meiner Nachbarschulen, die bei ihrem Schulschwerpunkt „Mechatronik“ HTL-Pädagogen und -Pädagoginnen nur in Mathematik einsetzen konnte. Jetzt besteht für sie die Möglichkeit, dies auch in ihren Schwerpunktfächern zu tun.
Die flexible Ressourcennutzung wird von einigen Fachleuten auch mit kritischem Blick gesehen, daher ist es für mich und für uns besonders wichtig, dass die laufende Qualitätssicherung beim Einsatz der zusätzlichen LehrerInnenstunden gemäß Regierungs-
vorschlag durch ein begleitendes Monitoring vom zuständigen Qualitätsmanagement der Landesschulräte durch die Pflichtschulinspektoren durchgeführt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, generell sollten unsere Schülerinnen und Schüler die Schule als eine Umgebung erleben, in der sie in allen Facetten angenommen werden, sich auch wohlfühlen sollen und dort auch erfolgreicher lernen können. Daher werden wir uns weiterhin für eine qualitätsvolle Ganztagsbetreuung einsetzen.
Die Freigabe dieser sechs Stunden ist ein weiterer Schritt zur Unterstützung unserer Schülerinnen und Schüler, unserer Pädagoginnen und Pädagogen und der Schulen, um den standortbezogenen Lehr- und Lernbedürfnissen zu entsprechen und die Qualität des österreichischen öffentlichen Bildungswesens zu stärken. Wir werden dem gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
10.46
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.
10.46
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Wir beschäftigen uns hier jetzt mit dem Schulorganisations- und Schulunterrichtsgesetz. Der Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule hat Schwächen aufgezeigt, und es wurden Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Und zwar: Mehr Personenstunden sollen flexibler und nicht auf die Hauptgegenstände fixiert eingeteilt und aufgeteilt und Förderunterricht und Begabtenförderung damit ermöglicht werden.
Die Entscheidungen dazu werden in der Schule getroffen und von der Schulaufsicht begleitet – soweit eine Vorlage, der wir gern zustimmen, da mehr Autonomie und mehr Entscheidungskompetenz zu den Schulen kommt.
Ich darf mich bei unserer Präsidentin Zwazl sehr herzlich bedanken, die ihre Präsidentschaft unter den Fokus der Berufsorientierung, der Berufsbildung und der Talenteförderung gestellt hat. Bei der Zukunftskonferenz in St. Pölten konnten wir sehr interessante Einblicke erlangen. Denken wir etwa an das Referat von Univ.-Prof. Markus Hengstschläger, der zum Thema „Mittelmaß und Nivellierung“ sprach und aufzeigte, dass wir denken, wenn ein Kind, ein Schüler ein besonderes Talent hat, ob in Mathematik oder in einer Sprache, dann brauchen wir das nicht zu fördern, sondern wir müssen schauen, dass er dort, wo er schwach ist, auch mittelmäßig wird. Ich denke, der Herr Professor hat uns gut vor Augen geführt, dass das nicht der richtige Weg sein kann. Auch hat uns Mag. Heinzlmaier erklärt – der Entschließungsantrag geht ebenfalls in diese Richtung –, dass mehr Berufsorientierung in der Schule durchgeführt werden soll und dass wir einfach mehr Mut für Reformen brauchen, und das möglichst schnell.
Unsere niederösterreichische Landesrätin Barbara Schwarz skizzierte eine moderne Schule – eine Schule, in der die Kinder den Unterricht selbst gestalten, indem sie sich Lernziele setzen, die Zeit, die sie zum Erreichen dieser Lernziele brauchen, entsprechend selbst wählen können und dann ihre Leistung auch selbst beurteilen, um der Individualität entsprechend Rechnung zu tragen.
Geschätzte Damen und Herren, als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern sehe ich natürlich auch die Seite der Eltern. Ich denke, dass unsere Kinder schon sehr stark belastet und eingespannt sind. Wenn ich mir den Wochenplan meiner beiden Kinder anschaue, dann stelle ich fest, das sind 34 bis 37 Wochenstunden. Dazu kommen noch ein oder zwei Freigegenstände, Aufgaben machen plus Prüfungsvorbereitung, und wir sind schnell bei 50 bis 60 Wochenstunden, die Kinder zu absolvieren haben.
Manchmal gibt es auch kein Wochenende, weil am Montag, Dienstag, Mittwoch irgendeine Schularbeit ansteht.
Stress pur in der Schule, der den Ruf nach Ferien wieder mit sich bringt. Ich glaube, hier sollten wir alle gemeinsam vernünftig nachdenken. Ich möchte den Denkansatz einbringen, ob dieses System, möglichst viel in kurzer Zeit zu vermitteln, mit sehr viel Stress behaftet, um sich dann endlich wieder – Ferien vor den Augen – sich davon zu erholen, sinnvoll ist.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir in der Schule stop-and-go fahren. Wenn ich das mit meiner Schulzeit vergleiche – ich weiß, die liegt schon einige Zeit zurück –, dann kann ich sagen, dass es dazwischen schon einige Neuerungen gegeben hat: die haben geheißen Energieferien, die haben geheißen Schulschikurs, Herbstferien oder schulautonome Tage, Projektwochen. Allein diese Beispiele zusammen ergeben vier Wochen, die damals mehr Unterricht waren als heute.
Ich glaube – und ich sehe das an meinen eigenen Kindern –, dass Kinder eben Zeit brauchen – Zeit, zu verstehen, Zeit, um das Erlernte auch einzubauen und zu vernetzen, und Zeit, um das Erlernte zu festigen und als Gelerntes dann zu bewahren.
Ich habe Gespräche mit sehr engagierten Lehrpersonen, Lehrkräften und Pädagogen geführt, und es geht diesen engagierten Lehrkräften nicht um zwei Unterrichtsstunden in der Woche oder um zwei Ferienwochen, sondern diese Lehrkräfte – und ich bitte Sie, Frau Bundesministerin, den Dialog entsprechend zu führen –, diese Pädagogen wollen eben nicht als Kostenfaktor oder als Einsparungspotenzial gesehen werden, sondern als wertvoller Teil der Gesellschaft, als besonderer, wichtiger Teil der Gesellschaft.
Ich glaube, im Sinne einer vernünftigen und kinderorientierten Lehrtätigkeit könnte man auch solche Themen entsprechend ansprechen. Auch gilt es, in diesem Bereich der Lehrkräfte, die Motivierten zu motivieren und natürlich entsprechend zu honorieren, statt auch beim Personal zu nivellieren.
Wenn wir über Autonomie von Schule reden, dann könnte auch hier eine eigenständige, schulautonome Leistungsbewertung der Lehrkräfte Platz greifen.
Der dritte Bereich, den ich ansprechen möchte, ist: Wir müssen auch, geschätzte Damen und Herren, die Lehrinhalte überdenken. In Zeiten, in denen wir Wissen über Google, Wikipedia und sonstige Instrumente relativ schnell von jedem Ort der Welt abfragen können, sind Zahlen und Fakten, die wir gelernt haben oder die auch ich gelernt habe, nur mehr halb so viel wert wie früher, da es andere schneller generiert haben.
Ich glaube, wichtig ist heute, dass wir mit diesen Zahlen und Fakten, die wir schnell generieren können, entsprechend Zusammenhänge herstellen können und diese Zusammenhänge auch entsprechend beurteilen und uns eine Meinung darüber bilden können, damit wir nicht nur Wissen, sondern auch Fähigkeiten vermitteln.
Auch hier gilt: Eine jahrelange Diskussion über die Schulreform kennen wir, aber wir wissen, dass es notwendig ist, hier auch entsprechend umzusetzen.
Zusammenfassend darf ich sagen: Die Kinder brauchen wieder mehr Zeit zum Lernen!
Die motivierten Pädagogen müssen entsprechend honoriert und Lehrinhalte reduziert und Fähigkeiten generiert werden.
Geschätzte Damen und Herren, ich darf mit einem Spruch enden: Nicht die Gaben und Talente, die wir erhalten haben, nicht das Wissen und die Fähigkeiten, die wir uns er-
worben haben, sind von Bedeutung, sondern nur das, was wir davon auch weitergeben können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
10.54
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
10.54
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Letztredner bei einer Pro-Wortmeldung hat man den Vorteil, dass man nicht mehr alles sagen muss, weil vieles schon gesagt worden ist.
Wir werden diesem Gesetz natürlich unsere Zustimmung erteilen, da es in die Richtung Schulautonomie und Flexibilität für den jeweiligen Standort geht, und das ist begrüßenswert.
Ich möchte nur einen Aspekt herausstreichen, und den hat Frau Kollegin Mühlwerth schon angesprochen, und zwar: Es stimmt, dass SchülerInnen, insbesondere mit Migrationshintergrund, der deutschen Sprache hinterherhinken und dass sie da besondere Unterstützung brauchen. Es gibt an den unterschiedlichsten Schulen auch muttersprachliche Lehrkräfte. Setzt man sich einmal mit denen zusammen und tauscht sich einmal mit denen aus, dann bekommt man zu hören, wie schwierig und wie anstrengend und zu welchen Unzeiten teilweise diese wichtige Arbeit geleistet werden kann. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, dass man sich das einmal ganz genau anschaut, evaluiert und sich auch das Stadt- und Landgefälle ansieht, denn in der Stadt ist die Thematik sicher anders als auf dem Land.
Man würde dann sicher auch Verbesserungsansätze sehen, denn die Sprache ist eben das Wichtigste. Diese muttersprachlichen Begleitlehrer/-lehrerinnen leisten dazu auch einen ganz wichtigen Beitrag. Die Rückmeldungen, die ich erhalten habe – zumindest von denen, mit denen ich gesprochen habe –, waren primär von türkischstämmigen, türkischsprachigen Pädagogen und Pädagoginnen, die sehr viel Leid beklagt haben. Da würde ich Sie ersuchen, vielleicht auch darauf einmal den Fokus zu legen und zu schauen: Hören wir einmal zu! Was können wir da verbessern? Und vor allem: Was haben wir, und was können wir optimieren? – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
10.56
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.
10.56
Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Es ist ohnehin auch in der Fragestunde schon vieles zur Flexibilisierung der sechs Stunden gesagt worden, auch von Ihnen, geschätzte Damen und Herren.
Ich möchte nur noch ergänzen, dass wir quasi auch festgeschrieben haben, dass das Schulforum, sprich: der ganze Pflichtschulbereich, über diese zweckgewidmete schulautonome Verwendung dieser Ressourcen zu informieren ist, das heißt, auch dieser Austausch vor Ort in der Schule passiert noch, und dass die Qualität – das wurde auch schon einige Male gesagt – der Umsetzung selbstverständlich auch nach den gesetzlichen Maßgaben in einem eingerichteten Qualitätsmanagement durch die Pflichtschulinspektoren/-inspektorinnen begleitet, monitored und auch controlled wird.
Ich glaube, das, was Kollegin Reich gesagt hat, diese Zusatzmöglichkeiten, Schwerpunkte zu setzen, ohne die Grundkompetenzen zu vernachlässigen, und die neuesten Statistik Austria-Vergleiche zwischen alter Hauptschule und Neuer Mittelschule und das Übertreten in Oberstufen sind etwas durchaus Erfreuliches. Dort nämlich, wo der soziale Zusammenhalt gegeben ist, wo Schulangst weniger wird – das hat ja schon Generation eins und zwei ergeben –, dort, wo das Konzept gut gelebt wird, sind auch die Ergebnisse um einiges besser geworden als dort, wo das Konzept, na ja, eben mitläuft und diese Entwicklung der Anfangsgenerationen noch nicht so Platz gegriffen hat.
Ich denke, auch dieser Schulform muss man ein bisschen Zeit geben. Die Steigerung beim Übertreten in höhere Schulen zeigt schon, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Ich nehme gerne den muttersprachlichen Unterricht und die Anliegen mit, um am 9. Juni auch die Landesschulratspräsidentinnen/-präsidenten zu fragen, wie die Erfahrungen sind. Gerade jetzt, wo wir sehr viele quereinsteigende Schülerinnen und Schüler durch die Flüchtlingswelle haben – da ja der Rechtsanspruch der Kinder auf einen Schulplatz gewährleistet werden muss –, muss natürlich auch die Muttersprache – das wird man nicht in jeder Sprache anbieten können – so gefestigt werden, neben der Traumabehandlungen dieser Kinder, dass auch eine Bildungssprache Deutsch überhaupt erlernt werden kann.
Ich glaube, wissenschaftlich sind wir da einer Meinung, dass es ohne Festigung der Muttersprache für alle Menschen schwierig ist, eine Zweitsprache zu erlernen und wir diese Zusatzkontingente den Bundesländern zur Verfügung stellen. Aber ich werde mir berichten lassen, wie sie auch gut dort ankommen. Das nehme ich mir gerne mit.
In diesem Sinne freue ich mich sehr über einen mehrheitlichen Beschluss der Flexibilisierung dieser sechs Stunden, denn ich glaube, es ist der richtige Weg. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
10.59
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Reinhard Todt, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung des Rechtes auf umfassende, altersadäquat angepasste, individuelle, gendergerechte Bildungs- und Berufsorientierung für Kinder und Jugendliche vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit (213/A(E)-BR/2015 sowie 9386/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Reich. – Bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Elisabeth Reich: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Entschließungsantrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Rein-
hard Todt, Efgani Dönmez, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung des Rechtes auf umfassende, altersadäquat angepasste, individuelle, gendergerechte Bildungs- und Berufsorientierung für Kinder und Jugendliche vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit.
Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme gleich zur Antragstellung.
Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur den Antrag, der Bundesrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Entschließung annehmen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
11.01
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag gesehen habe, ich gestehe es, war das erste Wort, über das ich gefallen bin, „gendergerecht“. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ihr wisst, was ich von „gendergerecht“ halte (Bundesrätin Kurz: Was leicht?), nämlich nichts.
Ich weiß, es ist Ihnen allen ein sehr großes Anliegen, aber ich weiß auch, dass bei „gendergerecht“ – an die Adresse von Kollegin Junker zu unserem kurzen Disput im Ausschuss – eben nicht nur Männlein und Weiblein gemeint sind. Bei „gender“ steckt so viel drinnen, das ich ablehne, dass ich mich schon mit diesem Wort allein schwertue.
Ich verstehe die Intention der Frau Präsidentin Zwazl, und das unterstütze ich ja auch. Ja, wir haben die Sorge vor allem über die Schulabbrecher, die ja bei uns, Gott sei Dank, nicht so viele sind, wie zum Beispiel in Italien, wo es 21 Prozent sind. Aber auch bei uns ist die Zahl im Steigen begriffen, wenn auch noch auf einem relativ niedrigen Niveau.
Trotzdem kann es uns nicht egal sein, dass Jugendliche null Bock auf Schule haben, null Bock auf Ausbildung und auf einen Arbeitsplatz. Das sind diese NEETs, wie sie genannt werden, die weder in Ausbildung noch in der Schule sind, noch einen Arbeitsplatz haben. Das kann uns nicht egal sein, das ist auch uns nicht egal!
Daher ist die Intention aus meiner Sicht durchaus unterstützenswert und richtig. Aber es ist eben oft so, dass der Teufel im Detail steckt. Wir haben uns gestern am Rande der Enquete leider nur kurz unterhalten können, da ich anschließend noch einen Termin hatte und wir ohnehin schon in Zeitverzug waren.
Ich zitiere jetzt aus diesem Antrag, damit ihr auch wisst, wovon ich spreche. Da steht:
Während in der Elementarpädagogik und in der Volksschule sowie in den ersten beiden Jahren der Sekundarstufe I die Bildungs- und Berufsorientierung fächerintegrativ und Teil des Übergangsportfolios sein sollte, ist die Berufs- und Bildungswegorientierung als verbindliche Übung auf der gesamten Sekundarstufe I mit flexiblen Formen – und so weiter – umzusetzen.
Berufsbildung, auch wenn sie integrativ und altersangepasst et cetera ist, ist in der Elementarpädagogik für mich nicht machbar. Ich glaube nämlich, dass wir die Schüler überfordern. Wir überfordern sie nicht so sehr mit dem Wissen, das sie erwerben sollen, sondern oft genug mit all diesen Begleiterscheinungen. In der Elementarpädagogik hat das gar nichts verloren! Auch nicht in den ersten beiden Stufen der Sekundarstufe I. Dritte, vierte, völlig in Ordnung. Ja, ich bin auch dafür, ich unterstütze das auch, dass man den Schülern schon in der dritten Klasse Wege zeigt, welche
Berufe es gibt – wie wir das heute in der Fragestunde ja auch schon besprochen haben –, die nicht nur die üblichen drei für die Burschen sind und die anderen üblichen drei für die Mädchen, sondern dass man zeigt, was für Mädchen interessant sein kann, was für Burschen interessant sein kann.
Ich bin ja lange schon eine Verfechterin, die sich mehr Burschen in den Sozialberufen wünscht, vor allem auch an den Schulen als Lehrer, aber auch als Kindergartenpädagogen. Das hat aber natürlich auch damit zu tun – auch das haben wir heute schon besprochen –, dass das ein weiblicher Beruf geworden ist. Der Beruf der Volksschullehrerin ist in Wien zu 98 Prozent weiblich besetzt; er ist auch nicht wirklich gut bezahlt, und da sind die Burschen dahin. Dasselbe gilt für die Kindergartenpädagogen. Also müssen wir auch auf dieser Schiene etwas tun.
Aber ich bin schon dafür, da später anzusetzen – nicht zu spät, wenn es schon fast zu spät ist, aber auch nicht schon in der Volksschule oder am Anfang der Hauptschule oder Neuen Mittelschule und so weiter.
Das Zweite, was ich auch zu bedenken gebe, steht im nächsten Absatz. Auch hier lese ich aus dem Antrag vor:
Im Sinne eines Prozesses sind bewährte, jedoch oftmals punktuelle Maßnahmen wie Berufspraktika, Potenzialanalysen et cetera aufzunehmen.
Bei Berufspraktika, wenn ich das jetzt in Kontext zu dem anderen Absatz stelle, werdet ihr in der ersten und zweiten Klasse Hauptschule rechtliche Probleme bekommen. Das gebe ich jetzt nur zu bedenken, ich halte auch das für viel zu früh.
Ich habe schon gestern bei der Enquete gesagt, dass wir bei der Volksschule ansetzen müssen, dass wir den Kindern mehr Ruhe zum Lernen geben müssen, dass wir sie vielleicht nicht so sehr bespaßen sollten, sondern durchaus sinnvolle Projekte mit ihnen machen sollen, wo sie mehr lernen als vielleicht im Schulunterricht. Aber es gibt schon viele sogenannte schulbezogene Veranstaltungen, die reine Bespaßung sind. Da sage ich, vielleicht nehmt ihr diese Zeit, um mehr Zeit zum Lernen zu haben. Man könnte ja einmal darüber nachdenken, man könnte auch einmal darüber diskutieren.
Aber was auch ganz wesentlich ist – das hat auch gestern der Psychologe, der bei der Enquete war, gesagt –, ist, dass es für die Kinder etwas Wichtiges ist, eine Leistung zu erbringen. Ich habe mir den Namen nicht gemerkt. Da vorne ist er gesessen. (Bundesrätin Zwazl: Dr. Schaufler!) – Ja, genau! Dr. Schaufler hat von einem Versuch berichtet, bei dem Kinder Leistung erbringen mussten und wo sich zeigte, wie stolz sie darauf waren.
Das sage ich ja auch schon seit Langem. Es geht nicht darum, dass ich jedem Kind die Latte unerreichbar hoch lege, sondern es geht darum, auch die Einstellung zu haben, die für mich beste Leistung, die ich erbringen kann, zu erreichen. Das ist auch mit Anstrengung verbunden. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Kinder lernen immer, bei allen Tätigkeiten!)
Es ist aber sehr zufriedenstellend, wenn ich mehr erreicht habe, als ich mir am Beginn zugetraut habe. – Das sind so Dinge, die viel zu wenig Platz im Schulwesen haben. Wir wollen jetzt keine Überforderung herbeiführen und sagen, wir machen Schule jetzt so, denn als Gegenantwort kommt ja dann gleich, dass wir den „Gott Kupfer“ aus dem „Schüler Gerber“ haben wollen. – Nein, das wollen wir nicht! Aber jeder kann mehr, als er sich zutraut. Diese Erfahrung haben wir, glaube ich, alle schon gemacht.
Daher: In der Summe dessen, was dir, Kollegin Zwazl, wichtig ist und was dir wirklich eine Herzensangelegenheit ist, die ich zutiefst respektiere und auch in vielen Teilen
unterstütze, ist in dem Antrag aber für mich zu viel drinnen, das ich einfach nicht so mittragen kann. (Beifall bei der FPÖ.)
11.08
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist unsere Präsidentin Zwazl. – Bitte.
11.08
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Minister! Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Monika Mühlwerth, ich hätte mich wirklich sehr gefreut, wenn wir im Interesse der Kinder einen gemeinsamen Entschließungsantrag gemacht hätten, denn es trennt uns ja nicht so viel.
Ich meine, das mit dem Gendern, ich weiß nicht, was du da hast. Es geht ganz einfach um die Zukunft unserer Kinder. Wir haben gestern gemeinsam diese Enquete „Schlummernde Talente“ gemacht. Wir haben eine Zukunftskonferenz in St. Pölten gemacht, zu der wir auch die Experten eingeladen haben, da uns vereint, dass wir fragen: Wie können wir unsere Jugend gut auf ihr Leben, auf ihre Berufsausbildung vorbereiten? Und: Was machen wir denn, damit sie auch ihre Talente, die in ihnen schlummern, zur Entfaltung bringen? – Denn dann brauchen wir das Ganze nicht. Für mich gibt es nämlich keine frauenspezifischen und männerspezifischen Berufe, sondern für mich gibt es einen Beruf, eine Ausbildung, für den ich geeignet bin, für den ich die Talente und die Begabungen mitbringe, und es geht darum, einem jungen Menschen zu helfen, seine Begabungen zu erkennen und zu entdecken, sich mit dem jungen Menschen und dann mit den Eltern auseinanderzusetzen und ihnen zu sagen: Schau her, was für ein Rohdiamant euer Kind ist, lasst ihn doch in dieser oder jener Richtung ausbilden!
Weil du gesagt hast, wir würden die Kinder überfordern: Bei der Zukunftskonferenz hat Herr Heinzlmaier gesagt, er hat eine Umfrage bei 600 jungen Menschen gemacht und sie gefragt: Wie stellen Sie sich denn Ihre Zukunft vor und welche Unterstützung brauchen Sie? – Und da ist zu unserer großen Überraschung herausgekommen, dass gerade auch die AHS-Schüler gesagt haben: Bitte, wir brauchen – und wir wünschen uns das – mehr professionelle Orientierung.
Und schau: Wann musst du denn ansetzen mit der Ausbildung und mit der Berufsorientierung, mit der weiteren schulischen Ausbildung? – In der dritten Unterstufe, denn da fangen die Eltern bereits an. In der vierten Unterstufe ist ja schon alles abgeschlossen, da wissen ja die Kinder bereits, wo sie hingehen müssen. Da wird nicht geschaut, wofür sie geeignet sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Das ist uns ganz wichtig. Das ist ja der springende Punkt. Deshalb ist uns der Entschließungsantrag so wichtig, weil wir sagen: Wir brauchen ein Miteinander, wir brauchen einen Schulterschluss mit den Kindern, mit den Eltern, mit den Schulen, damit wir das aufzeigen können, damit unsere Kinder die Ausbildung bekommen, die Betreuung bekommen, die sie zur Entfaltung und zur Entwicklung brauchen.
Du hast den Kindergarten angesprochen. Ich habe mich schon sehr geärgert, als meine Kinder im Kindergarten waren und es diese Arbeitsblätter gab. Da ist zum Beispiel überhaupt nicht vorgekommen, dass man sich selbständig machen kann, dass es eine Vielfalt an Berufen gibt. Darum: Dass sich Kinder das Bild der Arbeitswelt abrufen können, dazu muss ich ihnen auch die Chance geben. Darum denke ich, dass wir unseren Kindern mit einer entsprechenden professionellen Beratung irrsinnig viel helfen und sie unterstützen können.
Zu dem von dir angesprochenen Dr. Schaufler: Ich bin sehr dankbar, dass er dir gefällt und du ihn unterstützt. Denn das Projekt mit Herrn Dr. Schaufler ist eine Initiative der
Wirtschaftskammer und des AMS, wo wir gesagt haben: Was brauchen denn unsere Kinder, die es nicht geschafft haben – am ersten oder manchmal sogar am zweiten Weg –, die richtige Ausbildung zu bekommen? – Wir betreuen in diesem Projekt junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren, die bis jetzt noch immer keinen Platz in unserer Arbeitswelt, in unserer Ausbildung bekommen haben, mit einer tiergestützten Therapie.
Du siehst: Wir wissen, was wir wollen, was wir glauben. Wir fragen die Jugend: Was wollt ihr? – Und dann suchen wir uns Experten, die uns an die Hand gehen und unsere jungen Leute unterstützen.
Ich denke, in dem Entschließungsantrag ist nichts drinnen, als dass wir sagen: Wie können wir unsere Kinder besser unterstützen? – Es geht auch nicht um eine alleinige Zuweisung, sondern darum, die Eltern mehr einzubinden, die Schulen mehr einzubinden und das ganz einfach professionell zu tun.
Wir haben die jungen Leute gefragt, wir, der Bundesrat, in unserer Zukunftskonferenz haben die jungen Leute gefragt, was sie sich wünschen, was sie wollen, was sie brauchen. Das ist alles in dem Entschließungsantrag drinnen. Ich hätte mich wirklich extrem gefreut, wenn es euch möglich gewesen wäre, hier mitzugehen.
Ich möchte euch noch einmal einen Satz von Hengstschläger zitieren, den er bei der Zukunftskonferenz gesagt hat – das ist mir wichtig –: Individualität ist die beste Antwort in der Gegenwart auf die unbekannten Fragen der Zukunft.
Daraus ergibt sich mehr als schlüssig, dass wir auf kein Talent verzichten können. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, wir sind alle verschieden. Wie hebt man am besten die Talente, die Begabungen, damit unsere Kinder in eine zufriedene, glückliche Zukunft gehen? Es ist wichtig, dass man ihnen hilft, sich selbst zu erkennen, ihre Begabungen, ihre Talente, und sie da unterstützt. Dazu brauchen wir einen Schulterschluss mit allen. Deshalb bitte ich um Unterstützung dieses Entschließungsantrages. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
11.14
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.
11.14
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte gerne, bevor ich ausführlicher über die Gruppe der Betroffenen rede, kurz auch noch zu deinen Ausführungen, Kollegin Mühlwerth, Stellung nehmen.
Ich glaube, du machst zwei Fehler. Der erste Fehler ist, du zitierst aus einem Entschließungsantrag, aber nicht aus der Entschließung, sondern aus einem Einleitungstext. Wir beschließen in Wirklichkeit dann das, was die Maßnahmen sind. – Das ist das eine. Aber das ist mir noch weniger wichtig. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Das Wichtigere ist der Anfang deiner Rede. Was du machst, ist, das Thema zu individualisieren: den Jugendlichen/die Jugendliche selbst dafür verantwortlich zu machen, dass er quasi keinen Abschluss hat. – So ist es aber nicht. Die allermeisten Jugendlichen – das haben wir gestern in der Enquete auch ganz deutlich gehört – wollen einen Abschluss, wollen eine Arbeit. Das sind nicht die Verweigerer, die sich irgendwo in den Parkanlagen herumtreiben. Nein, um die geht es nicht.
Es geht darum, dass wir strukturelle Defizite haben. Dafür sind wir verantwortlich, alle gemeinsam, wie es die Frau Präsidentin ja auch gesagt hat, nicht nur politisch, sondern auch wir in der Wirtschaft. Alle sollen da zusammenhelfen, auch wenn wir in Österreich gute Voraussetzungen haben und eine relativ geringe Arbeitslosigkeit bei
den Jugendlichen, was auch ein Erfolg des Bildungssystems ist, da unser Bildungssystem eben viele Jugendliche schon auf die Arbeitswelt vorbereitet. Es gibt in dem Bereich ja schon sehr vieles, nicht nur die berufsbildenden Schulen, die sehr wichtig sind, auch Berufsorientierung wird in unseren Schulen bereits gemacht, und zwar schon sehr lange und in einem hohen Ausmaß.
Gerade die Neuen Mittelschulen zeigen sehr deutlich, wie gut es funktionieren kann, Berufsorientierung nicht nur in der Theorie zu „unterrichten“ – unter Anführungszeichen. Man sieht ja nicht, was ein Beruf ist, wenn das jemand erklärt, sondern man muss hingehen, man muss etwas spüren und man muss etwas sehen. Dann kommt es wirklich zu einer guten Berufsorientierung. Das wird auch gemacht, vor allen Dingen in den Neuen Mittelschulen. Deshalb ist es auch so gut, dass die ins Regelsystem übergeführt werden und alle dann Neue Mittelschulen sein werden, weil da das gewährleistet ist.
Was uns allerdings fehlt, ist dieser Bereich in den AHS. Das muss man ehrlicherweise sagen. Da gibt es eigentlich gar nichts. Das hat natürlicherweise auch Gründe. Das ist der Bereich, in dem wir wirklich tätig sein müssen, was das Schulsystem betrifft. Denn eines ist auch klar: Jeden Schüler und jede Schülerin, die wir im Schulsystem halten, die brauchen wir nachher nicht in irgendwelchen Maßnahmen zu behandeln. Es geht eben um diese Jugendlichen – je nachdem, was die Statistik gerade sagt: die einen sagen, es sind 75 000 Jugendliche, nach einer anderen Statistik sind es fast 130 000; es ist ohnehin jede einzelne und jeder einzelne zu viel. Wenn wir diese durch verschiedene Maßnahmen, die innerhalb der Schule passieren können, noch länger im Schulsystem halten können, dann brauchen wir nachher nicht zu reagieren. Es ist immer besser zu agieren als zu reagieren.
Wer sind jetzt eigentlich diese Jugendlichen, von denen wir reden? – Weil du es immer mit dem Gendern hast, ich weiß nicht, ich glaube, irgendwann mache ich einmal ein Privatissimum. Als Gender-Beauftragte des Landesschulrates Salzburg könnte ich jetzt eine Stunde über Gender reden. Das tue ich aber jetzt nicht, da die überwiegende Mehrheit weiß, worum es dabei geht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, ich mache es nicht, ich mache es eh nicht. Aber vielleicht werde ich einmal vom ÖVP-Klub eingeladen und kann dort einmal einen Vortrag halten.
Es gibt zum Beispiel auch unterschiedliche Ursachen bei Mädchen und bei Burschen, warum jemand ein sogenannter NEET-Jugendlicher wird. Bei den Mädchen kommt einfach zu all diesen Ursachen, die gegeben sind, wie eben Schulabbruch, Bildungsniveau der Eltern, Bildungsferne der Eltern, sehr oft noch der Grund dazu, dass sie Pflegedienste leisten; entweder weil sie sehr früh schwanger werden, was oft ein Grund für Schulabbruch oder eben Nichtweiterführung der Ausbildung ist, oder – auch das dürfen wir nicht vergessen – es gibt auch Familien, in denen die Mädchen die Eltern pflegen müssen. Das gibt es. Davon sind die Burschen so gut wie nicht betroffen.
Das nennt man zum Beispiel auch, einen genderorientierten Blick auf eine Zielgruppe zu richten. Da ist wirklich nichts Schlimmes dabei.
Wie schaffen wir jetzt den Ausstieg? – Darüber ist jetzt noch gar nicht geredet worden, und das war eigentlich gestern das Hauptthema: Was tun wir mit den Jugendlichen, die eben in so einer Situation sind? – Da gibt es auch wieder Unterschiede zwischen Mädchen und Burschen, zwischen Jungen und Frauen. Weibliche Jugendliche können wir bei der aktiven Arbeitssuche unterstützen. Grund für die Situation ist oft der Wohnort. Die Frage wird also lauten: Wo wohnen sie, und können sie dort an irgendwelchen Maßnahmen teilnehmen? Bei den männlichen Jugendlichen ist oft ein Grund, dass sie von irgendeiner Krankheit betroffen sind, von irgendeiner Behinderung. Und
wenn man das zum Beispiel wieder verändern kann, dann schaffen sie auch besser einen Ausstieg.
Es ist klar, ein NEET zu sein, das ist für den individuellen Menschen etwas Schlimmes, das ist nichts, was irgendjemand möchte. Das bringt natürlich auch gravierende Nachteile für diese Personen mit sich. Es erfolgt eine Art von Entfremdung, sie haben dann keinen sozialen Bereich mehr, dem sie angehören. Sie sind quasi vereinzelte Personen, die irgendwo herumschwirren. Wozu führt das? – Das kann auch zu Jugendkriminalität führen, keine Frage. Es kann zu Gesundheitsproblemen führen, es kann zu sozialer Entfremdung, zu politischer Entfremdung sowieso führen.
Es kann nicht unser Ziel sein, dem einfach zuzuschauen. Deshalb gibt es diese vielen Maßnahmen, die ich jetzt nicht mehr alle einzeln anführe, weil wir gestern in der Enquete sehr ausführlich darüber geredet haben.
Es geht darum – Frau Präsidentin Zwazl hat es auch gesagt –, den Einzelnen/die Einzelne dort abzuholen, wo er/sie gerade steht. Es geht darum, Individualisierung, die wir auch im Schulsystem schon verankert haben, weiterzuführen, genau bei den Bedürfnissen anzusetzen, niederschwellig zu arbeiten, flächendeckend alle zu erfassen, wie das ja auch schon in Ansätzen vorhanden ist, rechtzeitig einzugreifen und dadurch auch wirklich ein Ergebnis zu erzielen.
Etwas, das auch gemacht wird und gestern mehrmals angesprochen worden ist, ist das Jugendcoaching. Wir wissen, dass das jetzt in Österreich seit 2013 flächendeckend eingeführt ist. Und ich muss sagen – ich kenne es auch aus Salzburg, und vielleicht wirst du, Kollege Dönmez, als mein Nachredner noch ein bisschen näher darauf eingehen, weil du damit schon gearbeitet hast –, das ist wirklich eine Maßnahme, die den Jugendlichen hilft. Tausende Jugendliche werden so wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert, weil es da auch zu dem kommt, was erstrebenswert ist: dass alle an einem Strang ziehen.
Was könnte man noch machen? – Es gibt einige Dinge, die man noch machen könnte. Es muss vielleicht auch noch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geben, sogenannte Zweite-Arbeitsmarkt-Beschäftigungen für Jugendliche, die eben nicht den Bildungsabschluss erreichen, den der Arbeitsmarkt heute verlangt. Die gibt es ja auch. Es gibt auch Jugendliche, die das nicht schaffen. Und da können wir nicht zuschauen, wie diese dann auf der Straße stehen.
Das heißt, das wäre schon auch noch einmal etwas, das sich im wirtschaftlichen Bereich tun lassen müsste, denn wir wissen, dass es diese Arbeitsplätze ja immer weniger und weniger gibt. Davon sind nicht nur die NEET-Jugendlichen betroffen, sondern viele Menschen, die eben kein bestimmtes Bildungsniveau erreicht haben. Wir wissen ja auch, dass die Arbeitslosenzahlen sehr stark davon abhängen, was jemand gelernt hat, auf welchem Bildungsniveau er oder sie steht. Da, denke ich, wäre doch noch einiges zu tun.
Gesundheitsprobleme kann man vielleicht auch im Vorfeld lösen, nämlich dass ein Gesundheitsproblem zum Beispiel nicht dazu führt, dass jemand aus einem Arbeitsprozess, aus einer Lehre, aus irgendeiner Schulung et cetera hinausfällt.
Man darf auch nicht vergessen, dass es Jugendliche gibt, die keine Mobilität haben, die irgendwo auf dem Land wohnen, wohin kein Bus fährt. Das heißt, die Mobilitätsfrage ist auch ein Thema, das wir uns anschauen sollten.
Das heißt, es gibt viele Themen. Das, womit ich mich am wenigsten beschäftigen will, ist das Individuum als Ursache, sondern ich will mich eben mit den strukturellen Ursachen auseinandersetzen, denn das ist unsere Aufgabe, und da können wir auch etwas tun.
Deshalb bin ich froh, dass dieser Entschließungsantrag gemacht worden ist. Auch wenn er jetzt nicht von allen unterstützt wird, die große Mehrheit, Frau Präsidentin, unterstützt dich und deine Anliegen, weil es die österreichischen Anliegen sind und auch unsere Anliegen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
11.24
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
11.24
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Ministerin, auch Sie herzlich willkommen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Entschließungsantrag etwas sage, erlauben Sie mir, einige Worte zur Enquete anzumerken.
Liebe Ana Blatnik, liebe Sonja Zwazl, ich möchte euch beiden wirklich recht herzlich danken, dass ihr dieses wichtige Thema „Bildung und Arbeitsmarkt“ aufgegriffen habt. Das wird uns in Zukunft noch viel mehr beschäftigen.
Ich habe ein Ersuchen an euch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Schauen wir, dass wir als Bundesrat der Motor, der Thinktank für diese Republik in diesen Fragen werden! Wir haben uns jetzt in den letzten Monaten eine Expertise und auch in der Öffentlichkeit ein Standing erarbeitet. Wir haben Experten/Expertinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen eingeladen, wir haben hier mittlerweile sehr viel Wissen und Know-how konzentriert. Es wäre schade, wenn das in den nächsten Präsidentschaften oder auch Themensetzungen verlorengehen würde.
Daher mein dringender Appell und mein Ersuchen: Schauen wir, dass wir auf diesen zwei wichtigen Themen draufbleiben, dass wir eben hier ein Branding haben, dass wir als Bundesrat auch in der Öffentlichkeit als der Motor für innovative Ideen wahrgenommen werden! Denn wir sind nicht die verstaubte Länderkammer, und wir können genau durch solche praxisnahen Aktivitäten auch wieder die Aufmerksamkeit und auch das Standing in der Bevölkerung bekommen.
Daher halte ich es für sehr, sehr wichtig, dass wir bei den zukünftigen Schwerpunktsetzungen wirklich in diesen beiden Bereichen, Bildung und Arbeitsmarkt, bleiben. Und egal, welcher Partei man angehört, das wird uns alle interessieren!
Jetzt haben wir zum Beispiel während deiner Präsidentschaft, Kollegin Zwazl, die Jugendlichen in den Fokus genommen. Wir könnten uns zum Beispiel bei einer späteren Folge die älteren Arbeitnehmer anschauen oder auch jene Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen.
Das wäre mein Ersuchen, dass auch ihr in der Präsidiale, geschätzte Klubobmänner und Klubobfrauen, euch in diese Richtung austauscht. – Das einmal zum einen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Was den Entschließungsantrag betrifft: Natürlich werden wir diesen unterstützen. Er geht in die richtige Richtung. Ich habe es gestern nur am Rande erwähnt aufgrund der Zeit: Ich habe in meinem Beruf für einen freien Träger als Leiter gearbeitet, wo ich unter anderem diese NEETs-Gruppe mitbetreut habe. Jugendcoaching ist einer unserer Aufgabenbereiche, und der Bereich der IWA. „IWA“ bedeutet „Individuelle Wege zur Arbeit“.
Das sind erwachsene junge Menschen, und von den Plätzen, die ich zur Verfügung gestellt habe, waren alle belegt. Alle diese Jugendlichen – da war kein einziger dabei, der sich vor der Arbeit gedrückt hat – wollten arbeiten, die möchten alle arbeiten.
Aber was denen – neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die sie oft hatten – meistens gefehlt hat, ist diese soziale Komponente. Das ist sehr im Kommen, das, glaube ich, wird noch gar nicht so wahrgenommen. Viele haben wirklich Probleme mit dem Selbstwert, mit dem Auftreten, teilweise damit, wie man sich wo benimmt – für uns selbstverständlichste Dinge: Begrüßen, zeitig dort sein und solche Sachen.
Wenn ihr irgendwo Betriebe habt, Kontakte habt, die diesen jungen Menschen eine Chance geben könnten, dann bitte her damit. Ich bin gerne bereit, diese Kontakte herzustellen, auch als Ansprechpartner für diese Firmen da zu sein und auch den Kontakt mit den Jugendlichen und mit den zuständigen SozialpädagogInnen herzustellen. Es ist extrem wichtig!
Wenn wir hier von einer immer größer werdenden Gruppe, teilweise von jungen Erwachsenen sprechen, die – aus welchen Gründen auch immer – auf dem Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen können, dann hat das auch mit unserer Art und Weise, wie wir Wirtschaft insgesamt gestalten und wie wir Leistung definieren, etwas zu tun.
Denn wenn für unsere Wirtschaft die Maxime ist, Gewinn zu maximieren und größtmöglichen Profit zu schlagen, dann ist die natürliche Conclusio daraus, dass manche, die diesem Leistungsdruck nicht standhalten können, dabei unter die Räder geraten. Und das ist dann die Gruppe der NEETs, die eben gesundheitliche Probleme haben, aus einem familiär problematischem Umfeld kommen und eine schlechte oder gar keine Schulausbildung haben. Und dieser Druck wird ein immer größerer.
Das heißt, wenn wir da den Fokus drauflegen, muss man das auch ehrlicherweise in den politischen Diskussionen miteinfließen lassen, dass das die Begleit- und Randerscheinungen eines Wirtschaftssystems sind, das viel mehr auf Leistung und Profit und Gewinnmaximierung den Fokus legt, und jene, die eben diese Leistung nicht erbringen können, da noch mehr unter Druck geraten.
Darum ist es wichtig, dass wir uns Gedanken darüber machen und hier ganz konkrete Schritte setzen. Wir werden natürlich euch und uns alle auf diesem Weg bestmöglich begleiten und unterstützen! – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
11.29
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, möchte ich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner recht herzlich bei uns hier im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort. – Bitte.
11.30
Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin! Gospa president! Poštovane gospe ministre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich möchte mich – so wie du, Efgani – bei der Sonja, bei Präsidentin Sonja Zwazl auch dafür bedanken, dass sie die Arbeit an diesem Schwerpunkt, der für uns beide wichtig ist, fortgesetzt hat. Und ich appelliere genauso wie du, lieber Efgani, dass dieser Schwerpunkt im Bundesrat fortgesetzt werden nicht nur soll, sondern muss, denn es geht hier um Talente!
Talente sind diejenigen, die die Arbeit gut machen, diejenigen, die praktisch die Arbeit mit viel Spaß machen. Das sind diejenigen, die bei der Arbeit ein Erfolgserlebnis haben und dadurch Selbstwert, ein Selbstwertgefühl bekommen. Das ist etwas, was wir unbedingt haben oder ermöglichen müssen.
Ich möchte bei diesem Thema oder bei diesem Entschließungsantrag, so wie auch gestern bei der Enquete, selbstverständlich die Rolle der Frau ansprechen. Vor allem: Welche Berufe werden von Frauen ausgewählt? Es gibt über 200 Berufe – das haben
wir in der Fragestunde eigentlich schon diskutiert –, und unsere Intention sollte es sein, bei allen jungen Menschen, nicht nur bei den Frauen allein, ein Bewusstsein für diese Vielfalt zu wecken, sie zu motivieren, diese Vielfalt wirklich auch in Anspruch zu nehmen.
Ja, Monika, ich bin deiner Meinung: Es wäre super, wenn junge Menschen sich mehr für Kindergarten-Pädagogika motivieren könnten, wenn es mehr Volksschullehrer gäbe, wenn es mehr Männer in den Sozialberufen gäbe. Ich behaupte eigentlich auch: Gerade in den Sozialberufen hätten wir, wenn da mehr Männer vertreten wären, auch eine bessere Entlohnung!
Noch einen Punkt: Ja, es soll auch die Wahlfreiheit bestehen. Na selbstverständlich soll sich jeder junge Mensch, ob Bursch oder junge Frau, selbst entscheiden, welchen Beruf er oder sie ausüben möchte!
Fakt ist aber auch – das hast du, liebe Susanne, schon erwähnt, und ich möchte jetzt nicht werten, bitte, diese drei Berufe sind wichtig, wirklich wichtig! –, Fakt ist, dass sich Frauen für drei Berufe entscheiden: Friseurin, Sekretärin und Verkäuferin. Da muss man sich vielleicht fragen: Warum?
Punkt eins zu den Berufen: Sie sind schlecht bewertet. Konkret heißt das, dass diese Berufe schlecht oder niedrig entlohnt werden und dass man in diesen Berufen nicht so diese große Karrierechance hat, sondern eine eher schlechte Karrierechance.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Armut ist weiblich. Ich muss auch praktisch hinterfragen: Warum ist es denn so? – Ich bin Berufsschullehrerin, und es entsetzt mich immer wieder, wenn ich in der Klasse von Verkäuferinnen unterrichte und sie mir sagen: Ich muss Ihnen schöne Grüße von der Mutter ausrichten! – Nicht nur die Bildung ist vererbbar, auch der Beruf ist vererbbar. Das ist der erste Punkt.
Zweiter Punkt: Ja, ich glaube auch, dass die Rolle der Frau bei der Berufsauswahl eine große Rolle spielt. Es sind noch immer die Frauen diejenigen, die großteils die unbezahlte Arbeit machen. Wenn ich von unbezahlter Arbeit spreche, dann meine ich Erziehungsarbeit und Haushalt. Es hat sich schon vieles geändert, wir sind auf dem Wege einer Veränderung, nur: Es muss sich noch vieles tun!
Dass sich etwas verändert hat, möchte ich auch beweisen oder ein Beispiel dafür nennen. Berufsschullehrerin – ich habe es schon gesagt – bin ich mit Leib und Seele. Ich unterrichte in einer Betriebslogistik-Klasse, und da haben wir nicht nur Männer. Es sind auch Frauen, die ihre Arbeit gut machen, wirklich gut! Sie sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als die jungen Burschen, die sich für die Betriebslogistik entschieden haben.
Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir werden als Mädchen geboren, wir werden aber zu typischen Frauen gemacht. – Das einfach so vielleicht als Denkanstoß.
(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)
Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
11.35
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme der dem Ausschussbericht angeschlossenen Entschließung ihre Zustimmung erteilen, um
ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (E 244/BR-2015.)
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015) (582 d.B. und 610 d.B. sowie 9372/BR d.B. und 9379/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zum 3. Tagesordnungspunkt.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schödinger. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Gerhard Schödinger: Sehr geehrtes Präsidium! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BFA-Einrichtungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden – Fremdenrechtsänderungsgesetz.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Herbert. – Bitte.
11.37
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der – wie Sie ja alle auch medial vernommen haben – aktuellen, sehr großen Flüchtlingsströme nach Europa und der damit auch für Österreich in Zusammenhang stehenden großen Herausforderungen, die sich damit wohl auch für unser Land ergeben, sollte man eigentlich annehmen, dass eine Regierungsvorlage für ein Asyl- und Fremdenrecht nachhaltig und effizient sein sollte.
Bei dieser Regierungsvorlage, die wir heute diskutieren, ist genau das Gegenteil der Fall! Sie ist weder nachhaltig noch effizient und stellt eigentlich die gescheiterte Asyl- und Fremdenpolitik dieser Bundesregierung in den vergangenen Jahren einmal mehr leider sehr eindrucksvoll unter Beweis. (Bundesrat Mayer: Nun zur Lösung: Was würdet ihr machen?) – Warte ein bisschen, lass mich ausreden, Kollege! Sei nicht übermütig, ich rede ohnehin noch ein bisschen. (Bundesrat Mayer: Na ja, was geredet wird ...!) Gut aufpassen, dann kannst du vielleicht noch etwas lernen! (Heiterkeit bei der SPÖ.)
Gerade diese Herausforderungen, die ich hier angesprochen habe – Kollege Mayer, gut aufpassen! –, die sollten wir einmal grundsätzlich differenzieren: Wer braucht tatsächlich Asyl? Und wer will eigentlich nur am wirtschaftlichen Vermögen des österreichischen Staates aus eigenwirtschaftlichen Interessen mit partizipieren? (Bundesrat Füller: Der Inspektor wird es schon wissen!)
Ich entnehme den Medien – und das ist Ihre Aussage, Frau Bundesminister, oder zumindest die kolportierte Aussage –, für heuer werden 70 000 Flüchtlinge allein in Österreich erwartet. Wenn ich, auch den Medien entnehmend, hier ausführen darf, dass wir mit der Einführung der Grenzkontrollen im Rahmen des G7-Gipfels bereits in den ersten paar Tagen 160 Aufgriffe von illegalen Grenzübergängern hier in Österreich gehabt haben, und wenn ich das Bild damit abrunde, dass drei Viertel aller Asylanträge von Antragstellern hier in Österreich mangels rechtlicher Grundlagen abgelehnt werden, dann denke ich, dass es hoch an der Zeit wäre, hier endlich tatsächliche, griffige Maßnahmen zu ergreifen!
Ich gebe Ihnen dahin gehend – und da bin ich beim Kollegen Mayer – ein bisschen recht, dass Sie es nicht ganz leicht haben, denn immerhin lässt Ihre hochgelobte EU Sie, Frau Bundeminister, aber auch die Republik Österreich da in einem riesigen Ausmaß im Stich. Es gibt hier keine klare Lösung. Im Gegenteil, die Dublin-Maßnahmen, die ja schon mehrfach evaluiert wurden, werden von den Mitgliedsländern nicht eingehalten. Sie werden nicht eingehalten, und es gibt auch keine Sanktionen. Es gibt auch keine Maßnahmen seitens der Europäischen Union, sich dagegen irgendwie auch nachhaltig zu verwahren, sage ich jetzt einmal.
Österreich wird einfach im Stich gelassen, und da vermisse ich schon jenen Aufschrei aus der Bundesregierung, speziell von Ihnen, Frau Bundesminister, wo man hier klar dieser Europäischen Union vermittelt, wir anerkennen unser Bestreben in der Flüchtlingspolitik. Wir haben eine großartige Geschichte in der Flüchtlingspolitik. Ich denke hier an Ungarn, ich denke hier an Tschechien, ich denke hier an den Bosnien-Krieg. Aber irgendwo muss das doch ja wohl auch ein Ende haben!
Wenn ich mir hier die Zahlen anschaue – ich darf noch einmal daran erinnern: 70 000 für heuer, prognostiziert von Ihnen, Frau Bundesminister –, wenn ich sehe, wie wir diese Flüchtlinge alle irgendwie servicieren, mit Zeltstädten, die natürlich auch in der Bevölkerung massive Unannehmlichkeiten mit sich bringen und damit auch, politisch gesehen, eine Maßnahme darstellen, die absolut ungeeignet ist, die aber auch einer politischen Lösung, ich würde sagen, keinesfalls gerecht werden können, dann denke ich mir, hier hat diese Bundesregierung, hier haben Sie, Frau Bundesministerin, einmal mehr versagt.
Zur Regierungsvorlage selbst: Es ist eigentlich die Prolongierung jener Dinge, die ich schon angeführt habe, und eigentlich die Fortsetzung jener Ausflüsse, die schon im Vorfeld zu diesen dramatischen Ereignissen geführt haben. Wenn ich hier sehe, es soll ein beschleunigtes Verfahren in den Asylverfahren geben, aber dann im zweiten Absatz gleich einmal lese, dass das eine Kann-Bestimmung ist, die natürlich auch wieder überschritten werden kann, dann frage ich mich, wozu man das überhaupt hineinschreibt – außer, man will den politischen Willen erzeugen. Man verkündet hier eine neue Frohbotschaft an die geschundene Bevölkerung, die von der Asylproblematik ohnedies schon mehr als genug hat, und man verkauft hier einmal mehr eine Maßnahme, die man dann ohnedies nicht wirklich in diesem Ausmaß zu erfüllen gedenkt.
Da komme ich gleich zum § 15, dieser großangelegten Mitwirkungspflicht, die von Ihnen der Bevölkerung noch in der letzten Regierungsvorlage in dieser Asyl- und Fremdenrechtsdiskussion als große, heilbringende Maßnahme verkauft wurde: dass sich die Asylsuchenden am Standort der Erstaufnahmezentren aufhalten müssen, um einfach das Asylverfahren sicherzustellen. Das war von Anfang an totes Recht, Frau Bundesminister, totes Recht! Es gab weder einmal ein Verfahren für jemanden, der sich an diese Bestimmung nicht gehalten hat, noch wurde diese Bestimmung jemals exekutiert. Daher wurde sie wohl auch zu Recht jetzt wieder herausgenommen.
Aber das ist einmal mehr genau jene Art von Politik, wo man der Bevölkerung Sand in die Augen streut, wo man verkündet, hier wird eine große, neuartige Lösungsmaßnahme präsentiert, und wo dann im Nachhinein herauskommt: Heiße Luft, nichts dahinter, nur Schimäre! (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn ich dann noch überleiten darf zu Ihrer Ankündigung, die Rechtsberatung solle wieder in den hoheitsrechtlichen Bereich übergeführt werden, nämliche jene Rechtsberatung, die bisher von den NGOs betreut wurde und die auch weiterhin bei den NGOs verbleibt, dann frage ich mich schon, Frau Bundesminister: Wie hoch ist Ihre Durchsetzungskraft?
Immerhin sollte man sicherstellen, dass eine einheitliche Rechtsberatung durch die hoheitsrechtliche Verwaltung nicht nur auch eine klare Botschaft des Willens dieser Bundesregierung sicherstellt, sondern es würde wahrscheinlich auch erheblich billiger kommen, diesen finanziell doch sehr lukrativen Bereich nicht an Organisationen auszugliedern, die damit wohl einen wesentlichen Gutteil ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse sicherstellen. Wobei wir wieder bei der Frage sind: Warum passieren Dinge in der Republik Österreich so, wie sie passieren? – und ob vielfach der politische Wille und nicht auch gleichzeitig die wirtschaftliche Unterstützung für die eine oder andere vorgelagerte Organisation von SPÖ und ÖVP hier im Vordergrund stehen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich sage daher, Sie haben mit diesem Bundesgesetz einmal mehr kläglich versagt. Nicht erfüllt wurde zum Beispiel die verpflichtende Prüfung, ob ein Asylgrund, nachdem er einem Asylwerber beschieden wurde, auch in weiterer Folge nachweislich besteht. Es ist ja nicht gesagt, dass, nur weil jemand einen Asylgrund geltend macht, dieser Grund auch in weiterer Folge dauerhaft rechtlich von Belang oder von Bedeutung sein kann oder muss. Das ist in dieser Regierungs-Novelle einmal mehr nicht passiert.
Ebenso ist nicht passiert, dass es eine Maßnahme dafür gibt, abgewiesene Asylwerber, insbesondere solche, die straffällig geworden sind, wieder zurückzuweisen in ihre Herkunftsstaaten oder gemäß Dublin-Verfahren entsprechend nachhaltig in den Staat, wo sie erstmals um Asyl angesucht haben, rückzuführen. Auch das ist nicht passiert! Es gibt hier keine nachweisliche, keine griffige Maßnahme dafür.
Schon gar nicht gibt es ein griffiges Konzept dafür, wie man mit der Schlepperkriminalität umgeht. Wir haben da die Idee von ein paar SOKOs, die irgendwie selbstständig und irgendwie einigermaßen erfolgreich im Rahmen ihrer kleinen Möglichkeiten agieren – wir haben da motivierte Beamte, die ihr Bestes geben –, aber es gibt kein politisches Konzept dafür. Es gibt weder eine Sicherstellung von erforderlichen finanziellen Mitteln, noch gibt es eine Dienststellenstruktur, noch gibt es eine Beamtenstruktur. Es gibt wohl eher etwas, was man eine als Medienzentrum zu behandelnde Organisationseinheit oder Organisationsstruktur nennen kann, wo man vermeintlich immer wieder gute Erfolge hat, die temporär wiederkehren und der Öffentlichkeit als großer Erfolg verkauft werden.
Das alles ist höchst unzufriedenstellend, Frau Bundesminister, wie auch dieses gesamte Gesetz oder diese gesamte Regierungsvorlage. Ich fordere Sie daher einmal mehr auf zu einer sofortigen Schließung der Grenzen, zu einer Einführung von Grenzkontrollen, insbesondere unter dem Aspekt der hier drohenden großen Flüchtlingsströme nach Österreich. Das sind laut Ihren kolportierten Zahlen 70 000, die ich hier noch einmal in Erinnerung rufen darf. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich fordere Sie auch auf, in der Europäischen Union nicht nur als stiller und devoter Statist zu agieren, sondern dort nachhaltig die Interessen von Österreich (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) in sicherheitspolizeilicher Hinsicht sicherzustellen, und zwar besonders in diesem Fremden- und Asylbereich. Das erwarte nicht nur ich mir
von Ihnen, sondern auch die Österreicher und Österreicherinnen, die mit dieser ungelösten Asylfrage sehr große Emotionen verbinden und die wohl zu Recht einfordern, dass hier eine Innenministerin endlich die richtigen, rechtlich gesicherten, aber auch sicherheitspolizeilich notwendigen Schritte setzt.
In diesem Sinne darf ich Sie auffordern: Handeln Sie, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)
11.49
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Perhab. – Bitte.
11.49
Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen vor den Fernsehgeräten! Sollten Sie jetzt die Rede meines Vorredners, des Herrn Kollegen Herbert, mitverfolgt haben, dann haben Sie eine Begründung geliefert bekommen, warum es in Österreich so schwer ist, dieses Über-Mega-Problem Asyl beziehungsweise Flüchtlingsdrama zu lösen. Wenn wir uns die Entwicklung ansehen und hier die Frau Minister zur Schuldigen stempeln, ist das in meinen Augen so was von unverfroren, wenn man sich die Entwicklung ansieht (Zwischenruf des Bundesrates Herbert): 2008, Herr Kollege, hatten wir 8 000 Asylanträge – 2008. Heuer werden es, wie Sie erwähnt haben, zwischen 50 000 und 70 000 sein!
Die Welt hat sich dramatisch verändert, das wissen wir alle, wir alle bekommen die Bilder tagtäglich geliefert. Meine Konsequenz daraus als verantwortungsvoller, möchte ich sagen, Mandatar wäre, dass es in Österreich einen nationalen Schulterschluss in dieser Frage geben muss (Zwischenrufe bei der FPÖ), einen nationalen Schulterschluss von der Bundes- bis zur Gemeindeebene, um diese Problematik in Zukunft überhaupt zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)
Der einzige Lösungsvorschlag von dir, Herr Kollege, war: Die Grenzen schließen! – Wir leben im 21. Jahrhundert, wir werden nicht wegen 50 000 Asylanträgen unsere Grenzen schließen. Wir leben in einem vereinten Europa, und dann gibt es noch eine Menschenrechtskonvention. Wie viele von den 50 000 Asylanträgen sind denn syrische Flüchtlinge? Willst du ihnen das Asyl auch verwehren? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das steht in der Menschenrechtskonvention: Die haben einen Asylgrund! Die werden auch Asyl in Österreich bekommen, das ist keine Frage. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
Zu den Details dieser Regierungsvorlage: Das ist die zwölfte Novelle in zehn Jahren. Warum ist das die zwölfte Novelle? – Weil sich Jahr für Jahr die Situation drastisch verändert und wir unsere Ministerin da nicht im Regen stehen lassen. Sie versucht das Beste, auch wenn wir gestern wieder gehört haben, dass das auch innerhalb unseres Regierungspartners nicht so gesehen wird. Ich meine, das Interview des Herrn Bürgermeisters von Traiskirchen war ja grenzwertig in dieser Sache.
Das Aufstellen von Zelten in der Sicherheitsdirektion in Traiskirchen ist eine Notmaßnahme. In Bayern stehen seit zwei Jahren diese Zeltstädte, keiner regt sich darüber auf, und es gibt keine Medienabhandlung. (Bundesrat Herbert: Super! Das ist die Zukunftspolitik ...!) Ich war einmal Einjährig-Freiwilliger beim Bundesheer, da habe ich von so einem Zelt in der Ausbildung nur geträumt, davon, dass es solche Zelte gegeben hätte! (Bundesrat Herbert: Auch im Sicherheitsbereich ...!) Ich möchte nur sagen, es ist alles relativ. Es ist eine Übergangslösung – eine Übergangslösung, daher bedarf es einer konzertierten Aktion.
Ich möchte gar nicht auf die Zahlen hinweisen, die heute ohnehin alle in den Medien stehen. Wir haben immer noch sieben Bundesländer, die hier die Quote nicht erfüllen. Ich appelliere auch an die NGOs, an die Caritas und an solche Institutionen: Machen wir Klöster auf! Machen wir Kasernen auf! Machen wir sie auf als Notunterkünfte! Keine Frage, auch diese kirchlichen Organisationen müssen in dieser Frage einmal Farbe bekennen. Das muss ich ebenfalls sagen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war öfters unterwegs auf EU-Meetings, bei interparlamentarischen Treffen. Hier steht – und da gebe ich dem Kollegen Werner Herbert recht, zumindest teilweise recht –, dass Dublin II und Dublin III nicht funktionieren. Das ist, möchte ich sagen, Stand der Diskussion. Aber wie setzen wir uns durch? – Gerade unsere Frau Minister war vorige Woche wieder beim Ministerrat, sie fordert vehement eine europäische Quotenlösung ein. Was ist daran destruktiv? Was ist schlecht daran? – Ich glaube, das ist die zukünftige Lösung!
Ich verstehe schon, dass sich Bulgarien, Tschechien und so weiter dagegen wehren. Tschechien hat, glaube ich, jetzt von diesen Flüchtlingen 15 Asylanten aufgenommen, Slowenien 25 oder solche Dinge, da gibt es ja abenteuerliche Zahlen. Österreich hat inzwischen Schweden überholt! Wir brauchen uns also nicht mit der Moralkeule von der einen Seite und mit der anderen Keule, dass wir versagen, zu beschäftigen.
Ich glaube, wir sind guten Mutes und mit großem Einsatz bemüht, diese Problematik im Ansatz zu lösen. Österreich allein wird das nicht können. Aber mit unserer Frau Minister – da bin ich mir sicher – haben wir die bestmögliche Variante, dieses Problem auch in Brüssel zu vertreten.
In dem Sinn: Nationaler Schulterschluss, und wir werden gemeinsam diese Problematik auch in den nächsten Jahren, sage ich einmal – nicht morgen und nicht heute –, in den Griff bekommen, aus menschlichen und moralischen Gründen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
11.54
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.
11.54
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohe Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie waren ja bei der letzten Bundesratssitzung, da habe ich zu einem Thema aus einem Buch zitiert. Ich habe Ihnen damals versprochen, dass ich Ihnen ein Geschenk mache. Ich halte mein Versprechen. (Der Redner überreicht Bundesministerin Mikl-Leitner ein Buch. – Bundesministerin Mikl-Leitner: Es hat eh schon lang gedauert!)
Ja, wir haben uns erst diesmal wiedergesehen. Und keine Angst, es ist keine Bauanleitung zu einem Zelt! Es ist also dieses Buch, aus dem ich letztes Mal zitiert habe. Ich hoffe, Sie haben die Zeit und die Gelegenheit, darin zu schmökern. Es geht unter anderem auch um ein Thema, das Kollege Perhab angesprochen hat, aber dazu komme ich noch.
Kollege Werner Herbert! Du hast von den aktuellen Flüchtlingsströmen nach Europa gesprochen. Stimmt, es kommen Flüchtlinge nach Europa – aber die Ströme sind woanders! Die sind in allen anderen Ländern, nur nicht in Europa. Vier Fünftel der Flucht- und Migrationsbewegungen passieren in den Nachbarländern: Libanon, Jordanien, Türkei. Allein die Türkei hat im letzten Jahr 100 000 Kinder von Syrerinnen bekommen, die in der Türkei als Flüchtlinge sind, dort sind die Kinder auf die Welt
gekommen. – Nur 100 000 Kinder von Syrern, da spreche ich jetzt noch nicht von den 2,6 Millionen Flüchtlingen!
Es steht außer Frage, dass ein Land, ein Staat allein eine derart große Anzahl nicht bewältigen kann. Aber es gibt Nachbarländer in diesen Regionen, die das sehr wohl machen. Allein in Jordanien – ich glaube, dieses hat 6,5 Millionen Einwohner – haben zweitweise drei Millionen Flüchtlinge gelebt.
Ich war am Samstag bei einem Vortrag des ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary. Er hat dort hinter sich eine riesengroße Leinwand gehabt, und auf dieser Leinwand hat er unterschiedliche Schicksale von Personen beschrieben, die er als Interviewpartner gehabt hat.
Da war unter anderem ein Foto von vier Mädchen, die im Alter zwischen drei und elf Jahren waren und die mit ihrer Mutter ein Flüchtlingsboot betreten haben. Nur die Mutter hatte eine Schwimmweste an. Dieses Boot ist untergegangen. Eine Zeit lang ist es allen vier gelungen, sich über Wasser zu halten. Irgendwann ist der Mutter klargeworden, dass das nicht lange gutgehen wird. Dann hat sie selber zusehen müssen, wie ein Kind nach dem anderen untergeht, zuerst das dreijährige, dann das siebenjährige und ganz zum Schluss auch die Ältere. Die Älteste war die Kräftigste, und sie hat überlebt. Sie hat sich an die Mutter klammern können, und die beiden haben überlebt.
Sie haben dann auch ihre Geschichte dem Karim El-Gawhary erzählen können. Dieser Mann – ich habe wirklich großen und tiefen Respekt vor ihm – gibt Menschen eine Stimme, die sonst keine Stimme haben.
Wenn Sie sich hier herstellen, Kollege Herbert, und sagen, die Grenzen und die Mauern gehören hochgefahren, dann sind wir aktiv mit daran beteiligt, dass noch mehr derartige Schicksale passieren. Ich glaube, da dürfen wir nicht an unseren Werten, die hart erkämpft worden sind, wie Demokratie und Menschenrechten rütteln, sondern wir müssen in der Stunde diesen Menschen helfen. Das ist meines Erachtens das Gebot der Stunde. (Beifall des Bundesrates Schreuder sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
Weil Sie fragen: Wer braucht Asyl? – Wer Asyl braucht, das entscheide nicht ich, das entscheiden nicht Sie, sondern unsere unabhängigen Experten und Expertinnen. Da ist ein Zulassungsverfahren vorgeschaltet, dann gibt es das eigentlich Asylverfahren; die entscheiden dann. Natürlich werden aus bestimmten Ländern die Asyl-Anerkennungsquoten in die Höhe schießen, und diese Menschen werden sicher längerfristig auch in Österreich bleiben.
Ihr, wenn mich nicht alles täuscht, steirischer Kollege, der Herr Egger, hat auch diesbezüglich meines Erachtens die richtigen Worte gefunden. Er hat gesagt, es hilft uns allen nicht, wenn wir da den Kopf in den Sand stecken, auf der einen Seite eine naive Politik betreiben und auf der anderen Seite die Hardcore-Partie, sondern wir müssen Lösungen erarbeiten. Zu den Lösungen gehört, dass wir Quartiere schaffen.
Sehr geehrte Frau Ministerin! Da bin ich jetzt beim nächsten Thema. Zeltstädte aufzustellen in einem Land wie Österreich, auch wenn kurzfristig oder auch längerfristig viel mehr Personen zu uns kommen, halte ich wirklich für absolut ungeeignet! Ich kann Ihnen das auch erklären. (Bundesrat Mayer: Sage eine Lösung ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, ja, die kommt schon, cool down, Buam!
Wir haben die Bundesimmobiliengesellschaft, da sind viele, viele Objekte, die frei stehen. Kollege Perhab hat auch die Kasernen angesprochen. Der Minister könnte per Weisung einen Assistenzeinsatz beschließen und diese Kasernen öffnen.
Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt. Was passiert? – Es passiert ein Hickhack zwischen Bund, Land, Gemeinden. Die heiße Kugel wird herumgeschoben, die Leidtra-
genden sind die Menschen, und die Frau Ministerin muss sich Zelte aufstellen lassen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir haben alleine in Linz Hunderte freie Wohnungen. Wir haben Hunderte Wohnungen in der Waldeggstraße, dort, wo der Westring kommen soll. Da wurden ganz Häuserzeilen leergeräumt, die stehen frei und die sind nach meinem Wissensstand im Besitz des Bundes. Die stehen leer, warten, bis sie in einigen Jahren geschliffen werden können, und gleichzeitig – Luftlinie ein paar hundert Meter weit weg – hat man auf dem Polizeigelände Zelte aufgestellt. Da, denke ich mir, gibt es sicher Optimierungsbedarf. Da können wir nachjustieren, und da ist es wichtig, dass Ihre geschätzten Experten, Expertinnen mit den Experten auf Landesebene in Kontakt treten und sondieren, wo es in welchem Bundesland Objekte gibt, die frei und leer stehen. Jetzt haben wir nämlich Sommer, sehr geehrte Frau Ministerin, derweilen geht es noch gut, solange wir solche Temperaturen haben. Es kommt aber der Winter, und ich möchte Ihnen wirklich diese Diskussionen ersparen.
Ich wünsche Ihnen das nicht, denn wenn Weihnachten kommt und das Wetter schlechter wird, dann haben wir nämlich die Diskussionen auf einer ganz anderen Ebene. Das wird für Sie sicher nicht gemütlich werden. Das wird für die ÖVP nicht gemütlich werden und für die SPÖ auch nicht, wenn der Verteidigungsminister weiterhin versucht, sozusagen die Kasernen zuzumachen. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)
Die Einzigen – das sieht man auch an den Wahlergebnissen des Burgenlandes und der Steiermark –, die davon profitieren, wenn wir derartige Diskussionen führen, das sind unsere Kollegen von den Freiheitlichen. Die brauchen sich da nur zurückzulehnen, und das ist meines Erachtens ein Problem. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)
Es gibt ein weiteres Problem. Sie haben angesprochen, dass die EU die Österreicher im Stich lässt. Die EU lässt meines Erachtens Jordanien, die Türkei, den Libanon und so weiter im Stich; und jetzt kommt noch zusätzlich das Problem dazu, dass UNHCR bis zu 40 Prozent der Mittel kürzen muss, weil die Beitragszahlungen eben stagnieren. Das ist eine Katastrophe. Das ist eigentlich das, womit menschliches Leid und Unrecht produziert wird. Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Unrecht passiert.
Diese Menschen, die da flüchten, die haben nichts mehr zu verlieren. So hoch kann man die Mauern gar nicht ziehen, Kollege Herbert, die werden alle Wege versuchen, um wegzukommen. Das heißt, wir müssen auch unsere Entwicklungspolitik neu überdenken. Wir müssen die Art und Weise überdenken, wie wir Wirtschaft betreiben, wie wir die hochsubventionierte Landwirtschaft stützen, wie wir auf Ebene der Europäischen Union die Fischereirechte gestalten. Das sind kommunizierende Gefäße.
Kollege Herbert, natürlich hast du vollkommen recht, das Problem mit den abgewiesenen und straffällig gewordenen Asylwerbern ist ein Problem. Aber da reden wir uns leicht, denn wie soll die Frau Ministerin jemand, der keine Papiere hat, in ein Land überstellen? Heimreisezertifikate stellen sehr wenige Botschaften aus, und es ist sehr schwierig. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) Das ist klar, die wollen wir nicht da haben und die gehören so schnell wie möglich außer Landes gebracht. Das steht außer Diskussion. Aber die tatsächliche Administration – das weißt du als Exekutivbeamter – ist nicht so einfach. (Bundesrat Herbert: Ohne Papiere würde man in Österreich gar nicht reinkommen!)
Ein letzter Punkt noch, dann komme ich zum Schluss: die Schlepperkriminalität. Sehr geehrte Frau Ministerin, die Hauptzielländer sind Griechenland und Italien, wo die Flüchtlingsströme europäisches Territorium erreichen, und wir wissen aus der Flüchtlingsbetreuung, dass sich die organisierte Kriminalität mit ihren eigenen Strukturen teil-
weise die Flüchtlinge massenweise selbst hereinholen – die Camorra und so weiter. Das ist das Perverse daran, und da ersuche ich Sie, Ihre italienischen Kollegen im Europarat einmal in die Pflicht zu nehmen.
Der Tagsatz in Italien beträgt 49 €, in Österreich beträgt er 19 € für die Unterbringung der Asylwerber. Jetzt kassieren die einerseits von den geschleppten Leuten das Geld und andererseits vom Staat, der de facto die Flüchtlingsbetreuung in die Hände dieser mafiösen Strukturen ausgelagert hat. Das ist pervers! Die verdienen doppelt und dreifach, und da würde ich Sie in Ihrer Funktion ersuchen, das zu thematisieren und zur Sprache zu bringen, denn dann hätten wir, glaube ich, viele Probleme weniger.
Ich hätte noch einiges zu sagen, aber Kollege Perhab hat es schon angesprochen – die 12. Novelle –, es ist eines der meist novellierten Gesetze. Egal, welcher Vertreter der Regierung hier ist oder ob meine Kollegen, die den Regierungsparteien angehören, sprechen, es wird uns immer gesagt, es wird alles besser, es wird leichter administrierbar. Ich sage Ihnen nur eines: Reden Sie einmal mit den Leuten, die in dem Feld tätig sind! Die werden Ihnen sicher etwas anderes sagen; egal, ob es die Beamten und Beamtinnen der Bundesasylbehörde oder der Behörde für Fremden- und Asylrecht oder die SozialarbeiterInnen und BetreuerInnen, die die Flüchtlinge betreuen, oder auch die RechtsberaterInnen sind. Es wird immer undurchschaubarer.
Der Punkt mit den Erstaufnahmezentren war meines Erachtens ein wirklich vernünftiger Schritt. Nur: Das Problem, das wir haben, ist, dass durch den großen Andrang und die wenigen Abgänge von den Bundes- in die Länderquartiere da ein Rucksack entstanden ist. Jetzt versucht man sozusagen, das eben abzubauen und auch viele zum Asylverfahren zuzulassen – auch Dublin-II-Fälle, die eigentlich nicht zugelassen werden sollten –, damit dieser Druck herausgenommen wird, auch das ist meines Erachtens ein falscher Weg. Es ist, wie es ist. Man kann sagen, was man will. Insofern gebe ich in Teilen dem Kollegen Werner Herbert recht. Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung leider nicht erteilen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
12.06
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Füller zu Wort gemeldet. – Bitte.
12.06
Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Innenministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015, und es wurde heute schon angesprochen, ich glaube, das zwölfte Mal. Es wird sich wahrscheinlich mit dem Ökostromgesetz mit den vielen Veränderungen, die damit einhergehen, so ziemlich die Waage halten.
Ich denke – wir haben auch darüber inhaltlich diskutiert –, dass diese anstehenden Novellierungen zu begrüßen sind. Ich möchte diese Änderungen in den Gesetzen, die zur Anwendung kommen, auch etwas begründen.
Ich denke, wesentlichster Punkt dieser Novellierung ist, dass es einfach zu einer Beschleunigung des Verfahrens kommt. Damit soll letztendlich auch sichergestellt werden, dass Verfahren bei Flüchtlingen aus sicheren Drittstaaten oder jenen, von denen eine Gefahr für die innere Sicherheit des Landes ausgehen könnte, schneller abgehandelt werden können.
Ich denke, bei dieser ganzen Frage, die emotional sehr aufgeladen ist und in den Wahlkämpfen immer wieder hochkommt, ist es trotz allem eine Selbstverständlichkeit, dass auch wir als Republik Österreich unseren Anteil leisten, um Menschen, die den
Schutz verdienen und benötigen, hier aufzunehmen und zu betreuen. Es wird auch daran gearbeitet, die Erstaufnahmestellen zu vergrößern. Wenn wir die Debatte und die Diskussion auf EU-Ebene betrachten, dann ist es meiner Meinung nach zum Teil auch zum Schämen, wie sich einige Mitgliedsländer der Europäischen Union verhalten.
Wenn die Balten damit argumentieren, sie haben einen 40-prozentigen Anteil an russischer Bevölkerung und können deshalb ihren Anteil nicht leisten, um Flüchtlinge aufzunehmen, oder wenn man immer wieder diese Sondergeschichten, die zum Teil auch vonseiten Großbritanniens angeführt werden, hört, dann halte ich das einfach für sehr beschämend und für ein schändliches Verhalten einiger EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage.
Durch die Aufteilung auf die Erstaufnahmestellen soll es endlich auch einmal zu einer Entlastung von Traiskirchen kommen, die ja wirklich schon ansteht. Mittlerweile geht es auch um rund 1 000 unmündige Minderjährige, die in Traiskirchen untergekommen sein sollen. Ich denke, hier besteht wirklich Handlungsbedarf, um diesen jungen Menschen die dementsprechende Betreuung auch zukommen zu lassen.
Eines sei mir aber schon auch erlaubt an dieser Stelle zu erwähnen. Es ist von der Symbolik her nicht optimal, wenn man mit dem Aufstellen von Zelten eine Situation herstellt oder suggeriert. Man vermittelt den Menschen gegenüber letztendlich den Eindruck, dass wir mit dieser Situation einfach überfordert sind. Ich glaube, das ist einfach nicht die passende Optik, zumal wenn dann – das ist zwar angesprochen worden, über die Schuldfrage lässt sich streiten – in den Ländern zum Beispiel Kasernenschließungen torpediert werden und bei einer etwaigen Reform zurückgenommen werden müssen. Es ist ja angesprochen worden, es gäbe auch genug andere Plätze und Möglichkeiten, um die Menschen unterzubringen.
Ich denke, neben der Unterbringung sind aber auch die Fragen besonders wichtig, wie wir damit umgehen, wie wir es schaffen, dass diese Menschen betreut werden, wie wir es schaffen, ihnen Möglichkeiten zu geben, sich in irgendeiner Form auch zu beschäftigen. Ich glaube, das ist in dieser Frage auch ganz wesentlich, weil sich sonst die Menschen 24 Stunden nur Gedanken über die Situation zu Hause, über die Situation von Familienangehörigen, die vielleicht noch in diesen Ländern sind oder sich im Bürgerkriegsgebiet befinden, machen. Da, denke ich mir, ist es wesentlich, entsprechende Formen von Beschäftigung für diese Menschen zu finden oder auch entsprechende Deutschkursangebote zu entwickeln, um Ablenkung zu schaffen. Es wurde ja bereits von Minister Hundstorfer Geld zur Verfügung gestellt, damit dementsprechender Unterricht erfolgen kann.
Meine Fraktion wird diesen Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben, da wir überzeugt davon sind, dass damit auch wieder Verbesserungen einhergehen. Ich denke, man ist hier auf dem richtigen Weg.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, jetzt noch ein paar Sätze in eigener Sache zu sagen. Für mich wird es heute die letzte Bundesratssitzung hier sein. Im Zuge der steirischen Gemeinderatswahlen und den anschließenden personellen Veränderungen in meiner Heimatgemeinde Judenburg wurde ich vor rund sechs Wochen zum Finanzstadtrat meiner Heimatstadt gewählt. Ich habe mir bei meiner Entscheidung, ob ich diese neue und herausfordernde Funktion annehmen soll, sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie ich mit meinem Bundesratsmandat hier umgehen werde. Da es eine sehr anspruchsvolle, zeitintensive neue Tätigkeit ist, auf die ich mich sehr freue, ist es so, dass mein berufliches Engagement als Leiter einer Volkshochschule, die vielen Termine in Wien, in Graz, in der eigenen Gemeinde, im Bezirk und in den Nachbarbezirken einfach zeitlich nicht mehr miteinander vereinbar sind. Deswegen habe ich mich entschlossen, mit Ende dieser Periode aus dem Bundesrat auszuscheiden. Das
habe ich auch dem Landeshauptmann der Steiermark, Franz Voves, bereits im April so mitgeteilt.
Nun möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, weil es für mich eine sehr schöne, interessante und prägende Zeit war, mich bei Ihnen für fünf schöne Jahre hier im Bundesrat zu bedanken. Fünf Jahre, die trotz oft heftiger und hitziger Debatten von einem respektvollen Umgang miteinander geprägt waren. Ich denke, da kann sich die erste Parlamentskammer – da ich auch zwei Jahre Erfahrung im Nationalrat habe – durchaus eine Scheibe abschneiden und sich einmal anschauen, wie es in Debatten des Bundesrats zugeht und wie man auch Debatten führen kann. Da bin ich durchaus einem Lernprozess unterlegen, und ich finde, dass es spannende, interessante Debatten hier gegeben hat.
Ich wünsche Ihnen allen hier weiterhin eine erfolgreiche Tätigkeit im Bundesrat, auch wenn ich an kommende Reformbestrebungen des Bundesrats denke. Und ich wünsche Ihnen auch – es werden im Zuge des heurigen Jahres mit anstehenden Landtagswahlen dort und da möglicherweise auch personelle Veränderungen kommen –, dass Sie die Kraft, die Energie haben, diesen Bundesrat einer Zukunft zuzuführen, einer Reform zuzuführen, die diese Kammer verdient. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen selbsternannten Politikexperten beeinflussen, die über die Unnotwendigkeit des Bundesrats sprechen, wahrscheinlich ohne jemals hier herinnen gewesen zu sein und sich eine Debatte angesehen zu haben! Ich denke, der Bundesrat hat die Kraft, sich dieser Reform zu stellen.
Ich verabschiede mich von Ihnen allen mit einem steirischen Glückauf, bedanke mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen Klubobleuten, mit denen ich sehr intensiv zusammenarbeiten durfte, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wünsche dem Bundesrat als Ganzem alles, alles Gute! – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
12.14
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Christian Füller, ich darf mich auch – ich denke – im Namen aller Kolleginnen und Kollegen bei dir sehr herzlich bedanken. Du warst, wie wir gerade gesehen haben, immer ein eloquenter Kollege, ein souveräner Vorsitzender des Justizausschusses und hast hier auch über ein halbes Jahr die sozialdemokratische Fraktion als Obmann geführt.
Ich denke, ebenfalls im Namen von uns allen zu sprechen, wenn ich dir persönlich das Allerbeste wünsche, aber ich wünsche dir auch inhaltlich für deine wichtige Aufgabe als Finanzstadtrat noch viel Geld für Judenburg. – Alles Gute! (Allgemeiner Beifall und Heiterkeit.)
Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Brückl zu Wort. – Bitte.
12.15
Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt die Emotion Gott sei Dank wieder ein bisschen heraußen aus dieser Diskussion. Ich möchte aber trotzdem noch auf dich, Kollege Franz Perhab, zurückkommen. Du hast mir bestätigt – und da stimme ich dir zu –, Österreich wird überrannt. Wir sind jetzt in der Situation – die Frau Bundesminister hat die Zahlen bekanntgegeben –, dass 70 000 Asylanträge in einem Jahr zu erwarten sind. Ich rede nicht von fünf Jahren, sondern ich rede von einem Jahr. Österreich ist damit gleichzeitig mit Schweden eines der am stärksten betroffenen Länder.
Die Situation ist dramatisch, da ist etwas am Kochen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das noch bewältigen können. Bei uns rennen auf den Autobahnen die Flüchtlinge und die Einwanderungswilligen umher, die Polizei tut die ganze Nacht nichts anderes, als
diese Flüchtlinge und diese Einwanderungswilligen einzusammeln, die dann natürlich auch einen Antrag auf Asyl stellen. Ich verweise nur auf einen Bericht der „Kronen Zeitung“ über das Zeltlager in Linz, ein Zeltlager – Efgani, du hast das auch gesagt –, das sich mitten in der Stadt befindet, mit, ich glaube, 280 Personen, die dort gestern untergebracht waren; mittlerweile sind es vielleicht schon mehr. Hier zitiert die „Kronen Zeitung“ einen Polizeibeamten, der sagt: „Wenn’s da drinnen richtig losgeht, dann gnade uns Gott!“
Den Rest dieses Artikels erspare ich uns jetzt. Wenn man sich weiter durchliest, was sich dort abspielt, dann bezweifle ich, dass wir das noch in den Griff bekommen. Ich mache jetzt nicht einmal Ihnen, Frau Bundesminister, diesen großen Vorwurf, das nicht zu bewältigen, sondern es ist die gesamte Bundesregierung, die man hier in die Pflicht nehmen muss – da gibt es ja schließlich auch einen Chef –, insbesondere auch den Herrn Bundeskanzler, der sich dazu nicht äußert. Hier muss etwas geschehen, so kann es nicht weitergehen!
Natürlich ist die Forderung nach Grenzkontrollen legitim. Es sind zurzeit das G7-Treffen und das Bilderberg-Treffen in Vorbereitung – gerade bei uns im grenznahen Bereich zu Bayern, an der Grenze zu Bayern. Die Bayern kontrollieren. Jetzt kommt ans Tageslicht, dass aufgrund dieser Kontrollen plötzlich wesentlich mehr illegale Zuwanderer, auch Schlepper und Verbrecher aufgegriffen werden. Natürlich ist es legal, hier Grenzkontrollen zu fordern. Da braucht es den Schulterschluss – ich glaube, das hast auch du angesprochen, Franz Perhab –, und zwar innerhalb der Regierung, die dafür verantwortlich ist, zwischen den Ministerien. Das betrifft nicht nur Sie, Frau Bundesminister. Sie sind die Verantwortliche dafür, aber das betrifft mehrere, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Wir sparen unser Bundesheer in Wirklichkeit kaputt. Es funktioniert und existiert eh schon fast nicht mehr. Wir brauchen hier einen Schulterschluss – Innenministerium, Landesverteidigung, unter Umständen der Zoll, der auch früher für die Grenzkontrollen zuständig war. Das braucht es, und das muss jetzt stattfinden. Wenn wir das nicht haben – hier kocht etwas, von dem bin ich überzeugt –, wenn man das nicht rasch in den Griff bekommt, dann wird das überkochen. Wer weiß, was dann passiert.
Ich darf abschließend noch einmal den Polizeibeamten zitieren, über den auch die „Kronen Zeitung“ berichtet hat: „Wenn’s da drinnen richtig losgeht, dann gnade uns Gott!“ – Ich hoffe nicht, dass es so weit kommen wird. (Beifall bei der FPÖ.)
12.18
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Herr Bundesrat Poglitsch zu Wort. – Bitte.
12.18
Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ja, es ist ein Thema, mit dem man polemisieren kann. Das haben heute besonders zwei Fraktionen gezeigt – einmal die Freiheitlichen, die die Grenzen gerade im Tourismusland Österreich jetzt vor der Sommersaison dichtmachen wollen, und andererseits die Grünen, die gesagt haben, dass wir sie alle hereinlassen sollen. (Bundesrat Dönmez: Was wir nicht gesagt haben!) Beides wird nicht funktionieren. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.
Mit dem Thema zu polemisieren, ich glaube, das bringt uns keinen Schritt weiter, das bringt uns Österreicherinnen und Österreicher nicht weiter und auch die Politik nicht.
Was der Franz Perhab gesagt hat, war vollkommen richtig: Es bedarf hier eines gemeinsamen Schulterschlusses aller Parteien. Du hast auch vollkommen recht, Kol-
lege Herbert, wenn du sagst, dass es heuer 70 000 sein werden. Da ist eine große Zahl, und die gehört bewältigt. Deswegen muss ich auch die Frau Innenministerin hier ein bisschen verteidigen, wenn sie auch Zeltstädte wird aufstellen lassen müssen, weil wir nicht alle so schnell unterbringen können werden. Das ist eine kurzfristige Maßnahme, und es muss auch gewährleistet sein, dass man das darf und kann.
Frau Ministerin, ich muss dir zu diesem Gesetzesentwurf, den wir heute zur Beschlussfassung haben, gratulieren, weil er uns auch viele Vorteile bringt – vor allen Dingen in der Abhandlung. Bei 70 000 werden wir schnellere Verfahren brauchen. Dieses Gesetz, diese Änderung garantiert uns, dass die Verfahren schneller gemacht werden, dass der Betroffene schneller erfährt, ob er Asyl bekommt oder ob er ausgewiesen wird. Das ist nämlich auch kein Zustand, wenn er nicht weiß, ob er in den nächsten Monaten überhaupt in Österreich bleiben kann oder wieder ausreisen muss.
In weiterer Folge empfinde ich es als gut, dass in den Bundesländern Erstaufnahmezentren in dem Sinne andiskutiert werden, weil es irrsinnig ist, dass man von Kärnten zuerst nach Wien fahren muss, dann von Wien wieder zurück nach Kärnten, und dann wird man erst abgeschoben. Das kann man auch vor Ort machen und wäre auch eine kostensparende Maßnahme.
Was meiner Überzeugung nach aber heute viel zu wenig diskutiert worden ist, ist, dass das in Wirklichkeit kein österreichisches Problem ist. Es ist ein europäisches Problem. Deswegen wird es uns auch nichts nützen, die Grenzen zu schließen. Die, die illegal herkommen, die werden auch so hereinkommen. Da hilft uns eine geschlossene Grenze nicht. Auf europäischer Ebene wird man aber diskutieren müssen – und da bist du vollkommen richtig unterwegs, Frau Innenministerin –, dass wir eine Quotenregelung brauchen werden.
Es kann nicht sein, dass manche europäische Länder sich hier einfach an die Seite stellen und sagen, dass es für sie nicht gilt, mit der Folge, dass Österreich und Schweden überproportional viele wird aufnehmen müssen. Das wird nicht funktionieren, weil auch bei uns wird die Grenze bald erreicht sein. Wenn ich jetzt das Zitat unseres Landeshauptmannes von der SPÖ, dem Herrn Dr. Kaiser, lese, der auch sagt, in Österreich wird man über eine Grenze diskutieren müssen, dann stellt sich mir die Frage, wie viele wir denn überhaupt hereinlassen können, wie viele wir uns eigentlich leisten können. Deswegen ist es für mich umso wichtiger, dass man hier eine klare Grenze einzieht, wer ein Wirtschaftsflüchtling ist und wer wirklich in seinem Heimatland verfolgt wird.
Das, was du (in Richtung des Bundesrates Dönmez) heute aufgezeigt hast, ist eine sehr traurige Geschichte. Da bin ich zu 100 Prozent bei dir, solche Menschen müssen bei uns in Österreich Asyl haben, solche, die Kriegsflüchtlinge sind, die unter schwierigsten Umständen hierhergekommen sind, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkönnen. Aber die, die nur reine Wirtschaftsflüchtlinge sind oder aus einem sicheren Drittstaat kommen, werden wir uns nicht leisten können in Österreich aufzunehmen. Deswegen werden wir hier ganz klare Grenzen ziehen müssen.
Da sind wir alle gefordert, nicht nur die Frau Bundesminister, sondern die gesamte Politik, alle Parteien, alle Fraktionen, die gesamte Regierung. Da bitte ich dich, in Europa wirklich tätig zu werden, dass wir endlich eine Quotenregelung bekommen, dass manche Länder sich hier nicht einfach an die Seite stellen können.
Was für mich auch wesentlich sein wird, ist, wie wir mit dem Problem in Afrika in Zukunft umgehen. Können wir alle über das Meer herüberlassen, oder sollen wir nicht vor Ort Erstaufnahmezentren, organisiert auf europäischer Ebene, machen, dass man das Problem mit dem Asylstatus vielleicht schon in Afrika erledigen kann? Das sind alles Punkte, die angesprochen werden können, weil eines muss man sich schon vor
Augen führen – da gebe ich dir, Kollege Herbert, recht –: 70 000 pro Jahr sind in zehn Jahren 700 000 Menschen, und das werden wir uns nicht leisten können.
Wenn man die Lage in Afrika und in diesen Ländern anschaut, dann ist klar, dass es in Zukunft mehr werden. Ganz sicher! Da werden wir noch mehr gefordert sein. Deswegen bitte ich hier – da bin ich ganz bei dir, lieber Franz Perhab – um einen gemeinsamen Schulterschluss, den wir brauchen; wir brauchen aber auch eine Obergrenze, wann Schluss ist, wann Österreich nicht mehr kann, wann Europa nicht mehr kann. Nur so werden wir dieses Problem, das wahrlich ein Problem geworden ist, auch in den Griff bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
12.23
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.
12.23
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Frau Ministerin! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuseherinnen und Zuseher! Das, was wir hier heute wahrscheinlich beschließen werden, dieses Fremdenrechtsänderungsgesetz, ist angesichts dessen, was wir draußen im Bereich Asyl tagtäglich erleben, ein relativ kleiner Wurf.
Es ist für mich persönlich unerträglich und empörend, dass es derzeit nicht gelingt, mit diesem aktuellen Flüchtlingsstrom umzugehen. Das konnten wir nämlich schon besser. In den 1990er Jahren ist es uns tatsächlich schon besser gelungen, damit umzugehen. Ich kann mir einfach nicht erklären, warum es einfacher sein sollte, Zeltstädte – eigentlich sind es Zeltdörfer, da gebe ich dem Efgani recht, weil die wirklichen Zeltstädte sind in den Nachbarländern der Krisenregionen und der Kriegsgebiete – aufzubauen, als Schlafmöglichkeiten in festen, bestehenden Häusern einzurichten. Es ist angesichts der Witterung der letzten Wochen, aber auch des bevorstehenden Sommers und der Hitzeperioden nicht egal, wo man schläft und den Tag verbringen muss.
Ich schätze, dass es in den kommenden Tagen zu etlichen Kreislaufkollapsen kommen wird. Der Unterschied besteht darin, dass wir an diesen Hitzetagen leicht in ein Freibad gehen können, um uns abzukühlen – das dürfen Flüchtlinge nicht. Es mag ganz lustig sein, wenn man freiwillig, aus Abenteuerlust einen Zelturlaub, Campingurlaub macht, aber sicher nicht dann, wenn man gerade mit Müh und Not einem Krieg entkommen ist, mit einem Traumata, das man zu verarbeiten hat, kämpft und Zukunftsängste, die zu bewältigen sind, hat.
Es ist tatsächlich so, dass diese asylsuchenden Menschen bei uns um ihre Rechte zittern müssen und als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Ich möchte das anhand der besonders schutzbedürftigen Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schildern. Wir haben gestern viel von den schlummernden Talenten gesprochen, und die gibt es zurzeit tausendfach unter den UMF, die wir in Österreich haben.
Derzeit leben im Lager in Traiskirchen mittlerweile mehr als 1 200 solcher junger Menschen. Die Frage nach ihrer Obsorge ist ungeklärt, und die Verantwortung wird permanent zwischen dem Land Niederösterreich und dem Innenministerium hin- und hergeschoben. Die Tagsätze zur Betreuung dieser Jugendlichen liegen weit unter denen von anderen Jugendlichen, die bei uns in der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden. Ich möchte, weil es vorher Thema war, mich dagegen verwahren, dass hier die NGOs in die Pflicht genommen werden und quasi für ein staatliches Versagen einspringen sollen. Es ist nämlich so, dass die NGOs mittlerweile mit Spendengeldern
versuchen, ihrem Bedürfnis, den Flüchtlingen zu helfen, nachzukommen, und die Spenden hier einsetzen, weil eben die Tagsätze zur Betreuung von Flüchtlingen nicht ausreichen, um das gewährleisten zu können, und schon gar nicht, um sich dabei eine goldene Nase zu verdienen. Ich finde, das ist eine bodenlose Unterstellung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)
Die Versorgung dieser minderjährigen Flüchtlinge ist in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Es ist die Anzahl der Betreuungspersonen, die hier derzeit in einem nicht bewältigbaren Verhältnis zu den KlientInnen steht. Es gibt ganz mangelhafte Bildungsangebote wie Deutschkurse; es sind viel zu wenige. Es gibt so gut wie keine Freizeitangebote; es ist in Traiskirchen den NGOs verwehrt, in das Lager hineinzugehen und hier Angebote zu setzen, die sie gerne setzen würden. Hier werden also zig Kinderrechte mit Füssen getreten. Wenn man all die Anstrengungen rund um die Altersfeststellung, die unternommen werden, in eine adäquate Versorgung der Menschen vor Ort investieren würde, dann würde die Lebensqualität der Betroffenen schlagartig steigen können. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Perhab.)
Es ist nämlich so, dass innerhalb von drei Monaten – von Jänner bis März – nur genau 13 Personen festgestellt werden konnten, die älter als 18 Jahre sind. Und dafür wird ein Riesenaufwand betrieben.
Gemeinsam mit den NGOs in Österreich, die in diesem Flüchtlingsbereich tätig sind, möchte ich daher die Forderung unterstreichen, dass alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sofort in die Kinder- und Jugendhilfe zu denselben Tagsätzen wie unsere Kinder übernommen werden müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Wir haben vor Kurzem ein Bundesverfassungsgesetz beschlossen, in dem das Kindeswohl-Vorrangigkeitsprinzip verankert ist, und es ist höchst an der Zeit, dass dies auch zur Geltung kommt.
Nun, das, was durch die vorliegenden Gesetzesänderungen an Verbesserungen geplant ist, gibt ein bisschen Hoffnung. Mehrere Erstaufnahme- und Verteilerzentren in den Bundesgebieten und damit auch sogenannte Clearingstellen könnten tatsächlich mehr Qualität in die Abklärung und auch in die Unterbringung bringen. Was die neuen beschleunigten Verfahren betrifft, wünsche ich mir sehr, dass diese zeitliche Begrenzung und die Beschleunigung nicht die Qualität der Verfahren in Frage stellen, weil es trotzdem ein Menschenrecht ist, dass ein Asylanspruch mit größter Sorgfalt geprüft wird und diese Verfahren dadurch nicht an Qualität verlieren.
Die Gewährung des Versorgungsanspruches, auch im Falle eines negativen Asylbescheides, ist für mich ein wichtiger humanitärer Schritt, um zu vermeiden, dass hier Menschen obdachlos und gezwungenermaßen kriminell werden. Was jetzt aber ansteht, ist die dringende Lösung des Unterbringungsproblems. Wenn man sich durchrechnet, wie viele Asylsuchende es ergeben würde, wenn man alle Asylsuchenden in Österreich auf alle unsere Gemeinden in Österreich verteilt, dann wäre das für jede Gemeinde eine bewältigbare Anzahl von Menschen. Es wäre bewältigbar, und es hätte zum Ergebnis, dass diese Leute wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit gut integriert sind, weil ich davon überzeugt bin, überall dort, wo es einen direkten Kontakt zwischen AsylwerberInnen, Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung gibt, entstehen menschliche Beziehungen.
Nur dort, wo mit großen Massenlagern gedroht wird, herrscht zuerst einmal verständlicherweise Angst. Und auch das, was den Menschen in Traiskirchen auf beiden Seiten des Zaunes zugemutet wird, ist unerhört. Dass dies nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Es verlangt die Menschlichkeit, aber auch der Blick auf die Sicherheit und den sozialen Frieden in unserem Land, dass dieses Unterbringungsproblem jetzt gelöst wird.
Ich möchte zum Abschluss einen offenen Brief der Journalistin Dr. Susanne Scholl vorlesen, in dem sie schreibt:
„An Sie alle,
1 200 Minderjährige schlafen in Traiskirchen auf dem Boden, dürfen weder Deutsch lernen noch in die Schule gehen. Weil sie aus ihren Ländern flüchten mussten. Weil Österreich kein Interesse an ihnen hat. Weil dieses Land vergessen hat, was Menschlichkeit heißt. Weil Sie Zelte aufstellen, statt für menschliche Unterkünfte, für einen menschlichen Umgang mit diesen jungen Menschen zu sorgen. Weil Sie lieber unterstellen, dass diese jungen Menschen gar nicht wirklich jung sind und Monate mit Altersfeststellungen vergehen lassen, statt diesen Kindern eine Zukunft zu bieten. Eine Schande für Österreich. Lassen Sie diese Kinder in menschenwürdige Unterkünfte bringen – die es gibt! Lassen Sie diese Kinder lernen, damit sie eine Zukunft haben! Sofort!“
Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
12.31
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.
12.31
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mich jetzt nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht die Vorlesung meiner Vorrednerin so derart kreativ gewesen wäre. Glauben Sie mir, es liegt mir wirklich fern, die Frau Innenministerin da zu unterstützen, aber manchmal verstehe ich, dass man mit dem Koalitionspartner irgendwie ein gewisses Problem bekommt.
Wenn das Ihr Ernst ist, was Sie da jetzt von Ihrem Manuskript vorgelesen haben, dann stelle ich mir ernsthaft die Frage, warum denn niemand so ehrlich und so fair ist und sagt, dass es hier gar nicht um Asyl geht, sondern um Einwanderung. Dann können wir doch hergehen und sagen, schaffen wir doch Einwanderungsbestimmungen in die Europäischen Union, nach Österreich – dann ersparen wir uns den ganzen Zirkus.
Wir sprechen hier allerdings von Asyl. Was ist Asyl?! – Das werden Sie ja wissen. Asyl ist der Schutz auf Zeit für Menschen, die verfolgt sind, aus welchen Gründen auch immer – das ist klar definiert –, egal, ob aus religiösen, aus rassischen, aus politischen oder sonstigen.
Bitte schön, was ist denn das für ein Rechtsverständnis, zu sagen, auch jenen Menschen, die zu uns kommen und deren Asylantrag hier abgelehnt wird, müssen wir selbstverständlich den Aufenthalt hier finanzieren, weil es so schlimm wäre, wenn die obdachlos würden?! – Jemand, der in dieses Land kommt und die Voraussetzungen nicht erfüllt, dem muss ich leider Gottes sagen: Es ist schön, dass du hier warst, aber leider Gottes erfüllst du die Voraussetzungen nicht und du musst wieder nach Hause fahren.
Das ist doch ein ganz selbstverständlicher Zugang. Ich verstehe nicht, warum man sich da dermaßen selbst in den Sack lügt, und ich verstehe es speziell bei Ihnen nicht, warum man sich so in den Sack lügt. Wissen Sie, wenn Sie sich die Zahlen der letzten Jahre anschauen – die Frau Innenministerin wird das sicher besser im Kopf haben als ich –, dann sehen sie, dass im Endeffekt knapp 70 Prozent aller Asylanträge in Österreich abgelehnt wurden – 70 Prozent! Das heißt im Umkehrschluss, 30 Prozent der Leute, die nach Österreich kommen und die um Asyl ansuchen, haben auch berechtigte Gründe, um hier in Österreich und in weiterer Folge in der Europäischen Union auch diesen Schutz zu bekommen.
Selbstverständlich werden Leute – dazu bekennt sich jede Partei hier im Haus, und es ist auch gut, dass sie sich dazu bekennen –, die verfolgt werden und die Schutz brauchen, diesen Schutz auch bekommen. Sie sollen ihn in Österreich bekommen, und sie sollen ihn in jedem Staat Europas bekommen, und zwar zu menschenwürdigen, den Menschen entsprechenden und lebbaren Verhältnissen. Aber ich kann doch nicht hergehen und hier mit der Tränendrüse quasi einen Freibrief ausstellen, so nach dem Motto, dass es an sich eh egal ist, weil da jetzt so viele Flüchtlinge kommen. – Wir sprechen immer nur von Flüchtlingen. Warum sind wir nicht so ehrlich und sprechen von Einwanderern? (Bundesrätin Kurz: Weil es Flüchtlinge sind!)
Warum sind wir nicht so ehrlich und sagen, dass Menschen heute dieses Stichwort „Asyl“ für Einwanderung verwenden wollen und dass es in der Europäischen Union Bestrebungen dazu gibt. Da kann man jetzt verschiedenster Meinung sein, und da kann man jetzt sagen, dass das, was die Frau Innenministerin macht, gut oder schlecht ist. Ich habe da auch meine eigene Meinung dazu.
Es wird hier einfach in Bausch und Bogen gesagt, das alles sind Flüchtlinge. Ja, was heißt, sie alle sind Flüchtlinge?! – Ich stelle mir ernsthaft die Frage, wie es denn dazu kommt, dass wir – vor allem auch in der politischen Debatte – laufend davon sprechen, dass so viele syrische Flüchtlinge kommen, und die kommen dann eigenartigerweise über das Mittelmeer nach Italien. Es ist schon ein bisschen bemerkenswert. Wenn Sie sich nämlich dann die Fotos gerade jener, die mit diesen nicht hochseetauglichen Booten über das Mittelmeer kommen, anschauen, dann werden Sie draufkommen, viele Syrer sind da nicht dabei. Da sind hauptsächlich junge, kräftige Männer dabei. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Man sollte sich das auch einmal unter dem Gesichtspunkt anschauen, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich verstehe Ihre Hysterie, angesichts der steirischen Wahlergebnisse ist mir das auch klar –, und man sollte sich die Frage stellen, ob nicht die Bestrebungen, den Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen, in direktem Zusammenhang damit stehen, dass wir seit Monaten einen verstärkten Asylwerberstrom nach Europa haben.
Stellen Sie sich die Frage einmal, und stellen Sie sich die Frage einmal, ob es da nicht vielleicht auch wirtschaftliche Interessen gibt, die da dahinterstehen. Da spreche ich jetzt nicht von den Schleppern, von den Verbrechern, die menschliches Leid dafür nutzen, dass sie sich daran bereichern. Von denen spreche ich nicht. Teilweise sitzen die Verbrecher nämlich im eigenen Land. Das sind nämlich die, die davon profitieren und die dann nämlich auch wirtschaftlich davon profitieren, von diesem Leid. Dann haben wir in diesem Land eine politische Klasse, die mit einer Naivität an die Dinge herangeht, dass man sich nur die Haare raufen kann.
Sagen Sie einmal, ist Ihnen völlig egal, dass ein Gutteil der Bevölkerung da nicht mehr mitmachen möchte? Ist Ihnen das völlig wurscht?! – Wir führen uns ja selbst ad absurdum als Politiker. Wenn wir so weitertun, dann haben wir irgendwann einmal Bestrebungen in diesem Land, dass der Demokratie die Lösungskompetenz abgesprochen wird. Das ist etwas, vor dem sollten wir uns alle fürchten, völlig egal, welche politische Farbe wir haben. Das ist nämlich eine Gefährdung der Demokratie in diesem Land. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
12.36
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.
12.37
Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Nach wie vor erreichen uns täglich die Bilder des Mordens, des Terrors und der Verfolgung. Es erreichen uns aber nicht nur die Bilder, sondern vor allem die Flüchtlinge, die vor diesem Terror und vor dieser Verfolgung flüchten und hier in Europa, hier bei uns in Österreich Schutz und Hilfe suchen.
Im Jahre 2014 wurden alleine in der gesamten Europäischen Union 626 000 Asylanträge gestellt. Das ist der höchste Jahreswert, den man jemals verzeichnet hat. Sie sehen also anhand dieser Zahl, die jetzt auch im Steigen ist, dass wir hier in Europa eine Ausnahmesituation haben, dass wir hier konkrete europäische Antworten brauchen. Wir wissen, dass es diese Antworten auf europäischer Ebene nicht von heute auf morgen geben kann und dass man diese Maßnahmen auch nicht von heute auf morgen umsetzen kann, aber entscheidend ist, dass wir diese Maßnahmen, die wichtig und notwendig sind, diskutieren und schauen, dass sie so schnell als möglich zur Umsetzung kommen.
Ich denke diesbezüglich daran, dass es wichtig ist, die EU-Außengrenzen zu sichern, hier FRONTEX zu stärken. Ich denke, dass es wichtig ist, UNHCR-Stellen in Drittstaaten zu schaffen. Dabei ist es vor allem auch wichtig, dann mittels einer Quote diese Menschen, die eine Chance auf Asyl in Europa haben, mit einem fairen Schlüssel auf Europa zu verteilen. Ich weiß schon, dass das nicht von heute auf morgen geht, aber entscheidend ist, dass wir uns auch vor Augen führen müssen, dass gerade Europa Teil der Strategie, Teil des Planes der Schlepper ist, sodass in Zukunft das Retten am Mittelmeer an erster Stelle stehen muss, dass aber an zweiter Stelle nicht mehr die automatische Einreise nach Europa stehen darf, sondern eben sichere UNHCR-Anlaufstellen in den Drittstaaten.
Nur so werden wir es schaffen, die Flüchtlinge aus den Fängen der Schlepper zu bringen. An all dem müssen wir arbeiten, und da braucht es auch einen Schulterschluss auf Bundesregierungsebene, damit wir hier gemeinsam die Linie Österreichs in Europa vertreten und damit wir uns auf europäischer Ebene durchsetzen können.
Was mich freut, ist, dass gerade auf europäischer Ebene, was die Quote betrifft, Bewegung hineinkommt, auch wenn sich immer mehr Mitgliedstaaten gegen eine Quote aussprechen. Ich glaube aber, diese Quote ist wichtig und notwendig, denn gerade an der Flüchtlingsfrage kann dieses Europa scheitern.
Was wir heute hier diskutieren – ich bin froh, dass das heute halbwegs sachlich, fachlich gegangen ist –, ist unser modernes europäisches Asylsystem, das uns einen ganz großen Schritt voranbringt.
Einige Punkte sind mir hier im Speziellen wichtig: Da ist zunächst dieser Verteilungsautomatismus, der vor allem dazu führen soll, dass wir diese unwürdige Herbergssuche zumindest entschärfen können. Sie alle wissen, dass nach wie vor die meisten Bundesländer ihre Quote nicht erfüllen, sondern dass nach wie vor nur drei Bundesländer diese Quote erfüllen, nämlich Wien, Niederösterreich und die Steiermark. Sie alle wissen, wie die Kompetenzen geregelt sind, dass nämlich der Bund für die Erstprüfung zuständig ist. Sobald die Asylwerber zum Verfahren zugelassen sind, sind die Bundesländer für die Unterbringung der Asylwerber zuständig. Ich appelliere noch einmal an alle Landesverantwortlichen und an alle Bürgermeister, hier die Blockade, Flüchtlinge nicht in freistehenden Quartieren unterbringen zu wollen, aufzugeben. Ich bitte, diese Blockade aufzugeben. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Herausforderung gemeinsam zu lösen ist, im Schulterschluss Bund, Länder und Gemeinden. (Allgemeiner Beifall.)
Zurück zum Gesetz: Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Maßnahme, Schnellverfahren einzuführen im Kampf gegen Asylmissbrauch. Da sage ich auch ganz klar, hier braucht es eine ganz klare Differenzierung zwischen den Kriegsflüchtlingen, zwischen jenen, die vor Verfolgung flüchten müssen, und jenen, die aus wirtschaftlichen Gründen oder aus sicheren Herkunftsstaaten flüchten. Da braucht es eine Differenzierung, damit wir ausreichend Plätze für jene schaffen, die auch tatsächlich Schutz aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention brauchen und die um ihr Leben Sorge haben. Diese Differenzierung braucht es; und jene, die meinen, diese Differenzierung braucht es nicht, die mögen dann nicht auch gleich schreien, wenn wir es nicht schaffen, in den Bundesländern ausreichend Quartiere zu schaffen, hier eine Notmaßnahme ergreifen müssen und Menschen in Zelten unterbringen müssen, denn eines muss uns klar sein, das Recht auf Asyl muss auch weiterhin ein Exklusivrecht für jene, die verfolgt werden, bleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Folgendes ist mir auch wichtig – und es ist betont worden –, nämlich das neue Grundversorgungssystem. Wir sind gerade dabei, die Verteilerquartiere zu schaffen, damit in Zukunft nicht jeder Asylwerber ungeprüft nach Thalham oder Traiskirchen gebracht werden muss, damit es möglich ist, vor allem die Erstprüfung in den einzelnen Bundesländern durchführen zu können – vor allem mit dem Automatismus, dass wir da die faire Verteilung auch schaffen.
Nun gestatten Sie mir noch einige Worte zur aktuellen Situation – der eine oder andere hat es bereits erwähnt. Unsere Experten haben die Statistik nach oben revidiert: von 50 000 auf 70 000. Auch Deutschland hat die Prognose nach oben revidiert: von 300 000 auf 400 000. Der Mai zeigt, dass es mehr als 6 000 Asylanträge in einem Monat gegeben hat – der Höchststand seit unseren Aufzeichnungen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Fakten. Da hilft uns jetzt keine Schönfärberei und da hilft uns auch nicht das Skizzieren von Angst und Schrecken, sondern hier braucht es fachliche, sachliche Lösungen. Die Herausforderung ist zu meistern, wenn wir es gemeinsam auf nationaler Ebene angehen, und sie ist auch auf europäischer Ebene zu meistern, wenn wir uns auf europäischer Ebene gemeinsam dafür stark machen, dass es hier zu ganz klaren Gegenmaßnahmen kommt, nämlich an der EU-Außengrenze die Grenzen hochziehen, sichere UNHCR-Zentren und die Quote. Das wird wichtig und notwendig sein, damit Europa auch weiter existieren kann.
Auch wir in Österreich müssen angesichts dieser Antragszahlen Gegenmaßnahmen setzen: keine Gegenmaßnahmen, die gegen Flüchtlinge gerichtet sind, sondern Gegenmaßnahmen, um die Schieflage, die in Europa besteht, zu korrigieren. Zehn Mitgliedstaaten arbeiten über 90 Prozent der Asylanträge ab, 18 Mitgliedstaaten nur 10 Prozent. Das ist keine Solidarität. Österreich ist mittlerweile Zielland Nummer eins, das heißt, die Schieflage geht zulasten Österreichs. Um diese Schieflage ein wenig zu korrigieren, habe ich den Auftrag gegeben, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl prioritär Dublin-III-Fälle behandelt, denn es kann nicht sein, dass andere Länder ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Mit dieser Vorgangsweise, nämlich Dublin-III-Fälle prioritär zu behandeln, wollen wir Platz für jene Asylantragssteller, für die Österreich auch zuständig ist, schaffen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)
Das ist eine Maßnahme nicht gegen Flüchtlinge, sondern eine Maßnahme, um eben die starke Belastung Österreichs zu korrigieren und andere Mitgliedstaaten in die Verantwortung zu nehmen.
Gestatten Sie mir noch eines: Wenn Sie tatsächlich genauso wie ich wollen, dass wir in Zukunft Zelte abbauen können und nicht Zelte aufbauen müssen, dann bitte ich Sie, auch hier einen Beitrag zu leisten, konkrete Quartiere anzubieten und diese Quartiere
vor allem auch mit den Bürgermeistern und mit den Ländern zu besprechen. Ich glaube, es ist machbar und schaffbar. Hier sich einfach zu verstecken und diese Herausforderung nicht anzunehmen, wird nicht gehen, denn das führt nicht zu einer Entspannung, sondern zu einer Zuspitzung. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
12.47
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Zwischenruf. – Unruhe im Sitzungssaal.) – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind bei der Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik, durch welchen der am 13. Februar 2004 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit geändert und ergänzt wird (529 d.B. und 614 d.B. sowie 9380/BR d.B.)
5. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit (586 d.B. und 615 d.B. sowie 9381/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich bitte um die Berichte.
Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik, durch welchen der am 13. Februar 2004 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit geändert und ergänzt wird.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, weshalb ich auf eine Verlesung verzichten darf. Ich komme sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich komme zum Bericht über Tagesordnungspunkt 5: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit.
Auch dieser Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, weshalb ich auch hier gleich zur Antragstellung komme.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte.
12.50
Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Frau Minister! Jetzt kommen wir nach einer emotionale Debatte auf den polizeilichen Bereich und zu etwas doch sehr Positivem und Erfreulichem, nämlich zum Abschluss von zwei neuen Polizeikooperationsverträgen. Die haben wir mittlerweile mit all unseren Nachbarländern, die geben uns bei der polizeilichen Arbeit wertvolle Unterstützung und wirklich auch Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten.
Ich wage noch einen Blick zurück, weil hier ständig die Einsetzung neuer Grenzkontrollen gefordert wird. Eines müssen wir da schon dazusagen. Würden wir das wirklich machen, könnten wir diese Verträge nehmen, zerreißen und wegschmeißen, weil kein Nachbarland mit uns kooperieren würde, wenn wir sagen, wir wollen alle Informationen und alle Instrumente, die da drinnen festgelegt sind, aber wir vertrauen unserem Nachbar nicht und werden jetzt dementsprechend Grenzkontrollen einführen.
Ich würde mich gerne ein wenig auf den Polizeikooperationsvertrag mit der Slowakei konzentrieren, weil das mein Job ist, weil ich dort auch jahrelang gearbeitet habe und weil ich vom ersten Tag dieser Polizeikooperation mit dabei war. Das hat am 2. Juni 2003 begonnen, und wir haben jetzt bereits den zweiten Polizeikooperationsvertrag.
Es gibt einige Punkte, auf die ich eingehen will und die uns bei der Sicherheitsdebatte und bei der Verbesserung der Sicherheitslage wirklich massiv unterstützt haben. Da möchte ich zuerst in das Jahr 2005 zurückgehen.
Im Jahr 2005 ist es uns gelungen, mit unserem Nachbarn gemischte Streifen aufzuziehen, das heißt, es waren in den Streifenwägen ein österreichischer und ein slowakischer Polizist drinnen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt acht Streifen rund um die Uhr in der Slowakei eingesetzt, weil wir genau zu diesem Zeitpunkt auch ein Problem mit illegaler Migration gehabt haben. Wir haben das gemeinsam mit unserem Nachbarn gelöst, und wir haben es auf eine Art und Weise gelöst, die meiner Meinung nach wirklich eine tolle Vorgangsweise und auch menschenwürdig war. So, wie wir das mit der Slowakei gemacht haben, haben wir das auch mit vielen anderen Ländern wie Ungarn und Slowenien gemacht.
Das bedeutet, dass diese Polizeikooperationsverträge auch der Praxis angepasst wurden. Das sind keine theoretischen Konstrukte, die zum Beispiel von Juristen ausgearbeitet werden, sondern hier wurden die Erfordernisse der täglichen Polizeiarbeit in einen Vertrag gegossen, der uns heute die Möglichkeit gibt, unsere Polizeieinsätze und unsere Polizeiarbeit auch dementsprechend effektiv umzusetzen.
Das, glaube ich, ist ein ganz gutes Zeichen, wenn wir heute in der Lage sind, gemischte Streifen mit unseren Nachbarpolizeiorganisationen routinemäßig zu fahren. Das heißt, ich brauche heute keinen eigenen Anlass mehr, um hier eine gemeinsame Streife durchzuführen. Es kann jederzeit passieren, dass Kontrollen von einem österreichischen und einem slowakischen Polizisten, von einem österreichischen und einem ungarischen Polizisten durchgeführt werden. Das können wir rund um das ganze Land spinnen, es funktioniert. Ich muss dazu sagen, diese gemischten Streifen und diese gemischten Gruppen haben sich auch in der Praxis sehr bewährt.
Ich nenne nur das Nova Rock als Beispiel, wo ständig mehrere Polizeieinheiten aus den Nachbarstaaten vor Ort sind, wo wir genau damit relativ gute Erfahrungen gemacht haben und wo wir genau damit den Leuten das Gefühl vermitteln konnten – ob es jetzt Besucher aus Österreich oder aus dem Ausland waren –, dass sie hier auch dementsprechend betreut werden.
In dem neuen Vertrag sind mittlerweile aber auch weitgehende Maßnahmen drinnen. Ich möchte dazu nur ganz kurz und nicht im Detail erörtern, aber doch anführen, dass wir mit diesen Verträgen die Möglichkeit haben, in den Nachbarstaaten verdeckt zu ermitteln und zu observieren. Mittlerweile ist es uns auf der vertraglichen Ebene auch gelungen, die Verwendung von Deckkennzeichen zu ermöglichen. Deckkennzeichen sind eben Kennzeichen, die über normale der zivilen Polizeiautos gelegt werden, um bei der Ermittlung auch dementsprechend nicht unterzugehen.
Ich möchte abschließend nur noch einige kleine Punkte erwähnen – und auch einen ziemlich wichtigen Punkt. Es ist heute auch möglich, dass im Zuge von Verfolgungsjagden im Inland keine Polizeieinheit mehr an der Grenze stoppen muss. Es ist möglich, einen Täter, den wir auf frischer Tat ertappt haben, durch das Nachbargebiet so lange zu verfolgen, bis wir seiner Herr werden. Wir sind hier auch keiner Gebietseinschränkung unterworfen. Es gilt auch, dass wir das über Drittstaaten machen können.
Ich nenne noch einige Zahlen, die vielleicht von Interesse sind, nämlich die Statistik des PKZ Kittsee. Wir haben im Jahr 2003 mit 317 Anfragen begonnen. Das ist bis zum Jahr 2012 auf über 5 700 gestiegen, und momentan liegen wir bei zirka 4 500 Anfragen jährlich, die nur die Slowakei und Österreich betreffen. Da wurden 2 645 Personen, 580 Kfz, 500 Dokumente überprüft und zirka 2 500 Übersetzungen geleistet. Das ist noch ein Punkt, der dazu kommt. Die Kollegen, die dort Dienst verrichten, haben sich auch dementsprechend dazu bereit erklärt, die Sprache des Nachbarn zu lernen, und das ist mitunter ein Grund für den Erfolg dieser Polizeikooperationszentren.
Wir gehen dort auch nicht nur bilateral vor, sondern es werden auch Kollegen aus anderen EU-Staaten unterstützt, wenn es sich bei einem Fall um Gefahr im Verzug handelt, weil diese Büros rund um die Uhr besetzt, auch ständig erreichbar und einsatzbereit sind.
Deswegen glaube ich, dass diese Polizeikooperationsverträge ein wichtiger Punkt sind, dass diese Polizeikooperationsverträge die Sicherheit in unserem Land erhöhen und auch die Polizei bei ihrer täglichen Arbeit massiv unterstützen. Ich glaube, dass wir wirklich gut beraten sind, hier den schon angekündigten einstimmigen Beschluss zu fassen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
12.56
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.
12.56
Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Wertes Präsidium! Werte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Abkommen mit unseren Nachbarstaaten Slowakei und Italien über die Zusammenarbeit mit der Polizei geht es unter anderem um eine grenzüberscheitende Bekämpfung beispielsweise von Korruption, illegaler Einwanderung, Schlepperei und Wirtschaftskriminalität. In einer vernetzten, globalisierten Welt kann und soll die Polizeiarbeit nicht an der Staatsgrenze enden. Das seit 2004 bestehende Abkommen mit der Slowakei sowie das Abkommen mit Italien aus dem Jahr 1997 werden nun ausgeweitet. Es wird hiermit die rechtliche Basis gelegt, wie der Kollege Schödinger bereits erwähnt hat, damit die Polizei grenzüberschreitend tätig werden kann beziehungsweise ihre Kompetenzen erweitert werden.
Das Abkommen bezüglich polizeilicher Zusammenarbeit hat das Ziel, eine Effizienzsteigerung bei der Kriminalitätsbekämpfung zu bewirken, weil Kriminelle bei der Staatsgrenze nicht Halt machen. Früher durften Kriminelle beziehungsweise Verdächtige nur 20 Kilometer auf Autobahnen und maximal zehn Kilometer auf Freilandstraßen und Landesstraßen auf dem jeweiligen Hoheitsgebieten des Landes, wie zum Beispiel Italien, verfolgt werden. Das Abkommen schafft nun für die Beamten die Möglichkeit, nachdem sie ihre Kollegen zum Beispiel in Italien informiert haben, dass die räumlichen Begrenzungen aufgehoben werden, und weiters können nun italienische und österreichische Polizisten gemeinsam in Grenzgebieten Streifendienste durchführen.
Mit diesen Verträgen wird der hohe Sicherheitsstandard in Österreich, was die innere Sicherheit im Vergleich mit anderen Ländern betrifft, noch erweitert. Wir gehören zu den sichersten Ländern der Welt, und das Ziel kann nur sein, dass wir diese Position halten. Hier muss man sich bei der Polizei bedanken, die täglich dafür sorgt, dass wir einen derart hohen Sicherheitsstandard in Österreich haben.
Die Umsetzung des Vertrags wird auch keine großen zusätzlichen Kosten verursachen, da die grenzüberschreitenden Tätigkeiten die Ausnahmen sein werden. Mit den Abkommen mit der Slowakei und Italien über die polizeiliche Zusammenarbeit wird die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung sicher gehoben, und wir werden in Zukunft alle profitieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
12.59
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.
Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätztes Präsidium! Geschätzte Damen und Herren! Meine Vorredner haben jetzt schon relativ viel gesagt. Ich möchte auch seitens der FPÖ betonen, dass auch wir diesen Verträgen zwischen Österreich und der Slowakischen Republik auf der einen Seite und Italien auf der anderen Seite unsere Zustimmung erteilen werden, da eine Zusammenarbeit und eine Findung von Synergien prinzipiell einmal zu begrüßen sind.
Ebenso ist auch die heute bereits vielfach erwähnte und betonte Sicherheit einer der Grundparameter innerhalb der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft und auch eines der Grundbedürfnisse der Österreicherinnen und Österreicher.
Zu begrüßen ist, dass die Staatsgrenze keine Fluchtbarriere mehr darstellt und auch gemischte Streifen als Beispiel dafür dienen, dass der Kriminalität gut entgegengewirkt werden kann.
Man sieht in unserem Land, dass die Sicherheit bei den Regierungsparteien leider grundsätzlich keinen so hohen Stellenwert genießt. Erfreulich wäre ein genereller
Wandel in Fragen der Sicherheit und endlich einmal eine entscheidende Verbesserung der Lage insgesamt, denn illegale Zuwanderung und Menschenhandel sind stets zu unterbinden.
Es wäre auch zu begrüßen, wenn man temporäre Grenzkontrollen einführen würde, denn schließlich geht es um die Sicherheit Österreichs. Dies wird aber seitens der Regierung, wie bekannt, negiert.
Anmerken möchte ich auch, dass der ursprüngliche Vertrag mit Italien aus dem Jahre 1997 stammt. Da wäre sicherlich bereits schon etwas früher Handlungsbedarf gegeben gewesen. Wünschenswert wäre ein schnelleres und rascheres Handeln seitens der Regierung gewesen.
Abschließend möchte ich allen Beamtinnen und Beamten für ihre Leistungen im Bereich der Sicherheit einen besonderen Dank aussprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
13.01
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt getrennt.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik, durch welchen der am 13. Februar 2004 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit geändert und ergänzt wird.
Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.
Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend den Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle wieder Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist angenommen.
6. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bezügegesetz, das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundesbezügegesetz, das Klubfinanzierungsgesetz 1985, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Einsatzzulagengesetz, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Wehrgesetz 2001 und das Heeresgebührengesetz 2001 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2015) (585 d.B. und 604 d.B. sowie 9373/BR d.B. und 9382/BR d.B.)
7. Punkt
Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) geändert wird (210/A-BR/2015 sowie 9385/BR d.B.)
8. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz) geändert wird (584 d.B. und 605 d.B. sowie 9383/BR d.B.)
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Berichterstatter zu Tagesordnungspunkt 6 ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend Dienstrechts-Novelle 2015, in welcher zahlreiche Rechtsmaterien novelliert werden.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Berichterstatter zu Tagesordnungspunkt 7 ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich er-
statte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Antrag der Bundesräte Werner Herbert Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten, Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979, geändert wird.
Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, weshalb ich sogleich zur Antragstellung kommen darf.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 und 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem Antrag 210/A-BR/2015 keine Zustimmung zu erteilen.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Berichterstatter zu Tagesordnungspunkt 8 ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen, Bundesbahngesetz, geändert wird.
Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, weshalb ich sogleich zur Antragstellung komme.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.
13.06
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die hier in Rede stehenden dienstrechtlichen Bestimmungen einschließlich meines Antrages haben schon eine ziemlich weitreichende Vorgeschichte. Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen diese jetzt einmal kurz näherbringe.
Nach langjährigem Rechtsstreit hat schließlich der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Anerkennung von Vordienstzeiten bei öffentlich Bediensteten gerechtfertigt ist und dass dafür, dass die Republik Österreich diese Vordienstzeiten bis dato nicht anerkannt hat, die Republik Österreich verurteilt wird.
Die Folge daraus war eine Dienstrechtsreform, bei der aber dieser Rechtsprechung nicht entsprochen wurde. Man hat bei dieser Dienstrechtsreform diesen Rechtsspruch neuerlich negiert, indem man einfach ein neues Dienstrecht eingeführt hat. Dabei hat man umgestellt von einer Durchrechnungszeitraum-Systematik auf ein neues Besoldungssystem. Dabei greift der Dienstgeber in bestehende Dienstrechtsverträge von öffentlich Bediensteten ein, und zwar auf eine für deren besoldungsrechtliche und pensionsrechtliche Entwicklung nachteilige Art und Weise, indem sie nämlich in ein neues Besoldungssystematik-System eingereiht werden.
In der nachfolgenden Diskussion gab es schließlich nach Beschluss dieser Dienstrechtsreform zu Beginn dieses Jahres die Feststellung, nämlich sowohl von der Frau Staatssekretärin als auch von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, dass es in einem
Schwankungsbereich von 0,6 Promille tatsächlich finanzielle Nachteile von Bediensteten in der Lebensverdienstsumme geben kann – diese liegen je nach besoldungsrechtlicher Einstellung der Dienstzeiten zwischen 6 000 € und 14 000 € – und dass es hier Nachbesserungsbedarf gäbe. – So weit, so gut.
Daraufhin haben Sie, Frau Staatssekretärin, wie auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst verlautbart, dass 60 Millionen € aufgewendet wurden, um dieses finanzielle schwarze Loch, um es so zu bezeichnen, für die öffentlich Bediensteten zu schließen, und diese Nachbesserung ist auch Gegenstand dieser heutigen Regierungsvorlage.
Etwas irritierend war dann die Darstellung des Mag. Hartmann im Ausschuss, der da nicht sprach von einer Nachbesserung. Er hat das überhaupt sehr relativ gesehen und hat gesagt, im Prinzip ist das jetzt nur eine Anpassung, weil sie eben erforderlich ist, und die gesamte Diskussion – ich darf ihn zitieren – ist eigentlich ein fiktives Verlustszenario, das abhängig davon ist, wann jemand in Pension geht und wann nicht. – Das ist eigentlich eine ziemlich verhöhnende Aussage gegenüber der Beamtenschaft und den Vertragsbediensteten, die diesem Gesetz unterliegen, denn eigentlich, unter uns gesagt, ist alles nur eine Frage, wann ich meinen Pensionsantritt wähle. So war es schon vorher und so wird es auch zukünftig sein.
Aber das ist eine klassische, im besten Fall wohlwollende, Themenverfehlung. Ich könnte auch sagen, das war eine sehr überhebliche Aussage eines Regierungsvertreters beziehungsweise eines Vertreters von Ihnen, Frau Staatssekretärin, der diese Thematik herunterspielt, weil öffentlich Bedienstete für diese Bundesregierung offensichtlich keine Bedeutung haben.
Da sprechen wir nicht von dem in Würde ergrauten, Ärmelschoner tragenden Hofrat, der in seinem gemütlich eingerichteten Arbeitszimmer auf seine sehr gut dotierte Pension wartet, sondern da sprechen wir von Berufsgruppen, die wir alle und jeden Tag brauchen, vom Polizisten, von der Kindergärtnerin, von der Lehrerin, vom Justizwachebeamten, vom Richter, vom Staatsanwalt und noch vielen anderen Berufsgruppen, die uns tagtäglich ihre wertvollen Dienste anbieten und die wir gerne annehmen. Diesen Berufsgruppen, diesen öffentlich Bediensteten wird einmal mehr abfällig und nicht wertschätzend gegenübergetreten. (Staatssekretärin Steßl: Das können Sie mir nicht vorwerfen!)
Die Frage, die sich in diesem Ausschuss interessanterweise ergab, die ich dort aber nicht so vernahm von Ihnen, meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen aus der Gewerkschaft, betrifft Folgendes: Es wurden auch diese 60 Millionen € nicht bestätigt. Das ist irritierend, weil es für die Bewertung der finanziellen Entwicklung maßgeblich ist, ob es 60 Millionen € mehr gibt oder nicht. Ich kann ja nur dann von einem festgestellten Finanzloch und dessen Beseitigung sprechen, wenn es tatsächlich zusätzliches Geld gegeben hat. Sonst – und das ist meine Befürchtung, die ich hier klar zum Ausdruck bringen möchte – ist es ja eigentlich nur eine Verschiebung.
Dadurch drängt sich immer mehr der auch bisher schon gehegte Verdacht auf, dass man durch einen Vorgriff des bestehenden Finanzvolumens für diese Dienstrechtsreform einfach Finanzmittel vorzieht, dadurch jetzt vermeintlich ein Finanzloch stopft beziehungsweise einen finanziellen Nachteil der öffentlich Bediensteten beseitigt, aber gleichzeitig in Zukunft diesen Nachteil, der jetzt durch die vorgezogenen Finanzmittel neuerlich erzeugt wurde, nicht ausgleicht.
Das heißt, der finanzielle Realverlust in der Lebensverdienstsumme ist eigentlich eine prolongierte Geschichte. So gesehen ist auch diese Regierungsvorlage einmal mehr eine Mogelpackung. Da signalisiert man den öffentlich Bediensteten, es hätte sich einiges zu ihrem Besseren geändert, was in Wirklichkeit einmal mehr nicht stimmt, so-
dass diese Bundesregierung gegenüber den eigenen Bediensteten einmal mehr wortbrüchig geworden ist.
Was diese Vermutung noch unterstützt, ist, dass wir bis heute noch keinen Finanzrahmen gesehen haben. Dieser wurde dem Parlament nicht übermittelt, obwohl er mehrfach eingefordert wurde, und zwar auch von mir, Frau Staatssekretärin. (Zwischenbemerkung von Staatssekretärin Steßl.) Es liegen dem Parlament bis heute keine offiziellen Zahlen darüber vor, was diese Reform kostet – oder vielmehr, was sich die Regierung durch diese Reform zukünftig erspart – und wie sich das tatsächlich im Detail auswirkt.
Ich darf daher in diesem Zusammenhang folgenden Antrag einbringen:
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956“ – sowie weitere Gesetze in diesem Zusammenhang – „geändert werden () wird gemäß Art. 42 B-VG mit folgender Begründung Einspruch erhoben:
Die gegenständliche Novelle prolongiert einmal mehr die Benachteiligung öffentlich Bediensteter, deren Nachteile durch finanzielle Verluste mit dieser Novelle vermeintlich ausgeglichen werden sollen. Tatsächlich wurden diese Verluste durch einen budgetären Vorgriff lediglich temporär ausgeglichen und die Wirksamkeit der finanziellen Verluste in die Zukunft verschoben. Eine solche Vorgangsweise ist rechtsstaatlich bedenklich und höchstwahrscheinlich abermals verfassungswidrig.
In formeller Hinsicht wird gemäß § 54 Z 3 GO-BR eine namentliche Abstimmung über diesen Antrag verlangt.“
*****
Ich darf Sie im Sinne der öffentlich Bediensteten, der Beamten, der Vertragsbediensteten ersuchen, diesen Antrag zu unterstützen. Denn was hier gespielt wird, ist wieder einmal Folgendes: Es werden da einmal mehr Dinge versprochen, die eigentlich, wenn man sie genau betrachtet, wieder eine Mogelpackung sind.
Da wird einmal mehr versucht, Salz in die Augen jener Berufsgruppen zu streuen, die doch gerade unter der Schirmherrschaft der Republik ihren Dienst leisten. Und nun setzt die Republik Österreich und im erweiterten Sinne diese Bundesregierung als Arbeitgeber eine Maßnahme, die privatrechtlich niemals durchgehen wird.
Wenn Sie heute dieser Regierungsvorlage zustimmen, werden Sie für diese dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Schlechterstellung mit verantwortlich sein, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.
Noch ein Wort zu meinem Antrag. Es geht in diesem darum, nicht auf die, wie in der Regierungsvorlage und in § 169c Dienstrechts-Novelle 2015 dargestellt, nächstniedrigere Gehaltsstufe abzuzielen. Ich meine, es wäre vernünftiger gewesen, auf die nächsthöhere Gehaltsstufe abzuzielen.
Das hätte uns nämlich die gesamte Problematik mit Rückstufung, Ergänzungszulage, vielleicht weiterer Ergänzungszulage, vorgezogenen Biennalsprüngen und dergleichen völlig erspart. Dabei stellt sich für mich auch die Frage: Warum mache ich so ein kompliziertes System, wenn ohnedies alles so, wie es ist, bleibt? Da könnte ich doch genauso gut eine einfachere Methode wählen, nämlich jene, dass ich gleich auf die nächsthöhere Gehaltsstufe abziele und das wiederum entsprechend einer Einstufung
so nivelliere – so wie es auch hier vermeintlich vorgenommen wurde –, dass man sagt, es ist so als Einkommen zu sehen.
Damit hätten wir uns diese ganzen Problematiken der Biennalzwischensprünge, der Ergänzungszulagen und diese sonstigen verwirrenden Maßnahmen, die offensichtlich nur dazu dienen, die wahren Intentionen dieses Gesetzes zu verschleiern, eindeutig erspart.
In diesem Sinne darf ich hier noch einmal eine Lanze brechen für unseren öffentlichen Dienst. Unsere Beamten, unsere Verwaltungsbediensteten leisten Großartiges, und das, obwohl sie in der personellen Stärke, in der Substanz, immer weniger werden und immer mehr Aufgaben zu betreuen haben. Dafür gehört ihnen Dank und Anerkennung ausgesprochen, was ich hier vonseiten meiner Fraktion gerne tun möchte.
Ich ersuche Sie einmal mehr, dieser Dienstrechtsreform nicht zuzustimmen und den Antrag, den wir hier eingebracht haben, zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
13.17
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.
13.18
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das vorliegende, vom Nationalrat beschlossene Gesetzeswerk trägt die schlichte Bezeichnung Dienstrechts-Novelle 2015 und beinhaltet in Wirklichkeit die Novellierungen von nicht weniger als 29 Bundesgesetzen, die entweder ausschließlich oder auch nur mitumfassend den Bundesdienst betreffen.
Ohne zunächst auf den Inhalt und die Sinnhaftigkeit dieser Neuregelungen einzugehen, gestatten Sie mir, in meiner Eigenschaft als engagierte Gewerkschafterin und gewählte Personalvertreterin die kritische und ernst gemeinte Anmerkung, dass dieses Verschachteln von wichtigen Gesetzesbestimmungen in einem gemeinsamen Regelwerk, auch wenn dies eine legitime legistische Methode ist, für die betroffenen Kollegen und Kolleginnen zu einer unübersichtlichen Informationslage führt und sogar bei jenen, die in den jeweiligen Personalabteilungen für die Vollziehung zuständig sind, auf erhebliches Unverständnis stößt.
Seit Jahren wird eine umfassende Neuordnung des gesamten Arbeitsrechts für den öffentlichen Dienst in Aussicht gestellt. Geschehen ist, außer ständigen Novellierungen der Stammgesetze mit unzähligen Übergangsbestimmungen, nichts dergleichen.
Ich darf auch dazusagen, dass ich das schon mit der Frau Staatssekretärin besprechen durfte und von ihr die Zusage bekommen habe, dass ein neues Dienstrecht angestrebt wird. (Zustimmendes Nicken von Staatssekretärin Steßl.) Frau Staatssekretärin, dafür bin ich sehr dankbar, denn diese Verschachtelungen machen uns sicher sehr große Probleme.
Man braucht sich nur die Jahreszahlen einiger Stammgesetze anzusehen. Ich möchte nur ein paar aufzählen: Vertragsbedienstetengesetz 1948, Reisegebührenvorschrift 1955, Gehaltsgesetz 1956, Bundestheaterpensionsgesetz 1958, Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz 1961, Pensionsgesetz 1965, Landeslehrer-Dienst-
rechtsgesetz 1984, Landesvertragslehrpersonengesetz 1966. – So geht es weiter. Das modernste, das ich im Moment gefunden habe, war das Heeresgebührengesetz 2001.
Dieses teilweise jahrzehntelange Verändern der Stammgesetze sollte zumindest bald zu einer Wiederverlautbarung einiger dieser Gesetze führen.
Abgesehen von meinem Wunschdenken stehe ich aber nicht an, die Arbeitsleistung und die fachliche Kompetenz jener Kolleginnen und Kollegen, die mit der Gestaltung eines derart umfangreichen Gesetzentwurfes befasst sind, und zwar in den zuständigen legistischen Abteilungen, insbesondere im Bundeskanzleramt – ich habe gehört, da war sogar Urlaubssperre vor Weihnachten –, ausdrücklich anzuerkennen und zu würdigen.
Nun zum wesentlichen Inhalt der Dienstrechts-Novelle 2015:
Erstens: Die aufgrund eines Urteiles des Europäischen Gerichtshofes über die Vordienstzeitenanrechnung umgesetzte Besoldungsreform 2015 ergab in manchen Fällen Verluste, nämlich im Lebensverdiensteinkommen für aktive BeamtInnen und Vertragsbedienstete. Diese Verluste müssen nunmehr durch eine Wahrungszulage ausgeglichen werden.
Zweitens: Auch für in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebende Personen und Adoptiveltern besteht Anspruch auf unbezahlten Karenzurlaub im Ausmaß von bis zu vier Wochen nach der Geburt eines Kindes – Stichwort: Babymonat – anstelle des bisherigen Frühkarenzurlaubes von einem Papamonat.
Drittens: Zur Herbeiführung der Rechtsklarheit werden zahlreiche Verweise, Zitate und Begriffe aktualisiert und angepasst.
Viertens: Im Personalmanagement des Bundes werden die Bediensteten entsprechend der neuen Rechtslage in das neue System übergeleitet.
Fünftens: Die Übertragung von einzelnen Aufgaben der Pensionsverrechnung für ÖBB-Bedienstete von der ÖBB-Holding an das PVA-Pensionsservice wird rechtlich abgesichert.
All diese Maßnahmen erscheinen an sich erforderlich und sinnvoll. Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Dienstrechts-Novelle 2015 zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.23
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.23
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! KollegInnen und ZuseherInnen! Zum Tagesordnungspunkt 6: Wir stimmen der Dienstrechts-Novelle 2015 sehr gerne zu. Die meisten Reformen finden wir sehr gut, obwohl wir noch sehr viel „Luft nach oben“ sehen beziehungsweise sehr viel Verbesserungspotenzial sehen. Der Punkt, über den wir uns am meisten freuen, ist die Gleichstellung, die durch den Babymonat passiert.
Der Babymonat löst den Papamonat im öffentlichen Dienst ab und ermöglicht nun auch gleichgeschlechtlichen Paaren sowie Adoptiveltern und Pflegeeltern, den Babymonat in Anspruch zu nehmen. Das ist ein wirklich sehr, sehr erfreulicher Schritt in Richtung Gleichstellung. Aber wir sehen da, wie ich schon vorhin gesagt habe, noch sehr viel „Luft nach oben“ beziehungsweise großen Verbesserungsbedarf.
Zum Beispiel: Eine Voraussetzung für den Babymonat ist der gleiche Wohnsitz von Mutter, Kind und Partner oder Partnerin. Das ist natürlich sehr wünschenswert. In der Novelle steht es so, um einen Missbrauch des Babymonats zu vermeiden. Aber für die Liebe gibt es leider keine Garantie, und es gibt eben sehr, sehr viele Paare, die sich noch während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt trennen. Auch diese Partner und Partnerinnen wollen aber gemeinsam Verantwortung übernehmen – Verantwortung und natürlich auch das Glück, viel Zeit mit ihrem wunderbaren neuen Baby zu verbringen. Abgesehen davon kann es natürlich auch arbeitsbedingt verschiedene Wohnsitze geben, und für diese Eltern finden wir es sehr wichtig, dass das Babymonat nicht mehr vom gemeinsamen Wohnsitz abhängt.
Das mit dem Wohnsitz mag eine sehr spezielle Frage sein. Aber alle Babymonatsbezieher und -bezieherinnen sind davon betroffen, dass es ein unbezahlter Monat ist. Auf der maennerinkarenz.at steht, dass seit 2011 über tausend Männer den Papamonat in Anspruch genommen haben. Ich weiß nicht, wie aktuell diese Zahlen sind, aber, egal, ob sich diese Zahlen auf drei oder vier Jahre beziehen, in Bezug auf alle Personen im öffentlichen Dienst ist das doch sehr, sehr wenig.
Ich wage es jetzt einmal zu behaupten, dass es hauptsächlich daran liegt, dass sich kaum eine Familie einen Verdienstausfall für einen gesamten Monat leisten kann, während die Fixkosten natürlich weiterlaufen. Wir finden, da gehört dringend eine Lösung her, damit der Babymonat nicht nur für finanziell gut gestellte Familien leistbar ist, sondern wirklich für alle Personen im öffentlichen Dienst, die das gerne machen möchten.
Für Pflegeeltern gibt es die Möglichkeit des Babymonats nur dann, wenn das Kind in Adoptionsabsicht in Pflege genommen wird. Dazu muss ein Kind bereits zur Adoption freigegeben sein, und das sind die allerwenigsten Pflegekinder in Österreich. Somit ist der Babymonat für Pflegeeltern kaum ein Thema, und das, obwohl Pflegekinder im Normalfall bei ihren Pflegefamilien bleiben und so ein Monat für den Aufbau der Beziehung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern sehr wichtig wäre.
Generell ist der Babymonat bei Adoptiv- und Pflegekindern auf die ersten beiden Lebensjahre beschränkt. Wir finden, auch das sollte geöffnet werden, weil eben Pflege- und Adoptivkinder sehr oft zu ihren neuen Familien kommen, wenn sie schon über zwei Jahre sind. Ich finde, auch da sollte es die Möglichkeit des Babymonats geben.
Die allergrößte Herausforderung in diesem Bereich findet in dieser Novelle natürlich keinen Platz. Ich meine die Ausdehnung des Babymonats über den öffentlichen Bereich hinaus auch auf die Privatwirtschaft. Das ist schon sehr oft versprochen worden und steht auch wieder im aktuellen Regierungsprogramm. Drei Jahre haben wir noch Zeit, um das umzusetzen. Packen wir es doch bitte an!
Der zweite Punkt, den ich aus dieser umfangreichen Novelle noch herausheben und unterstreichen möchte, ist die Änderung der Reisegebührenvorschrift. Es ist zwar nur eine provisorische Änderung bis Ende 2015, aber die Verhandlungen mit den Sozialpartnern laufen noch. Diese neue, vorübergehende Vorschrift besagt, dass bei Dienstfahrten, bei denen ein öffentliches Verkehrsmittel verwendet werden kann, nun nicht mehr das günstigste Ticket geltend gemacht werden kann, sondern ein fixer Betrag nach Kilometern, egal, ob man mit den Öffis oder mit dem Auto fährt.
Das sind geringere Sätze. Da Öffis aber prinzipiell billiger sind als das Auto, rechnen wir damit, dass sich diese Änderung positiv auf die Umwelt auswirken kann und auswirken wird, da sie zu vermehrtem Umstieg auf die Öffis führen wird, denn vorgelegte
Bahntickets werden natürlich weiterhin in vollem Ausmaß refundiert. Daher findet die Dienstrechts-Novelle, Tagesordnungspunkt 6, unsere Zustimmung.
Nicht zustimmen werden wir aber dem gerade eingebrachten Antrag zum Tagesordnungspunkt 7 und auch nicht dem Tagesordnungspunkt 8, der Novelle des Bundesbahngesetzes.
Kurz gesagt: Beim Bundesbahngesetz geht es um die rückwirkende Reformierung von Bestimmungen betreffend die Berechnung des Vorrückungsstichtags. Nach einem Urteil des EuGHs wird nun nicht mehr an ein bestimmtes Lebensalter geknüpft, sondern es erfolgt nur mehr die Anrechnung der Vordienstzeiten, zum Beispiel Lehr- und Dienstzeiten bei den ÖBB und bei anderen Bahn- und Eisenbahneinrichtungen und -unternehmungen.
Wir werden das deshalb ablehnen, weil dieses Gesetz aus unserer Sicht ein Schnellschuss ist. Es hat keine Begutachtung gegeben. Die Regierung sagt zwar, dass es bei den Lebensverdienstsummen keine nachteiligen Veränderungen geben wird, viele ÖBB-Angestellte sehen es aber ganz anders. Da die Interessenvertretungen und Gewerkschaften keine Möglichkeit gehabt haben, sich da einzubringen und sich dazu zu äußern, lehnen wir die Bundesbahngesetz-Novelle ab. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
13.29
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ing. Pum zu Wort gemeldet. – Bitte.
13.29
Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es wurde schon anfangs erwähnt, die umfangreiche Dienstrechts-Novelle bezieht sich auf viele Vorlagen.
Ich möchte hier ebenso das Beamten-Dienstrechtsgesetz herausgreifen und vielleicht nochmals erwähnen, dass es sich da vorerst nur um eine Korrektur handelt, dass vor allem die Schlechterstellung der Beamten im Zuge der Besoldungsreform 2015 nun korrigiert wird und ausgeschlossen wird.
Die Änderung des Absatzes 3 dieser Bestimmung, den Bezug auf das nächstniedrigere Gehalt durch Bezugnahme auf das nächsthöhere Gehalt zu ersetzen, soll damit eine Gleichstellung sicherstellen, um das auch hier klar darzulegen, wie es aber auch schon in der Wahrungsregel 2 bei Vorrednern hier auch gesagt wurde. (Präsidentin Zwazl übernimmt wieder den Vorsitz.)
Der Verlust von praktisch zwei Jahren von dem für ihre Vorrückung ausschlaggebenden Zeitraum wird damit egalisiert. Dass diese Änderung kostenneutral ist, stellt einen wesentlichen Faktor dieser Novelle dar.
In der Detailbetrachtung der Gehälter führt dies zu einer geringfügigen Anhebung, bleibt jedoch im überschaubaren Rahmen bis zu 1 Prozent. Auch hier sei klar gesagt, dass die Lebensverdienstsumme gleich bleiben wird und damit auch hier klar gezeigt wird, dass vielleicht auch mit diesem Prozentpunkt der Erhöhung ein kleiner Wiedergutmachungspunkt gegeben ist. Gerade im Zusammenhang mit der Novelle 2013, als es ja eine Null-Lohnrunde gegeben hat, ist dies positiv anzumerken.
Es zeigt letztlich aber auch – und das möchte ich hier sehr klar zum Ausdruck bringen –, dass gerade diese aktuelle Diskussion der Verwaltungsreform eines in den
Mittelpunkt stellen muss: dass natürlich eine schlanke Verwaltung immer wieder zu sichern ist, aber vor allem auch die Qualität einer guten Verwaltungsebene in den Vordergrund zu stellen ist und daher auch dieses Niveau immer wieder klar anzuheben ist.
Einen zweiten Bereich dieser Dienstrechts-Novelle möchte ich ebenso herausgreifen. Das ist der Änderungsantrag betreffend das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz. Da wird in vielseitiger Form auch der Arbeits- und Unterrichtsführung Rechnung getragen.
Wir kennen natürlich die laufende Diskussion um die Anwesenheitspflicht von PädagogInnen in Schulen, müssen aber auch der Tatsache Rechnung tragen, dass der Job Lehrer/Lehrerin nicht auf den Schulbereich alleine zu reduzieren ist. Ich glaube, es ist daher auch notwendig, dass da sehr klar differenziert wird. Es ist wichtig, dass auch die Leistungsbereitschaft und nicht zuletzt die Leistung der PädagogInnen zu honorieren ist und diese Einsatzbereitschaft auch immer wieder hervorgehoben wird. Da muss es auch nach dem Inkrafttreten der neuen Dienstrechts-Novelle natürlich zu einer Evaluierung im Schulbereich kommen. Weiters soll in diesem Zusammenhang natürlich auch eine Arbeitszeitstudie unter Einbeziehung der InteressenvertreterInnen in Auftrag gegeben werden.
Es gibt hier verschiedenste Notwendigkeiten, aber insgesamt gesehen können wir von der ÖVP dieser Novelle zustimmen, wogegen wir den Entschließungsantrag der FPÖ, der hier eingebracht wurde, mit sachlicher Begründung ablehnen werden. – In diesem Sinne: Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.34
Präsidentin Sonja Zwazl: Bevor ich die Frau Staatssekretärin um ihre Wortmeldung bitte, begrüße ich recht herzlich Herrn Bundesminister Dr. Ostermayer hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Bitte, Frau Staatssekretärin.
13.34
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich recht herzlich für diese anregende Diskussion.
Das Dienstrecht ist ja, wie die Frau Kollegin ausgeführt hat, im Moment sehr kompliziert gestaltet. Es ist nicht so, dass wir das vorsätzlich machen, sondern das Dienstrecht hat sich nun einmal über die Jahrzehnte weiterentwickelt. Deswegen hat mich der Nationalrat in seinem Entschließungsantrag im Jänner dazu aufgefordert, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Verhandlungen über ein neues Dienstrecht zu führen. Das ist auch im Regierungsprogramm so verankert.
Ich habe bereits im Jänner beziehungsweise im Februar, als wir dieses Thema hier im Bundesrat diskutiert haben, gesagt, dass ich dieses Thema angehen werde und selbstverständlich versuchen werde, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sozial-partnerschaftlich eine Lösung zu finden.
Nun aber zur vorliegenden Dienstrechts-Novelle. – Wie schon gesagt, es war ur-sprünglich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes – Kollege Herbert hat es kurz ausgeführt –, und es wurde dann eine Novelle beschlossen. Diese wurde vom Europäischen Gerichtshof wiederum aufgehoben. Und dazu möchte ich eines klarstellen:
Der Europäische Gerichtshof hat nicht vorgesehen, dass die Beseitigung der Altersdiskriminierung eine finanzielle Auswirkung hat, wie es nämlich Ihr Antrag beinhaltet. Sie sagen, wir sollten in die nächsthöhere Gehaltsstufe gehen. Dann möchte ich aber im selben Atemzug von Ihnen auch wissen, Herr Kollege Herbert, wie wir das finanzieren; denn es wird ja vonseiten der FPÖ immer darauf geachtet, wie wir derartige Dinge finanzieren.
Wir haben uns ausgerechnet, dass Ihr Antrag grundsätzlich 120 Millionen € strukturell mehr kostet – das heißt nicht einmalig, sondern mehr. Ich wünschte, ich hätte in derartigen Diskussionen auch einen Vorschlag dazu, wie wir das budgetär unterbringen. Denn mein Zugang war es, dass wir ein finanzielles Risiko hatten, nämlich von 3,5 Milliarden € an einmaligen Kosten und 700 Millionen € an strukturellen Mehrkosten. Damit hatte ich umzugehen. Deswegen war ich auch bestrebt, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eine budgetneutrale Lösung zu finden.
Herr Bundesrat von der FPÖ, Sie haben kritisiert, wir hätten dem Parlament keinen Bundesfinanzrahmen übermittelt. Ich weiß nicht, von welchem Bundesfinanzrahmen Sie sprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) Der Bundesfinanzrahmen liegt dem Nationalrat vor. Wenn Sie die Wirkungsfolgenabschätzung meinen, Herr Kollege, so darf ich Ihnen dazu sagen: Es ist in der Wirkungsfolgenabschätzung genau detailliert, nach Ressorts aufgeteilt, dargestellt, wie sich die 60 Millionen € an einma-ligen Kosten zusammensetzen, die sich aber im Laufe des Lebensverdienstes wieder ausgleichen, und wie sich in den nächsten Jahren die Finanzierung verhält.
Daher kann ich mit Ihrer Kritik insofern nicht umgehen, als ich es unsachlich finde, wenn man hier behauptet, dass diese Dienstrechts-Novelle ein Schnellschuss oder gar eine Mogelpackung wäre. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) Ich habe dem öffentlichen Dienst noch nie irgendein Beamtenbashing entgegengebracht, das wird man von mir auch nicht hören. Genauso wenig werde ich hier eine Regierungsvorlage vorlegen, die eine Mogelpackung ist.
Ich möchte also wirklich um eine sachliche Diskussion bitten. Ich muss sagen, dass Ihre Wortmeldung tatsächlich überwiegend eine sachliche, kritische Auseinander-setzung mit diesem Thema beinhaltete. Aber hören Sie auf mit Unterstellungen mir gegenüber! Denn eines möchte ich schon sagen: Wir haben sowohl mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst als auch mit der Gewerkschaft der Post- und Fernmelde-bediensteten einen sehr konstruktiven Dialog geführt, um zu dieser Lösung zu kommen, nämlich diese 0,6 Promille Lebensverdienstsumme auszugleichen.
Wir gleichen das aus mit einer sogenannten Wahrungszulage. Das heißt, die Bediens-teten verlieren nichts. In Ihrem Antrag hingegen, Herr Kollege Herbert – das haben wir uns auch angeschaut –, hätten wir auch Auswirkungen auf alle Berufsgruppen. Ihr Antrag würde sich auch finanziell unterschiedlich auswirken, wobei der Unterschied zwischen 25 Prozent und 75 Prozent betragen würde. Wir haben stattdessen eine Lösung gewählt, bei der alle öffentlich Bediensteten eine Wahrungszulage bekommen und nach der kurzen Plusphase auch in einer größeren Plusphase sind.
Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst für diese konstruktiven Verhandlungen, denn es liegt mir sehr viel an dieser Sozialpartnerschaft. Der öffentliche Dienstgeber soll auch in weiterer Zukunft ein attraktiver Dienstgeber sein und die Bediensteten mit Respekt behandeln.
Diese Dienstrechts-Novelle enthält, wie schon ausgeführt wurde, nicht nur diese Wahrungszulage, sondern auch viele andere Dinge, beispielsweise den Babymonat. Ich habe mich dazu bekannt, dass wir auch da eine Änderung durchführen. Ich ver-
suche alles zu tun, was in meinem Wirkungsbereich liegt, geschätzte Frau Kollegin, um auch da eine Gleichstellung zu machen, denn wir leben in einer offenen Gesellschaft. Das möchte ich im öffentlichen Dienst auch zeigen, natürlich auch mit der Absicht einer Vorbildwirkung auf den privaten Dienst.
Aber zu einem ganz anderen Thema: Vom Babymonat – so sieht man, wie flexibel auch der öffentliche Dienst ist – kommen wir zu den echten Militärdienstlaufzeiten. Da haben wir bereits etwas von der Bundesheerreform umgesetzt. Es werden nämlich echte Militärzeitlaufbahnen eingeführt.
Meine geschätzten Damen und Herren, nach dem sechsmonatigen Grundwehrdienst erhalten jene, die die Berufslaufbahn anstreben, keine Verlängerung des Präsenzdienstes mehr, sondern ein echtes befristetes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Das wurde immer wieder von der Gewerkschaft gewünscht, und nun setzen wir das um. Mit dieser Änderung geht auch mit einher, dass künftig auch Auslandseinsätze in das Dienstverhältnis eingerechnet werden.
Meine geschätzten Damen und Herren, wir sind, wie Sie sehen, immer im Fluss. Wir versuchen, auf die neuen Gegebenheiten im öffentlichen Dienst einzugehen, das Dienstrecht immer weiterzuentwickeln. Ich bitte Sie daher auch in diesem Sinne, dieser Dienstrechts-Novelle zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.41
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Herbert: Ja!) – Bitte, Herr Bundesrat Herbert.
13.41
Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Eine kurze Replik auf die Ausführungen der Frau Staatssekretärin (Ruf bei der SPÖ: Nein!): Wenn man hier die wenigen positiven Aspekte – einige wurden hier schon erwähnt – und die vielen Nachteile – Stichwort: besoldungsrechtliche Schlechterstellung, pensionsrechtliche Nachteile alleine durch diese einseitige und ohne in Absprache mit den Bediensteten erfolgte und auch ohne die Möglichkeit eines Widerspruchs im dienstrechtlichen Verfahren für den Bediensteten enthaltene Vorlage – gegeneinander abwägt, dann weiß man, dass dies sehr wohl ein schwerer Eingriff in das Dienstrecht ist. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)
Daher denke ich, dass diese Dienstrechts-Novelle wohl nicht der große Wurf für die nächsten Jahre sein wird. Ich prophezeie Ihnen jetzt schon, dass sie in etlichen Jahren wieder vor dem EuGH scheitern wird, allein schon aufgrund der rechtlich bedenklichen Maßnahme, nämlich diesem Eingriff in die bestehenden Dienstverträge.
Aber diese Dienstrechts-Novelle zielt wahrscheinlich auch nicht darauf ab, der große Wurf zu werden, sondern es geht wohl eher darum, Vertretern jener sozusagen pensionsstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren in Pension gehen sollen, den finanziellen Vorteil, den sie sich im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit für den öffentlichen Dienst erwirtschaftet und erarbeitet haben, nicht zukommen zu lassen. Das ist das eigentlich Verwerfliche an dieser Dienstrechts-Novelle! Und das kreide ich euch hier heute einmal mehr an. Und daher spreche ich mich heute auch dagegen aus.
Wenn Sie meinen, dass dieser Umstand, den ich gerade aufgezeigt habe, nicht eine Mogelpackung sei, dann ist es natürlich Ihre persönliche Wertung der verbalen Aussage. (Zwischenbemerkung von Staatssekretärin Steßl.)
Für mich ist es jedenfalls tatsächlich eine Mogelpackung, wenn ich als öffentlich Bediensteter, als Arbeitnehmer der Republik jahrzehntelang meinen Dienst versehen
habe und mir dann mit einem Federstrich jene Jahre genommen werden, um die ich früher in Pension gehen könnte oder für die ich die positiven finanziellen Auswirkungen mitnehmen könnte. Das ist das Thema, das ist das Problem mit dieser Dienstrechtsreform! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
13.44
Präsidentin Sonja Zwazl: Die Frau Staatssekretärin möchte darauf noch eine Antwort geben. – Bitte.
13.44
Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Keine Sorge, es wird eine kurze Antwort sein. Herr Bundesrat Herbert, ich wollte Sie nicht dazu herausfordern, dass wir jetzt einen Dialog führen; sondern ich denke, in einer Demokratie und gerade hier im Bundesrat schätzen wir eine sehr eingehende Diskussion.
Ich kann mich noch erinnern, Herr Bundesrat, wie wir beide im Verfassungsausschuss tätig waren und sehr sachlich diskutiert haben. Ich habe nur festgestellt, dass ich insbesondere immer an sachlichen Diskussionen interessiert bin und mir keine Dinge, die auch in anderen Ausschüssen dargelegt werden, unterstellen lasse.
In diesem Sinne möchte ich noch eines klarstellen und auch damit schließen: Diese Dienstrechts-Novelle ist eine sozialpartnerschaftlich verhandelte. Sie wurde im Vorstand der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst einstimmig angenommen.
Was ich noch hinzufügen möchte, Herr Bundesrat Herbert: Wie Sie aus Ihrer Erfahrung im Verfassungsausschuss wissen, werden Dienstrechts-Novellen immer wieder im Herbst durchgeführt, weil wir immer wieder mit der Gewerkschaft Verhandlungen führen. Daher kann man, glaube ich, das Argument, im Herbst kommt dann wieder etwas Neues, hier nicht ins Treffen führen. Ich bedanke mich trotzdem für diese anregende Diskussion. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)
13.45
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt getrennt.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend eine Dienstrechts-Novelle 2015.
Es liegt ein Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.
Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.
Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.
Ich gehe daher so vor.
Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – ist gleich Einspruch – oder „Nein“ – ist kein Einspruch. Ich bitte um deutliche Wortmeldung.
Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte und Bundesrätinnen in alphabetischer Reihenfolge.
*****
(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Lindinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)
*****
Präsidentin Sonja Zwazl: Die Stimmabgabe ist beendet.
Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.
*****
(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 13.50 Uhr unterbrochen und um 13.52 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsidentin Sonja Zwazl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.
Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend eine Dienstrechts-Novelle 2015 mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, bei 53 abgegebenen Stimmen 8 „Ja“-Stimmen und 45 „Nein“-Stimmen.
Der Antrag auf Erhebung eines Einspruches ist somit abgelehnt.
*****
Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:
Brückl;
Dörfler;
Herbert Werner;
Jenewein;
Krusche;
Längle;
Mühlwerth;
Schmittner.
Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:
Bierbauer-Hartinger, Blatnik, Bock;
Ebner Adelheid, Ebner Bernhard;
Fetik, Fürlinger;
Gödl, Grimling, Gruber-Pruner;
Himmer;
Jachs, Junker;
Köberl Günther, Köberl Johanna, Köck, Köll, Kurz;
Lampel, Ledl-Rossmann, Lindinger;
Mayer;
Novak;
Oberlehner;
Perhab, Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder, Pum;
Reich, Reisinger;
Saller, Schödinger, Schreuder, Schreyer, Stadler, Stöckl;
Temmel, Tiefnig, Todt;
Wilhelm, Winkler;
Zelina, Zwazl.
*****
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.
Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert wird.
Da der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus mit Stimmenmehrheit beschlossen hat, dem Antrag keine Zustimmung zu erteilen, ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme des gegenständlichen Antrages keine Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Damit ist der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Antrages angenommen.
Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (563 d.B. und 598 d.B. sowie 9377/BR d.B.)
10. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (456 d.B. und 599 d.B. sowie 9378/BR d.B.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Als Berichterstatter ist mir Herr Bundesrat Pfister genannt worden. Ich bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatter Rene Pfister: Werte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird.
Es erfolgt eine gesetzliche Klarstellung über den Eigentumserwerb von Sammlungsobjekten. Weiters soll, wie bei den Bundesmuseen, die Bestellung einer/eines zweiten Geschäftsführerin/Geschäftsführers bei der Österreichischen Nationalbibliothek gesetzlich möglich sein.
Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Weiters bringe ich den Bericht zu Punkt 10 der Tagesordnung: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut.
Die Richtlinie ist in Österreich durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 67/1998 in der geltenden Fassung umgesetzt. Durch den vorliegenden Beschluss des Nationalrates soll das bisherige Umsetzungsgesetz durch ein neues Bundesgesetz ersetzt werden.
Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,
2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.
Präsidentin Sonja Zwazl: Danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.
13.56
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Was diese beiden Tagesordnungspunkte betrifft, die unter einem verhandelt werden, werden wir dem Bundesmuseen-Gesetz nicht zustimmen, aber dem Übereinkommen sehr wohl.
Es ist schade, dass man beim Bundesmuseen-Gesetz keine getrennte Abstimmung vornehmen kann, denn es sind ja mehrere Punkte darin enthalten. Ich verhehle nicht, dass es sich mir nicht erschlossen hat, warum das Naturhistorische Museum jetzt unbedingt „Wien“ hinten dran haben muss, der Standort ist klar. Es konnte mir niemand
schlüssig erklären, warum da jetzt „Wien“ hinten dranhängen muss, aber das wäre etwas gewesen, wo ich sage: Ja, gut, soll so sein.
Die Regelungen und Richtlinien, die Schenkungen betreffen, wären der Punkt gewesen, wo wir zugestimmt hätten, weil er richtig, sachlich begründet und in Ordnung ist.
Wir stoßen uns aber daran, dass es nicht möglich ist, sich bei den Geschäftsführern, wo jetzt ein Beirat dazukommen soll, zu einigen, ob man einen oder zwei Geschäftsführer will. Ich würde meinen, in einem Gesetz sollte von vornherein klar festgelegt sein, wie es geregelt werden soll. Zwei Geschäftsführer, ja, okay. Das Vieraugenprinzip ist nicht schlecht, hat allerdings bei den Bundestheatern überhaupt nicht genützt.
Wir wären hier für eine klare Regelung gewesen: ein Geschäftsführer und der Beirat oder zwei Geschäftsführer und der Beirat. Aber „und/oder“ hat uns gestört, darum stimmen wir dem nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)
13.58
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Grimling zu Wort. – Bitte.
13.58
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Grund für die vorliegende neuerliche Änderung des Bundesmuseen-Gesetzes 2002 sind drei an den Gesetzgeber gerichtete Anliegen.
Punkt eins ist die erforderliche Klarstellung über den Eigentumserwerb von Sammelobjekten durch die Bundesmuseen und die Österreichische Nationalbibliothek. Bisher sind nämlich nur die Eigentumsverhältnisse bei entgeltlichen Neuerwerbungen geregelt, wobei diese erst mit Eintritt der Lastenfreiheit kostenfrei in das Bundeseigentum übergehen.
Nunmehr erfolgt eine gesetzliche Ergänzung, dass auch unentgeltliche rechtsgeschäftliche Neuerwerbungen – wie zum Beispiel durch Schenkungen oder letztwillige Verfügungen – ins Eigentum der jeweiligen Einrichtung, also an ein bestimmtes Museum oder die Nationalbibliothek übergehen, wenn dies dem Willen des Gebers entspricht.
Veräußerungen und Belastungen dieser Neuerwerbungen bedürfen aber der Zustimmung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen.
Nicht berührt davon sind Pflichtabgaben an die Österreichische Nationalbibliothek nach dem Mediengesetz, die zwar auch einen unentgeltlichen Sammlungszuwachs darstellen, der aber nicht auf einem Rechtsgeschäft beruht, sondern gesetzlich vorgesehen ist. Diese Pflichtabgaben gehen somit weiterhin sofort in das Eigentum des Bundes über.
Punkt zwei sieht vor, dass in Hinkunft wie bei den Bundesmuseen die Bestellung einer zweiten Geschäftsführerin oder eines zweiten Geschäftsführers bei der Österreichischen Nationalbibliothek möglich sein soll. Der Kritik, dass dadurch nur ein lukrativer zusätzlicher Posten geschaffen werde, ist entgegenzusetzen, dass die Möglichkeit eines Vieraugenprinzips eine vernünftige Maßnahme darstellt, die bisher schon für die anderen Bundesmuseen besteht.
Punkt drei ist rein formaler Natur: Die bisherige Namensbezeichnung des Naturhistorischen Museums wird in „Naturhistorisches Museum Wien“ geändert.
Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
14.01
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.
14.01
Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Ja, es sind zwei Tagesordnungspunkte, die unter einem verhandelt werden. Ich darf zuerst zu dem Punkt sprechen, den wir heute noch nicht diskutiert haben, der aber auch im Nationalrat einstimmig über die Bühne gegangen ist, dem illegalen Handel mit Kulturgut.
Wir wissen, der illegale Handel mit Kulturgut ist weltweit ein Problem, und vielfach werden Museen und archäologische Grabungsstätten geplündert und diese Kunst- und Kulturgüter dann ins Ausland gebracht.
Das Kulturerbe der Menschheit – wir kennen diese Bilder, vor allem aus dem Nahen Osten – ist heute infolge bewaffneter Konflikte und Krisen mehr denn je bedroht, nicht nur in Syrien, das möchte ich betonen, sondern auch in anderen Ländern der Welt. Für die IS-Schreckensherrschaft stellt der Handel mit geraubten Kunstgütern mittlerweile die zweitgrößte Einnahmequelle nach dem Handel mit Erdöl dar.
In einem interessanten Bericht vom 21. Oktober 2014, auf den ich eingehen möchte, schreibt der „Kurier“, wie der IS-Terror durch Kunstraub finanziert werde. Ich darf nur ein paar Zeilen vorbringen:
„Die Dschihadisten der IS kontrollieren Gebiete in Syrien und im Irak, wo einige der wichtigsten Ausgrabungsstätten der mesopotamischen und assyrischen Hochkultur liegen. Geraubt wird alles, was sich nur irgendwie transportieren lässt. Sind die Statuen zu groß, werden die Köpfe einfach mit einem Stahlseil von den steinernen Kunstwerken abgeschnitten. Das Museum in Mosul, das den IS-Milizen Ende Juni in die Hände fiel, soll mittlerweile nahezu leer geräumt sein.“
Sie kennen die Bilder von der Eroberung des Weltkulturerbes Palmyra vor wenigen Wochen, und es ist zu hinterfragen, was mit diesen antiken Kunst- und Kulturschätzen passieren wird.
Schätzungen zufolge, und das ist auch interessant, liegt der Umsatz im Bereich des illegalen Handels mit Kunst- und Kulturgütern an dritter Stelle, hinter dem Handel mit Waffen und hinter dem Handel mit Drogen. Das ist also ein riesiges weltweites Geschäft geworden.
Österreich tritt eben mit diesem heutigen Beschluss auch der UNESCO-Konvention zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern vom 14. November 1970 bei. Manche werden sich fragen: Warum so spät? Nachbarländer wie Deutschland haben das, glaube ich, bereits 2007 gemacht. Und wir wissen, dass gerade Europa, vor allem Länder wie die Schweiz und Deutschland, auch zu einer internationalen Drehscheibe des legalen und des illegalen Kunsthandels geworden sind. Das heißt, es ist höchst an der Zeit, und wir begrüßen natürlich diesen Schritt und werden dem auch zustimmen.
Zwei Dinge, die vielleicht noch interessant sind: Die Bestände historisch gewachsener Sammlungen sind nicht betroffen. Es geht ausschließlich um künftige Erwerbungen. Ich erinnere mich noch an eine lebhafte Diskussion mit dem ehemaligen Kollegen Zangerl, bei der es um eine berühmte Federkrone gegangen ist, in der er uns dann nachgewiesen hat, dass sie eigentlich nicht nach Wien, sondern nach Tirol gehören
würde. Und er hat geschlossen mit dem Spruch: „Es gehört nicht alles Wien, was glänzt.“
Ich glaube, diese jahrhundertealten Diskussionen sind sicherlich interessant, aber wichtig ist, dass wir die Dinge für die Zukunft regeln können.
Den Tagesordnungspunkt 9, die Novelle zum Bundesmuseen-Gesetz, hat meine Vorrednerin ausführlich erläutert. Ich glaube, dem ist nicht mehr sehr viel hinzuzufügen.
Ich habe mir den Spaß gemacht und geschaut, was passiert, wenn man „Naturhistorisches Museum“ in eine Suchmaschine eingibt. – Es gibt nicht nur ein „Naturhistorisches Museum“ weltweit, sondern mehrere. Mit dem Begriff „Naturhistorisches Museum Wien“ würde das wahrscheinlich genauer definiert sein. (Bundesrat Stadler: Richtig erkannt!) Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, warum künftig hinter dem Museum auch der Name „Wien“ stehen wird.
Über das Vieraugenprinzip wurde diskutiert. Das Vieraugenprinzip funktioniert immer dann gut, wenn es auch eine gegenseitige Kontrolle ist. In den meisten Fällen ist das so. Dass es auch anders geht, wurde auch schon erwähnt.
Es ist jetzt die Diskussion, ob dieses Vieraugenprinzip mit zwei Geschäftsführern geht oder auch anders. Zu hinterfragen ist natürlich, inwieweit hier ein wirklich objektives Vieraugenprinzip erfüllbar ist, wenn es um eine weisungsgebundene Prokura geht. Das soll künftig anders sein. Deswegen werden wir vonseiten der ÖVP diesen beiden Punkten sicherlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)
14.06
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
14.06
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich werde es auch ganz kurz machen.
Bei den Änderungen in der Novelle zum Bundesmuseen-Gesetz ist der Hauptstreitpunkt ja der zweite Geschäftsführer. Da wurde im Vorfeld – allerdings jetzt nicht von Frau Mühlwerth, muss man fairerweise dazusagen – auch schon vorgeschlagen: Hätte man nicht stattdessen einen Prokuristen nehmen können? Das ist ja sehr oft diskutiert worden. Dieses Argument habe ich aber deswegen nie nachvollziehen können, da der ja weisungsgebunden wäre, und ein Geschäftsführer ist es eben nicht. Also in diesem Sinne finden wir, wenn man glaubt, das tun zu müssen, dann sollte man es eh ungefähr so machen. Deswegen stimmen wir dem Ganzen auch gerne zu.
Es ist mir bei der UNESCO-Konvention – und da möchte ich mich bei meinem Vor-redner für die Ausführungen bedanken, denn ich habe das auch vorbereitet gehabt – genau dieses Dilemma der zerstörten Kulturgüter seitens des Islamischen Staates eingefallen, den man ja eigentlich so gar nicht nennen sollte – ein angeblicher Staat von einer wahnwitzigen Terrorgruppe.
Worüber ich mich eher erschrocken habe, war – diese Konvention ist ja 1970 formuliert worden –, dass wir das erst heute ratifizieren. Ich habe nicht gewusst, dass es das schon so lange gibt. Und dann habe ich mir gedacht: Jetzt sind wir im Jahr 2015, und ich bin im Bundesrat, warum haben das nicht schon Generationen vor mir ratifiziert?! – Wie das entstanden ist, weiß ich nicht. Mich hat es gerissen, sage ich einmal auf gut Wienerisch. Seien wir froh, dass wir es jetzt nachholen. Aber natürlich sind 45 Jahre schon ein ordentliches Stück. Ich bin 46, also ich war ein Jahr alt, als das formuliert
worden ist. Puh! Ja, das ist heftig. (Bundesminister Ostermayer: Das sieht man gar nicht!) – Danke, Danke.
Genauso bin ich erschrocken, um jetzt wieder auf den ersten Punkt zurückzukommen, dass Schenkungen bisher nicht geregelt sind. Das hat mich auch überrascht. Also dass, wenn der Staat etwas ankauft, es geregelt ist, dass etwas aber dann, wenn man es schenkt, sozusagen über Umwege wieder eingegliedert werden könnte. Nein, sei es drum. Ich bin auch froh, dass es geregelt wird, danke dafür.
Das Naturhistorische Museum nennen wir natürlich gerne das „Naturhistorische Museum Wien“, das sage ich nicht nur als Wiener. Natürlich gehört es der Republik und natürlich gehört die Sammlung allen Österreicherinnen und Österreichern, der Standort ist Wien. Das „Naturhistorische Museum Wien“ arbeitet allerdings auch hervorragend in den Bundesländern. Ich denke da beispielsweise an Hallstatt, wo ja dieses Museum auch sehr aktiv ist und Ausstellungen, Ausgrabungen und Archäologie macht.
Aber natürlich, wenn man in einer digitalen Zeit gefunden werden möchte, dann muss man dafür auch entsprechend Sorge tragen.
In diesem Sinne stimmen wir beidem gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)
14.09
Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister Dr. Ostermayer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.
14.10
Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurze Werbeeinschaltung: Naturhistorisches Museum Wien – es ist schon erläutert worden, warum. Es war eine Anregung der Kolleginnen und Kollegen, da es eben auch andere naturhistorische Museen gibt. Und es ist gleichzeitig eine Angleichung an das Kunsthistorischen Museum, da haben wir auch den Zusatz „Wien“, obwohl das Kunsthistorische Museum auch eine Außenstelle im Schloss Ambras in Tirol hat. (Bundesrat Schreuder: Das ist das Kunsthistorische Museum!) – Das Kunsthistorische, ja.
Und die Werbeeinschaltung Naturhistorisches Museum: Außenstelle Hallstatt. Es ist dort eine 3 000 Jahre alte, die älteste Holzstiege Europas gefunden und restauriert worden und seit Kurzem auch in den Salzwelten besichtigbar. Ich war am Freitag dort. Schauen Sie sich das an!
Zu den anderen Punkten: Vielen herzlichen Dank für die konstruktiven Beiträge, auch was Schenkungen anlangt. Ich möchte es ganz kurz erklären. Voriges Jahr ist die Diskussion aufgekommen, wie Schenkungen zu bilanzieren sind. Und dabei ist die Frage aufgetaucht: Wem gehören Schenkungen eigentlich? Gehören sie unmittelbar dem Bund oder können sie auch den Museen gehören? Ich habe dann mit dem Finanzministerium und dem Rechnungshof diskutiert, und es war eine etwas unklare Bestimmung. Ich habe dann die Anregung aufgenommen, diese unklare Bestimmung klarzustellen, was wir jetzt mit diesem Gesetz tun, und zwar mit dem Ziel, dass wir das Vermögen des Bundes möglichst optimieren. Und die Optimierungsmöglichkeit ist, wenn der Schenker entweder sagen darf, ich schenke es dem Bund, oder, ich schenke es dem Museum. Es gibt Schenker, die sagen: Ich will es lieber einem Museum schenken, da es dort dann vielleicht auch ausgestellt wird, wissenschaftlich untersucht wird et cetera. Das war schlicht und einfach der pragmatische Hintergrund.
Und zum dritten Punkt, zur Frage Bundesmuseen-Gesetz, zum Thema ein oder zwei Geschäftsführer: Wir haben bei allen anderen Museen, die im Bundesmuseen-Gesetz
geregelt sind, die Regelung, dass ein oder zwei Geschäftsführer bestellt werden können, und wir haben nicht überall durchgängig die gleiche Situation. Ich habe daher beim Museum Moderner Kunst bei der Neubestellung veranlasst, dass wir zwei Geschäftsführer – Geschäftsführerinnen in diesem Fall, beide sind ja Frauen, die von der Findungskommission ausgewählt und dann von mir bestellt wurden – bestellen, da ich befunden habe – nicht, weil Misstrauen gegen die handelnden Akteure oder Akteurinnen besteht –, dass ein Vieraugenprinzip einer Weisungsfreiheit bedarf. Es wurde schon gesagt: Ein Prokurist ist weisungsabhängig, das ist quasi ein nicht ganz perfektes Vieraugenprinzip.
Die einzige Institution, bei der bisher nur „ein“ gestanden ist, ist die Österreichische Nationalbibliothek, und deshalb ist diese Änderung vorgenommen worden.
Wenn Frau Kollegin Mühlwerth gesagt hätte, dass sie so viel Wert darauf legt, dass dort steht „zwei“ Geschäftsführer und nicht „ein oder zwei“, dann hätten wir gerne darüber diskutieren können. Es war bisher nie ein Diskussionsthema, insofern war ich jetzt auch etwas überrascht.
Zur Frage der UNESCO-Konvention: Ich verstehe das Erstaunen. Ich bin letztes Jahr, als wir das Weltdokumentenerbe für die Goldene Bulle verliehen bekommen haben, vom stellvertretenden Chef der UNESCO auf dieses Thema angesprochen worden. Wir haben dann, als ich die UNESCO im August in Paris besucht habe, noch einmal darüber geredet, und ich habe gesagt, ich werde mich dafür einsetzen, dass wir das jetzt – wenn auch sehr spät – ratifizieren. Es haben mittlerweile 120 – wir sind dann der 121. Vertragsstaat – ratifiziert. Es haben manche relativ spät ratifiziert. Frankreich hat 1997, das Vereinigte Königreich Großbritannien 2002, Schweden, Dänemark, Schweiz 2003, Deutschland 2007, Belgien, Niederlande 2009 ratifiziert. Also das ist generell in vielen Staaten recht spät geschehen, wobei man sagen muss, wir haben ja viele Vorkehrungen auch schon in der Vergangenheit getroffen, damit wir sozusagen kein Land sind, in dem Raubkunst, Raubkultur gehandelt wird – egal, ob das über das Denkmalschutzgesetz gemacht wurde oder über sonstige Regelungen. Es haben sich auch alle Institutionen dem anerkannten Standard von ICOM, der Museumsweltorganisation, unterworfen.
Ich habe es trotzdem wichtig gefunden, das jetzt zu tun. Und ich danke allen – im Nationalrat war es ja, glaube ich, einstimmig –, die jetzt zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)
14.15
Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Die Abstimmung erfolgt getrennt.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung betreffend Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut.
Ich ersuche zunächst jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu
erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-552-BR/2015 d.B. sowie 9384/BR d.B.)
Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung.
Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 den Antrag, den ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz zur Kenntnis zu nehmen.
Präsidentin Sonja Zwazl: Ich bedanke mich recht herzlich für die Berichterstattung. Wir gehen in die Debatte ein.
Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.
14.18
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister lächelt vor sich hin; ich werde Sie heute nicht mit irgendwelchen Einschaltquoten quälen. Es ist ja noch nicht so lange her, dass wir hier über einen ähnlichen Bericht gesprochen haben. (Bundesminister Ostermayer: Sie merken, ich bin ein glücklicher und freundlicher Mensch!) Ja, das freut mich. Ich bin heute auch glücklich und freundlich.
Wir werden diesen Bericht nicht so zur Kenntnis nehmen. Ich werde Ihnen auch erklären, warum wir das nicht tun. Jahresbericht 2014, 191 Seiten. Prinzipiell – um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten – gibt es durchaus etwas Positives zu berichten: Der ORF hat positiv bilanziert, das ist durchaus einmal eine sehr gute Geschichte.
Warum wir aber – und da komme ich eigentlich zu meiner Hauptkritik – diesem Bericht so nicht unsere Zustimmung geben können, ist, dass dieser leider Gottes wieder einmal unvollständig ist: Es geht in dem gesamten Bericht in keinem Kapitel irgendjemand darauf ein, wie es der ORF künftig mit der Digitalstrategie hält. Ich darf daran erinnern: Im Jahr 2014 hat der ORF sich über die ORF-Enterprise und über die ORS – für die, die das nicht wissen, die ORF-Enterprise ist eine 100-Prozent-Tochter des ORF und die ORS ist eine 60-Prozent-Mehrheitstochter des ORF – am kommerziellen Filmportal Flimmit beteiligt.
Das ist jetzt einmal per se noch überhaupt nichts Böses, im Gegenteil, man versucht hier, diesen stetig wachsenden Markt des Onlinefilmkonsums nicht nur der Konkurrenz zu überlassen, sprich man versucht hier, ein Angebot in direkter Konkurrenz mit – ich weiß nicht – Apple TV, UPC, Amazon und was es da noch alles gibt, zu bieten. Es gibt eine Menge an Onlinefilmportalen, und der ORF hat sich eben beteiligt.
Jetzt muss man natürlich auch dazu sagen: Diese Beteiligung ist eine rein kommerzielle Geschichte, hat also mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag überhaupt nichts zu tun. Aber das wäre auch noch nicht mein Problem.
Mein Problem ist eigentlich jenes, dass erstens diese Beteiligung im ORF-Jahresbericht überhaupt nicht erwähnt wird, nämlich in den Kapiteln, wo sie Erwähnung finden sollte, das wäre, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, auf Seite 124 und 184. 184 deshalb, da hier nämlich die kommerziellen Beteiligungen der ORF-Töchter beschrieben werden. Dort findet sich das überhaupt nicht.
Und das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich sage, hier muss man sich ernsthaft Gedanken machen, ob man so mit den Zwangsgebührenzahlern in der Republik umgehen kann: Es wurde vom ORF eine Fernsehserie produziert. Das kommt immer wieder einmal vor, manche sind erfolgreicher, manche weniger. Bei dieser wissen wir es aber nicht so genau, sie ist nämlich noch nicht auf ORF gelaufen, und zwar ist das eine Fernsehserie von David Schalko, die heißt „Altes Geld“. Das heißt aber nicht, dass sie in Österreich nicht schon gelaufen ist, nämlich eben auf Flimmit.
Das heißt, der ORF hat im Vorfeld, bevor er den Gebührenzahlern, die eigentlich diese Fernsehserie mitfinanziert haben, seine Produkte, für die ja auch bezahlt wird, zur Kenntnis bringt und zur Verfügung stellt, auf einer Onlineplattform Geld dafür verlangt. Im Endeffekt ist ein österreichischer Gebührenzahler und ein ORF-Konsument, der sich diese Fernsehserie vielleicht ansehen möchte – ich weiß es ja nicht –, im Prinzip nahezu genötigt, zweimal dafür zu zahlen. Das kann es eigentlich nicht sein! Das ist ein Zugang, wie man hier mit Gebührenzahlern umgeht, den wir so nicht akzeptieren können, Herr Minister.
Natürlich stellt sich jetzt die Frage: Soll das eine Tabuzone sein? Soll der ORF sich überhaupt nicht kommerziell betätigen dürfen? – Nein, das soll er natürlich nicht, aber es gibt schon auch Tabuzonen, denn der ORF hat eine bevorrechtigte Marktposition, und mit dieser bevorrechtigten Marktposition hat er natürlich auch entsprechend umzugehen. Es kann nicht sein, dass man hier mit Gebührengeldern – denn nichts anderes ist das – Produkte erzeugt, die man den Zahlern allerdings erst nach Abfuhr einer weiteren Gebühr zur Verfügung stellt und dann das Ganze im ORF-Bericht eigentlich nicht ausweist.
Jetzt weiß ich schon, was als Replik kommen wird: dass nicht im gesetzlichen Auftrag steht, dass das drinstehen muss. Ich habe mir aber das Recht genommen, es hier trotzdem zu sagen, da ich glaube, dass das auch ein rechtliches Problem ist. Das ist meine Meinung dazu, und ich denke, dass sich da in Zukunft auch noch der Bundeskommunikationssenat damit auseinandersetzen wird, denn ich glaube nicht, dass das auf wirklich festen Beinen steht. Ganz im Gegenteil, ich halte dieses Problem für auf tönernen Beinen stehend.
Ich denke auch, dass man sich hier relativ bald klar sein muss: Natürlich, der ORF hat mit Konkurrenz zu kämpfen, wir wissen alle, wie viele Sender man über Satellit, Kabel, Internet und Sonstiges empfangen kann. Das wird in Zukunft dadurch noch mehr werden, dass sich ja die Bandbreite, die Datenübertragungsrate, laufend erhöht, das heißt, das Angebot wird größer, der Kuchen für den ORF wird kleiner. Das ist mir alles klar. Aber es kann nicht so sein, dass man auf der einen Seite am derzeit bestehenden System der Zwangsgebühren festhält, mit diesen Zwangsgebühren eine Produktion
erwirtschaftet, diese Produktion aber denjenigen, die sie finanziert haben, nicht zur Verfügung stellt, sondern sagt: Wenn du das jetzt sehen willst, musst du bezahlen, sonst kannst du es erst in einem oder eineinhalb Jahren anschauen.
Das ist ein Zugang, dem wir nichts abgewinnen können, und darum werden wir diesen Bericht in der vorliegenden Form so nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)
14.24
Präsidentin Sonja Zwazl: Als nächste Rednerin gelangt Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort. – Bitte.
14.24
Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich werde versuchen, jetzt die positive Variante zu bringen und erklären und aufzeigen, warum wir glauben – wie es der Bericht auch erwähnt und darstellt –, dass der ORF seine Aufträge erfüllt, auch die Durchführung der Bestimmungen der §§ 11 und 12 des ORF-Gesetzes positiv darstellt und sich auch damit befasst hat.
Wie gesagt, der ORF ist gemäß § 7 des ORF-Gesetzes dazu verpflichtet, bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres dem Bundeskanzler und der Regulierungsbehörde einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht ist jetzt da. Er umfasst über 190 Seiten und ist in 14 Kapitel untergliedert. Dieser Bericht umfasst das Jahr vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2014.
Ich sehe diesen Bericht als Maßnahme der Transparenz, und gerade deswegen wird er der Regulierungsbehörde vorgelegt. Und wenn ich diesen Bericht als Maßnahme der Transparenz bezeichne, dann meine ich da die Darstellung der Reichweiten, den kommerziellen Teil, die ganzen Kooperationen, die Einhaltung der vorgegebenen Qualitätsstandards, selbstverständlich die Einhaltung und die Erfüllung der Aufträge und die Erfüllung des öffentlichen Kernauftrages. Diese Regulierungsbehörde hat darauf zu achten, dass die gesetzlich definierten Berichtspflichten genau eingehalten werden.
Das Jahr 2014 war für den ORF ein wirtschaftlich gutes Jahr, aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch programmlich und inhaltlich ein gutes Jahr. Dieser Bericht gibt darüber hinaus an, dass im ORF auch zahlreiche strategische Weichenstellungen getroffen wurden.
Wenn ich vom guten wirtschaftlichen Jahr geredet habe, dann möchte ich darauf hinweisen, dass der ORF zum fünften Mal in Folge positiv abgeschlossen hat. Im europäischen Vergleich ist der ORF damit weiterhin einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender. Und in allen drei Medien – Fernsehen, Radio und Internet – konnte sich der ORF erstens als Marktführer und zweitens als elektronisches Leitmedium des Landes behaupten.
Wenn ich jetzt das Fernsehprogramm hernehme: Im Jahr 2014 hat das ORF-Fernsehprogramm einen Marktanteil von 33,4 Prozent, das ist ein geringes Minus; im Jahr 2013 war es ein Marktanteil von 33,9 Prozent. Durchschnittlich sahen jeden Tag über 3 Millionen Zuseher und Zuseherinnen – ganz genau 3,67 Millionen – eines der beiden TV-Programme, was auch ein geringes Plus ergibt. Und vielleicht auch das: Täglich schaut jeder Österreicher oder jede Österreicherin zirka 162 Minuten fern.
Betonen möchte ich weiters, dass sich die Spartensender ORF III und ORF Sport + etabliert haben. Erwähnenswert ist auch, dass diese Spartensender jetzt in HD zu empfangen sind und dass die technische Reichweite ausgebaut worden ist und ein Plus zu registrieren hat.
Verwiesen wird in diesem Bericht auch auf ORF 2 Europe. Über dieses Satellitenprogramm werden zwischen zirka 6 Uhr und 24 Uhr rund 80 Prozent des Programmes von ORF 2 zeitgleich und unverschlüsselt via Astra-Satellit ausgestrahlt, das heißt, inklusive Österreich ist es in 27 Ländern möglich, dieses Programm zu empfangen, was eine potenzielle Reichweite von 460 Millionen Zuseher und Zuseherinnen bedeutet.
Unverändert fortgesetzt wird die Kooperation mit anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Kooperation mit 3sat, Arte und ARD-alpha, wobei ich als Kärntner Slowenin auch erwähnen möchte, dass die Kooperation mit dem Verein AGORA gut funktioniert. Dadurch wird täglich ein achtstündiges slowenisches Programm gesendet.
Zum Radio: Auch da hat man den Marktanteil von 74 Prozent halten können. An der Spitze ist da Ö3 mit 31 Prozent. Wenn man die durchschnittliche Tagesreichweite aller Sender betrachtet, lag die Reichweite bei 66,7 Prozent. Konkret heißt das, dass über 5,5 Millionen Hörer und Hörerinnen täglich das Radioprogramm nutzen und der Österreicher beziehungsweise die Österreicherin täglich zirka 190 Minuten Radio hört.
Orf.at, ORF-TVthek : Auch da gibt es Zuwächse. Ich möchte auch betonen, dass die mit Abstand am häufigsten nachgesehene Sendung in der ORF-TVthek das Song-Contest-Finale war; das hatte über 900 000 Sichtungen. Das ist schon enorm! Vielleicht etwas zum Song Contest: Ich glaube, dass dieser Sieg von Conchita Wurst nicht nur ein ganz positiver wirtschaftlicher Erfolg war sondern – für mich persönlich – auch ein gesellschaftspolitischer Sieg.
Im Bericht kann man sehen, dass der ORF auch im vergangenen Jahr alle Programmaufträge erfüllt hat. Inkludiert sind da die Vorgaben eines differenzierten Gesamtprogrammes von Information, Sport und Kultur, die österreichische Identität zu fördern und bei der Programmgestaltung österreichische beziehungsweise europäische Produktionen angemessen zu berücksichtigen.
Zusätzlich ist der ORF auch der Verpflichtung nachgekommen, in den Hauptabendprogrammen, also zwischen 20 Uhr und 22 Uhr, in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl zu stellen.
Wichtig ist selbstverständlich – das möchte ich auch betonen – das Angebot für hör- und sehbehinderte Menschen; auch dieses wurde ausgebaut.
Ganz kurz zu den Schwerpunkten: 2014 war ein Jahr des Gedenkens, da sind sehr, sehr viele Programmschwerpunkte übertragen worden. Ich möchte vielleicht einen nennen, nämlich dieses Universum History, das ich sehr positiv empfunden habe.
Kulturschwerpunkt: 36 Opern, viele Konzerte, viele Theateraufführungen. Ich möchte zum Beispiel das Neujahrskonzert erwähnen, ich möchte die Festspiele erwähnen, ich möchte aber auch – für Kärnten spezifisch und wichtig – den Carinthischen Sommer erwähnen.
Sport: Wir hatten 2014 die Olympischen Winterspiele. Anlässlich genau dieser Olympischen Winterspiele gab es eine 430-stündige Berichterstattung, die von 5,9 Millionen Zusehern und Zuseherinnen genutzt wurde.
Wahlen: Es hat die EU-Wahl gegeben, bei der auch eine intensive EU-Wahlberichterstattung durch den ORF erfolgt ist. (Bundesrat Schmittner: Die Steiermark-Wahl war auch!)
Was für mich noch wichtig ist, ist zum Beispiel der Aufruf zu Spendenaktionen wie „Licht ins Dunkel“ oder „Nachbar in Not“, die der ORF wirklich vorbildlich und – lassen Sie mich das besonders unterstreichen – erfolgreich durchführt.
Als Kärntner Slowenin werde ich selbstverständlich auch auf das Angebot für Volksgruppen hinweisen. Ich möchte sagen, dass der ORF seiner Verantwortung sowohl im Radio, im Fernsehen als auch im Internet gerecht wird. Man ermöglicht den autochthonen Volksgruppen, über alle Medien vielfältige Angebote in den Sprachen der autochthonen Volksgruppen zu senden. In Kärnten haben wir täglich eine Sendung im Radio, und ich möchte auf die wöchentliche Sendung am Sonntag im Fernsehen „Dober dan, Koroška" hinweisen. Lassen Sie mich darüber hinaus auch auf „Servus, Srecno, Ciao“ hinweisen, das ja auch ausgezeichnet worden ist. Ich möchte dem ORF dafür wirklich Anerkennung aussprechen!
Ich werde sehr oft angesprochen, da die Sendung „Dober dan, Koroška“ auch von der Mehrheitsbevölkerung angesehen wird. Ich möchte einen Appell an die Leitung des ORF richten, für diese Sendung Untertitel zu machen. Das würde auch seinen Teil zum interkulturellen Dialog und in Richtung konstruktives Zusammenleben beitragen.
Ich bin sehr froh, dass der ORF heute bei diesem ORF-Bericht dabei ist. Herr Minister, ich weiß, das ist nicht deine Zuständigkeit, aber ich appelliere an die Leitung des ORF: Es wäre schön, wenn alle Bundesratssitzungen übertragen würden, denn damit unterstreichen Sie in der Öffentlichkeit die Wirkung der guten Arbeit im Bundesrat. Vor allem glaube ich auch, dass damit der gesamte Gesetzwerdungsprozess in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird.
(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)
Danke. – Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ.)
14.37
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Köck zu Wort. – Bitte.
14.37
Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Der ORF-Bericht ist sehr gut strukturiert und umfangreich – so wie vom Gesetzgeber gefordert –, zeigt die Dinge allerdings natürlich durch die Brille des ORF.
Das heißt nicht, dass ich das angebotene Programm insgesamt infrage stelle, aber es gibt natürlich auch Verbesserungspotenzial. Der angebotene Mix aus Unterhaltung, Nachrichten und Kultur ist sehr gut. Die statistischen Daten und das ganze Programm wurden eigentlich von meiner Vorrednerin sehr gut dargestellt, und ich möchte das auch insgesamt unterstreichen.
Die zur Zeit des Hauptabendprogramms geforderten anspruchsvollen Unterhaltungssendungen werden durchaus eingehalten. Bei der geforderten Stärkung der österreichischen Identität zweifle ich schon ein bisschen. Mir wird das Amerikanische zu diesen Sendezeiten eigentlich schon zu viel, und ich nehme es auch so wahr, als ob es immer mehr wird. Der Bericht weist das nicht dezidiert aus, aber es steht in diesem Bericht eben die Zahl von 65 Prozent europäischer Produktionen, und daher gehe ich davon aus, dass der Rest, die 35 Prozent, hauptsächlich aus Amerika kommen. (Bundesrat Schreuder: Die meisten internationalen preisgekrönten Serien kommen aus den USA!)
Mit diesen Sendungen werden vor allem unserer Jugend amerikanischer Lifestyle und amerikanische Produkte suggeriert – das ist ja auch für unsere Wirtschaft nicht gut. Ich denke, umgekehrt wird es wohl sicher nicht so sein: dass in Amerika 35 Prozent des Programms aus Europa kommen. Wenn wir in dem Bericht sehen, dass gerade die Regionalsendungen und die Eigenproduktionen so gut abschneiden, dann denke ich, dass das ein Weg ist, den man durchaus auch so weitergehen kann.
Ansprechen möchte ich aber auch manche Nachrichtenformate. Die Befragungen von Politikern werden oft in einer Art und Weise durchgeführt, die nicht sehr gut für die Politik ist. Das passiert oft in einer sehr gehässigen Art und Weise, in einer Form, dass grundsätzlich Fehlverhalten vorgeworfen wird, und das trägt dazu bei, dass das Bild der Politiker in der Öffentlichkeit, das laut Umfragen ja nicht das beste ist und durchaus vom ORF bestimmt wird, eben so ist, wie es ist.
Ich denke, da gibt es Verbesserungspotenzial, da könnte man durchaus oft mehr Objektivität an den Tag legen. Denn so schlecht kann es in Österreich nicht sein: Wenn wir laut Statistik gemessen an der Wirtschaftskraft pro Kopf das zweitreichste Land in Europa sind, dann können ja nicht alle Vertreter in diesem Land so schlecht sein.
Was mir in diesem Bericht fehlt, ist ein Finanzbericht. Es wurde angesprochen, Generaldirektor Wrabetz sagt, der ORF wäre der einzige öffentlich-rechtliche Sender, der positiv abschließen kann. Das ist nicht so. Auch in Deutschland hat der öffentliche Bereich durchaus einen positiven Abschluss, und das hat dazu geführt, dass die Gebühren gesenkt wurden. Dort zahlt man mittlerweile nur mehr 17 € pro Monat, in Österreich liegen wir bei 23,20 €; damit sind wir an vierthöchster Stelle in Europa. Ich denke, da gibt es Potenzial für eine Entwicklung nach unten, denn offensichtlich haben diese hohen Gebühren auch zu Leichtsinnigkeiten bei Ausgaben geführt. Der Rechnungshofbericht weist ja aus, dass die Durchschnittsgehälter im ORF bei Weitem höher sind als die Durchschnittsgehälter in der Branche allgemein.
Ich meine, dass es auch nicht sein muss, dass ein Vorstand mehr verdient als ein Minister in Österreich. Ich habe gar kein Verständnis dafür, dass die Geschäftsführer der GIS, der eintreibenden Gesellschaft, 12 000 € im Monat verdienen. Das sehe ich in keinem Zusammenhang zu der Verantwortung, die sie eigentlich beim Eintreiben dieser Gelder haben.
Da ist es, so denke ich, gut, dass Generaldirektor Wrabetz Finanzvorstand Grasl beigestellt wurde. Er hat ja in den letzten Verhandlungen mit der Belegschaft einen neuen Kollektivvertrag ausverhandelt, in dem es eine flachere Gehaltskurve, weniger Zuschüsse zu den Betriebspensionen und langsamere Vorrückungen gibt. Ich meine, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es müssen aber noch mehrere Schritte geschehen, damit auch wir eine Gebührensenkung ins Auge fassen können, damit der ORF auch in Zukunft immer von der Bevölkerung getragen wird.
Nun zum Kernauftrag des ORF und zum ORF-Gesetz. Im ORF-Gesetz steht:
„Zweck der Stiftung ist die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages des Österreichischen Rundfunks im Rahmen des Unternehmensgegenstandes (§ 2). Der öffentlich-rechtliche Auftrag umfasst die Aufträge der §§ 3 bis 5.“
§ 4 wird im ORF-Bericht so interpretiert:
„Mit der Vorgabe derartiger Programmziele hat der Gesetzgeber Wertentscheidungen getroffen, deren Beachtung dem Kriterium des Anspruchs genügen kann. Derartige Programmziele sind etwa die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens, die Förderung der österreichischen Identität, die Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion etc.“
Nun hat der ORF den Sender ORF III geschaffen, damit er all diesen Kriterien Rechnung tragen kann. Im Bericht zu ORF III steht:
„ORF III hat vier Programmsäulen: Kultur, Volkskultur, Regionalität und Religion; Zeitgeschichte, Zeitgeschehen, Wissenschaft und Bildung; Information: Demokratie- und EU-Verständnis stärken; Bühne für österreichische Kunst- und Kulturschaffende“ –, also genau den Vorgaben des Gesetzes entsprechend.
Nun wird in diesem Bericht zum Kapitel „Information: Demokratie- und EU-Verständnis stärken“ auf Seite 110 Folgendes ausgeführt:
„Auch 2014 übertrug ORF III die Debatten des Bundes- sowie des Nationalrats live und in voller Länge.“
Nun habe ich vorhin nachgeschaut. Im Duden steht bei dieser Bezeichnung, es würde alle Debatten betreffen, und wir wissen, das ist falsch. In diesem Satz ist der Bericht des ORF falsch.
Herr Minister Oberlehner! Bei unserer vorletzten Sitzung hier im Bundesrat habe ich in der Aktuellen Stunde die Frage an Sie gestellt, wie Ihre Meinung als zuständiger Minister für Verfassung und Medien dazu ist, dass der ORF seinem öffentlichen Auftrag nicht nachkommt, da er eben nicht alle Bundesratssitzungen überträgt. Sie haben sich ein bisschen herauslaviert, indem Sie gesagt haben, wenn jemand glaubt, es ist nicht so, dann soll er irgendwo einen Einspruch machen. (Bundesminister Ostermayer: Nicht irgendwo!) Ja, bei der KommAustria – ist ja egal. Aber ich muss ehrlich sagen, solche Aussagen sind vielleicht der Grund, warum sich Wähler von uns abwenden. Wenn ich als Bürgermeister so etwas sage, denn ernte ich Unverständnis, wahrscheinlich sogar Beschimpfungen.
Wir müssen schon auch auf die Fragen antworten, die uns gestellt werden. Ich stelle Ihnen die Frage noch einmal. Unter dem neuen Umstand, dass dieser Bericht in dieser Sache nicht stimmt, und der ORF offensichtlich über die Tatsache hinwegtäuschen will, dass er dem Auftrag nicht nachkommt: Wie stehen Sie als zuständiger Minister zu diesen Ausführungen im Bericht auf Seite 110 und wie stehen Sie als zuständiger Minister dazu, dass der ORF seinem diesbezüglichen Auftrag nicht nachkommt?
Ich kann Ihnen nur sagen, ich sehe es so, dass der Auftrag nicht erfüllt wird und dass es wichtig wäre, dass diese Sitzungen übertragen werden. Dazu gibt es noch etwas Interessantes: Zeitgleich mit uns hat heute der Publikumsrat des ORF getagt. Diese Sitzungen werden durchgehend übertragen. Jetzt kann man natürlich von Wertigkeiten in unserem Staat reden, und auch diese Institution des ORF hat natürlich eine große Wertigkeit. Aber ich denke doch, dass der Bundesrat wichtig genug ist, um diese Sitzungen dem österreichischen Volk medial zugänglich zu machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)
14.45
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.
14.46
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube, dass nicht alle Bundesratssitzungen im ORF übertragen werden, haben wir jetzt schon so oft diskutiert. Ich muss ganz offen sagen, das artet hier schon ein bisschen in Wehleidigkeit aus. Man kann natürlich sehr wohl der Meinung sein, der ORF hätte sozusagen eine Pflicht. Ich sehe es im Gesetz nicht, ich sehe nirgendwo eine Verpflichtung des ORF. Man kann von einer moralischen oder von einer demokratischen oder von einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe sprechen, das ist alles in Ordnung, aber es gibt keine Pflicht.
Ich finde es auch ein bisschen wehleidig, wenn man dann immer den Bundesrat erwähnt; beim Nationalrat wird alles übertragen aber vom Europaparlament zum Beispiel nicht. Das ist ja genauso für alle Staatsbürger und Staatsbürgerinnen zuständig. Ja, es ist ein Thema, aber ich finde, das haben wir jetzt schon ein bisschen zu viel und ein bisschen zu wehleidig wiedergekäut.
Deswegen möchte ich doch – und das sollte ja eigentlich Anlass einer Diskussion sein, wenn man über den ORF-Bericht diskutiert – zur Frage kommen, was öffentlich-rechtliches Fernsehen ist. Was bedeuten öffentlich-rechtliche Medien im Jahr 2015 in einer digitalen Zeit, in einer sich ganz stark verändernden Zeit? Das ist eine ganz legitime Frage.
Liebe Kollegin Blatnik, bei aller Wertschätzung, aber: Eine Leistungsschau bringt uns, glaube ich, da jetzt auch nicht viel weiter, da gerade diese Frage eine Kernaufgabe ist. Okay, es ist vieles erfolgreich. Aber wo geht die Zukunft hin? Welche Medienwelten haben wir zu erwarten, und was kann der Unique Selling Point eines öffentlich-rechtlichen Senders sein, der mittlerweile ja viel mehr als ein Sender ist. Das ist ein Medienunternehmen, und ich glaube, man muss den ORF auch viel stärker als Medienunternehmen wahrnehmen, als nur als einen Sender, der Radio und Fernsehen macht, denn darüber sind wir mittlerweile längst hinaus.
Auf ein paar Punkte, die mein Vorredner Herr Kollege Köck genannt hat, möchte ich schon eingehen. Sie haben die Prozentzahlen genannt, den Unterschied zwischen Deutschland und Österreich mit zirka 17 und 23 pro Kopf. (Bundesrat Köck: 17 und 23 Euro!) – Ah, Euro, meine ich eh, da haben Sie natürlich recht. Allerdings muss man da schon eines sagen. In Deutschland gibt es zwei Kanäle für 80 Millionen Menschen und in Österreich zwei Kanäle für 8 Millionen Menschen. Die wollen natürlich auch Serien haben, die wollen Wetterberichte haben und die wollen, dass die Nachrichten und ein Korrespondentennetz funktioniert und so weiter. Dass es für einen kleinen Markt verhältnismäßig teurer ist, ist irgendwo logisch, da man natürlich bei 8 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen in Summe nicht (Bundesrat Köck: Es ist ja pro Kopf!) – Ja, Sie haben eh pro Kopf gesagt. Aber man muss schon auch ein bisschen diese Relationen von 80 Millionen EinwohnerInnen und 8 Millionen EinwohnerInnen berücksichtigen.
Was ich viel interessanter finde, ist, dass man in Deutschland mit weniger pro Kopf auskommt und nach 20 Uhr keine Werbeeinahmen mehr möglich sind; denn wo kann ein Konsument oder eine Konsumentin das öffentlich-rechtliche Fernsehen haptisch am meisten wahrnehmen? – Ich kann mir etwas ohne Werbeunterbrechung anschauen. Das ist eigentlich eine der ganz wesentlichen Unterscheidungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber Privatfernsehen oder auch Privatradio. In Österreich ist das schon sehr stark verwässert, muss man ganz offen sagen. Also die Frage der Werbungen wäre meiner Meinung nach eine wesentlich entscheidendere.
Dass sehr viele US-Serien und -Filme gezeigt werden, spiegelt eine kulturelle Relation, die wir seit 1945 haben: Die USA haben wesentlich mehr Geld in Filme und ins Fernsehen investiert, übrigens auch durch Menschen, die dort aufgebaut haben, da wir sie verjagt haben – das muss man auch ganz offen sagen –, denn gerade Hollywood und der Broadway wurden vor allem von europäischen Juden und Jüdinnen aufgebaut. In Hollywood werden nach wie vor die Filme produziert, die die Menschen sehen wollen, und die meisten preisgekrönten Serien sind US-Serien.
Auf der anderen Seite gebe ich Ihnen wieder recht, es ist natürlich der Einkauf einer amerikanischen Serie viel billiger, als wenn wir selber eine produzieren, und zwar unfassbar viel billiger. Eine CSI-Folge kostet heutzutage quasi nichts. Das ist einfach so. Und da hat man natürlich schnell einmal einen Montagabend damit programmiert, ohne dass man irgendwelche Personalkosten für Schauspielerinnen und Schauspieler, Techniker, Kameraleute und für die ganze Wertschöpfungskette hätte.
Da muss man natürlich ein bisschen aufpassen, und selbstverständlich – und jetzt komme ich langsam zum wesentlichen Punkt – unterliegt mit der Digitalisierung unserer Welt ja auch der Konsum von Serien einer dramatischen Wandlung. Das geht
nicht von heute auf morgen, aber es geht schneller, als viele gedacht haben. In Amerika, glaube ich, gibt es beispielsweise schon 40 Millionen Abonnenten von Netflix. In Österreich sind es noch nicht so viele, aber die Entwicklung geht ganz stark in diese Richtung. Hier muss man jetzt dem ORF einerseits ein Kompliment machen. Sie haben es erkannt und deswegen haben sie sich bei Flimmit, einer kommerziellen Plattform, wie der Kollege Jenewein völlig richtig gesagt hat, eingekauft.
Übrigens, Herr Kollege Jenewein: Dass die Serie „Altes Geld“, auf die ich auch schon sehnsüchtig gewartet habe – ich bin extra auf Flimmit gegangen, die ist wirklich großartig –, jetzt im ORF-Bericht nicht drinnen steht, wundert mich nicht, denn der ist März 2015 gedruckt worden, und soweit ich weiß ist „Altes Geld“ Ende März 2015 auf Flimmit online gegangen, also kann es im Jahresbericht 2014 noch nicht drinnen sein. (Bundesrat Jenewein: Aber die Beteiligung war schon!) Was stimmt, ist, dass mir die Beteiligung an Flimmit und die digitale Strategie, die man mit Flimmit macht, auch fehlt. Das ist völlig richtig, da gebe ich Ihnen recht. Gerade das wird eine der großen Fragen sein.
Ich war selbst ganz überrascht, ARTE ist jetzt plötzlich mit einer App bei Apple TV aufgetaucht. Das ist auch ein öffentlich-rechtlicher Sender, der halt eine öffentlich-rechtliche Koproduktion ist. Wenn man Apple TV einschaltet, ist dort Arte, und man kann sich on demand Dinge anschauen. Die Erreichbarkeit ist ja auch ganz entscheidend. Die ORF-App gibt es einstweilen auf der Xbox, aber sonst auf den verschiedensten Devices, die es mittlerweile gibt, noch nicht.
Dass sich gleichzeitig der Onlinekonsum ganz dramatisch ändert, hat auch Frau Kollegin Blatnik vorhin schon völlig zu Recht gesagt. Wenn man bedenkt, dass das Eurovision Song Contest Finale eben von fast einer Million Menschen – alleine die Einschaltquote von einer Million Menschen wäre ja schon eine Sensation – danach online angeschaut wurde, sind das ja unfassbare Quoten – wenn man das in alte Muster zurückrechnet.
Jetzt komme ich der Politik ein bisschen näher. Die Konfrontation zur Wahl 2013, das Duell zwischen Heinz-Christian Strache und Eva Glawischnig, hatte tatsächlich fast 470 000 Onlinezuseher und -zuseherinnen live oder eben danach on demand. Das sind fast mehr als die, die es sich live angesehen haben.
Gleichzeitig ist, wenn man jetzt an die digitalen Strategien denkt, die letzte große Sache, die das lineare Fernsehen noch kann, live zu sein und up to date und in Echtzeit zu sein, seien es Sportübertragungen oder der Eurovision Song Contest, wozu man dem ORF wirklich gratulieren muss, denn 1,9 Millionen Zuschauer in Österreich und, wie wir heute erfahren haben, 197 Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen weltweit sind ein Rekord. In einem Zeitalter, in dem sich das lineare Fernsehen fragen muss, wohin die Reise in Zukunft eigentlich geht, ist das tatsächlich sehr erstaunlich und gut.
Aber man sieht schon, das alleine ist es nicht mehr, die Leute schauen auch nicht mehr unbedingt in den Fernseher. Die Devices sind unterschiedlich geworden, der Zugang ist sehr entscheidend geworden und wie schnell ich mit einer App irgendwo bin. Wobei man da auch dem ORF sagen muss, dass die Apps hervorragend gemacht sind.
Am Schluss möchte ich noch eine ganz tolle Sache betonen, die mir wichtig ist, das ist die zunehmende Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Genau das kann ja das öffentlich-rechtliche Medium viel mehr als ein privates Medium tun. Deswegen brauchen wir im Übrigen auch die öffentlich-rechtlichen Medien für die Inklusion. Das war auch beim Eurovision Song Contest ganz, ganz hervorragend gelöst. Jeder Beitrag wurde diesmal auch für gehörlose Menschen, die normalerweise keinen Zugang zur
Musik haben, in einer Sprache dargestellt, sodass es sprachübergreifend wahrgenommen werden konnte. Und mittlerweile sind schon über 60 Prozent – ich glaube schon zwei Drittel, ja 66 Prozent der Sendungen – untertitelt. Das Ziel wären natürlich schon 100 Prozent.
Ein bisschen bedauert habe ich, dass es beim Angebot für stark sehbehinderte Men-schen, nämlich die akustische Bildbeschreibung, noch keine Stundenanzahlen und keine Prozentzahlen gibt; das würde ich mir wünschen, aber da geht der ORF sehr wichtige Wege. Bei den Volksgruppensendungen wäre die Untertitelung von slowenischsprachigen Sendungen ja auch für gehörlose Menschen ganz wichtig.
Da sieht man allerdings, wie wichtig ein öffentlich-rechtliches Medium gerade auch heute, auch im Jahr 2015, noch ist. Ich glaube, wir können da einer Meinung sein. Es gab, gerade in den achtziger und neunziger Jahren viele Fantasien über einen Verkauf, alles privatisieren. – Ich sage: Nein, wir brauchen auch öffentlich-rechtliche Medien! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
14.56
Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.
14.56
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Marco Schreuder, ich möchte kurz auf das replizieren, was du hier von dir gegeben hast.
Zunächst bin ich alles andere als wehleidig – ich hoffe, auch du bist nicht allzu wehleidig –, und es macht mich auch in meinem Selbstbewusstsein nicht komplett fertig, dass uns der ORF nicht überträgt. Es wird auch das nicht dazu führen, dass wir in Österreich den Föderalismus abschaffen werden.
Ich möchte aber schon sagen: Wir waren uns in der Präsidiale einig und wir haben es alle unterschrieben – und du hast das auch unterschrieben –, dass wir der Meinung sind, dass die Sendungen zu übertragen sind. Ich sage natürlich auch gerade in die Kamera hinein, dass das der Fall ist. Ich sage es nicht wehleidig, aber ich sage es immer dazu, und das wird wohl so bleiben, solange das nicht umgesetzt ist. Ich würde mir sehr wünschen, dass du diese Beschlüsse mitträgst. In der Präsidiale gibst du ja auch immer wieder gute Tipps und erklärst uns, wie Medien wirklich funktionieren. Jede Wortmeldung von dir zum ORF ist ja auch immer ein bisschen eine Lernstunde für die Kolleginnen und Kollegen, in der du uns erklärst, wie Fernsehen funktioniert.
Es gibt immer zwei Teile: Du winkst dem ORF zu und sagst: ORF, du bist wirklich super! Und: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erkläre euch jetzt noch ein wenig, wie Fernsehen funktioniert! Das sind deine regelmäßigen Wortmeldungen zum ORF-Bericht. In Wien würde man auch sagen, du fokussierst dich darauf, dich beim ORF hineinzuschleimen. Es geht ja auch um das Austragen von Kritik, und deswegen sage ich ganz offen, dass mir deine Wortmeldung hier, was den ORF betrifft, zu schleimig war.
Es geht ja nicht darum, Leistungen, die erbracht werden, kleinzureden. Aber was hat denn eine Diskussion für einen Sinn, wenn man unter Erwachsenen nicht das diskutiert, bei dem man einen Veränderungsbedarf oder einen Verbesserungsbedarf sieht. Da habe ich für jeden Verständnis, der sich beim ORF-Bericht hier zu Wort meldet und sagt, was er sich denkt, was anders sein sollte und was die Kritikpunkte sind. Dass man herausgeht und erklärt, was man alles super findet, ist ja nett. Da kann man zum Küniglberg hinüberwinken, damit die sich freuen, das ist in Ordnung. Aber
natürlich sollten hier die Dinge angesprochen werden, die von Wichtigkeit sind. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)
Natürlich weißt nicht nur du, sondern andere auch, dass es Sendungen gibt, die günstiger sind, und welche, die mehr Geld kosten, und dass es selbstverständlich leicht gesagt ist, österreichische oder europäische Kultur auch im Film zu berücksichtigen. Aber man weiß natürlich, dass das teurer ist, als Soaps aus Amerika zu übernehmen. Das weiß man. Das ist nicht unbekannt. Es ist auch nicht so, dass hier irgendjemand sagt: Nein, bitte, keine amerikanischen Soaps mehr!, aber dass hier, gerade beim ORF-Bericht, kritische Mandatare anmerken, dass sie bei einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen, dass auch die kulturellen Identitäten dieses Landes und der Europäer ein bisschen mehr in den Vordergrund gerückt werden, halte ich für mehr als legitim. Ich sage sogar: Selbst wenn ich diesbezüglich mit dem ORF zufrieden wäre – was ich nicht bin! –, würde ich das hier kritisieren, damit er ja nicht nachlässt, diesen Bereich auch wahrzunehmen. (Beifall der Bundesrätin Blatnik.)
Daher abschließend: Wir als föderale Kammer dieses Landes sind nicht wehleidig, wenn wir sagen, dass es falsch ist, die Sendungen nicht zu übertragen, sondern es ist einfach state of the art, und wir hatten ja bereits den Status. Mir ist nicht aufgefallen, dass das falsch im ORF-Bericht drinnen steht, aber der Geldaufwand ist heutzutage in der Relation zu sehen. Wenn ich mir im ORF-Bericht anschaue, wofür Geld vorhanden ist, wofür Geld ausgeben wird, und das dann mit den Produktionskosten in Relation setze – und wir reden dabei von ungefähr, glaube ich, 20 000 € pro Sendung –, dann bedeutet das: Den Bundesrat das ganze Jahr zu übertragen, ist wohl ein geringerer Geldaufwand als man für einen Geschäftsführer beim ORF veranschlagt. Daher glaube ich, dass eine Übertragung für die zweite Kammer durchaus angemessen wäre.
Wie gesagt, ich bin nicht wehleidig, halte das alles aus, möchte aber feststellen: Der Bundesrat gehört übertragen! Das ist mein Verständnis. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)
15.01
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesrat Schreuder gelangt noch einmal zu Wort. – Bitte.
15.01
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich mache es ganz schnell. Danke, Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) – Nein, nein, ich bin überhaupt nicht wehleidig, ich finde, das war eine spannende Kritik, und ich habe auch sehr gerne zugehört. Um das nur klarzustellen: Ich bin für die Übertragung aller parlamentarischen Debatten im ORF, ich habe nur gesagt, ich sehe keine Pflicht. Ich bin auch dafür, und deswegen habe ich das auch gesagt, dass das Europaparlament nicht übertragen wird. – Das habe ich gesagt. (Bundesrat Himmer: Ja, aber davon reden wir jetzt nicht!)
Ich habe jetzt nur die Debatte ein bisschen wehleidig gefunden. Das ist etwas anderes, als zu sagen, dass ich das nicht hätte haben wollen. Sollte es da ein Missverständnis gegeben haben, wäre es mir wichtig, das hier zu korrigieren.
Ich habe erklärt: Na, no na net sehen wir mehr amerikanische Serien, weil es billiger ist! Das war vielleicht ein bisschen flapsig dahergesagt, aber wenn Sie von mir, Herr Kollege, ein Plädoyer für die Film- und Fernsehförderung und die Serienförderung österreichischer Provenienz haben wollen, womit übrigens auch Arbeitsplätze geschaffen werden, womit eine Identität in künstlerischer Art und Weise dargestellt wird – wo auch die Identität selbst infrage gestellt werden soll oder darf –, dann kann ich nur
sagen: Da bin ich dafür, und da bin ich dafür, und da bin ich noch einmal dafür! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)
15.03
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Ostermayer. – Bitte, Herr Minister.
15.03
Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstens danke ich für die Diskussion. Ich hoffe, dass die ORF-Geschäftsführung auch zuhört, zuschaut (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), andernfalls bin ich auch gerne bereit, die Anmerkungen, die es zum Jahresbericht gegeben hat, weiterzuleiten.
Meiner Wahrnehmung nach gab es die Diskussion, ob die Textierung zur Frage der Übertragung von Bundesratssitzungen korrekt ist, und andererseits die Frage der Beteiligungen. Ich muss gestehen, ich weiß jetzt auswendig nicht, wann die Beteiligung mit Flimmit eingegangen wurde. (Bundesrat Jenewein: Juli 2015 – nein, 2014, Juli 2014!) Es wurde, glaube ich, im März 2015 dann ausgeweitet und dann hat der Start begonnen. Ich leite das gerne weiter.
Ein bisschen unlogisch erscheint mir allerdings, den Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen, wenn Sie ohnehin schon die Replik, die kommen wird, selber eingebaut haben. Aber das macht ja nichts, es ist halt Teil von parlamentarischen Abstimmungsverhältnissen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, Spannungsfeld!)
Eine Anmerkung möchte ich aber schon noch machen zum Herrn Bundesrat Köck: Ich war mir am Beginn gar nicht sicher, dass Sie mit mir sprechen, weil Sie einen ganz anderen Namen verwendet haben, aber das macht nichts. (Bundesrat Mayer: „Oberlehner!“) – Oberlehner, ich habe es auch so verstanden, ja. (Allgemeine Heiterkeit.)
Gut, das macht nichts, aufgrund Ihrer weiteren Ausführungen habe ich dann schon verstanden, dass Sie mich adressiert haben. Ich habe nur in einem Punkt eine grundlegend unterschiedliche Position: Ich werde mich auch in Zukunft an Gesetze halten. Ich hoffe, dass Sie das als Bürgermeister auch tun. Ich gehe nicht davon aus, dass es von den Bürgerinnen und Bürgern honoriert wird, wenn wir uns rechtswidrig verhalten würden.
Genau das habe ich Ihnen bei Ihrer letzten Frage auch gesagt. Die Entscheidung, was der ORF sendet, ist eine Entscheidung, die die dortigen Gremien treffen: Das ist die Geschäftsführung, das ist der Stiftungsart, das ist der Publikumsrat. Wenn man damit nicht einverstanden ist – und das haben wir hier in diesem Haus mit großer Mehrheit beschlossen –, kann man sich an eine verfassungsrechtlich unabhängige Behörde wenden. Das ist die KommAustria mit dem Rechtszug, den es dann gibt.
Wir haben auch hier, ich glaube sogar einstimmig, eine neue Verwaltungsgerichtsbarkeit beschlossen, und ich werde mich daher natürlich genau an die Gesetze halten. Im Übrigen sind wir, so glaube ich, alle hier im Raum auf die Einhaltung der Gesetze vereidigt worden. – Ich danke herzlichst. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)
15.06
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finanzkonglomerategesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Nationalbankgesetz 1984, das Pensionskassengesetz, das Übernahmegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden (Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz 2015 – RÄ-BG 2015) (560 d.B. und 589 d.B. sowie 9374/BR d.B.)
13. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz – ZvVG) erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz, das Depotgesetz, das Aktiengesetz, das Finalitätsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden (562 d.B. und 590 d.B. sowie 9375/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte gemeinsam durchgeführt wird.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Bitte um die Berichterstattung.
Berichterstatterin Ingrid Winkler: Hohes Präsidium! Herr Minister! Werte Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das E-Geldgesetz 2010, das Finanzkonglomerategesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Nationalbankgesetz 1984, das Pensionskassengesetz, das Übernahmegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden soll (Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz 2015 – RÄ-BG 2015).
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf aus diesem Grund gleich zur Antragstellung kommen.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz
über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz – ZvVG) erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz, das Depotgesetz, das Aktiengesetz, das Finalitätsgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert werden.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf aus diesem Grund gleich zur Antragstellung kommen.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.
15.08
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Jetzt habe ich geglaubt, ich bin der Letztredner, ich bin daher völlig unvorbereitet. (Heiterkeit des Redners.) – Entschuldigung. Ich mache es aber ganz kurz.
Zum ersten Punkt, zu dieser Novelle der Rechnungslegungsvorschrift in Anlehnung an das Rechnungslegungsänderungs-Gesetz: Dem haben die Grünen 2004 zugestimmt, also stimmen wir logischerweise auch jetzt zu. (Bundesminister Ostermayer: Bravo!)
Und zum Top 13 möchte ich nur ganz kurz sagen, den lehnen wir ab. Da haben wir kurz überlegt, weil es natürlich eine EU-Verordnung ist – also nicht direkt eine EU-Verordnung, sondern wie es technisch umgesetzt wird, wäre es eine EU-Verordnung, würden wir damit noch einmal anders umgehen.
Nur: Die europäischen Grünen haben in ihrem Ausschuss im Europaparlament diesbezüglich ganz stark verhandelt. Das ist dann im letzten Augenblick in den Ausschüssen im Europaparlament wieder zunichtegemacht worden. Hier bin ich, logischerweise, solidarisch mit den europäischen Grünen und lehne diesen Punkt daher ab. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
15.09
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt ist es wirklich der Oberlehner! – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesministers Ostermayer.)
15.10
Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Also ich bin der Peter Oberlehner, keine Sorge, ich will Ihnen nicht Ihre Arbeit abnehmen. Ich habe selbst genug, und Ihre ist sicher noch viel schwieriger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Seherinnen und Seher vor den TV-Geräten zu Hause! Bei den beiden zu diskutierenden Punkten geht es also zum einen um die Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinie und zum anderen um die fast schon, könnte man sagen, berühmte Zentralverwahrer-Vollzugsgesetzverordnung der EU – ein wahrer Zungenbrecher –, wodurch es nun eine effizientere Kontrolle der Anlieferung und auch der Abrechnung im Bereich der Wertpapiere geben soll.
Ich möchte kurz zum Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz Stellung nehmen. Es geht dabei, wie bereits angesprochen, um die Umsetzung einer EU-Verordnung, die die Verbesserung der Sicherheit und der Effizienz bei der Lieferung und Abrechnung von Wertpapieren zum Inhalt hat und dazu begleitende Maßnahmen enthält. Ich glaube, dass dies sehr wichtig ist, denn es werden für den Zentralverwahrer Bestimmungen geschaffen.
Wir haben derzeit in Österreich einen Zentralverwahrer, das ist die Oesterreichische Kontrollbank, die als Clearingstelle dient. Laut Aussage des Herrn Bundesministers wird es auch in der Zukunft so sein, dass sie diese Aufgabe wahrnimmt, als Zentralverwahrer in Österreich zur Verfügung stehen wird und diese Tätigkeit entsprechend umsetzt.
Es wird aber auch diese EU-Verordnung in österreichisches Recht umgesetzt. Damit wird auch eine Behörde geschaffen. Die Finanzmarktaufsicht wird die vorgesehenen Aufgaben übernehmen und über die Zulassung sowie die Beaufsichtigung der Zentralverwahrer in Österreich in der Zukunft entscheiden.
Die FMA wird auch für die internationale Zusammenarbeit verantwortlich sein, und auch die Rechtshilfe wird von der FMA abgewickelt werden. Zentralverwahrer können somit in Zukunft auch eine beschränkte Bankkonzession erhalten, was wiederum die FMA zu entscheiden hat. Vollzug und Kontrolle fallen also in allen Fällen der FMA zu.
So glaube ich also, dass dieses Gesetz sehr gut gelungen ist, weil dadurch auch schon der erste Schritt für eine bessere Kontrolle gesetzt wird. Es wird festgesetzt, dass Banken immer Unternehmen von besonderem öffentlichen Interesse darstellen, die besonderen Aufsichts- und Auslegevorschriften unterliegen.
Während also andere über so manches diskutieren, wird in diesem Gesetz nicht nur diskutiert, sondern eine EU-Richtlinie umgesetzt und gleichzeitig auch ohne großes Aufsehen schon der erste Schritt für eine bessere und verbesserte Bankenaufsicht gesetzt.
Ich halte also die vorliegenden Gesetzestexte für sehr ausgewogen, glaube, dass es der Bundesregierung dabei tatsächlich gelungen ist, im Sinne der Effizienz vorzugehen und darf für meine Fraktion festhalten, dass wir in Bezug auf beide Punkte und beide Gesetze die Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)
15.13
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.
15.13
Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom Inhalt haben wir ja schon viel gehört. Meine beiden Vorredner haben bereits über das Rechnungslegungsänderungs-Gesetz gesprochen und über dessen Auswirkungen. Wir wissen, dass es um die europaweite Rechnungslegungsvorschrift geht, den Jahresabschlusses bei den Unternehmen zu vereinheitlichen, vergleichbar zu machen und an die International Financial Reporting Standards anzupassen.
Der zweite Punkt betrifft unter anderem das Depotgesetz, dabei sollen auch bankartige Nebenleistungen, die Bereitstellung von Geldkonten, die Abrechnungssysteme und systemrelevante Funktionen für Wertpapiermärkte geregelt werden.
Geschätzte Damen und Herren, wir haben in den letzten Wochen sehr viel über Finanzen und über den Untersuchungsausschuss gehört. Warum ist das so? – Weil uns das blaue Hypo-Desaster noch immer in den verschiedenen Bereichen verfolgt!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben wir uns ja nicht ausgesucht, vielmehr hat uns die blaue Landesregierung in Kärnten diese Causa Hypo Alpe-Adria eingebrockt, mit der FPÖ in Kärnten, mit dem verstorbenen Landeshauptmann Haider, und wir haben diesen Sumpf noch auszugleichen.
Wer waren die handelnden Personen, die aus dem Umfeld von Bundesminister Grasser gekommen sind? Wir haben ja die Auswirkungen, auch in den Gesetzen – dass Staatskommissäre aus dem Freundeskreis ausgesucht wurden, um in den Hypo-Bereich einzuwirken, dass das Mitarbeiter aus dem FPÖ-Grasser-Büro waren, dass der Vorstand der Finanzmarktaufsicht früher der Kabinettschef von Grasser war (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein) und dass zwei Aufsichtsratsmitglieder der Finanzmarktaufsicht Mitarbeiter aus dem Grasser-Büro waren.
Geschätzte Damen und Herren, da sehen wir diesen Sumpf, den Sie uns eingebrockt haben in Kärnten! (Bundesrat Jenewein: Jetzt verlieren Sie aber den Faden!) Da sehen wir die Auswirkungen, mit denen wir uns heute noch beschäftigen müssen! (Bundesrat Jenewein: Ja, ja, ja, ja!) Was kostet das den Steuerzahler in Österreich?!
Geschätzte Damen und Herren, ich glaube, dass Sie einmal den Kopf einziehen müssen, sich einmal zurückziehen und sagen: Was haben wir da angerichtet im österreichischen Staat? (Bundesrat Jenewein: Ja, das machen wir, natürlich!) Was haben wir gegenüber dem Staatsbürger verschuldet? Wie haben wir verursacht, dass so viel Geld zu bezahlen ist und solche Haftungen vom Staate Österreich übernommen werden müssen und dass es der Landeshauptmann Kaiser bei Gott nicht leicht hat, jetzt in Kärnten diesen Sumpf zu beseitigen, um zu vermeiden, dass es noch mehr nachhaltige Auswirkungen auf die Finanzen, aber auch auf das Land Kärnten gibt? Ich beneide die jetzige Landesregierung, die das jetzt zu bewältigen hat, nicht. (Bundesrat Jenewein: Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr!)
Geschätzte Damen und Herren! Es ist wirklich oft leicht, dem Steuerzahler das Blaue vom Himmel zu reden, wenn man die Verantwortung nicht tragen muss und hinterher einfach dahin ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir haben jedoch das blaue Desaster, wie es so schön heißt, noch zu tragen. Ich glaube aber auch, dass die Bundesregierung mit der Landesregierung diesbezüglich eine gute Lösung gefunden hat.
Lieber Kollege Mayer, ich möchte mich bei dir bedanken, lieber Edgar, dass du in meiner gesundheitsbedingten Abwesenheit den Vorsitz übernommen hast und das sehr souverän gemacht hast. (Bundesrat Mayer – sich verbeugend –: Eine große Freude!) Ich danke dir für die Übernahme, und ich werde versuchen, in Zukunft wieder sehr genau meine Funktion als Finanzausschussobmann wahrzunehmen. Danke.
In diesem Sinne werden wir auch beiden Regierungsvorlagen zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
15.17
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.
15.18
Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte meine Vorredner nur kurz ergänzen. Zum Rechnungslegungs-Änderungsgesetz ist ja bereits angesprochen worden, dass es zu einer Vereinheitlichung von Jah-
resabschlüssen, konsolidierten Abschlüssen und damit verbundenen Berichten kommen soll, was ich begrüße, weil damit auch eine höhere Vergleichbarkeit gegeben ist. Auch die Annäherung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Bestimmungen ist durchaus zu begrüßen.
Ja, Banken sind immer Unternehmen von besonderem öffentlichen Interesse und müssen daher auch besonderen Aufsichts- und Auslegungsvorschriften unterliegen, aber ich möchte auch an dieser Stelle appellieren, ebenfalls auf die Verwaltungskosten zu achten, die durch all diese Bestimmungen entstehen. Daher hier noch einmal der Appell: Ich denke mir, effizientere und effektive Aufsichtsorgane sind das Gebot der Stunde. Es ist notwendig, Parallelitäten abzuschaffen, dafür aber Lücken zu schließen.
Mit diesem Gesetz und auch weiterführenden im Gesetzesbündel werden in diese Richtung einige Schritte gemacht, zum Beispiel mit der Präzisierung im Bankwesengesetz, wo es auch darum geht, eigene Aktien nicht mehr als Eigenkapital darstellen zu können, die Steuern anders zu bewerten sowie keine unversteuerten Rücklagen von Eigenkapital und Fremdkapital verdecken zu lassen.
Weiters halte ich die Veränderung im Pensionskassengesetz, wonach nun die Pensionskassen verpflichtet sind, schriftliche Leitlinien für das Risikomanagement vorzulegen, für durchaus im Interesse derer, deren Kapitalien dort veranlagt sind.
Das zweite Gesetzesbündel und Bündel von Verordnungen möchte ich insofern noch ansprechen, als es dabei durchaus auch um eine Vereinheitlichung in einem sehr stark frequentierten europäischen Markt geht, nämlich bezüglich der Zentralverwahrer, und aus meiner Sicht ist alles zu begrüßen, was diesbezüglich zu Klarheit, Vereinheitlichung und Standardisierung beiträgt.
Über die Aufgaben der FMA ist schon gesprochen worden. Ich finde es wichtig, dass nun auch Zentralverwahrer Sanierungs- und Abwicklungspläne vorlegen müssen. Interessant finde ich auch die Regelung, dass es hier eine Art Whistleblowing geben soll.
Worauf ich noch hinweisen möchte, ist das Kapitalmarktgesetz, das in dem Fall eine sinnvolle Anpassung des Prospektverfahrens regelt. Dieses soll eben auch elektronisch aufgelegt und damit die Zugänglichkeit erleichtert werden, was sicher auch im Interesse eines wirksamen Anlegerschutzes ist.
In Summe ist auch dieses Bündel aus meiner Sicht ein Beitrag zu Effizienz und Sicherheit am Kapitalmarkt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)
15.21
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächster Redner: Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.
15.21
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Damen und Herren, ZuseherInnen zu Hause. Es ist zwar ein bisschen ungewöhnlich, als Kontraredner am Schluss aufzutreten, aber das ist einmal etwas Neues.
Herr Kollege Lindinger: Ich werde jetzt nicht der Versuchung erliegen und auf deine Hypo-Polemik eingehen, aber ich darf dich warnen: Das hat schon ein Parteikollege von dir probiert, gerade vor Kurzem – Voves heißt er. Was dabei rausgekommen ist, dürftest du auch mittlerweile mitbekommen haben, und dass der Herr Voves nicht rechnen kann, wissen wir ja auch, denn sonst würde er nicht glauben, dass 29 mehr als 30 ist. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir werden dem ersten Gesetz, nämlich dem Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz, das ja aus insgesamt – wenn ich mich nicht verzählt habe – zwölf einzelnen Gesetzen besteht, nicht zustimmen. Ich werde auf dieses Konvolut nicht im Detail eingehen, nur so viel: Es ist ein typischer Spiegel der österreichischen Bürokratie. Gerade diese Bürokratie ist einer der wesentlichen Faktoren, die Österreich in der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich ständig abrutschen lassen – von Platz 11 auf Platz 26 innerhalb von 8 Jahren.
Was machen Sie? – Statt schleunigst gegenzusteuern, geschieht genau das Gegenteil.
In diesem Zusammenhang möchte ich den Streit zwischen Finanzmarktaufsicht und der Prüfstelle für Rechnungslegung, kurz Bilanzpolizei genannt, nicht unerwähnt lassen. Dieser gipfelt darin, dass jene börsennotierten Unternehmen, die von dieser neuen Stelle, eben der Bilanzpolizei, geprüft werden, dann noch einmal von der FMA geprüft werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, weil sie sich nicht einigen können!) Das bedeutet natürlich für die Unternehmen eine enorme zusätzliche bürokratische Belastung.
Was ist der Hintergrund dieser unbefriedigenden, dieser katastrophalen Situation? – Ein Streit zwischen Rot und Schwarz! Im Ausschuss hat es dazu mehr oder weniger lakonisch geheißen: Na, das liegt jetzt beim Verwaltungsgerichtshof, und der wird dann entscheiden. Bis er entscheidet, wird ein bisschen Zeit vergehen, die Unternehmen werden wahrscheinlich weiter doppelt geprüft werden, und Österreich wird weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. – So, meine Damen und Herren der großen Koalition, fahren Sie Österreich und Österreichs Wirtschaft geradewegs an die Wand. (Beifall bei der FPÖ.)
15.24
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Ostermayer. – Bitte, Herr Minister.
15.25
Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Frau Präsidentin! Eigentlich wollte ich mich nur im Namen und in Vertretung des Herrn Finanzministers, der gestern zu einem OECD-Termin nach Paris gereist ist, für die konstruktive Diskussion bedanken. (Bundesrätin Mühlwerth: War eh konstruktiv!)
Herr Bundesrat Oberlehner hat ja ohnehin detailliert erläutert, wie der Inhalt dieser beiden Gesetze ist, ebenso die anderen Redner; nur was den Schluss der Diskussion betrifft, muss ich doch noch eine inhaltliche Anmerkung machen. Es würde mich nämlich interessieren, ob die Kriterien, die für das Ranking bei dieser Studie herangezogen werden – ob man besser liegt, ob man schlechter liegt –, sozusagen auch mit Ihrer Haltung übereinstimmen. Ich kann viele Kriterien dort nicht teilen oder würde sie nicht als positiv erachten, also zum Beispiel würde ich den Abbau von Arbeitnehmerrechten nicht als sehr positiv erachten. Das wird aber dort sehr positiv gesehen. (Bundesrat Krusche: Bürokratie ist auch ein wesentlicher Faktor!)
Im Gegenzug könnte ich jetzt eine Studie zitieren, die Eurostat vor zwei Tagen veröffentlicht hat. Diese Studie ist in der öffentlichen Diskussion als nicht so wahnsinnig interessant befunden worden, aber sie ist interessant, denn es ging dabei um die Zufriedenheit, um die Lebenszufriedenheit der Menschen.
Knapp nach Dänemark, Schweden und Finnland ist dieser Studie zufolge Österreich auf dem vierten Platz gelandet – weit vor vielen anderen Ländern in Europa. (Bundesrat Krusche: Da dürften s’ die 400 000 Arbeitslosen nicht befragt haben!) –
Also Eurostat hat das gemacht, die machen das normalerweise sehr präzise und sehr repräsentativ. (Bundesrat Krusche: 400 000 zufriedene Arbeitslose!)
Wenn Sie sagen, dass die Umsetzung des Rechnungslegungs-Änderungsgesetzes dazu führt, dass wir in der Wettbewerbsfähigkeit in Europa zurückfallen, würde ich Ihnen entgegenhalten: Wir setzen da eine EU-Richtlinie um, die für alle Staaten in Europa gilt, und ich würde es für sehr erstaunlich halten, wenn wir eine EU-Richtlinie nicht umsetzen würden. Das hätte ein Vertragsverletzungsverfahren zur Folge.
Ich kann daher diesen Redebeitrag von Ihnen schlicht und einfach nicht nachvollziehen, aber das ist ja nicht das Problem. Ich danke jedenfalls im Namen des Herrn Finanzministers und hoffe auf eine breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)
15.27
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Rechnungslegungsänderungs-Begleitgesetz 2015.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz und weitere Gesetze geändert werden.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
COM(2015) 80 final Paket zur Energieunion/Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank/Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie (57441/EU XXV. GP sowie 9371/BR d.B.)
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.
Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Preineder. Bitte um den Bericht.
Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzter Bundesrat! Ich erstatte den Bericht des EU-Ausschusses über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG betreffend COM(2015) 80 final Paket zur Energieunion/Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank/Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie.
Dieser Antrag ist etwas Besonderes. Normalerweise trifft der EU-Ausschuss seine Entscheidungen über Mitteilungen selbständig, aber dieses Thema ist eines, das für Österreich wichtig ist, weil es darum geht, dass wir eine nachhaltige Energieversorgung in Europa haben – ohne Atomstrom, ohne Fracking.
Aus diesem Grund stellt der EU-Ausschuss als Ergebnis seiner Beratung des gegenständlichen Vorhabens im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG am 6. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:
Die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Mitteilung gemäß Artikel 23f Abs. 4 B-VG wird angenommen.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.
15.30
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich war ein bisschen verwundert, dass Kollege Preineder gleich ein bisschen eine Rede eingebaut hat, aber das ist anscheinend neu, dass es jetzt auch vom Berichterstatter Stellungnahmen gibt, daran muss man sich erst gewöhnen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Unabhängig davon wird es Sie – leider ist keiner der Minister da – nicht überraschen, dass wir diesen Tagesordnungspunkt ablehnen. Ich sage Ihnen auch, warum: Wir haben hier eine einheitliche Länderstellungnahme gemäß Artikel 23d Abs. 2 B-VG, und diese einheitliche Länderstellungnahme kommt zu einem vernichtenden Ergebnis. Das fängt einmal in der Einleitung an, dass die beschriebenen Maßnahmen „mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht vereinbar“ sind, und geht dann weiter in Punkt 3. Diesen Punkt finde ich besonders interessant, da sollte man gut zuhören, weil das etwas ist, das – und da erlaube ich mir sogar, zu sagen, dass ich davon überzeugt bin! – alle im Haus vertretenen Parteien ablehnen, nämlich die Atomenergie. Ich glaube, mit der Atomenergie hat niemand in diesem Haus irgendetwas am Hut, und das ist auch gut so. Darauf können wir auch stolz sein, weil wir da eine Quasimonopolstellung in ganz Europa innehaben.
In Punkt 3 dieser einheitlichen Länderstellungnahme steht – ich zitiere wörtlich –: „Eine besonders unausgewogene Darstellung erfährt die Kernenergie, die in der Mitteilung unangemessen positiv und weitgehend unkritisch beurteilt wird. In einer Vielzahl von Stellen wird der Begriff ‚CO2-arm‘ als Codewort für Atomenergie verwendet; wären mit diesem Begriff in erster Linie erneuerbare Energiequellen gemeint, so würde der Begriff ,erneuerbare CO2-arme Energie‘ verwendet werden.“
Man hat hier schon ein bisschen den Eindruck, dass man vonseiten irgendwelcher Interessenvertreter – nennen wir sie einmal so, ohne das jetzt gleich beim Namen zu nennen – versucht, eine gewisse Energiepolitik in die Länder Europas zu implantieren. Das ist natürlich ein großes Problem, denn unabhängig von den Sicherheitsfragen, die die Atomenergie immer mit sich bringt, gibt es ja noch einen weiteren ganz wesentlichen Punkt, das ist die Frage der Kostenwahrheit. Schließlich kann bis zum heutigen Tag kein Mensch sagen, was die Entsorgung von abgebrannten Brennstäben kostet, wo man sie durchführen wird und wie man damit in den nächsten Jahrhunderten – sprich: Jahrtausenden – umgehen wird. Auch da gibt es natürlich keine Antwort – woher denn? –, es kann auch keine Antwort geben, weil ja derzeit niemand weiß, wie man mit diesen Dingen umgeht.
Dasselbe betrifft die Frage nach Fracking. Ich möchte zu diesem Thema ein paar einleitende Worte sagen. Das, was bei uns – in Österreich, in Europa – als „Fracking“ bezeichnet wird, ist meistens Oft wird ja mit dem Hinweis auf die USA gesagt: Ja,
die sind jetzt energieautark, die sind jetzt unabhängig, weil sie Fracking betreiben, und das ist so super! Eines wird nicht dazugesagt, und ich würde da zumindest die Leute, die sich dafür interessieren, ersuchen, sich zu erkundigen. Wir haben in Österreich in Leoben eine sensationell gute Universität, es gibt dort wirklich großartige Professoren und wirkliche Fachleute. Wenn Sie mit diesen Fachleuten – und ich habe das getan – über Fracking sprechen, dann fangen sie zu lachen an, weil sie sagen: Das, was in den USA als „Fracking“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine sehr steuerbegünstigte Form der konventionellen Förderung von fossilen Brennstoffen.
Dort macht man nämlich nichts anderes, als dass man bei konventionell geförderten Gas- und Ölquellen 15 Prozent über Fracking geförderte Gas- und Ölquellen zuführen kann und den niedrigeren Steuersatz zahlt. Darum ist das dort so der große Boom, und darum ist das dort so interessant. Es ist also eine Mär, dass sich die Amerikaner unabhängig gemacht haben aufgrund einer neuen Technologie, die wir Europäer nicht verwenden.
Ein weiterer Punkt ist, dass dort teilweise Quellen, die in den 1980er-Jahren schon als ausgebeutet galten und damals versiegelt wurden, heute mit den gestiegenen Energiepreisen wiederum erschlossen werden, und es ist noch genug drinnen, damit sich das mit den heutigen hohen Energiepreisen wieder rechnet. Die Amerikaner verkaufen das als Fracking, die Europäer glauben es, und dadurch gibt es natürlich sehr viele, die der Meinung sind, das sei eine besonders erstrebenswerte Form der Energiegewinnung.
Faktum ist – auch das ist mittlerweile eindeutig bewiesen –, dass wir durch diese Form von Fracking, die wir in Europa betreiben könnten, uns derzeit ungeahnte Probleme aufhalsen, denn die Lösung dieser Gas- und Ölschichten im Schiefergestein bedingt den Einsatz von hochgiftigen Chemikalien, die in weiterer Folge ins Grundwasser gelangen können, die in weiterer Folge in die Nahrungskette gelangen können, die in weiterer Folge im Blut, im Gewebe, im Gehirn der Menschen in diesen Ländern nachweisbar sind – und das ist etwas, was wir alle nicht wollen.
Das ist auch einer der Punkte, die in dieser einheitlichen Länderstellungnahme kritisiert werden, nämlich in Punkt 5: dass Fracking für Europa, und dadurch auch für Österreich, als „Option“ bezeichnet wird.
Ich sage Ihnen, was wir brauchen: Wir brauchen keine neuen Abhängigkeiten, wir brauchen keine Abhängigkeiten von irgendwelchen multinationalen Energielieferanten, wir brauchen keine Abhängigkeiten von amerikanischen Gas- und Ölproduzenten. Vielmehr sollten wir als Europäer und auch als Österreicher danach trachten, so gut als möglich energieunabhängig zu werden.
Wir haben natürlich – das klingt jetzt ein bisschen präpotent, ist nicht so gemeint – als Österreicher einen Riesenvorteil: Wir haben wahnsinnig viele Gewässer in diesem Land, wir haben die Möglichkeit, mit Laufkraftwerken, mit Staukraftwerken zu arbeiten, uns fällt das leicht. Wenn man ein bisschen in den Süden runterschaut: Die Spanier haben es da deutlich schwieriger, das ist ganz klar.
Wenn man schon von europäischer Solidarität spricht, dann sollte man gerade in dieser Frage auch von Solidarität sprechen, denn wir haben alle nichts davon, wenn wir sagen: Ja, ein Gutteil unserer Energie wird aus erneuerbaren Quellen gewonnen, und was hinter unseren Grenzen passiert, ist uns wurscht! Nein, das kann uns nicht egal sein, denn wenn es uns egal ist, bekommen wir über die Hintertür den Mist und das Gift und den Dreck wieder in das Land geliefert.
Das heißt, es ist in unser aller Interesse, dass wir uns bestmöglich aufstellen in Europa, dass wir versuchen, energieautark zu werden. Die Möglichkeiten gibt es, es sind ja in den letzten Jahren diesbezüglich sehr große Sprünge gemacht worden,
gerade in der Entwicklung von Photovoltaik, wo man noch vor zehn Jahren gesagt hat: Na ja, das ist zwar eine schöne Spielerei, aber die Panels werden relativ schnell blind, das ist eine hohe Investition und der Ertrag ist sehr gering! Heute geben die Anbieter schon 25 Jahre Garantie auf diese Panels. Das heißt: Es ist in diesem Bereich wahnsinnig viel geschehen, und es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr geschehen wird.
Unabhängig davon haben wir in unserem Land nach wie vor – zwar immer weniger, aber nach wie vor – landwirtschaftliche Nutzung. Das heißt, auch im Bereich der Biogaserzeugung können wir federführend in Europa sein, auch daran können wir natürlich arbeiten.
Was wir derzeit machen, hat leider Gottes – und darum finde ich es auch so schade, dass keiner der Minister da ist –, wenn wir uns die Förderkriterien für Photovoltaik ansehen, um bei dem Beispiel zu bleiben, und ansehen, wie das teilweise vonstattengeht, eher Ähnlichkeit mit einem Lotteriespiel als mit einer ernsthaft gemeinten Förderung von Photovoltaik für den privaten Haushalt. Unabhängig davon wissen wir auch, dass teilweise, vor allem im ländlichen Bereich, unsere Stromleitungen dringend saniert werden müssen, um die Energiespitzen, die durch einen flächigen Ausbau entstehen werden, überhaupt verarbeiten zu können. Das ist noch nicht in allen Regionen in Österreich der Fall.
Meiner Meinung nach wäre es notwendig, dass wir hier in dieser Kammer ein klares Bekenntnis ablegen für eine Abkehr von Atomenergie in Europa, für eine Abkehr von Kohle, von fossilen Brennstoffen, dass wir aber auf der anderen Seite auch danach trachten, dass Energie für Menschen leistbar ist.
Wovon spreche ich? – Das ist nicht die eierlegende Wollmilchsau, sondern das sind einfach Übergangsfristen. Wir werden diese Zeit brauchen, wir werden auch eine Zeit benötigen, wo wir selbstverständlich zweigleisig und mehrgleisig werden fahren müssen. Wir werden noch viele, viele Jahre an den fossilen Brennstoffen hängen, das ist ganz klar – jeder, der etwas anderes vermeint, ist ein Träumer und ein grenzenloser Optimist –, aber es sollte das Ziel der Europäischen Union und der Republik Österreich sein, so energieautark wie möglich zu werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf geht leider Gottes in eine völlig falsche Richtung. Die vorliegende Länderstellungnahme ist eindeutig, und ich kann nur jedem raten, diesen Entwurf abzulehnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)
15.39
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte. (Bundesrat Jenewein: Oje! – Bundesrat Mayer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na, na, nicht oje, oje!)
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ein herzliches Grüß Gott an die Zuseher und Zuseherinnen vor den Bildschirmen zu Hause! Na ja, Herr Kollege Jenewein, jetzt haben wir schon ein Problem (Bundesrat Jenewein: Haben wir ein Problem?), denn das ist keine Gesetzesvorlage, sondern eine Mitteilung der Europäischen Kommission. (Bundesrat Jenewein: Habe ich „Gesetzesvorlage“ gesagt? Oje, oje!) – ja –, und eine Mitteilung der Europäischen Kommission kann ich nur wiederum mit einer Mitteilung seitens des Bundesrates oder eines europäischen Parlaments beantworten. Gegen eine Verordnung oder gegen eine Richtlinie kann ich beispielsweise eine begründete Stellungnahme abgeben (Bundesrat Jenewein – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Steht
eh „Mitteilung“ oben, ich kann eh lesen – im Normalfall!), aber jetzt haben wir im EU-Ausschuss des Bundesrates diese Mitteilung beschlossen.
Wenn wir diese Mitteilung heute nicht wegschicken, dann nehmen wir das kommentarlos zur Kenntnis – und ich weiß nicht, ob das gut ist, lieber Kollege Jenewein, denn: Du hast recht! Du hast in deinen Aussagen vollkommen recht, in allem, was du gesagt hast, auch bezüglich der Länderstellungnahme – und all das, wo du vollkommen recht hast und das richtig zitiert hast, haben wir in diese Mitteilung hineingeschrieben!
Ich muss das jetzt einfach ein bisschen breiter thematisieren, schließlich wart ihr bei dieser Mitteilung auch einverstanden, oder? Es geht in einigen Bereichen wirklich auch um ein Tätigwerden der EU, das ist klar!
„In der vorliegenden Mitteilung führt die Kommission eine Vielzahl von Bereichen an, für die grundsätzlich transnationale Lösungen und Maßnahmen erforderlich sind. Nach der Ansicht des Bundesrates stellt die Kommission in ihrer Grundtendenz allerdings bei den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Sicherstellung vor allem von fossilen und atomaren Energieströmen ab, unter anderem auf die Kernenergie und die Gewinnung von Öl und Gas aus nicht konventionellen Quellen.“
Das hast du richtig angedeutet, das stimmt hundertprozentig.
Und weiters: „Die mit der Nutzung der Kernenergie sowie der Gewinnung von Öl und Gas aus nicht konventionellen Quellen verbundenen Probleme und Gefahren werden in der Mitteilung nicht thematisiert. Diese Unausgewogenheit wird vor allem vor dem Hintergrund der in Art. 194 Abs. 2 AEUV verankerten freien Wahlmöglichkeit der Mitgliedstaaten zwischen verschiedenen Energieressourcen kritisch gesehen. In der vorliegenden Mitteilung“ der EU-Kommission „werden bestimmte Formen der Energiegewinnung bzw. der damit verbundenen Lagerung einseitig positiv dargestellt, dass diese als gleichsam alternativlose Mittel präsentiert werden. Insbesondere“ – und das ist auch wichtig! – „besteht nach Auffassung des Bundesrates die Gefahr, dass die von der Kommission angestrebte Energieunion die Förderung von erneuerbaren Energieträgern behindert. Eine solche nicht tendenzfreie Darstellung beeinträchtigt in letzter Konsequenz die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Energiequellen und Energieversorgung.“
Auch klar ist: „Die Dekarbonisierung darf auch nicht im Rahmen der Energieunion zu einer Aufwertung der Atomenergie führen, da diese weder eine nachhaltige noch sichere Form der Energiegewinnung ist.“ „Die Risiken und objektiven Nachteile der Kernenergie werden in der Mitteilung“ der Kommission „völlig ausgeblendet.“
Das hast du auch in dieser Ausprägung erwähnt, Kollege Jenewein.
Ich zitiere weiter: „Der Mitteilung sind zudem eindeutige Hinweise zu entnehmen, dass die EU gedenkt, finanzielle Investitionen in die Atomenergie zu tätigen. Dies ist einerseits der Ankündigung zu entnehmen, dass die EU dafür sorgen wird, ,ihre technologische Führungsposition im Nuklearbereich‘ zu halten.“
Stichwort, zum Beispiel: Finanzierung Hinkley Point in England – vielleicht ist das ein kleines Abschiedsgeschenk an England zum Austritt aus der EU. Das könnte man vielleicht am Rande erwähnen.
Weiters: „Zudem kritisiert der Bundesrat, dass die Kommission zwar festhält, dass der Energiebinnenmarkt durch staatliche Interventionen nicht verzerrt werden dürfe, in diesem Zusammenhang aber nur die öffentliche Förderung erneuerbarer Energieformen problematisiert, während eine staatliche Förderung der Atomenergie offenbar bewusst nicht als Problem angesprochen wird.“ – Offenbar bewusst nicht als Problem angesprochen wird!
Weiters: „Der Bundesrat findet es auffällig, dass das Prinzip der Kostenwahrheit in diesem Dossier völlig ausgeklammert wird.“ – Ja, Herr Kollege Jenewein, wie von dir angesprochen!
„Ebenso wird die nicht sichere und nicht nachhaltige Technologie der CO2-Abtrennung und -Speicherung (CCS) einseitig positiv dargestellt.“ – Alles auch in der einheitlichen Länderstellungnahme drinnen!
„Der Bundesrat lehnt diese nicht sicheren und nicht nachhaltigen Technologien ab. Ähnliches gilt auch für die Gewinnung von Schiefergas (,Fracking‘), welche von der Kommission als eine Option bezeichnet wird.“
Diesbezüglich gibt es in Österreich wirklich massiven Widerstand, insbesondere auch in der Bodenseeregion. Vorarlberg ist ein entschiedener Gegner von Fracking.
„Die Mitteilung der Kommission ist nach Ansicht des Bundesrates weiters Ausdruck einer generellen Zentralisierungstendenz im Energiebereich; so wird vorgeschlagen zur vollständigen Integration des Energiebinnenmarkts die Befugnisse der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden () bei der Wahrnehmung von Regulierungsfunktionen zu erweitern.“ – Also ein ganz klarer Zentralisierungsschub!
„Der Bundesrat vertritt in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen die Meinung, dass durch die gegenständliche Mitteilung der Kommission ,Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie‘ der europäische Grundsatz, dass der jeweilige Energiemix Sache des Mitgliedsstaates ist, nicht beschnitten werden darf.“
Das sagen wir alles in dieser Mitteilung, da treten wir der Kommission vor das Schienbein. Wenn wir diese Mitteilung nicht in dieser Form nach Brüssel schicken, dann nehmen wir das einfach kommentarlos zur Kenntnis! Also ich verstehe dich nicht, Herr Kollege Jenewein, warum du hier etwas Positives kritisierst, das der EU-Ausschuss wirklich im Sinne Österreichs gemacht hat.
„Aus Sicht des Bundesrates“ – ich komme jetzt zum Schluss – „ist bei der weiteren Behandlung des vorliegenden Paketes stärker auf das Subsidiaritätsprinzip zu achten. Das vorliegende Paket trägt diesem nicht ausreichend Rechnung.“
Auch die Länder Niederösterreich und Vorarlberg haben sich in ihren Stellungnahmen klar in diese Richtung geäußert. Auch die einheitliche Länderstellungnahme, wie daraus zitiert und erwähnt, bestätigt diesen Inhalt. Vorarlberg stellt sogar fest, dass die Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.
So, Herr Kollege Jenewein, jetzt gilt es halt abzuwägen: Wehren wir uns gegen diese Mitteilung der Europäischen Union und beschließen diese Mitteilung, die der EU-Ausschuss beschlossen hat, oder beschließen wir das nicht und nehmen das einfach kommentarlos zur Kenntnis? – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)
15.46
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.
15.47
Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Unsere Importabhängigkeit von Öl und Gas kostet uns ein Vermögen. Jährlich zahlt Österreich als rohstoffarmes Land 17 Milliarden € für Energieimporte, für Öl, Gas und Kohle. Das ist doppelt so hoch wie unser jährliches Familien- und Bildungsbudget. Für Öl und Gas
zahlen wir pro Kopf jährlich 2 000 €, und zwar für jeden österreichischen Staatsbürger, vom Baby bis zum Uropa.
Unsere inländische Energieerzeugung deckt derzeit nicht annähernd den österreichischen Energiebedarf. Nur 38 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Österreich können durch inländische Erzeugung abgedeckt werden. 62 Prozent des gesamten österreichischen Energieverbrauchs müssen importiert werden. Dieses Geld fließt nach Russland, Kasachstan, Nigeria, Dubai und Tschechien, Polen, USA bei Kohleimporten.
Nur indem wir in Österreich sukzessive und unermüdlich zusätzliche erneuerbare Energieträger aus Wasser, Wind und Sonnenkraft aufbauen, können wir uns langfristig unabhängig von Energieimporten machen und die Kosten für Energieimporte parallel dazu zurückfahren. Jede Einsparung bei Energieimporten können wir sofort in Zukunftsinvestitionen und in Konjunkturpakete zur Schaffung neuer Arbeitsplätze investieren. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien und die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen fließen die finanziellen Mittel, die Österreich jährlich für die Energieimporte ausgibt, dann nicht mehr in die Öl- und Gaskonzerne in Russland und Saudi-Arabien, sondern weitgehend in die regionale Wertschöpfung.
Bei der Gewinnung erneuerbarer Energien handelt es sich um einen Wirtschaftszweig, der größtes Zukunftspotenzial aufweist. Österreich soll zu einem Vorzeigeland bei der Nutzung erneuerbarer Energieressourcen werden und eine Vorreiterrolle in der Umwelttechnologie einnehmen. Für die Umwelt, die Beschäftigung, das Wachstum und die Wertschöpfung im eigenen Land lohnen sich heimische Energiegewinnung und Energiesparmaßnahmen in besonderem Maße.
Energiesparen müssen wir, wo immer es geht. Alles, was wir nicht verbrauchen, brauchen wir nicht zu erzeugen, nicht zuzukaufen und nicht aus dem Ausland zu importieren. 33 Prozent der in Österreich verbrauchten Energie werden für die Heizung und Kühlung von Gebäuden verwendet. Weitere Investitionen in die thermische Gebäudesanierung sind daher ganz wesentlich. Auch die LED-Beleuchtung spart 40 bis 80 Prozent Energie. Wir müssen die öffentliche Straßenbeleuchtung auf LED-Beleuchtung umstellen.
Wir müssen Energie in Österreich vermehrt regional und dezentral erzeugen. Jedes neue Gebäude soll durch Solarkollektoren zu einem kleinen Stromkraftwerk werden. Wir müssen massiv in Elektromobilität investieren, in Zero-Emission-Zero-Noise-E-Cars – emissionsfreie, lärmfreie Elektroautos. Die Elektromobilität ist ein wesentlicher zukünftiger Impulsgeber für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Wir müssen raus aus Öl, Gas, Kohle und Atom. (Bundesrat Mayer: Ja!) Nicht fossile Energie und AKWs gehören gefördert, sondern erneuerbare Energieträger. Fossile Energie wird auf EU-Ebene immer noch doppelt so hoch gefördert wie erneuerbare Energie. Damit muss einmal Schluss sein.
Die Preise, die weltweit für fossile Energie – Öl, Gas, Kohle – gezahlt werden, decken die durch fossile Energieproduktion und den fossilen Energieverbrauch verursachten Schäden bei Weitem nicht ab. Die Energieverbrauchfolgekosten sind nicht in den Energiepreisen eingerechnet. Die Nichtberücksichtigung dieser Kosten in den Energiepreisen stellt eine wettbewerbsverzerrende Subvention dar, die laut Internationalem Währungsfonds global 4,68 Billionen € ausmacht. Das sind gigantische Summen.
Atomkraftwerke sind eine ständige Bedrohung für uns alle. Fukushima hat das im Jahr 2011 abermals bewiesen. Wenn der Risikofall eintritt – auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch so gering ist –, sind die Folgekosten von der Gesellschaft nicht zu bewältigen. Der Nutzen von Atomkraftwerken steht in keiner Relation zu den Risiken. Würde es Kostenwahrheit geben, würde kein Mensch ein Atomkraftwerk bauen. AKWs
rechnen sich nur deshalb, weil die Lasten und Risiken von der öffentlichen Hand getragen werden.
Wollte ein AKW-Betreiber sein Atomkraftwerk gegen Schaden versichern, wäre die Versicherungssumme so hoch, dass sich kein AKW-Betreiber diese Prämien leisten könnte. Haftungsentgelte für Risiken aus AKW-Unfällen sollten daher von den AKWs an die Steuerzahler gezahlt werden und gehören in den Atomstrom integriert, damit wir diesbezüglich Kostenwahrheit haben.
Die Kosten der Atommüllendlagerung sind ebenso nicht abschätzbar. Den Atommüll durch Lagerung dauerhaft zu 100 Prozent abzusichern, ist eine unlösbare Aufgabe, egal, wie tief man ihn vergräbt. Die Atommüllendlagerkosten sollten ebenfalls von den Atomkraftwerken selbst getragen werden und gehören auch in den Strompreis integriert, damit auch diesbezüglich Kostenwahrheit herrscht.
Atomkraftwerke sind nur durch hohe staatliche Subventionen wettbewerbsfähig. Österreichs Klage gegen die Genehmigung staatlicher Beihilfen für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point aufgrund von Wettbewerbsverzerrung ist mehr als gerechtfertigt. Die Pläne der EU-Kommission, den Bau von Atomkraftwerken zu fördern, gehören gestoppt. Das gilt auch für den neuen EFSI, den Fonds für strategische Investitionen der EU.
Wir wollen keine Atomkraftwerke in Österreich, wir wollen keine Atomkraftwerke in Europa, wir wollen keine Atomkraftwerke weltweit! (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!)
Und: Wir wollen auch kein Fracking! Fracking ist extrem verantwortungslos gegenüber künftigen Generationen. Die langfristigen Umweltschäden der Fracking-Technologie bei Grundwasser, chemischer Bodenverunreinigung, Methanluftschädigung und Klimaschädigung übersteigen den kurzfristigen Nutzen um ein Vielfaches.
Fracking bedeutet, dass fossile Energien gefördert werden, statt eine saubere öl- und gasfreie Energiewende zu forcieren. Statt in Fracking sollte die EU besser in erneuerbare Energien investieren.
Die heimische erneuerbare Energiegewinnung ist ein Weg zu mehr Wohlstand, zu mehr Wachstum, zu mehr Beschäftigung und zu mehr Unabhängigkeit für Österreich. Das vorliegende Paket der EU-Kommission zur Energieunion trägt der erneuerbaren Energiegewinnung nicht ausreichend Rechnung. Ich teile die Bedenken des EU-Ausschusses des Bundesrates zu diesem Paket. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)
15.55
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Blatnik. –Bitte.
15.55
Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin – gospa president! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice, dragi kolegi! Ich möchte nicht alles wiederholen, ich möchte nur noch die Bedenken zusammenfassen, die wir für die Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam besprochen und eigentlich auch beschlossen haben. So habe ich es in Erinnerung.
Die gleichen Bedenken finden sich in der einheitlichen Länderstellungnahme, die uns geschickt worden ist. Zusammenfassend: Wir dürfen es nicht zulassen, dass diesbezüglich ein Mitwirken der Mitgliedstaaten ausgegliedert wird.
Zweitens: Eine Form der Energiegewinnung wie das Fracking ist für uns keine Option.
Drittens: Jede Aufwertung der Kernenergie, jede zusätzliche finanzielle Förderung der Kernenergie ist für uns ein absolutes No-Go, weil es ganz einfach eine Energie ist, die nicht sicher ist, die nicht nachhaltig ist, die gefährlich ist und die verdammt hohe Kosten verursacht, was die Lagerung oder Kosten bei Unfällen oder Störfällen betrifft.
Unser Ziel – unser gemeinsames Ziel muss lauten: Eine Investition in die Zukunft kann nur eine Investition sein in Energieeffizienz sowie den Ausbau von erneuerbaren Energien. To je naša dolžnost, das ist unsere Verpflichtung. – Vielen Dank. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)
15.57
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.
15.57
Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Kolleginnen und Zuseherinnen! Wir diskutieren heute den Antrag des EU-Ausschusses zur Annahme der Mitteilung des EU-Ausschusses an Kommission, Rat und Europaparlament zum Paket zur Energieunion. Diesem Antrag stimmen wir sehr gerne zu, und ich weiß nicht mehr ganz genau, was ich jetzt eigentlich noch sagen soll: Von meinen VorrednerInnen ist bereits vieles vorweggenommen worden.
Der Antrag aus dem EU-Ausschuss des Bundesrates ist sehr kritisch und spricht eigentlich genau die größten Kritikpunkte an dieser Rahmenstrategie aus grüner Sicht an.
Ich werde noch ein paar Punkte herausgreifen. Nur zur Erklärung, die auch der Kollege vor mir bereits vorgenommen hat: Die Mitteilung der Kommission betreffend Energieunion ist ein Angriff auf wirklich jede vernunftgeleitete Wirtschafts- und Energiepolitik und eine Totalabsage an den Klimaschutz.
Was hier skizziert wird, ist eine energiepolitische Bankrotterklärung, die uns unweigerlich in den Klimakollaps führen würde. Es werden lediglich Lippenbekenntnisse zu Klimaschutz und nachhaltiger Energieversorgung gemacht. Die Schwerpunkte, die in diesem Programm, in dieser Mitteilung gesetzt werden, offenbaren jedoch, worum es wirklich geht: Es soll mehr und billigeres Gas über neue Versorgungsrouten nach Europa geholt werden. Das kann sich mit einem CO2-Minderungsziel von mindestens 40 Prozent bis 2030 nicht ausgehen.
Es ist – das wurde auch von jedem Vorredner, von jeder Vorrednerin bereits angesprochen – eine sehr einseitige Bewerbung von Atomstrom, Risiken werden kaum angesprochen, Kostenwahrheit kommt gar nicht vor. Es werden risikoreiche und nicht nachhaltige Technologien propagiert, wie eben das Fracking oder CCS, also Carbon Capture and Storage.
Erneuerbare Energien werden nicht langfristig geplant über 2030 hinaus. Viel zu kurz kommt dabei auch Energieeffizienz. Energieeffizienz muss endlich als Energiequelle Nummer eins angesehen werden. Das sehen nicht nur wir Grünen so, fast genauso steht es auch in der einheitlichen Länderstellungnahme, und sogar das Wirtschaftsministerium hat eine sehr kritische Bewertung des Programms abgegeben.
Ich freue mich sehr, dass es ein sehr deutliches Zeichen aus Österreich gibt, denn die europäische Energieunion darf nicht auf Atomenergie, Schiefergas und Kohle basieren. Was wir europaweit brauchen, ist eine grüne Energieunion.
Durch die Umwidmung von Investitionen zugunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien werden wir geopolitisch unabhängiger. Wir ersparen uns horrende Ausgaben für den Import fossiler Energie und stärken unsere Wirtschaftskraft nach-
haltig. Daher stimmen wir natürlich sehr gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
16.00
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.
16.01
Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Edgar Mayer, ich könnte es mir jetzt natürlich einfach machen und sagen, ich wollte eigentlich nur die Aufmerksamkeit wecken und nur du bist mir darauf eingegangen. Das wäre aber zu billig. Ich stehe nicht an, wenn ich einen Fehler gemacht habe, den auch zuzugeben. Ich weiß, dass ich hier in der Sache – und ich hoffe, dass man mir das soweit abnimmt – richtig argumentiert habe, leider Gottes aber die falsche Schlussfolgerung gezogen habe, da in meinen Unterlagen ein anderes Geschäftsstück im Vordergrund gestanden ist.
Selbstverständlich wird die Freiheitliche Fraktion dieser Stellungnahme ihre Zustimmung geben und selbstverständlich werden wir hier, so nehme ich an, einen einhelligen Beschluss heute haben. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)
16.01
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des EU-Ausschusses auf Annahme der dem Ausschussbericht angeschlossenen Mitteilung gemäß Artikel 23f Abs. 4 B-VG ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.
Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2015
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.
Da mit 1. Juli 2015 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Oberösterreich übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 B-VG der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Gottfried Kneifel, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.
Wahl der Vizepräsidenten/innen
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.
Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählenden Vizepräsidentin des Bundesrates.
Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.
Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Inge Posch-Gruska lautet.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist einstimmig. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. – Ich danke recht herzlich.
Ich bedanke mich recht herzlich für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)
Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.
Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.
Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist einstimmig. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.
Ich frage dich, ob du die Wahl annimmst.
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)
Wahl der Schriftführer/innen
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführer/innen.
Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Josef Saller, Ewald Lindinger und Anneliese Junker für das zweite Halbjahr 2015 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.
Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.
Gibt es einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.
Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.
Die Bundesrätinnen Blatnik und Junker sowie die Bundesräte Saller und Lindinger nehmen die Wahl an.
Wahl der Ordner/innen
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner/innen.
Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Mag. Susanne Kurz, Gerd Krusche und Mag. Nicole Schreyer für das zweite Halbjahr 2015 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.
Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.
Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.
Die Bundesrätinnen Mag. Kurz und Mag. Schreyer sowie die Bundesräte Tiefnig und Krusche nehmen die Wahl an.
*****
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen, 3077/J-BR/2015 bis 3081/J-BR/2015, eingebracht wurden.
*****
Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 2. Juli 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen.
Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 30. Juni 2015, 14 Uhr, vorgesehen.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 16.07 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien |