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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 21. Oktober 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode          Mittwoch, 21. Oktober 2009

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. Oktober 2009: 9.07 – 23.36 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungs­taxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstge­genständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 9/A der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und das Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeige­setz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005,
das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009)

7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 274/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Stra­che, Kolleginnen und Kollegen betreffend DNA-Tests zur Immigrationskontrolle

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Ge­werbeordnung 1994 geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 374/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem NS-Unrechtsurteile aufgehoben werden (NS-Aufhebungsgesetz)

11. Punkt: Bericht und Antrag betreffend ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum auf­gehoben werden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus

14. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/2

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Gesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (663/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen sowie des Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz gegen die Tagesord­nung gemäß § 50 der Geschäftsordnung    16, 16, 17

Durchführung einer gemeinsamen Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                  37

Redner:

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 37

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 38

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 40

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ..... 41

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 42

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 43

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ..... 47

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 48

Einwendungen finden keine Mehrheit ............................................................................. 50

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  41, 173

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend verbindliche Vereinbarun­gen über den Ablauf der Plenardebatten:

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 45

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 45

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 46

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 46

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 47

Antrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 346/A(E) der Ab­geordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verankerung der Schutzmachtfunktion Österreichs für die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 22. Oktober 2009 zu setzen ............................................................................................................................. 53

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 53

Redner:

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 165

Hermann Krist ......................................................................................................... ... 167


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 3

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 168

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 169

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 170

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ... 171

Ablehnung des Fristsetzungsantrages (namentliche Abstimmung) ............................ 173

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 53

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 173

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung im Zusammenhang mit den Ausfüh­rungen der Abgeordneten Adelheid Irina Fürntrath-Moretti in der gemeinsamen Beratung über die Tagesordnungspunkte 6 bis 8:

Werner Neubauer ....................................................................................................... 188

Gerald Grosz ........................................................................................................... ... 188

Werner Amon, MBA ............................................................................................... ... 189

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ... 189

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: „Das Chaos fährt Bahn“ ............................................................................... 17

Redner/Rednerinnen:

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 17

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 20

Anton Heinzl ............................................................................................................ ..... 22

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................ ..... 24

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ..... 25

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 27

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ..... 28

Wilhelm Haberzettl ................................................................................................. ..... 30

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ..... 31

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 32

Gerald Grosz ........................................................................................................... ..... 34

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 36

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  50, 259

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Finanzen betreffend „System Grasser“ und der Wille der ÖVP, die Machenschaften lückenlos aufzuklären (3357/J)         ............................................................................................................................. 118

Begründung: Mag. Werner Kogler ............................................................................. 123

Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll .............................................................................. 129

Debatte:

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ... 132

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ... 135

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 137


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 4

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 138

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ... 140

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 142

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 143

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 145

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 146

Gerald Grosz ........................................................................................................... ... 148

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 150

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 151

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 153

Ing. Christian Höbart .............................................................................................. ... 155

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 156

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 158

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 160

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 163

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (292 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (345 d.B.) ........................................... 54

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (339 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (346 d.B.) .................................................. 54

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden (347 d.B.) ............................................................................................ 54

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 54

Elmar Mayer ............................................................................................................ ..... 57

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 59

Mag. Silvia Fuhrmann ............................................................................................ ..... 61

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ..... 63

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 65

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 66

Mag. Laura Rudas ................................................................................................... ..... 69

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ..... 71

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .................................................................... ..... 72

Dieter Brosz ............................................................................................................. ..... 74

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ......................................................................... 75

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................ ..... 77

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ..... 78

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 79

Mag. Josef Lettenbichler ....................................................................................... ..... 80

Mag. Helene Jarmer ............................................................................................... ..... 81

Ewald Sacher .......................................................................................................... ..... 82

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 83

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ..... 84

Maximilian Linder ......................................................................................................... 85

Mag. Rosa Lohfeyer ..................................................................................................... 86

Anna Franz .................................................................................................................... 87

Franz Riepl ............................................................................................................... ..... 87


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung von Klein- und Kleinstschulen – Ablehnung                                                      68, 104

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 345, 346 und 347 d.B. ...................................... 103

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 345 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Qualitätssicherung und Berichterstattung zur neuen Reife­prüfung (E 50) .................. 103

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (238 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegen­ständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird (349 d.B.) .......................................................................... 88

5. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 9/A der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und das Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkei­ten geändert werden (350 d.B.) ........................................................................................................................ 89

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................ ..... 89

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ..... 90

Josef Jury ...................................................................................................................... 91

Mag. Silvia Fuhrmann .................................................................................................. 92

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 93

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ..... 95

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 95

Jochen Pack ............................................................................................................ ..... 96

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ..... 97

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .................................................................... ..... 98

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ..... 98

Johann Höfinger ..................................................................................................... ..... 99

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 100

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 101

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 101

Annahme des Gesetzentwurfes in 349 d.B. ................................................................ 103

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 350 d.B. ..................................................... 103

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (330 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Frem­denpolizeigesetz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsge­setz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbür­gerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Frem­denrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.) ......................................... 104

7. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ausländerbeschäftigungsge­setz geändert wird (388 d.B.)                          104

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 274/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend DNA-Tests zur Immigrationskontrolle (390 d.B.) ....................................................................................................................................... 104


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 105

Günter Kößl ............................................................................................................. ... 106

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ... 107

Otto Pendl ................................................................................................................... 113

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 115

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ... 175

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 176

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 178

Gerald Grosz ........................................................................................................... ... 180

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 182

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 187

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 189

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 191

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 192

Ing. Norbert Kapeller .............................................................................................. ... 193

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 194

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 196

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 197

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 199

Leopold Mayerhofer ................................................................................................... 200

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 202

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 203

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Grenzkontrollen – Ablehnung ..........................................  110, 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begriff der Straffälligkeit im Asylgesetz 2005 – Ableh­nung .................................  112, 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fingerabdrücke in Identitätskarten für Fremde und Kar­ten für Geduldete – Ablehnung  113, 204

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer Grenzschutzeinheit beim Bundesminis­terium für Inneres – Ablehnung ..........  185, 205

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die geplante Verlegung von 100 Polizisten nach Graz-Straß­gang – Ablehnung .....................  186, 205

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 387 und 388 d.B. ......................................... 204

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 390 d.B. ..................................................... 205

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (331 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 er­lassen und die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (389 d.B.) ...................................................................................................................... 205

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 205

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 206

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 207

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 208

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 208

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 208


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 7

Erwin Hornek .......................................................................................................... ... 209

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 210

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 211

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 374/A der Abgeord­neten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem NS-Unrechtsurteile aufgehoben werden (NS-Aufhebungsgesetz) (358 d.B.) ..................................................................................... 211

11. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses betreffend ein Aufhe­bungs- und Rehabilitationsgesetz (359 d.B.) ...................................................................................................................... 211

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Fichtenbauer .....................................................................................  211, 227

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ... 213

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 214

Mag. Johann Maier ................................................................................................. ... 215

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 216

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 218

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 220

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 221

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 222

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 223

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 224

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 225

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 226

Anna Franz .................................................................................................................. 228

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 358 d.B. ..................................................... 229

Annahme des Gesetzentwurfes in 359 d.B. ................................................................ 229

12. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (322 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichts­gesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bun­desgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehoben werden (356 d.B.) ......................................................... 229

Redner/Rednerinnen:

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 230

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher ............................................................................... ... 230

Mag. Peter Michael Ikrath ...................................................................................... ... 230

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 231

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (95 d.B.): Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (357 d.B.) ............................................... 231

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 231

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 232

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 232

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 233

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ... 234

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 235

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 236


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 8

Gerald Grosz (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 236

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 236

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 237

Gerhard Köfer ......................................................................................................... ... 237

Genehmigung des Staatsvertrages in 357 d.B. ........................................................... 238

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG ..................................... 238

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-24 d.B.) des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/2 (384 d.B.) ...................................................................................... 238

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 238

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 240

Alois Gradauer ........................................................................................................... 240

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 242

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 243

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ... 245

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 246

Stefan Prähauser .................................................................................................... ... 248

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 249

Christian Faul .......................................................................................................... ... 250

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 251

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 251

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 252

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 253

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 253

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 254

Dr. Martin Strutz (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 256

Kenntnisnahme des Berichtes III-24 d.B. ..................................................................... 256

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (663/A) ............................. 256

Redner/Rednerinnen:

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 256

Franz Riepl ............................................................................................................... ... 257

Karl Donabauer ....................................................................................................... ... 257

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 258

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 259

Zuweisung des Antrages 663/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 259

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 51

367: Bundesgesetz, mit dem ein Pyrotechnikgesetz 2010 erlassen und das Si­cherheitspolizeigesetz geändert wird

385: Abkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Ungarn, Rumänien und der Republik Türkei über das Nabucco-Projekt

386: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 9

391: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die polizeiliche Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Polizei­amt (Europol) erlassen wird sowie das Polizeikooperationsgesetz und das Si­cherheitspolizeigesetz geändert werden

393: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einfüh­rungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentanwaltsgesetz und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden

394: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2009, das Bundesfinanz­gesetz 2010 sowie das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmenge­setz 2009 bis 2012 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2010 bis 2013 erlassen werden, geändert werden

Bericht ........................................................................................................................... 51

Vorlage 24 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2009; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Kurt List, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenersatz für Alarmstarts durch den jeweiligen Verursacher (822/A)(E)

Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Burnout-Studie (823/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz für „Whistle­blower“ in der Privatwirtschaft (824/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzmaßnahmen für „Whistleblower“ im Beamtendienstrecht (825/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bisphenol A in Babyschnul­lern (826/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer „Whistleblower“-Hotline bei der Volksanwaltschaft (827/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe­kosten der Bundesregierung (3282/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3283/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3284/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3285/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Werbekosten der Bundesregierung (3286/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Werbekosten der Bundesregierung (3287/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Werbekosten der Bundesregierung (3288/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 10

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Werbekosten der Bundesregierung (3289/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3290/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3291/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3292/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3293/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fami­lie und Jugend betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3294/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Werbekosten der Bundesregierung (3295/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Verletzte PolizistInnen: Erledigung von Strafanzeigen“ (3296/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Förderungen für den Film „Little Alien“ (3297/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen (3298/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen (3299/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Reisebürosicherungsverordnung (3300/J)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Memoranda of Under­standig zur Abwicklung von JI/CDM-Programmen (3301/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Währungs- und Goldreserven der Republik Österreich (3302/J)

DDr. Werner Königshofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Datenaustausch zwischen Banken (3303/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Verkaufspolitik der Öster­reichischen Bundesforste AG (3304/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Nebenbeschäftigung von Mitarbeitern der Austro Control GesmbH (3305/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend seltsame Vorgehensweise der ÖBB beim On­line-Ticketing (3306/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 11

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend ausländische Schulanfänger in der Steiermark (3307/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Informationsaktivitäten in steirischen Schulen (3308/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Dokumentationsarchiv des ös­terreichischen Widerstandes (3309/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider­standes (3310/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung betreffend Förderung von Seminaren (3311/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 12

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Feldbach im 3. Quartal (3312/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Bruck an der Mur im 3. Quartal (3313/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Leibnitz im 3. Quartal (3314/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Knittelfeld im 3. Quartal (3315/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Graz-Umgebung im 3. Quartal (3316/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Weiz im 3. Quartal (3317/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Voitsberg im 3. Quartal (3318/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Radkersburg im 3. Quartal (3319/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Mürzzuschlag im 3. Quartal (3320/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Murau im 3. Quartal (3321/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Liezen im 3. Quartal (3322/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Leoben im 3. Quartal (3323/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Deutschlandsberg im 3. Quartal (3324/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Weiz für das 2. Quartal (3325/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Voitsberg für das 2. Quartal (3326/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Radkersburg für das 2. Quartal (3327/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Mürzzuschlag für das 2. Quartal (3328/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Murau für das 2. Quartal (3329/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Leoben für das 2. Quartal (3330/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Liezen für das 2. Quartal (3331/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Leibnitz für das 2. Quartal (3332/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Knittelfeld für das 2. Quartal (3333/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Judenburg für das 2. Quartal (3334/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Hartberg für das 2. Quartal (3335/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Graz-Umgebung für das 2. Quartal (3336/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Bruck an der Mur für das 2. Quartal (3337/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Deutschlandsberg für das 2. Quartal (3338/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Feldbach für das 2. Quartal (3339/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kriminalitätsvergleich im Bezirk Fürstenfeld für das 2. Quartal (3340/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Abonne­ments in den Bundesministerien (3341/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3342/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3343/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3344/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Abonnements in den Bundesministerien (3345/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Abonnements in den Bundesministerien (3346/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Abonnements in den Bundesministerien (3347/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 13

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Abonnements in den Bundesministerien (3348/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3349/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Abonnements in den Bundesminis­terien (3350/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3351/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3352/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fa­milie und Jugend betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3353/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Abonnements in den Bundesministerien (3354/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend Vorgehen der SOKO Tierschutz gegen eine UVS-Richterin (3355/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen der SOKO Tierschutz gegen eine UVS-Richterin (3356/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „System Grasser“ und der Wille der ÖVP, die Machenschaften lückenlos aufzuklären (3357/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend die Kosten für die Teilnahme Österreichs an der in­ternationalen Bildungsstudie PIRLS (3358/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Straftaten im Bezirk Judenburg im 3. Quartal (3359/J)

Andrea Gessl-Ranftl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend SchülerInnenhöchstzahl in Bundesgymnasien und Bundesrealgymnasien (3360/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung des Pflanzen­schutzgesetzes im Jahr 2008“ (3361/J)

Dr. Ferdinand Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ausstehender Bericht an den Nationalrat über die zur Vollstreckung österreichischer Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten im Bereich des Verkehrswesens notwendigen Auskunftserteilungen zur Ermittlung der Lenker (3362/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Lernbehelfe in rosarot und himmelblau (3363/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend „Intrigantenstadl Abwehramt“ (3364/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Be­kämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3365/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 14

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Ös­terreich (3366/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Bekämpfung von funktionalem Analpha­betismus in Österreich (3367/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetis­mus in Österreich (3368/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3369/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3370/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3371/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3372/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Öster­reich (3373/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bekämpfung von funktiona­lem Analphabetismus in Österreich (3374/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Öster­reich (3375/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Österreich (3376/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Ös­terreich (3377/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Bekämpfung von funktionalem Analphabetismus in Öster­reich (3378/J)

Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „geplante Privatisierung der Bundesimmobiliengesellschaft BIG und den Verkauf von BIG Liegenschaften“ (3379/J)

Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend „Neben- und Regionalbahnen der ÖBB im Bundesge­biet“ (3380/J)

Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Gift in Produkten aus der Volksrepublik China“ (3381/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 15

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend Internetkäufe verbotener Gegenstände durch Minderjährige (3382/J)

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fa­milie und Jugend betreffend Internetkäufe verbotener Gegenstände durch Minderjäh­rige (3383/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Gold-Sparpläne von KB Edelmetall“ (3384/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Aktuelle Situation der KrankenpflegeschülerInnen in Österreich“ (3385/J)

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend restriktive Bedienung der Bahnhaltestelle Neukirchen-Gampern (3386/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen (2891/AB zu 3032/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kollegin­nen und Kollegen (2892/AB zu 2925/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kollegin­nen und Kollegen (2893/AB zu 2927/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolle­ginnen und Kollegen (2894/AB zu 2952/J)


09.07.25


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 9.07 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Das Amtliche Protokoll der 39. Sitzung vom 15. Oktober 2009 ist in der Parlaments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Am heutigen Sitzungstag sind folgende Abgeordnete als verhindert gemeldet: Groß­ruck, Praßl, Dr. Schüssel, Themessl, Vilimsky, Dr. Lichtenecker und Keck.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn wird durch den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner ver­treten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich wird durch den Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger vertreten.

09.08.23Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 GOG

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher, Kolleginnen und Kollegen im Sinne des § 50 der Geschäfts­ordnung schriftlich Einwendungen gegen die Tagesordnung der heutigen und morgigen Sitzung erhoben haben. Danach sollen die Tagesordnungspunkte 6 bis 9 der Tages­ordnung der 40. Sitzung – das sind die Berichte des Ausschusses für innere Angele­genheiten – von der heutigen Tagesordnung abgesetzt und als Tagesordnungspunk­te 1 bis 4 am Beginn der 41. Sitzung vor der für den morgigen Tag schon geplanten Tagesordnung behandelt werden.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


9.09.18

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Auch die freiheitliche Fraktion erhebt Einwendungen gegen die Tagesordnung der 40. und 41. Sitzung.

Wir stellen das Verlangen, dass die Tagesordnungspunkte 6 bis 9 der heutigen Tages­ordnung – Vorlagen des Innenausschusses – zu Beginn der 41. Sitzung als Tagesord­nungspunkte 1 bis 4 zum Aufruf gelangen. Wir verlangen auch eine entsprechende De­batte über die Einwendungen. – Danke.

9.09



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 17

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich trete diesen Einwendungen nicht bei.

Zur Geschäftsordnung ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.10.43

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Bevor Sie diesen Einwendungen nicht beitreten, erlauben Sie mir, unseren schriftlichen Antrag geschäftsordnungsmäßig zu erläutern.

Wir wollen, dass nach § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung die heutigen Tagesordnungs­punkte 6 bis 9 – das sind die Fremdenrechts- und Asylrechtsangelegenheiten – mor­gen als erste Tagesordnungspunkte, also 1 bis 4, behandelt werden, weil wir der An­sicht sind, dass diese Materie eine der wichtigsten Materien auch für die Menschen in diesem Land ist, weil die Zuwanderungs- und Asylmaterie eine Materie ist, die die Menschen brennend bewegt. Daher wollen wir sie nicht irgendwo am Abend verräumt wissen, sondern zu einer Zeit diskutieren, zu der die Menschen der Debatte auch fol­gen können, meine sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

9.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich trete diesen Einwendungen nicht bei, wes­halb der Nationalrat zu entscheiden hat. Debatte und Abstimmung über die Einwen­dungen werden nach der Aktuellen Stunde stattfinden.

09.10.58Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde – die Sitzung wird vom ORF bis 13 Uhr live übertragen – mit dem Thema:

„Das Chaos fährt Bahn“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Bucher. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist der Gorbach?)

 


9.11.16

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Das Chaos fährt Bahn“ ist der treffende Titel der heutigen Aktuellen Stun­de. Die ÖBB sind ja sozusagen Dauerpatient am politischen Operationstisch unseres Landes. Da wird ja ständig und überall eingegriffen. Nicht erst seit dem Krankendaten­skandal, sondern seit vielen Monaten, ja Jahren wird in regelmäßigen Abständen von der Regierung, aber auch von den Gewerkschaftern an den ÖBB herumgebastelt und herumgeschnipselt.

Man weiß nie so recht, was dabei herauskommen soll. Auf alle Fälle ist ein Weg ab­sehbar, nämlich dass die Bundesregierung aus den ÖBB in Richtung AUA geht. Was mit der AUA geschehen ist, haben wir noch sehr gut in Erinnerung! Die Gewerkschaft will offensichtlich aus den ÖBB einen zweiten BAWAG-Skandal machen. Das ist ab­sehbar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Schluss, der sich aus der Grobbeobachtung ziehen lässt. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Faul: Das BZÖ ...!)

Zu den Verfehlungen der Bundesregierung: Sie sind umfassend! Ich darf nur in Erinne­rung bringen – die Erinnerungslücken gerade bei den Eisenbahnergewerkschaftern dürften sehr groß sein! –, was allein der zuständige Bundesminister Faymann in den letzten Jahren mit den ÖBB gemacht hat! Ich darf an die Abfertigungen der Vorstände bei den ÖBB erinnern. Man vergisst das alles so schnell, Herr Kollege Haberzettl!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 18

Ich rufe in Erinnerung, dass man dem Herrn Huber einen Beratervertrag in Höhe von 300 000 € genehmigt hat, ohne die Frage zu beantworten, welche Gegenleistung Herr Huber erbringt. Das ist ja bis heute noch nicht geklärt, dass man dem Herrn Huber 300 000 € gibt und dafür keinen Beratungsauftrag einfordert. (Abg. Faul: Der Huber ... BZÖ-Mann!)

600 Millionen € werden verspekuliert. Gut, wenn man sieht, wie viele Milliarden in die­sem Land verspekuliert werden, dann nehmen sich 600 Millionen € relativ bescheiden aus. Für ein Unternehmen wie die Österreichischen Bundesbahnen ist das aber sehr, sehr viel.

Die Hauptgeschädigten, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler unseres Landes. 4 Milliarden € werden jährlich aus dem or­dentlichen Haushalt in die ÖBB gesteckt, damit die ÖBB 2 Milliarden € Umsatz machen können. Diese betriebswirtschaftliche Rechnung müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Daran scheitert jeder Ökonom in diesem Land. (Beifall beim BZÖ.)

4 Milliarden € Subvention vom Land, vom Bund und 2 Milliarden € Umsatz. Wer dieses Kunststück zustande bringt, ist nobelpreisverdächtig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Gleichzeitig werden die Schulden von Jahr zu Jahr mehr. Es besteht heute ein Schul­denstand bei den ÖBB in der Größenordnung von 12 Milliarden €, im Jahr 2023 wird dieser 26 Milliarden € ausmachen – nur um dies in Erinnerung zu bringen! Das sind außerbudgetäre Schulden. Das sind keine Schulden, die wir im Zuge der Budgetver­handlungen hier verhandeln. Diese sind außerordentlich zu behandeln und zu beglei­chen.

Wer sind die großen Draufzahler? – Einerseits die Steuerzahler, aber natürlich auch die Kunden, die mit der Bahn reisen, die auf die Bahn nicht verzichten können. Das sind die Pendlerinnen und Pendler unseres Landes, die tagtäglich zur Arbeit fahren. Diese müssen auf den Komfort verzichten. Diese müssen höhere Ticketpreise bezah­len. Diese müssen mit den Verspätungen zurechtkommen. Und diese müssen vor al­lem eines zur Kenntnis nehmen, Frau Bundesministerin, nämlich dass Sie nicht Wort halten, dass Sie nicht in der Lage sind, das, was die Bundesminister in der letzten Zeit versprochen haben, nämlich die rechtzeitige Fertigstellung der Koralmbahn, auch tat­sächlich zu realisieren. (Beifall beim BZÖ.)

Man muss sich doch ernsthaft fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wor­auf darf man sich in dieser Republik überhaupt noch verlassen? Was zählt das Wort einer Bundesministerin in diesem Land? Was ist das Wort eines Ministers überhaupt noch wert, wenn Sie hergehen und die Mittel abziehen, was die Koralm-Investitionen anlangt, nur damit Sie das Desaster am Wiener Hauptbahnhof beseitigen können, wo Ihr Bürgermeister in der Bredouille steckt, weil dort 900 Millionen € verplant sind und Sie nicht wissen, wie Sie aus diesem Schlamassel herauskommen? Da zeichnet sich ein zweiter Skylink-Skandal am Standort Wien ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wollen Sie vermeiden, weil Sie in Wien vor den Landtagswahlen stehen. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist die Wahrheit. Versuchen Sie nicht, uns zu erklären, dass Sie plötzlich beim Durchbohren der Koralm auf Gestein gestoßen sind! (Abg. Silhavy: No na!) Das kann ja nicht der Grund dafür sein, dass jetzt die Bauverzögerungen eintreten. Damit muss man eigentlich rechnen, dass man, wenn man einen Tunnel durch einen Berg baut, ir­gendwann einmal auf Gestein stößt. Das ist ja wohl nichts Neues, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Fehlentscheidungen, Missmanagement und Missstände lösen einander ab. Das ist auch der Grund, warum die Österreichischen Bundesbahnen heute so dastehen, wie sie dastehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 19

Die Krankendatenaffäre ist ja nur eine vorgeschobene Affäre der Gewerkschafter. In Wahrheit steckt ja ein Ziel dahinter, nämlich die Dienstverträge, die bilateral von den ÖBB mit den einzelnen Bediensteten der Bundesbahn abgeschlossen wurden, zu un­terlaufen und rückgängig zu machen. Diese Dienstverträge waren privatwirtschaftlich orientiert. Sie haben letztendlich dazu geführt, dass die Krankenstandstage von 27 auf 17 gesunken sind. (Abg. Haberzettl: Sie sind völlig ahnungslos!) Das muss man sich vorstellen. Das ist doch ein Riesenerfolg für die Bahn! Herr Haberzettl, Sie sollten stolz drauf sein, dass das gelungen ist! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Die durchschnittliche Zahl der Krankenstandstage liegt im Jahr immer noch bei elf, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das hat den ÖBB mehr Flexibilität gebracht, das hat den Mitarbeitern letztendlich mehr Lohn gebracht. Die Gewerkschaft will das jetzt untergraben und diesen Leistungsge­danken wieder aus den ÖBB hinausbekommen. Man will bei den Österreichischen Bundesbahnen keinen Leistungsgedanken haben. Man will zurück in die alten Zeiten der neunziger Jahre, meine sehr geehrten Damen und Herren Haberzettls dieser Re­publik! (Ironische Heiterkeit des Abg. Faul.)

Herr Kollege Haberzettl, warum übernehmen Sie nicht gleich den Job des Generaldi­rektors der ÖBB? Das wäre doch viel ehrlicher und anständiger. (Beifall und Rufe beim BZÖ: Jawohl!) Übernehmen Sie diesen Job! Sie dirigieren ja ohnehin dieses Unterneh­men und sagen, wo es langgeht. (Abg. Mag. Stadler: Man verdient auch weniger!)

Es ist bezeichnend, was man erfährt, wenn man ein Flugblatt des Herrn Kollegen Ha­berzettl vom 25. September dieses Jahres liest. Da spricht er von Verunglimpfung der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy.) Da spricht er davon, dass das kollektive Arbeitsrecht unterlaufen wird – nämlich durch diese neuen Dienstverträge.

Wenn man sich dann anschaut, wer denn aller diese Dienstverträge in Anspruch ge­nommen hat, Herr Kollege Haberzettl, dann kommt einem wirklich etwas hoch! Be­triebsräte nehmen dieses moderne Dienstrecht gerne in Kauf, beispielsweise der stell­vertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende der ÖBB – Ihr Stellvertreter, Herr Kollege Haberzettl! –, Herr Gottfried Winkler. Dieser hat das gerne in Kauf genommen. War­um? – Weil er 1 000 € im Monat mehr erhält. (Oh-Rufe beim BZÖ. – Abg. Ing. Westen­thaler: Da sind die Abkassierer unterwegs!)

Herr Werner Harrer, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Rail Cargo Austria AG – auch kein Unbekannter! –, bekommt 500 € mehr im Monat. (Oh-Rufe beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein bisschen Körberlgeld!) Er hat bei diesem Angebot gerne zuge­griffen.

Oder Betriebsräte der ÖBB-Personenverkehr AG: Radlingmayr Helmut, 400 € pro Mo­nat mehr. Das lässt sich fortsetzen. Betriebsrat der ÖBB-Infrastruktur: Fleckinger Her­bert, monatlich 900 € mehr. Alle lassen sich diese „Verunglimpfung“, von der Sie spre­chen, gerne zukommen, ganz zu schweigen von den Vergünstigungen wie Dienstwä­gen und Chauffeuren, die diese Betriebsräte erhalten. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Kollege Haberzettl, Sie brauchen das natürlich nicht! Sie brauchen diese Begüns­tigung nicht, denn Sie sind ja ohnehin Nationalrat, Sie sind Vorsitzender und Konzern­betriebsrat der ÖBB, Bundesvorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerk­schafter in der Sektion Verkehr, in der VIDA, wo Sie den Dienstwagen und den Chauf­feur erhalten. (Abg. Riepl: Stimmt doch gar nicht!) In Summe verdienen Sie 17 000 € im Monat. Ich bin Ihnen nicht neidig, aber dann können Sie gleich den Generaldirektor von den ÖBB machen – das wäre viel ehrlicher – und gleich die Verantwortung für die ÖBB mit übernehmen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Riepl: Das stimmt alles nicht! Falsche Rede vom Vorjahr!)


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Das ist eine unehrliche Art und Weise, wie Sie mit den Interessen der Belegschaft um­gehen. Ich kritisiere nicht die Belegschaft, ich kritisiere nicht die Bediensteten der ÖBB, sondern ausschließlich die Gewerkschaft, die in einer selbstherrlichen Art und Weise dieses Unternehmen beeinflusst – in einer selbstherrlichen Art und Weise! Viele Re­cherchen und Artikel aus der letzten Zeit, wie beispielsweise jene im „FORMAT“, sind ein Zeugnis dafür, wie Sie über Ihre Verhältnisse hinaus dieses Unternehmen dirigie­ren und beeinflussen, wo Sie in selbstherrlicher Art und Weise agieren und Vereinba­rungen abschließen, ohne sie rechtmäßig zustande kommen zu lassen, meine Damen und Herren! Das ist ein Punkt, der in dieser Republik an den Pranger zu stellen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen wieder eine leistungsfähige und eine moderne Bahn – und keine geschützte Werkstätte für die Gewerkschaften der ÖBB! – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

9.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Bures zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


9.21.18

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Absicht, die hin­ter der heutigen Debatte steht, ist leicht durchschaubar – und sie hat auch System. Seit gestern hat das berühmte Grasser-System eine neue Facette bekommen, wo es um das Verscherbeln von 10 000 bundeseigenen Wohnungen gegangen ist. Und es ist im­mer wieder das gleiche Muster, das angewendet wird: Ein österreichisches Unterneh­men, die Menschen, die dort arbeiten, werden desavouiert, es wird dieses Unterneh­men permanent in Kritik gezogen, es wird eine österreichische Marke, auf die wir stolz sein sollten, nachhaltig ruiniert, um dieses Unternehmen dann unter dem Preis zu ver­scherbeln – und Ihnen wäre es natürlich am liebsten, an Ihre Freunde. Das ist das Sys­tem! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt eine positive Nachricht: Dieses System beschäftigt heute die Gerichte und gehört zum Glück der Vergangenheit an. Und ich kann Ihnen sagen: Mit der Sozialdemokratie in der Bundesregierung wird es so etwas an Freunderlwirtschaft, wie es in der Vergangenheit geherrscht hat, nicht mehr geben! (Oh-Rufe bei FPÖ und BZÖ und ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich möchte hier aber klar und deutlich sagen: Ja, es gibt Probleme. Es gibt Probleme bei den ÖBB, die dieses Unternehmen zu meistern hat. Ja, ich bin dafür, dass das Un­ternehmen wesentlich kundenfreundlicher wird, als das in der Vergangenheit der Fall war. (Abg. Mag. Stadler: Was sagt der Haberzettl dazu?) Ich bin dafür, dass sich die Menschen auf das Unternehmen verlassen können (Abg. Mag. Stadler: ... zumindest den Haberzettl fragen!) und es mehr Pünktlichkeit bei den Zugverbindungen gibt. Und Sie können sich darauf verlassen: Daran wird das Management der ÖBB in Zukunft auch gemessen werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das Management kann gar nichts machen ohne Haberzettl! Es kommt nur auf den Haberzettl an!)

Und: Ich stehe dazu, dass dieses Unternehmen vor ganz großen Herausforderungen steht, die, wie gesagt, auch gemeistert werden müssen.

Aber wissen Sie, was unredlich ist? – Unredlich ist bei dieser Debatte, wenn gerade das BZÖ – und traurigerweise offensichtlich ein bisschen begleitet von unserem Regie­rungspartner (Oh-Rufe beim BZÖ) – etwas, das sie selbst verursacht haben, heute zu skandalisieren versucht. Ich möchte es nur in Erinnerung rufen: Es waren Ihre Ver­kehrsminister, die Minister Schmid, Reichhold, die berühmten Minister Forstinger, Gor-


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bach (Abg. Riepl: ... gar nicht berühmt!) – den Staatssekretär Kukacka will ich lieber gar nicht erwähnen, meine sehr geehrten Damen und Herren –, diese Herrschaften waren die Verursacher vieler Probleme, die die ÖBB heute zu bewältigen und zu meis­tern haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aufgrund der kurzen Zeit, die ich habe, nur ein paar Beispiele anführen: Im Jahr 2003 haben Sie bei den ÖBB Pensionsregelungen eingeführt, um vorzeitig – oft gegen ihren Willen – 8 000 Menschen in diesem Unternehmen in die Pension zu lo­cken. (Abg. Bucher: Gegen die Gewerkschaft? Gegen die Gewerkschaft? Hat der Ha­berzettl ...?) Heute schreien Sie: Abschaffen! – Das ist das Unredliche an Ihrer Diskus­sion! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch unredlich, dass gerade Sie sieben Jahre lang dieses Unternehmen totge­spart haben, das Schienennetz nicht regelmäßig instandgehalten haben – und heute prangern Sie Baustellen an! Das ist auch ein unredliches politisches Verhalten Ihrer­seits. (Beifall bei der SPÖ.)

Von den Geschäftsstrukturen bei den ÖBB, die untauglich waren, die wir glücklicher­weise sofort repariert haben, möchte ich gar nicht sprechen.

Aber ein Punkt vielleicht noch, was den Schuldenstand der ÖBB betrifft: Es war ein BZÖ-Bundesminister in der schwarz-blauen Regierung, der Manager bestellt hat, die Finanzspekulationen betrieben haben. 600 Millionen € verspekuliert! Das ist ein Skan­dal – aber es ist Ihr Skandal, Herr Bucher! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Aber zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Ich stehe zu diesem wichtigen österreichi­schen Infrastrukturunternehmen. Und diese ÖBB, die haben ein Gesicht: Dort sind 40 000 Menschen beschäftigt, die, so wie viele Menschen in unserem Land, hart arbei­ten (Abg. Bucher: Das haben wir eh gesehen, was die Gewerkschaft verdient!), die tagtäglich versuchen, wirklich ihr Bestes zu geben!

Diese 40 000 Menschen befördern 1,2 Millionen Fahrgäste täglich – das sind Schüle­rinnen, Schüler, Pendlerinnen, Pendler –, sie verhindern, dass wir jedes Monat 9 Millio­nen Tonnen Güterverkehr auf der Straße haben. Wir sind die Besten in der Europäi­schen Union – die Besten! (Abg. Ursula Haubner: Na, na!) –, was den Güterverkehr auf der Schiene statt auf der Straße betrifft. (Ruf beim BZÖ: Die besten Abkassierer!) 3,4 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß werden durch dieses Unternehmen jährlich verhin­dert. Das ist das größte Klimaschutzprojekt der Gegenwart und unserer Meinung nach auch der Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

Und weil das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen für die Umwelt, für den Kli­maschutz, für eine moderne Infrastruktur, für eine Stärkung unseres Wirtschaftsstand­orts und der Klein- und Mittelbetriebe in unserem Land so wichtig ist und so eine Be­deutung hat – eigentlich existenziell notwendig ist, wenn wir uns als Wirtschaftsstand­ort im europäischen Wettbewerb auch durchsetzen wollen –, deshalb haben wir das größte Investitionspaket der Zweiten Republik geschnürt, deshalb bauen wir die zentra­len Netze aus, deshalb werden wir die Südbahn ausbauen, vom Semmering-Basistun­nel über den Koralmtunnel. Beim Koralmtunnel werden Mineure, Bautechniker, Bauar­beiter ab sofort – und erstmals finanziert, im Unterschied zur Vergangenheit – Tag für Tag dort arbeiten, 24 Stunden am Tag, in drei Schichten sieben Tage die Woche wer­den sie daran arbeiten, dass wir in Zukunft ein modernes Schienennetz für die Bevöl­kerung und für den Güterverkehr in Österreich zur Verfügung stellen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden mit diesen Investitionen die Bahn beschleunigen. Wir werden Nadelöhre beseitigen. Wir werden hundert Bahnhöfe in Österreich erneuern. Wir werden gefährli­che Eisenbahnkreuzungen, wo viel zu viele Unfälle passieren, auch sicherer machen durch diese Investitionen. (Abg. Mag. Stefan: Was ist bisher geschehen?)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei all diesen Spatenstichen, die wir da vor­nehmen (Abg. Bucher: Was ist jetzt mit der Koralmbahn, Frau Bundesminister?), bei den Eröffnungsfeiern, bei den Dachgleichenfeiern bei Bahnhöfen stehen neben mir – und ich freue mich darüber, ich freue mich wirklich, es ist schön – in der ersten Reihe (Abg. Mag. Stadler: Wir sind gerührt! Wir sind alle gerührt!) Politikerinnen und Politiker dieses Hauses, und zwar von allen Parteien. Sie stehen neben mir in der ersten Reihe. (Abg. Ing. Westenthaler: Hauptsache, in der ersten Reihe!) Aber wissen Sie, was nicht geht? – Was nicht geht, ist, dass dann, wenn es dann darum geht, auch zu diesen In­vestitionen, zu den Investitionen in ein modernes Schienennetz zu stehen, niemand mehr neben mir in der ersten Reihe steht, dass dann – ganz im Gegenteil – wie von Heckenschützen aus vollen Rohren gegen das Unternehmen gefeuert wird. Das ist un­redlich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Was ist jetzt mit der Koralmbahn? – Abg. Mag. Stadler: Sagen Sie doch glatt, wenn Sie die ÖVP meinen!)

Sie können nicht auf der einen Seite die Modernisierung, den Koralmtunnel, Baumaß­nahmen bejubeln (Abg. Grosz: Da haben Sie ... € gekürzt, Frau Minister, am Höhe­punkt der Wirtschaftskrise! – Das ist Realitätsverweigerung!), die Beschäftigungseffek­te, die wir dadurch haben, mit dem geringsten Anstieg an Arbeitslosigkeit in der Euro­päischen Union, bejubeln und auch den volkswirtschaftlichen Nutzen immer betonen, wenn Sie nicht auch gleichzeitig – sonst sind Sie nämlich unglaubwürdig! – zu diesen Investitionen stehen (Abg. Grosz: Warum kürzen Sie die Investitionen? Warum kürzen Sie sie?), dazu stehen, dass es damit für die ÖBB auch erforderlich ist, diese Moder­nisierungen durch Kredite zu finanzieren. Und so habe ich das auch mit dem Finanz­minister schriftlich vereinbart. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Warum kürzen Sie sie?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Verkehrsministerin und aus tiefer Über­zeugung, dass wir eine ökologische, moderne Infrastruktur in Österreich brauchen und es höchst an der Zeit ist, dass wir diese Modernisierungsschritte setze, stehe ich voll und ganz hinter diesem neuen, eingeschlagenen Weg. Ich stehe für ein umweltfreundli­ches, ein kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen ÖBB, das dem 21. Jahrhun­dert auch gerecht wird.

Ich stehe zu diesem Unternehmen und möchte, dass alle Österreicherinnen und Öster­reicher, vor allem die, die die Bahn auch benützen (Abg. Öllinger: Das ist das Pro­blem! Da gibt’s leider wirklich Probleme!), zu Recht stolz sein können auf dieses Unter­nehmen. Dafür stehe ich, und dafür werde ich auch sorgen! (Beifall bei der SPÖ.)

9.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Heinzl. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt die „schärfste Waffe“: der Erstredner der SPÖ! – Abg. Ing. Westenthaler: Die „Wunder­waffe“ der SPÖ!)

 


9.30.55

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Her­ren vom BZÖ, ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Mut, dass Sie heute diese Aktuelle Stunde mit dem Thema „Das Chaos fährt Bahn“ eingebracht haben, wo doch jeder in dieser Republik weiß, dass das personifizierte Chaos eigentlich die Verkehrsminister aus den Reihen Ihrer Parteifreunde waren. Ich gratuliere Ihnen daher zu diesem Mut. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist unbestritten, sehr geehrte Damen und Herren, dass es derzeit bei den ÖBB ge­wisse Qualitätsprobleme gibt, vor allem bei der Pünktlichkeit. Das hat aber, wenn man sich die Sache genau anschaut, vielfältige Gründe, die bereits abgearbeitet werden, und die Situation verbessert sich, ich möchte sagen, fast tagtäglich. (Abg. Mag. Stad­ler: Im Stundentakt, wir wissen es!)

Das Unternehmen ÖBB hat verlautbart, dass bis spätestens Ende 2009 90 Prozent an Pünktlichkeit erreicht werden. Und es ist wirklich meine tiefste Überzeugung, sehr ge­ehrte Damen und Herren, dass nur ein gut ausgebautes, modernes Schienennetz der Grundstein für den öffentlichen Verkehr sein kann und hohe Qualität für den Kunden gewährleistet.

Österreich hat auf diesem Gebiet viel aufzuholen – die Frau Bundesminister hat es uns soeben auch mitgeteilt –: Der Großteil unseres Schienennetzes stammt noch aus der Zeit der Monarchie. Das Wagenmaterial einiger Nebenbahnen ist nicht viel jünger. Und Sie werden mir sicher alle zustimmen, dass dies für Tausende Pendler eine Zumutung ist. Aber unsere Bundesministerin Doris Bures setzt mit den massiven Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes genau die richtigen Maßnahmen.

Noch einmal zur Wiederholung für alle, die es nicht registrieren wollen oder auch nicht verstehen wollen – oder vielleicht auch nicht verstehen –: Von 2009 bis 2014 wird ins­gesamt die unglaubliche Summe von 13,9 Milliarden € in den Ausbau der Schiene in­vestiert. (Abg. Weinzinger: Wo habt ihr das Geld her? Woher kommt das Geld?) Ohne diese Maßnahmen, sehr geehrte Damen und Herren vom BZÖ, hätten wir in diesem Zeitraum um 40 000 Arbeitsplätze weniger in Österreich. Zusätzlich werden noch rund 100 Bahnhöfe renoviert oder neu gebaut. Das betrifft nicht nur die Gebäude, sondern auch die Gleisanlagen in ganz Österreich. Aber auch in die Sicherheit wird investiert: In ganz Österreich werden 100 Eisenbahnkreuzungen entschärft, um die Zahl der schwe­ren Verkehrsunfälle zu reduzieren.

Folgendes möchte ich Ihnen mitteilen, sehr geehrte Damen und Herren vom BZÖ: Im Rahmen dieses Ausbaus wird in meiner Heimatstadt, der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, endlich die Güterzugumfahrung weitergebaut. (Abg. Mag. Stadler: Wer hat das veranlasst?) Und ich bin mir sicher, sehr geehrte Damen und Herren vom BZÖ, Sie können sich noch genau daran erinnern, dass Ihr eigener Kurzzeitminister Schmid damals den bereits laufenden Bau der Güterzugumfahrung St. Pölten eingestellt und so rund 100 Millionen € sprichwörtlich in den Traisenschotter gesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit zehn Jahren verfallen die bereits errichteten Rohbauten, Brücken und so weiter der Güterzugumfahrung St. Pölten zu Ruinen. Jetzt feiern wir am 24. November, dank Ministerin Bures, wieder den Spatenstich zum Weiterbau. Allein in dieses Bauvorhaben werden 450 Millionen € investiert werden.

Und da wir schon beim Thema Geld sind: Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, sehr geehrte Damen und Herren, ist – dies festzustellen ist mir auch wichtig – die ge­meinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Das möchte ich auch manchen unserer Bundesländer vielleicht einmal in Erinnerung rufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Jeder von Ihnen, der selbst schon ein­mal ein Haus renoviert oder eine Wohnung modernisiert hat, weiß, ein Umbau oder Ausbau ist niemals angenehm, es staubt. Trotzdem nehmen wir alle mit Freude diese Unannehmlichkeiten in Kauf und diese Arbeiten in Angriff. Der Grund dafür ist einfach: Wir wissen, dass die Situation nach dem Umbau wesentlich besser sein wird als früher.

Und so ähnlich ist es auch mit den ÖBB: Der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes bringen große und kleine Unannehmlichkeiten mit sich, das ist nicht zu


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bestreiten. Niemand kann erwarten, dass sich Pendler freuen, wenn sie früher auf­stehen müssen, wenn die Schnellbahn in die Arbeit sich jeden Tag verspätet. Trotz all dieser Probleme müssen wir jedoch das gemeinsame Ziel im Auge behalten, nämlich ein flächendeckendes, qualitätsvolles und leistbares Angebot für den öffentlichen Ver­kehr. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es gäbe hier noch viele Punkte anzuführen, aber um es auf den Punkt zu bringen: Erstens, mit dem ÖBB-Rahmenplan und mit dem Kon­junkturpaket wird so viel investiert, attraktiviert, beschleunigt und erneuert (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) wie noch nie in der Zweiten Republik. (Abg. Grosz: Deswegen streicht ihr auch den Koralmtunnel!)

Der Schlusssatz, sehr geehrte Frau Präsidentin: Ich würde meinen, sehr geehrte Da­men und Herren vom BZÖ, hören Sie endlich auf, stur und untergriffig die Arbeit der Regierung und unserer Ministerin zu kritisieren! Leisten Sie lieber produktive Arbeit für die Menschen in unserem Land! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Maier zu Wort. – Bitte.

 


9.36.38

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde gibt Gelegenheit, ein wenig Transparenz in die Österreichischen Bundesbahnen zu bringen. Ich habe schon einmal gesagt: „ÖBB“ steht für mich für „Österreichs bedeutendste Baustelle“ oder auch für „Österreichs bedeutendstes Budgetproblem“.

Ich bin der Jungen ÖVP und ihrem Obmann Sebastian Kurz sehr dankbar, die mit einer Aktion heute Morgen den Versuch unternommen haben, Antworten auf einige Fragen zu bekommen, Fragen wie: Wer ist eigentlich die Eigentümervertretung bei den Öster­reichischen Bundesbahnen? (Abg. Mag. Stadler: Der Haberzettl!) Wer hat die politi­sche Verantwortung (Abg. Mag. Stadler: Der Haberzettl!) bei den Österreichischen Bundesbahnen? Oder auch: Was kann der Steuerzahler von jener Verantwortungsträ­gerin erwarten?

Die Antwort ist ganz klar, Frau Bundesminister: Sie sind die Verantwortliche dafür. Und es gilt natürlich hier jetzt auch ein wenig die Situation zu analysieren.

Was die öffentlichen Zuschüsse betrifft, Herr Kollege Bucher, so heben wir uns da noch ein wenig ab: Sie haben von 4 Milliarden € gesprochen, wir rechnen immer die Haftungen auch noch dazu, nämlich in einer Größenordnung von zirka 2,1 Milliarden €. Die müssen nämlich auch irgendwann zurückgezahlt werden. (Abg. Mag. Stadler: Das macht das Ganze nur dramatischer!) Insofern reden wir über ein Volumen von etwa 6,5 Milliarden €, und bis zum Jahr 2013 werden es 7,4 Milliarden sein.

Das heißt – und die Junge ÖVP hat hier eine „Nachteilscard“ entwickelt, ausgestellt auf Herrn Haberzettl (der Redner platziert vor sich auf dem Rednerpult eine Tafel in der Optik der ÖBB-Vorteilscard, mit der Aufschrift: „Nachteilscard – Haberzettl – kostet je­den Österreicher 2 500 € pro Jahr“) –, dass jeder Steuerzahler in Österreich 2 500 € an die ÖBB zahlen muss, ohne dass er noch mitgefahren ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass die Verschuldung bis zum Jahr 2013 20 Milliarden € betragen wird. Al­so in drei Jahren haben wir zirka 20 Milliarden € Verschuldung. Und was ist der Ef­fekt? – Der Effekt ist, meine Damen und Herren: volle Züge, kalte Züge, dreckige Züge und enorme Verspätungen.


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Frau Bundesminister, da muss ich Sie aufmerksam machen, damit Sie nicht auf die Propaganda der Löwelstraße oder auch der Arbeiterkammer hereinfallen. Die Arbeiter­kammerexpertin hat vor zwölf Tagen, an einem Samstag, gemeint, dass es zu diesen Verspätungen kommt und es keine Informationen gibt, sei zurückzuführen auf die Re­form der schwarz-blauen Regierung und diese Aufgliederung in verschiedene Gesell­schaften.

Aus dem gleichen Haus, meine Damen und Herren, gibt es eine Arbeiterkammer-Be­fragung aus dem Jahre 1999. In dieser haben 74 Prozent der Befragten das Informa­tionsmanko beklagt. Und wir wissen ja, wer bis zum Jahr 1999 Verantwortung für die Österreichischen Bundesbahnen getragen hat. (Abg. Riepl: Da waren aber Sie auch in der Regierung!)

Das ist ein Riesenproblem, das im Personenverkehr gegeben ist. Es sei nur der guten Ordnung halber angesprochen, dass im Güterverkehr eine schwierige Situation auf­grund der Wirtschaftkrise besteht, aber eine sehr professionelle Ausrichtung des Ma­nagements gegeben ist. – Meiner Überzeugung nach ist das eine Frage des Führungs­stils und eine Frage der Managementqualität.

Das, was wir meiner Meinung nach bei den Österreichischen Bundesbahnen brauchen, sind eine kompetente Eigentümervertretung, ein starkes Management (Rufe bei der SPÖ: Huber!), ein erfahrener Aufsichtsrat und eine Belegschaftsvertretung, die die In­teressen der Mitarbeiter im Auge hat, aber auch an das Unternehmen und die Kunden denkt, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Haberzettl muss aufpassen, dass er nicht in die Rolle gedrängt wird, Anwalt der Tachinierer und Largierer zu werden. Herr Haberzettl, das sage ich Ihnen von dieser Stelle aus! (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Wenn laut einer Umfrage, die vor Kurzem erschienen ist, auf die Frage, inwieweit man glaubt, dass die Frau Bundesminister bei Missständen bei den Österreichischen Bun­desbahnen eingreift, 67 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sie nicht ein­greifen kann, dann gibt es Handlungsbedarf, meine sehr geschätzte Frau Bundesmi­nister. (Abg. Heinzl: Huber! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieses Rezept wegschauen und durchtauchen, das hat schon bei Faymann nicht funk­tioniert. (Abg. Dr. Jarolim: Wer soll das glauben?)

Ich gebe Ihnen heute ein Rezept für alle Verantwortlichen bei den Österreichischen Bundesbahnen mit – das ist ein sehr typisches österreichisches Sprichwort, Herr Kolle­ge Heinzl –: Handeln statt sandeln ist angesagt. – Danke vielmals. (Beifall und Bravo­rufe bei ÖVP und BZÖ.)

9.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer am Wort. 5 Minuten. (Abg. Ing. Westenthaler: Raus aus der Regierung mit den Sand­lern! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren, etwas mehr Ruhe im Saal, bitte!

Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer gelangt zu Wort.

 


9.41.40

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Es ist ja nicht so, dass die böse Opposition das unerträglich gewordene Thema Bahn und Bahnchaos erfunden hat, sondern das ist ja Mittelpunkt krassester öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Medien be­schäftigen sich mit diesem Thema massivst und zu Recht.


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Wenn wir einzelne Punkte dieser thematischen Befassung herausgreifen, dann zum Beispiel ein Zitat der Frau Bundesministerin. Bei den ÖBB müssen in Zukunft wieder die Kunden im Mittelpunkt stehen, fordert selbst Verkehrsministerin Doris Bures.

Wenn ich die Ernsthaftigkeit dieses Ausspruches in Verbindung mit der heutigen An­sprache der Frau Bundesministerin betrachte, dann muss ich sagen, diese hat eher an eine Motivationsansprache eines sozialistischen Zentralsekretärs oder einer ‑sekretärin erinnert. Die Forderung, wieder die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, erinnert mich an etwas, was in der Wiener Kabarettszene der sechziger Jahre über den weiland so­zialistischen Bürgermeister Marek die Runde gemacht hat, der da gesagt haben soll: Der Mensch muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir dieses Gedankenmodell auf die Befassung der Frau Bundesministerin mit dem Chaos bei den ÖBB übertragen, dann erhellt sich das Bild. Es ist eine Bespiege­lung zwischen der nicht wahrgenommenen Realität und der Selbstauffassung, dass diese Realität mit einem selber gar nichts zu tun hätte. Denn von insgesamt 65 Jahren Republik, davon ungefähr 55 Jahre sozialistische Herrschaft über das Infrastrukturmi­nisterium, das immer anders geheißen hat, aber jedenfalls über die Bahn, will man sechs Jahre schwarz-blaue Regierung herausgreifen und behaupten, dass da all das geschehen ist, was heute an der Malaise der Bahn Schuld trägt.

Abgesehen davon, dass die Vergangenheitsbewältigung niemals das Modell der Zu­kunftsbewältigung darstellt, erlaube ich mir doch, auf die Realitäten hinzuweisen, und zwar nicht so, wie die Regierungsbank oder die Politik die Sache betrachtet, sondern wie die Menschen, die auf die Bahn angewiesen sind, die Situation empfinden. Wieder ein Blick auf Pressemitteilungen, nämlich:

„Wer derzeit in Wien mit der Schnellbahn fahren will“ – Stichwort Praterstern, täglich 20 000 Leute, die nicht wissen, ob und wann sie einen Anschlusszug haben –, „sollte besser nicht farbenblind sein. Rote, grüne, gelbe und blaue Streifen finden sich auf dem Fahrplan, der im Infokasten am Wiener Praterstern hängt. Sie sollen dem Reisen­den verraten, wann er mit welchem Zug wohin kommt. Manche Züge sind nur an be­stimmten Tagen betroffen, manche die ganze Zeit, verrät die Legende.

Wer auf dem zugigen Bahnsteig auf den Zug wartet, kann sich in dem Schaukasten noch über weitere wichtige Dinge informieren. Vier Zettel mit Schienenersatzverkehren, drei mit ,Verkehrseinschränkungen, der Hinweis über die ,Umleitung des Zuges Rex 7381’ hängen dort dicht gedrängt. Wer es wissen will, erfährt auch, dass wegen andauernder Bauarbeiten an der Tullner Donaubrücke weiter der Sommerfahrplan gilt – wie dieser ausschaut, wird nicht verraten.“

Also eine Reihe von charakteristischen Führungsdefekten, die Kollege Maier schon aufgezählt hat, sind aufsummierbar ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Unzufrie­denheit der Passagiere mit den Fahrplänen steigt täglich zu Recht. Züge werden ge­strichen, Anschlüsse sind nicht mehr erreichbar, Schüler und Pendler kommen täglich zu spät in die Schule und auf den Arbeitsplatz. Ungeachtet dessen werden die Fahr­preise natürlich ständig angehoben. Die Zahl der Züge, die nicht pünktlich sind, nimmt ebenso zu. Gleichzeitig müssen natürlich die ÖBB für Verspätungen Strafzahlungen leisten. Aber das ist nur ein kleiner Aspekt bei den vielen Milliarden.

Im April 2009 waren nur 66,3 Prozent der Fernzüge überhaupt pünktlich. Die Schlie­ßung von Nebenbahnen geht mit diesem Chaos einher. Dadurch wird natürlich die ländliche Region wieder einmal mit Füßen getreten. Streckenstreichungen, Tausende Pendler sind gezwungen, auf das Auto umzusteigen. Viele Eltern müssen die Kinder mit dem Auto zum Zug bringen, wo sie dann einen Anschlusspunkt haben. Regionen des Landes also krass benachteiligt. Das Schließen von Regionalbahnen erfolgt oft


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klammheimlich, ohne dass überhaupt die Möglichkeit besteht, dass ein privater Anbie­ter sich diese Regionalbahn zu eigen machen könnte. Prestigeprojekte werden vorge­zogen, und die gesamte Infrastruktur wird benachteiligt.

Schlusswort: Das Chaos kann vielleicht besser werden. Die Hoffnung darauf ist mäßig, aber die Verantwortung liegt bei dieser Bundesregierung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. 5 Minuten. – Bitte.

 


9.47.24

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sie haben vorhin von „Freunderlwirtschaft“ bei den ÖBB gesprochen. Ich kann Ihnen sagen, was Freunderlwirtschaft bei den ÖBB ist. Kommerzialrat Kurt Eder, ehemaliger SPÖ-Verkehrssprecher, sitzt im Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft. Das ist Freunderlwirtschaft, Frau Minister!

Sie haben auch den Kollegen Gorbach angesprochen. Herr Gorbach hat etwas ge­macht, und zwar hat er die Politik aus den ÖBB genommen, das hat Ihnen aber nicht gepasst. Genauso ist es gewesen. Das war der richtige Weg. (Beifall beim BZÖ. – Iro­nische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Frau Ministerin Bures, ich habe mich schon gewundert, dass Sie die einzige Frage, die Klubobmann Bucher gestellt hat, nämlich jene nach der Koralmbahn, nicht beantwortet haben. Mit keiner Silbe haben Sie das erwähnt.

Ich stelle Ihnen jetzt auch eine Frage zum Güterbahnhof Wolfurt in Vorarlberg. Der platzt aus allen Nähten. Frau Ministerin! Wann geschieht dort endlich etwas? Dort könnten Sie handeln, dort ist Handlungsbedarf gegeben.

Meine Damen und Herren, eigentlich sollte die Überschrift heißen: Das rote Chaos bei den ÖBB fährt Bahn. – Das rote Chaos, nämlich Pleiten, Pech und Pannen, ist an der Tagesordnung, wie es das „Format“ zitiert. Privilegien für die ÖBBler noch und nöcher. Kollege Bucher hat darauf hingewiesen. Ich möchte Ihnen auch ein Beispiel nennen: Sonderverträge für alle ÖBB-Bediensteten, die vor 1996 eingestellt wurden. Da hat es eine Hacklerregelung noch gar nicht gegeben, aber die ÖBBler sind trotzdem mittler­weile mit 52 Jahren in Pension gegangen. Meine Damen und Herren! Wo ist da die Ge­rechtigkeit? Im Vergleich dazu ein Polizeibeamter, der regulär mit 65 in Pension gehen muss, aber bei zwölf Nachtdiensten pro Monat. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ist das Gerechtigkeit? (Beifall beim BZÖ.)

Weiteres Zitat: Kollege Maier, dessen Rede mir heute sehr gut gefallen hat, weil sie wirklich ehrlich war (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), hat auch aus einer Zeitschrift zi­tiert, wonach Herr Haberzettl und seine Genossen der Sargnagel der ÖBB sind. – Mei­ne Damen und Herren, so ist es!

In „Heute“ von diesem Tag, in der U-Bahn gelesen, findet sich Folgendes: ÖBB-Pro­blem, Haberzettl und die Gewerkschaft. 67 Prozent der SPÖ-Wähler sehen das so. – Meine Damen und Herren, Sie müssen einmal darüber nachdenken, was Sie falsch machen! (Beifall beim BZÖ.)

Herr Haberzettl blockiert alles, das wissen wir. Er zieht im Hintergrund die Fäden, das weiß jeder, das ist ein offenes Geheimnis. Kollege Bucher hat es Ihnen auch schon ge­sagt, ich kann es Ihnen noch einmal vorschlagen: Wären Sie mit Ihrem fürstlichen Ge­halt von 17 000 € ÖBB-Generaldirektor, könnten Sie dort ein bisschen einsparen. Das wäre vernünftiger.


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Weiters: 27 Krankenstandstage, jetzt sind es 17 dank der Reform von Kollegen Gor­bach. Ich muss ihn noch einmal lobend erwähnen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) In der Privatwirtschaft sind es elf Tage. Denken Sie einmal nach, ob dort wirklich so hart gearbeitet wird, dass die Leute so krank werden. – Ich glaube es nicht.

Ich lese weiter: Auch bei der Krankendatenaffäre hat die Gewerkschaft versagt. Sie richten es sich im Hintergrund, Sie leiten das Unternehmen, die Frau Bundesminister sitzt in der Lok drinnen, aber führerlos, weil sie keinen Hebel in der Hand hat. Das ma­chen alles Sie von hinten.

Ich möchte noch auf die Zusammenlegung der Gesellschaften eingehen: Jetzt wieder auf drei zusammengelegt. Und wissen Sie, was die Krux an der Sache ist? – Die Folge sind mehr dienstfreigestellte Gewerkschafter. So ist es, meine Damen und Herren! Da wissen wir wieder, wer da gearbeitet hat. (Beifall beim BZÖ.)

Die Gewerkschaft ist sowieso der Totengräber. Die BAWAG haben Sie in den Sand gesetzt. Sie haben den „Konsum’’ in den Sand gesetzt – und jetzt kommen noch die ÖBB dazu. So schaut es aus, meine Damen und Herren!

Ich möchte hier auch noch ein Problem ansprechen, das immer offen diskutiert wird. Die Politik hat in den ÖBB zu viel Einfluss, meine Damen und Herren. So schaut es aus. Dort kann keine vernünftige Arbeit geleistet werden, weil die Politik immer dazwi­schenfunkt.

Auch Fachleute sagen ganz klar: Aufgrund der ständigen Auswechslung des Manage­ments aus politischen Gründen kann man nichts zustande bringen, diese Leute können sich nicht einmal einarbeiten. Herr Haberzettl, das könnten Sie sich hinter die Ohren schreiben, ich sage es Ihnen. Die kostspielige Absetzung der Manager – nur aus politi­schen Gründen geschehen. Was Herr Huber kassiert hätte! Was hier gemacht worden ist, nur um diesen Menschen, weil er die falsche politische Farbe hatte, wegzubringen! Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg. (Abg. Heinzl: Was ist los?)

Wenn ich mir die Leistungen der Bahn mit den Langsamfahrstrecken anschaue, dann muss ich sagen: Wenn Sie von Vorarlberg nach Wien fahren, dann ist das eine Kata­strophe. Sie schaffen es zu keiner Sitzung, Sie haben keine Chance.

Schlusssatz: Frau Minister, räumen Sie diese Baustelle ÖBB auf, die Ihnen Ihr Vorgän­ger, der jetzige Bundeskanzler, hinterlassen hat! Da ist Not am Mann, Frau Minister. (Beifall beim BZÖ.)

9.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort; ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


9.53.02

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die Kunden, Frau Ministerin, da haben Sie völlig recht, die Passa­giere, die Menschen, die wirklich täglich auf gute Fahrpläne, auf attraktive Fahrzeuge angewiesen sind, die Pendlerinnen und Pendler, haben das Recht Nummer eins, eine ordentliche öffentliche Bahnverbindung in Österreich zu haben. Dieses Kundeninter­esse, Frau Ministerin, höre ich heute wirklich zum ersten Mal aus Ihrem Mund. Das wä­re meines Erachtens auch der Angelpunkt für die gesamte ÖBB-Politik. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Haus wird über die ÖBB diskutiert erstens wegen der Gewerkschaft – das in­teressiert mich wirklich nicht, das ist Sache der Sozialpartner et cetera –, zweitens auf­grund von Investitionsfragen, Kollege Heinzl hat es ja heute genannt, über 13 Milliar-


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den. Frau Ministerin, Sie haben Ehrlichkeit eingemahnt, denken Sie daran. Der Rech­nungshof hat schon vor Jahren festgehalten, wir haben über 235 Langsamfahrstellen, die die Kunden und Kundinnen der ÖBB täglich – täglich! –Lebenszeit kosten. Und die­se Langsamfahrstellen sind ein Relikt, und zwar nicht nur aus der Zeit von Schwarz-Blau. Man muss ehrlich sein, auch Herr Generaldirektor Draxler hat eine einzige große Vision gehabt, und die war Ausbau des Güterverkehrs. Und was in den Güterverkehr geflossen ist, ist aus seiner Sicht offensiv gewesen, alles andere war sekundär. Bitte das war die Ära von Schwarz-Rot.

Da hat sehr wohl die ÖVP auch mitgetan, wenn es darum ging, Milliardeninvestitionen in den Ausbau von neuen Projekten zu stecken, die der Bauindustrie dienen. Unser großes Problem, Frau Ministerin, ist, dass eben nicht die Kunden im Zentrum der ÖBB-Politik stehen, sondern die Baulobby, auch nicht diejenigen, die systematisch die Defi­zite bei den Langsamfahrstellen beseitigen, sondern diejenigen, die die Milliardenpro­jekte vorantreiben.

Frau Ministerin, machen wir es ganz einfach, schauen wir in das Nachbarland Schweiz. Auch dem BZÖ würde ich das sehr empfehlen, besonders meinem Kollegen, der aus Vorarlberg kommt. Auch dort, das ist interessant, gibt es eine Diskussion über die Mil­liardenkosten der SBB. Die SBB brauchen 4,5 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr, obwohl sehr, sehr subtil ausgebaut und nicht nur aus dem Budget in Megaprojekte in­vestiert wird. Wenn Transversalen durch die Alpen als Tunnel errichtet werden, dann gibt es eine Querfinanzierung von der Straße. In der Schweiz gibt es eine flächende­ckende Lkw-Maut. Das Geld wird verwendet, um die Schweizer Bahn fit zu machen.

Was haben wir, Frau Ministerin – da fordere ich Sie als Verkehrspolitikerin, genauso wie Ihre Vorgänger –: Wir haben ungerechte Verhältnisse. Jeder Güterzug zahlt für je­den Kilometer auf der Bahn Benützungsentgelt. Der Lkw zahlt auf der Autobahn, sonst nirgends, eben außer den normalen Steuern. Das sind Ungleichgewichte. Wir brau­chen auch eine flächendeckende Lkw-Maut in Österreich, damit wir Geld bekommen, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern und nicht um Riesentunnels zu bauen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Maier, ich bewundere ja fast – ironisch muss ich das sagen – Ihre Argu­mentation mit den Milliardeninvestitionen. Es waren Ihre Kollegen, es sind Ihre Kolle­gen, es waren Kollege Kukacka et cetera, die uns ein Bauprogramm über das Budget sozusagen auf die Nase gedrückt haben, wo Sie jetzt irgendwie den schwarzen Peter an die rote Ministerin weiterreichen. Ich finde das echt unfair.

Und wer steckt denn noch hinter dem Bauprogramm? – Es sind nicht nur Kukacka und Konsorten, nein, es ist nicht nur die Strabag, die Porr et cetera, nein, es sind die eige­nen Landeshauptleute. Gehen Sie es durch! Haider damals in Kärnten, in der Steier­mark vorher Klasnic und jetzt Voves. In Tirol haben wir eine Reihe von Landeshaupt­leuten, die goldene Schiene im Unterinntal. Die verlangen ständig Milliardeninvestitio­nen zum Bänderdurchschneiden. Es geht ja schlicht um die Spatenstiche, Frau Minis­ter, und es war wirklich sehr erhellend, wie Sie das in den Mittelpunkt gestellt haben. Es geht ja wirklich um die Spatenstiche, es geht um die Bänder. Es geht jedenfalls nicht um die Pendler! Jene Menschen, die wirklich täglich die ÖBB brauchen, benöti­gen ordentliche Fahrpläne, gescheite Kundeninformation, attraktive Wartesituationen, attraktive Fahrzeuge.

Wir brauchen regionale Strecken. Wir brauchen also die Zubringerdienste zu den Hochleistungsstrecken. Wir brauchen keine Vorstände, die Immobilien der ÖBB versil­bern, wie zum Beispiel Huber, der persönlich womöglich noch einen Vorteil hatte. Wir brauchen auch keine Vorstände wie Pöchhacker, der diesem ÖBB-Chef den Abgang noch doppelt vergoldet hat. Nicht nur die Gehaltsfortzahlungen, nicht nur die Boni,


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nein, es wird auch noch etwas draufgelegt, nämlich ein Anrecht auf Spekulationsge­winne. Frau Ministerin, das ist auch Ihre politische Baustelle. Da müssen Sie einmal eingreifen. (Beifall bei den Grünen.)

9.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haber­zettl. 5 Minuten. – Bitte.

 


9.58.34

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich darf vorweg einmal mit einer Frage beginnen: Herr Bucher, sind Sie regelmäßiger Bahnfahrer? – Wahrscheinlich nicht. Dann würde ich sagen, dass eigentlich die Aktuelle Stunde den falschen Namen trägt, denn Sie fahren ja nicht mit der Bahn.

Herr Maier, ganz kurz zu Ihren Ausführungen. (Abg. Petzner: Zu intellektuell!) – Ich glaube auch, ja. (Beifall bei der SPÖ.) Es mutet die Doppelmoral bei diesem Thema in diesem Haus schon enorm an. Ich darf darauf hinweisen, dass es zur Finanzierung der Infrastruktur einen regelmäßigen Sechsjahresplan gibt, der auch Rahmenplan genannt wird, der immer Genehmigungen von zwei Ministerien braucht, dem BMVIT und dem Finanzministerium. Und beide Minister unterschreiben diesen Rahmenplan, auch Ihr Minister! Wenn Sie selbst in der eigenen Partei nicht kommunizieren, dann ist das Ihr Problem, aber nicht das Problem der Frau Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! 42 200 Eisenbahner versehen täglich Dienst. 24 Stun­den wird der Betrieb aufrechterhalten. Ich wehre mich mit aller Entschiedenheit gegen eine Verunglimpfung dieser 42 200 Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bucher, Ihr System des Madigmachens ist einfach zum Schwammerl-Werden!

Ich werde Ihnen einige aktuelle Daten sagen, damit Sie sehen, wie Sie dieses Unter­nehmen verunglimpfen.

Im ersten Halbjahr: operatives Ergebnis 256 Millionen €, plus 11 Prozent zum Vorjahr! Das ist kein schlechtes Unternehmen! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Voraus­sichtliches Jahresergebnis – jetzt werden Sie Augen machen, Herr Bucher –: operati­ves Ergebnis 406 Millionen €, das sind plus 600 Prozent zum Vorjahr! Und ich werde es Ihnen auch erklären, warum das um so viel mehr ist: weil im Vorjahr die enormen Abschreibungen fällig waren, die durch Ihren Generaldirektor Huber (Abg. Bucher: Un­seren?) – den haben Sie bestellt, alles Gorbach-Bestellungen! –, durch Ihren Finanz­chef Söllinger zum Schaden des Konzerns verzockt wurden! 600 Millionen! Das wer­den Sie doch nicht abstreiten können, Herr Kollege. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Sie führen ja den Konzern! Sie sind ja der Generaldirektor!)

Nebenbei sei bemerkt, in Ihrer Regierungsbeteiligungsperiode, in sieben Jahren haben wir sieben Bundesminister und -ministerinnen plus zwei Staatssekretäre verbraucht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war ja schon soweit, dass die ÖVP einen Aufpas­ser zum Gorbach schicken hat müssen, weil der ja in Wirklichkeit schon unkontrollier­bar war. Das ist auch das Produkt bei den ÖBB.

Nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Bucher: Die Strukturreform 2003 ist für das Unterneh­men eine einzige Katastrophe gewesen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Was ist mit den Dienstverträgen?) Sie haben es mitgestaltet! Sie haben es mitgestaltet, Herr Bucher! Dieses System explodiert jetzt, und bei dieser Explosion kommen nun alle Schandtaten der Vergangenheit heraus!

Jetzt komme ich zu Ihrer Verunglimpfung, Herr Bucher, auch darauf wollen wir einge­hen. Sie haben eine Strategie, die ja in Wirklichkeit durchschaubar ist. Sie haben sol­che Probleme im eigenen Haus, daheim in der Partei, dass Sie logischerweise einen


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Außenfeind suchen müssen. Das verstehe ich ja noch, bis zu einem gewissen Grad will ich Ihnen ja auch folgen, Herr Bucher. (Abg. Dr. Cap: BZÖ – Bündnis Zocker Ös­terreichs!) Aber wenn Sie damit beginnen, Kolleginnen und Kollegen zu verunglimp­fen ... (Abg. Bucher: Sie haben gesagt, die Dienstverträge sind nicht in Ordnung!) – Horchen Sie einmal zu, seien Sie einfach ruhig!

Ich sage Ihnen, Sie haben Gewerkschaft und Belegschaftsvertretung verwechselt. Die Belegschaftsvertretung ist ein demokratisch gewähltes Organ. Und jetzt horchen Sie genau zu: 92,2 Prozent der Kolleginnen und Kollegen haben vor einigen Monaten sozialdemokratisch gewählt. Die wissen, wo die Feinde sitzen. Die sitzen da! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.) Das ist ein Wahlergebnis, das Sie sich wünschen würden, Herr Bucher. (Abg. Ing. Westenthaler: In Moskau haben sie auch die KPdSU gewählt!)

Zu Ihren Einsparwünschen bei der Infrastruktur. Es ist übrigens im Regierungspro­gramm vereinbart, dass wir eine Infrastrukturoffensive, eine Investitionsoffensive ma­chen. Herr Bucher, Folgendes zur Doppelzüngigkeit, wenn Sie sparen wollen bei der Infrastruktur: Da stellen Sie sich her und sagen: zu viel Verschuldung, aber 5,1 Milliar­den € kostet der Koralmtunnel. Es ist relativ einfach: Bauen wir ihn nicht, und wir haben 5,1 Milliarden € eingespart. Das wollen Sie aber nicht. Gleichzeitig kritisieren Sie die Frau Bundesminister, weil die Zeitschiene bei der Investition verschoben wird. (Abg. Grosz: Weil sie die Mittel kürzt!)

Herr Bucher, Sie haben eine „Meisterleistung“ hier auf das Parkett gelegt und damit ge­zeigt, wie man es nicht machen soll. (Abg. Bucher: Reden Sie nicht so einen Unsinn!)

Um eines ersuche ich Sie noch: Erwähnen Sie das Wort BAWAG nicht mehr, bitte! Sie haben in Wirklichkeit ein Problem in Kärnten, das heißt Hypo Alpe Adria. Seit gestern steht fest, 18 Milliarden € fehlen, wie ich im „Report“ gesehen habe. Reden Sie nicht mehr über die BAWAG! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

10.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl, und zwar für 5 Minuten. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

 


10.04.02

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! – Wie wäre es, wenn sich die Herren das dann später ausmachen würden, damit wir noch zu den wichtigen The­men kommen?!

Wir haben gehört, die Bahnreform 2003 wird kritisiert. Dazu muss man vielleicht einmal in Erinnerung rufen, dass wir im Jahr 2003 in der Regierung Schüssel diese Bahnre­form durchgeführt haben, aber die Schweizer und die Deutsche Bahn schon Mitte der achtziger Jahre damit begonnen haben. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist denn der Schüs­sel?) Da hätten Sie, als Sie in der Verantwortung waren, schon viel früher damit begin­nen können, dann würden wir heute besser dastehen. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Frau Bundesministerin Bures und auch Herr Kollege Haberzettl haben gemeint, wir würden die 40 000 Bediensteten der ÖBB desavouieren. Ja, bitte, sind die 40 000 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn dafür verantwortlich, dass es Verspätungen gibt, dass es verschmutzte Züge gibt, dass es Züge gibt, die sogar ausfallen? Sind sie daran schuld, dass es in manchen Regionen wie beispielsweise in Schärding in der Früh einen Schnellzug und drei Regionalzüge gibt, die übervoll sind, weil die Bahn nicht flexibel genug ist, diese Leute, Pendlerinnen und Pendler, die nach Linz einpendeln, entsprechend abzuholen – oder dass es am Abend nur einen Zug gibt, der


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alle Leute wieder nach Hause befördern soll, und dass die Menschen, die vielleicht län­ger arbeiten wollen, gar keinen Zug mehr in Anspruch nehmen können? Sind die Mitar­beiter an all dem schuld? – Nein! Daran ist das Management schuld, und die politische Verantwortung ist hier zu hinterfragen. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Frau Bundesministerin Bures, zu Ihrer Aussage, dass es mit der SPÖ in der Bundes­regierung keine Freunderlwirtschaft gibt, kann ich nur sagen, das ist in vielen Berei­chen wie beispielsweise auch bei den ÖBB nicht richtig; es ist bei der BAWAG so ge­wesen, wir haben es gesehen.

Herr Kollege Haberzettl, wenn Sie immer sagen, wir sollen die BAWAG nicht anspre­chen: Was wollen Sie vertuschen, bitte? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP.) Seien Sie mir nicht bös, die BAWAG war das klassische Beispiel für SPÖ-Freunderlwirtschaft!

Schauen wir nach Wien: der Hauptbahnhof. Die ÖBB macht auf Wiener Boden, was sie will – der Wiener Bürgermeister Häupl schaut zu. Es gibt kein Verkehrskonzept, es gibt keine U-Bahn-Anbindung, und es ist ganz einfach für die Bezirke, die rund um den Hauptbahnhof liegen, ein einziges Desaster. Heute haben wir noch gehört, es wird das Geld umgeschichtet von einem Projekt zum anderen, nur damit da drübergefahren und ein völlig unpassendes Konzept umgesetzt werden kann, was niemandem etwas bringt, sondern nur Geld kostet. (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Wenn Sie das heute auch immer wieder behaupten, auch Sie, Herr Kollege Haberzettl: Wir wollen überhaupt niemanden desavouieren. Aber, bitte, wem wollen Sie erklären, dass ein Bahnbediensteter mit 52 Jahren in Pension gehen kann? (Abg. Haberzettl: Ihr Gesetz aus 2003! Sie haben das Gesetz gemacht!) Wem wollen Sie das erklären, wenn wir immer darüber diskutieren, dass so viele Leute mit 60 oder mit 61 in Pension gehen? Wollen Sie das denen erklären, die vorher jahrzehntelang gependelt sind und bei den ÖBB keine Kundenfreundlichkeit vorgefunden haben? Denen wollen Sie das erklären? (Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Das ist wirklich doppelbödig, und das zeigt mir, dass Sie sich von der Personalvertre­tung schon völlig verabschiedet haben.

Zum Abschluss nur, damit wir das auch noch einmal in Erinnerung rufen: Sie fordern ja immer einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten, den wir in Österreich umsetzen sollten, wo wir sagen, wir wollen den auf europäischer Ebene. In der Privatwirtschaft gibt es viele Konzerne, die in vielen europäischen Ländern tätig sind. Ich kann Ihnen sagen, Sie hätten hier Ihrer Verantwortung sehr wohl schon nachkommen können, wir brauchen da nicht noch zusätzliche Datenschutzbeauftragte einzuführen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Nein, Frau Kollegin Silhavy, ich brauche überhaupt nichts zuzustimmen, ich bin über­haupt nicht dafür verantwortlich, dass bei den ÖBB Krankenstandsdaten von Mitarbei­tern gesammelt werden und dass die Mitarbeiter bespitzelt werden, welche Krankheit, welche Diagnose sie haben, wie oft und wie lange sie auf Krankenstand sind. Und da können Sie sich nicht der Verantwortung entziehen, da können der Herr Haberzettl und die Personalvertreter nicht sagen, sie sind nicht daran schuld. (Beifall bei ÖVP und BZÖ. – Abg. Mag. Wurm: Huber, der Zocker!)

10.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dei­mek zu Wort. – Bitte.

 


10.08.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ja, nach den Szenen einer Ehe, hätte man schon fast sagen kön-


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nen, könnte man den Eindruck gewinnen, bei den ÖBB und bei der SPÖ ist alles auf Schiene. De facto schaut es aber in der Realität so aus, dass wir es eher mit einem Fahrgastabwehrdienst zu tun haben. Es sind nämlich nicht alle zufrieden, es ist nicht alles in bester Ordnung, wie man nach den Wortmeldungen teilweise den Eindruck ge­winnen könnte. Es gibt zumindest drei Gruppen, die täglich sagen, da ist irgendetwas nicht in Ordnung, wir sind unzufrieden.

Fangen wir bei den für einen Betrieb Wichtigsten an, bei den Kunden. Immer höhere Preise, weniger Züge, teilweise verschmutztes oder veraltetes Zugsmaterial, und wenn Sie zu Zeiten fahren, zu denen die Schüler oder die Pendler fahren, dann müssen Sie froh sein, wenn Sie einen Sitzplatz bekommen – üblicherweise wird gestanden. (Beifall bei der FPÖ.)

Sogar die Arbeiterkammer – und die steht wirklich nicht im Verdacht, eine freiheitliche Vorfeldorganisation zu sein – meint, dass Streichpläne ein falsches Signal sind, und fordert Verbesserungen für die Pendler. – Also sind wir weit weg von Jubelmärschen, sondern wir sind eher ganz nah bei den Protestmärschen.

Die zweite Gruppe, die nicht zufrieden ist, sind die Mitarbeiter. Denen muss ich einmal von dieser Stelle aus wirklich meinen allerherzlichsten Dank für ihren unermüdlichen Einsatz aussprechen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind freundlich, sie sind serviceorien­tiert und sehr, sehr zuvorkommend. Aber – seien wir ehrlich! – wem macht es Spaß, in einer Firma zu arbeiten, die monatlich, wenn nicht wöchentlich in negativen Schlagzei­len in den Medien zu finden ist? (Abg. Heinzl: Und wer macht das?)

Das macht aber bitte nicht die Freiheitliche Partei, sondern das macht das Manage­ment! Und die ÖBB-Mitarbeiter müssen das, was vom Management gemacht wird, ausbaden!

Zu den ÖBB-Personalvertretern beziehungsweise zum Kollegen Haberzettl: Wenn die ÖBB-Mitarbeiter all diese Fehler sehen, die täglich seitens des Managements gemacht werden, ebenso natürlich all das, was gar nicht öffentlich wird, und wenn sie sehen, dass da überhaupt nichts abgestellt wird, dann braucht man sich wirklich nicht zu wun­dern, wenn dann die Mitarbeiter sozusagen mit einem Krankenstand darauf reagieren!

Aber von dieser Sache mit dem Krankenstand hat niemand etwas gewusst: nicht der Herr Haberzettl als Personalvertreter beziehungsweise als Gewerkschafter, auch nicht als Aufsichtsrat – und das, obwohl darüber im „profil“, in „NEWS“, im „FORMAT“ und so weiter berichtet wurde! Da muss man sich schon fragen – wenn Herr Haberzettl nicht einmal das weiß –: Was tut Haberzettl dann in all diesen Funktionen?! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Haberzettl, Sie haben es nicht geschafft, dass die einfachen und kleinen ÖBB-Mit­arbeiter einen ordentlichen und vor allem auch motivierenden Lohn erhalten und dass es ein schlankes und ordentliches ÖBB-Management gibt!

Extra peinlich in diesem Zusammenhang ist ja auch, dass von den ÖBB diese Sperr­liste – wie das ja heuer im Frühjahr aufgedeckt wurde – öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Und jetzt zur dritten Gruppe, nämlich zum Steuerzahler, der ganz genau merkt, dass da etwas unrund läuft, ja dass da manchmal sogar Dinge entgleisen. Und in diesem Zusammenhang sozusagen ein extra „Gustostückerl“: die Strecke Villach–Venedig, in die neu investiert wurde. Und was ist der „Erfolg“? – Diese Verbindung wird auf einen Zug, auf eine Direktverbindung reduziert!

Weiters: Der Bau der Koralmbahn kostet, wie heute schon zu hören war, 5,1 Milliar­den € – aber die Schnellzugverbindung Linz–Graz wird wegen ein paar tausend Euro gestrichen! Und wenn wir schon bei der Verbindung Linz–Graz sind, wo es auch eine


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ganz „tolle“ Planung gibt: Wegen des Schnellzugs Linz–Graz ist es nicht möglich, dass die Pendler mit einer ordentlichen Regionalexpressverbindung von Linz bis Kirchdorf oder noch weiter südlich beziehungsweise in die umgekehrte Richtung kommen! Die ÖBB haben eine Planung, die noch schlechter als die der AUA ist. Und das war schon schlimm genug. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zum Bau des Brenner-Basistunnels. Derzeit gibt es da absolut keine Planungssi­cherheit. Die Kosten explodieren fast wöchentlich, aber es soll das Image- und Herzei­geprojekt der ÖBB werden. – Frau Bundesminister Bures, solange es da Planungsun­sicherheit gibt, darf das doch nicht zu einem Prioritätsprojekt gemacht werden, denn so droht dort echtes Chaos.

Es ist also keinesfalls alles in Ordnung, denn teilweise sind da Verdrängungskünstler, aber leider nicht Lösungskünstler am Werk. Was aber notwendig wäre, wäre ein Ma­nagement mit Lösungskompetenz und nicht mit Verdrängungskompetenz oder mit – wie wir es auch schon gehabt haben – Nehmerkompetenz!

Frau Bundesminister Bures, aber auch Herr Haberzettl! Nehmen Sie sich einmal die Zeit und fahren Sie an einem Montag früh mit einem Pendlerzug! Genießen Sie im Zug die „angenehme“ Atmosphäre, statt eben mit Ihrem Dienstwagen zu fahren! Tun Sie das – und dann werden Sie sehen, was da alles im Argen ist!

Fahren Sie auch einmal mit einem Zug von Wien nach Bregenz, dann werden Sie se­hen, wie viele Probleme es da gibt!

Frau Bundesminister Bures, abschließend eine Empfehlung von mir: Nehmen Sie Mist­gabel und Besen und räumen Sie auf, greifen Sie durch – sonst räumt nämlich der Wähler auf! Und der macht es etwas radikaler, wie ja die Wahlen in Vorarlberg und Oberösterreich gezeigt haben. Da kann es nämlich dann schon so sein, dass einer Ih­rer Genossen den Zug versäumt und hinten bleibt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz, und zwar für 5 Minuten. – Bitte.

 


10.14.05

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Hohes Haus! Ich bin Herrn Abgeordnetem Ferry Maier für seine Äußerung sehr dankbar, denn damit ist sozusagen aktenkundig geworden, dass dieser Aktuellen Stun­de mit unserem BZÖ-Themenvorschlag ganz besondere Bedeutung zukommt, weil wir nunmehr wissen – und ich zitiere, Frau Präsidentin –, dass Teile der Sozialdemokratie und damit auch Teile der österreichischen Bundesregierung aus „Sandlern“ und „Tachi­nierern“ – Zitat Ferry Maier – bestehen. – Das ist aber ohnedies das, was eine Mehr­heit der Österreicherinnen und Österreicher seit mehr als drei Jahren empfindet, wenn sie sich die Bundesregierung anschauen. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Abgeordneter Haberzettl, Sie schreiten hier heraus zum Rednerpult und reden – und ich muss sagen, ich glaube, Sie leiden an pathologischer Realitätsverweigerung, denn das, was Sie über dieses ... (Abg. Mag. Wurm: Was? „Pathologische Realitäts­verweigerung“?) – Pathologisch heißt nachhaltig und krankhaft. Dafür gibt es keinen Ordnungsruf, Frau Kollegin, da können Sie noch so hereinschreien! Das ist schon so in Ordnung.

Das, was sich bei den Österreichischen Bundesbahnen offenbart – so beispielsweise auch diese illegale Anlegung von Krankenstandsdaten –, ist doch ein ähnlicher Skan­dal, wie es ihn in der Bundesrepublik Deutschland in anderen Unternehmen gab, wo das aber zu Rücktritten und Strafprozessen gegen Manager geführt hat. Dieser Skan­dal bei den ÖBB ist einzigartig in Österreich, sehr geehrte Frau Bundesminister Bures.


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Und das haben Sie zu verantworten und nicht Herr Kukacka, nicht Herr Gorbach und auch nicht Frau Forstinger und wie sie alle heißen mögen, sondern Sie einzig und al­lein! (Beifall beim BZÖ.)

Sie allein, Frau Bundesministerin Bures, haben auch zu verantworten den Revisions­bericht über die Vergabe von Containerstaplern – ein Skandal, den wir vor zwei Wo­chen aufdecken konnten. Dieser Revisionsbericht ist Ihnen bekannt, Frau Minister. Die eigene Konzernrevision hat ein Vergabeverfahren gestoppt, weil Sie und Ihre roten Freunde der Freunderlwirtschaft überführt worden sind! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Leiter des Konzerneinkaufes, Walter Eschbacher, den Sie, Frau Bundesminister Bures, zum Leiter des gesamten ÖBB-Konzerneinkaufes bestellen wollten, ist der Tat­sache überführt worden, dass er seinem Freund einen Vertrag über Containerstapler zuschanzen wollte, womit er sämtliche Ausschreibungsgesetze dieser Republik gebro­chen hat. – So schaut Ihr Sodom und Gomorrha bei den ÖBB aus, sehr geehrte Frau Bundesminister Bures! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der dritte Punkt, etwas, was auch uns Steirer so ärgert, ist, dass Sie, Frau Minister, ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Politik, in der sich Experten Gedanken über eine Ökologisierung machen, Gedanken darüber machen, wie man mehr Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren kann, sozusagen mit einem Federstrich die Bahnverbindungen Graz–Linz, Graz–Innsbruck und Graz–Marburg ersatzlos strei­chen! Sie schädigen damit nachhaltig den Wirtschaftsstandort im Süden Österreichs, indem Sie wichtige Bahnverbindungen streichen! (Abg. Ing. Westenthaler: Graz wird von der Umwelt abgeschnitten!)

In Sonntagsreden aber loben Sie immer deren Wichtigkeit und reden von der Wichtig­keit der Ökologisierung als ganz besonderer Aufgabe der ÖBB! Diese Bahnverbindun­gen streichen Sie zugunsten solcher Revisionsberichte, wo man sieht, dass Millionen von Euro dafür hinausgeschmissen werden, damit Sie und Ihre Freunderl sich auf Par­tei- und Regimentskosten ein schöneres Leben machen können! Da spielen wir vom BZÖ nicht mit!

Sehr geehrte Frau Bundesminister Bures, noch etwas, und zu dem haben Sie sich überhaupt nicht geäußert, nämlich zum Bau des Koralmtunnels. Im Juni dieses Jahres sprachen der Landeshauptmann von Kärnten Gerhard Dörfler und ich in der Steier­mark davon, dass Sie, Frau Bures, planen, paktierte 594 Millionen € aus der Koralm-Fi­nanzierung ersatzlos zu streichen beziehungsweise das auf das Jahr 2018 zu ver­schieben.

Gerhard Dörfler und ich warnten den ganzen Sommer über und zeigten auf, dass diese Verschiebung bedeutet, dass der gesamte Rahmenplan und auch die Projektierung des Koralmtunnels nicht mehr halten werden und dass deshalb – noch dazu in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit – Arbeitsplätze gefährdet sind. Natürlich haben sich Be­triebe in der Südsteiermark, in Kärnten, in Wolfsberg, in Deutschlandsberg, in Leibnitz, in Graz-Umgebung gezielt angesiedelt, weil sie damit rechnen konnten, dass der Kor­almtunnel 2018 fertig sein wird und sich damit Betriebe an diese wichtige Eisenbahn­achse anschließen können.

Was tun aber Sie, Frau Minister Bures? – Sie verschieben ganz einfach die Zahlung von 594 Millionen €, die ja paktiert wurden und wozu es einen Vertrag gibt zwischen Landeshauptmann Jörg Haider und Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, auf das Jahr 2020! Heute oder gestern kamen Sie drauf: Ja, ja, die Geologie des Berges; da braucht man einige Jahre mehr!

Auf dem Höhepunkt einer Wirtschaftskrise, auf dem Höhepunkt einer Konjunkturflaute betreiben Sie, Frau Minister Bures, gezielte Arbeitsplatzvernichtung – und das in einer Zeit, in der wir jeden Arbeitsplatz brauchen! Da machen wir vom BZÖ nicht mit. (Beifall beim BZÖ.)


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Daher sage ich Ihnen, Frau Minister, und auch dem Herrn Gewerkschafter Haberzettl: Befreien Sie die ÖBB aus Ihrer Geiselhaft und gehen Sie stattdessen in Zukunft zur Geisterbahn, denn da sind Sie besser aufgehoben! (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

10.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.19.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines muss ich schon sagen: Mich erschüttert diese Debatte, und zwar deshalb, weil es doch der Politik – da mache ich den Vorwurf vor allem den Regierungsparteien beziehungs­weise speziell einer Regierungspartei – im Wesentlichen darum gehen sollte, dass eine öffentliche Einrichtung wie die Bundesbahn funktioniert. (Abg. Rädler: Ja, genau darum geht es!) Ja, funktionieren sollte sie, und die ÖBB sollten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Herausforderungen des Klimawandels auch in Öster­reich bewältigt werden können. Und die Bundesbahn sollte auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass wir in Österreich nicht über den Abbau und die Schließung von öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern über den Ausbau von öffentlichen Verkehrs­mitteln reden. (Abg. Rädler: Ja, tun wir es!) Das wollen wir, meine sehr geehrten Da­men und Herren!

Aber zu dem, was Sie gemacht haben, was der Abgeordnete Maier gemacht hat – wir kritisieren auch die ÖBB, und zwar dort, wo sie es verdienen, aber Sie, Herr Abgeord­neter Maier, tragen gemeinsam mit der Frau Bures die Verantwortung dafür, dass die­ses Unternehmen funktioniert –, indem er hier herauskam mit einer Nachteilskarte der ÖBB, muss ich sagen: Das ist ein Beitrag, wie dieses Unternehmen in Zukunft sicher nicht funktionieren kann, wenn Sie nur eines für die ÖBB parat haben: dass sie am besten zusperren und nicht funktionieren sollen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vom Journalismus gelernt, dass man fragen soll: was, wann, wer, wo, warum. Gehen wir ein paar Fragen durch!

Was ist das für eine Politik und wer ist verantwortlich dafür, dass von den ÖBB seit Jahren jedes Jahr Tausende von ÖBBlern in Frühpension geschickt werden, dass das durchschnittliche Pensionsalter bei den ÖBB seit zehn Jahren bei 52 Jahren – ich beto­ne: bei 52 Jahren! – liegt?

Ich sage Ihnen: Ich kann mich noch genau erinnern – Sie können sich vielleicht nicht mehr erinnern; Stichwort: Amnesie, Gedächtnisschwund –, wie die Frau Vizekanzlerin Riess-Passer hier heraußen im Jahr 2002 oder 2003 gesagt hat: Der größte Kriminal­fall der Zweiten Republik, der Skandal bei den ÖBB, das sind die Frühpensionierun­gen, und wir, die schwarz-blaue Bundesregierung, machen etwas dagegen!

Was war die Konsequenz daraus? – Die Zahl der Frühpensionierungen bei den ÖBB ist in den Folgejahren 2003/2004/2005 weiter gestiegen, und zwar dramatisch. Aber da war Schwarz-Blau ruhig.

Warum ist das Ganze passiert? Aber diese Geschichte erzählen Sie nicht! Der Grund dafür war: Sie wollten ja die Leute rauswerfen! Sie haben überhaupt kein Interesse da­ran, dass die Frage gestellt wird: Was braucht es, damit 40 000 Leute sinnvoll beschäf­tigt werden?

Warum brauchen wir 40 000 Leute? – Weil wir einen öffentlichen Verkehr haben wol­len! Weil wir öffentliche Verkehrsmittel ausbauen und nicht einschränken wollen!

Ihnen jedoch ist es nur darum gegangen: Wenn die ÖBB börsereif gemacht werden sollen, dann müssen diese Bediensteten raus, dann können wir das nicht brauchen, denn für den Börsezettel braucht es möglichst wenig und vor allem verbeamtete Be­dienstete!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 37

Nichts haben Sie gemacht, um tatsächlich das Unternehmen fit zu machen für die Auf­gaben, für die es eigentlich da sein sollte! Nichts haben Sie gemacht, sondern im Ge­genteil: Die Immobilien haben Sie aus den ÖBB hinausgetragen, alles haben Sie ver­scherbelt! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Die Manager der ÖBB haben sich über die Jahre an diesem Unternehmen nur berei­chert. – So schaut es aus, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die haben sich nur bereichert, waren ein, zwei Jahre dort und sind dann mit Abfertigungen aus dem Unternehmen wieder hinausgegangen! (Neuerlicher Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Davon hatten wir in den letzten Jahre mehr als genug, und den Leuten in Österreich, auch den Bediensteten bei den ÖBB steht es schon bis zum Hals, was hier getrieben wurde. Und jede Woche platzt eine Eiterbeule auf, und zwar nicht nur was die ÖBB be­trifft, sondern auch was Ihr „verdienstvolles“ Wirken in den letzten Jahren betrifft, wo Sie einen öffentlichen Betrieb nach dem anderen ruiniert und eigentlich dem Ruin preisgegeben haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, sitzen seit 1986 in jeder Regierung, und immer wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, dann ha­ben Sie von nichts gewusst. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Von nichts wissen Sie etwas – aber regieren tun Sie! Und das ist der Unterschied, meine sehr geehrten Damen und Herren: dass wir von einer Regierung auch Verantwortung einfordern, und zwar von jeder Regierungspartei! (Beifall bei den Grünen sowie Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

10.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

10.24.35Debatte über Einwendungen gegen die Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zur angekündigten De­batte über die Einwendungen gegen die Tagesordnung der Abgeordneten Dr. Rosen­kranz sowie die Einwendungen gegen die Tagesordnung der Abgeordneten Ing. Wes­tenthaler, Kolleginnen und Kollegen.

In der gemäß § 50 der Geschäftsordnung stattfindenden gemeinsamen Debatte be­schränke ich zunächst grundsätzlich die Redezeit auf 5 Minuten und die Zahl der Red­nerinnen und Redner pro Klub auf 3 – dies unabhängig von einer Klubvereinbarung, die in der Zwischenzeit auch vorliegt.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. Ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. Abläuten kann ich erst nach 5 Minuten; ich mache nur darauf aufmerk­sam. – Bitte.

 


10.25.17

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Die heutige Tagesordnung enthält unter den Punkten 6 bis 8 eine No­vellierung des Fremdenrechts, insbesondere des Asylgesetzes, des Fremdenpolizeige­setzes und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – wieder ein Fleckerl mehr in einem unübersichtlichen Flickwerk der Baustelle Fremdengesetzgebung.

Linke Kundgebungen vor dem Parlament am heutigen Tag und zahlreiche Zuschriften in den letzten Tagen zeigen ja, wie interessiert die Bevölkerung an diesem Thema ist. Wir Freiheitlichen halten die parlamentarische Auseinandersetzung über diesen Kern­bereich der Verhinderung der illegalen Zuwanderung und des Asylmissbrauchs für der­art wichtig, dass wir diese Diskussion vor den interessierten Bürgern an den Fernseh­schirmen führen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Dies umso mehr, als man aus den Medien erfährt, dass es zu einer Verschärfung kom­men soll. Nun ja, Verschärfung, das ist relativ: Estragon-Senf wird auch als scharf be­zeichnet, obwohl es dann noch exorbitante Steigerungen gäbe. Und so einen Estra­gon-Senf will uns letztlich die Innenministerin heute vorsetzen.

Im Bereich des Asylbetrugs und der illegalen Zuwanderung liegen die freiheitlichen Forderungen aber im Bereich von Cayenne-Pfeffer, Chili, Tabasco und Kirschpfeffero­ni. Das wäre die Schärfe, mit der diesen Missständen entgegengetreten werden müss­te! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hätten die Bürgerinnen und Bürger gerne ausführlich in der Fernsehzeit darüber in­formiert, wie eine Verschärfung à la ÖVP aussieht: Kriminelle Scheinasylwerber, denen wegen der in Österreich begangenen Straftaten, zum Beispiel als Drogenhändler, in deren Heimatstaaten zusätzlich eine strenge Strafe droht, dürfen nicht abgeschoben werden, sie werden, wie es so schön heißt, jetzt geduldet, bekommen einen Duldungs­ausweis und dann noch als Belohnung die Arbeitsbewilligung und dann vielleicht auch noch den Anspruch, nach dem Niederlassungsgesetz bei uns bleiben zu können. (Abg. Amon: Das ist keine inhaltliche Debatte! Das ist ein Missbrauch der Geschäftsord­nung!)

Das ist also jetzt so: Man kommt illegal und nicht nachweisbar, ohne Dokumente, aus Nigeria, dem Iran oder dem Irak nach Österreich, das Asylverfahren scheitert, weil kei­ne Asylgründe vorliegen, und das Ende des Verfahrens droht, man begeht eine Straf­tat, und schon darf man dableiben. – Das ist die „Schärfe“ der ÖVP in Asylfragen!

Die entscheidenden Themen: Wie mache ich Österreichs Grenzen im Schengen-Raum vor Scheinasylwerbern dicht?, Wie mache ich Österreich als Traumdestination für Asyl­werber uninteressant?, diese entscheidenden Fragen bleiben unberührt, zum Beispiel durch Ende der Geldzuwendungen hin zu Sachzuwendungen.

Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage: Wie wird sich die eingetragene Lebenspartner­schaft, die ab 1. Jänner kommen soll, auf die Niederlassungsgesetze auswirken? Wer­den die Asylwerber in Zukunft verstärkt homosexuell sein, um sich so einen Aufent­haltstitel zu erschleichen? Nach der Scheinehe und der Scheinadoption kommt jetzt die scheineingetragene Lebenspartnerschaft. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Diese Themen muss man in der breiten Öffentlichkeit verhandeln, man darf sie nicht deswegen, weil die Frau Bundesminister für Unterricht und Kunst einen Termin um 12 Uhr auswärts hat, zu einem Zeitpunkt verhandeln, wo diese breite Öffentlichkeit nicht mehr gegeben ist, denn das wären die interessanten Dinge! (Beifall bei der FPÖ.)

10.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort. – Bitte.

 


10.28.31

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst ganz generell, wie die Regierung und die Minister mit die­sem Haus umgehen oder was sich dieses Haus gefallen lässt, und deswegen auch die Debatte zur Geschäftsordnung.

Es kann doch wirklich nicht sein – und da, Frau Präsidentin, spreche ich Sie jetzt an, denn Sie müssen dieses Haus auch vertreten –, dass sich Minister im Vorfeld von Par­lamentssitzungen aussuchen, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit ihr Gesetz drankommt. Ich meine, wo sind wir denn! Wir sind ein selbständiges, ein selbstbe­wusstes Parlament. Wir legen die Tagesordnung fest – und nicht die Minister! Und das haben Sie, Frau Präsidentin, dementsprechend den Ministern auch klarzumachen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 39

Wenn sich eine Ministerin wünscht, was heute zum Beispiel stattfindet, dass wir zu Be­ginn der Sitzung die Schulgeschichten diskutieren, weil sie – und das war die Begrün­dung – am Abend einen Vortrag bei der Industriellenvereinigung hat, dann ist das kein Argument für eine Entschuldigung. Die Ministerin hat dann da zu sein, wenn das Parla­ment sie ruft – und nicht, wenn sie es sich aussucht! (Beifall beim BZÖ.)

Wir sind der Meinung, dass wir die Fremdenrechts- und die Asylrechtsdebatte selbst­verständlich zu prominenter Zeit führen sollten, und zwar morgen am Beginn der De­batten, und deswegen haben wir beantragt, diese Gesetzesmaterie von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und sie an den Anfang der morgigen Tagesordnung zu set­zen, weil sie – und der Herr Klubobmann Cap wird mir da sicher recht geben – einen der zentralsten Problembereiche der Bevölkerung betrifft.

Sie selbst sagen jetzt pausenlos: Wir haben das Problem erkannt! Das sagt die Frau Rudas, das sagt der Herr Cap. Jetzt, nach vielen Jahren, haben Sie das Problem er­kannt, sagen Sie. Warum machen Sie dann dabei mit, dass diese Gesetzesthematik, diese wichtige Diskussion in den Nachmittag beziehungsweise in den Abend verlegt und verräumt wird? Warum machen Sie nicht mit uns mit: dass wir das zu prominenter Zeit diskutieren, damit die Menschen dieser Diskussion auch folgen können, um die Standpunkte der einzelnen Parteien entsprechend nachvollziehen zu können? Das wäre eigentlich auch Ihre Aufgabe, Herr Klubobmann Cap! Aber ich verstehe schon. (Beifall beim BZÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, sagen ja mittlerweile zu allem Ja und Amen – im wahrsten Sinne des Wortes –, was die ÖVP Ihnen vorgibt. Sie haben sich mit der Rolle der ÖVP-Begleitpartei mittlerweile abgefunden. Das ist Ihre Daseinsbe­rechtigung.

Merken Sie nicht, dass die Menschen Probleme haben? „An der Ostgrenze regiert die Angst“ hat vor Kurzem die „Kronen Zeitung“ getitelt. (Abg. Mag. Kogler: An der Ost­grenze regiert die „Kronen Zeitung“! Das ist noch viel schlimmer!) Die Menschen haben pure Angst, weil sich mittlerweile schon sozusagen geschäftsmäßig ein Industriezweig entwickelt hat, wo Kriminelle mit Lastwagen, mit Transportern über die offene Grenze gebracht werden, damit sie bei uns einbrechen, stehlen gehen, Häuser knacken, Autos stehlen und unsere Bevölkerung behelligen, und dann wieder mitgenommen werden.

Dazu sagen wir: Nein! Die einzige Antwort darauf ist – und da hat unser Parteiobmann völlig recht, und deswegen werden wir das heute auch beantragen, für die Bevölkerung in den Grenzregionen, aber auch für die Bevölkerung in Wien –, endlich zumindest temporär die Grenzen wieder dichtzumachen und den Schengen-Vertrag für das nächste halbe Jahr auszusetzen. Das werden wir fordern, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Nur eine kontrollierte Grenze, nur eine geschlossene Grenze kann zumindest die Chance eröffnen, dass wir die Verbrecher, die Diebesbanden und alle, die zu uns kom­men und hier kriminelle Taten begehen, an den Grenzen dingfest machen.

Aber das, was Sie machen, ist ein völlig anderer Weg – auch mit der neuen Gesetzge­bung; Sie wissen anscheinend nicht, was da drinnen steht –: Sie pardonieren Auslän­derkriminalität, indem Sie den Begriff der Straffälligkeit für Asylwerber und Asylanten, nämlich ab dem Zeitpunkt, wo aufgrund der Straffälligkeit ein Asylant das Land zu ver­lassen hat, er abzuschieben ist, mit der Schwere des Delikts definieren, und teilen das auf Landesgerichtsbarkeit und Bezirksgerichtsbarkeit auf.

Wissen Sie, was das heißt? – Dass künftig Diebstahl, Körperverletzung, Nötigung erst im Wiederholungsfall für Asylanten als Straftat gelten und erst im Wiederholungsfall überhaupt ein Abschiebeverfahren eingeleitet werden kann. – Das ist eine Einladung


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zur Kriminalität in diesem Land für die Ausländer! Und das lehnen wir ganz entschie­den ab, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Sie schaffen den Begriff „geduldete Straftäter“. Was ist denn das? – Plötzlich dürfen Straftäter, die hier kriminell werden, bei uns arbeiten, werden ganz normal behandelt, sind geduldet. Sie haben nämlich ein Haftentlassungspaket beschlossen, wonach sie Hunderte, ja Tausende Ausländer vorzeitig freilassen und einfach wegschicken, die prompt wieder nach Österreich kommen und hier wieder in die Kriminalität gehen.

Sie pardonieren hier Kriminalität – und auch den Asylmissbrauch! (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.) Denn: Folgeanträge sind nach wie vor möglich. Professor Raschau­er hat es im Hearing gesagt: Beim Folgeantrag ist grundsätzlich einmal zu verdächti­gen, dass er ausschließlich der Verzögerung gilt, weil ein Verfahren bereits abge­schlossen wird.

Ich sage Ihnen: Schluss mit den Folgeanträgen! Wenn es einen aufrechten Abschiebe­bescheid gibt, dann ist dieser zu vollziehen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Korun) und dann kann man nicht immer wieder Folgeanträge stellen. Diesen Un­fug muss man endlich beenden! (Beifall beim BZÖ.)

Was Sie betreiben, ist systematische Aufenthaltsverfestigung für kriminelle Ausländer. Dabei haben wir Sie ertappt, und deswegen wollen Sie die Debatte in den Abend ver­schieben, damit keiner mitkriegt, dass dieses Gesetz eine Schlamperei ist, ein Husch-Pfusch-Gesetz, das in Wahrheit die wirklichen Probleme nicht löst.

Deswegen sagen wir: Zurück mit diesem Gesetz – entweder gleich in den Ausschuss, um es neu zu verhandeln, oder in die morgige Sitzung, um eine Debatte darüber gleich am Beginn der Tagesordnung auch unter Beobachtung durch die Bevölkerung durch­zuführen. – Das ist unser Anliegen, und das werden wir auch durchzusetzen versu­chen! (Beifall beim BZÖ.)

10.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Ich stelle die Uhr so, wie Sie es vereinbart haben, nämlich auf 3 Minuten. Abläuten muss ich nach 5 Minuten. Das ist eine Verein­barung zwischen den Fraktionen, die abgezeichnet wurde.

 


10.34.10

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Aufgrund des Aufregungsgrades meines Vorredners Westenthaler beantrage ich, dass man ihm den „Iffland-Ring“ verleiht für besondere schauspielerische Leistungen, denn das ist ja ab­surd: Sie tun ja förmlich so, wie wenn wir die Frage Fremdenrecht und Asyl überhaupt nicht behandeln würden. Das ist ja nicht wahr! Es geht ausschließlich um die Frage, ob wir zulassen, dass Sie das Thema „Kindergeld“ und das Thema „Beendigung des Miss­brauchs im Asylrecht“ gegeneinander ausspielen. Das ist alles, worum es hier geht.

Wenn Sie hier herauskommen und unterstellen, es gäbe da – ich zitiere – eine „Einla­dung zur Kriminalität“ in Österreich, dann muss ich sagen: So eine Absurdität!

Was hier versucht wird, ist, auf Basis der Menschen- und Grundrechte – und dazu be­kennen wir uns, davon werden wir keinen Millimeter abrücken – in diesem Bereich Re­gelungen zu finden, wo es keine Hintertüren gibt, wo es keinen Missbrauch gibt, gar nichts Derartiges. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Genau darum geht es! Und ge­genüber Kriminellen, ganz egal, ob Inländer oder Ausländer, wird das gleiche Recht anzuwenden sein. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 41

Da sage ich Ihnen: Sie werden, auch in Übereinstimmung mit dem Verfassungsrecht, zur Kenntnis nehmen müssen: Keine Gnade mit Kriminellen! (Abg. Ing. Westenthaler: Warum pardonieren Sie es?) Aber ich sage auch: Wenn bei jemandem eingebrochen worden ist, ob das im Auto, in der Wohnung oder im Einfamilienhaus ist – und ich sage gleich: Jeder Einbruch ist zu viel, und es muss darum gekämpft werden, dass es mehr Sicherheit und mehr Polizei gibt; in Wien läuft eine Unterschriftenkampagne, auf der schon 70 000 Unterschriften sind, wo es heißt: 1 000 Polizisten mehr für Wien –, dann ist es nicht so, dass derjenige, bei dem eingebrochen worden ist, dann sagt: Bei mir ist eingebrochen worden!, sondern dann ist die Frage die: War es ein Inländer oder ein Ausländer? Bei einem Inländer heißt es dann: Schwamm drüber, da gehen wir nicht zur Polizei!, aber bei einem Ausländer heißt es: Da gehe ich zur Polizei! – Das ist doch absurd!

Es hat die Polizei, es hat die Republik mit unseren Steuergeldern dafür zu sorgen, dass es Sicherheit gibt. Das ist das Entscheidende! Sicherheit bedeutet: Kampf ge­gen jeden Einbruch, Kampf gegen jeden Kriminellen, dass vor dem Gesetz alle gleich sind, und wenn einer straffällig ist und verurteilt wird, dann ist er verurteilt, und der eine wird ins Gefängnis kommen und der andere wird abgeschoben. – So einfach ist das! Tun Sie da nicht etwas hineingeheimnissen!

Daher finde ich: Heute Tagesordnungspunkt 1: Unterricht, Matura, wo es um die Zu­kunft unserer Kinder geht. Mit Recht ist das der erste Punkt auf der Tagesordnung! (Abg. Ing. Westenthaler: Morgen wollen wir es haben!) Und morgen Tagesordnungs­punkt 1: Kindergeld. Mit Recht ist das der erste Punkt! – Spielen Sie bitte die Themen nicht gegeneinander aus! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort er­teile, ersuche ich die Klubobleute, zu mir zu kommen, und unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für kurze Zeit.

*****

(Die Sitzung wird um 10.36 Uhr unterbrochen und um 10.41 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Hofer zu Wort. Ich stelle, wie schon vor­hin angekündigt, die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

 


10.41.30

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich meine, dass wir uns schon Gedanken über die Bedeutung dieses Parlaments machen müssen und dass wir gefordert sind, alles zu tun, damit dieses Parlament dem auch gerecht wird, was wir alle uns wün­schen. Es kann nicht sein – und das ist ein Beispiel dafür, wie man, auch vonseiten der Regierungsparteien, mit dem Parlament umgeht –, dass in Ausschüssen immer wieder Anträge vertagt werden. Anträge der Opposition, die auch wirklich gute Anträge sind (Ruf bei der SPÖ: Wer sagt das?), werden nicht abgelehnt, sie werden vertagt. Zum Beispiel in der letzten Sitzung des Sozialausschusses: viele Anträge einfach vertagt.

Oder bei Untersuchungsausschüssen: Minister dürfen nicht geladen werden, denn das könnte Majestätsbeleidigung sein. – Ist das unser Selbstvertrauen im Parlament? Oder


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die Anwesenheit der Minister bei Parlamentssitzungen: Nicht nur heute, bei vielen Sit­zungen ist es so, dass die Regierungsbank doch ziemlich leer ist!

Jetzt zum konkreten Anlassfall: Frau Bundesminister! Das Parlament hat jedes Ver­ständnis dafür, dass ein Minister auch einmal einen Termin haben kann, der unauf­schiebbar ist, der dringend ist und der für das Wohl und Weh unserer Heimat Öster­reich ganz, ganz wesentlich ist. Wenn es aber darum geht, dass eine Tagesordnung sich nach einem Termin bei der Industriellenvereinigung – die ich sehr schätze – rich­tet, dann ist das der falsche Weg! (Beifall bei der FPÖ.) – Die Frau Präsidentin hat be­reits mehrfach die Mitglieder der Bundesregierung ersucht, darauf Rücksicht zu neh­men, und sie hat es aus diesem konkreten Anlassfall heraus wieder getan.

Frau Bundesminister, das Vertrauen in Sie ist bereits angekratzt. Sie erinnern sich an den Streit mit der Lehrergewerkschaft, Sie erinnern sich an die Vorwürfe, dass Sie für den Niedergang der Kommunalkredit verantwortlich wären und dort trotzdem eine hohe Abfertigung kassiert hätten. Ich bitte Sie ganz, ganz dringend, darauf zu achten, dass Sie bei Ihrer politischen Arbeit nicht nur die Sacharbeit in den Vordergrund stellen, son­dern auch darauf achten, dass Termine im Parlament unbedingt einzuhalten sind, dass sich die Tagesordnung des Parlaments nicht nach Terminen bei der Industriellenver­einigung richten kann. Und ich ersuche Sie, Frau Präsidentin, noch einmal die Mitglie­der der Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, dass das, was hier ge­schieht, höchste Priorität hat. (Beifall bei der FPÖ.)

10.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter! Alles, was in der Präsidial­sitzung vereinbart wird, ist für mich verbindlich, und daher werden natürlich die Mitglie­der der Bundesregierung ein weiteres Mal von mir davon in Kenntnis gesetzt. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber sie halten sich nicht daran! Sie gehen eher zur Industriellen­vereinigung als ins Parlament!)

Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Kopf zu Wort. – Bitte.

 


10.44.26

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Natürlich sind Fremdenrecht und Asylrecht enorm wichtige Materien, aber auch die Familienförderung ist enorm wichtig, Bildungs­fragen sind enorm wichtig – und ich könnte mit der Aufzählung noch fortfahren.

Es macht keinen Sinn, die Bedeutung von Tagesordnungspunkten gegeneinander aus­zuspielen! Wir müssen eine Tagesordnung haben, und da ist es naturgemäß nun ein­mal so, dass ein Punkt nach dem anderen abgehandelt wird. (Zwischenruf des Abg. Mayerhofer.) Da soll man dann nicht ständig hineininterpretieren: Das ist jetzt als be­deutsamer gewertet worden, weil es an erster Stelle ist, und das Zweite ist vielleicht nicht so bedeutsam. Das ist doch Unsinn, das bringt uns doch nicht weiter! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist doch immer so! Das ist immer so!)

Wir haben aber gute Instrumente in diesem Haus, um zu unterscheiden – einerseits zwischen Sachdebatten, in denen wir oft sehr unterschiedlicher Meinung sind, und auf der anderen Seite den geschäftsordnungsmäßigen Notwendigkeiten, und zu denen ge­hört auch das Finden einer Tagesordnung. Das machen unsere Klubdirektoren, alle fünf, im Vorfeld: In sehr guter, konsensualer Art und Weise setzen sich diese sehr oft zusammen und finden Lösungen als Vorbereitung jener Entscheidungen, die wir Klub­obleute mit den drei Präsidenten später in der Präsidiale zu treffen haben – oder allen­falls dann auch hier im Hohen Haus.

Aber was passiert jetzt? – Wir hatten eine Lösung gefunden, auch für die Tagesord­nung. Okay, es hat zwei Parteien gegeben oder insbesondere eine, die diese Reihen­folge nicht so wollte; letzten Endes konnten wir diesmal keinen Konsens über alle fünf


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Parteien, aber doch über eine große Mehrheit hinweg, finden, die Tagesordnung heute und morgen so zu machen, wie sie ist. (Abg. Ing. Westenthaler: ... „verramts“ das an das ...!)

Jetzt ist es auch so, da es immer davon abhängt, wann das Fernsehen dabei ist, dass wir so fair sind und während der Fernsehzeit sogar alle fünf Parteien dieselbe Redezeit bekommen. Das ist abweichend von der Geschäftsordnung ein Entgegenkommen der größeren Parteien gegenüber den kleineren. (Abg. Ing. Westenthaler: So etwas von Überheblichkeit! – Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Das muss man schon einmal festhalten! (Abg. Dr. Graf: Das ist ein Gesetz! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Überheblichkeit ...!)

Meine Damen und Herren, was aber jetzt passiert, ist Folgendes: Wir haben hier eine unterschriebene Vereinbarung – von allen fünf Klubdirektoren unterschrieben – über die Verteilung der Redezeit während der Fernsehübertragung. Und jetzt geht das BZÖ, Herr Klubobmann-Stellvertreter Westenthaler, vorhin in der kurzen Präsidialbespre­chung her (Abg. Ing. Westenthaler: Weil wir das diskutieren wollen!) und sagt: Dieses Papier ist nichts wert! (Abg. Ing. Westenthaler: Das wollen wir diskutieren! Ihr wollt das nicht diskutieren!) Die Unterschrift der Klubdirektorin des BZÖ ist nichts wert, die interessiert uns nicht. Wir halten uns nicht an getroffene – sogar mit Unterschrift festge­haltene – Vereinbarungen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir halten uns an die Geschäfts­ordnung!)

Herr Westenthaler! Wenn wir in diese Form der formalen Zusammenarbeit einbiegen, dann – wir brauchen nicht inhaltlich einer Meinung zu sein, aber über die Spielregeln dieses Hauses sollte wenigstens Einigkeit herrschen (Abg. Ing. Westenthaler: Wir hal­ten uns an die Geschäftsordnung!) – gefährden Sie die parlamentarische Debatte in diesem Haus, und das ist verwerflich. (Abg. Ing. Westenthaler – die Titelseite der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „An der Ostgrenze regiert die Angst“ in die Hö­he haltend –: Die Menschen haben Angst! Dann sagen Sie einmal etwas dazu! Das ist Fremdenrecht! Sagen Sie einmal etwas dazu!) Halten Sie sich an die Vereinbarungen und zeigen Sie Charakter! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unglaublich! So etwas Arrogantes gegenüber ...!)

10.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. – Bitte.

 


10.48.09

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Frau Präsiden­tin! Herr Kollege Kopf, so kann es natürlich nicht gehen, dass Sie jetzt herauskommen und sagen, es sei verwerflich, wenn die Opposition, wenn das BZÖ von einem ge­schäftsordnungsgemäßen Recht Gebrauch macht – Herr Kollege Kopf, Geschäftsord­nung! (Abg. Kopf – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Unterschrift! Unterschrift!) – Was heißt „Unterschrift!“? In der Geschäftsordnung ist klar festgeschrieben, Herr Kolle­ge Kopf, ... (Abg. Kopf: Wissen Sie, was Vereinbarung heißt?) – Für uns gilt die Ge­schäftsordnung, Herr Kollege Kopf, und das ist kein Zugeständnis von Ihnen, das sind keine Almosen von Mehrheitsfraktionen, sondern das ist geschriebenes Recht, und auch Sie werden sich daran zu halten haben. (Beifall beim BZÖ.)

Aber es ist mir schon klar, Herr Kollege Kopf, was man will, denn es ist ja nicht so, dass man sagt: Na ja, warum soll man die Familie oder den Unterricht nicht jetzt be­sprechen? Das Asylgesetz, das ist schon wichtig, aber das kann man auch später dis­kutieren. – Ja, natürlich kann man das alles irgendwann diskutieren, nur ist es schon ein bisschen durchsichtig, wenn man jetzt vonseiten der Regierungsparteien versucht, dem Druck aus der Bevölkerung mit einem Placebo den Wind aus den Segeln zu neh-


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men, mit einem Asylgesetz, mit dem man so tut, als ob man die Probleme lösen würde, wie es die Bevölkerung von Ihnen verlangt. Dann ist natürlich klar, dass man die De­batte besser auf Mitternacht verlegt und der Bevölkerung nicht die Möglichkeit gibt, via TV-Gerät die Entlarvung dieses Placebos entsprechend mitverfolgen zu können. (Zwi­schenruf der Abg. Schönpass.) Das ist doch in Wahrheit der Hintergrund, warum man diese Tagesordnung so festgelegt hat! (Beifall beim BZÖ.)

Herr Kollege Cap, Sie haben es ja gesagt: Es ist der Versuch, etwas zu machen. – Wir brauchen aber keine Versuche, sondern wir brauchen wirkliche Handlungen, und Sie haben mit dieser Novelle zum Asylgesetz die gravierenden Probleme noch immer nicht gelöst!

Der Grundsatz, dass, wenn jemand das Asylrecht hier missbraucht, etwa dadurch, dass er straffällig wird, das Asylverfahren zu beenden und er abzuschieben ist, ist im­mer noch nicht klargelegt. Hier muss es einen klaren Grundsatz geben, aber dieser wird wieder nicht durchgesetzt! (Beifall beim BZÖ.) Zweimal kann jemand stehlen – zwei Mal!, das ist ein Freibrief für Körperverletzung, für Nötigung, für gefährliche Dro­hung –, und er kann noch immer sein Dasein in Österreich entsprechend fristen, sehr wohlbestallt mit der entsprechenden Unterstützung von uns allen.

Wir haben es jetzt wieder gesehen: Da kommt ein Lkw nach Österreich mit einigen Dutzend Kurden – geschleppt; diese haben wahrscheinlich viele tausend Euro an die Schlepper bezahlt –, und diese werden nach Traiskirchen verfrachtet: Traiskirchen, ohne jede Überwachung. Und man höre und staune: Wo sind diese Kurden nach weni­gen Stunden? – Sie sind verschwunden! Da war die Verwunderung groß: Ja, die haben sich beim Morgenappell nicht gemeldet! (Zwischenruf des Abg. Pendl.) Na wo sollen sie sich denn melden? – Die sind doch von den Schlepperorganisationen genau ge­brieft, genauso wie jene, die das Asylrecht missbrauchen wollen, von Anwälten und an­geblichen Hilfsorganisationen gebrieft sind, wie sie diese Gesetze missbrauchen kön­nen! Dem wollen wir einen Riegel vorschieben, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Straffällige sind abzuschieben, entsprechende Überwachung ist dort nötig, wo es einen entsprechenden Verdacht auf Missbrauch gibt.

Die Drittstaatsklausel, meine Damen und Herren, ist ein klares Gesetz: Es ist gültiges Recht, dass, wenn jemand aus einem unserer Nachbarländer nach Österreich kommt, das Verfahren in diesem Land durchzuführen ist. Da brauchen wir nichts mehr zu über­prüfen, sondern dieser Asylwerber ist in dieses Land zu bringen!

Betreffend Kettenanträge: Wenn jemand verfolgt wird, wenn jemand bedroht ist, dann wird er selbstverständlich all seine Argumente sofort vorbringen. Und wenn er das neue Argument erst dann einbringt, wenn sein erster Antrag abgelehnt wird, dann ist doch wohl evident, dass hier etwas nicht stimmt! – Auch diesbezüglich gibt es bei die­sem Gesetz keine entsprechenden Änderungen.

Dieser Asylmissbrauch ist nicht nur deshalb so verwerflich, weil dadurch die Sicherheit in unserem Land gefährdet wird, sondern auch, weil das Recht derer missbraucht wird, die es wirklich benötigen, weil diese Verfahren sich verschleppen, weil der Verwal­tungsapparat entsprechend überfordert ist. Dieser Missbrauch ist auch ein Missbrauch gegenüber den wirklich politisch, religiös oder rassisch Verfolgten, auch das sollten Sie endgültig zur Kenntnis nehmen und wirklich konkrete Maßnahmen setzen, so wie wir das immer wieder verlangt haben. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Bundesminister, es ist ja schön, dass Sie nun hier sind – ich weiß nicht, ob Sie vielleicht ein Frühstück mit der Arbeiterkammer gehabt haben, und jetzt kommt mögli­cherweise noch ein Mittagessen mit der Gewerkschaft (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Mag. Stadler und Grosz) –, aber ich sage Ihnen eines ganz klar und deutlich: Wir


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hier sind die Volksvertretung, wir hier sind der Gesetzgeber, und diesem Gesetzgeber, dieser Volksvertretung haben sich die Terminkalender der Minister unterzuordnen! (Beifall beim BZÖ.)

Sie wissen ein halbes Jahr im Voraus, wann diese Sitzungen sind, und da kann man solche vielleicht wichtigen Termine wie ein Abendessen mit der Industriellenvereini­gung verschieben, sodass wir auch eine Tagesordnung machen können, wie sie die Bevölkerung verlangt (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), damit wir vor den Augen der Menschen über die Sicherheit in diesem Land und gegen den Asyl­missbrauch diskutieren können. (Beifall beim BZÖ.)

10.53

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt zu Wort: Frau Abgeordne­te ... (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek begibt sich zum Rednerpult. – Abg. Ing. Wes­tenthaler: Was ist jetzt? Und ihr sagt, wir sind Chaoten?!) – Zur Geschäftsordnung: Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


10.53.41

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Na selbstver­ständlich muss man darüber diskutieren, wie Tagesordnungen zustande kommen, aber über etwas anderes muss man auch diskutieren, nämlich darüber, welche Handschlag­qualität es überhaupt noch in diesem Haus gibt, wenn ein Teil des BZÖ sagt: Okay, wir sind einverstanden (Abg. Ing. Westenthaler: Niemand hat das gesagt!), wir regeln ge­meinsam die Zeit, die wir im Fernsehen diskutieren können, damit diese auch für die Zuseher möglichst attraktiv ist!, dieser Teil des BZÖ das sogar unterschreibt, und dann ein anderer Teil des BZÖ sich unglaublich darüber aufregt, dass es diese Vereinbarung gibt.

Heute in der Früh war der Titel der Aktuellen Stunde „Das Chaos fährt Bahn“. Ich kann nur sagen: Das Chaos fährt BZÖ, und ich würde mir wünschen, dass wir das in der Präsidiale auch nachbesprechen, und zwar in dem Sinne, dass wir uns zumindest an das halten, wozu wir uns gemeinsam in irgendeiner Form schriftlich verpflichtet haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen aber einen Antrag stellen, wegen der Geschäfts­ordnung!)

Ich stelle den Antrag, das in der Präsidiale jedenfalls nachzubesprechen, um auch für die Bevölkerung und für die Zuseher irgendetwas sinnvoll Gestaltbares an Fernseh­übertragungstagen zu haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


10.54.44

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur eines feststellen: Wenn sich der Zuseher und die Zuseherin ihren Teil denken (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll), dann den, dass wir uns auf die Tagesordnungen gefälligst dort einigen sollten, wo das vorgesehen ist, nämlich in der Präsidiale (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Weil Sie Angst haben vor ...!), und dass die Klubdirektoren das ausgemacht haben – alle fünf haben das unterzeichnet. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Und das, was das BZÖ jetzt zu verantworten hat, ist eine Chaotisierung hier im Parla­ment. Das schadet dem Image des Parlaments, denn die Zuseherinnen und Zuseher


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 46

wollen inhaltliche Debatten und nicht die Wehwehchen einer sich langsam von diesem Haus verabschiedenden Fraktion, nämlich des BZÖ. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

Das ist schädlich für das Parlament, was sich hier abspielt! Hier soll diskutiert und nicht obstruiert und nicht das Parlament auf diese Art und Weise schlechtgemacht werden!

Halten Sie sich an die Vereinbarungen, so wie das jeder andere Bürger und jede ande­re Bürgerin auch tut! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Setz dich!)

10.55



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 47

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


10.55.41

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Kollege Cap, Ihre gespielte Erregung können Sie sich sparen, denn wir haben hier Gesetze
zu diskutieren, wir haben hier die Bevölkerung zu vertreten und nicht hier über Ihre Ge­schäftsordnungsgeschichten zu streiten. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Klar ist – und ich ersuche Sie, Frau Präsidentin, wenn das schon Thema in der Präsi­diale ist, das auch festzulegen –, dass verbindliche Vereinbarungen über den Ablauf der Sitzungen nur das Parlament und Parlamentarier machen können; Mitarbeiter des Parlaments, so wie die Klubdirektoren oder andere, können Vorschläge machen, aber Entscheidungen treffen die gewählten Abgeordneten.

Da soll man sich nicht aufregen, sondern man soll ganz genau nach diesen Regeln vorgehen, dann gibt es keine Probleme. (Beifall beim BZÖ.)

10.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


10.56.34

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Prinzipiell ist festzuhalten, dass die Bevölkerung sicherlich Interesse daran gehabt hätte, dass die Diskussion über das wirklich brennende Thema des Asylrechts (Abg. Ing. Westen­thaler: ... das alles „verramt“ ...!) zur Fernsehzeit stattfindet und man hätte zuhören und zusehen können, deshalb haben wir auch diese Einwendungsdebatte heute einbe­rufen, um darüber zu debattieren, aber natürlich gibt es Vereinbarungen, die getroffen worden sind, und daran sollte man sich halten.

Dass Vereinbarungen nicht eingehalten werden, ist leider Gottes in diesem Haus im­mer wieder der Fall, beispielsweise wenn es darum geht, dass Vereinbarungen getrof­fen worden sind, dass Minister im Untersuchungsausschuss selbstverständlich vorzula­den sind (Abg. Ing. Westenthaler: Die sind auch wurscht!), und man diese Vereinba­rungen vonseiten der Regierungsparteien nicht einzuhalten bereit ist, aber auch, wenn es um Vereinbarungen geht, die getroffen werden, in denen Klubdirektoren Zusagen gegeben haben, dass wir bei der Einwendungsdebatte die Zeit so einteilen, dass wir zwei Redner festlegen, und deshalb auch die Zeitordnung, die wir festgelegt haben, dann eingehalten werden kann – das ist leider Gottes vonseiten des BZÖ heute nicht eingehalten worden.

Ich meine, dass es gerade im Parlamentarismus notwendig ist, dass, wenn man sich zusammensetzt und Vereinbarungen trifft, diese auch einzuhalten sind, und zwar auf allen Ebenen und in allen Bereichen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


10.57.47

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zwei, drei Bemerkungen.

Zum Ersten: Was müssen sich die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause an den Fern­sehschirmen von uns denken, wenn wir statt über die Sache zu debattieren solche De­batten in die Wohnzimmer liefern? – Wir sollten uns wirklich schämen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ja, bitte!)

Zum Zweiten: Wir haben ein Gesetz namens Geschäftsordnung. Das regelt, wie wir hier die Debatten miteinander organisatorisch abwickeln. (Abg. Mag. Stadler: Richtig! § 50 Abs. 1! § 50 Abs. 1!) Darüber hinaus gibt es in diesem Hohen Haus eine lange Tradition, dass man – wenn alle fünf Parteien zustimmen – durchaus auf Basis dieser Geschäftsordnung, aber abweichend davon, auch andere Regelungen treffen kann. Und eine solche Vereinbarung gibt es zur Abwicklung der heutigen Sitzung, und darauf sind die Unterschriften aller fünf Klubdirektoren! (Abg. Mag. Stadler: Es gibt keine Ver­einbarung mehr! Solange die Regierungsmitglieder ... gibt es keine Vereinbarung mehr!)

Liebe Freunde vom BZÖ! Meine Damen und Herren vom BZÖ! Die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung zeigt mir zwei Dinge: zum Ersten, wie Sie mit Ihren Mitarbeitern im Klub umgehen (Beifall bei ÖVP und SPÖ) – das ist wirklich unglaublich! –, und zum Zweiten generell, dass man mit Ihnen keine Vereinbarungen schließen kann, weil Sie nicht bereit sind, sie einzuhalten. (Zwischenrufe beim BZÖ.) – Schämen Sie sich! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: ... dass Sie sich schämen sollen! Für den Auftritt sollten Sie sich wirklich schämen!)

10.59

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich nun der nächsten Rednerin, Frau Ab­geordneter Mag. Korun, das Wort erteile, halte ich Folgendes fest ... (Anhaltende Rufe des Abg. Ing. Westenthaler.) – Vielleicht kann auch der Herr Abgeordnete Westentha­ler einmal kurz zuhören! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Nein, das kann er nicht!) Ich halte fest, dass ich noch für heute eine Sonderpräsidiale einberufe, da es ja auch morgen Sitzungen gibt und ich als Präsidentin des Nationalrates gerne wissen möchte, woran ich und woran Sie alle morgen sein werden.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. – Bitte. (Oje-Rufe bei der ÖVP. – Anhaltende Rufe beim BZÖ sowie Gegenrufe bei der ÖVP.)

 


11.00.39

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Was das BZÖ und die FPÖ mit dieser Einwendungsdebatte vorhaben, ist mehr als durchsichtig: Sie wollen – entgegen den Vereinbarungen, die auch von Ihren Fraktio­nen unterschrieben wurden – Ihr Gift in der Fernsehsendezeit aussprühen, damit die Gesellschaft mehr gespaltet wird, damit sie noch mehr, als Sie das jetzt schon tun, auf der Menschenwürde von einer Gruppe von Menschen herumtrampeln können. Das ist Ihr einziges Ziel! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Setzen Sie sich nieder! – Abg. Dr. Graf: Das ist unerhört! Da geht es darum, wann etwas besprochen wird! Das stimmt überhaupt nicht, was Sie da sagen!)

Sie sind unfähig (Abg. Scheibner: Das haben Sie schon wieder falsch verstanden! Sie sollten einmal zuhören!), sich an die Vereinbarungen in diesem Hohen Haus zu halten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 48

Die Papiere, die Sie als Fraktionen unterschrieben haben, gelten für Sie offensichtlich nichts. (Abg. Scheibner: Sie sollten zuhören!) Und über den Anlassfall haben wir ge­nug gehört.

Natürlich sind wir Grünen der Meinung, dass Minister und Ministerinnen dieser Repu­blik, denen die Termine des Nationalrats Monate im Voraus bekannt gegeben wurden, sich an die Termine des Hauses auch zu halten haben. Es kann nicht sein, dass der Nationalrat sich nach dem Kalender von Ministern und Ministerinnen richtet. Derzeit ist es noch immer umgekehrt der Fall, aber das wird sich ändern – spätestens nach der nächsten Sitzung.

Sehr geehrte Damen und Herren, es wurden hier so viele Unwahrheiten von FPÖ-lern und BZÖ-lern zur vorliegenden Gesetzesnovelle verbreitet, dass man gar nicht mehr weiß, wo man eigentlich zu berichtigen anfangen soll. (Abg. Dr. Hübner: Ist das ein grünes Gesetz?) Aber ich werde auch gar nicht versuchen, in 3 Minuten zu berichtigen, denn das hat System bei Ihnen. Das wissen alle.

Sie behaupten irgendwelche Unwahrheiten (Rufe bei der FPÖ: Welche?), Sie behaup­ten irgendwelche Dinge, die nicht im Gesetz stehen, und dann sollen die anderen sich ständig damit aufhalten, das zu korrigieren und zu sagen: Das stimmt nicht, das stimmt nicht, das stimmt nicht. Stattdessen werde ich ein paar sogenannte Highlights, negati­ve Highlights, aus der vorliegenden Regierungsvorlage zitieren.

Es war hier von Missbrauch die Rede. – Ja, es gibt Missbrauch: Es gibt den Miss­brauch des Parlamentarismus, es gibt den Missbrauch von gewählten Mandataren und Mandatarinnen, um auf der Menschenwürde von einer Personengruppe herumzutram­peln und Asylwerber und Asylwerberinnen pauschal zu Lügnern und zu Kriminellen zu erklären. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Das ist ja unerhört! Meinen Sie die Grünen? Meinen Sie die grünen Parlamentarier?)

Ich sage Ihnen, was die Gesetzesnovelle bringt. Sie bringt eine Gebietsbeschränkung, die lautet: Wenn ich als Asylwerber in Traiskirchen untergebracht bin und es mir erlau­be, nach Wien zu fahren, um einen Rechtsanwalt oder eine unabhängige Rechtsbera­tung aufzusuchen (Abg. Pendl: Wir sind in einer Einwendungsdebatte!), werde ich
in Schubhaft genommen und bekomme eine Geldstrafe von mindestens 1 000 € aufge­brummt!

Und Sie reden dann von „Missbrauch“? Missbrauch ist das, was Sie hier betreiben, unter dem Deckmantel der Immunität als gewählte Abgeordnete. Mehr dazu und Inhal­te in der Debatte. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


11.04.01

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zunächst ein paar Anmerkungen zum Parlamentarismus. Frau Kollegin Korun, diese Rede kön­nen Sie hier in Österreich halten – in Ankara könnten Sie sie nicht halten! Das ist der Wert des Parlamentarismus in Österreich. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Mag. Korun: Ich bin österreichische Abgeordnete!)

Ad zwei: Parlamentarismus bedeutet für mich nicht, Herr Kollege Kopf, dass ich mir von einer Ministerin die Tagesordnung bestimmen lasse, nur weil sie Bastelrunde mit irgendeiner SPÖ-Sektion hat, und auch nicht, dass ich mir von einem Klubdirektor oder von einer Klubdirektorin sagen lasse, ob ich noch reden darf oder nicht. Das ist nicht Parlamentarismus, nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich bin frei gewählter Abgeordneter und entscheide das immer noch selber, und ich nutze die Möglichkeiten, die mir das


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 49

Gesetz einräumt, und nicht das, was mir die ÖVP gerade noch zugesteht. – Das ist meine dritte Anmerkung zum Parlamentarismus.

Und nun sage ich den Damen und Herren vor den Fernsehschirmen, warum die Koali­tion nicht über dieses Thema Fremdenrechtsnovelle reden will: Weil sie nicht darüber reden will, was ihre eigenen Landespolitiker gestern gesagt haben, Niessl im Burgen­land, Pröll in Niederösterreich: Ihr sollt endlich wieder Grenzkontrollen einführen! – Als ich das vor einem halben Jahr hier gefordert habe, gab es einen Sturm der Entrüstung links und rechts im Haus, bei Rot und Schwarz – jetzt fordert es der schwarze nieder­österreichische Landeshauptmann und sagt, er wird bei der Frau Innenministerin Fek­ter Druck machen. Das wollen Sie nicht diskutieren, wenn der Zuseher mitschauen kann, das wollen Sie zur Geisterstunde diskutieren!

Sie wollen nicht darüber diskutieren, dass Ihr eigener Landeshauptmann Niessl sagt, man soll an der burgenländisch-ungarischen Grenze und an der slowakischen Grenze wieder Grenzkontrollen einführen. Das wollen Sie nicht diskutieren, wenn der Zu­schauer mitschauen kann, das wollen Sie zur Geisterstunde diskutieren! Das ist der Grund. Am liebsten würden Sie es gar nicht diskutieren. Nur weil Sie die Geschäfts­ordnung zwingt, dass Sie da mit der Opposition ein bisschen was diskutieren müssen, müssen Sie es überhaupt machen – aber das zur Geisterstunde, ja nicht, wenn der Zu­schauer mitschauen kann. Meine Damen und Herren, das ist der Hintergrund dieser ganzen Debatte. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist so, meine Damen und Herren, und es hat sich auch gestern im EU-Unteraus­schuss des Hauptausschusses herausgestellt: Sie haben eine Liberalisierung des Auf­enthaltsrechtes im Auge, weil das die Europäische Union will!

Wissen Sie, wie dort die Begriffe heißen? – Die Begriffe heißen dort: dynamische Ein­wanderungspolitik. Man verlangt dort eine Einschränkung der Kompetenzen der Mit­gliedsländer, auch was den Arbeitsmarkt anlangt. Man verlangt dort einen Einwande­rungskodex, der die Einwanderer den Gemeinschaftsbürgern gleichstellen soll. Das ist der Hintergrund Ihrer Bemühungen: Sogar Kriminelle in diesem Land integrieren zu wollen, anstatt abzuschieben, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Und das hat nichts mit Phantasie zu tun, sondern das ist das, was der Bürger tagtäglich drau­ßen erlebt.

Oder glauben Sie wirklich, dass der Erwin Pröll jetzt auf einmal auf die Idee kommt, Grenzkontrollen zu verlangen, dass der Erwin Pröll es geträumt hat, was sich in Trais­kirchen abspielt, meine Damen und Herren? – Massenschlägereien – nicht zwischen Skinheads und Ausländern, sondern Ausländern untereinander, meine Damen und Herren, die sich gar nicht vertragen, weil sie in unser Land kommen und nicht im Traum daran denken, sich an unsere Gesetze zu halten, meine Damen und Herren, weil hier ein überproportional hoher Anteil an Kriminellen unter den Asylanten ist.

Gehen Sie hinaus in die Strafanstalten Österreichs, dann werden Sie feststellen, wie viele Tschetschenen und Georgier da drinnen sitzen, meine Damen und Herren, im Verhältnis zu den Österreichern. Da stimmt was nicht mit den Proportionen. Frau Kolle­gin Korun, haben Sie das auch einmal kontrolliert? Das ist einfach statistisches Mate­rial, das eine andere Sprache spricht, das zeigt, dass wir überproportional viele Asy­lanten, überproportional viele Ausländer unter den Kriminellen haben. Und das ist ein Faktum, meine Damen und Herren, das können Sie nicht wegleugnen! (Beifall beim BZÖ.)

Haben Sie, meine Damen und Herren Genossen von der SPÖ, mit Ihrem Genossen Fritz Knotzer schon einmal darüber gesprochen, was sich in Traiskirchen abspielt? Ich kenne den Fritz Knotzer. Der hat mich schon vor Jahren in der Landesregierung in Nie­derösterreich angejammert und hat gesagt: Die Ausländerpolitik meiner eigenen Partei


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 50

ist so falsch, ich kann nur leider nichts machen – sie ist immer noch in ihren sozialro­mantischen, multikulturellen Träumen verhaftet.

Diese sozialromantischen, multikulturellen Träume führen dazu, dass Sie weiterhin Stimmen an die FPÖ verlieren. Das geschieht Ihnen recht! (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.) Und solange Sie weiter träumen, meine Damen und Herren, sollen Sie auch weiter verlieren. Der Wähler wird Ihnen mit jeder einzelnen Stimme, die Ihnen verloren geht, in Zukunft die Quittung für Ihre Sozialromantik geben.

Aber man soll nicht meinen, dass es nur die SPÖ ist. Mittlerweile träumt diese Träume auch die ÖVP mit. Die sogenannte Fremdenrechtsnovelle ist nichts anderes als eine Integrationsnovelle zur Integration krimineller Ausländer, meine Damen und Herren, und das alles unter Maria Fekter! (Beifall beim BZÖ.)

Daher weiß Erwin Pröll, was er sagt, wenn er verlangt, dass nach dem Dublin-Abkom­men die Asylanten, die in Österreich gar nichts mehr verloren hätten und schon lange weg sein müssten, auch endlich abgeschoben werden. – Nicht Ewald Stadler, sondern Erwin Pröll – nachlesbar in gestrigen Tageszeitungen!

Ich sage Ihnen zum Abschluss noch etwas, meine Damen und Herren, was für Sie viel­leicht auch eine zitierbare Stimme ist. Der Herausgeber Wolfgang Fellner schreibt wört­lich zu Ihrer Ministerin – ich zitiere (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzei­chen); ich bringe nur noch dieses Zitat –:

„Gegen die Einbruchs-Touristen hilft – wie das Ansteigen der Einbrüche zeigt – keine ,Schleierfahndung‘, kein ,Planquadrat‘, keine ,Grenzraum-Sicherung‘ und keine 200 Poli­zisten mehr. Das ist Fekter-Papperlapapp, das die Wähler nur noch zorniger macht.“ (Beifall beim BZÖ.)

11.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre 5 Minuten bereits deutlich überzogen!

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Die Einwendungen der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen sind gleichlautend mit den Einwendungen des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenkranz, weshalb ich darüber unter einem abstimmen lasse.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die den Einwendungen Rechnung tragen wollen, das heißt, Absetzung der Tagesordnungspunkte 6 bis 9 von der Tagesordnung der 40., al­so der heutigen Sitzung, damit diese in der 41. Sitzung als Tagesordnungspunkte 1
bis 4 verhandelt werden können, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Min­derheit.

Somit bleibt es bei der schriftlich mitgeteilten Tagesordnung für die heutige Sitzung.

11.10.39Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3282/J bis 3356/J;

2. Anfragebeantwortungen: 2891/AB bis 2894/AB;


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3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem ein Pyrotechnikgesetz 2010 erlassen und das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert wird (367 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (386 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die polizeiliche Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Polizeiamt (Europol) erlassen wird sowie das Polizeikooperationsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (391 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsge­setz, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentanwalts­gesetz und das Patentamtsgebührengesetz geändert werden (393 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2009, das Bundesfinanzgesetz 2010 sowie das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2009 bis 2012 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2010 bis 2013 erlassen werden, geändert werden (394 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2009 (Vorlage 24 BA);

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiati­ven an andere Ausschüsse:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bürgerinitiative Nr. 7 betreffend „Soziale Arbeit ist mehr wert!“;

Unterrichtsausschuss:

Bürgerinitiative Nr. 8 betreffend „Finanzielle Gleichstellung der Schulen in freier Träger­schaft mit den konfessionellen Privatschulen. GLEICHHEIT FÜR ALLE SCHULKINDER!“;

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 29 betreffend „Lärmschutz ÖBB im Wipptal“, überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 812/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung,

Antrag 814/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung des willkürlichen Deckels bei der Pensionserhöhung im Bereich der ASVG-Pensionen,

Antrag 815/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns,

Antrag 816/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer existenzsichernden, bedarfsorientierten Mindestsicherung;


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Finanzausschuss:

Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Rückvergütung der Mehrwertsteuer beim Kauf von ein- und mehrspurigen Elektrofahrzeugen;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 804/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie zur Erhebung der Inzidenz bei Speicheldrüsentumoren,

Antrag 806/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesundheitsgefährdende Babyfläschchen,

Antrag 809/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweckwidmung von Teilen der Tabaksteuer für Tabakpräven­tion und Rauchertherapie,

Antrag 813/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Empfehlungen des Tierschutzrates hinsichtlich einschlägiger Ausbildung von Hunden,

Antrag 818/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Empfehlung des Tierschutzrates hinsichtlich der Enthornung von Kälbern,

Antrag 819/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend tierschutzkonforme Tötung von Krustentieren;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 820/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gestaltung der EU-Agrarpolitik nach 2013;

Ausschuss für Menschenrechte:

Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Kindersklaverei;

Umweltausschuss:

Antrag 802/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Internationales Abkommen zum Schutz der Arktis,

Antrag 808/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Qualitätszielverordnung Ökologie,

Antrag 810/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Förderung Kleinwasserkraft,

Antrag 811/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Resolution AKW Mochovce,

Antrag 817/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhandlungsposition der Bundesregierung bei der Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen;

Verfassungsausschuss:

Antrag 803/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend spezielle Kennzeichnung von Stellenausschreibungen im Bereich der Bundes­ministerien;

Verkehrsausschuss:

Volksbegehren „Stopp dem Postraub“ (343 d.B.);


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Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Abkommen zwischen der Republik Österreich, der Republik Bulgarien, der Republik Ungarn, Rumänien und der Republik Türkei über das Nabucco-Projekt (385 d.B.).

*****

Ankündigung einer Dringliche Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Klub der Grünen hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 3357/J der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „System Grasser“ und der Wille der ÖVP, die Machenschaften lückenlos aufzuklären, dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich wei­ters mit, dass Herr Abgeordneter Werner Neubauer beantragt hat, dem Verfassungs­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 346/A(E) betreffend die Verankerung der Schutzmachtfunktion Österreichs für die Südtiroler deutscher und ladinischer Mut­tersprache eine Frist bis zum 22. Oktober 2009 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren. Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 4 und 5, 6 bis 8 sowie 10 und 11 der Tagesordnung jeweils zusammen­zufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wie­ner Stunden“ vorgeschlagen, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 122 Minuten, FPÖ 108 Minuten sowie BZÖ und Grüne je 95 Minuten.

Für die Dauer der Fernsehübertragung durch den ORF – ab jetzt, sage ich dazu – wur­de folgende Redeordnung vereinbart: eine Runde mit je 8 Minuten, ein Regierungsmit­glied 10 Minuten, eine Runde mit je 5 Minuten, ein weiteres Regierungsmitglied mit 10 Minuten, dann eine Runde mit 4 Minuten, eine Runde mit je 3 Minuten für SPÖ und


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ÖVP und mit 5 Minuten für FPÖ, BZÖ und Grüne und eine Rednerrunde mit 2 Minuten für SPÖ und ÖVP. Das sind insgesamt 130 Minuten. Von diesen 130 Minuten fehlen uns bereits 25 Minuten. Das heißt, es wird darüber zu diskutieren sein, ob die letzte Runde zur Gänze wegfällt oder ob die Redezeit noch einmal gekürzt wird.

Trotzdem möchte ich diesen Rahmenbeschluss gerne jetzt fassen lassen und ergänze den Vorschlag auch noch dahin gehend, dass der vorsitzführende Präsident vor Be­ginn der letzten Runde nach Rücksprache die Redezeit für die Fraktionen in der Weise verteilt, dass alle Fraktionen in der Fernsehzeit gleichmäßig zu Wort kommen.

Es besteht auch Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

11.14.111. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (292 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (345 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (339 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (346 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxenge­setz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden (347 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Strache zu Wort. Ich stelle die Uhr, wie vereinbart, auf 8 Minuten. – Bitte.

 


11.14.56

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaftskrise hat auch das Thema Bildung verstärkt in den Vordergrund gerückt, und das ist gut so, denn Investitionen in die Bildungspolitik sind besonders wichtig, geht es hier doch um unsere jungen Menschen, um die Zukunft unseres Heimatlandes. Und da sollten wir alle erforderlichen Investitionen tätigen, damit nach der Ausbildung in der Schule auch gut ausgebildete Menschen in den Berufsprozess übergehen können.

Natürlich muss auch im Bildungsbereich das Geld richtig eingesetzt werden. Und hier gibt es massive Bedenken von unserer Seite, denn zu einer großen und umfassenden Bildungsreform ist diese Bundesregierung nicht bereit. Dazu fehlen ihr der Mut und wahrscheinlich auch die Phantasie. Hier gibt es eine Alt-68er-Entwicklung, die wir ver­folgen können, von der SPÖ vorangetrieben, aber die ÖVP übernimmt sie gerne, wenn es um die Gesamtschule geht, wo man versucht, diese verschämt als Neue Mittelschu­le zu bezeichnen.


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Aber was bedeutet die Gesamtschule, die Ihr Ziel ist? – Sie bedeutet, junge Men­schen alle auf eine Stufe, auf eine Ebene zu stellen und nicht mehr besondere Bega­bungen der jungen Menschen herauszustreichen und sich auch um deren Schwächen anzunehmen. Ich glaube, dass es notwendig ist, hier sehr wohl differenziert vorzu­gehen und nicht die Gesamtschule für die 6- bis 14-Jährigen zu forcieren. Das wäre meines Erachtens ein Fehler, aber diese Bundesregierung geht genau in diese Rich­tung.

Sie wundern sich über PISA-Ergebnisse, kommen aber nicht auf den Gedanken, dass das etwas damit zu tun haben kann, dass wir einen exorbitant hohen Anteil von Kin­dern nicht-deutscher Muttersprache an den Schulen haben und es in den Ballungszen­tren teilweise Klassen gibt, in denen von 30 Schülern in einer Klasse nur mehr ein, zwei, drei Kinder Österreicher sind. Wundern Sie sich nicht über eine PISA-Studie und deren negative Ergebnisse, wenn Kinder zum Regelschulunterricht zugelassen wer­den, obwohl sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind!

Sie handeln in diesem Bereich nicht und machen wieder dieselben Fehler wie schon bisher. Wir meinen, dass es notwendig ist, dass junge Menschen, bevor sie am Regel­schulunterricht teilnehmen können, auch die deutsche Sprache verstehen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist notwendig für alle Kinder, damit sie später einmal eine Chance haben, aber die­se Chance verwehren Sie ihnen. Wir haben immer den kostenlosen Kindergarten für österreichische Staatsbürger gefordert, und zwar ohne Verpflichtung, wie Sie das ge­setzlich festgelegt haben. Wir wollen das auf freiwilliger Basis: den kostenlosen Kinder­garten für österreichische Staatsbürger. Aber für jene Kinder mit nicht-deutscher Mut­tersprache, die im fünften Lebensjahr kaum ein Wort Deutsch verstehen, ist es doch nicht sinnvoll, in den Kindergarten zu gehen, damit sie dort eine Betreuung erhalten, aber wieder nicht die deutsche Sprache erlernen. Da wäre es doch sinnvoll, eine deut­sche Vorschule sicherzustellen, damit sie Deutsch lernen, wie das in Finnland gelebt wird, wo man die Landessprache erlernt und erst dann zum Regelschulunterricht zuge­lassen wird.

Genau das brauchen wir, und dafür wollen wir Sorge tragen. Vom Schüler zum Sozial­hilfeempfänger – das ist die „Karriere“, die Sie heute manchen jungen Menschen er­möglichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vom Schüler zum Sozialhilfeempfänger: Das ist leider oftmals Realität in unserer Gesellschaft, eine „Karriere“, die auch immer öfter österreichische Kinder machen. Wenn sich der Lehrer beziehungsweise die Lehrerin hauptsächlich um die Sprachmän­gel von Kindern mit Migrationshintergrund kümmern muss, dann bleibt natürlich das Bildungsniveau auf der Strecke, und zwar für alle betroffenen Kinder. Deshalb müssen wir da etwas verändern, und es darf nicht nur eine Kann-Bestimmung geben, wenn es darum geht, die Klassenschülerhöchstzahl mit 25 zu beschränken. Wir haben heute in Österreich noch immer Schulklassen mit 30 Kindern pro Klasse. Da brauche ich eine Muss-Bestimmung, und dann darf es eben keine Klasse mit mehr als 25 Kindern pro Klasse geben! Dann brauchen wir mehr Schulklassen, dann müssen wir mehr Lehrer anstellen, die auch besser auf die Kinder eingehen können. Dann brauchen wir eine verpflichtende deutsche Vorschule, und es darf erst dann die Zulassung von Kindern mit Migrationshintergrund zum Regelschulunterricht erfolgen, wenn sie die deutsche Sprache verstehen. Und dann brauchen wir auch Quoten von Kindern mit Migrations­hintergrund von 20 bis 30 Prozent pro Klasse, damit Integration auch funktionieren kann. – Genau dazu sind Sie leider Gottes nicht bereit! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie jetzt sagen, dass Sie deshalb ja auch das verpflichtende Gratiskindergarten­jahr eingeführt haben, muss ich Ihnen sagen: Das wird das Problem nicht lösen, ganz


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 56

im Gegenteil, denn nur mit einer Betreuung wird man nicht Deutsch lernen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Das ist auch der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Wir haben immer klare Positionen in dieser Frage eingenommen. Wir wollen, dass es nicht nur ein Flickwerk gibt, wie das auch heute wieder der Fall ist im Bereich der Bildungspolitik.

Prinzipiell begrüßen wir die Einführung der teilzentralen Matura, das ist immer eine freiheitliche Forderung gewesen, die wir auch immer in unseren freiheitlichen Program­men erhoben haben. In Ihrer Gesetzesvorlage wird aber bei dieser neuen Reifeprüfung mehr Gewichtung auf den schriftlichen Teil und weniger auf den mündlichen Teil ge­legt. Das befinden wir für sehr negativ, denn derzeit werden pro Fach drei Fragen ge­stellt; bei diesem neuen System, wie Sie es vorsehen, wird pro Fach lediglich eine Fra­ge gestellt. Das ist eine falsche Entwicklung, da sich die Schüler vor allem mündlich, im Bereich der Kommunikation, verbessern müssen.

Oder nehmen wir die Basiszuwendung für das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung: Von 2010 bis 2012 nehmen Sie eine Erhöhung von 6,5 Millionen € auf 13 Millionen € vor, aber diese 13 Millionen € wären in anderen Be­reichen notwendig. Sie wären notwendig und sinnvoller, wenn es darum geht, Um­schichtungen in den Bereichen, die ich vorher beschrieben habe, vorzunehmen, näm­lich um die Schülerzahlen zu reduzieren und mehr Lehrer anzustellen. In diese Berei­che sollten wir investieren, und nicht in ein Flickwerk, wie das heute der Fall ist. Wir er­leben in Einzelbereichen Kosmetik, man stellt quasi vor ein zerbrochenes Fenster einen Blumentopf, damit man das zerbrochene Fenster nicht sieht.

Es braucht prinzipielle Änderungen unseres Bildungssystems – keine Frage. Es braucht eine Situation, durch die wir an öffentlichen Schulen das Autoritätsprinzip wie­der sicherstellen, damit Bildungseinrichtungen eben nicht Toleranz gegenüber Drogen, Alkohol oder Gewalt leben. Wir müssen heute leider Gottes erleben, dass in vielen Be­reichen weggesehen wird.

Es kann auch nicht sein, dass es Sonderwünsche bezüglich des Schulunterrichts gibt, wie sie von diversen Glaubensrichtungen – in dem Fall von der muslimischen Glau­bensgemeinschaft – wiederholt geäußert werden. Das hat im öffentlichen Schulbereich nichts zu suchen, sondern wenn, dann im privaten Schulbereich, wie das andere Glau­bensgemeinschaften auch leben.

Das differenzierte Schulsystem ab der fünften Schulstufe ist von unserer Seite aus beizubehalten. Die FPÖ lehnt das Modell der Gesamtschule grundsätzlich ab. Damit sind wir zwar allein in diesem Haus, aber da weiß die österreichische Bevölkerung we­nigstens, an wem sie sich orientieren und auf wen sie sich verlassen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen bei den polytechnischen Schulen ein echtes Berufsfindungsjahr sicher­stellen, genau das wäre notwendig. Das heißt, dieses Jahr soll genutzt werden, damit man aufgeklärt wird, welche Berufe es gibt, wo man Chancen und Möglichkeiten hat, damit eben nicht jeder in die alten Berufsschemata hineingeht und wieder nur Mechani­ker oder Friseur lernt und am Ende in Wirklichkeit kein Arbeitsplatz vorhanden ist.

Ich sage, unsere Kinder sind unsere Zukunft, da wollen wir investieren, da müssen wir investieren, und da müssen wir auch die Fehlentwicklungen im Schulbereich sehr ernst nehmen. Ich denke aber – leider Gottes zeigen Sie das heute wieder –, dass Ihnen das nicht wichtig genug ist. Sie wollen alles nach unten nivellieren, Sie wollen alles gleich­stellen, und das kann sicherlich in einer zukunftsfähigen Gesellschaft nicht funktionie­ren. (Beifall bei der FPÖ.)

11.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 57

11.23.04

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Es ist bedauerlich, dass sich nicht die Bildungsexperten von der frei­heitlichen Fraktion zuerst zu Wort gemeldet haben, sondern der Klubobmann. (Abg. Strache: Das zeigt das wichtige Thema!) Es ist schade, dieses Thema zu missbrau­chen, um billige Ausländerpolemik zu machen. Die Deutschkenntnisse sind etwas, was alle fordern (Zwischenrufe bei der FPÖ), was alle wollen und wofür sich alle einsetzen, damit die Kinder besser Deutsch können und dadurch auch besser ausgerüstet in die Schule kommen. Was Sie aber inhaltlich in anderen Bereichen gesagt haben, das ist einer FPÖ einfach nicht würdig. Aber wenn Sie das selbst so vertreten und sich die Bil­dungspolitiker das gefallen lassen, soll es so sein.

In Wirklichkeit ist der heutige Tag ein Freudentag in der Bildungspolitik. (Abg. Dr. Kö­nigshofer: Für die Lehrer wahrscheinlich!) Sie wissen das ganz genau, Sie wollen es nur nicht wahrhaben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Die Leute tanzen auf der Straße!) Es ist nämlich tatsächlich so, dass Claudia Schmied einen mühsamen Kampf führt, und seit ich diesem Hohen Haus angehöre – die letzten drei Jahre –, hat sie Schritt für Schritt sehr vieles getan. Ich darf Ihnen das in Erinnerung rufen.

Ich erinnere an den Start mit der Senkung der Klassenschüler-Höchstzahlen. Das ist eine wichtige Errungenschaft (Abg. Strache: Aber keine Mussbestimmung!), und wer an der Schule tätig ist, weiß, wie wichtig es ist, denn je geringer die Schülerzahl ist, desto besser können sich die Lehrer mit unseren Kindern auseinandersetzen. (Abg. Strache: Aber in Wien haben wir Klassen mit 30 Kindern und mehr! Wo sind denn die Schulklassen mit 25 Kindern?! Sagen Sie die Wahrheit!)

Der zweite wichtige Schritt wurde wiederum von Ihnen lächerlich gemacht. Es ist noch nicht die endgültige Lösung für die Frühpädagogik gefunden, aber es ist ganz wichtig, dass man einen ersten Schritt setzt. Und der wurde mit dem verpflichtenden Kindergar­tenjahr gesetzt, das garantiert, dass möglichst alle Kinder möglichst gut vorbereitet in die Schule kommen. Es braucht hier weitere Schritte, aber Claudia Schmied ist es ge­lungen, hier den ersten entscheidenden Schritt gemeinsam mit dem Koalitionspartner zu setzen. Das ist ein ganz wichtiger und entscheidender Schritt! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Molterer.)

Wenn Sie die Sache objektiv angehen würden, müssten Sie anerkennen, dass auch die Verkleinerung der Gruppen im Sprachunterricht eine entscheidende Verbesserung ist und dass es im Rahmen des Förderunterrichts und der Schaffung von Bildungsstan­dards Verbesserungen gibt. Damit weiß man in Zukunft, wo die Kinder nach der vierten Klasse Volksschule oder der vierten Klasse Hauptschule stehen sollen, was sie kön­nen, wo sie quasi abgeholt und wie sie weitergegeben werden.

Daher ist das, was wir heute tun – nämlich auch die Matura neu zu organisieren –, eine logische Fortsetzung des Programms der Regierung und des Programms von Claudia Schmied. Und Sie hätten sagen sollen, wie wichtig es ist, dass wir diese drei neuen Säulen haben, die uns nicht nur Verlässlichkeit für die Zukunft, sondern auch inter­nationale Vergleichsfähigkeit geben. Man kann sich darauf verlassen, dass Jugend­liche, die bei uns die Matura machen, dann auch mit einem bestimmten Niveau,
egal, welchen Zweig sie besucht haben, abschließen. Das ist eine wichtige Vorausset­zung für die Weiterbildung unserer jungen Generation. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Donabauer.)

Ich weiß schon, dass die neue Matura eine zusätzliche Herausforderung für die Lehr­personen ist. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass sie das mit Bravour meistern werden, weil auch die Vorbereitungen dementsprechend gut und auf Schiene gebracht sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 58

Das Entscheidende für mich ist – das sage ich immer wieder und das fällt oft bei Quali­tätsfragen unter den Tisch – die zusätzliche Objektivierung, die wir mit dieser neuen Matura herstellen. Ich erlebe es immer wieder, Sie kennen es vielleicht; es gibt natio­nale, aber auch internationale Untersuchungen bei Lehrergruppen, die gleich ausgebil­det sind und denen man ein und denselben Aufsatz zur Beurteilung gegeben hat. Es hat bei der Bewertung alle Noten in der Notenskala von Eins bis Fünf für ein und den­selben Aufsatz gegeben. Das gibt es auch international, das ist kein österreichisches Spezifikum. Daher ist gerade diese Objektivierung ein ganz, ganz wichtiger Schritt, da­mit die Kinder nicht so sehr davon abhängig sind, wo und von wem sie wie unterrichtet wurden, sondern dass man weiß, dass es ganz klare Voraussetzungen gibt. Daran ha­ben sich die Schulen, aber auch die Schüler zu halten, und wir haben die Gewissheit, dass diese Prüfungen auch objektiv abgewickelt werden.

Ein weiterer Punkt: Auch der Kollege Strache, nicht nur der politische Mitbewerber, hat es erwähnt. Es wird immer die Frage gestellt, ob die Ministerin und die Sozialdemokra­ten überhaupt ein Gesamtkonzept für die neue Schule haben. Wie schaut die neue Schule 2020 aus? Wer, wenn nicht wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, soll das wis­sen? (Abg. Grosz: Wer, wenn nicht er?!) Warum hat man 2006 nach dieser unseligen Ära Gehrer der Sozialdemokratie das Unterrichtsressort gegeben? – Weil man gewusst hat, dass hier der größte Reformbedarf gegeben ist, hier sind große, entscheidende Schritte zu setzen. Daher ist es ganz, ganz wichtig, diese Dinge auch noch einmal in den Mittelpunkt zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf einige Eckpunkte in den Mittelpunkt rücken: Ich habe schon erwähnt, dass für uns eine kind- und chancengerechte Frühförderung wichtig ist. Vom Kleinstkind an sol­len mit den neuen Möglichkeiten des spielerischen Förderns und Forderns die Chan­cen verbessert werden, und das verpflichtende Kindergartenjahr war ein erster Schritt in diese Richtung.

Es geht um neue, kreative Unterrichtsformen, individuelles Eingehen auf Bedürfnisse der Kinder und darum, Stärken zu stärken und Schwächen abzubauen. Und das kön­nen wir nur, wenn wir konkrete Maßnahmen setzen, und die wurden bereits gesetzt, in Form von kleineren Gruppen, kleineren Klassen, Ausbau der Sprachförderung und Verbesserung des Förderunterrichts.

Mir ist es passiert, dass die Mutter eines Migrantenkindes gekommen ist und gesagt hat, sie möchte, dass dem Kind geholfen wird, und gefragt hat, ob ich die Möglichkeit hätte, das Kind zu fördern. Ich habe gesagt, ich habe keine Ressourcen, ich könne es nicht machen. Sie hat gesagt, sie gehe gerne zwei Stunden länger putzen, sie mache das sehr gerne, wenn ihr Kind Förderunterricht bekommt. – So etwas kommt jetzt nicht mehr vor. Dass das heute im Volks- und Pflichtschulbereich nicht mehr der Fall ist, ist ein Ergebnis der besseren Förderungsmöglichkeiten, die wir geschaffen haben.

Diese Dinge soll man sehen, und man muss sie auch in einem Gesamtkonzept sehen. Man kann nicht alles auf einmal machen, das ist nicht möglich, aber diese Schritte sind alle nach einer klaren Konzeption ausgerichtet.

Der nächste Schritt ist – und da sind wir völlig konträrer Meinung, da haben Sie recht – die zentralste Herausforderung, und bis auf wenige, in diesem Fall die freiheitliche Fraktion – ich nehme an, die gesamte – und einzelne ÖVP-Kolleginnen und -Kollegen, haben alle erkannt, auf welchem falschen Weg wir uns befinden, wenn wir die Zehn- bis Vierzehnjährigen in vier verschiedene Gruppen einteilen.

Da gibt es ein teures System mit vier verschiedenen Inspektoren, die Sonderschule, jetzt die Neue Mittelschule, die Hauptschule, die AHS-Unterstufe. Dass man mit diesen Ressourcen, die da frei werden, optimale Bedingungen für die jungen Menschen, opti­male Voraussetzungen für die berufliche Weiterentwicklung, aber auch für die schuli-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 59

sche Weiterentwicklung bieten kann, ist klar! Und diese müssten wir nützen. Da gibt es ein klares Modell: Das ist die gemeinsame Schule. Um die müssen wir kämpfen. Und da lohnt es sich auch, hart zu kämpfen, hart zu streiten, aber schlussendlich auch zur besten Lösung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, wir haben gestern auch sehr erfolgreich im Unterausschuss des Verfas­sungsausschusses mit den Länderexperten zum Thema Schulautonomie diskutiert. Das wird die Herausforderung der Zukunft sein. Ich glaube, dass wir da Möglichkeiten haben, verstärkt in schulautonome Modelle zu investieren, den Weg finden, sehr viele der bürokratischen Hürden, die sich derzeit auftun, zu überwinden. Dort wird es ver­mutlich auch über alle ideologischen Grenzen hinweg Möglichkeiten geben, Schule tat­sächlich so zu gestalten, wie wir sie für unsere Kinder wollen. Aber die Zeit, die jetzt gekommen ist, meine Damen und Herren, ist, dass man endlich den Worten Taten fol­gen lassen muss!

Ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie unsere Bildungsministerin – so, wie es die ÖVP jetzt angefangen hat, endlich zu tun – bei ihrem Kampf für eine neue, faire und chan­cengerechtere Schule! Packen wir es gemeinsam an! Unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Zukunft haben es verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

11.31


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


11.31.28

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Mayer hat gesagt: „Packen wir es gemeinsam an!“ – Die Worte hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; denn wenn ich daran denke, dass diese Regierung angetreten ist, die großen Probleme im Land zu lö­sen, dann muss ich sagen: Die Probleme sind nach wie vor groß – im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich, in der Pflege, in der Schuldenbelastung, im Fremdenrecht, bei den ÖBB. Und die Baustellen sind nicht kleiner geworden, sondern sie ruhen und wer­den nur mit einigem Flickwerk wieder zum Leben erweckt. (Abg. Elmar Mayer: In der Bildung werden sie konkret angegangen! Das wissen Sie!)

Ich glaube, Sie haben nicht den Mut und auch nicht die Kraft, wirklich gemeinsam rasch und nachhaltig zu handeln. Ich spreche Ihnen nicht eine gute Absicht ab, aber die Handlungen im Gesamtkonzept sind schleppend und ziehen sich hin.

Der heutige Beschluss für eine standardisierte Reifeprüfung kann daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir bildungspolitisch eine Baustelle haben, die nach wie vor da ist. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben nach wie vor ein teures und ineffizientes Bildungssystem, wir haben nach wie vor zirka 90 Prozent Personalkosten, die das Unterrichtsbudget belasten. Wir ha­ben nach wie vor ein Nachhilfeunwesen im privaten Bereich. Die Kosten steigen jähr­lich auf bis zu 160 Millionen €, und die Kostenbeiträge der Eltern, die sie laufend für den Schulunterricht zu leisten haben, steigen ebenfalls ständig. (Neuerlicher Beifall beim BZÖ.)

Und wir haben zersplitterte Kompetenzen, was die Schulerhalter anbelangt. Wir haben parteipolitische Mehrgleisigkeiten mit einer aufgeblähten Verwaltung, und wir haben unterschiedliche Personalhoheiten und Dienstrechte.

Mit einem Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Geld ist in einem Sys­tem geparkt und wird jenen vorenthalten, die es wirklich brauchen. Das sind die Kinder, das sind die Jugendlichen, die ein Recht auf bestmögliche Bildung und Ausbildung ha­ben. (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 60

Aber dieses Geld wird auch jenen Pädagoginnen und Pädagogen vorenthalten, die mit Engagement arbeiten wollen und die auch heute noch ihren Beruf als Berufung sehen.

Den heutigen Beschluss zur sogenannten Zentralmatura oder neuen Matura werden wir vom BZÖ mittragen, weil er ein richtiger Schritt ist und weil das neben der Senkung der Klassenschülerzahl, die wir schon 2006 hier in diesem Haus unter einer anderen Regierung beschlossen haben, neben dem verpflichtenden Bildungsjahr im letzten Kin­dergartenjahr und einem Nationalen Bildungsplan eine weitere BZÖ-Forderung ist, die jetzt umgesetzt wird.

Die Einführung der Zentralmatura, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Systemwechsel hin zur Überprüfung von Kernkompetenzen durch zentrale Aufgaben­stellungen. Diese Zentralmatura bedeutet daher unserer Meinung nach mehr messbare Qualitätskriterien, aber auch mehr Chancengleichheit für die Kinder und für die jungen Menschen. Für uns vom BZÖ ist es sehr, sehr wichtig, dass die dritte Säule, die mündliche Teilprüfung weiter individuell behandelt werden kann, damit individuelle und standortspezifische Schwerpunkte gesetzt werden können.

Ein Zweites ist – und darüber stimmen wir heute auch ab –, dass Neuerungen evaluiert und wissenschaftlich begleitet werden müssen. Das ist richtig, das ist gut so. Und ich denke, dass das BIFIE, unser nationales Bildungsinstitut, da auch die geeigneten Rah­menbedingungen hat, um diese Überprüfung und diese Evaluierung durchzuführen.

Für uns vom BZÖ ist es aber sehr schwierig nachvollziehbar, dass sich dadurch die Basiszuwendung von derzeit 6,5 Millionen € jährlich plötzlich auf 13 Millionen € verdop­pelt und der Gesamtbetrag für das BIFIE bis zum Jahr 2013 auf 20 Millionen € anstei­gen wird.

Wenn wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, einen Blick über die Grenzen nach Bayern werfen – und Bayern ist vergleichbar mit Österreich in der Größe, aber auch von der Schüleranzahl her –, dann müssen wir feststellen, dass es dort auch ein ähnli­ches Institut gibt, das eine Basisförderung von 7 Millionen € zur Verfügung hat. Ich denke, auch da werden die Bildungspolitik beziehungsweise die Schülerinnen und Schüler und auch die Pädagoginnen und Pädagogen entsprechend gut begleitet. In Bayern kostet dieses Bildungsinstitut einen Schüler 5 €, in Österreich 14 €.

Die Frage, warum das so ist, haben wir auch im Ausschuss berechtigterweise gestellt, aber leider konnte die Frau Bundesministerin das nicht ausreichend aufklären. Und da­her wird es heute unsere Zustimmung zu diesem Punkt nicht geben.

Eine weitere klare Ablehnung kommt von uns auch zum sogenannten Abänderungsan­trag, der vorsieht, dass zusätzlich zum BIFIE, das evaluiert, eine Bundes-Reifeprü­fungskommission eingerichtet wird, die wiederum die Evaluierungsergebnisse des BIFIE evaluiert und den zuständigen Minister bezüglich der Abwicklung der Prüfung strategisch berät.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine typisch österreichische Lösung, eine typische großkoalitionäre Proporzlösung, schnell noch ein Gremium zu schaffen, damit die Sozialpartner eingebunden sind und vor allem auch die parteipolitische Ba­lance und Ausgewogenheit dadurch erhalten wird, indem es zum Beispiel heißt: je zwei Vertreter der Landesschulräte – na klar: von Rot und Schwarz –, je zwei Vertreter des Ministeriums – Wissenschaftsministerium schwarz, Bildungsministerium rot –, weiters: Vertreter der Zentralausschüsse der Bundeslehrer für allgemeinbildende Schulen, für berufsbildende Schulen und so weiter.

Es gibt hier wiederum eine Proporzaufteilung – man kann jetzt sagen: im Kleinen; aber das System wächst und geht weiter so, wie wir vom BZÖ es nicht haben wollen. Und daher werden wir dem auch nicht zustimmen. (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 61

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist auch sehr interessant, dass sich die ÖVP jetzt bildungspolitisch ein bisschen bewegt, zumindest verbal, ihre Liebe zur Ganztagsschule entdeckt und auch ihre Liebe zu einem einheitlichen neuen Dienst­recht entdeckt hat. Ich bin gespannt darauf, wie lange diese Harmonie hält. Die Ge­werkschaft hat schon einmal vorab ihr übliches Njet deponiert; dann wird man sehen, wer sich an wem wieder die Zähne ausbeißen wird.

Das BZÖ hat eine klare Haltung zur Ganztagsschule, zur Tagesbetreuung: Wir sagen ja zu mehr Angeboten, ja zum Ausbau der Tagesbetreuung, weil dies auch notwendig ist – aber auf freiwilliger Basis und vor allem mit Förderstunden am Nachmittag, aber auch mit Angeboten wie Sportangeboten, Bewegungsangeboten, um die Kinder best­möglich zu fordern und zu fördern.

Wir sagen auch ja zu einem einheitlichen neuen Dienst- und Besoldungsrecht, aber mit höheren Einstiegsgehältern für die Lehrer, aber auch – und das sage ich ganz vehement dazu – mit einer Arbeitszeit, die den Lehrern mehr Zeit zum Unterrichten er­möglicht, damit in Zukunft diese unsäglichen Diskussionen über zwei Stunden mehr Lehrverpflichtung der Vergangenheit angehören und die wahren Probleme damit nicht überdeckt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist viel zu tun. Es sind nicht nur der notwendige Weitblick und die verbale Ankündigung gefragt, sondern es ist Handeln gefragt. Wenn richtig mit einer Gesamtreform des Schulsystems gehandelt wird, dann wird sich auch das BZÖ nicht dagegen verwahren. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

11.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann. – Bitte.

 


11.40.01

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Kollegin Haubner, Sie haben vollkommen recht: In Bildung muss investiert wer­den, nicht nur, wenn es um finanzielle Ressourcen geht, sondern auch, wenn es um das sogenannte Hirnschmalz und den notwendigen Weitblick geht. Und genau das ist die Herausforderung, der sich die Regierungsparteien stellen und der wir heute mit dem Vorschlag der standardisierten Reifeprüfung auch Rechnung tragen wollen.

Die Weiterentwicklung des Schulsystems ist substanziell, das ist überhaupt keine Fra­ge. Wir haben seitens der ÖVP immer eine Prämisse in den Vordergrund gestellt, näm­lich mit Betroffenen für Betroffene zu arbeiten, und deshalb ist uns die Schulpartner­schaft – die Einbindung von Eltern, Lehrern und Schülern – immer sehr wichtig gewe­sen. Das Konzept der standardisierten Reifeprüfung, so wie wir es heute diskutieren und vorgelegt haben, trägt dadurch letztendlich die Handschrift der ÖVP.

In der heutigen Zeit ist es – und das wurde schon vielfach angesprochen – unerläss­lich, dass man sich bundesweite und vor allem auch angemessene Standards zurecht­legt und entsprechend diesen agiert.

Zwei Kriterien waren uns in diesem Zusammenhang immer wichtig, nämlich zum einen die Vergleichbarkeit, wenn es darum geht, internationalen Standards gerecht zu wer­den, zum anderen aber auch der Fairness Rechnung zu tragen, weil es letztendlich da­rum gehen soll, unseren Schülerinnen und Schülern Sicherheit für ihre Leistungen zu geben.

Um Sicherheit zu geben, braucht es zwei Dinge: zum einen die Bildungsstandards, die sehr wohl schon aus der Zeit von Ministerin Gehrer rühren – so schlecht soll sie also gar nicht gewesen sein –, und zum anderen die standardisierte Reifeprüfung, wie sie heute vorliegt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 62

Uns von der ÖVP ist es immer wichtig gewesen, zwei Dinge zu berücksichtigen: auf der einen Seite die autonomen Schwerpunkte zu gewährleisten und auf der anderen Seite auch alle Schularten zu berücksichtigen. So geht es bei der neuen Matura da­rum, dass im Endeffekt der schriftliche Teil standardisiert werden soll und der mündli­che Teil weiterhin vom Schulstandort festgelegt und entwickelt werden kann. Ich den­ke, das ist eine gute Möglichkeit, um schulautonome Schwerpunkte zu berücksichtigen.

Die Standardisierung erfolgt weiters in Bereichen, die vor allem relevant sind, um Aus­sagen über die Studierfähigkeit treffen zu können. Das heißt, die Standardisierung er­folgt in den Kernbereichen Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen.

Wenn von Standardisierung die Rede ist, dann muss man sich vor Augen halten, wor­um es im Detail geht. Es geht darum, dass zum einen im Rahmen des schriftlichen Teils die Fragen für Schülerinnen und Schüler standardisiert sind und es zum anderen auch ein vorgegebenes Bewertungsschema für die Korrektur durch die Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wichtig dabei ist, festzuhalten, dass diese an den Schulen stattfindet. Für Schülerinnen und Schüler ist es wahrscheinlich auch wesentlich zu wissen, dass man sich eine negative Bewertung in einem schriftlichen Teil sehr wohl – wie bisher – mündlich ausbessern kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neue Reifeprüfung wird ab dem Schul­jahr 2013/2014 umgesetzt werden und gelten. Es war bereits im vergangenen Schul­jahr der Fall, dass 16 000 Schülerinnen und Schüler einheitliche Prüfungsfragen erhal­ten haben. Das heißt, es gab bereits einen Vorlauf und einen Versuch, um sich dieser standardisierten Reifeprüfung anzunähern, und die Erfahrungen sind in dieses Konzept eingeflossen.

Bisher war es so – und der Kollege von der SPÖ hat darauf schon hingewiesen –, dass Lehrer autonom entschieden haben, wie und was bei der Matura geprüft wird. Das hat­te zur Folge, dass Jugendliche bei Bewerbungsgesprächen nicht mehr nur nach Noten gefragt wurden, sondern vor allem relevant war, welche Schule sie besucht haben, weil es leider Realität ist, dass die Matura in den unterschiedlichen Schulen teilweise nicht vergleichbar ist beziehungsweise sehr wohl Unterschiede im Niveau gegeben sind.

In der heutigen Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Qualitätssicherung essenziell, um international wettbewerbsfähig zu sein. Wenn es Befürchtungen gege­ben hat, dass das eine Nivellierung nach unten mit sich bringen könnte, dann kann ich nur sagen, dass es hier nicht um eine Nivellierung nach unten oder eine Überforderung geht, sondern vielmehr darum, überhaupt ein Niveau festzusetzen – das ist unser Ziel.

Wir von der ÖVP haben dabei sichergestellt, dass schulautonome Schwerpunkte im Rahmen der Reifeprüfung abgebildet werden können und es dort, wo es planmäßig er­forderlich ist, eine Ausdifferenzierung gibt, wie das zum Beispiel im Bereich der Mathe­matik der Fall ist.

Wir haben auch sichergestellt, dass dieses Konzept mit der AHS beginnt und dann für die BHS bis zum Jahr 2015 weiterentwickelt wird. Und uns war es auch wichtig, dass die Berufs- und Externisten-Reifeprüfung berücksichtigt werden.

Für uns wesentlich – und das habe ich eingangs schon gesagt – war die Miteinbezie­hung der Betroffenen. Deshalb sind wir auch übereingekommen, eine Bundes-Reife­prüfungskommission gesetzlich zu normieren. Es geht dabei nicht darum, Frau Kollegin Haubner, dass wir für verschiedenste Persönlichkeiten neue Positionen gesucht ha­ben – das ist völliger Unsinn. Vielmehr ist es eine vertrauensbildende Maßnahme, die gewährleisten soll, dass die Schulpartner – die Gott sei Dank auch Mitglieder dieser Kommission sein sollen – diese neue Form der Reifeprüfung mittragen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 63

Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass hier begleitet und evaluiert wird, dass dieser Bericht, diese laufende Evaluierung letztendlich auch dem Nationalrat vorgelegt wird und wir die Möglichkeit haben, das zu diskutieren.

In diesem Zusammenhang war es auch notwendig, das BIFIE-Gesetz zu ändern – auf der einen Seite, um auf datenschutzrechtliche Fragen entsprechende Antworten zu ge­ben, aber auch, um Antworten auf jüngste Irritationen in Bezug auf Zusatzfragebögen zu geben, die ausgeteilt worden sind. Das BIFIE-Änderungsgesetz stellt klar, dass künftig ausschließlich die Überprüfung der Bildungsstandards verpflichtend sein darf und soll, sowie auch die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an nationalen be­ziehungsweise internationalen Assessments, nicht aber an Zusatzfragebögen.

Insofern wäre es notwendig – auch im Sinne des Wohls und der Leistungsfähigkeit un­serer Schülerinnen und Schüler –, dass alle Parteien den Vorschlag, die standardisier­te Reifeprüfung auf Schiene zu bringen, unterstützen. Ich denke, dass es ein wichtiger Schritt ist in einem Gesamtkonzept, dem wir uns alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

11.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


11.47.43

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Vorsitzender! Frau Ministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn noch eine kurze Bemerkung machen, zu dem, was sich heute Vormittag hier abgespielt hat: Es war ein Trauerspiel für den Parlamenta­rismus, im Gegensatz dazu, was die Vertreter und Vertreterinnen – in diesem Fall wa­ren es nur Vertreter – der Rechtsparteien gesagt haben.

Die älteren Zuschauer an den Fernsehschirmen werden sich vielleicht noch daran erin­nern, wie die Demokratie in den zwanziger und dreißiger Jahren systematisch ge­schwächt wurde. Daran hat das heute leider erinnert. Es wäre vielleicht eine Überle­gung, Frau Ministerin, solche Übertragungen Schülerinnen und Schülern zugänglich zu machen, damit sie sehen, wie es hier zugeht und was die Vertreter des sogenannten kleinen Mannes – die kleine Frau lassen sie meistens aus – wirklich im Sinn haben. (Beifall bei den Grünen. – Ruf: Jetzt hast du aber tief hineingegriffen!)

Die drei Gesetze, die wir heute beschließen, sind zwar – um Kollegen Mayer ein biss­chen zu korrigieren – nicht unbedingt Anlass für einen großen Freudentag, aber ich ge­be ihm recht, es ist ein Fortschritt. Wir werden allen diesen drei Gesetzen zustimmen, sie gehen in die richtige Richtung.

Bei dieser Gelegenheit, Frau Ministerin, möchte ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass wir im Ausschuss sehr konstruktiv diskutieren konnten, dass es möglich war, hier auch notwendige Veränderungsvorschläge vorzubringen. Dass die von der ÖVP ge­kommen sind, Frau Kollegin Fuhrmann, entlockt einem alten Lehrer wie mir, der seit 31 Jahren das Tun in der österreichischen Bildungspolitik mitverfolgt, ein Lächeln – und vielen meiner Kolleginnen und Kollegen wohl auch.

Es sind natürlich drei Bereiche, die uns in jene Richtung weiterbringen, die wir wollen, die wir in Richtung eines einheitlichen Schulwesens dringend benötigen. Das ist etwas ganz, ganz Wichtiges.

Das wird etwa durch die neue Reifeprüfung erreicht. Ich war mit meiner Schule von Anfang an bei der Entwicklung dieser neuen Reifeprüfung dabei. Das ist auch ein sehr gutes Beispiel für politische Kommunikation, darf ich sagen, denn zu Beginn gab es große Skepsis gegenüber dieser neuen Reifeprüfung – ich habe das selbst bemerkt, die Kolleginnen und Kollegen waren verunsichert –, als man dann aber gesehen hat,


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wie das durchgeführt wird, welche Erleichterung das auch für viele Kolleginnen und Kollegen an den Schulen bringt, hat sich die Stimmung deutlich geändert. Ich bin si­cher, dass wir, wenn wir auf diesem konstruktiven Weg weitermachen, das Bewusst­sein für die Notwendigkeit einer Standardisierung des gesamten Schulwesens werden bilden können.

Damit bin ich auch schon bei einem Kritikpunkt. Wir müssen hier weitermachen, wir dürfen nicht stehen bleiben. Wir haben die Standards in der achten Schulstufe, wir ha­ben sie in der vierten Schulstufe, und wir haben jetzt die standardisierte Reifeprüfung. Das brauchen wir dringend. Wir müssen wegkommen von jenen Noten – Elmar Mayer hat schon darauf hingewiesen –, die kaum Aussagekraft haben, wir müssen hinkom­men zu solchen Standards, dass wir genau sagen können, was Schülerinnen und Schüler wirklich können und nicht können.

Auch das Unterrichtspraktikumsgesetz scheint mir ein wichtiger Schritt nach vorne zu sein, weil es auch älteren Menschen – über 40, über 45 – ermöglicht, in den Schul­dienst einzusteigen. Das war bislang nicht möglich. Das ist ein erster, sehr, sehr zarter Schritt in Richtung Öffnung der Schule, ein Schritt, den wir aber auch, wie gesagt, drin­gend weitergehen müssen, denn der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern steht bevor. Wir erinnern uns noch an den unseligen Brief von Ministerin Gehrer, den wir damals in den Schulen verteilen mussten – ich glaube, es ist jetzt sieben oder acht Jahre her –, in dem sie eindringlich gewarnt hat vor dem Lehramtsstudium. – Fatal, denn jetzt ern­ten wir das, was damals schon absehbar war.

Dass es eine gewaltige Pensionierungswelle gibt, das war damals mit einem Blick in Richtung Lehrkörper schon erkennbar. Also hier müssen wir dringend gegenarbeiten, und damit müssen wir unmittelbar, müssen wir jetzt beginnen, damit die Situation in vier, fünf Jahren nicht wirklich dramatisch schlechter wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was uns aber fehlt, meine Damen und Herren, ist nach wie vor der große Wurf. Wenn ich an die Diskussionen denke, die wir im Unterausschuss des Verfassungsausschus­ses geführt haben, wenn ich an die Diskussionen im Unterrichtsausschuss denke, dann kann man sagen, es gibt größtenteils Übereinstimmung in den zentralen Fragen. Warum nichts davon umgesetzt wird, warum beispielsweise keine entscheidenden Schritte in Richtung gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen gemacht werden, das liegt derzeit an einer kleinen Minderheit in der Gewerkschaft. Es ist vor allem die Be­tonfraktion im ÖAAB, die in diesem Bereich einen Fortschritt verhindert. – Bitte, versu­chen wir eine Koalition der Vernünftigen!

Sie haben in der ÖVP ganz wesentliche zentrale Kräfte – in der Industriellenvereini­gung, im Wirtschaftsbund, im Umfeld der ÖVP, wenn ich an diverse kirchliche Organi­sationen denke –, die ganz klar mit uns diesen Weg in Richtung gemeinsame Schule beschreiten wollen. Was die Ganztagsschule anlangt, so scheinen erste zarte Bewe­gungen feststellbar zu sein, aber, bitte, wir wollen die Ganztagsschule nicht als Betreu­ungsmodell, sondern wir wollen sie als pädagogisches Modell. Wir wollen nicht, dass man Kindern am Vormittag Wissen hineinpfropft und das dann irgendwann einmal ab­prüft, sondern wir wollen Kindern Zeit geben, Zeit auch zur Erholung, zum Verdauen dessen, was sie gehört haben. Deshalb brauchen wir die verschränkte Schule. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir brauchen auch eine gerechte Schule, meine Damen und Herren, und deshalb die gemeinsame Schule. Es gibt neben Deutschland kein sozial selektiveres Schulsystem als unseres. Wenn die Eltern Matura beziehungsweise Hochschulabschluss haben, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch in die AHS kommt beziehungs­weise studiert, bei 79 Prozent. Wenn die Eltern nur Pflichtschulabschluss haben,


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dann liegt diese Wahrscheinlichkeit nur bei 10 Prozent. – Da müssen wir den Hebel an­setzen, wir müssen allen Kindern in diesem Staat eine Chance geben, ansonsten züchten wir uns verstärkt Probleme, die in den nächsten Jahren wahrscheinlich so oder so auf uns zukommen, nämlich soziale Probleme.

Wir haben in diesem Schulsystem eine Generation heranwachsen gesehen, die mit 15 Jahren fast chancenlos ist. 21,5 Prozent der 15-Jährigen können nicht sinnerfas­send lesen. – Da müssen wir gegenarbeiten! Kollegin Musiol hat mit einer Kindergar­ten-Initiative einen ersten wichtigen Schritt gesetzt. Der Kindergarten ist ein zentraler Ansatzpunkt zur Verbesserung des österreichischen Schulwesens. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn wir Reformen in diese Richtung machen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied das Wort. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


11.56.00

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Klubobmann Strache, wenn Sie sagen, Bildung muss ein zentrales öffentliches Anliegen sein, wenn Sie sagen, es geht im Bereich der Bildung vor allem bei den öffentlichen Ausgaben darum, dass wir das Geld richtig einsetzen, wenn Sie sagen, es geht darum, dass wir alle Begabungen und Talente unserer Kinder bestmöglich fördern, dann unterstreiche ich jede dieser Zielformulierungen. Genau darum geht es. Wir führen gerade im Unter­richtsausschuss auch unter der Leitung Ihres Bildungssprechers sehr, sehr konstrukti­ve Debatten, unterscheiden uns aber in einzelnen, doch wesentlichen Wegen; ich for­muliere das einmal so.

Auch ich bin für eine klare Differenzierung des Schulwesens, sage aber, dass die Diffe­renzierung ab dem Alter von zehn Jahren zu früh ist, weil die Bildungs- und Berufs­wegentscheidung mit zehn Jahren noch nicht so gut getroffen werden kann wie mit 14, 15 Jahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass wir in den Bereich der Bildungs-, Berufswegbe­ratung investieren müssen, dass wir hier Veränderungen herbeiführen müssen, denn es kann nicht einfach hingenommen werden, dass beispielsweise von 100 Schülern, die an der Handelsakademie beginnen, nur 60 die Matura erreichen. Ich spreche jetzt nicht von dem quasi gefährdeten neunten Schuljahr, von der neunten Schulstufe, son­dern das zieht sich durch. Wir verlieren die Schülerinnen und Schüler im Verlauf der Oberstufe, weil sich, sage ich jetzt, möglicherweise ganz viele Kinder in der falschen Schulart befinden, weil sie mit Soll und Haben eben keine nähere Affinität aufbauen können, sich damit nicht identifizieren können. Das heißt, wir müssen die Bildungsweg­entscheidung unserer Kinder besser vorbereiten.

Ich bin absolut bei Ihnen und habe das hier im Hohen Haus immer wieder betont: Je­des Kind, das in Österreich in die Schule geht, muss die deutsche Sprache beherr­schen. – Diesbezüglich müssen wir im Kindergarten ansetzen, müssen wir mit Förde­rungen ansetzen, Quoten werden uns hier nicht weiterbringen. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Haubner hat voll und ganz recht, wenn sie sagt, im Bildungsbereich ist noch unglaublich viel zu tun. Ich bin aber ein bisserl anderer Meinung als Herr Ab­geordneter Walser, der auf den großen Wurf wartet. Ich glaube, diesen einen großen Wurf gibt es in der Bildungsreform nicht. Es gibt einfach eine lange Liste von Projekten, die konsequent, manchmal mit einer gewissen Hartnäckigkeit abzuarbeiten ist, Schritt für Schritt, Projekt für Projekt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Genau da stehen wir jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich hoffe auf eine breite Unterstützung. Heute entscheiden Sie über vier wichtige Gesetzesvorha­ben, nämlich

die neue Reifeprüfung – für mich die konsequente Fortsetzung unseres schon mit brei­ter parlamentarischer Mehrheit beschlossenen Projektes Bildungsstandards –,

damit verbunden die notwendige Novellierung des BifiE-Gesetzes,

Unterrichtspraktikumsgesetz und

Prüfungstaxengesetz,

um die weitere Abwicklung sicherzustellen.

Alle vier gemeinsam tragen dazu bei, dass wir wieder ein Stück weiterkommen bei un­serer Bildungsreform.

Ich möchte mich für die konstruktive Zusammenarbeit beim Regierungspartner und bei all den vielen Schulen ausdrücklich bedanken. Herr Abgeordneter Walser hat das er­wähnt: 280 AHS-Standorte haben bei der Prototyp-Entwicklung „neue Matura“ mitgear­beitet. Das war fantastisch. Die Lehrerinnen und Lehrer haben sich unglaublich einge­bracht, und dafür gilt ihnen auch einmal ein Dank! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Große Vorhaben liegen vor uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, die sicher wieder ein Stück kontroversieller sein werden. Ich sage nur: neue, gemeinsame Ausbil­dung für alle im Lehrberuf Tätigen, neues, leistungsgerechteres, faireres Dienst- und Besoldungsrecht für die neuen Lehrerinnen und Lehrer und die derzeit im Unteraus­schuss diskutierte Verwaltungsreform, wo mein großes Anliegen vor allem ist, dass wir die Verantwortung am Schulstandort stärken, dass wir ein Stück von diesem „Obrig­keitsmief“ wegkommen, von der Hierarchie, die so stark wirksam ist, von der Verord­nungs- und Erlasskultur hin zu einem Stück mehr Selbstverantwortung und Zuversicht an den Standorten selbst. Das wird sich dann auch auf die jungen Menschen übertra­gen. Vielen Dank an alle, die mich unterstützen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordne­ten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Walser und Linder.)

12.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


12.01.28

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Dass die Bildung für uns wichtig ist, wird gerade da­durch dokumentiert, dass unser Bundesparteiobmann und Klubobmann in dieser De­batte als Erster das Wort ergriffen hat. Das ist der Stellenwert, den wir der Bildungsde­batte hier beimessen wollen, und daher erfolgt es so. (Beifall bei der FPÖ.Zwischen­ruf des Abg. Dr. Walser. Abg. Silhavy: ... genau so!)

Wenn ich in Ihre leeren Sitzreihen schaue, sehe ich auch, wie die Bildungspolitik bei Ih­nen aufgestellt ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. Abg. Schönpass: Vor der eigenen Türe kehren!)

Wenn Sie sagen, das war eigentlich nichts anderes als die – unter Anführungszei­chen – „übliche Abschiebung“ auf Ausländer oder Ähnliches, was der Herr Klubob­mann Strache hier gemacht hat, dann muss ich bemerken: Sie haben gehört, was Ihre eigene Ministerin soeben unterstreichend zu den Worten des Herrn Klubobmann Stra­che gesagt hat.

Aber es ist genau diese symptomatische Blindheit, die Sie in Bezug auf manche Pro­bleme in dieser Republik haben, die Ihnen einfach den Weg verstellt, um wirklich an


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Lösungen heranzugehen und diese umzusetzen, und das wissen die Menschen! (Abg. Silhavy: Sie haben Scheuklappen!)

Wenn die Zentralmatura heute hier zur Diskussion und zur Abstimmung steht, muss man dazu Folgendes sagen: Es gibt da drei Säulen. Aus unserer Sicht ist die schriftli­che Teilmatura eine wichtige Säule. Eine entbehrliche Säule ist hingegen diese vorwis­senschaftliche Arbeit, denn unserer Meinung nach gehört die Wissenschaft an die Uni­versität, und man muss Maturanten nicht dazu zwingen, Zitierregeln zu lernen, die dann an der Uni ohnehin überholt sind. Da wird viel Verwaltung betrieben und viel Geld ausgegeben. (Abg. Dr. Walser: ... große Fortschritte bei der ...! ... den Schülern gehol­fen, auf die Uni zu gehen! Abg. Elmar Mayer: Genau das ist das Gute! Vorwissen­schaftlich arbeiten, das ist die gute Sache ...!)

Dann gibt es eine kleine Säule, nämlich die der mündlichen Reifeprüfung, wo man dann nur mehr aus einem Gegenstand eine einzige Frage bekommt, die zwischen „Sein oder Nichtsein“ entscheidet. – Das halten wir im Detail für den falschen Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir glauben, dass eine Zentralmatura beziehungsweise Teilzentralmatura zur Hebung des Niveaus unserer Abiturienten, unserer Maturanten gut und richtig ist, wir unterstrei­chen das Ganze, aber wir haben gewisse Befürchtungen und wünschen uns nicht, dass dann am Ende dieser Zentralmatura eine Niveausenkung stattfindet, was man­che nicht ganz unberechtigterweise befürchten.

Kommen wir auch zum BIFIE – die Erhöhungen wurden ja bereits erwähnt. Ich möchte aber auf die Tatsache hinweisen, dass 4,1 Millionen € allein für die Zyklen der unter­schiedlichsten Studien – PISA, TIMSS, PIRLS und TALIS – aufgewendet werden. Ich glaube, man sollte überlegen, ob man diese Mittel weiterhin in derartiger Höhe einsetzt, wenn man weiß, dass das Bildungssystem momentan reformiert wird.

Das kommt mir so vor, wie wenn man als Häuselbauer sein Haus renovieren und sa­nieren will, feststellt, dass die Fenster undicht sind, aber bevor man dann tatsächlich die Wärmedämmfenster einbaut, schießt man jeden Tag mit einer Wärmebildkamera darauf und schaut, ob sie jetzt schon dichter geworden sind. – Wenn wir wissen, dass unser Schulsystem nicht perfekt funktioniert, dann brauchen wir jetzt auch keine Stu­dien, wo Äpfel mit Birnen verglichen werden – ohne die Bedeutung internationaler Ver­gleiche jetzt in irgendeiner Form schmälern zu wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Ganztagesschule: Uns geht es nicht darum, wie Herr Kollege Walser in seinen ers­ten Ergüssen gesagt hat – dabei sind uns ja fast die Tränen gekommen (Abg. Dr. Wal­ser: Zum Weinen wollte ich Sie nicht bringen, so weit ...!) –, dass die Demokratie wie­der wie in den zwanziger oder dreißiger Jahren in irgendeiner Form zur Disposition steht, wo er meint, dass da jetzt wieder schreckliche Zeiten auf uns zukommen wer­den.

Mir ist eine lebendige Demokratie wie in den zwanziger Jahren in der Ersten Republik lieber (Abg. Dr. Walser: Lebendige Demokratie schon!) als das, was Ihnen vor­schwebt, nämlich mit Stasi- und anderen Methoden Gesinnungsschnüffelei bei politi­schen Gegnern zu betreiben. Das ist mir wesentlich lieber als das, was Ihnen hier ge­sellschaftlich vorschwebt! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Dr. Walser: Hören Sie auf mit Ihren Unterstellungen!)

Und da braucht man auch nicht mit tränenerstickter Stimme in den Unterrichtszeiten Übertragungen zu machen. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Dr. Walser: ... so einen Quatsch erzählen, aber nicht hier!) Die Kinder sollen etwas lernen – Lesen, Schreiben, Rech­nen –, damit sie auch als Lehrlinge die Chance haben, in Österreich Facharbeiter wer­den zu können, sodass wir die nicht importieren müssen. (Abg. Dr. Walser: ... 47 Fehler!)


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Wir wollen keine Ganztagsschule mit pädagogischer Einrichtung am Nachmittag, son­dern wir wollen Betreuung auf freiwilliger Basis, denn es ist Realität, dass sehr viele Familien und auch alleinerziehende Frauen diese Möglichkeit brauchen. Auf jeden Fall muss auch die Möglichkeit bestehen, dass etwas anderes angeboten wird, nämlich die Erholung, von der Sie sprechen, in der Familie.

Ich meine, dass die Frau Bundesministerin in letzter Zeit zu einer Überschriften- und Schlagwortministerin geworden ist. Wenn ich alleine die 636 000 € hernehme, die die Inseratenkampagnen zu Schulschluss und Schulanfang immer wert sind – allein 310 000 € für die Zeitschrift „Österreich“! –, dann meine ich, das müsste beendet werden.

Ich glaube, dass es auch notwendig ist – und das ist gestern auch ganz klar heraus­gekommen –, dass die Kleinstschulen in den ländlichen Regionen erhalten bleiben.

Daher möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Erweiterung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Schulverbund von mehr als zwei Schulen zuzuleiten.“

*****

Das war die einheitliche Meinung sämtlicher politischer Fraktionen aus den Ländern. Es geht darum, die Kleinstregionen tatsächlich zu erhalten – Beispiel Südtirol –, unter dem Stichwort: kleine Füße, kleine Beine, kleine Wege. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Präsident Fritz Neugebauer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aber ich bitte darum, wenn man noch beabsichtigt, einen Antrag einzubringen, auch die Rede­zeit zu beachten, sodass das noch innerhalb der vorgesehenen Zeit Platz hat. (Abg. Dr. Rosenkranz: Danke, Herr Präsident!) Wir liegen sehr knapp in der Zeit – Fairness für alle.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Rosenkranz und weiterer Abgeordneter betreffend Sicherung von Klein- und Kleinstschulen

eingebracht in der 40. Sitzung des Nationalrates am 21. Oktober 2009, XXIV. GP, im Zuge der Debatte zu Top 1 Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorlage (292 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (345 d.B.).

Im ländlichen Raum leiden aufgrund der demographischen Entwicklung kleine Schulen oft an drastischem Rückgang der Schülerzahlen. Es wäre sinnvoll, künftig mehrere kleine Schulen von einer einzigen Direktion/Verwaltung leiten zu lassen. Das bringt den Vorteil, dass für die einzelne Kleinstschule kein eigener Direktor benötigt wird und so durch diese Maßnahme der Verwaltungapparat effizienter und sparsamer gestaltet


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werden kann. Dadurch können auch die Standorte kleiner und kleinster Landschulen für die Zukunft gesichert werden. Ein Beispiel dafür, dass das System einer Direktion sogar für alle Schulen eines Schulsprengels funktioniert, ist Südtirol. So kann "die Schule im Dorf gelassen" und ein positiver Beitrag zur Schulverwaltungsreform geleis­tet werden. Die bisherige Regelung ist zu unflexibel, was die Vertreter der Bundeslän­der in der Sitzung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses zur Schulre­form am 19.9.2009 bestätigten.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Erweiterung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Schulverbund von mehr als zwei Schu­len zuzuleiten.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Rudas. – Bitte.

 


12.07.12

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! (Die Rednerin wendet sich der soeben eingetroffenen Bundesministe­rin Mag. Bandion-Ortner zu.) Sehr geehrte zweite Frau Ministerin! (Abg. Weinzin­ger auf den ebenfalls auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Dr. Lopatka deutend –: Das ist ein Mann, darum grüßt man ihn nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie­be Zuseher und Zuseherinnen zuhause! Ich habe mir selbst, aber auch vielen anderen einmal das Versprechen gegeben, dass ich jedes Mal, wenn jemand von der FPÖ hier ans Rednerpult tritt und die Unwahrheit sagt, selbst ans Rednerpult trete und sage, dass Sie die Unwahrheit sagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Sie haben heute mehrmals die Unwahrheit gesagt. Es war Ihre Regierung: Unter Ih­nen gab es die meiste unkontrollierte Zuwanderung jemals. Unter Ihrer Regierungszeit wurde die Saisonnierquote bis ins Unendliche erhöht. (Rufe beim BZÖ: Unsinn! Abg. Bucher: Das glaubt Ihnen keiner! Die Statistiken lesen!)

In Ihrer Regierungszeit wurden die Förderlehrer für den Deutschunterricht in den Schu­len eingespart und Stunden eingespart. Wir beschließen heute klare Regeln gegen Asylmissbrauch, aber gleichzeitig auch faire Chancen für jene, die rechtmäßig hier sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wir beschließen heute neue wichtige Maßnahmen im Bildungsbereich. (Abg. Dr. Rosenkranz: Und sonst: Lernen Sie Geschichte! Ruf bei der FPÖ: ... Deutsch­unterricht!) Wir alle hier müssen uns bezüglich unserer Ziele im Bildungsbereich einig sein.

Erstens müssen wir Bildungsland Nummer eins werden. Das heißt, wir müssen unsere jungen Menschen für die Anforderungen heute, aber auch für die Anforderungen der Zukunft fit machen. Wir müssen das gesamte Potential junger Menschen in Österreich ausschöpfen. Und wir brauchen ein Bildungssystem, das gerecht ist.


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Wenn wir heute merken, dass Kinder Angst haben, wenn sie in die Schule gehen – Angst vor dem Leistungsdruck, Angst vor der Beurteilung, Angst, ob sie mitkommen (Abg. Weinzinger: Schutzgelderpressung, davor haben sie Angst!) –, wenn wir heute mit Eltern reden, die das letzte Gesparte aufwenden, um ihre Kinder in Privatschulen zu stecken, dann müssen doch bei uns allen die Alarmglocken läuten! (Abg. Dr. Bela­kowitsch-Jenewein: Bei Ihnen! Abg. Strache: In Wien zum Beispiel, wo Sie Verant­wortung tragen!)

Hören Sie mir doch einmal kurz zu! Da darf es kein Beharren auf alten Mustern geben, sondern da muss eine Bildungsministerin, die als erste die richtigen Schritte setzt, die als erste Strukturen aufbricht und sagt, sie möchte dieses Bildungssystem ändern, bis unsere Kinder das lernen, was sie lernen müssen, bis unsere Kinder mit Freude in die Schule gehen und bis unseren Kindern der Wissenshunger nicht ausgetrieben wird, sondern dieser gefördert wird, hier im Haus von jedem mit voller Kraft unterstützt wer­den! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Weinzinger: Warum habt ihr nichts in Wien unter­nommen die letzten Jahrzehnte?!)

Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wesentliche Frage ist: Arbeiten wir im Interesse der jungen Menschen, oder arbeiten wir für Standesinteressen oder für par­teipolitische Propagandainteressen? Die Antwort muss, glaube ich, klar sein: Wir müs­sen im Interesse der jungen Menschen arbeiten. Daher ist die Neue Mittelschule auch so wesentlich.

Nicht umsonst wird in ganz Europa, in der ganzen Welt, die Neue Mittelschule prakti­ziert, und auch in Österreich sind alle Privatschulen Mittelschulen und nach dem Konzept der Neuen Mittelschule aufgebaut. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Es ist auch selbstverständlich, dass die Neue Mittelschule eine Schule sein muss, wo die Kinder individuell gefördert werden, wo Gruppenunterricht stattfindet und wo gera­de auch darauf geschaut wird, dass Kinder in der Schule perfekt Deutsch können und lernen. Aber all das kann nur in einer Neuen Mittelschule geschehen und nicht in der Schule, die seit 30 Jahren existiert. (Abg. Dr. Rosenkranz: Na, na! Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Sie haben gesehen, dass das Schulsystem der letzten 30 Jahre nicht funktioniert. Das neue Schulsystem der Sozialdemokratie, an dessen Spitze Unterrichtsministerin Schmied steht, das funktioniert! Nicht umsonst ist der Andrang zu den Neuen Mittelschulen auch so enorm groß. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Dr. Rosenkranz: Die gescheitert ist mitt­lerweile, aufgrund der mangelnden ...!)

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann müssen wir alle erschrecken: wenn noch immer 160 Millionen € für Nachhilfe ausgegeben werden, wenn 87 Prozent der Kinder von Eltern mit einem Hochschulabschluss im Alter von 17 Jahren eine AHS-Oberstu-
fe besuchen, aber nur 16 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben.

Haben Sie das Gefühl, dass Bildungsabschlüsse genetisch vererbbar sind? Nein! Es ist abhängig vom Geldbörserl, in welche Schule ein Kind geht – und das ist ungerecht, und das darf es nicht geben! (Abg. Weinzinger: Das ist abhängig von der Erziehung zu Hause! Das ist doch falsch, was Sie erzählen! Zwischenrufe des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Es ist unser aller Aufgabe – über Parteigrenzen hinweg –, das Beste für unsere Kinder und das beste Schulsystem für unsere Kinder zu verwirklichen. Dabei darf keine Partei­propaganda und auch keine Parteipolemik im Raum stehen.

Ich denke, das sind wichtige Schritte, aber es dürfen nicht die einzigen Schritte sein. Ich gratuliere aber einer Ministerin, die den Mut hat, sich auch durchaus mit Standes­interessen anzulegen, die den Mut hat, neue Schritte in der Bildungspolitik zu gehen


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und die nicht davor zurückschreckt, einfach einmal aufseiten der Schülerinnen und Schüler zu stehen – die ja nicht alle wahlberechtigt sind, weswegen es oft so ist, dass das nicht passiert.

Wir haben jetzt eine Bildungsministerin, die klar Stellung bezieht, nämlich das Beste für die Kinder, das Beste für die Schülerinnen und Schüler zu wollen – und jeder, der sie da nicht unterstützt, agiert fahrlässig. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Strutz. – Bitte.

 


12.12.40

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (BZÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Das war jetzt ein flammender Appell der Kollegin Rudas, die Frau Unterrichtsministerin zu unterstützen. (Abg. Strache: „Flammend“! Abg. Grosz: Sehr leidenschaftslos von Frau Rudas! Abg. Bucher: Sie wäre fast abgebrannt! Abgebrannte Generalsekre­tärin!)

Ich sage: Ja, wir unterstützen sie gerne, wenn sie das Dienstrechtsgesetz novelliert. Wir unterstützen sie gerne, wenn sie die Verwaltungsreform endlich in Angriff nimmt. Wir haben mit ihr auch echte Hoffnungen verbunden. Nur: Was ist das Problem dieser Koalition? Es ist ein symbolisches Bild, das sich den Zuschauern und dem Hohen Haus hier bietet. (Der Redner deutet auf die Regierungsbank und auf das Präsidium.) Dort die zarte Frau Minister, die bemüht ist, Reformen umzusetzen. Hinter ihr thront der Präsident Fritz Neugebauer, der ja jegliche Reform durch die Gewerkschaft im Keim erstickt. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben ja gesehen – allein als das Budget für Sie verhandelt worden ist und Sie dringend mehr finanzielle Mittel gebraucht hätten –, was geschehen ist: Zuerst hat Sie Ihr Koalitionspartner anrennen lassen, dann hat Sie die eigene Partei im Regen stehen lassen, und zum Schluss sind sowohl das Dienstrecht als auch die Verwaltungsreform begraben worden – und das, Frau Kollegin Rudas, ist in Wirklichkeit das Problem, das Sie haben! Es gibt eine bemühte Ministerin, wir haben die Probleme alle erkannt, wir wissen, dass wir im Bildungsbereich akuten Handlungsbedarf haben, und wir wissen auch, wo er ist – nur Ihr, in dieser rot-schwarzen Koalition, seid unfähig, die Probleme tatsächlich zu lösen! Das ist es nämlich. (Beifall beim BZÖ. )

Die SPÖ kommt heute hier heraus und sagt: Heute ist ein Freudentag für die Bildungs­politik, und das ist jetzt ein großer Schritt in der Bildungsreform! – Na wumm: Wir be­schließen heute eine standardisierte Reifeprüfung, die in anderen europäischen Län­dern längst schon zum Niveau gehört, und eine Aufhebung der Altersgrenzen für das Unterrichtspraktikum – das ist nicht die große Bildungsreform, das ist nicht der große Wurf! (Abg. Elmar Mayer: Eben darum! Abg. Silhavy: ... nicht einmal das kann man brauchen!)

Frau Minister Schmied hat es richtig erkannt und gesagt: Den großen Wurf wird es nicht geben! Dank ihres Koalitionspartner, füge ich hinzu! Aber gerade das werden wir dringend brauchen, denn die Realität ist eine andere.

Der SPÖ-Sprecher hat gesagt, dass heute ein Freudentag für die Bildungspolitik sei. Die Realität schaut jedoch so aus, dass wir nach wie vor überfüllte Klassen (neuerliche Zwischenrufe der Abg. Silhavy), frustrierte Lehrer, überforderte Kinder und Eltern ha­ben, die mit den finanziellen Belastungen nicht mehr zu Rande kommen. Dies betrifft Nachhilfestunden oder Unterrichtsmaterialien wie Computer, die ebenfalls in anderen europäischen Staaten schon kostenlos zur Verfügung gestellt werden – und darüber hinaus haben wir eine Lehrergewerkschaft, die ihre ganze Kraft dafür aufwendet, den Status quo zu erhalten.


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Wir haben wirklich große Hoffnungen in Sie gesetzt, Frau Bundesminister, und ich sa­ge es hier noch einmal: Wir unterstützen Sie. Nehmen Sie einen Anlauf und ändern Sie das Dienstrechtsgesetz, denn das ist der Grund aller Blockaden in der Bildungspolitik! Eine Verwaltungsreform und ein Dienstrechtsgesetz! (Beifall beim BZÖ. Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Zur Neuen Mittelschule, der gemeinsamen Schule: Wir haben Sie unterstützt, insbe­sondere auch in unserem Bundesland Kärnten, wie Sie wissen. Wir sind jetzt bereits in der zweiten Generation, aber wie sieht das aus? Das Projekt ist gestartet worden, ohne die Rahmenbedingungen zu schaffen und zu verändern. In diesen Schulen, die gut an­laufen, unterrichten zwei Arten von Lehrern  AHS- und Hauptschullehrer – gemein­sam, aber sie werden unterschiedlich honoriert, haben ein unterschiedliches Dienst­recht und eine unterschiedliche Ausbildung. (Ruf bei der ÖVP: Dass das möglich ist!) Da wurden einfach die Rahmenbedingungen nicht zustande gebracht.

Ich möchte Ihnen nur noch, nachdem die Zeit vorgeschritten ist, etwas mit auf den Weg geben: Orientieren wir uns ein bisschen an Finnland! Das finnische Modell besteht nicht nur aus einer autonomen Gesamtschule, sondern vor allem gibt es ein Schulma­nagement, das sich stark an dem Bereich des New Public Management orientiert: Chef der Schule ist der Direktor, er verwaltet das Budget und ist nur der Kommune gegen­über verantwortlich. Der Direktor allein entscheidet über die Aufnahme der Lehrer und wirkt in einem Gremium – gemeinsam mit der Kommune und den Schulpartnern –, wo er eine gewisse Autonomie hat. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Wenn ich mir die Doppelgleisigkeiten der Zuständigkeiten in Österreich ansehe, die nach wie vor bestehen – wo wir die unterschiedlichsten Verwaltungsebenen haben –, dann sage ich, dass es einfach einer Kraftanstrengung bedarf, dass wir diese Verwal­tungsreform jetzt tatsächlich in Angriff nehmen – denn sonst können wir das Bildungs­system für weitere Jahre vergessen. Das ist ein Faktum! (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Dabei, Frau Bundesminister, haben Sie unsere volle Unterstützung. Ich kann nur sa­gen: Werden Sie endlich in der Koalition eins, damit diese Reformmaßnahmen endlich auch tatsächlich umgesetzt werden können, und damit ...

12.18


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege, Sie überziehen bereits 30 Sekunden! Sie sind 30 Sekunden über der Zeit!

(Beifall beim BZÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Strutz.)

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager zu Wort. – Bitte.

 


12.18.32

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Regierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit heute weiß ich: BZÖ steht für „Ohne Bildung keine Zukunft Österreichs“.

Das, was wir heute bei der Geschäftsordnungsdebatte erlebt haben, nämlich dass Asyl gegen Bildung ausgespielt wird, hat Sie für jede Bildungsfrage disqualifiziert, denn die Bildung hat genauso ein Recht, hier in der Fernsehübertragungszeit gemeinsam disku­tiert zu werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. Abg. Bucher: Das wäre am morgigen Tag dann ...! )

Meine Damen und Herren, Kollegin Rudas hat uns gesagt, sie hätte gerne, dass Öster­reich das Bildungsland Nummer eins ist. Ich habe die Kollegin Rudas vermisst (Ruf bei der ÖVP: Wir haben sie nicht vermisst!), als es darum ging, unsere Lehrlinge – die vor wenigen Wochen als Preisträger und erfolgreichste Teilnehmer vom weltweiten Lehr­lingswettbewerb nach Österreich zurückgekommen sind – hier in Österreich gemein­sam am Flughafen zu empfangen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 73

Diese Lehrlinge hätten sich den Applaus dieses Hauses und der Bundesregierung ver­dient. Ich darf die Bundesregierung bitten, die Preisträger eines weltweiten, internatio­nalen Lehrlingswettbewerbs noch auszuzeichnen, denn dies zeigt: Österreichs Bil­dungssystem hat viel, kann viel und wird auch in Zukunft viel bieten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn wir daher heute von der kompetenzorientierten Rei­feprüfung reden, dürfen wir nicht vergessen, dass es um ein Gesamtkonzept geht und dass der Abschluss im Rahmen einer Reifeprüfung nicht ausgespielt werden darf ge­gen den Abschluss einer Lehre oder Lehre und Matura, sondern dass in allen Berei­chen die Qualität entsprechend zu sichern ist.

Drei Stichwörter geben uns für die kompetenzorientierte Reifeprüfung einen politischen Anhalt. Kompetenzorientiert heißt für die ÖVP, dass die Schülerinnen und Schüler der Sir-Karl-Popper-Schule bei der Reifeprüfung genauso herausgefordert sein sollen wie die Schülerinnen und Schüler eines Oberstufenrealgymnasiums mit einem musisch-kreativen Schwerpunkt.

Teilzentral heißt für uns, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrer Gesamtheit zei­gen sollen, was sie können, dass aber bei Leistungen sichergestellt sein soll, dass auch alle sie erreichen. Daher ist uns der Ausbau der Schulautonomie wichtig und ist der Ausbau der Schulautonomie mit dem gesetzlichen Vorschlag in Einklang zu brin­gen. Es darf die Schulautonomie nicht behindert werden, sondern sie soll durch diese Reifeprüfung ermöglicht werden.

Der dritte Punkt aber, der uns wichtig ist, ist die Überprüfung der Hochschulreife. Wir beschließen heute nur den Rahmen, aber bei der Auswahl der Aufgabenstellungen ist sicherzustellen, dass die Hochschulen aktiv an den Aufgabenstellungen mitwirken und sagen: Ja, das sind die Aufgabenstellungen, die die Reifeprüfung und die Hochschul­reife auch tatsächlich überprüfen!

Frau Bundesministerin, um dort hinzukommen, ist noch viel zu tun. Das BIFIE be­kommt sehr viel Geld. Wir hätten uns gewünscht, dass es mehr Wettbewerb gibt, denn Österreich hat mehr Forschungseinrichtungen als nur das BIFIE! Aber sei’s drum, wir werden dem heute zustimmen. Wir werden jedoch sehr genau schauen, dass die Qua­lität des BIFIE in der Ausarbeitung auch tatsächlich eingehalten wird, denn unsere Schülerinnen und Schüler haben ein Recht darauf, in vier Jahren eine faire Reifeprü­fung vorzufinden, die nach dem neuen Gesetz abläuft.

Frau Bundesministerin, Sie nehmen sehr gerne jene Teile des Koalitionsübereinkom­mens her, die Ihnen wichtig sind. Ich darf Sie aber daran erinnern, dass in einer Koali­tion für eine gute Zusammenarbeit auch unsere Themen aufzugreifen sind. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Dazu gehören die Evaluierung und die Neugestaltung der Schulein­gangsphase. Bis heute ist diese Evaluierung nicht erfüllt. (Zwischenruf der Abg. Rudas.)

Dazu gehört, Frau Kollegin Rudas, die Evaluierung aller Schulversuche! Wir könnten von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II schon viel, viel mehr Schulautonomie ha­ben, wenn hier die Evaluierung entsprechend eingeleitet worden wäre. (Abg. Rudas: Wer hat denn ...?) Sie verweigern das! Sie verweigern diese Evaluierung, Sie geben sie nicht in Auftrag. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wünschen uns mehr Autonomie, mehr Evaluierung der Schulversuche und eine ra­sche Umsetzung jener Schulversuche, die sich bewähren. Das verhindern Sie! Die Frau Bundesministerin wird vielleicht dazu noch Stellung nehmen (Präsident Neuge­bauer gibt das Glockenzeichen), aber ich hoffe, dass sie auch unsere Wünsche rasch erfüllt. – Wir befinden uns nicht im Bezirksparteilokal der SPÖ Ottakring! (Beifall bei der ÖVP.)

12.23



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 74

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


12.24.04

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Das ist ein gutes Stichwort, Frau Kollegin Cortolezis: Wir befinden uns hier im Parlament und auch nicht in der Regie­rung, wo es letztlich um die Bildungspolitik in Österreich und nicht um die Streitigkeiten der Regierung geht. Aber wenn ich Sie daran erinnern darf, welche Teile der Regie­rungsübereinkommen umgesetzt worden sind, dann fällt mir zum Beispiel ein, dass, glaube ich, die letzten vier Regierungsübereinkommen immer den Passus enthalten haben, dass es ein neues Gehaltsschema für LehrerInnen geben soll, mit höheren Ein­stiegsgehältern, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer interessanter wird.

Wenn man es einmal rückblickend zusammenfasst: Die letzten Finanzminister waren entweder von der ÖVP, von der ÖVP oder von der ÖVP, und dieses Gehaltsschema gibt es noch immer nicht! Warum haben Sie also nicht die Dinge, die Sie selbst verein­bart haben und für die dann eigentlich Sie federführend waren, umgesetzt? – Nämlich genau deshalb, weil das auch eine sinnvolle Maßnahme gewesen wäre, um dem dro­henden Lehrermangel zu begegnen. Die Geschichte, die Sie da vorhalten, können Sie also in der Koalition zum Thema machen, aber belästigen Sie nicht den Nationalrat mit Ihren Streitigkeiten! (Beifall bei den Grünen.)

Aber kommen wir zum Positiven des heutigen Tages: Eine teilzentrale Matura – eine teilstandardisierte Matura müsste man, glaube ich, präziser sagen – ist etwas, was die Grünen unterstützen. Ich glaube, dass wir zumindest, seit die PISA-Studien be­kannt geworden sind, deutlich sehen mussten, dass es einen Handlungsbedarf gibt. Wenn nämlich herauskommt, dass die zweitbeste und die zweitschlechteste AHS in Österreich, gemessen an PISA, de facto den gleichen Notendurchschnitt in gewissen Gegenständen haben, obwohl sie einen Unterschied – wieder laut PISA gemessen – von bis zu eineinhalb oder zwei Lernjahren haben, dann muss man sehen, dass im System etwas nicht stimmt.

Es kann also nicht sein, dass ein Maturazeugnis nach völlig unterschiedlichen Kriterien vergeben wird. Insofern ist das ein sinnvoller Schritt, grundsätzlich ein sinnvoller Schritt. Ich glaube auch, dass es sinnvoll ist, wenn im mündlichen Bereich eine gewis­se Objektivierung zustande kommt, indem Fragen gezogen werden. Ich glaube, dass alle auch die Dinge von Maturabeispielen kennen, wo anders Maturafragen vergeben worden sind und die Frage, welche SchülerInnen oder welche LehrerInnen dort mit un­terschiedlichen Methoden gearbeitet haben, durchaus eine Veränderung erfordert hat. Daher ist die teilstandardisierte Matura unterstützenswert, vor allem auch deshalb, weil der mündliche Bereich doch insofern ausgenommen ist, als in den Schulen stärker Schwerpunkte gesetzt werden können. Deshalb werden wir diesem Bereich zustim­men. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir zu einer zweiten Debatte, die wir in den letzten Tagen intensiv geführt ha­ben, zur Frage der Ganztagsschulen. Es ist ja eine Situation, die bemerkenswert ist – und das soll man auch positiv erwähnen –, wenn eine Partei die Position ändert und sagt: Okay, wir erkennen an, dass es hier einen Veränderungsbedarf gibt! – Das betrifft jetzt die ÖVP.

Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum man dann diese strikte Trennung zwischen Nachmittagsbetreuung und Ganztagsschulen eigentlich wieder als ideologisches Krite­rium mit sich zieht. Jetzt wissen wir doch alle – und diese Diskussionen sind ja, glaube ich, auch übereinstimmend geführt worden –, dass diese Form von Unterricht in Öster­reich – um 7.40 Uhr läutet es das erste Mal, um 8.30 Uhr ist die Stunde aus, 5 Minuten ist Pause, dann beginnt die nächste Stunde, wir machen das bis zur Mittagspause und unterrichten in 50-Minuten-Blöcken durchgehend ohne vernünftige Pausen – nach je­der Form der pädagogischen Wissenschaft und der Hirnforschung extrem viel an Po-


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tenzial und Ressourcen vernichtet und dass man mit einem sinnvollen Tagesablauf – übrigens wäre es auch fürs Parlament eine sinnvolle Idee, zu fragen, ob man wirklich bis ein Uhr in der Früh durchsitzen kann und vernünftige Debatten führt –, mit der glei­chen Lernzeit und Lehrzeit, wahrscheinlich wesentlich bessere Ergebnisse bekommen kann.

Gerade nach der Definition der ÖVP müssten wir jetzt also fragen, ob das effizient ist und ob die Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden, wenn man weiß, dass es in der sechsten Stunde sowohl für den Lehrer als auch für die Lehrerin eher ein uninteressan­tes oder nicht besonders motivierendes Verhältnis ist, und für die SchülerInnen schon gar nicht. Warum sollen die Tagesabläufe nicht auch anders gestaltet werden können?

Jetzt sage ich von mir aus: Dann machen wir einen ersten Schritt und sagen wir zumin­dest, diejenigen, die wollen, bekommen einen Rechtsanspruch auf eine Ganztags­schule in verschränkter Form! Das wäre zumindest ein erster Schritt. Wenn Sie dann sehen, dass es einen hohen Bedarf gibt, wird es ohnehin nicht anders gehen. Aber warum sollen da die ideologischen Kriterien weiter aufrechterhalten werden? – Machen wir eine Schule, die den Wünschen und den Bedürfnissen der SchülerInnen und auch der PädagogInnen entgegenkommt!

Da hier das Licht zu blinken beginnt, abschließend noch Folgendes: Was in der Bil­dungspolitik momentan passiert, hat gute Ansätze, ist aber leider oft ziemlich unausge­goren. Ein Kritikpunkt an dieser zentralen Matura ist, dass LehrerInnen jetzt kommen und sagen: Wir unterrichten in der Oberstufe, wir wissen, die Kinder, die jetzt schon in der Oberstufe sind, maturieren in vier Jahren, und wir wissen noch nicht, wie die Matu­ra ausschaut. Warum muss es immer so sein, dass etwas nicht sinnvoll geplant und durchgeführt werden kann?

Das beste Beispiel sind im Moment die Kindergärten. Wunderbare Idee: Verpflichten­der Kindergarten hatte ja etwas mit Bildung zu tun, soweit ich das in Erinnerung habe, nämlich mit der Idee, möglichst gleiche Chancen oder „gleichere“ Chancen für alle zu gewährleisten. Aber wie ist jetzt die Situation? – Wir haben die Situation, dass wir zu wenig KindergärtnerInnen haben, dass die Gruppen überfüllt sind und dass es einfach sehr rasch umgesetzt worden ist, ohne genügend vorbereitet worden zu sein.

Von dem her, Frau Bundesministerin: Achten Sie bei allen guten Ideen trotzdem auf die Vorbereitung und schauen Sie, dass die Dinge auch funktionieren, wenn sie in Kraft treten! (Beifall bei den Grünen.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nun erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka das Wort. – Bitte.

 


12.29.23

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese heute auf der Tagesordnung stehenden drei Tagesordnungspunkte bringen im Bildungsbereich Fortschritte mit sich, und natürlich haben diese drei Punkte auch unsere Unterstützung. Ich möchte aber diese Gelegenheit heute auch wahrneh­men, um einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen.

Vergangene Woche hat Finanzminister Pröll eine grundsätzliche Rede gehalten und darin auch zur Bildungspolitik sehr klar Stellung genommen. Er hat gesagt: „In unseren Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt eine unglaubliche Kraft für die Zukunft. Richtig gefördert und vor allem gefordert, sind sie der Garant für zukünftige In­novation, Wachstum und Wohlstand in unserem Land. Dafür brauchen wir eine sub­stanzielle Weiterentwicklung unseres gesamten Bildungssystems, aber keine Serie von Einzelmaßnahmen. Wir müssen klar definieren und umreißen, wohin wir wollen. Dann


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werden auch alle an einem Strang ziehen: Schüler, Eltern – und Lehrer. Dieses Ziel kann, wenn alle an einem Tisch sitzen, in wenigen Monaten formuliert werden.“ – So­weit der Vizekanzler und Finanzminister.

Was er hier beschrieben hat, ist das, was auch unsere Position ist. Uns geht es gene­rell um eine substanzielle Weiterentwicklung unseres gesamten Bildungssystems und nicht um eine Serie von Einzelmaßnahmen. Wir sagen, wir müssen zuerst klar definie­ren und umreißen, wohin wir wollen, und die Betroffenen in die Diskussion mit einbe­ziehen, denn Bildung ist der maßgebliche Faktor für die Gesamtentwicklung Öster­reichs und unserer Gesellschaft. Wir sehen in der Schule einen Bereich, der zuneh­mend an Bedeutung gewinnt, aber Schule ist für uns immer nur familienergänzend und soll nie familienersetzend sein. Das ist unser Ansatz. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen, dass jetzt die Schule stärker gefordert ist als vor zehn oder zwanzig Jah­ren, was diese Unterstützung betrifft. Wir wissen natürlich, dass sich Arbeitsabläufe ge­ändert haben und dass mittlerweile fast zwei Drittel der Frauen erwerbstätig sind, dass vermehrt auch die Großelterngeneration noch selbst berufstätig ist und daher natürlich diese Frage eine ganz virulente ist: Was schaffen wir an ganztägigen Angeboten dort, wo sie gebraucht werden, aber mit der Betonung der Wahlfreiheit? – Wir sind für diese flächendeckende, bedarfsorientierte und auch pädagogisch hochwertige Nachmittags­betreuung, selbstverständlich! Nur so ist eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie tat­sächlich möglich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein ganz entscheidender Punkt wird sein, dass die Abläufe so gestaltet werden, dass es den Kindern tatsächlich möglich ist, neben dem, was das schulische Angebot ist, am Nachmittag auch ihren Interessen entsprechend im musischen Bereich oder im sportlichen Bereich das in Anspruch zu nehmen, was sie wollen. Was uns vorschwebt, ist, möglichst rasch zu gemeinsamen Modellen zu kommen, um dann auch die Mittel, die dafür notwendig sind, einzusetzen. Wollen wir das umsetzen, was wir im Regie­rungsprogramm festgeschrieben haben? – Wobei es ohnehin keinen großen Auffas­sungsunterschied zwischen uns gibt.

Natürlich ist auch die Infrastruktur, die dafür notwendig ist, zur Verfügung zu stellen, gar keine Frage! Das ist es auch, was wir in der Bundesregierung gemeinsam errei­chen wollen. Aber „gemeinsam“ ist auch ein Schlüsselwort: Es muss uns gelingen – und das ist sicherlich kein einfaches Unterfangen –, auch die Standesvertreter mit ins Boot zu nehmen und als Partner zu gewinnen, denn sie werden es sein (Abg. Wein­zinger – in Richtung Präsidium –: Da sitzt er!), die dann mit ihren Kolleginnen und Kol­legen das umzusetzen haben, was wir seitens der Politik vorgeben. Je stärker sie sich damit identifizieren können, desto besser wird uns die Umsetzung gelingen!

Was wir uns wünschen, ist ein Veränderungswille von allen Seiten her. Ein neues, ge­meinsames Lehrerdienstrecht nimmt zweifelsohne eine Schlüsselfunktion in diesem Gesamtkonzept ein. Diesem neuen, gemeinsamen Lehrerdienstrecht kommt auch des­wegen eine solche Bedeutung zu, weil wir in den nächsten Jahren, in absehbarer Zeit, Tausende Neuanstellungen haben werden, und für diese Tausenden Neuanstellungen brauchen wir dieses neue Dienstrecht, das auf die gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir haben, und auch auf die zusätzlichen und notwendigen nachmittäglichen Be­treuungsformen Rücksicht nimmt.

Wir wollen niemanden verunsichern. Wir wollen die 120 000 Lehrerinnen und Lehrer, deren Arbeit in den letzten Jahren sicherlich nicht leichter geworden ist, entsprechend unterstützen. Daher sagen wir ganz klar: Ja zu Reformen, unter Einbindung der Schul­partner! Das ist es, was wir schaffen müssen, diese Einbindung der Schulpartner, um zu einer Gesamtreform zu kommen. Dafür stehen wir zur Verfügung, so sehen wir un­sere Unterstützung für die zuständige Ministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

12.35



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 77

Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Unterrei­ner. – Bitte.

 


12.35.49

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Da­men und Herren hier im Haus und zu Hause vor den Fernsehapparaten! Ich würde meinen, dass Wissen und die Bildung das wichtigste Gut ist, durch das sich unser Land in Zukunft wird behaupten können. Ich glaube, das können wir alle unterstrei­chen, da sind wir uns alle einig. Darauf hin müssen wir alle Reformgedanken im Bil­dungsbereich konzentrieren.

Es gibt heute bei den drei Novellen eine Sache, der wir uneingeschränkt zustimmen können. Das ist diese Reform, die es beenden wird – nein, lassen Sie mich noch ein­mal von vorne anfangen: Es gibt ein Gesetz, das ein Höchstalter von 45 Jahren für die Zulassung zum Unterrichtspraktikum vorsieht, und das soll heute geändert werden. Das finden wir eine gute, eine ausgezeichnete Sache.

Es gibt mehrere Gründe dafür. Erstens wurde aufgrund der Pensionsreform das Pen­sionsantrittsalter auf 65 Jahre angehoben, und dadurch stehen jetzt Lehrer dem Schul­dienst noch länger und ausreichend zur Verfügung. Zweitens haben nun auch ältere, bisher in anderen Berufen tätige Personen die Möglichkeit, nach Ablegung eines er­gänzenden Studiums den Lehrberuf zu ergreifen. Drittens kommt diese Streichung der Altersgrenze vor allem Lehrerinnen zugute, die sich entschieden hatten, für eine Zeit­spanne ihres Lebens den Beruf der Hausfrau zu ergreifen und ihre Kinder selbst zu er­ziehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun können Frauen – und es sind meistens Frauen – den Lehrberuf in einem späteren Lebensabschnitt ausüben. Diese jetzt leichter gemachte Durchlässigkeit von Berufen kommt aber auch den Schülern zugute. Die Berufswelt, in die sie einsteigen werden, hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert, und Lehrer, die schon Berufserfah­rung haben, die zum Beispiel aus dem Wirtschaftsleben in diesen neuen Lehrberuf ein­steigen werden, können sehr viel dazu beitragen, die Jugend auf ein späteres Berufs­leben vorzubereiten

Vor allem wissen sie, dass Schüler etwas lernen müssen! Das klingt jetzt eigenartig, aber das ist gar nicht selbstverständlich. Es wird dann den Schülern nicht mehr vorge­gaukelt, zumindest aus deren Sicht, dass Lernen immer lustvoll sein muss, und sie werden auch nicht verschweigen, dass Leistung notwendig ist, dass Fleiß keine veral­tete Tugend ist und dass Disziplin notwendig ist. (Beifall bei der FPÖ.) Diese alten Ideen der Achtundsechziger – die antiautoritäre Erziehung ist gescheitert, und es ist gut, dass jetzt ein Wandel wird eintreten können. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, man kann nicht oft genug sagen, dass die Schule der Ort des Lernens ist und dass sich darauf alle Reformgedanken konzentrieren sol­len. In diesem Zusammenhang sei auch gesagt, dass in den letzten Jahrzehnten Leh­rern sehr viele Probleme aufgebürdet wurden, die sie allein nicht lösen können. Lehrer können zum Beispiel nicht die massiven Probleme der mangelnden Integration, die durch die falsche Einwanderungspolitik entstanden sind, kompensieren, geschweige denn lösen! Das ist Aufgabe der Politik.

Das ist auch in Wirklichkeit das wahre Problem. Das Leben vieler Einwanderungskin­der spielt sich in eigenen Cliquen ab, spielt sich in eigenen Parallelwelten ab. Keine Spur von Integration! Die Bildungsdefizite, hier vor allem die Deutschdefizite, sind kata­strophal und seit Jahrzehnten bekannt. Getan wurde nichts beziehungsweise viel zu wenig.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Untätigkeit und Wegschauen sind politische Todsünden. Wir Freiheitliche sind seit Jahrzehnten die einzige Partei, die diese Proble­matik erkannt (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen) und Lösungen ange­boten hat. (Abg. Dr. Walser: Sie waren ja in der Regierung!) Die Aufgabe der Zukunft ist, Wissen und Bildung zu vermitteln! (Beifall bei der FPÖ.)

12.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


12.40.25

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin­nen! Herr Staatssekretär! Herr Staatssekretär, ich möchte ganz kurz auf Ihre Ausfüh­rungen eingehen. Sie haben immer von der Nachmittagsbetreuung gesprochen. Ich weiß schon, dass Sie das so sehen. Man kann immer noch viel darüber reden, aber die Wirklichkeit ist die, dass es einen sehr viel höheren Bedarf nach verschränkter Ganz­tagsschulbetreuung gibt. Das ist der entscheidende Punkt, auch wenn Sie immer wie­der von der Nachmittagsbetreuung sprechen: Die Wirklichkeit bewegt sich in Richtung einer verschränkten Ganztagsbetreuung. Irgendwann werden wir das hier herinnen auch beschließen, und der Zeitpunkt ist gar nicht mehr allzu weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Unterreiner, Sie sagen: Die Achtundsechziger sind gescheitert, und jetzt kommt endlich wieder Disziplin. Ich muss Ihnen einfach widersprechen, denn erst diese Bewe­gung damals, die eine starke war, hat Bildungspolitik in einem anderen Sinn überhaupt ermöglicht. Auf diese Bewegung geht zurück, dass es heute so viele Alternativschulen gibt, deren Art des Lernens und Lehrens mittlerweile ins Regelschulwesen übernom­men wird. Das werden Sie, so glaube ich, auch nicht mehr abstreiten. Das Motto der Kampagne damals lautete: „Unter den Talaren der Mief von 1 000 Jahren“. Das war keck, aber jedenfalls wirksam, auch wenn man heute wieder von Disziplin redet. Ohne diese Vorgeschichte könnten wir heute nicht über Bildungspolitik reden. (Abg. Wein­zinger: All die linken Träumer!)

Ich möchte ganz kurz noch auf die dritte Novelle zu sprechen kommen, die Sie auch schon angesprochen haben, nämlich was das Unterrichtspraktikumsgesetz betrifft. Lassen Sie mich kurz etwas zum Hintergrund sagen: Ich habe im März ein Mail erhal­ten von einer Frau, die mir folgendes Problem schilderte – ich zitiere –:

Im Zuge meines Lehramtsstudiums wurde ich auf ein Hindernis aufmerksam. Nach dem derzeitigen Unterrichtspraktikumsgesetz gibt es eine Altersbegrenzung bezüglich der Abhaltung des im Studienplan geforderten Unterrichtspraktikums. Ich bin Jahr­gang 59 und habe daher nicht die Möglichkeit, meine Ausbildung sinngemäß abzu­schließen. Das widerstrebt den Bemühungen, Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsle­ben zu ermöglichen. – Zitatende.

Ganz ehrlich, mir war das nicht bewusst, und es stellte sich eben heraus, dass diese Altersgrenze tatsächlich Härtefälle produziert, weil es vor allem Frauen mit Kindererzie­hungszeiten verunmöglicht, den Lehrberuf auszuüben, weil ihnen dann das Praktikum fehlt. Es wirkt sich auch auf Berufsumsteigerinnen und -steiger beziehungsweise Spät­berufene negativ aus. Spannend war, dass es nicht lange gedauert hat, alle zu über­zeugen, dass es da notwendig ist zu handeln. Deswegen haben wir jetzt, sieben Mona­te später, diese Vorlage, die diese Altersgrenze aufhebt und damit den Betroffenen, vor allem sind es natürlich Frauen, jetzt den Einstieg in den Beruf ermöglicht. Zum Beispiel können jetzt auch, wie die Frau Bundesministerin das vorhin schon angeschnitten hat, Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die umsteigen wollen, den Lehrberuf ergreifen.

Ich will gar nicht behaupten, dass diese dritte Gesetzesnovelle jetzt so eine große Sa­che ist. Das will ich nicht sagen, aber sie ist ein Beispiel dafür, wie Politik auch funktio-


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nieren kann: Eine Betroffene weist uns stellvertretend für viele auf ein Problem hin. Wir schauen uns das an, stellen fest, ja, genauso ist es. Wir sehen Änderungsbedarf und schaffen das Problem aus der Welt. Ich finde, das könnten wir öfter so machen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


12.43.45

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Unterrichtsministerin! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, es ist ganz gut, dass Sie heute präsidieren. Fassen Sie meinen Redebeitrag nicht als Kritik am Präsidenten auf, aber gerade Ihnen in Ihrer Funktion in der Beamtengewerkschaft oder Gewerkschaft Öffentlicher Dienst muss man natürlich sagen, dass einer der Problembereiche genau dort beheimatet ist, bei dieser Betonfraktion im Bereich der Schulreform. Reformen sind für diese nur dort zulässig, wo sie die Neueinsteiger in den Lehrberuf betreffen, aber jene, die seit zehn, 15, 20, 30 Jahren – Letzteres sind schon die wenigeren – ihre Leistung durchaus aner­kennenswert erbringen, bei denen darf sich nichts ändern.

Meine Damen und Herren, so darf es nicht sein! Wir brauchen auch in der Schulver­waltung moderne Strukturen. Wir unterhalten uns darüber durchaus konstruktiv im ent­sprechenden Ausschuss. Es sagen nur alle: Ja, ja, diskutieren können wir schon. Wenn man allerdings zu konkreten Ergebnissen kommt, dann fürchte ich, Herr Präsi­dent, dass uns die Herrschaften wieder in bewährter Art und Weise erklären werden, warum das alles nicht geht, was wir an Änderungen brauchen.

Wir brauchen motivierte Lehrer; das ist überhaupt keine Frage. Wir brauchen Lehrer, die in der Schule sind. Deshalb sollten dort auch die Arbeitsplätze geschaffen werden, sodass die Lehrer auch ihre gesamte Lehrtätigkeit und Arbeitszeit an der Schule ver­bringen können. Dann haben wir auch kein Problem mit der Nachmittagsbetreuung. Wir brauchen nicht zusätzliche Lehrer einzustellen, sondern wir brauchen nur dafür zu sorgen, dass die Lehrverpflichtung auch an der Schule abgeleistet werden kann. Dann ist auch die Nachmittagsbetreuung kein Problem. (Beifall beim BZÖ.)

Der zweite Punkt, mit dem ich mich beschäftigen möchte, ist das Zwei-Klassen-System in der Schule, das wir haben. Es ist schon interessant, die Sozialdemokratie hat doch immer gesagt, es darf kein Zwei-Klassen-Schulsystem geben, sodass die, die es sich leisten können, eine ordentliche Ausbildung in einer Privatschule haben und die ande­ren auf das öffentliche Schulsystem angewiesen sind, das dann nicht die Qualität hat. Wir haben jedoch schon ein anderes Zwei-Klassen-System vor allem in den Groß­städten, und da vor allem in Wien: In den besseren Wohnbezirken, wo es einen gerin­geren Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in den Schulen gibt, kann man die Kinder gratis an die öffentliche Schule geben. In den Bezirken, wo der Anteil der Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache höher ist, müssen die Österreicher, wenn sie für ihre Kinder eine ordentliche Ausbildung haben wollen, viel Geld für eine Privat­schule aufwenden.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, das sind aber genau jene, die Sie immer zu vertreten vorgeben, nämlich diejenigen mit kleineren und mittleren Einkom­men.

Das ist eine völlige Verkehrung der Situation: Die Reichen, die gut wohnen, geben die Kinder gratis in die öffentliche Schule, weil dort auch noch eine gute Ausbildung mög­lich ist. Dort sind die Anteile von 10, 15, 20, höchstens 30 Prozent Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache noch so, dass Integration auch möglich ist. Woanders, im 15., im 16., im 10. Bezirk, gibt es jedoch Klassen mit einem Anteil von bis zu 90 und 95 Prozent. Wo bleibt da die Integration? Da sind die Kinder mit nicht-deutscher Mut-


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tersprache arm, weil sie nicht integriert werden können – und die wenigen österreichi­schen Kinder können die Lernziele nicht erreichen.

Frau Unterrichtsministerin, wo bleiben die Maßnahmen zu diesem Problem? (Abg. Riepl: Was ist Ihr Vorschlag?) Wir haben hier vor einigen Jahren einen Entschließungsantrag beschlossen, der gilt, dass es einen 30 Prozent-Ausländeranteil in den Klassen als Höchstgrenze geben soll. Was haben Sie gemacht, um das umzusetzen? Angesichts solcher Zahlen – das sind Ihre Zahlen –, bei 60 Prozent Ausländeranteil an den Haupt­schulen in Wien, wienweit, und da gibt es dann auch noch Konzentrationen, wäre es schon notwendig, so wie wir das verlangen, dass man wenigsten an jedem Schulstand­ort garantiert, dass es eine Klasse gibt, in der dieser Anteil von 30 Prozent nicht über­schritten wird, damit die Österreicher ihre Kinder auch in ihrer Wohngegend wieder in die Grundschulen geben können. (Beifall beim BZÖ.)

Machen Sie endlich etwas in diese Richtung, und fürchten Sie sich nicht vor den Wah­len und vor Ihren Sozialutopisten! (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Und zum Schluss, Herr Präsident: Wir sind für eine Differenzierung des Schulsystems. Es soll viele Wahlmöglichkeiten geben mit Ganztagsformen, mit integrierten Formen, aber nicht nur einen von oben verordneten Schulplan, sondern ein wirklich differenzier­tes Schulsystem, in dem alle Kinder das für sie passende Schulsystem auswählen kön­nen. (Beifall beim BZÖ.)

12.48


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Lettenbich­ler. – Bitte.

 


12.48.35

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Hohes Haus! Sie wissen es alle, das Schulsystem und die Schulverwaltung stehen vor großen Herausforderungen und werden derzeit einer genauen Überprüfung unterzogen.

Heute beschließen wir unter anderem die Reform der Reifeprüfung, und hiezu wurden im Frühjahr und Frühsommer teilweise sehr kontroverse Diskussionen geführt. Schluss­endlich wurde nun doch eine brauchbare und zufriedenstellende Variante der „Matura neu“ gefunden. Seitens der ÖVP war es uns wichtig, dass diese Einigung auch unter Einbindung der Schulpartner erfolgte. Künftig wird diese Reifeprüfung einem Drei-Säu­len-Modell entsprechend aus einer vorwissenschaftlichen Arbeit, einer standardisierten schriftlichen Klausur sowie einer mündlichen Prüfung bestehen.

Die vorwissenschaftliche Arbeit ersetzt die bestehenden Formen der Fachbereichsar­beit sowie der Spezialfrage und muss mündlich präsentiert werden. Die Aufgaben für die schriftlichen Prüfungen aus Deutsch, einer lebenden Fremdsprache sowie Mathe­matik werden zentral vom BIFIE ausgearbeitet und zu – und das ist neu – österreich­weit einheitlichen Prüfungsterminen vorgelegt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wesentlich sind mir in diesem Zusammenhang aber noch drei Punkte. Erstens, dass die jeweils schulautonomen Schwerpunkte weiterhin berücksichtigt werden und es nicht zu einem bildungspolitischen Einheitsbrei kommt. Das differenzierte Schulsystem Österreichs, und das ist mir besonders wichtig, bleibt somit erhalten. Auch darf die Matura nicht als reine Zugangsbefähigung zur universitä­ren Ausbildung angesehen werden, sondern sie soll vornehmlich der Berufsvorberei­tung dienen. Vor allem die Absolventen der berufsbildenden höheren Schulen brau­chen weiterhin eine praxisorientierte und praxisnahe Ausbildung, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können.


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Der dritte wichtige Aspekt ist für mich die evaluierende Begleitung der „Matura neu“. Damit können allenfalls auftretende Probleme rasch erkannt und behoben werden. Ich freue mich, Frau Bundesministerin, dass Sie dem Nationalrat nach jedem Durchgang einen Bericht über die Ergebnisse vorlegen werden.

Grundsätzlich darf ich festhalten, dass wir seitens der ÖVP im Bildungsbereich ein aus­gewogenes, mit allen Schulpartnern diskutiertes Gesamtkonzept wollen und dieses dann auch umsetzen wollen. Von einem bildungspolitischen Flickwerk halten wir nichts. Dies gilt vor allem auch für die ganztätigen schulischen Angebote. Dort, wo sie ge­braucht werden, sollen sie auch ausgebaut werden, jedenfalls aber mit Wahlfreiheit für die Eltern und unter Einbeziehung der betroffenen Gebietskörperschaften. Zwangsbe­glückungen bringen hier nichts, und lehnen wir deshalb auch kategorisch ab. Die Be­treuungsangebote sollen jedoch keine reinen Beaufsichtigungseinrichtungen sein, son­dern müssen pädagogisch hochwertig gestaltet sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich denke, mit dem heutigen Beschluss über die standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung wird ein wesentlicher Schritt hin zur Qualitätssicherung im Bildungsbereich gesetzt, so wie das auch im Regierungspro­gramm festgelegt wurde. Hier sind wir auf einem guten Weg. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 


12.52.15

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch die Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Minis­terinnen! Geschätzte KollegInnen! Ich möchte jetzt gleich beim Thema Prüfungsbe­stimmungen einsteigen.

Ein schwerhöriges Mädchen, eine Schülerin hat sich an mich gewandt und hat mir er­zählt, dass sie ihre Matura absolvieren wollte. Sie hat ihre Schulzeit sehr gut absolvie­ren können, sie hatte aber letzten Endes bei der Matura wirklich große Probleme. Das Problem bestand darin, dass man von ihr als Schwerhörender verlangt hat, dass sie eine akustische Sprachübung versteht. Sie hat dann selbst darum gebeten, man möge ihr einen Ersatz anbieten, nämlich in Form eines schriftsprachlichen Textes, und auf­grund des Textes, den sie lesen konnte, war es ihr letzten Endes möglich, diese Matu­raprüfung zu machen.

Mir ist auch ein weiteres Beispiel bekannt. Es geht wieder um eine schwerhörende Schülerin, die aufgrund dessen, dass sie in der Fremdsprache die Artikulation, die Aus­sprache nicht entsprechend wiedergeben konnte, die Prüfung nicht bestehen konnte. Das sind keine Einzelfälle! Wir haben bei unterschiedlichen Personen immer wieder ein wirklich großes Problem, zum Beispiel mit der englischen Aussprache.

In einer Sitzung des Unterrichtsausschusses habe ich mich an die Frau Ministerin ge­wandt und sie darauf hingewiesen, dass es in dem Bereich wirkliche Probleme gibt. Es geht mir jetzt nicht darum, dass wir für Menschen mit Behinderungen einfachere Prü­fungen haben sollten, sondern es geht darum, dass die Prüfungsmodalität in einer Form sein muss, dass sie den Bedürfnissen des Menschen und der Person mit Behin­derung adäquat ist. (Beifall bei den Grünen.)

Was brauchen wir? – Wir brauchen die entsprechenden Rahmenbedingungen für In­klusion.

Artikel 9 der UN-Konvention befasst sich mit dem Thema Barrierefreiheit. Barrierefrei­heit bedeutet auf der einen Seite den Zugang zu Bildungseinrichtungen und anderen


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Einrichtungen, den Transport, Unterstützungen für Personen, das können auch Beglei­tungen sein, damit Personen Gebäude auch wirklich besuchen können. Es gibt zum Beispiel auch eine Unterstützung in Form von Vorlesen.

Der nächste Punkt, der wichtig ist, ist der Zugang zu Informationen. Menschen mit Sehbehinderungen, Hör-Seh-Beeinträchtigte, es gibt Menschen, die brauchen ver­schiedenste Kommunikationsformen, um wirklich an Informationen heranzukommen.

Im Artikel 24 geht es in der UN-Konvention um den Bereich Bildung. Jetzt spreche ich im Besonderen die LehrerInnen-Ausbildung an. Wir brauchen ein entsprechendes An­gebot, damit auch Menschen mit Behinderungen den Beruf der LehrerIn ergreifen kön­nen. Darüber hinaus ist es ganz wichtig, dass die Menschen, die mit Kindern zu tun ha­ben, die im Bildungswesen arbeiten, entsprechend sensibilisiert werden.

Weiters brauchen wir Materialien, wir brauchen Unterrichtsmaterialien und auch Mate­rialien im Bildungsbereich, mit denen Kinder darüber informiert werden, wie man mit Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen umgeht. (Beifall bei den Grünen.)

Ich wünsche mir eine Arbeitsgruppe. Wir brauchen eine Arbeitsgruppe, die sich darum kümmert, dass wir entsprechende Unterrichtsmaterialien haben.

Abschließend möchte ich sagen: Der Behindertensprecher der ÖVP, Franz-Joseph Huainigg, hat wirklich gute Sensibilisierung betrieben. Er hat Kinderbücher verschie­denster Art geschrieben, um die Kinder auf bestimmte Behinderungen einzustimmen und sie darüber zu informieren.

Abschließend nochmals: Es geht uns um die Umsetzung der UN-Konvention, um Zu­gang zu Bildung, um Barrierefreiheit in der Bildung. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und BZÖ.)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Er ist nicht im Saal.

Nächster Redner daher: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


12.57.34

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe die heutige Bildungsdebatte bis­her sehr aufmerksam verfolgt, und es ist sehr oft das Wort von der Bildungsbaustelle gefallen, manchmal war es auch kritisch gemeint. Heute wird eine Baustelle zuge­macht, und darüber sind wir sehr froh. Es wird die standardisierte Matura beschlossen.

Apropos Baustelle, sehr geehrte Damen und Herren: Die gesamte Gesellschaft ist eine Baustelle! Sie verändert sich ununterbrochen, und auch die Schule ist keine Insel mehr. Daher haben wir auch in der Schule diese gesellschaftlichen Veränderungen nachzuvollziehen und mitzuvollziehen.

Ich stimme einigen VorrednerInnen besonders zu, wenn es von deren Seite geheißen hat, dass die Schulverwaltung effizienter werden muss. Ich meine aber, sie muss in dem Sinne effizienter werden, dass das Geld, das wir in die Bildungspolitik stecken, dem Kern der Bildungspolitik zukommt, nämlich der Kernklientel, unseren Schülerinnen und Schülern. In diesem Sinne arbeiten wir an der Reform der Bildungspolitik.

In der Bildungspolitik werden oft Schlagworte als Killerworte verwendet. Ein solches ist zum Beispiel die Ganztagsschule als „Zwangstagsschule“ gewesen. Ich würde auch darum bitten, dass wir nicht die Zentralmatura zu einem solchen Killerwort erheben, denn besser wäre es, von der neuen Matura zu sprechen, denn zentral ist im Ver­gleich zu anderen Ländern, die wirklich eine Zentralmatura haben, höchstens die zen­trale, standardisierte Qualitätskontrolle. Und das muss uns doch ein ganz wichtiges An­liegen sein.


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Apropos Ganztagsschule, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schule hat ganz einfach, das müssen wir zur Kenntnis nehmen, zusätzliche neue Aufgaben zu er­füllen, ob man das wahrhaben will oder nicht. Es werden der Schule neue Aufgaben überantwortet, unsere Gesellschaft verändert sich, und daher hat die Schule auch so­ziale Verantwortung wahrzunehmen. Daher lehne ich es ab, nur zu betreuen. Ich mei­ne auch nicht bewahren, schon gar nicht aufbewahren, sondern bilden, um sich zu be­währen, damit sich unsere Jugend in Zukunft aufgrund eines hervorragenden Schul­systems bewähren kann. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


13.00.09

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Hohes Haus! Im Sommer 2008 haben in einer Schule in Fohnsdorf – das ist in der Steiermark; für die, die es nicht wissen soll­ten – vier Mädchen einen Lehrer mit einer Plastikflasche beworfen, ihn anschließend attackiert, ihn getreten und dann auch noch versucht, ihn zu bemalen. Der Lehrer ist in einen angrenzenden Raum geflüchtet, hat sich dort verbarrikadiert und wollte nicht mehr herauskommen, bis der Schulwart gekommen ist und die Tür aufgebrochen hat. So verängstigt war der Lehrer.

Dieser Fall ist etwas skurril, aber leider kein Einzelfall. Wir müssen erleben, dass in österreichischen Schulen Respekt, Ordnung, Disziplin Fremdwörter sind. Wir haben eine Entwicklung, wo das Aggressionspotential von Kindern und von Schülern immer größer wird.

Vor nicht allzu langer Zeit ist ein Schüler vor dem Richter gestanden, nachdem er einen Mitschüler brutal schwer verletzt hat. Der Richter hat ihn gefragt, warum er auf den wehrlos am Boden liegenden Mitschüler mit Anlauf mit dem Fuß eingetreten hat, und der Schüler hat zu ihm gesagt: Zu dem Zeitpunkt habe ich nicht darüber nachge­dacht.

Solch eine Grenze würde wahrscheinlich von niemandem von uns überschritten wer­den, aber wir leben leider in einer Gesellschaft, in der den Kindern keine Grenzen mehr aufgezeigt werden. Es gibt keine Grenzen mehr, und daran ist sicher auch der Irrweg der antiautoritären Erziehung schuld. Diese antiautoritäre Erziehung ist in Wirklichkeit gar keine Erziehung, denn eine Erziehung ohne Autorität gibt es gar nicht. Das heißt, dieser Begriff ist an sich schon nicht richtig. Das wird deutlich, wenn ich mir noch zu­sätzlich ansehe, was die Eltern dieser vier Mädchen nach diesem schrecklichen Vorfall gesagt haben. Die haben gesagt: Ja, ja, die Kinder wollten sich eine Gaudi machen, und das ist dann halt etwas eskaliert. – Das ist Ausfluss dieser antiautoritären Erzie­hung – wahrscheinlich auch schon bei den Eltern –, dass sie die Dinge so liberal und unkritisch sehen.

Das heißt, wir brauchen wieder mehr Respekt, wir brauchen wieder mehr Disziplin – auch in unseren Klassenzimmern. Wenn ein Lehrer in Österreich im Durchschnitt 10 Minuten braucht – im Durchschnitt! –, um Ruhe in die Klasse zu bringen, wenn er also von seinen 50 Minuten, in denen er normalerweise Wissen vermitteln sollte, schon 10 Minuten braucht, um überhaupt Ruhe in die Klasse zu bringen – in manchen Klas­sen funktioniert das während des ganzen Unterrichts nicht –, dann frage ich mich: Wie will man in einer Klasse, in der nicht einmal ein Mindestmaß an Ruhe und Ordnung herrscht, entsprechende Inhalte vermitteln? Wie soll das funktionieren?

Die nächste Frage ist: Wie kommt ein Schüler dazu, der ordentlich lernen will, der et­was aus seinem Leben machen will, der in dieser Klasse sitzt und nichts mitbekommt, weil die Unruhe dermaßen groß ist, dass man nicht am Unterricht teilhaben kann? Wie kommt der dazu? (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)


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Da sind wir gefordert, den Lehrern die Instrumente in die Hand zu geben, um diese Missstände abzustellen. Wir brauchen nicht den Rohrstock, sondern wir brauchen Maßnahmen, die es wieder möglich machen, Ruhe und Ordnung in die Klasse zu brin­gen. Und wenn ich mir anschaue, dass es mittlerweile ja schon verboten ist, ein Kind in die Ecke zu stellen, weil das angeblich diskriminierend oder erniedrigend ist, dann fra­ge ich mich, wie es möglich ist, dass ein Kind in der Klasse den Lehrer beschimpft, die anderen Mitschüler erniedrigt, aber dann, wenn es selbst in die Ecke gestellt werden soll, geschützt wird.

Das ist nicht zumutbar, und da müssen wir wirklich Einhalt gebieten. Wir müssen den Lehrern wieder mehr Möglichkeiten in die Hand geben, und wir müssen vor allem auch wieder eine Betragensnote einführen. Diese Betragensnote ist deshalb wichtig, weil es im späteren Leben, nach der Schule, nicht uninteressant ist, wie sich jemand aufführt, ob er in der Lage ist, Regeln einzuhalten, denn später wird es dann so sein, dass der Chef sehr wohl ein Interesse daran hat, dass gegenüber dem Vorgesetzten ein gewis­ser Respekt entgegengebracht wird.

Deshalb brauchen wir die Betragensnote wieder, wir brauchen mehr Rechte für die Lehrer und was wir vor allem brauchen, ist mehr Sensibilität dafür, dass die Wenigen, die permanent stören, die von den Eltern mit ihrer antiautoritären Haltung auch noch unterstützt werden, die den ganzen Unterricht verunmöglichen, dass diese Wenigen ri­goros separiert werden müssen. Da müssen wir uns drübertrauen, und es muss end­gültig damit Schluss sein, dass diese Wenigen die Leistungen und den Output in der Schule entsprechend nach unten drücken. Wir sehen das ja in Wien und auch in ande­ren Bundesländern.

Deshalb: Mehr Rechte für die Lehrer! Schluss mit der antiautoritären Erziehung! Nur dann hat unsere Schule Zukunft. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

13.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Prinz. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.06.00

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mi­nisterin! Meine Damen und Herren! Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innova­tion und Entwicklung hat wichtige Aufgaben wie zum Beispiel das Überprüfen der Bil­dungsstandards sowie die Abwicklung verschiedenster Forschungsprojekte zur Weiter­entwicklung des Schulwesens. Die Diskussion der letzten eineinhalb Jahre hat klar ge­zeigt, dass es wichtig ist, dass seitens des Ministeriums klare Vorgaben für das BIFIE gemacht werden. In der Vergangenheit haben Eltern sowie Schüler oft zu wenig über Ziel und Umfang der Befragungen Bescheid gewusst. Zudem wurden Fragen über das persönliche Umfeld gestellt, die nicht immer nötig und nachvollziehbar waren.

Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird es wesentliche Verbesserungen in die­sem Bereich geben. Datenschutz und Informationen über das persönliche Umfeld der Schülerinnen und Schüler sind einfach wichtig und zu garantieren. Vertraulichkeit sollte hier selbstverständlich sein. Eltern sowie Schüler sind besser als bisher über die Art und den Zweck der Befragungen zu informieren und auch entsprechend einzubinden.

Ich hoffe, es ist uns allen ein Anliegen, dass moderne Bildungspolitik nur im Dialog von Politik, Forschung, Lehrern und Schulleitung beziehungsweise Eltern und Schülern Sinn macht und auch Zukunft hat.

Das BIFIE hat eigentlich so etwas wie eine Alleinstellung. Damit ist sensibel umzuge­hen. Es ist zwischen nationalen und internationalen Aufgaben zu unterscheiden. Durch die ausdrückliche Genehmigung seitens der Bildungsministerin für Befragungen und


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Projekte ist hoffentlich gewährleistet, dass nur Untersuchungen genehmigt werden, die für die Qualitätssicherung erforderlich sind und die den Unterrichtsverlauf nicht stören. Zudem erwarte ich schon, dass das BIFIE mit den vorhandenen finanziellen Mitteln auch in der Zukunft auskommt.

Mit der Evaluierung und Auswertung der neuen Reifeprüfung kommt auf das BIFIE eine sehr interessante und wertvolle Aufgabe zu. Ich denke, es ist wichtig, dass Eltern und Schüler auf korrekten Umgang mit persönlichen Daten im Rahmen von wissen­schaftlichen Arbeiten vertrauen können. Die Informationspflicht sowie die Zuständigkeit der Bildungsministerin sind hoffentlich Säulen, die das auch garantieren.

Bildungspolitik ist vielfältig. Individuelle Lösungen sind hier notwendig. Diese sind ge­meinsam mit den Schulpartnern zu erarbeiten. Schule kann Elternarbeit wie Kinderer­ziehung nicht ersetzen, sondern nur unterstützen. Lehrer oder Lehrerin zu sein sollte mehr als nur Beruf, sondern eine Art Berufung sein. Lehrer in Kleinschulen, zum Bei­spiel mit zwei Schulstufen in einer Klasse, leisten Besonderes. Wenn sie dann noch Kinder mit verschiedenen Muttersprachen, so wie auch in meiner Heimatgemeinde, in einer Klasse haben, ist das eine besondere Herausforderung. In diesem Zusammen­hang, Frau Bundesministerin, wäre es, glaube ich, sinnvoll, gerade den Bereich der Kleinschulen auch in der Zukunft mehr und intensiver zu diskutieren und auch entspre­chend abzusichern. (Beifall der Abg. Franz.)

Einen Gedanken zur Diskussion über die Arbeitszeit der Lehrer in der Schule. Man sollte auch den Aspekt der Qualität der Konferenzzimmer dazu betrachten und welche Kosten hier auf Schulerhalter zukommen. Weiterentwicklung ist nur Hand in Hand mit Schulpartnern und Schulerhaltern möglich.

Wir stehen für ein Bildungswesen der Vielfalt. Dieses heißt es positiv weiterzuentwi­ckeln. Mit den heutigen Gesetzen gehen wir einen ordentlichen Schritt in diese Rich­tung. (Beifall bei der ÖVP.)

13.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Linder. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.09.31

Abgeordneter Maximilian Linder (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Wenn man in den letzten Jahren beobachtet, wie der Umgang der Schüler untereinander in der Schule ist, wie immer wieder von Gewalt zu lesen ist und man es auch selbst von den eigenen Kindern miterlebt, wie grob manche Schüler miteinander umgehen, wenn man erlebt, was wir auch heute herausgehört haben, wie manche Schüler zu den Lehrern, zu den Vorgesetzten oder zu anderen Erwachsenen in den Schulen sind, so kann man sicher sein, dass einiges in diesem System nicht mehr richtig funktioniert.

Wenn man dann noch Österreichs Ergebnisse bei den PISA-Tests erlebt, bei denen wir ganz schlecht abschneiden, im hintersten Drittel liegen, so sollte uns das schon zum Nachdenken anregen, denn das ist doch eine kleine Bestätigung dafür, dass das System immer schlechter funktioniert und nicht richtig eingeteilt ist.

Und dann wird vonseiten der Politik den Schülern noch ein falsches Signal gesetzt, dass man keine Bewertung mehr vornimmt, dass man sie nicht mehr mit Noten beur­teilt, sondern sogar so weit geht, dass man sagt, wenn die Leistung nicht passt, brauchst du trotzdem nicht zu wiederholen, du kannst in die nächste Klasse aufsteigen. Ich glaube, wir sollten die Schüler darauf vorbereiten, dass das Leben anders ist. Das Leben ist Prüfung, das Leben ist Wettbewerb, und das Leben ist auch Kampf. Und das, glaube ich, sollten wir den Kindern von klein auf zeigen: dass es nicht gratis geht, dass es nicht ohne Leistung geht.


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Wenn man dann hört, dass die Fraktion der Christlichen Gewerkschafter verlangt, dass die Lehrer wieder strafen dürfen, dass sie strenger sein dürfen, kommt prompt von der roten Reichshälfte das Veto dagegen: Kommt gar nicht in Frage! Der Kärntner Vizeprä­sident des Landesschulrates sagt: Um Gottes willen, das dürfen wir ja nicht machen!

Wenn es im Gegenzug dann vonseiten der SPÖ Reformgedanken gibt, vonseiten der Ministerin Reformgedanken gibt, sind die ÖVP-Kollegen wieder die Ersten, die sagen: Nein, so geht es nicht!

Wenn wir außerdem darüber nachdenken und hören, dass das Schulsystem in Öster­reich eines der teuersten ist – wir liegen im OECD-Vergleich an vierter Stelle, mit unse­ren PISA-Ergebnissen sind wir im letzten Drittel –, so glaube ich, gerade liebe Kollegen von der ÖVP, es wäre höchst an der Zeit, der Bundesministerin zur Seite zu stehen, wenn sie bereit ist, die Lehrer aufzufordern, mehr an der Schule zu sein, wenn sie die Lehrer dazu mit einem neuen Dienstrecht verpflichtet, mehr Unterrichtsstunden zu hal­ten, mehr an der Schule für die Kinder da zu sein. Gerade aus der Kostensicht, glaube ich, müsstet ihr das forcieren.

Es war für mich enttäuschend, wie in der Budgetdiskussion die ÖVP binnen zwei Stun­den bereit war, den Schulen 250 Millionen € zu stunden, um der Frau Minister Schmied in den Rücken zu fallen. Und aus Sicht des Tourismus muss ich sagen: Wenn wir 10 Millionen € für die Österreich Werbung haben wollen, ist es der Wirtschaftspartei ÖVP nicht möglich, das Geld aufzutreiben. (Beifall beim BZÖ.)

13.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Lohfeyer. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


13.13.10

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir beschließen heute mit der Novelle des Schulunterrichtsgesetzes die stan­dardisierte Reifeprüfung. Schülerleistungen werden mit dieser neuen Form der Matura vergleichbarer, transparenter und entsprechen internationalen Standards.

Neu bei der Reifeprüfung ist die vorwissenschaftliche Arbeit, in der SchülerInnen sich vertiefend mit einem von ihnen selbst gewählten Thema beschäftigen und dieses dann im Rahmen der mündlichen Matura auch präsentieren müssen. Aus meiner eigenen Unterrichtserfahrung weiß ich, dass jene Schüler, die bereits bisher eine Fachbereichs­arbeit oder eine Projektarbeit gewählt haben, von einer solchen Vertiefung sehr profi­tiert haben, können sie doch in diese Arbeit ihre eigenen Interessen, aber auch Schul­schwerpunkte gut einfließen lassen.

Ich finde es richtig und gut, dass diese vorwissenschaftliche Arbeit für alle SchülerIn­nen zum Standard wird, denn dafür sind Eigenständigkeit, die Arbeit mit Quellen und wissenschaftlichen Methoden, Rede- und Ausdrucksfähigkeit gefragt, und diese Fähig­keiten sind schließlich auch die notwendige Voraussetzung für ein anschließendes Stu­dium.

Meine Damen und Herren, ich sehe die neue Matura mit den Bildungsstandards als einen wichtigen Meilenstein in Richtung einer Qualitätssicherung unseres Bildungssys­tems. Ministerin Claudia Schmied hat bereits sehr wichtige Maßnahmen ihres ambi­tionierten Reformprogramms auf den Weg gebracht: die Neue Mittelschule, kleinere Klassen, die Lehre mit Matura, Nachmittagsbetreuung, Frühförderung aller Kinder, den Ausbau der Politischen Bildung, der Berufsberatung und Gewaltprävention, um nur die wichtigsten zu nennen.

Unser Bildungssystem zeigt auch zunehmend integrative Wirkung, aber die Bildungsre­form gehört entschlossen fortgesetzt, denn in Österreich ist Bildung nach wie vor stark


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vom Bildungsniveau der Eltern abhängig, passiert die soziale Differenzierung mit zehn Jahren zu früh, fehlen ganztägige Schulformen und benötigen die Schulstandorte mehr Autonomie.

Arbeiten wir gemeinsam weiter an einer Schule, deren Prinzip nach Chancen- und Ge­schlechtergerechtigkeit ausgerichtet ist, und an einer Schule, die den Kindern unter­schiedlicher familiärer und kultureller Herkunft bestmögliche Entwicklungsmöglichkei­ten, frei von jeglicher Diskriminierung, bietet, denn wir benötigen die Talente und Fä­higkeiten aller Kinder in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Franz. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.16.04

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Herr Kollege Brosz hat hier bemängelt, dass es für die Ganztagsschule ein Gesetz brauchen würde und dass es notwendig sei, das zu beschließen.

Ich möchte ihn aufklären: Dieses Gesetz wurde bereits beschlossen, und zwar unter Frau Ministerin Gehrer. Es gibt die Möglichkeit, schulautonom an Standorten eben diese Ganztagsschule in Zusammenarbeit mit den Schulpartnern einzurichten. Diese gesetzliche Grundlage gibt es also. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber auf die Reifeprüfung zu sprechen kommen, die für junge Menschen einen wichtigen Baustein in der Bildungslandschaft darstellt, ermöglich sie doch den Einstieg in höhere, in universitäre Studien. Es ist also erfreulich, dass es uns gelungen ist, jetzt diese standardisierte Matura zu schaffen beziehungsweise die Matura so wei­terzuentwickeln, dass sie an internationale Standards angepasst werden konnte. Es ist gut, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler jetzt vergleichbar sind und da­mit die logische Weiterentwicklung der Bildungsstandards erfolgen konnte.

Wichtig erscheint mir, dass sichergestellt wurde, dass auf die autonomen Schwer­punkte Rücksicht genommen wird, dass aber auch die Schulpartner einbezogen wer­den in die Bundes-Reifeprüfungskommission, und natürlich auch, dass das Ganze auf eine breite Basis gestellt wurde und auch die Schulpartner dabei sind.

Wenn ich noch auf die künftige Weiterentwicklung des Schulwesens zu sprechen kom­me, so erscheint es mir wichtig, dass die Schulautonomie ausgebaut wird, dass die Wahlfreiheit der Eltern bestehen bleibt beziehungsweise noch ausgebaut wird. Wichtig ist es aber auch – als Vertreterin des ländlichen Raumes möchte ich das besonders betonen –, dass die Klein- und Kleinstschulen erhalten bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Alles in allem bin ich froh, dass wir heute dieses Gesetz beschließen. Es ist eine Wei­terentwicklung in Richtung Qualität, es gibt eine bessere Vergleichbarkeit und mehr Transparenz. Und darüber bin ich froh. (Beifall bei der ÖVP.)

13.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Riepl. 3 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


13.18.40

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mein Kollege Sacher hat schon gesagt, wir wollen eigentlich das, was wir heute beschließen, nämlich die neue Matura, als neue Matura sehen und nicht andere Begriffe verwenden. Es ist wirklich etwas Neues. Es ist ein wichtiger weiterer Schritt zu einer modernen, zeitgemäßen Schule.


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Ich bin auch der Frau Bundesministerin Claudia Schmied sehr dankbar dafür, dass eben diese Bildungsreform jetzt Schritt für Schritt angegangen und auch umgesetzt wird.

Wir wollen ja zur besten Schule für unsere Jugend kommen, und wenn wir zur besten Schule kommen wollen, heißt das schon, dass wir die beste Schule jetzt noch nicht ha­ben. Wir waren schon einmal besser. Ich glaube, das wissen wir alle hier. Die interna­tionalen Tests haben uns in den letzten Jahren ja leidvoll bewiesen, dass wir da nicht besser geworden sind. Aber mit diesen Schritten, die jetzt gesetzt werden, sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg.

Es ist schon gesagt worden, und ich möchte es als 24. Redner jetzt in dieser Debatte vielleicht noch einmal kurz zusammenfassen: kleinere Klassen, Neue Mittelschule, Ta­gesbetreuung, ganztägige Schulformen, Lehre mit Matura. Alles ist schon vielfach er­wähnt worden. All das sind Schritte, die schon in Vorbereitung sind, die teilweise schon umgesetzt sind.

Ein Thema, das in der Debatte jetzt auch eine Rolle gespielt hat, war die Frage der Förderung und des Sitzenbleibens.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich bin für das Sitzenbleiben im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich zur Nachhilfe und zur Förderung im laufenden Schuljahr in der Schu­le – statt für ein Sitzenbleiben und Klasse-Wiederholen im nächsten Schuljahr. Das kostet viel Geld und bringt nichts. Ich sehe nicht ein, dass jemand, der zwei Gegen­ständen mit Nichtgenügend abschließt, die acht Gegenstände, die er vielleicht positiv abgeschlossen hat, noch einmal wiederholen muss. Das ist unsinnig. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bin ich für den Weg der Förderung im laufenden Schuljahr und nicht für die An­sage: Dann gehst du halt in dieselbe Klasse noch einmal! – Das ist – wie ich meine – nicht richtig.

Jeder Euro, der heute für die Kinder in den Schulen ausgegeben wird, erspart der Ge­sellschaft später 2 € oder mehr für Nachschulung, für Arbeitslosenunterstützung, für Sozialhilfe oder für andere notwendige Dinge, die sich in der Gesellschaft daraus ent­wickeln, dass wir den Kindern zu wenig Bildung in den Schulen anbieten.

Sehr verehrte Damen und Herren, die neue Matura erfüllt internationale Standards – auch das wurde schon gesagt. Es ist ein Ergebnis breiter Diskussion, gewollter Diskus­sion mit allen Beteiligten, es ist eine Niveauverbesserung, und – was wichtig ist – eine begleitende Evaluierung wird erfolgen.

Ich denke daher, es ist richtig, wenn man sagt: Es ist heute ein ganz guter Tag für die österreichischen Schulen, aber nicht nur für die Schulen, sondern auch für unsere Kin­der! (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Da ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vorliegt und eine kurze Unterbrechung der Sitzung zur Vorbereitung der Abstimmung nicht ausreicht, verlege ich die Abstim­mung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 bis an den Schluss zu den Abstimmun­gen über die Tagesordnungspunkte 4 und 5.

13.22.064. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (238 d.B.): Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird (349 d.B.)


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5. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 9/A der Abgeordneten Mag. Dr. Wolf­gang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österrei­chischen Bundesmuseen und Sammlungen und das Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geändert werden (350 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Unterreiner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.23.25

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt eine Vielzahl von Gesetzen, die seit dem Jahr 1945 beschlossen wurden, mit denen Öster­reich sich bemühte, das Unrecht, das an den Opfern des nationalsozialistischen Re­gimes begangen worden war, zu lindern. Auch wenn man wusste, dass eine Wieder­gutmachung im eigentlichen Sinn des Wortes nicht möglich ist, bemühten sich alle po­litisch Verantwortlichen in den vergangenen 65 Jahren um mehr Gerechtigkeit, um Ent­schädigung, um Versöhnung, um ins Reine zu kommen.

Heute beschäftigen wir uns mit einer Novelle des Restitutionsgesetzes aus dem Jahr 1998, dem schon zwei Gesetze über die Rückgabe von Kunstgegenständen vor­ausgegangen waren.

Schon bei dem Gesetz aus dem Jahr 1998 wie auch bei den weiteren Gesetzen im Jahr 2001, bei denen es um Restitution und Entschädigung ging, herrschte ein Kon­sens aller Parlamentsfraktionen. Von allen Abgeordneten wurde hervorgehoben, dass man sich einig sei, dass ab nun Rechtssicherheit für alle Betroffenen in Österreich gel­ten werde. Der damalige Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel meinte sinngemäß, dass der Kern der Vertragswerke Rechtssicherheit geben müsse und dass das die Ba­sis der Gesetze sei. Der damalige Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol bezeichnete das Gesetzeswerk als Schlussstein der Restitution und Entschädigungsgesetzgebung.

Trotzdem soll es nun zu einer Erweiterung des Restitutionsgesetzes kommen. Wir Freiheitlichen sind dagegen, dass nun wiederum dieses Gesetzeswerk neu aufge­schnürt werden soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen sind dagegen, dass nun der Begriff Kulturgut erweitert werden soll, sodass nun – wir wissen das aus dem Restitutionsbericht – jede Käfer-Sammlung oder jede Kolibri-Sammlung zurückgegeben werden muss. Wir sind weiters dagegen, dass eine zeitliche und räumliche Ausdehnung des Geltungsbereiches festgeschrieben wer­den soll. Und wir sind auch dagegen, dass Fristen für die Ausfuhrerlaubnis verlän-
gert werden, sowie gegen die Erweiterung dieser Bestimmungen auf Länder und Ge­meinden.

All das ist unserer Meinung nach nicht notwendig, weil – man kann das aus dem Resti­tutionsbericht herauslesen – der Beirat das Gesetz ohnehin sehr großzügig ausgelegt hat. Anstatt nun zu verlangen, sich an die Gesetze zu halten, soll nun mit dieser Novel­lierung erreicht werden, dass das neue Gesetz sich der Spruchpraxis des Beirates an­passt.


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Was uns aber am meisten zu denken gibt, ist, dass nun die Kommission für Prove­nienzforschung gesetzlich verankert werden soll. Aus unserer Sicht wäre es konse­quent, die Tätigkeit der Kommission für Provenienzforschung schrittweise auslaufen zu lassen, wenn sämtliche Fälle aufgearbeitet sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dieser Gesetzesnovelle entsteht der Eindruck, dass die Kommission für Prove­nienzforschung ein neues Betätigungsfeld sucht und auch bekommt – und für alle Zei­ten einzementiert werden soll.

Aus ebendiesen Gründen lehnen wir die Novellierung sowie auch den Antrag der Grü­nen ab, der noch viel weiter geht. Der Antrag der Grünen, den man auch ein „Lex Leo­pold“ nennen könnte, geht so weit, dass man das als Eingriff in die privaten Eigentums­rechte sehen kann. Das Museum Leopold ist eine Privatstiftung und fällt daher nicht unter das Rückgabegesetz.

Weiteres wollen die Grünen die Ermächtigung des Ministers in eine Verpflichtung zur Restitution aufgrund des Spruchs eines Beirates festschreiben. Diese Vorgangsweise widerspricht jeder Art von Rechtssicherheit. Daher ist auch dieser Antrag abzulehnen.

An die zuständige Bundesministerin gerichtet: Frau Ministerin, Ihnen ist vorzuwerfen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, Österreich habe sich in den letzten 65 Jahren seiner Verantwortung seiner eigenen Geschichte gegenüber entzogen. – Abgesehen von der Existenz von diversen Fonds wurden seit dem Jahr 1945 weit über 20 Gesetze verabschiedet, die als Versöhnungshandlungen in die Zukunft gewertet werden können.

Es wäre weise, sie als solche zu würdigen und unverändert gelten zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Ablinger. Ebenfalls 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.28.31

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! 1984 – und damit gehe ich auf die Schlussbemerkung der Kollegin Unterreiner ein – erschien in der amerikanischen Kunstzeitschrift „ARTnews“ ein Artikel mit dem Titel „A Legacy of Shame“ – „Ein Vermächtnis der Schande“. Dabei ging es um Österreichs Umgang mit jenen Kunstgegenständen, die während der Zeit des Na­tionalsozialismus jüdischen Bürgerinnen und Bürgern geraubt wurden.

Obwohl sich Österreich im Staatsvertrag verpflichtet hat, geraubtes Vermögen zurück­zugeben, geschah dies – und darauf bezieht sich dieser Artikel – lange Zeit nur zöger­lich oder zum Beispiel nur dann, wenn sich die Betroffenen selbst direkt bei den Mu­seen gemeldet haben. Sehr oft waren manche Museen gar nicht so sehr daran inter­essiert, zu wissen, wer denn die eigentlichen EigentümerInnen sind. Das „Vermächtnis der Schande“ beschrieb also den gebrochenen beziehungsweise den ambivalenten Umgang Österreichs mit der Rückstellung im Bereich der Naziraubkunst.

Basis dieser ambivalenten Haltung war sicher auch, dass bis in die achtziger Jahre eine verbreitete öffentliche Meinung war, dass Österreich erstes Opfer des National­sozialismus sei. Das hatte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Österreich seine Verantwortungsübernahme für die Verbrechen des US-Regimes formulierte bezie­hungsweise wie es handelte.

Erst die Rede des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky hier im Hohen Haus am 8. Juli 1991 eröffnete einen breiteren Paradigmenwechsel.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 91

In seiner bemerkenswerten Rede sagte Franz Vranitzky – ich zitiere –:

„Es gibt eine Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben.“ „Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen – bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“

Diese klaren Worte waren es, die einen so großen und so notwendigen Diskurs über die Verantwortung Österreichs während des NS-Regimes eröffneten.

Eine dieser sichtbaren Auswirkungen war dann im Jahr 1998 die Einsetzung der Histo­rikerkommission und hier im Haus der einstimmige Beschluss über das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen. All das wurde von einer sehr fundierten Artikelserie im „Standard“ begleitet, der das immer begleitet hat.

Jetzt ist es so, dass die zehnjährige Praxis dieses Gesetzes zeigt, dass manche Be­stimmungen zu eng gefasst sind, vor allem in Hinblick auf das Ziel einer vollständigen Rückgabe bedenklicher Bestände von Kunstgegenständen und sonstigen beweglichen Kulturgütern im Eigentum des Bundes. Darum geht es, das klarzumachen, Frau Unter­reiner! Was geraubt worden ist, soll zurückgegeben werden.

Zu den einzelnen Details werden meine Kolleginnen und Kollegen noch sprechen. Wir diskutieren auch den Restitutionsbericht und die Erweiterung der Funktionsperiode der Beiratsmitglieder, was ich für richtig und wichtig halte. Ich möchte die Gelegenheit nüt­zen und mich für deren kompetente Arbeit bedanken.

Im Ausschuss hatten wir eine breite Mehrheit und hatten dann wieder die unsägliche „Schlussstrichdebatte“. Ich möchte dazu noch ganz kurz etwas sagen: Es kann keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit geben. Die Vergangenheit wirkt immer in die Zu­kunft, auch verdrängte Vergangenheit wirkt weiter – oft unbewusst! – und wird gerade deswegen gefährlich aufgeladen. Wir müssen uns immer wieder – und so auch neue Generationen – mit der Verantwortung und unserer Vergangenheit auseinandersetzen.

Lassen Sie es mich zum Schluss wie André Heller in dem wunderschönen Lied Leon Wolke, das das Schicksal eines Treblinka-Überleben beschreibt, formulieren:

Ja, so redet Leon Wolke, und ich will, dass ihr es wisst, denn man kann nur Lehren zie­hen aus dem, was man nicht vergisst!

Der heutige Beschluss steht in dieser Tradition des Niemals-Vergessens, und darauf bin ich stolz. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

13.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Jury. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.32.42

Abgeordneter Josef Jury (BZÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministe­rin! Ich will in dieser Debatte wieder von der moralisch-emotionalen auf die sachliche Ebene zurückkommen. (Abg. Mag. Lapp: Hallo! Das war auch sachlich!) – Bitte? (Abg. Dr. Jarolim: Das war nicht notwendig!) – Herr Abgeordneter, ich bin sehr wohl Ihrer Meinung, aber in dieser Causa – so glaube ich – sollte man schon auch sachlich disku­tieren können! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Schopf: Das war sachlich!)

Ich muss mit Bedauern feststellen, dass im Begutachtungsverfahren zum gegenständli­chen Gesetzentwurf vorgetragene Kritikpunkte auch der Kärntner Landesregierung in


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diese Gesetzesnovelle keinen Eingang gefunden haben. Diese Kritikpunkte gehen da­hin – wie Frau Kollegin Unterreiner schon ausgeführt hat –, dass der Begriff Kunstge­genstände auf bewegliche Kulturgüter ausgeweitet wird. Weiters geht es um diesen Punkt des Denkmalschutzgesetzes, die Rückstellung von Objekten, die dem Ausfuhr­verbot unterliegen, und natürlich auch um die fünfjährige Ausweitung dieses Gesetzes vom Jahr 1938 zurück auf das Jahr 1933.

Ich weiß, dass das ein schwieriges Thema ist. Ich weiß auch, dass Wiedergutmachung nie etwas mit Gerechtigkeit zu tun haben kann. Ich muss aber der Frau Bundesminister mein Lob aussprechen, weil gerade sie diese Materie dieser Restituierung, dieser Rückstellung in ruhigere Fahrwässer gebracht hat. Ich kann nur an einige Punkte unter ihrer Vorgängerin, Unterrichtsministerin Gehrer, erinnern: Sammlung Rothschild, Klimt-Bilder im Belvedere, Präzedenzfall Heiligenkreuz, die Causa Czernin. Das alles hat es bei Unterrichtsministerin Schmied nicht gegeben. Dafür mein Lob an die Unterrichts­ministerin!

Natürlich hätten wir vom BZÖ dieser Gesetzesmaterie gerne zugestimmt. Es sind aber Kritikpunkte aus der Kärntner Landesregierung nicht eingeflossen, und deswegen gibt es auch für dieses Gesetz von uns keine Zustimmung, genauso wie es keine Zustim­mung für den Antrag des Kollegen Zinggl geben wird, der eigentlich nur darauf abzielt, die Sammlung Leopold zu sprengen. (Abg. Dr. Zinggl: Die Kritik der Kärntner ...!)

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass gerade in dieser zivilrechtlich als Son­derregelung zu befristenden Materie irgendwann einmal ein Endzeitpunkt für die An­tragstellung festgestellt werden soll, wie das auch bei den Materien der Naturalresti­tution öffentlicher Liegenschaften erfolgt ist. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Mag. Stefan.)

13.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Fuhrmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.36.50

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Kollege Jury, in der Politik sollte man grundsätzlich die Sachlichkeit nicht von der Moral trennen. Gerade in dieser Frage ist es – so denke ich – mehr als erforderlich, moralische Beweggründe in den Vordergrund zu stellen, denn diese sind dafür aus­schlaggebend gewesen, dass wir 1998 überhaupt dieses Gesetz beschlossen haben. (Abg. Jury: ... nicht in alle Ewigkeit zu restituieren!) Insofern ist es mehr als gerechtfer­tigt, dass wir heute, nach zehn Jahren, an der Restitutionspraxis einige Adaptierungen vornehmen.

Ich bin sehr froh, dass wir heute nach ausführlichen und intensiven Gesprächen – denn es hat durchaus einige Zeit in Anspruch genommen – diese Novelle vorlegen können und hoffentlich auch beschließen werden, weil ich denke, dass es ein wichtiger Schritt ist und sich vor allem auch in die kontinuierlichen Bestrebungen des Bundes in Restitu­tionsfragen eingliedert.

Auf Basis des Gesetzes – ich habe es schon erwähnt, 1998 wurde es initiiert – wurde intensive Arbeit geleistet: vonseiten der Museen, den Provenienzforschern, aber auch seitens des Bundes. Ich denke, dass an dieser Stelle auch einmal Zeit sein muss, die­sen Stellen sehr herzlich zu danken, weil natürlich intensive Arbeit mit diesen Bestre­bungen verbunden ist.

Nach der zehnjährigen Restitutionspraxis nehmen wir heute Anpassungen und Adap­tierungen vor. Es handelt sich vor allem um Präzisierungen, aber auch um Erweiterun­gen. Wie schon gesagt wurde: Sie bauen tatsächlich auf den Erfahrungen der Kommis­sion und vor allem auch der Tätigkeit des Kunstrückgabebeirates auf.


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Die vorliegende Novelle beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen, die vor allem auch die nachhaltige Fortsetzung der Restitutionstätigkeit des Bundes gewährleisten sollen – und das auch deshalb, Frau Kollegin Unterreiner, weil wir uns dazu bekennen und das auch als richtig und wichtig erachten!

Ein paar Punkte möchte ich nennen: zum Beispiel die Ausweitung auf sonstiges be­wegliches Kulturgut. Es hat schon der Restitutionsbericht, der im Ausschuss ja auch zur Kenntnis gebracht wurde und von uns zur Kenntnis genommen wurde, gezeigt, dass Kunst nicht nur im engeren Sinn, nämlich in Form von Gemälden verstanden wur­de, sondern bereits auch das eine oder andere Möbelstück oder Automobil zurückge­geben wurde.

Mit Hilfe dieser Novelle soll auch das gesamte Bundeseigentum erfasst werden, das heißt also, nicht nur die Bundesmuseen und die Sammlungen. Wir wollen ganz be­wusst zeitlich und auch geographisch ausweiten, weil die bestehenden Regelungen auch von unserer Seite mittlerweile als zu eng betrachtet werden.

In dieser Novelle sollen vor allem auch Präzisierungen vorgenommen werden, die Ob­jekte betreffen, die nicht Gegenstand eines formellen Rückstellungsverfahrens waren. Dabei handelt es sich vor allem um Objekte, die unter Druck des Ausfuhrverfahrens gezwungenermaßen verkauft worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Medien waren mittlerweile schon sehr oft auch Berichte zu lesen, in denen von erfolgreicher – wie ich meine, auch zu Recht erfolgreicher – Restitution die Rede ist. Ich denke da zum Beispiel auch an die Resti­tution eines Maulbertsch-Gemäldes an die rechtmäßigen Erben, die erst neulich vom Kunstrückgabebeirat empfohlen worden ist.

Letztendlich ist es, werte Kolleginnen und Kollegen, unsere Verantwortung und auch unsere Verpflichtung, eine lückenlose Rückgabe an die rechtmäßigen Besitzer und Er­ben sicherzustellen. Und genau das ist das Ziel der heutigen Novelle. Ich denke, dass es sich hierbei um einen richtigen und wichtigen Schritt handelt, und möchte mich bei der Ministerin vor allem auch für die Diskussionsbereitschaft und die gute Zusammen­arbeit sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl zu Wort. Eingestellte Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


13.41.19

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Für mich ist das heute ein Freudentag. Obwohl ich nur der fünfte Redner in dieser Sache bin, ist es doch unsere Initiative gewesen, die dazu ge­führt hat, dass so ein neues Rückgabegesetz überhaupt zustande kommt. Ich erinnere Sie, Frau Ministerin: Vor nicht einmal ganz zwei Jahren habe ich im Kulturausschuss darauf hingewiesen, dass hier die Notwendigkeit einer Novellierung besteht, und da­mals haben Sie gesagt, nein, es gibt keinen Handlungsbedarf. Und dem haben sich die anderen Parteien angeschlossen.

Das hat für uns zwei Jahre lang viel Arbeit bedeutet – und heute freuen wir uns: Die Republik hat ethisch und vernünftig das Richtige getan. Sie hat die Fehler der Vergan­genheit einmal mehr erkannt und stellt sich diesen Fehlern. Ich glaube, wir sollten nicht nur stolz sein auf die kulturellen Leistungen in der Vergangenheit, über die wir uns freuen – Mozart, Schiele, Klimt, Schubert und so weiter –, sondern wir müssen uns, so wie wir uns über die Leistungen freuen, durchaus auch immer wieder genieren für die Verbrechen, die in der Vergangenheit begangen worden sind, und wir müssen sie dort korrigieren, wo das überhaupt noch möglich ist. Es gibt keinen Schlussstrich! So wie es beim Feiern keinen Schlussstrich geben kann, gibt es auch da keinen Schlussstrich.


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Das heißt, diese Korrektur und Ausweitung der Rückgabegesetze war notwendig. Ge­raubtes muss zurückgegeben werden, sonst bräuchte man überhaupt keine Eigen­tumsgesetze mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Damit, meine Damen und Herren, komme ich auf einen blinden Fleck in diesem neuen Gesetz zu sprechen. Es wurde ja schon erwähnt, es geht um die Sammlung Leopold. Die wird hier ausgespart – angeblich weil es eine Privatstiftung ist. Wir wissen alle, die Republik verbirgt sich hinter dieser Privatstiftung. Und es geht da überhaupt nicht, Frau Ministerin, dass wir uns zurücklehnen, dass wir da interministerielle Gruppen einrichten und dann sagen: Na ja, da kann man halt nichts machen, das geht gesetzlich nicht. – Diese Ausrede kennen wir im Zusammenhang mit den Rückgabegesetzen seit den fünfziger Jahren, und es hat dann immer wieder Gesetze gegeben, die das sehr wohl machen konnten. Das Parlament ist ja dazu da, dass es Gesetze ändert, wenn es not­wendig ist – und in diesem Fall ist es notwendig oder wäre es notwendig gewesen. In unserem Antrag ist das auch so formuliert.

Es mangelt da wiederum an einer ganz klaren Haltung. Es mangelt einmal mehr an der Haltung: Geraubtes muss zurückgegeben werden – Punktum!

Damit sind wir auch gleich bei einem akuten Fall, der in den letzten Wochen diskutiert worden ist. Es geht um das „Bildnis Wally“ von Egon Schiele aus der Sammlung Leo­pold; geschätzter Wert: 3 Millionen €. Um dieses Bildnis wird seit elf Jahren in den Ver­einigten Staaten prozessiert, mit jährlichen Prozesskosten, die der Republik mehr oder weniger anfallen, von 500 000 €.

Für uns war von Anfang an klar, dass dieses Bild Raubkunst ist. Jetzt hat das Gericht in den Vereinigten Staaten festgestellt: Erstens, es handelt sich definitiv um Raub­kunst. – Damit, meine Damen und Herren, ist dieses Bild weg. Das kommt nie mehr zurück nach Österreich.

Zweitens hat das Gericht festgestellt: Herr Leopold muss das gewusst haben, als er es getauscht hat. Daraus können wir jetzt schließen, dass Leopold hier offensichtlich ein geraubtes Bild über seine Stiftung an Österreich verkauft hat. Das ist eigentlich ganz eindeutig.

Aber damit noch nicht genug: Jetzt prozessiert Leopold um dieses Bild seit elf Jahren um jährliche Prozesskosten in den Vereinigten Staaten – Geld auch weg! – von 500 000 €, macht in der Zwischenzeit insgesamt 6 Millionen € aus. Das ist schon das Doppelte des Bildwertes!

Jetzt können wir dann zusammen Bilanz ziehen: Österreich hat erstens einmal von Leopold ein Bild über seine Stiftung gekauft. – Geld weg!

Österreich führt seit elf Jahren einen Prozess im Wert von 6 Millionen €. – Geld weg!

Und am Schluss ist dann auch noch das Bild weg!

Meine Damen und Herren, das ist jetzt sachliche Politik – da können wir die Emotionen ganz weglassen –: Hier ist der vierfache Wert eines Bildes weg, das Bild ist auch weg – weil wir ständig zuschauen und uns sozusagen nicht dieser Verantwortung stellen.

So wie Sie, Frau Ministerin, hat es auch die Ministerin Gehrer in dieser Sache gemacht. Wir weisen seit fünf Jahren ständig darauf hin. Sie sagen, da kann man nichts ma­chen. – Man kann! Sie können, und wir wollen, dass Sie das machen! (Beifall bei den Grünen.)

13.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Muttonen. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 95

13.46.24

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Gleich vorweg einmal eine kurze Bemerkung: Kollege Zinggl, wie Sie wissen, arbeiten in der Leopold-Stiftung unabhängige Provenienzforscher gerade daran, herauszufinden, wie die Lage tatsächlich ist. Wenn wir uns auf einen Rechts­streit eingelassen hätten, wie mit einer Stiftung umzugehen ist, dann hätte das wahr­scheinlich Jahre gedauert, und das wäre nicht im Sinne einer möglichst zeitgerechten Rückgabe von Raubkunst gewesen.

Zur heute vorliegenden Novelle des Kunstrückgabegesetzes: Das ist eine sehr erfreu­liche und notwendige Weiterentwicklung. In die Anpassungen sind die Erfahrungen der letzten zehn Jahre eingeflossen, und daher kann heute dieses Gesetz präzisiert werden.

Die Neuerungen sind sehr zu begrüßen – sie wurden ja bereits erwähnt –, und ich glaube, es ist auch wichtig, dass der Auftrag an die Kommission letztendlich ausdrück­lich im Gesetz verankert wird.

Es ist sehr bedauerlich, dass heute mit dieser notwendigen Novelle der gemeinsame Konsens offensichtlich von zwei Parteien verlassen wird. 1998 hatten noch alle im Par­lament vertretenen Parteien die Wichtigkeit dieses Restitutionsgesetzes erkannt – dies­mal ist dieser Weitblick leider nicht gegeben.

Österreich hat eine unbestreitbare historische und moralische Verpflichtung zur Rück­gabe von Kunstgütern, die in der NS-Zeit geraubt wurden, und dieser Pflicht wollen wir bestmöglich nachkommen. So wurden seit 1998 auf Basis von rund 220 Beiratsemp­fehlungen doch etliche Gegenstände zurückgegeben. Es waren an die 10 000 Gegen­stände. Unser Ziel ist die möglichst vollständige Rückgabe von Kunstgegenständen aus den heimischen Bundesmuseen, die auf bedenkliche Weise von diesen erworben wurden. Wie Kollegin Ablinger schon gesagt hat: Die Gräuel der NS-Zeit werfen ihre langen Schatten bis in die Gegenwart – aber nicht nur bis dahin, sondern wir werden uns auch noch weiter damit beschäftigen müssen.

Wie die Provenienzforschung zeigt, sind Informationen über die Herkunft von Objekten noch immer lückenhaft, und die Wege, über die NS-Raubkunst in die Museen, Biblio­theken und Archive gelangt ist, sind sehr verschlungen. Umso bedeutender ist daher die fortgesetzte Auseinandersetzung mit den Ereignissen der Vergangenheit.

Mit der Provenienzforschung und dem Kunstrückgabegesetz verfügen wir auch im internationalen Vergleich über respektable Instrumente, die Vergangenheit aufzuarbei­ten. Denn: Die Vergangenheit ist eine Realität, und die lässt sich nicht aus der Welt schaffen, auch wenn wir die Augen verschließen und sagen, es muss einmal ein Schlussstrich sein. Diesen Schlussstrich gibt es nicht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.49.40

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich freue mich sehr, dass es heute zu dem Beschluss der Novelle zum Kunstrückgabegesetz kommt. Es war beeindruckend, dass 1998 hier eine breite Mehrheit im Parlament geglückt ist, dass alle Parteien zugestimmt haben. Insofern bedauere ich es, dass es uns bei dieser Novelle nicht geglückt ist, hier alle Parteien zu motivieren.

Persönlich bin ich besonders darüber froh, dass es gelingt, die Kommission für Prove­nienzforschung gesetzlich zu verankern, ihr damit eine Basis zu geben und auch die


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Funktionsdauer des Beirates entsprechend zu regeln und die Funktionsperiode mit drei Jahren zu fixieren. Über alle anderen Punkte haben meine Vorredner und Vorrednerin­nen schon ausführlicher gesprochen, vor allem Frau Abgeordnete Ablinger und Frau Abgeordnete Fuhrmann, daher möchte ich jetzt auf die Details nicht weiter eingehen.

Ein Punkt ist mir allerdings wichtig, Herr Abgeordneter Zinggl, weil er vor allem uns bei­de immer wieder in der Debatte beschäftigt, das ist die Frage der Einbeziehung der Leopold Museum Privatstiftung in das Kunstrückgabegesetz. Das war eine Forde­rung, die schon in einer der ersten Kulturausschusssitzungen, in denen ich als Ministe­rin vertreten sein durfte, eingebracht wurde. Ich habe schon in der vorangegangenen Legislaturperiode eine interministerielle Arbeitsgruppe, Sie haben es erwähnt, mit die­sem Thema beschäftigt – Unterrichtsministerium, Außenministerium, Bundeskanzler­amt, Justizministerium, Finanzministerium, Finanzprokuratur –, und die Schlussfolge­rung ist rechtlich eindeutig: Die Leopold Museum Privatstiftung ist, wie der Name schon sagt, eine Privatstiftung. Wir haben den verfassungsrechtlichen Schutz des Privat­eigentums, und das Kunstrückgabegesetz kann sich nur auf rechtmäßiges Eigentum des Bundes beziehen. Rechtmäßiges Eigentum des Bundes ist Voraussetzung, und es kann in dem Sinn keine erzwungene Rückgabe geben. Das käme Enteignungen gleich. Es ist also rechtlich nicht durchführbar.

Ich habe aber, da es mir ein großes Anliegen ist und gewissermaßen ja auch die Repu­tation der Stiftung umfasst und es natürlich die Verbindung über die öffentlichen Förde­rungen gibt, mit dem Vorstand der Privatstiftung durchgesetzt, dass nun, bezahlt aus Mitteln des Bundes, Provenienzforschung auch im Leopold Museum betrieben wird. Es wird ein erster Bericht – mit Verzögerungen, Sie wissen es – Ende des Jahres vorlie­gen. Dann wird es eine Bewertung geben, und dann hoffe ich sehr, dass der Vorstand der Privatstiftung hier auch entsprechend verantwortungsbewusst und moralisch han­delt. Aber Eigentumsrechte sind – das, glaube ich, muss ich hier nicht betonen – zu be­rücksichtigen.

Ich möchte mich auch sehr herzlich bedanken, Frau Abgeordnete Fuhrmann, für die gute Zusammenarbeit in der doch langwierigen Vorbereitung, möchte auch noch hin­weisen auf den Restitutionsbericht, der jetzt jährlich erscheint und aus meiner Sicht – und ich glaube, ich darf hier sagen: aus unserer Sicht; wir haben im Ausschuss darü­ber ausführlicher diskutiert – einen guten periodischen Überblick über die Leistungen gibt, und möchte auch an Herrn Abgeordneten Jury Dank sagen für die Wertschät­zung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pack. Einge­stellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.53.30

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine Vorredner haben es ja schon erwähnt: Grund für diese Änderung ist, dass der Beirat bei der Restituierung von bedenklichen Gegenständen immer wieder vor Problemen gestanden ist. Und es war ja interessant: Die Erstrednerin, Kollegin Unter­reiner, hat ja Zitate von Bundeskanzler Schüssel und dem damaligen Präsidenten Khol gebracht, die den Vorteil des damaligen Gesetzes unterstrichen haben und hervorge­hoben haben, was für einen Schritt wir da gesetzt haben. Trotz dieser lobenden Worte haben wir aber erkannt, dass einfach Änderungen notwendig sind.

Die bisherige Empfehlungspraxis soll durch die Neuformulierung der relevanten Be­stimmungen abgesichert werden, damit Rechtssicherheit in diesem Bereich wiederher­gestellt werden kann.


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Probleme bestanden darin – es sei nur kurz erwähnt –, dass der Begriff „Kunstgegen­stände“ sich eindeutig als zu eng definiert herausgestellt hat oder dass sich die Rück­gabe nur auf Bundesmuseen und die Sammlungen beschränkt hat.

Der Beirat hat seit Bestehen erfolgreich, vernünftig und gut gearbeitet. Seit 1998 wur­den immerhin 10 000 Gegenstände zurückgegeben. Die Verlängerung der Bestellung – die Frau Bundesministerin hat es erwähnt – auf drei Jahre bringt neben mehr Unab­hängigkeit natürlich auch eine bessere Planbarkeit der Arbeit des Beirates und der Mit­arbeiter.

Es war – und meine Vorredner haben das eigentlich quer durch alle Fraktionen unter­strichen – und ist unsere Verantwortung, unsere Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass es eine Rückgabe von Kunstgegenständen an die rechtmäßigen Besitzer und Erben ge­ben kann und gibt. Dass wir auf dem richtigen Weg, auf einem vernünftigen Weg sind, zeigt uns die breite Zustimmung. Es zeigt uns aber auch die Diskussion, insofern, als es für die einen etwas zu weit geht, für die anderen etwas zu wenig weit, dass wir rich­tig liegen.

Frau Bundesministerin, es ist Ihnen wirklich zu gratulieren, dass Sie diesen erfolgreichen Weg, der ja von Bundesministerin Gehrer eingeleitet wurde, weitergehen. (Ruf: ..., dass man die Gehrer in den Mund nimmt!) Und wenn wir gemeinsam diesen Beschluss fas­sen, dann können wir dementsprechend hier verantwortungsvolle Politik machen. (Bei­fall bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Lapp. – Ruf bei der SPÖ: Wenn das mit der Geh­rer nicht wäre, hätten wir geklatscht!)

13.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Königsber­ger-Ludwig zu Wort. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.56.14

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! KollegInnen des Hohen Hauses! Frau Kollegin Unterreiner, es geht bei die­ser Novelle nicht darum, dass sich die Kommission mit der Rückgabe von „Kolibri-Sammlungen“, wie Sie es genannt haben, beschäftigt oder dass die Kommission eine Existenzberechtigung hat, sondern es geht uns einfach darum, dass durch die Natio­nalsozialisten geraubtes Kulturgut an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden soll und muss. Es geht uns einfach darum, dass diese Rückgabe möglichst zu 100 Pro­zent erfüllt werden soll. Es darf einfach kein Vergessen geben, es darf in diesem Bereich keinen Schlussstrich geben; das ist heute schon des Öfteren angesprochen worden.

Es ist unsere Verpflichtung, es ist österreichische Verpflichtung, dass wir uns mit unse­rer Geschichte auseinandersetzen, und ich denke, mit dieser Novelle wird ein weiterer richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung getan, ein weiterer richtiger Schritt hin zur lückenlosen Restitution. Und das ist ein sehr, sehr guter Schritt. Es ist auch unsere historische Pflicht, Frau Kollegin Unterreiner, dass geraubtes Kulturgut an die rechtmä­ßigen Besitzer zurückgegeben werden muss, und dieser Auftrag besteht nach wie vor.

Wir begrüßen daher diese Novelle, wir begrüßen die zeitliche, die geographische und die inhaltliche Ausweitung, die mit dieser Novelle vorgenommen wird. Es ist ja heute schon mehrmals angesprochen worden, der Ausdruck „Kunstgegenstand“ wird um die Wortfolge „und sonstiges bewegliches Kulturgut“ erweitert, es wird die Ermächtigung auf unmittelbares Bundeseigentum ausgeweitet, es wird der Zeitraum ausgeweitet um die Zeit von 1933 bis 1938 – auch das begrüßen wir ausdrücklich –, und es wird in Zu­kunft auch möglich sein, dass Kulturgut restituiert wird, das nicht in Österreich, sondern im übrigen Herrschaftsgebiet des Dritten Reiches entzogen wurde.


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Das sind alles Schritte, die wichtig und richtig sind, und es tut mir daher leid, dass zwei Parteien in diesem Hohen Haus heute bei diesem Gesetz nicht mitstimmen und somit einen gemeinsamen Weg verlassen, der vor vielen Jahren gemeinsam beschritten wur­de. Vielleicht können Sie ja doch Ihren Herzen noch einen Stoß geben und dieser gu­ten Novelle zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager zu Wort. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.58.46

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen wurde 1998 noch gemeinsam beschlossen und, wie meine Vorrednerinnen und Vor­redner schon betont haben, es wäre im Sinne unserer Jugend und wenige Tage vor dem Staatsfeiertag ein schönes Symbol gewesen, auch diese Novelle wieder gemein­sam zu beschließen.

Es handelt sich hier ja um Empfehlungen der Kommission, eines Beirats, und es hat eine breite Vorlaufphase dafür gegeben. Bereits 1998 wurde unter der damaligen Bun­desministerin die Kommission für Provenienzforschung eingerichtet. (Abg. Neubauer: Heißt das „Staatsfeiertag“ oder „Nationalfeiertag“? – Abg. Mag. Stadler – in Richtung des Abg. Neubauer –: Jetzt hast du aber lang gebraucht!) In jahrelanger, immer fort­dauernder Arbeit hat sie über 10 000 Objekte akribisch genau unter die Lupe genom­men. Diese Arbeit sollte heute von uns allen gemeinsam wertgeschätzt werden, und der Dank an diese Kommission sollte eigentlich von uns allen ausgesprochen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Restitution ist eine historische Pflicht, der die Republik Österreich bestmöglich nach­kommen muss. Diese Novelle ist ein weiterer wichtiger Schritt im Hinblick auf Entschä­digung. Eine vollständige Entschädigung wird es nie geben können, aber dies ist sehr wohl ein Beitrag, unsere kommenden Generationen darauf aufmerksam zu machen, dass Unrecht langfristig niemals zu Recht werden darf.

Wir brauchen ein Gesetz, das es dem Restitutionsbeirat ermöglicht, seine Tätigkeit auf sehr klarer Rechtsgrundlage durchzuführen. Daher ist auch die vom Kollegen Zinggl gewünschte Stiftung Leopold derzeit nicht möglich. Es gibt sehr wohl aber die Mög­lichkeit, Mittel für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Dass Sie in Eigentumsrechte Privater eingreifen möchten, das, denke ich, muss man auch nach außen tragen.

Trotzdem aber gibt es hier eine gemeinsame interministerielle Arbeitsgruppe, die zu dem Schluss gekommen ist, dass der Eingriff des Bundes in dieses Stiftungseigentum nicht möglich ist. Dem Eingriff in Eigentum sind Schranken gesetzt, die wir auch res­pektieren sollten, aber wir sollten heute die Zustimmung auf breiter Ebene nutzen, um gemeinsam die Arbeit fortzusetzen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und gemeinsam daran zu erinnern, dass historisch gesehen auch Erben ein Recht auf die Rückgabe von unrechtmäßig erworbenen Kulturgütern haben.

Es kann nicht eine Frage der Generationen sein, wann das aufhört. Daher ist auch die heutige Novelle eine wichtige für die Zukunft. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Ebenfalls 3 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


14.02.21

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Mit der Rückgabe von Kunstgegenständen hat sich die Republik sehr lange aus-


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einandergesetzt. Wir haben, wie heute schon sehr viele RednerInnen erwähnt haben, 1998 hier einstimmig den Beschluss gefasst, uns des Themas Vergangenheitsbewälti­gung, geschichtliche Aufarbeitung anzunehmen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz ist seit 1998 in Kraft. Bei Geset­zen geht es immer wieder darum, sie zu adaptieren, also notwendige Anpassungen vorzunehmen. Wenn vor zehn Jahren ein Gesetz zur Vergangenheitsbewältigung ver­abschiedet wurde, dann kann man nicht annehmen, dass das sozusagen in Stein ge­meißelt ist und nicht verändert werden darf.

Die Erweiterungen hinsichtlich Eigentum des Bundes, die wir heute beschließen, sind ganz wichtig. Sehr geehrte Frau Kollegin Unterreiner, da geht es nicht nur um Kolibri­sammlungen und um Käfersammlungen. Dem Kollegen von der regionalen Partei BZÖ, der hier die Stellungnahme des Landes Kärnten sehr stark positionieren will, möchte ich entgegenhalten, dass ich meine, wir sind Abgeordnete für ganz Österreich. Natür­lich haben wir auch unsere regionalen Schwerpunkte, aber ich glaube, dass wir auch weiter schauen und die Geschichte allumfassend behandeln müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es? Was sind die Adaptierungen dieses Gesetzes? – Es geht um die Aus­dehnung des Zeitraumes auf die Jahre 1933 bis 1945. Es geht um eine legistische Ver­ankerung der Kommission für Provenienzforschung. Auch hier ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers dazu, dass man die Arbeit dieser Kommission festschreibt, im Ge­setzestext festhält und nicht sozusagen als freiwillige Aufgabe unserer Republik sieht, sondern als wichtige Maßnahme. Es erfolgt auch eine Erweiterung auf bewegliches Kulturgut, und die Tätigkeit des Beirates wird auf drei Jahre verlängert.

Auch hier ein Bekenntnis zu den wichtigen Aufgaben und Tätigkeiten des Beirates. Sämtliche Beiratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Somit, meine ich, drücken auch wir unsere Wertschätzung gegenüber dieser Arbeit aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Geschichte und Vergangenheitsbewältigung dürfen nicht aufhören. Sie führen bis in die Zukunft. Hier setzen wir heute ein entspre­chendes Zeichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Hö­finger zu Wort. 3 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


14.05.16

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Debatte bis­her gezeigt hat, reicht die Palette der Redebeiträge von Aufgeregtheit, überzogener Enttäuschung bis zu unangebrachten Jubel- oder Freudesmeldungen. Ich glaube, das ist alles nicht notwendig. Das ist ein sehr nüchternes Thema, über das wir uns ganz of­fen unterhalten können, denn die Grundlage bildet das Restitutionsgesetz aus dem Jahr 1998, ein Gesetz, zu dem wir alle stehen, zu dem wir uns alle bekennen und das damals auch von allen gemeinsam beschlossen wurde. Und jetzt, nach mehr als zehn Jahren, ist es sinnvoll, dieses Gesetz weiterzuentwickeln und auch zu ergänzen. Und genau das wird hier heute getan.

Denn was spricht denn in Wirklichkeit dagegen, dass der Zeitraum um sechs Jahre ausgedehnt wird? Was spricht denn dagegen, wenn die Abwicklung vereinfacht wird, oder was spricht denn dagegen, wenn es um eine Verbesserung für die Kommission in der Provenienzforschung geht? – Gar nichts!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erfahrungen der letzten Jahre haben eben gezeigt, dass die Rückgabe an die rechtmäßigen Besitzer beziehungsweise de-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 100

ren Erben praktikabler abgewickelt werden muss und soll und dass es auch sinnvoll ist, bewegliches Kulturgut und unmittelbares Bundeseigentum mit einzubeziehen. Und ge­nau das wird heute hier umgesetzt, im Wesentlichen eine sehr praktikable, praxisorien­tierte Weiterentwicklung.

Da das Gesetz damals einstimmig beschlossen wurde, kann ich heute auch nur alle einladen, dieser Novelle zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Sa­cher zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.07.06

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Die heutige Beschlussfassung ist ein Schritt mehr des Kulturlandes Österreich, ganz besonders auch im Sinne von politischer Kultur, wenn wir über die Ausweitung oder die Neufassung des Gesetzes zur Rückgabe von Raubkunst hier dis­kutieren und diese beschließen.

Umso mehr bin ich als Kulturpolitiker sehr enttäuscht, dass nicht mehr Einstimmigkeit wie bei der ersten Beschlussfassung zustande kommt und dass sich hier vor allem die Freiheitliche Partei ausschließt, aber auch das BZÖ.

Ich habe hier eine Presseaussendung vom 7. Oktober, die also schon vor einigen Wo­chen von den Freiheitlichen hinausgegangen ist, von Frau Kollegin Unterreiner, die für mich eine entlarvende, verräterische Wortwahl enthält. Ich kann Ihnen das nicht erspa­ren. Ich zitiere nur den ersten Satz, sehr geehrte Frau Kollegin. Da heißt es:

„Seit dem Jahr 1945 gab es eine Unzahl von Gesetzen und Verordnungen, die sich
mit dem Thema Restitution ... beschäftigen.“ (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das stimmt auch!)

Allein hinter dem steckt schon ein gewisses Gedankengut. Unzahl! – Ich meine, Wie­dergutmachung bei in der Vergangenheit begangenen Verbrechen kann nicht gut ge­nug und nicht oft genug erfolgen. In diesem Sinne mögen Sie sich das ins Stammbuch schreiben.

Ich zitiere weiter: „Eine Ausweitung des Gesetzes, wie diese ..., ist jedoch absolut nicht notwendig und geht zu weit“.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wo wollen Sie stehen blei­ben? Wie ist Ihr Standpunkt? Wo ist Schluss mit der Aufarbeitung der Geschichte und mit dem Geschehenen? Ich meine, Sie bleiben mit der Gestrigkeit stehen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein drittes Zitat aus dieser Presseaussendung: „Es sei nicht einzusehen, warum Fris­tenläufe ... ausgeweitet werden sollen. Auch die Erweiterung eben dieser Bestimmung auf die Restitution von Länder und Gemeinden sei aus freiheitlicher Sicht nicht notwen­dig“.

Sehr geehrte Damen und Herren, dies ist sehr wohl notwendig, weil auch diese Institu­tionen und Gebietskörperschaften vielfach Raubgut in ihren Museen haben.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, wo von einer Stadtgemeinde freiwillig gehandelt worden ist, nämlich von der Stadt Krems, aus der ich komme, wo wir auch sehr wertvolle Ge­mälde, zum Beispiel des Kremser Schmidt, den rechtmäßigen Eigentümern damals schon freiwillig rückerstattet haben.

Ich kann mich daran erinnern – und ich glaube, da täusche ich mich nicht –, dass aus der freiheitlichen Ecke damals die Gegenstimmen gekommen sind. Es sind übrigens


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nur mehr zwei von der FPÖ im Kremser Gemeinderat, was wiederum eine Wohltat ist. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Werden schon wieder mehr!)

Sehr geehrte Damen und Herren, da ist noch vieles offen, und daher finde ich es gut, dass Gemeinden und andere Institutionen mit einbezogen werden. Ich bin sehr dafür, dass wir dieses Gesetz heute mit größtmöglicher Mehrheit beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Becher zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.10.47

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sozialdemokratie war dieses Gesetz immer ein Anliegen. Ich denke, es hätte schon vor 1998 umgesetzt werden müssen.

In diesen zehn Jahren der Praxis hat sich eben herausgestellt, dass manche Bestim­mungen zu restriktiv sind und deshalb eine vollständige Rückgabe von bedenklichen Bundesbeständen nicht immer möglich war, erschwert war. Das sollte nicht der Sinn sein. Eine vollständige Rückgabe sollte mit scheinjuristischen Argumenten nicht un­möglich gemacht werden. Es ist schlicht und einfach auch eine Frage des Anstandes und der Moral, dass das möglich ist.

Diese Anpassungen des Gesetzes – Neuformulierungen werden heute vorgenom­men – werden eine größere Rechtssicherheit geben. Viele Bereiche sind ja schon an­geführt worden. Zwei Dinge, die mir sehr wichtig erscheinen: Das ist die Erweiterung des Ausdrucks „Kunstgegenstände“. Ich denke, dass Gegenstände von geschichtli­cher, künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung restituiert werden können, ist eine sehr wichtige Sache.

Der zweite Punkt ist der Export bestimmter Gegenstände, für die nach dem Denkmal­schutzgesetz eine Bewilligung erforderlich ist. Dafür musste eine Ausnahmeregelung gefunden werden. Es wurde, wie ich meine, ein sehr gangbarer Kompromiss gefunden, der für die restituierten Gegenstände in Zukunft 25 Jahre ab Übereignung gilt und auch die Länder und Gemeinden mit einschließt.

Positiv hervorheben möchte ich noch kurz, dass 220 Beiratssitzungen stattfanden und über 10 000 Kunstgegenstände restituiert werden konnten.

In Bezug auf die Rückgabe von Kunstgegenständen, die sich nicht in Bundeseigentum befinden, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Frau Bundesministerin hat bereits darauf hingewiesen, dass verfassungsrechtliche Bestimmungen gewisse Schranken setzen. Aber ich hoffe dennoch, dass wir auch in dieser Frage zu einer anständigen Lösung kommen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.13.34

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Die Ausführungen, die einige Kollegen hier gemacht haben, können und sollen nicht unwidersprochen bleiben.

Ich habe ja vermehrt die Worte gehört, es geht um Rückstellung von geraubtem Gut an die rechtmäßigen Eigentümer. Diese Worte hat Kollegin Ablinger verwendet, auch Kol­lege Zinggl, habe ich mir notiert, und Kollegin Königsberger. Ich habe das Gefühl,


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einige haben das Gesetz nicht gelesen. Das Gesetz stellt nur auf solche Fälle ab, in denen die Republik Österreich rechtmäßiger Eigentümer dieser Kunstgegenstände ist, und zwar sowohl nach Ziffer 1 als auch 2.

Nach Ziffer 1 ist eine Voraussetzung, dass das rückzustellende Gut in das Vermögen der Republik Österreich von jemandem übertragen wurde, an den es bereits restituiert worden ist, und zwar restituiert nach dem April 1945. Das heißt, wir behandeln hier Fäl­le, wo es eine Restitution von Raubgut gegeben hat, Fälle, in denen dieses Gut mit Wissen, Willen des Eigentümers an die Republik Österreich übertragen wurde und die jetzt Gegenstand eines Antrages auf Rückübertragung sind. Das ist wohl kein Fall von Restitution von Raubgut.

Zugegeben sei, dass all diese Fälle im Zusammenhang mit der speziellen Situation der Nachkriegszeit gestanden sind, in der viele Leute ein großes Interesse daran gehabt haben, Kunstgegenstände aus Österreich auszuführen. Österreich war ein Markt ohne Kaufkraft, ein Markt, in dem Kunst nichts wert war. Das hat auf den Rest der Welt, vor allem auf den nicht im Krieg zerstörten Rest, nämlich auf Amerika, zugetroffen. Es gab großes Interesse daran, restituierte Güter aus Österreich herauszubringen.

Nur gibt es in Österreich seit 1918 eine strenge Begrenzung der Ausfuhr von Kulturge­genständen, die Teil unseres Erbes sind. Da gibt es das Kunstausfuhrgesetz von 1918 und dann seit 1923 das Denkmalschutzgesetz. Das sind die Grundlagen dieses Geset­zes. Das ist der Gegenstand der Verfahren, die die Rückstellungskommission abge­handelt hat.

Diese Rückstellungskommission ist allerdings weit über das hinausgegangen, was im eigentlichen Gesetz von 1998 festgehalten war. Jetzt versuchen wir das nachzuvollzie­hen, indem wir die Spruchpraxis oder die Empfehlungspraxis dieser Kommission in das Gesetz einfließen lassen. Ich will nicht sagen, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt, aber es wedelt die Kommission mit der Republik Österreich. Das ist wohl ein ausreichender Grund dafür, dass wir uns mit dieser Novelle etwas kritischer auseinan­dergesetzt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite und noch problematischere Teil der gesamten Gesetzesmaterie ist die fort­dauernde Ausnahme dieser Gegenstände aus den Ausfuhrbestimmungen. Es gibt in Österreich nach wie vor das Denkmalschutzgesetz, das festlegt, dass Gegenstände von gewissem Wert nicht ohne Sondergenehmigung ausgeführt werden dürfen, was nur in ganz speziellen, sehr restriktiv zu handhabenden Fällen zu genehmigen ist.

Wir haben bis jetzt schon eine 25-jährige Ausnahmefrist für alle zu restituierenden Ge­genstände aufgrund dieses Gesetzes, eine Frist, die also bis jetzt im Jahr 1998 begon­nen hat. Jetzt soll diese Frist nochmals ausgeweitet werden und soll erst beginnen, wenn das Gut restituiert worden ist. Also die Frist wird nie enden, solange restituiert wird. Das Verfahren ist unbeschränkt. Das Gesetz ist unbeschränkt. Die Restitution kann bis in alle Ewigkeiten weitergehen. Das heißt, die Fristen laufen in alle Ewigkeit.

Das ist doch zumindest mit unserem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, dass eine ganz spezielle Gruppe von Menschen auf Ewigkeit von den Gesetzen zum Schutz un­seres Kulturgutes, unseres Kulturerbes ausgenommen ist. Das kann mir niemand er­klären. Das allein sollte jedem, der etwas kritischer über die gesamte Materie nach­denkt, ausreichen, um die Novelle abzulehnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 103

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Ös­terreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 238 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, sei­nen Bericht 350 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.16.30Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, in 345 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über die Ziffer 7 § 42j des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diesen Teil des Gesetzent­wurfes aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 345 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 50.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 104

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung von Klein- und Kleinstschulen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 339 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen geändert werden, samt Titel und Eingang in 342 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.23.106. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeige­setz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 FrÄG 2009) (387 d.B.)

7. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Ent­wurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geän­dert wird (388 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 274/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend DNA-Tests zur Immigrationskontrolle (390 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 105

14.24.16

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus!

„,Wir müssen eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden.‘ Als Mittel gegen die Überalterung komme Zuwanderung nicht in Frage. ,Die Zuwanderung von Menschen aus dem Osten Anatoliens oder aus Schwarzafrika löst das Problem nicht, schaffte nur ein zusätzliches dickes Problem.‘“ – Worte des Altkanzlers der SPD Hel­mut Schmidt im Jahr 2005. Und seither hat sich nichts daran geändert.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns im Klaren darüber sein und müssen es im­mer wieder anführen: Es geht im gesamten Asylbereich nicht um diejenigen, denen tat­sächlich weltweit Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen droht, sondern es geht um diejenigen, die unsere Gesetzeslage schamlos ausnützen und hier durch Scheinasylverfahren in den Genuss einer verdeckten Zuwanderung unter Inan­spruchnahme sämtlicher Geld- und Sozialleistungen des Staates Österreich kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da gibt es wahrlich genug zu tun, um das zu unterbinden. Die Frau Abgeordnete Ru­das hat vorhin gemeint, wir müssen Nummer eins als Bildungsland werden. Dem stim­me ich zu. In einem anderen Bereich sind wir auch schon auf dem besten Weg, Num­mer eins zu werden. Unter den Ländern, wo das Asylunwesen am meisten um sich greift, sind wir bereits auf Platz vier hinter Malta, Zypern und Griechenland. Das sollte an sich zu denken geben, was unser kleines Land hier zu bewältigen hat, noch dazu, wenn man bedenkt, dass wir nicht einmal von einer Schengen-Außengrenze umschlos­sen sind. Und dennoch erfahren wir, dass in Lastwagen versteckt Kurden aus der Tür­kei in den Schengenraum eindringen und in Österreich aufgegriffen werden, wovon sich die Hälfte aufgrund unserer Gesetze dann in der Bundesrepublik Deutschland wie­derfindet, die aber durch entsprechende Übereinkommen, insbesondere Dublin, post­wendend gleich wieder nach Österreich zurückgeschickt werden.

Meine Damen und Herren, in diesem Umfeld befinden wir uns jetzt mit dieser Novelle zu den einzelnen Gesetzen. Und da sage ich, das ist eigentlich nichts anderes als ein Nachhinken beim Beseitigen von diversen Schlupflöchern, wenn man in Bezug auf Fristen, komplizierte Verfahren oder Ähnliches den einen oder anderen Missstand
im Detail abstellen möchte. Aber es sind nur die kleinen Dinge, die hier angegangen werden.

Wenn eine Tageszeitung schreibt, es kommt jetzt endlich eine Verschärfung, dann muss ich sagen, das ist zu wenig für eine Verschärfung. Diese Novelle ist nur ein Nachhinken beim Vorsehen von entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, und wie gesagt, geht es hier doch nur um kleine Dinge, die in der Praxis in irgendeiner Form auftauchen. Man versucht, hier zu gestalten – aber viel zu wenig, um tatsächlich den Asylmissbrauch in Österreich in irgendeiner Form in den Griff zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Forderungen sind ganz klar: Wir müssen die Grenzen wieder mehr kontrollie­ren. Wir müssen Schengen aussetzen. Und wenn ich gelesen habe, der erste Politiker verlangt Grenzkontrollen beziehungsweise eine Sperre der Grenzen, nämlich der bur­genländische Landeshauptmann, dann frage ich mich, ob die Journalisten geschlafen haben, denn wir freiheitlichen Politiker fordern das im Hohen Haus seit Monaten. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir auch!) – Auch das BZÖ, aber ich nehme an, Sie werden das noch erwähnen können, Sie haben es ja bereits in einem früheren Beitrag einmal an­geschnitten.

Hier heißt es aufwachen! Und wenn sogar der Chefredakteur der Zeitung „ÖSTERREICH“ draufkommt, dass die Grenzen jetzt dichtzumachen sind, um auch dem Asylmissbrauch, nicht nur der Kriminalität, Herr zu werden, so sollte das auch der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 106

Mehrheit in diesem Haus zu denken geben, dass mit einer solchen Reform, mit so einer Novellierung, die eigentlich nichts mehr ist als ein Reförmchen, eine Mini-Novel­lierung, kein Staat zu machen ist, um das Übel an der Wurzel zu bekämpfen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Kößl. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.28.43

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bin an und für sich der Auffassung, dass wir mit dieser Gesetzesnovelle auf dem richtigen Weg sind, und ich glaube, dass sie eine ganz wichtige und richtige Zielsetzung im Auge hat, nämlich Asylverfahren zu beschleunigen, Missbrauch abzustellen und all jene, für die es einen negativen Asylbe­scheid gegeben hat, so schnell wie möglich außer Landes zu bringen, Straffälligen rasch das Aufenthaltsrecht abzuerkennen und rasch aufenthaltsbeendende Maßnah­men zu setzen.

Geschätzte Damen und Herren, diese Novelle entspricht der Rechtsordnung, unserer Rechtsordnung, ist sozial und in meinen Augen menschlich obendrein. Sie wird eine wesentliche Effizienzsteigerung mit sich bringen: bei der Schubhaft, bei Dublin-Verfah­ren. Wir wissen ganz genau und die Praxis zeigt es auch, dass sich Asylwerber dem Verfahren immer wieder entziehen und untertauchen. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Gebietsbeschränkung auf die Dauer des Zulassungsverfahrens ausgedehnt wurde und dass die Beschwerdefrist bei Dublin-Verfahren auf eine Woche festgesetzt wird.

Ein Verfahren beschleunigen heißt, dass man vom Asylwerber verlangen kann, dass er bei dem Verfahren von Anfang an mitwirkt, und deshalb ist eben diese Gebietsbe­schränkung ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die Maßnahmen gegen straffällige Asylwerber – Ausweisungsverfahren, be­schleunigtes Verfahren, Aberkennungsverfahren, Aberkennung des subsidiären Schut­zes bei Straffälligkeit – sind, wie ich meine, ganz wichtige Maßnahmen gegen straffälli­ge Asylwerber.

Dass wir Missbrauch abstellen müssen, da sind wir uns alle hier im Hause einig; und das bedeutet, dass es Folgeanträge bei negativem Asylbescheid nur mehr einge­schränkt geben kann. 80 Prozent aller Asylanträge sind Folgeanträge. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Aber sie gibt es!) – Ja, ja, darum müssen wir das dementsprechend behan­deln und, wenn möglich, solche Folgeanträge abstellen.

Fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach einem bereits abgeschlossenen Asylverfahren werden immer wieder durch neu gestellte Asylanträge verschleppt – und das soll es zukünftig nicht mehr geben. Wir wissen auch, dass sich sehr viele dem Verfahren ent­ziehen. 200 Antragsteller pro Monat sind an und für sich der Durchschnitt, und deshalb ist es wichtig, diese Maßnahmen zu setzen.

Zum Thema Schubhaft: Dass wir da Änderungen herbeiführen, ist sicherlich richtig und wichtig, aber es kann nicht so sein, dass von verschiedenen Parteien hier im Hau­se immer wieder gefordert wird, mehr Leute abzuschieben – und diese aber dann da­gegen sind, wenn wir zusätzliche Einrichtungen schaffen wollen, um das auch umset­zen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von FPÖ und BZÖ, ich bitte Sie wirklich, das noch einmal zu überdenken, denn es ist ganz, ganz wichtig, da mehr Solidarität gegenüber den ande­ren Bundesländern zu zeigen – beispielsweise gegenüber Niederösterreich und Ober­österreich –, und es ist auch ganz wichtig, so, wie es Frau Bundesministerin Fekter ge­sagt hat, dass es auch im Süden Österreichs zu einem Schubhaftzentrum kommt.


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Diese Gesetzesnovelle beinhaltet aber auch eine ganz wichtige Festlegung betreffend Altersbestimmung, sodass es möglich ist, diesbezüglich auch radiologische Untersu­chungen durchzuführen; dadurch kann Missbrauch in Bezug auf falsche Altersangaben abgestellt werden.

Es ist natürlich auch wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, behauptete Familienzusam­mengehörigkeit mittels DNA-Untersuchungen überprüfen zu lassen.

Diese Gesetzesnovelle beinhaltet also wichtige Maßnahmen, um Missbrauch auf die­sem Gebiet abzustellen beziehungsweise um die Verfahren zu beschleunigen. Wir müssen natürlich auch danach trachten, all jene, die keinen Asylgrund vorweisen kön­nen, so schnell wie möglich außer Landes zu bringen.

Ich bin mir sicher: Mit dieser Novelle sind wir auf dem richtigen Weg. Ich bedanke mich bei Frau Bundesministerin Fekter für ihre Überlegungen, diese Novelle in dieser Art und Weise vorzulegen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Ing. Westenthaler. 6 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


14.33.56

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hauptproblem wurde heute schon in der Früh, eben aufgrund unserer Einwendungsdebatte zu einer Zeit, als die Menschen noch un­serer Debatte hier über das Fernsehen folgen konnten, angesprochen. Frau Ministerin, ich zeige es Ihnen auch noch einmal, was die „Kronen Zeitung“ dazu getitelt hat: „An der Ostgrenze regiert die Angst“. (Der Redner hält ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ in die Höhe.)

Das ist also nicht etwas, was von den „bösen“ Freiheitlichen oder von den „bösen“ BZÖ-lern erfunden wurde, sondern das sagen mittlerweile rund zwei Drittel der Öster­reicher. Zwei Drittel der Österreicher haben Sorge und sind der Meinung – richtigerwei­se –, dass eben die Grenzöffnung nach den Schengen-Verträgen der ausschlaggeben­de Grund für eine Zunahme der Kriminalität in Österreich ist. Nicht umsonst sticht ja jetzt auch schon die Landeshauptleute der Hafer; sie brechen dieser Bundesregierung aus der Allianz der Verschweiger und Negierer dieser Tatsache heraus: Niessl, Pröll, alle reihen sich plötzlich ein in unsere Linie und sagen: Jawohl, es ist die Öffnung der Grenzen eines der Hauptprobleme für die steigende Kriminalität, für die steigende Aus­länderkriminalität in Österreich!

Das können Sie nicht mehr wegdiskutieren, Frau Innenministerin – und wenn Sie das trotzdem tun, dann betreiben Sie eine sachunkundige Politik, jedenfalls eine Politik, die nicht ernst zu nehmen ist.

Deswegen bringen wir heute dazu einen Entschließungsantrag ein, ganz im Sinne auch der Landeshauptleute, weil wir die Sorgen der Österreicherinnen und Österrei­cher ernst nehmen, von denen eben zwei Drittel sagen, dass die Öffnung der Grenzen schuld an dieser enorm gestiegenen Kriminalitätsrate ist.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederein­führung der Grenzkontrollen

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 108

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Schutz der Bevölkerung die Grenzkon­trollen vorübergehend wieder einzuführen, da durch die rasant steigende Kriminalität eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit in Österreich verwirklicht ist.“

*****

Ich denke, es ist hoch an der Zeit – wie das ja schon einmal der Fall war –, die Schen­gen-Verträge temporär auszusetzen und endlich wieder die Grenzen hochzuziehen, damit ein klares Signal gegen die Kriminalität in Österreich gesetzt wird. (Beifall beim BZÖ.)

Wir stellen diesen Antrag, weil Sie das nicht tun wollen, weil Sie mit jeder Novelle – und jedes halbe Jahr machen Sie ja irgendeine Novelle des Fremdengesetzes – immer wieder nach außen hin zu verkaufen versuchen, es gäbe ein strengeres Fremdenrecht und Sie würden ohnehin etwas tun; es werde weniger Zuwanderung und weniger Kri­minalität geben. Nur: Dem ist nicht so – und es geht da sozusagen immer munter weiter.

Ihre Novellen bezüglich Fremdenrechtsgesetz und Asylrecht haben in Wirklichkeit über­haupt nichts gebracht. Allein beim Asylrecht macht Sie der Vergleich sicher: Vom Jahr 2001 bis 2007 – das BZÖ in der Regierung, gemeinsam mit der ÖVP – hat es von 30 000 Asylanträgen im Jahre 2001 im Jahre 2007 plötzlich nur mehr 10 000 Asylan­träge gegeben. Wir haben die Zahl der Asylanträge also gedrittelt, weil wir mit einer strengen Zuwanderungspolitik deutlich gemacht haben, dass das bei uns nicht so ein­fach geht.

Jetzt, nach einem Jahr neuerlicher großer Koalition, gibt es eine Steigerung der Zahl der Asylanträge um 33 Prozent. Na logisch, muss man da eigentlich sagen, weil Öster­reich mittlerweile als das fünftattraktivste Asylland in Europa gilt und es sich schon wie­der herumspricht in Europa, ja in der ganzen Welt: Nach Österreich können wir gehen, denn dort schreien wir Asyl! – und schon werden wir aufgenommen, schon werden wir pardoniert; und selbst wenn wir dort kriminell werden, passiert uns auch nichts!

Es ist doch geradezu ein Hohn gegenüber dem Rechtsstaat, gegenüber allen ord­nungspolitischen Maßnahmen, die hier getroffen werden, wenn Sie bei der Straffällig­keit für die Aberkennung des Asylstatus differenzieren: Wenn einer vor dem Landesge­richt steht, dann leiten wir ein Strafverfahren ein, dann ist er straffällig, dann leiten wir ein Asylverfahren ein – wenn er aber vor dem Bezirksgericht steht, dann nicht. Ich weiß, dass es auch in der ÖVP Bedenken gegen eine solche Regelung gibt.

Frau Ministerin, warum lassen Sie zu, dass heute ein Asylwerber, der einen Diebstahl, der Körperverletzung begeht, der Nötigung begeht, nur im Wiederholungsfall abge­schoben werden kann?! Das heißt, das ist ja geradezu eine Einladung; so nach dem Motto: Beim ersten Mal hat jeder einen Schuss frei! Wunderbar; es passiert beim ers­ten Mal überhaupt nichts; erst beim zweiten Mal bist du überhaupt straffällig!

Das ist doch ein völlig falsches Signal, das Sie hier setzen! Und das wollen wir vom BZÖ hintanhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Daher nun ein weiterer Antrag, damit jedem klar ist, was wir meinen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begriff der Straffälligkeit im Asylgesetz 2005

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 109

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem der Begriff der Straffälligkeit im Asylge­setz 2005 wie folgt definiert wird:

Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, rechtskräftig verurteilt worden ist.“

*****

Das soll der Grundsatz sein: Wenn jemand in unser Land kommt und Asyl beantragt, aber straffällig wird, dann hat er diesen Asylantrag sozusagen verspielt und ist abzu­schieben. Das ist unsere Meinung, die wir mit diesem Entschließungsantrag zum Aus­druck bringen.

Einen dritten Entschließungsantrag bringe ich auch noch ein; darüber wurde schon im Ausschuss debattiert. Ich bin heute sehr gespannt, ob da die ÖVP zumindest mit­stimmt. Sie von der ÖVP haben nämlich im Ausschuss gesagt, Sie halten das für nicht unvernünftig und werden sich das anschauen, nämlich Fingerabdrücke auf den von Ih­nen vorgesehenen Identitätskarten. Es gibt zwei Formen: die Identitätskarte für Fremde sowie die Karte für Geduldete; jedoch auf keiner dieser Karten ist ein Fingerabdruck vorgesehen – und da frage ich mich schon: warum nicht?

Für alle anderen Dokumente – Reisepässe, Einreisedokumente – wird ein Fingerab­druck verlangt, aber wir in Österreich geben Identitätskarten ohne fälschungssichere Fingerabdrücke aus, wodurch natürlich dem Missbrauch wieder Tür und Tor geöffnet wird.

Deshalb folgender Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fingerab­drücke in Identitätskarten für Fremde und Karten für Geduldete

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzes­entwurf zuzuleiten, mit welchem die Speicherung von Papillarlinienabdrücken auf Kar­ten für Geduldete gemäß § 46a FPG und Identitätskarten für Fremde gemäß § 94a FPG zum Nachweis der Identität der fremden Personen umgesetzt wird.“

*****

Auch das halte ich für wichtig.

Frau Ministerin, was Sie mit diesen Gesetzen machen, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Aufenthaltsverfestigung für kriminelle Ausländer – trotz höchster Kriminalität, trotz höchster Arbeitslosigkeit, trotz höchster Ausländerarbeitslosigkeit, trotz höchster Sozialkosten, die wir in unserem Land haben!

Die Folgeantragslösung, die im Gesetz enthalten ist, wurde auch von allen Experten beim Hearing durch Sonne und Mond geschossen, vor allem von einem wirklich aner­kannten Experten, dem Professor Raschauer, der gesagt hat, dass grundsätzlich jeder Folgeantrag im Verdacht steht, nur deshalb eingebracht worden zu sein, um das Ver­fahren zu verzögern, und der darauf hingewiesen hat, dass es eigentlich in Österreich


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rechtsstaatliche Verfahren gibt – genauso wie im normalen Zivil- oder Strafverfahren –, wo es irgendwann einmal aus ist, wo es ein rechtskräftiges Urteil gibt, gegen das nicht mehr zu berufen ist.

Aber bei den Asylwerbern können plötzlich weitere Folgeanträge gestellt werden. Das ist absurd, und daher wollen wir, dass Folgeanträge grundsätzlich abgeschafft wer­den. Dann ist auch Missbrauch nicht mehr möglich und dann ist auch eine Verzöge­rung nicht mehr möglich.

Zum Schluss, Frau Ministerin, möchte ich Sie noch einmal eindringlich darauf hinwei­sen, dass wir auch ein Vollzugsproblem haben, dass die Fremdenpolizei gar nicht in der Lage ist, auch rechtskräftig erlassene Abschiebebescheide zu vollziehen. Und es hat Ihnen auch ein Experte im Ausschuss gesagt, dass oft zu vollziehende Abschiebe­bescheide monatelang bei der Fremdenpolizei liegen und einfach nicht abgeschoben wird, obwohl es schon machbar wäre.

Ich glaube, es wäre auch Ihre Aufgabe, sich im Vollzug einmal anzuschauen, warum es keine fremdenpolizeilichen Fristen für Abschiebung gibt. Es gibt keine Fristen! Wenn es einen Bescheid gibt, dann hat die Fremdenpolizei keine Frist, wo sie sagt: Bis zu dem Zeitpunkt muss der- oder diejenige außer Landes gebracht sein! Das existiert gar nicht – auch ein Fehler, weil das in diesem Gesetz offenbar einfach übersehen und nicht repariert worden ist.

Frau Ministerin, ich möchte es ganz zum Schluss versöhnlich ausklingen lassen: Es gibt zumindest einen Punkt, den wir begrüßen – eine Forderung, die wir seit vielen Jah­ren erheben –, nämlich, dass endlich möglich gemacht wird, Untersuchungsmethoden zur Altersfeststellung anzuwenden, weil auch da Missbrauch betrieben wird. Es hat sich nämlich erst unlängst ein 33-Jähriger als 17-Jähriger ausgegeben, nur um sich hier Vorteile herausholen zu können.

Eine langjährige Forderung sehen wir hier umgesetzt, Gott sei Dank – aber leider wie­der nur halbherzig gemacht, weil es keine Konsequenzen gibt, wenn sich jemand dieser Untersuchung nicht unterzieht. Da gibt es keine Konsequenzen! Daher wird auch diese Lösung nur windelweich sein und letztlich nicht zufriedenstellend umgesetzt werden.

Insgesamt, Frau Ministerin, ist das ein Versuch, Verfahren zu beschleunigen. Dem eigent­lichen Problem der Massenzuwanderung und der Kriminalität von Zuwanderung wer­den Sie mit diesem Gesetz nicht Herr. (Beifall beim BZÖ.)

14.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich teile mit, dass die soeben eingebrachten drei Ent­schließungsanträge ausreichend unterstützt sind und daher mit in Verhandlung stehen.

Die drei Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederein­führung der Grenzkontrollen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.)

Der unfassbare Fall von 64 in einem Lkw geschleppten Kurden, von denen in der Folge 58 untergetaucht sind, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Nun sehen auch immer mehr Politiker der Regierungsparteien in der Wiedereinführung der Grenzkontrollen die


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letzte Chance, die steigende Kriminalität zu verhindern. So sagte etwa Hans Niessl, der Landeschef der SPÖ Burgenland im Interview mit der Tageszeitung ÖSTER­REICH: „Es muss etwas passieren. Nur Kontrollen an der Grenze und im Grenzraum können helfen.“

Der Fall der 58 untergetauchten Kurden ist aber auch beispielhaft dafür, dass es illegal nach Österreich eingereisten Personen problemlos möglich ist, auch nach einem Auf­griff durch die Exekutive erneut illegal unterzutauchen.

Es ist eine Tatsache, dass die Kriminalität in Österreich seit Ende 2008, insbesondere im Osten unseres Landes rapide angestiegen ist. Von Jänner bis September war bei der Gesamtkriminalität in Wien ein plus von 9,8 Prozent gegenüber dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres zu verbuchen. Noch dramatischer ist die Lage bei den Woh­nungseinbrüchen mit plus 5,4 Prozent und den Einbrüchen in Einfamilienhäuser mit plus 41,3 Prozent.

Während seitens des Innenministeriums ein Zusammenhang zwischen dem Kriminali­tätsanstieg und der Öffnung der Schengengrenzen stets negiert wird, sind 62 Prozent der Österreicher (laut einer „market“-Umfrage) davon überzeugt, dass der Wegfall der Grenzkontrollen an der Ostgrenze und die damit verbundene Reisefreiheit die Schuld an der steigenden Kriminalität tragen. Bezeichnend ist weiters, dass im Bereich der or­ganisierten Bandenkriminalität die Täter mitunter speziell für durchzuführende Einbrü­che im Ausland angeworben werden und nach vollbrachter Tat in 97 Prozent der Fälle wieder unbehelligt in dieses zurückkehren können.

Auch die Schlepperkriminalität nimmt zu. So stieg im ersten Halbjahr 2009 die Zahl der illegal nach Österreich gebrachten Personen auf 4.803. Da auch aus polizeiinternen Kreisen mittlerweile immer öfter bemängelt wird, dass sich unter den ausgeforschten Einbrechern vermehrt illegal in Österreich aufhältige Personen befinden, wäre es von entscheidender Bedeutung den Zustrom von Illegalen nach Österreich bereits an der Grenze durch rigorose Kontrollen zu unterbinden. Die Wechselwirkung zwischen stei­gender Kriminalität und Migration wird auch durch eine Studie belegt wonach sich der Anteil ausländischer Tatverdächtiger seit 1975 von neun auf dreißig Prozent verdrei­facht hat und im April 2009 der Anteil ausländischer Straf- und Untersuchungshäftlinge unglaubliche 43 Prozent betragen hat

Artikel 2 Absatz 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens eröffnet die Mög­lichkeit für einen begrenzten Zeitraum an den Binnengrenzen nationale Grenzkontrol­len einzuführen, wenn die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit dies erfor­dern.

Da es der Bundesministerin für Inneres nicht gelungen ist dem Anstieg der Kriminalität durch ausländische Banden Herr zu werden, und von einer schwerwiegenden Bedro­hung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die auf Österreich übergreifende Kriminalität auszugehen ist, ist die vorübergehende Wiedereinführung der Kontrollen insbesondere an Österreichs Ostgrenzen eine unumgängliche Maßnahme.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert zum Schutz der Bevölkerung die Grenzkontrol­len vorübergehend wieder einzuführen, da durch die rasant steigende Kriminalität eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit in Öster­reich verwirklicht ist.“

*****


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begriff der Straffälligkeit im Asylgesetz 2005

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.)

Mit der vorliegenden Regierungsvorlage wird im Asylgesetz der Begriff der Straffällig­keit im neuen Absatz 3 des § 2 wie folgt definiert:

Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich be­gangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechts­kräftig verurteilt worden ist.

Diese Begriffsbestimmung ist zu eng gefasst, da beispielsweise Delikte wie Körperver­letzung (§ 83 StGB), Raufhandel (§ 91 StGB) oder Diebstahl (§ 127 StGB) nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen, und hinsichtlich dieser somit eine mindes­tens zweifache rechtskräftige Verurteilung erforderlich ist, damit Straffälligkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt. Dies ist abzulehnen, da grundsätzlich auch die einmalige rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes den Begriff der Straffälligkeit erfüllen sollte.

Natürlich gilt es auch hier Härtefälle zu vermeiden, da beispielsweise ein einmaliger geringfügiger Ladendiebstahl noch nicht mit den asylrechtlichen Konsequenzen der Straffälligkeit zu verbinden sein wird. Dazu ist allerdings auszuführen, dass die Mehr­zahl solcher und ähnlich gelagerter Fälle in der Praxis einer diversionellen Erledigung zugeführt werden, und es somit zu keiner rechtskräftigen Verurteilung kommt. Die er­forderliche zweifache rechtskräftige Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten, die in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen erscheint aber jedenfalls nicht als sachge­mäß.

Straffällig im Sinne des Asylgesetzes sollte demnach sein, wer wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, rechtskräftig verurteilt worden ist.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert dem Nationalrat ehest möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten mit dem der Begriff der Straffälligkeit im Asylgesetz 2005 wie folgt definiert wird:

Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist.“

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fingerab­drücke in Identitätskarten für Fremde und Karten für Geduldete

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.)

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 sollen die „Identitätskarte für Frem­de“ sowie die „Karte für Geduldete“ eingeführt werden. In diesen sollen Name, Ge­burtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und die Unterschrift des Fremden enthalten sein. Die Speicherung von Papillarlinienabdrücken ist allerdings bei keiner dieser neu eingeführten Karten vorgesehen. Dies wäre jedoch dringend geboten um eine zweifels­freie Identitätsfeststellung hinsichtlich dieser fremden Personen zu ermöglichen, da in der Praxis immer öfter Fälle von Missbrauch bekannt werden. Nur wenn jene Doku­mente, die dem Nachweis der Identität eines Fremden dienen auch die Fingerabdrücke dieser Person enthalten, und diese Daten auf europäischer Ebene mit einander ver­glichen werden können, kann eine Umgehung der rechtlichen Bestimmungen im Be­reich des Asyl- und Fremdenrechts unterbunden werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehen

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzes­entwurf zuzuleiten, mit welchem die Speicherung von Papillarlinienabdrücken auf Kar­ten für Geduldete gemäß § 46a FPG und Identitätskarten für Fremde gemäß § 94a FPG zum Nachweis der Identität der fremden Personen umgesetzt wird.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. Einge­stellte Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


14.43.10

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Wes­tenthaler, wenn bei einer heiklen Gesetzesmaterie nur verunsichert wird, verschiedene Gesetzesmaterien permanent miteinander vermischt werden, dann darf man sich nicht wundern, wenn kritisiert wird, wie Sie hier Ihre Argumente gestalten.

Generell zu kriminalisieren, Herr Kollege ... (Abg. Ing. Westenthaler – ein Exemplar der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „An der Ostgrenze regiert die Angst“ in die Höhe haltend –: Ist das Verunsicherung?) – Jede Straftat ist eine zu viel! Aber das al­les hat nichts damit zu tun, dass man ununterbrochen mehrere Gesetzesmaterien mit­einander vermischt. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Wenn „es“ euch nie irgendwo bedanken wollt, braucht ihr es ja nur zu sagen; ich tue es persönlich gerne, weil es zu den guten Umgangssitten gehört (Beifall bei der SPÖ – Abg. Grosz: Was ist „es“, Herr Abgeordneter?), aber lasst mich persönlich, aber auch namens meiner Fraktion, einmal eine klare Aussage hier treffen: Alle Menschen, die


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berechtigterweise um Asyl ansuchen, werden es und sollen es auch in Zukunft bekom­men (Beifall bei der SPÖ), aber für alle, die versuchen, unser gutes Asylrecht zu umge­hen, haben wir in dieser Novelle vorgesehen, dass Missbrauch ausgeschaltet wird. Da­rüber hinaus sind Maßnahmen zu setzen – und darüber bestand immer Konsens hier im Hause –, die sicherstellen, dass wir zu raschen Verfahren kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von allen drei Oppositionsparteien, wenn wir rechtsstaatlich ein Verfahren abführen, dann ist das ein rechtsstaatliches Verfahren – und das ist halt einmal zu Ende. (Abg. Grosz: „Es“!) – Es wird nicht besser, da könnt ihr dazwischenrufen, so viel ihr wollt!

Ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei allen Expertinnen und Experten, die beim Hearing waren, bei allen, die wochen- und monatelang verhandelt und beraten haben. Mit dieser Novelle werden wir nun zu raschen Abläufen kommen, mit der Konsequenz, dass wir, wenn das Verfahren zu Ende ist, die notwendige Abschiebung vornehmen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, wir werden in Niederösterreich dement­sprechend klarstellen, dass ihr alles immer nur einfordert, aber bei jeder Entlastungs­maßnahme dagegen wart. Egal, welcher Standort in die Diskussion genommen worden ist, seid ihr alle sofort dagegen gewesen. So kann diese Republik, meine Damen und Herren, und so kann diese so wichtige und sensible Thematik nicht behandelt werden! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Riepl: Genau so ist es!)

Im Zusammenhang mit dem, was der Landeshauptmann von Niederösterreich vor eini­gen Tagen gesagt hat, möchte ich euch sagen – ich sage das als einer, der aus die­sem Bezirk kommt –: Schämt euch alle, denn was Niederösterreich, vor allem die Stadt Traiskirchen, seit Jahrzehnten leistet, ist sehenswert, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Aber Sie betreiben ausschließlich Polemik, und das auf dem Rücken der Menschen – das muss ich auch einmal deutlich sagen –, und zwar auch der Österreicherinnen und Österreicher, jener Menschen, die hier beheimatet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir es uns nicht allzu leicht! Darauf wird vielleicht in der Tagespolitik, vor allem im Polit-Slang, insbesondere dann, wenn es Wahlen gibt (Abg. Grosz: Ihr gewinnt keine Wahlen mehr, und das seit Jahren!), nicht so geachtet, aber diese Frage ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Grundwerte, der europäischen Rechte, der Menschenrechte, aber auch die unseres Rechtsstaates. Und wir haben hier eine Novelle vorliegen, die alle diese Fragen berücksichtigt und wo es trotzdem zu einem raschen Verfahren und zu einer Vereinfachung kommt, auch, was die Arbeit im Vollzug betrifft.

Noch ein offenes Wort: Wir haben, wie bereits im Regierungsübereinkommen verein­bart, versucht, für die Fremdenpolizei-Dienststellen eine moderne, effiziente Struktur herbeizuführen. Wer waren denn die, die was als Erste die Frau Bundesministerin da­mit haben auflaufen lassen? (Abg. Grosz: „Es“!)

Meine Damen und Herren, man sollte darüber nachdenken, was man draußen in den Regionen sagt, was man in den Städten und in den Gemeinden quer durch Österreich sagt und was man hier zum Ausdruck bringt. Ich lade Sie wirklich dazu ein und sage es hier ausdrücklich: Wir müssen die Frage einer zusätzlichen Erstaufnahmestelle, die Frage eines Schubhaftkompetenzzentrums, aber auch die Frage der fairen Quotenauf­teilung zwischen den Bundesländern einmal ehrlich diskutieren. Außer Wien, Niederös­terreich und Oberösterreich erfüllt niemand die Quote. Man sollte, meine Damen und Herren, nicht nur immer kritisieren und polemisieren, sondern an dieser so wichtigen zentralen Frage auch mitarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend festhalten: Wir alle – Frau Bundesministerin, auch Ihr Haus, Ihre Belegschaft – sind gefordert, im Voll-


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zug zu schauen, dass die gesetzlichen Bestimmungen, die wir hier schaffen, auch dementsprechend vollzogen werden.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu wahrnehmen – dies auch deshalb, weil alle immer so gescheit reden –, jenen Damen und Herren, jenen Kolleginnen und Kol­legen, die immer unbedankt diesen schweren Dienst versehen müssen, auch einmal hier vom Rednerpult aus zu danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich lade Sie ein, unseren gemeinsam Dank an die Kolleginnen und Kollegen der Exe­kutive und der Verwaltung zum Ausdruck zu bringen. Das sind keine Prügel-Knaben – da ist es leicht, zu „motschkern“ und gescheit zu reden –, sondern die machen einen schweren Dienst. (Abg. Grosz: „Es“!) Es ist ja gut, wenn „es“ euch nicht bedankt – wir bedanken sich schon, nur keine Angst! (Abg. Grosz: „Es“!)

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir mit dieser Novelle jene Veränderung herbeiführen, die es ermöglicht, zu raschen Verfahren zu kommen, ge­rechte Verfahren durchzuführen und den Missbrauch abzuschaffen.

Wenn wir über diese Gesetzesmaterie diskutieren, sollten wir schon bedenken: Auch da diskutieren wir immer über Menschen! Und ich glaube, Menschlichkeit sollte man sich schon bewahren.

Daher noch einmal: Jene, die unsere Hilfe berechtigterweise brauchen, sollen diese auch bekommen, und den Missbrauch durch jene, die dieses System auszunützen ver­suchen, werden wir mit dieser Novelle ganz einfach abschalten – im Interesse der Menschen, im Interesse unserer Heimat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Grosz: „Abschalten“!)

14.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.51.01

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Gäste auf der Galerie! Es ist schon öfters hier gesagt worden: Eine einmal ge­fällte Entscheidung vor allem in Asylsachen sei zu respektieren und zu akzeptieren; es sollen keine weiteren Schritte mehr von den Asylwerbern gesetzt werden können.

Ich möchte, dass wir uns jetzt die Haltung derer anschauen, die in dieser Sache am lautesten schreien, so beispielsweise auch das BZÖ. Wie geht das BZÖ, wie gehen einzelne Abgeordnete des BZÖ mit rechtsstaatlichen Entscheidungen, mit Gerichtsent­scheidungen um, wenn es sie selber betrifft? (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr würdet mich gleich abschieben!)

Dazu ein konkretes Beispiel: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler, der wegen falscher Zeugenaussage angeklagt wurde (Abg. Ing. Westenthaler: Am liebsten würdet ihr mich abschieben!) und nach der ersten Entscheidung – das war eine gerichtliche Ent­scheidung – der unabhängigen österreichischen Justiz gesagt hat, das sei ein politi­sches Urteil und er, Westenthaler, weigere sich, die Verurteilung anzuerkennen.

Zitat Westenthaler: Es gibt kein Urteil, es gibt einen Richterspruch, der nicht halten wird! – Er sei Opfer einer politisch gefärbten Justiz geworden. (Abg. Ing. Westentha­ler: Der Herr Pilz sagt das auch!)

So reden, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zu­schauer auf der Galerie, jene Leute, die am lautesten schreien und sagen: Wenn je­mand den Asylantrag abgelehnt bekommt, so hat er das zu akzeptieren, denn das ist ein rechtsstaatliches Urteil gewesen! – Wenn Sie aber selber betroffen sind, dann gilt das offensichtlich schon viel weniger, Herr Kollege Westenthaler! (Beifall bei den Grü­nen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)


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Herr Kollege Westenthaler hat, wie ihm das in einem Rechtsstaat zusteht – und das ist gut so! –,von seinem Recht Gebrauch gemacht und ist in Berufung gegangen. Ing. Westenthaler hat diese Berufung nicht gewonnen, sondern das Urteil wurde im Großen und Ganzen bestätigt (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, gesenkt!); das Strafaus­maß aber wurde von neun auf sechs Monate reduziert, aber die Verurteilung wurde aufrechterhalten.

Die Anmerkungen des Herrn Kollegen Westenthaler nach dem Berufungsurteil waren, das sei eine justizielle Farce; es gebe einen Justizskandal. – So, meine Damen und Herren, gehen diejenigen um, die von Asylwerbern, bei denen es teilweise um Leben und Tod geht, verlangen: Akzeptiert gefälligst, wenn ein Urteil gefällt wurde! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist der Umgang der Rechtsrechten mit dem Rechtsstaat. Für sie selber soll er ge­fälligst nicht gelten, sondern nur für die Schwächsten unserer Gesellschaft.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, reden wir über die echten Probleme von Schutzsuchenden, die es beim Asylrecht gibt! (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist die Konsequenz: Westenthaler abschieben!?)

Erstens: Es gibt keine unabhängige Beratung für Menschen, die der Landessprache nicht mächtig sind, die unser Rechtssystem nicht kennen, die sich rechtlich nicht wehren können gegen eventuell falsche Entscheidungen. Das wurde vorsichtshalber von Frau Innenministerin Fekter abgedreht, damit es möglichst wenige Berufungen gibt – und das läuft dann alles unter dem Titel „Verfahrensbeschleunigung“. Be­kanntlich kann man mit Menschen auch sehr schnelle und kurze Verfahren machen und das negativ erledigen, ohne sich die Anliegen inhaltlich angeschaut zu haben. (Zwischenruf des Abg. Kößl.)

Zweites großes Problem im Asylbereich: Viele Schutzsuchende landen in der Schub­haft. Ich nenne Ihnen jetzt konkrete Zahlen, und zwar hängt das ganz direkt mit der Verschärfung dieser Gesetze zusammen, die heute mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen werden sollen. Diese Gesetze wurden nämlich seit den neunziger Jahren immer wieder und ständig verschärft. Ich sage es ganz klar und deutlich an die­ser Stelle: Würden Gesetzesverschärfungen Probleme im Asylbereich und im Integra­tionsbereich lösen, dürften wir seit mindestens zehn Jahren keinerlei Probleme ha­ben, denn Sie verschärfen diese Gesetze seit 20 Jahren. (Abg. Kößl: Das Gesetz ist überhaupt nicht angetastet worden, nur der Vollzug!)

Das Gegenteil ist der Fall: Die Probleme werden immer mehr! Im Jahre 2005 waren 600 Asylsuchende in Schubhaft; im Jahre 2006 sind schon 2 700 Menschen in der Schubhaft gelandet, weil sie einen Asylantrag gestellt hatten. Übrigens waren das im Jahre 2006 31 Prozent der Schubhäftlinge; 31 Prozent der Schubhäftlinge im Jah­re 2006 waren Asylwerber. (Abg. Kößl: Sie sind nicht ehrlich! Man muss sagen, dass es Verfahren gegeben hat und diese negativ ausgegangen sind!)

Drittes Thema: Grundversorgung. – Gut, dass wir eine Grundversorgung für Leute ha­ben, die um Asyl angesucht haben, denn sie dürfen ja nicht arbeiten, wie wir wissen. Irgendetwas müssen sie essen und irgendwo müssen sie schlafen. Nur: Diese Grund­versorgung ist dermaßen niedrig, dass die NGOs, die Asylwerber versorgen und un­terbringen, jammern, und zwar seit Jahren, dass sie mit diesem Geld nicht auskom­men, dass es nicht möglich ist, Obdach und Essen für Asylwerber mit dem Geldbetrag zu organisieren, dessen Höhe der Staat für Grundversorgung zur Verfügung stellt. (Abg. Neubauer: Weil es zu viele sind!)

Was geschieht aber? – Anstatt dass die echten Probleme im Asylsystem angegangen und gelöst werden, legen die Regierungsfraktionen eine Verschärfung nach der ande-


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ren vor; die jüngste Verschärfung liegt heute vor. Und diese wird bringen: mehr Schub­haft, Schubhaft bis zu zehn Monaten!

Stellen Sie sich doch da bitte einmal vor: ohne Delikt, ohne auch nur irgendetwas an­gestellt zu haben, eingesperrt zu werden, und zwar bis zu zehn Monaten – und das im Rechtsstaat Österreich!

Weitere Verschärfungen werden sein: Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die soge­nannte Gebietsbeschränkung, die lautet: Wenn ich in Traiskirchen untergebracht bin und es mir erlaube, nach Wien zu fahren, um einen Rechtsanwalt oder unabhängige Rechtsberatung aufzusuchen, kann ich in Schubhaft gesteckt werden! (Abg. Mag. Jo­hann Maier: Das ist falsch!) – Lesen Sie doch Ihre eigene Regierungsvorlage nach! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Johann Maier: Das ist falsch! – Abg. Riepl: Blei­ben Sie bei der Wahrheit! Erzählen Sie hier keine Märchen!)

Nächste Verschärfung: Menschen, die ganz legal in Österreich leben, sollen möglichst kein Visum mehr verlängert bekommen, denn sie müssen ein viel höheres Einkommen nachweisen. – Wissen Sie, was das bedeutet? – Eine Illegalisierung von Menschen, die ganz legal und regulär hier leben. (Abg. Grillitsch: Das ist bewusst falsch gesagt! Das ist unverantwortlich!)

Ähnliches gilt bei der Einbürgerung: Wenn Sie einen Antrag auf Verleihung der öster­reichischen Staatsbürgerschaft stellen und sagen, Sie leben seit Jahren rechtmäßig in diesem Lande und möchten sich daher zum Staat Österreich bekennen und eben Österreicher/Österreicherin werden, dann dürfen Sie das nicht, wenn Sie in den letzten drei Jahren nicht ziemlich viel Einkommen hatten.

Und wissen Sie, was passiert ist? – Im Jahre 2006 gab es die letzte Verschärfung des Staatsbürgerschaftsgesetzes – und seitdem sind die Einbürgerungszahlen um 60 Pro­zent zurückgegangen. Um 60 Prozent! (Demonstrativer Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Sie verlangen die ganze Zeit die Integration, aber: Zur Integration gehören gleiche Pflichten und gleiche Rechte. Und gleiche Rechte bekommt man in Österreich erst mit der Einbürgerung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Die Staatsbürgerschaft ist der Schlusspunkt einer erfolgreichen Integration! Wenn die nicht gegeben ist, gibt es keine Staatsbürgerschaft!)

Das, was Sie hiemit der Republik Österreich einbrocken, ist eine Des-Integrations­politik, eine Politik des Rechtsraubs bei Flüchtlingen und Asylsuchenden.

Jetzt noch ein Appell an alle Abgeordneten dieses Hauses: Meine Damen und Herren, Sie wurden nicht nur von Ihrer Partei aufgestellt, sondern Sie sind der österreichi­schen Bevölkerung gegenüber verpflichtet! (Demonstrativer Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Die Europäische Menschenrechtskonvention steht im Verfassungsrang in unserem Lande – und das ist gut so. Das heißt, wir haben uns als Republik verpflichtet, Men­schen, die Schutz suchen, Schutz zu gewähren und Menschenrechte nicht mit den Fü­ßen zu treten, sondern Menschenrechte zu beachten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Sie verwechseln jetzt Missbrauch!)

Geben Sie sich einen Ruck und lassen Sie nicht zu, dass Asylwerber ihrer Rechte be­raubt werden und dass Integration weiterhin verunmöglicht wird – sonst haben Sie die Probleme zu verantworten, die unser Land in den nächsten Jahren ganz massiv haben wird! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Sie haben die zu verantwor­ten, die wir jetzt haben!)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 6 bis 8 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringli­chen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.


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15.00.17Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Finanzen betreffend „System Grasser“ und der Wille der ÖVP, die Machenschaften lückenlos aufzuklären (3357/J)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 3357/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Ihr Amtsvorgänger Karl-Heinz Grasser hat als Finanzminister ein System der Begünsti­gung persönlicher Freunde und der eigenen steuerlichen Begünstigung geschaffen. Die Lasten dieses Systems mussten die österreichischen SteuerzahlerInnen tragen. Die seinerzeitige ÖVP-Führung unter Bundeskanzler Schüssel und den Klubobleuten Khol und Molterer hat Grasser immer voll unterstützt und eine wirksame Aufklärung der Vorgänge verhindert.

Sie haben als zuständiger Ressortleiter und ÖVP-Obmann zwei Optionen: den weite­ren Schutz des „Systems Grasser“ im Stil der alten ÖVP-Führung durch die Verweige­rung einer lückenlosen und wirksamen parlamentarischen Aufklärung, oder aber den Bruch mit der bisherigen Parteilinie und die Aufklärung aller Begünstigungen auf parla­mentarischer Ebene.

Die heutige Anfrage soll klären, welcher Weg weiter beschritten wird:

1. BUWOG

Im Jahr 2000 erklärte das Finanzministerium die Absicht, die fünf Bundeswohnbau­gesellschaften veräußern zu wollen. Am 11.6.2002 fasste die Bundesregierung den Grundsatzbeschluss, die Bundeswohnungen abzugeben. Am 25.7.2003 wurde der Fi­nanzminister gesetzlich ermächtigt, die Bundesanteile an den Bundeswohnbaugesell­schaften bestmöglich zu verwerten.

Zur Abwicklung der Veräußerung wurde ein externer Berater herangezogen. Die dies­bezügliche Ausschreibung gewann im September 2002 – unter aufklärungsbedürftigen Umständen – die Investmentbank Lehman Brothers. Im Vorfeld der Verkaufsvorgänge betraute der ehemalige Finanzminister nämlich seinen Vertrauten, den Immobilienmak­ler Karl Ernst Plech, einen Finanzier der FPÖ, mit Aufsichtsratspositionen in der BUWOG und der öberösterreichischen WAG Wohnungsanlagen Ges.m.b.H. und er­nannte ihn zum Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für die Vorbereitungen des Verkaufs an Investoren. In dieser Vergabekommission für die Ausschreibung war also ein Freund Grassers führend tätig. Für die in der Folge obsiegende Investmentbank Leh­man Brothers als Berater für den BUWOG-Verkauf war „zufälligerweise“ ebenfalls ein Grasser-Freund aktiv, nämlich Karlheinz Muhr. Lehman Brothers erhielt den Auftrag, obwohl ihr Angebot um ein Drittel teurer war als das der CAIB.

DI Michael Ramprecht, damals Mitarbeiter im Grasser-Kabinett und in maßgeblicher Funktion in der Vergabekommission, sagte zu diesem bemerkenswerten Vorgang (Pro­fil, 5.10.2009): „Zwei Minuten bevor wir zur Kommission reingegangen sind, hat Plech auf einem Gang des Finanzministeriums zu mir gesagt: ‚Der Minister will, dass es Leh­man wird’.


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Im August und September 2003 wurden Investoren zum Bieterverfahren eingeladen. Aus den 30 einlangenden Bewerbungen wählte die Investmentbank 25 Bieter aus. Von diesen gaben im Jänner 2004 sechs ein unverbindliches Angebot ab.

Im März 2004 wurde eine der fünf Bundeswohnbaugesellschaften, WEB Wien, aus dem Verkaufsprozess herausgelöst und es wurden neue Angebote eingeholt. Am 4. Juni 2004 lagen schlussendlich zwei verbindliche Angebote vor (CA-Immo und ein Konsortium der Immofinanz-Gruppe). Bestbieter war die CA Immo mit einem Angebot von 795 Mio., das Immofinanz-Konsortium bot lediglich 706,6 Mio, also fast 90 Mio. weniger. Obwohl die Auswahlkommission bereits im April 2004 empfohlen hatte, ledig­lich bei „nicht wesentlich auseinander liegenden Kaufangeboten“ eine Nachverhand­lungsrunde durchzuführen, wurde den zwei Bietern in der Folge die Möglichkeit gege­ben, ihre Angebote nachzubessern („Last and Final Offer“). Am 15. Juni 2004 ging der Zuschlag schließlich an den ursprünglich zweitgereihten Bieter Immofinanz, der nun plötzlich mit 840,58 Mio Euro nicht mehr um 88,4 Mio Euro hinter dem Erstbieter, son­dern – ein wenig überraschend - um knappe 1,19 Mio Euro davor lag.

An den Verkaufsvorgängen waren – wie sich herausstellte - aber nicht nur die Freunde des ehemaligen Finanzministers Karl Ernst Plech und Karlheinz Muhr beteiligt, sondern es kassierten mit Walter Meischberger und Peter Hochegger weitere engste Freunde des Ministers eine mehr als aufklärungsbedürftige „Erfolgsprämie“, die sie zu versteu­ern „vergaßen“. Mittlerweile haben sie Selbstanzeige erstattet.

Hochegger und Meischberger waren mit Ex-Bundesminister Grasser sowohl persönlich befreundet (Anm.: Meischberger ist Grassers Trauzeuge) als auch gemeinsame Ge­schäftspartner als Gesellschafter der PR-Firma „Valora Solutions“. Medienberichten zufolge hat CPB, eine Firma der Immofinanz-Gruppe im Jahr 2006 als Provision für den BUWOG-Deal ein Prozent des ursprünglichen Kaufpreises, also € 9,61 Mio. an eine zypriotische Briefkastenfirma des PR-Beraters Hochegger überwiesen. Dieser ha­be 80% davon, also 7,688 Mio. an Walter Meischberger weitergeleitet. Gegenüber dem Wirtschaftsblatt (11.9.2009, S.2) erklärte Hochegger dazu: „Herr Petrikovics, den ich seit 1993 kenne, hat mich ersucht, ihm eine Information bezüglich des Buwog-Verkaufs zu beschaffen.“ [] „Ich habe ihm diese Information beschafft. Nachdem die Immofi­nanz als Höchstbieter den Zuschlag erhalten hat und ich der Meinung war, dass meine Information dafür mitgeholfen hat, habe ich bei der Immofinanz angeklopft, um eine Er­folgsprämie zu bekommen.“ Dies ist der entscheidende Hinweis darauf, dass die Provi­sion an Hochegger und Meischberger offenbar aufgrund einer „Information“ über das Vergabeverfahren bezahlt wurde.

Die Aussagen von Ramprecht legen den Verdacht nahe, dass der gesamte Vergabe­vorgang bezüglich der BUWOG-Anteile nach den Vorgaben von Karl-Heinz Grasser ablief und von diesem gesteuert wurde. Ramprecht berichtet (Profil, 5.10.2009) von einem Gespräch mit Ernst Karl Plech, der zu ihm sagte: „Wir haben den Auftrag, wer das werden wird. Es soll die Immofinanz werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die Immofinanz werden.“

Doch es wurde nicht nur mit – dieser Verdacht muss zumindest aufgeklärt werden – mittels einer möglichen Informationsweitergabe sichergestellt, dass die Immofinanz den Zuschlag erhält, indem sie ein Angebot geringfügig über dem der Konkurrenz ab­gibt. Es wurde aber gleichzeitig auch durch verschiedene Maßnahmen zum Schaden der Steuerzahler der Preis insgesamt gedrückt:

Entgegen dem Rat von Experten wurden die fünf Bundeswohnbaugesellschaften nur als Gesamtpaket angeboten, statt erlösmaximierende Einzelpakete zu schnüren. Da­durch entstand der Republik ein Schaden in der Höhe eines mehrstelligen Millionenbe­trags.


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Dazu kritisierte der Rechnungshof (Bericht 07/3):

„Erlössteigernde Maßnahmen beim Verkauf wären möglich gewesen.

Der Verkauf von vier der fünf Bundeswohnbaugesellschaften erfolgte als Gesamtpaket. Nach Ansicht des RH wäre es zweckmäßig gewesen, auch im Rahmen der letzten An­gebotsrunde Angebote für den Erwerb von einzelnen Gesellschaften bzw Teilpaketen einzuholen.

Die Folgewirkungen der Einräumung eines Vorkaufsrechts an der ESG Wohnungsge­sellschaft mbH Villach für das Land Kärnten, dieses wurde allerdings nicht in Anspruch genommen, führte zu einer Erlöseinbuße von 3,61 Mio EUR.

Vor dem Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften hatte der Bund das Recht, für frei werdende Wohnungen Personen als Mieter vorzuschlagen (Einweisungsrecht). Der letztgültige Kaufvertragsentwurf ließ eine eindeutige Regelung hinsichtlich der Einwei­sungsrechte des Bundes bei 5.539 BUWOG–Wohnungen nicht klar erkennen.

Eine chronologische und durchgängige Dokumentation der von den Bietern im Rah­men der Vertragsverhandlungen im Einzelnen vorgebrachten Änderungswünsche er­folgte nicht. Aus der Aktenlage konnte nicht nachvollzogen werden, nach welchen Ge­sichtspunkten die Änderungswünsche einzelner Bieter berücksichtigt wurden.“

Bei der Verkaufsabwicklung der BUWOG beanstandete der Rechnungshof aber nicht nur die extrem kostenaufwendige Abwicklung des Verkaufsverfahrens durch einen be­auftragten Rechtsanwalt (Das Honorar des Rechtsberaters für das Verkaufsverfahren soll sich in einer Größenordnung von über 600.000 Euro bewegt haben und die Leis­tung wäre kostengünstiger durch das BMF gewesen), sondern auch die hohen Kosten (8 Mio Euro) durch die Beauftragung der Lehman Brothers mit der Beratungsleistungen und der Auslobung samt der Planung und Umsetzung des Verkaufs. Dabei sollen Tag­sätze von bis zu 13.000 Euro gezahlt worden sein, obwohl das Sachverständi­genwissen durch lokalen österreichischen Institutionen bereitgestellt wurde (vgl dazu Wahrnehmungsberichte des Rechungshofes 2003/4, III-51, XXII.GP und 2007/3, III-44, XXIII.GP).

Darüber hinaus wurde ohne zusätzlichen Erlös 8 Monate nach dem Verkauf auf das „Einweisungsrecht“ des Bundes verzichtet, sodass sich nach Aussage von RH-Präs. Moser im Rechnungshofausschuss eine Erlöseinbuße von über 200 Mio. Euro zu Las­ten der SteuerzahlerInnen ergab, da die betroffenen 5.539 Wohnungen bei Verkauf nicht mehr dem Regime des WGG unterliegen und bilden ein erhebliches Immobilien­vermögen.

2. Komplex Hochegger-Meischberger

Der PR-Berater Peter Hochegger war neben der BUWOG-Privatisierung für das Fi­nanzministerium unter der Leitung von Karl-Heinz Grasser in vielfältiger Form tätig.

Die Personality-Homepage von Karl-Heinz Grasser, die von der Industriellenvereini­gung über den Verein zur Förderung der New Economy bezahlt wurde, verursachte Kosten, die nicht nachvollziehbar waren. Nachdem Peter Hochegger über die neuge­gründete Firma Martrix, Dr. Hochegger Marketing und Consulting GmbH, an der Home­pageerstellung beteiligt wurde, kletterten die Kosten auf astronomische 240.000 Euro.

Im Jahr 2002 führte Karl-Heinz Grasser eine sogenannte „Informations- und Kommuni­kationskampagne für kleine und mittlere Unternehmen“, kurz KMU-Dialog genannt, durch. Für insgesamt neun Veranstaltungen, die Teilnehmer als Cocktailparties und hemmungslose Selbstvermarktung eines im Stile eines Motivationstrainers agierenden Finanzministers beschrieben, wurden 2,36 Mio. Euro ausgegeben. Die Agentur Hoch­egger kassierte 313.000 Euro.


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3. Steuerschonende Selbstbehandlung des Finanzministers Karl-Heinz Grasser

Der Verein zur Förderung der New Economy, dessen Zweck in der publicitywirksamen Präsentation der Marke „KHG“ bestand, erhielt von der Industriellenvereinigung insge­samt 283.460 Euro. Für diese Zuwendung wurde weder von der IV, noch vom Verein, noch von Karl-Heinz Grasser als dem Letztbegünstigten, Steuer bezahlt. Der Steuerex­perte und ehemalige Richter am Verwaltungsgerichtshof, Dr. Karl-Werner Fellner, be­urteilte diesen Vorgang folgendermaßen: „Auf irgendeiner Ebene, sei es bei der IV, sei es beim geförderten Verein, sei es beim Minister selbst, hätte auf jeden Fall Steuer be­zahlt werden müssen. Alles andere sind Ausflüchte.“ Im Steuerverfahren jedoch, das einer der engsten Mitarbeiter des Ministers leitete, wurde beschieden, dass gemäß einem schon damals obsoleten deutschen Kommentar zum Stiftungsrecht keine Schenkungssteuer anfalle, da die Zuwendung „satzungsgemäß“ erfolgte. Univ.–Prof. Werner Doralt beurteilte diesen Bescheid als gesetzwidrig. Da ein Verein jeder­zeit seine Statuten ändern könne, würde die Rechtsmeinung des Ministeriums dazu führen, dass er seine Steuerpflicht selbst bestimmen könne.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

1. Können Sie angesichts des BUWOG-Vergabeverfahrens, bei dem derartig viele Un­gereimtheiten zutage getreten sind und angesichts der bekannt gewordenen Provision von fast 10 Mio. Euro für die persönlichen Freunde und Geschäftspartner des damali­gen Finanzministers Grasser ausschließen, dass dieser auf das Vergabeverfahren Ein­fluss genommen hat oder verfahrensrelevante Informationen von ihm, seinem Kabinett oder aus dem Bereich des Bundesministeriums für Finanzen weitergegeben wurden?

2. Teilen Sie die Auffassung, dass es sich um einen klassischen Fall von Unvereinbar­keit handelte, den Immobilienhändler Karl Ernst Plech in die Aufsichtsräte von Wohn­baugesellschaften und der BIG zu entsenden?

3. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der von „Lehman Brothers“ konzipierte Pro­zessablauf der Vergabe derart gestaltet war, dass letztlich sowohl der Bestbieter als auch der Zweitbieter den Zuschlag erhalten konnte?

4. Wie beurteilen Sie die Auffassung des Rechnungshofes (siehe Bericht 2005/7, III-158 d.B. XXII GP), dass der Paketverkauf der Wohnbaugesellschaften zu einer Erlös­minderung geführt hat?

5. Welche Personen waren im Zeitraum von Mai bis Juli 2004 in der Vergabekommis­sion vertreten? Kam es zu personellen Veränderungen (wenn ja, welche)?

6. Welche Änderungen hinsichtlich der Vergabebedingungen, Fristen und Verkaufsmo­dalitäten gab es im Verlauf des Vergabeverfahrens und aus welchen Gründen?

7. a) Wieso wurde nach dem Vorliegen verbindlicher Angebote nochmals eine „Last and Final Offers-Runde“ vorgenommen?

b) Wieso kam es zu einer Verkürzung der Zuschlagsfrist im Juni 2004?

8. Laut „Format" Nr. 41/09 vom 09.10.2009 hat Anfang Juni 2004 im „Gelben Salon“ eine Besprechung zum BUWOG-Verkauf stattgefunden, wo Grasser, sein Kabinett und hohe Finanzbeamte alle Infos über den aktuellen Stand des Verkaufsprozesses erfah­ren sollten. Laut Format habe sich eine damals Anwesender erinnert: „Im Angebot der CA Immo fand sich der Hinweis auf eine Finanzierungsgarantie der Bank Austria über 960 Millionen Euro.“ Damit wäre klar, dass die CA Immo ein Angebotslimit hatte. Kön­nen Sie ausschließen, dass diese wertvolle Information von BM Grasser oder Mitglie-


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dern seines Kabinetts an die Immofinanz weitergegeben wurde und dieser damit er­möglicht wurde, die Konkurrenz geringfügig zu überbieten?

9. Können Sie ausschließen, dass das Land Kärnten bzw. der damalige Kärntner Lan­deshauptmann auf Grund von Informationen aus dem Ministerium informiert war, wer das beste und wer das zweitbeste Angebot gelegt hatte?

10. Können Sie ausschließen, dass Walter Meischberger über Informationen aus dem Ministerium verfügt hat, die dem Immofinanz-Konsortium zum Verkaufserfolg verholfen haben können? Welche konkreten diesbezüglichen Informationen hatte Walter Meisch­berger auf Basis des Kenntnisstandes des Finanzministeriums?

11. Können Sie auf Basis des Kenntnisstandes des Ministeriums ausschließen, dass Karl Ernst Plech relevante Informationen aus dem Vergabeverfahren an Walter Meisch­berger weitergegeben hat?

12. Können Sie ausschließen, dass Ihr Vorgänger Karl Heinz Grasser relevante Infor­mationen aus dem Vergabeverfahren an Walter Meischberger weitergegeben hat?

13. Wieso waren im Verkaufsvertrag die Einweisungsrechte des Bundes unklar gere­gelt und in der Beilage 14.1.2a sehr wohl verankert? Können Sie ausschließen, dass Walter Meischberger darauf eingewirkt hat?

14. Wer formulierte 2004 die endgültige Fassung des Verkaufsvertrag?

15. Drängten Kabinettsmitarbeiter bei der Vertragserstellung auf das Streichen der Ein­weisungsrechte?

16. Warum verzichtete der Bund am 25.2.2005 auf die Einweisungsrechte, obwohl noch am 23.10. 2004 in einem Memorandum über den Verkaufsvertrag festgehalten wurde, dass keine Veräußerung von Wohnungen mit Einweisungsrecht vorgenommen werden darf?

17. Warum prüfte die Finanzprokuratur nicht die Auswirkungen eines Verzichts der Ein­weisungsrechte bei Verkauf der BUWOG-Wohnungen? Warum wurden ihr laut Aus­kunft des Rechnungshofpräsidenten in der Sitzung des Rechnungshof-Ausschusses vom 18.12.2007 nur „abgespeckte“ Unterlagen übermittelt?

18. Wie erklären Sie die widersprüchliche Auskunft Ihres Vorgängers BM Molterer über die Verfügungsbeschränkungen: einerseits spricht er von „keine Verfügungsbeschrän­kungen hinsichtlich des freien Verkaufes“ (AB1338/23.GP) anderseits von „Verfü­gungsfreistellung etwas eingeschränkt“ (AB3378/23.GP)?

19. Welche Aufträge erhielten Firmen, an denen PR-Berater Peter Hochegger beteiligt war, während der Amtszeit Ihres Amtsvorgängers Karl-Heinz Grasser durch das Fi­nanzministerium und wie hoch waren die jeweiligen Honorare?

20. Wie hoch war die Gesamtsumme dieser Honorare?

21. Welche Aufträge erhielten Firmen, an denen PR-Berater Peter Hochegger beteiligt war, während der Amtszeit Ihres Amtsvorgängers Karl-Heinz Grasser laut Wissens­stand des BMF von anderen Bundesministerien bzw. ausgegliederten Rechtsträgern und wie hoch waren die jeweiligen Honorare?

22. Wie hoch war die Gesamtsumme dieser Honorare?

23. Welche Aufträge erhielten Firmen, an denen der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Wal­ter Meischberger beteiligt war, während der Amtszeit Ihres Amtsvorgängers Karl-Heinz Grasser durch das Finanzministerium und wie hoch waren die jeweiligen Honorare?

24. Wie hoch war die Gesamtsumme dieser Honorare?


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25. Welche Aufträge erhielten Firmen, an denen der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Wal­ter Meischberger beteiligt war, während der Amtszeit Ihres Amtsvorgängers Karl-Heinz Grasser laut Wissensstand des BMF von anderen Bundesministerien bzw. ausgeglie­derten Rechtsträgern und wie hoch waren die jeweiligen Honorare?

26. Wie beurteilen Sie das Steuerverfahren gegen den „Verein zur Förderung der New Economy“?

27. Teilen Sie die Rechtsauffassung des ehemaligen Richters am Verwaltungsgerichts­hof, Dr. Fellner, derzufolge auf irgendeiner Ebene, sei es bei der Industriellenvereini­gung, sei es beim geförderten Verein, sei es beim Minister selbst, auf jeden Fall Steuer hätte bezahlt werden müssen?

28. Teilen Sie die Meinung von Karl-Heinz Grasser (ORF-Interview, 23.6.2003), der Verdacht der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit seiner Homepage sei „völlig absurd und von Beginn an absolut haltlos“ ?

29. Teilen Sie die Rechtsmeinung von Ex-Staatssekretär Finz, der 2003 von Grasser per Weisung mit der steuerlichen Prüfung der Homepageaffäre betraut wurde, dass da­mals bei Vereinen eine „satzungsgemäße Zuwendung“ schenkungssteuerfrei war?

30. Durch die Amtsführung von Bundesminister Grasser und die geschilderten Vorgän­ge hat die Reputation des Bundesministeriums für Finanzen gelitten. Unterstützen Sie es daher als Finanzminister, die Vorwürfe gegen Ihren Amtsvorgänger Grasser in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss lückenlos aufzuklären, für Trans­parenz zu sorgen und damit das Vertrauen der Bevölkerung in eine wesentliche Institu­tion der Republik wieder herzustellen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler als ers­tem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Sehr geehrter Herr Abgeord­neter, bitte schreiten Sie zur Begründung. (Abg. Rädler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abgeordneten Mag. Kogler, der eine Zeitschrift in Händen hält –: Ist das eh das neue „NEWS“?)

 


15.00.54

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Herr Finanzminister, gut, dass Sie hier sind – die APA war da ja offensichtlich falsch informiert und hat gemeint, Sie würden vom Herrn Staatssekretär vertreten wer­den. Sollte das so beabsichtigt gewesen sein, ist Ihnen mein Respekt gewiss, dass ich Ihnen durchaus zutraue, dass Sie ein Gespür haben, ein Gespür für Fragen (Vizekanz­ler Dipl.-Ing. Pröll: Die das Parlament berühren!), die zukünftig noch relevant sein wer­den. (Abg. Dr. Sonnberger: Das fällt euch auch schon auf?!) Es geht nämlich tatsäch­lich um Zukunftsfragen, obwohl wir letzthin festgestellt haben, dass eine Mehrheit hier im Haus den Namen Karl-Heinz Grasser gar nicht mehr hören kann – trotzdem.

Warum geht es um die Zukunft und warum geht es da zunächst um die Vergangen­heitsbewältigung? – Es geht schlicht und einfach darum, dass wir das Vertrauen in die Institutionen der Republik wiederherstellen müssen, wenn sich Finanzminister so ver­halten, wie sich Ihr Vorvorgänger verhalten hat. Es geht darum, dass wir unserer Auf­gabe hier im Parlament, in einem demokratischen System, in dem es ja, Gott sei Dank, entsprechende Checks and Balances gibt, nachkommen und den Dingen, die da pas­siert sind, nachgehen. Aber jetzt gar nicht primär, um das noch einmal aufrollen zu wol-


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len um des Aufrollens willen, sondern um Vorkehrungen zu treffen, dass das – Herr Kollege Kopf, Sie waren damals ja auch schon Abgeordneter – künftig nicht so ohne Weiteres passiert.

Ich sage das ohne Ironie! Es ist nämlich so, dass – und das gehört ja auch zu politi­schen Parteien und das gehört zu unserem System dazu – im Trieb um Machterrei­chung und Machterhalt auf der Etappe natürlich das eine oder andere passieren kann. Das ist so. Es ist ja auch der ÖVP zugestanden, dass sie hier ihre entsprechenden Ak­tionen setzt, durchaus sehr erfolgreich – wie lange sind Sie jetzt schon durchgehend in der Regierung?, seit 1986, glaube ich –, aber da passieren eben ein paar Betriebsun­fälle, und die müssen wir sanieren. Und es sollte vor allem in Ihrem Interesse sein, dass hier ein paar Dinge endgültig aufgeklärt werden, damit dann ein Schlussstrich ge­zogen werden kann.

Also: Fürchtet euch nicht, es ist nie zu spät zur Umkehr! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: ... die Bibel!) – Deshalb sage ich es ja: weil Sie das leichter verstehen. Jetzt ist Nachschau zu halten, ob die Übung wirklich gelingen wird. Ich sage Ihnen nur: Nehmen Sie das auch als Angebot, jedenfalls nicht nur als Angriff! (Ruf bei der ÖVP: Na ja!)

Wie kommt das alles? – Am 4. Februar 2000 ist eine neue Bundesregierung angelobt worden. Es hat einen tatsächlichen Regimewechsel in vielerlei Hinsicht gegeben, und das nach einem Wahlkampf, im Rahmen dessen der Parteiführer der ÖVP (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Obmann!) gesagt hat: Wenn wir Dritte werden, gehen wir in Opposi­tion! – Das mit dem dritten Platz ist sich ja gerade noch ausgegangen, das mit der Op­position dann nicht mehr. (Abg. Rädler: ... die Rede nicht! Sie holen zu weit aus!) Je­denfalls hat es die ÖVP geschafft, diesen Regimewechsel herbeizuführen. (Abg. Dr. Plassnik: Passen Sie ein bisschen auf!) – Doch, doch! Schon! Ich sage Ihnen, was es war: Mehr Privat, weniger Staat! (Abg. Rädler: ... Politik!) – Das war Ihr Schlachtruf.

Das sei Ihnen auch zugestanden! Wir diskutieren ja heute nicht über tatsächliche Pri­vatisierungsvorgänge, wir diskutieren darüber, wie ein Finanzminister, dem Sie es er­möglicht haben, dass er überhaupt in diese Position kommt, diesen ideologischen Schlachtruf dann für sich verwertet hat. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Und jetzt sind wir dort, worum es geht: Es geht um das System Grasser und es geht darum, ob die ÖVP das über Gebühr begünstigt hat und ob sie bereit ist, zukünftig zur Aufklärung beizutragen, und auch darum, ob sie bereit ist, darunter einen Schlussstrich zu ziehen. Widrigenfalls müssen wir davon ausgehen, dass die ÖVP-alt immer noch eine solche, nämlich eine alte, sein wird. – Aber wie gesagt, Sie haben ja anschließend die Chance. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Mehr Privat, weniger Staat – das ist ernst genommen worden. (Abg. Rädler: Sie holen zu weit aus! ... fertig!) Mehr Privat, weniger Staat. Was war das Merkmal des Systems Grasser? (Abg. Grillitsch: Da ist ja nichts mehr Neues dabei!) Sehr viele private Freunde sind auf Kosten des Steuerzahlers bedient worden. – Das ist jedenfalls einmal eine Teilerkenntnis dieser Sache.

Mehr Privat, weniger Staat. – Das System Grasser hat dazu geführt, dass auf Kosten der Steuerzahler seine Freunde bedient wurden. Das lässt sich nicht mehr leugnen! Da brauchen Sie hier gar nicht verzweifelt zu versinken, Herr Kollege Stummvoll, lesen Sie nach! Wir haben Ihnen ja auch die Passagen des Rechnungshofberichts hineinkopiert, damit Sie sich dort noch ein bisschen anhalten können, bevor Sie voreilig zwischen­rufen.

Wenn dem aber so ist, dann müssen wir uns schon auch fragen, was die Systemkos­ten des Systems Grasser waren, und die waren nicht zu knapp! Erstens einmal durch­aus finanzieller Natur – ich werde dann noch darauf eingehen, welche tatsächlichen fi­nanziellen Schäden verursacht worden sind –, aber es gibt ja auch so etwas wie ethi-


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sche Schäden, polit-ethische Schäden. Ich würde ja nicht sagen, wie das ein Partei­freund von Grasser getan hat (Zwischenruf des Abg. Kickl), dass Grasser ein morali­scher Flachwurzler ist, denn das trifft das Problem nicht – das ist die völlig falsche Ka­tegorie –, es geht ja darum, in welches System der politischen Ethik er da zunächst hineingeraten ist, beziehungsweise darum, wer es ihm dann noch ermöglicht hat, sich dort überhaupt so „aufzuführen“.

Es ist völlig klar, worum es gegangen ist: Im Ergebnis war es dort, wo er persönliche Verantwortung hatte, durchaus auch Misswirtschaft durch Freunderlwirtschaft.

Womit ist er denn gekommen? – New Economy: Wunderbar, New Economy! Am Schluss hat sich herausgestellt, es war „Management by Friends Economy“. Wir wer­den hier im Haus noch ein paar Beispiele durchgehen müssen, mit denen das unwider­legbar bewiesen werden kann.

Der Hinweis, dass die Gerichte jetzt untersuchen – um auf diesen Kernpunkt zu kom­men, weil Sie das letzte Mal den Untersuchungsausschuss noch verhindert haben –, wird nicht reichen, denn es geht ja nicht nur – und jetzt sind wir beim Kern der Dringli­chen Anfrage – um strafrechtliche Verantwortung, diese wird es bei der Schwere der Vorwürfe auch geben müssen, es wird des Weiteren aber auch darum gehen, wie es ein politisches System ermöglichen kann, dass ein Finanzminister auf diese Art und Weise agiert.

Es geht ja nicht nur um den BUWOG-Skandal, sondern es geht auch darum, dass sei­ne Freunde Hochegger und Meischberger in vielen anderen Bereichen mit öffentlichen Geldern versorgt wurden – das werden Sie ja hoffentlich heute hier beantworten, wie viel das an welcher Stelle war.

Ein weiterer Punkt dieses politischen Sittenverfalls, der dort dann tatsächlich stattge­funden hat, ist der Umstand – dieser hätte im Übrigen in jedem anderen westeuropäi­schen Land zum Rücktritt des Finanzministers geführt –, dass sich der Finanzminister von der Industrie Geld zustecken lässt und dann nicht einmal die entsprechenden Steuern dafür zahlt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie hören das zum 17. Mal, aber bei Ihrer Uneinsichtigkeit besteht durchaus die Ge­fahr, dass Sie das ein 18. Mal hören werden (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn solan­ge die Dinge nicht in einem Mindestmaß verfolgt und aufgeklärt wurden – genau aus dem Prinzip der demokratischen Hygiene heraus, genau aus dem Prinzip heraus, dass das Parlament dafür zuständig ist –, werden Sie das immer wieder hören. Ich mache Sie auf Ihre Aufgabe aufmerksam, Herr Kollege: Es ist nicht Ihre Aufgabe, hier ein Mandat zu versitzen und dann diese Aufklärung verhindern zu wollen; Ihre Aufgabe ist genau das Gegenteil davon. Das sollten Sie auch einmal in ihrem Wahlkreis so vertre­ten! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: ... Ihrem Wahlkreis?)

Im Übrigen weiß ich überhaupt nicht, warum Sie sich noch immer so dagegen wehren, wenn es darum geht, dass hier – wir sagen ja nicht einmal, dass alle Fragen aufgeklärt werden sollen, aber die wesentlichsten – die wesentlichsten Fragen der Grasserschen Verfehlungen und Misswirtschaft aufgeklärt werden, damit wir und damit letztlich auch Sie als ÖVP zu einem Neubeginn kommen können. (Abg. Rädler: Was wollen Sie? Worum geht es?)

Wenn wir uns jetzt einmal den Vorwürfen zuwenden, die es hier tatsächlich gibt, dann werden Sie im Fall der Buwog – ohne auf komplizierte Einzelheiten eingehen zu kön­nen – sehen, dass ein durchgängiges Prinzip der reinen Freunderlwirtschaft von der ersten Sekunde an bis zum Zuschlag am Schluss „gefuhrwerkt“ hat, und jetzt noch zu verfolgen sein wird – nicht nur von uns in einem Untersuchungsausschuss, sondern eben durchaus auch von der Staatsanwaltschaft –, wer da am Schluss noch mitge-


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schnitten hat. Ich nehme ja nicht an, dass der Vertreter der ÖVP dabei war, deshalb sollten Sie sich da ein bisschen mehr zurückhalten, um diesen Verdacht nicht auf sich zu lenken.

Aber wie hat das Spiel begonnen? – Plech, damals schon ein guter Bekannter von Grasser (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm), ist in die Aufsichtsräte der bundeseige­nen Wohnbaugenossenschaften gesetzt worden, obwohl er einer der mächtigsten und finanzkräftigsten Immobilienmakler war. Das muss Grasser bewusst gewesen sein, das müssen Sie gewusst haben. Warum haben Sie dem Treiben zugeschaut? – Allein das ist schon unvereinbar!

Plech hat eine wesentliche Rolle in einer Kommission gespielt, die ihrerseits eine ande­re Truppe auswählen sollte, die den Verkauf der Buwog-Wohnungen abwickeln soll­te. Man hat also ein Beraterunternehmen gesucht – im Übrigen und im Ergebnis laut Rechnungshof dann viel zu teuer, kein Wunder.

Aufgrund dieses Beratersuchprozesses ist ein Unternehmen zum Zug gekommen – eben wieder: oh Wunder! –, in dem ein weiterer enger Vertrauter von Karl-Heinz Gras­ser mit von der Partie war, Herr Muhr: wesentlich überhöhte Preise, man hatte nicht einmal das Know-how und musste am Schluss auf lokale, hier ansässige Berater zu­rückgreifen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Es war völlig klar, worum es hier ging – und es waren an der Stelle wieder 10 Millionen weg. So wenig Geld ist das gar nicht: immerhin 10 Millionen € bereits zu dem Zeit­punkt. Also da läppert sich schon etwas zusammen!

Aber der Hauptschaden ist erst viel später entstanden. Mittlerweile sollten ja auch Sie begriffen haben, worin der besteht: Der Hauptschaden besteht darin, dass offensicht­lich der „Schlechterbieter“ den Zuschlag erhalten hat – und das in einer Verkettung von Beteiligten, wo an der Stelle Hochegger und Meischberger auftauchen: Meischberger nicht nur Trauzeuge, sondern, genau wie Plech, Geschäftspartner. – Wem es da nicht dämmert, dem ist nicht zu helfen! Und Sie werden die Sache beantworten müssen! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie damals schon zugeschaut haben, dann seien Sie doch jetzt – wie sagt man in Ihren Reihen? – Manns genug, erklären Sie sich diesbezüglich und ziehen Sie einen Schlussstrich! (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Darum geht es doch! Offensichtlich ist auch das schon zu viel verlangt, aufgrund der Zwischenrufe muss man das annehmen, aber wir werden ja hören, wie der Herr Vizekanzler und Par­teiobmann die Sache sieht und beantwortet. (Abg. Kopf: Der Herr Finanzminister!)

Meischberger und Hochegger haben aber nicht nur Provisionen kassiert – das wäre ja unter Umständen noch im Bereich einer üblichen Bedienung –, sondern offensichtlich haben sie auch auf das Verfahren eingewirkt. Ich zitiere gar nicht aus dem morgigen „News“, sondern aus der APA von heute:

„Von Meischberger sei zudem die Information gekommen, dass die Regierung eine Mil­liarde Euro für die Buwog haben wolle. Nach der ersten Angebotsrunde, bei der die Im­mofinanz nur Zweiter wurde, habe Hochegger von Meischberger erfahren“ – Hocheg­ger von Meischberger! –, „wie hoch das Angebot des Bestbieters war. Hochegger habe diese Informationen mündlich an den damaligen Immofinanz-Boss Karl Petrikovics wei­tergeleitet.“ – Zitatende.

Das ist ein Zitat aus der APA, und wie die dazu kommen, aus den Einvernahmeakten zu zitieren, weiß ich nicht – falls Sie da einen Zwischenruf planen –, aber es scheint zumindest so glaubwürdig zu sein, dass die Austria Presse Agentur das zitiert hat, und ich halte Ihnen das hier vor.


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Wir werden noch ein paar Gelegenheiten haben, diese Dinge durchzugehen, auch noch detaillierter, wenn es sein muss, und zwar dann, wenn wir wieder Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen, weil das nicht so bleiben kann, weil – wenn wir schon biblische Anklänge haben – das auch nicht ungesühnt bleiben kann.

Jetzt können Sie sagen: Dafür ist die Staatsanwaltschaft zuständig. – Wenn es um die persönliche strafrechtliche Verantwortung geht, ja, aber wenn es darum geht, wie das überhaupt möglich wird, sind mehr gefordert, ihre Verantwortung zu übernehmen, und sind Sie gefordert, zumindest die Aufklärung darüber zuzulassen. (Beifall bei den Grü­nen.) Und ich merke ja schon am Zurückgehen des Geräuschpegels, dass Sie da viel­leicht schon an Bereitschaft zur Einsicht zugenommen haben. (Abg. Rädler: Das liegt an Ihrer Rede! – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Das ist auch gut so, weil wir am Schluss schneller am Ziel sein werden, dass wir einen Schlussstrich ziehen.

Wir gehen ja gar nicht mehr auf alle Skandale ein! (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Wir brauchen ja nur mehr ganz wenige, denn sonst würden wir ja wirklich einen Perma­nent-Untersuchungsausschuss zu Karl-Heinz Grasser haben. Das trübt die Lebens­freude derart, dass das für die politische Volksvertretung auch nicht gut ist, denn diese soll ja auch noch etwas anderes zusammenbringen. Aber ein paar wesentliche Stränge gehören verfolgt.

Wenn wir schon bei Meischberger und Hochegger sind: Erinnern wir uns an die soge­nannte KMU-Roadshow! (Abg. Mag. Wurm: Ja!) – So weit, so komisch: KMU-Road­show. Wissen Sie, was die gekostet hat, neun Auftritte des Finanzministers? – 2,4 Mil­lionen € aus dem Steuersäckel!

Da sind Vertreter der Wirtschaft eingeladen worden, und der Herr Bundesminister für Finanzen hat dort ein transparentes, gläsernes Rednerpult gehabt, darüber hinaus hat er noch ein Mikrofon gehabt, und dann hat er dort – es sei ihm gegönnt – eben seine Ideologie verzapft. Das ist ja zulässig in der Demokratie! Aber das, was nicht zulässig ist, ist, dass es mit 2,4 Millionen € Steuergeld finanziert wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Und warum Herr Hochegger dort wieder ein paar 100 000 €, nämlich 400 000 €, mitge­schnitten hat, wird auch zu klären sein. – Aus der öffentlichen Kassa: Freund Hocheg­ger bedient von Freund Grasser aus der Steuerzahlerkassa. Das ist der regelmäßige Ablauf.

Es gibt noch viel mehr dieser Verbindungen, und wenn Sie diese Fragen heute nicht ehrlich beantworten, werden wir Ihnen das in der Zukunft nachweisen, und umso mehr wird dann die Dringlichkeit dieses Untersuchungsausschusses, der Sie dann ja an­tragsweise wieder ereilen wird, begründet werden. (Beifall bei den Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Wie kommen eigentlich die Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen dazu, sich einladen zu lassen, im Glauben, dass das vielleicht die ÖVP zahlt, wie sich das gehö­ren würde? – Aber nein, sie zahlen es sich ja indirekt selbst. Mit 2,4 Millionen € hätten Sie 100 KMUs immerhin 24 000 € Starthilfe geben können. Das wäre ein schöner Gründeranreiz und wäre jedenfalls viel gescheiter gewesen, als die dort an der Nase herumzuführen.

Wenn Sie noch Anstand hätten, würden Sie als ÖVP – denn damals ist er schon auf Ih­rem Ticket gesessen – diese 2,4 Millionen € zurückzahlen. (Abg. Hornek: An die Grü­nen?) Das wäre doch das Natürlichste der Welt, na selbstverständlich! Das war klassi­scher Missbrauch!

Karl-Heinz Grasser hat noch wesentlich mehr Missbrauch betrieben. Das können Sie hier nicht wegreden, und das wird Ihnen auch nichts helfen.


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Das Schlimmste ist ja, dass Grasser Missbrauch auch dort betrieben hat, wo es um das ganz näheste, eigene Leiberl gegangen ist. Er lässt sich von der Industrie Geld ge­ben: Jeder hätte bei dem Vorgang Steuer zahlen müssen, nur KHG nicht, das war die Auslegung des Ministeriums damals. – Und auch deshalb, Herr Bundesminister für Finanzen, sind Sie gefordert, weil es auch da um die Wiederherstellung der Reputation geht.

Noch etwas: Es wird diese Sache, wie sie damals rechtlich gebogen und geschoben wurde, auch noch ans Licht kommen, es wird nur mehr wenige Monate dauern. Überle­gen Sie sich also, wie Sie Ihre Antwort hier anlegen – ich meine das wirklich ernst!

Immerhin, das können Sie ja selbst der Dringlichen entnehmen, hat ein Ex-Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Karl Fellner, ganz klar Auskunft gegeben – der ist ein Experte auf dem Gebiet –:

„Auf irgendeiner Ebene, sei es bei der IV, sei es beim geförderten Verein, sei es beim Minister selbst, hätte auf jedem Fall Steuer bezahlt werden müssen. Alles andere sind Ausflüchte.“ – Detto Herr Doralt.

Was ist passiert? – Herr Staatssekretär Finz, weit weg von der ÖVP wie immer, hat die Verfahren mitgeleitet. Es hat Herr Sektionschef Quantschnigg mitgewirkt, es ist dau­ernd Einfluss genommen worden auf die Verfahren, und der Rechnungsprüfer dieses seltsamen Vereins, der das Geld weitergegeben hat, war – das ist vielleicht schon wie­der vergessen worden – Sektionschef Nolz.

Das ist die ganz gleiche Truppe, die sonst immer gemütlich beisammen gesessen ist – und die erklären sich gegenseitig, dass sie keine Steuern zahlen, wo alle anderen bei diesem Vorgang fällig gewesen wären! Hören Sie doch auf! Sie müssen dafür Sorge tragen, dass das hier noch einmal aufgeklärt wird, weil andernfalls dieser Makel zu­rückbleibt. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluss sage ich Ihnen schon: Es geht bei diesen Bemühungen tatsächlich um die Aufklärung, der wir uns jedenfalls verpflichtet fühlen, um die Reputation der Repu­blik und ihrer Institutionen. Das ist es doch! Gehen Sie doch hinaus und hören Sie sich an, was die Leute sagen, wenn sie nur den Namen Karl-Heinz Grasser hören! Ja, ja, wir wissen schon, dass das am Anfang anders war, aber wir haben ja immer darauf hingewiesen, worum es geht. Jetzt wollen Sie selbst ihn ohnehin auch nicht mehr, aber lange hat es gedauert.

Der Punkt ist doch, dass wir – und Sie auch! – einen Beitrag dazu leisten müssen, dass zumindest nicht der Eindruck entsteht, es ist eh alles wurscht, es darf eh jeder al­les machen, und im Parlament verhindern Sie die Aufklärung auch noch. Nein, dazu sind Sie – nicht nur dazu, aber auch – gewählt (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), und deshalb: Fürchtet euch nicht (Heiterkeit – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das nächste Bibel-Zitat!), es ist nie zu spät zur Umkehr – oder wie immer. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Man muss schon bibelfest sein, wenn man zitiert!) Herr Finanzminister ...

15.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Ich kann Ihnen da jetzt nichts mehr zugestehen. Sie sind schon drüber.

(Abg. Mag. Kogler  das Rednerpult verlassend –: Bei Raiffeisen sagt man: It’s your choice! – Beifall bei den Grünen.)

Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Finanzen und Vize­kanzler Dipl.-Ing. Pröll gemeldet. Herr Vizekanzler, 20 Minuten soll Ihre Redezeit nicht übersteigen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 129

15.21.50

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher bei dieser Debatte und der Dringlichen Anfra­ge heute an mich! – Herr Abgeordneter Kogler, ja, ich bin immer da, wenn es um Dringliche Anfragen oder um andere Fragen des Parlaments geht und ich nicht im Aus­land bin und verfügbar bin. Deswegen ist es auch eine Selbstverständlichkeit für mich, dass ich heute hier bin, um die Fragen, die an mich gestellt sind, entsprechend zu be­antworten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das schmälert aber nicht auch die Möglichkeit, dass Staatssekretäre mich vertreten, wenn es eben nicht möglich ist. Deswegen freut es mich, dass wir beide hier sitzen, und ich will Ihnen zu Ihren Fragen auch sehr detaillierte Antworten, soweit es in mei­nem Bereich möglich ist, geben will.

Zur Frage 1:

Wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ja wissen, war ich in dem der Anfrage zugrunde liegenden Zeitraum in einer anderen Funktion tätig, zum Teil noch gar nicht in politischer Verantwortung. Ich war in keiner Weise zu irgendeinem Zeit­punkt in das Ausschreibungsverfahren involviert beziehungsweise auch über die De­tails informiert. Es entzieht sich daher absolut meiner Kenntnis, ob es Einflussnahmen gab oder ob Informationen weitergegeben wurden. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Sie sind ja auch kein Finanzminister, nicht wahr? Sie sind heute Vizekanzler!) – Kein Grund zur Nervosität, Frau Abgeordnete Moser!

Zur Frage 2:

Ich gehe davon aus, dass die Frage der Entsendung von Kommerzialrat Plech in die Aufsichtsräte von BUWOG und BIG nach den zum Zeitpunkt der Bestellung geltenden Vorschriften auch geprüft wurde.

Zur Frage 3:

Wie mir von den Experten des Bundesministeriums für Finanzen berichtet wird, wurde das Privatisierungsverfahren den Gesetzen und prozeduralen Vorgaben entsprechend offen, transparent und objektiv abgewickelt. Meiner Information nach konnte immer nur der Bestbieter den Zuschlag bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 4:

Der Rechnungshof hat in einer Ex-post-Betrachtung die bloß informativen Kaufpreis­ansätze im Rahmen des Gesamtangebots für die einzelnen Wohnbaugesellschaften verglichen und daraus den Schluss gezogen, dass es vorteilhafter gewesen wäre, jede Gesellschaft einzeln an den jeweiligen Bestbieter zu verkaufen. – In einer Ex-post-Be­trachtung!

Zur Frage 5:

Die Bewertungskommission für den Zuschlag im genannten Zeitraum bestand während der gesamten Zeit aus denselben Mitgliedern. Es waren dies Dipl. Ing. Rainer Wieltsch, Vorstandsmitglied der ÖIAG, Dr. Peter Michaelis, Sprecher des Vorstandes der ÖIAG, Sektionschef Dr. Gerhard Steger, Bundesministerium für Finanzen, Dr. Rudolf Lessiak, Vergaberechtsexperte, Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher, Experte für Handels- und Vergabe­recht, Dr. Josef Mantler, Bundesministerium für Finanzen, Ministerialrat Heinrich Trau­müller, Bundesministerium für Finanzen, Dipl. Soz. Dkfm. Michael Swoboda, Bundes­ministerium für Finanzen.

Zur Frage 6:

Änderungen der Vergabebedingungen, Frist- und Verkaufsmodalitäten gab es im Ver­lauf des Vergabeverfahrens nicht. Lediglich aufgrund der hohen Zinsabschläge in Hö-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 130

he von rund 60 Millionen € für das Zinsänderungsrisiko, welche dem Bund im Rahmen der ersten Bieterrunde bekannt wurden, hat der Bund die Zuschlagsfrist in der zweiten Bieterrunde verkürzt, um diesen Kaufpreisabschlag zu minimieren.

Zur Frage 7a:

Wie meine Experten auch berichten, war die Vornahme einer zweiten Anbotsrunde deshalb erforderlich, weil im Rahmen der ersten Anbotsrunde ein Zusatzangebot unter­breitet wurde, welches mit Auflagen versehen war und deshalb nicht hinlänglich bewer­tet werden konnte.

Zur Frage 7b:

Ich verweise hier auf die Ausführungen zu Frage 6.

Zu den Fragen 8 bis 12:

Auch hier kann ich bezüglich meiner Amtsführung nur auf die Frage 1 verweisen. Ich war zu dieser Zeit, wie erwähnt, in anderen Funktionen tätig und kann daher keinerlei diesbezügliche Auskünfte geben. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben das Wissen im Minis­terium, Sie sind ja kein Privatminister!) – Sie haben die Fragen an mich gestellt, Herr Abgeordneter Kogler, und ich beantworte sie hiermit.

Zur Frage 13:

Die Beilage 14.1.2b wurde von der vom Bundesministerium für Finanzen dafür beauf­tragten Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus und Deringer erstellt, war ein inte­grierender Bestandteil des Kaufvertrages und stellte eine Punktation über die künftige Ausgestaltung der Einweisungsrechte dar. In dieser Punktation wurde festgehalten, dass der Bund auf die Einweisungsrechte sowohl beim Verkauf ganzer Liegenschaften als auch einzelner Wohnungseigentumsobjekte verzichtet.

Zu Frage 14:

Der Kaufvertrag wurde von der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus und De­ringer formuliert.

Zur Frage 15:

Wie bereits zu Frage 1 ausgeführt, war ich in diesem Zeitraum in einer anderen Funk­tion tätig. Ich kann daher auch dazu keine Aussage treffen.

Zur Frage 16:

Die Frage des Fortbestandes der Einweisungsrechte wurde von den Bietern im Zuge des Verkaufsprozesses angesprochen. Daraufhin wurde dieses Thema durch die be­reits angesprochene Punktation im Rahmen des Kaufvertrages vor Anbotlegung gere­gelt. Es ist daher unzutreffend, dass im Rahmen der Detailregelungen über die Einwei­sungsrechte, welche im Februar 2005 abgeschlossen wurden, ein nachträglicher Ver­zicht erfolgt wäre, zumal in der zitierten Punktation, welche vor Angebotslegung bereits allen Bietern im Rahmen des Abtretungsvertrages bekannt war, der Verzicht auf Ein­weisungsrechte im Fall der Veräußerung bereits ausdrücklich festgelegt wurde.

Zur Frage 17:

Hierbei handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine wirtschaftliche Überlegung, um mit dem Verkauf von Wohnungen keine Verfügungsbeschränkungen zu treffen, die zu einem Kaufpreisabschlag geführt hätten. Die Finanzprokuratur wurde lediglich mit den Vorhaltungen des Rechnungshofes im Nachhinein konfrontiert und es wurden ihr zur Überprüfung der Angelegenheit sämtliche Unterlagen, die sich auf das Einweisungsrecht bezogen haben, zur Verfügung gestellt. Die Finanzprokuratur hat den Ausführungen des Rechnungshofes klar widersprochen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 131

Zur Frage 18:

Ich verweise auf die Beantwortung 3365/AB vom 21. März 2009, wo in Frage 5 der Sachverhalt zu dieser Frage klar dargestellt ist.

Zu den Fragen 19, 20, 23 und 24:

Eine Durchsicht der während der Amtszeit von Bundesminister Mag. Karl-Heinz Gras­ser geleisteten Zahlungen durch das Bundesministerium für Finanzen hat ergeben, dass folgende Honorare für Aufträge des Bundesministeriums für Finanzen beglichen wurden:

Peter Hochegger und Firmen, an denen eine Beteiligung (Firma Matrix) bekannt ist: Gegenstand, geleistete Zahlung.

Erstens: Gegenstand: PR-Beratung bei der Information der Öffentlichkeit über finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Budgetsanierung, offener Brief der Bundesregierung zum Nulldefizit inklusive Inseratkosten, Konzept Euro-Um­stellung inklusive Umsatzsteuer: geleistete Zahlung 653 697 €;

Information und Kommunikationskampagne für kleinere und mittlere Unternehmen: 2 359 895 €;

Logo und Design für Finanz- und Zollämter, Euro-Berater auf der Homepage des Bun­desministeriums für Finanzen (Firma Matrix), inklusive Umsatzsteuer: 25 956 €;

Designentwicklung Finanz-online und Infotour Steuerreform 2005 inklusive Umsatz­steuer 63 414 €.

Zu Walter Meischberger und Firmen, an denen eine Beteiligung bekannt ist, sind keine Zahlungen des Bundesministeriums für Finanzen bekannt. Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass in dieser Auflistung nur jene Aufträge Berücksichtigung fin­den konnten, bei welchen eine Beteiligung der genannten Personen natürlich bekannt ist.

Zu den Fragen 21, 22 und 25:

Auftragsvergaben von anderen Ressorts fallen nicht in die Vollziehung des Bundesmi­nisteriums für Finanzen. Dazu liegen mir daher keine Aufzeichnungen vor.

Fragen von Auftragsvergaben von ausgegliederten Rechtsträgern fallen in die operati­ve Zuständigkeit der Unternehmensorgane dieser Gesellschaften. Auch diese Fragen betreffen somit keinen Gegenstand der Vollziehung durch das Bundesministerium für Finanzen im Sinne des Art. 52 Abs. 2 B-VG. Auch dazu liegen mir daher keine Auf­zeichnungen vor.

Zur Frage 26:

Die steuerlichen Belange wurden wie bei jedem anderen Steuerpflichtigen unter Wah­rung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht vom zuständigen Finanzamt ge­setzeskonform behandelt.

Zu den Fragen 27 und 29:

In Ihrer schriftlichen parlamentarischen Anfrage, Herr Abgeordneter Kogler, vom 15. Dezember 2005, 2434/J, wurde bereits die Frage der Schenkungssteuerpflicht aus­führlich behandelt. Es gab zu dieser Zeit auch gegenteilige Meinungen von Rechtsex­perten zu Dr. Fellner, die die Ansicht der Finanzverwaltung bestätigt haben. Das wis­sen Sie ganz genau. Letztendlich wurden alle Fragen auch im Rechnungshofausschuss behandelt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 132

Zur Frage 28:

Die Beurteilung, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, obliegt alleine dem für den Steu­erpflichtigen zuständigen Finanzamt. Die Beurteilung erfolgt gemäß den Vorschriften des materiellen Steuerrechts, der Bundesabgabenordnung bezüglich des Verfahrens und des Finanzstrafrechtes.

Zur Frage 30:

Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist ein Recht der Abgeordneten die­ses Hohen Hauses. Ihnen obliegt die Entscheidung, nicht der Bundesregierung. Aus meiner Sicht sind jetzt der Staatsanwalt und die Justiz am Zug. Die Vorwürfe sind von Staatsanwalt und unabhängiger Justiz restlos aufzuklären. Das Bundesministerium für Finanzen wird die Arbeit der Staatsanwaltschaft bestmöglich und intensiv unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub steht eine Gesamtredezeit von 20 Minuten zu.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ich stelle die Uhr auf genau diese 10 Minuten. – Bitte.

 


15.32.27

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Sie haben es jetzt selbst gehört: Der Herr Minister für Fi­nanzen weiß nichts über das Finanzministerium. (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie ge­schlafen oder was?) Der Herr Minister für Finanzen ist vielleicht Vizekanzler, ist auch Vorsitzender der ÖVP, aber über wichtige Vorgänge, die mit Privatisierungen zusam­menhängen, die über sein Ressort gelaufen sind, kann er keine Auskunft geben, weil er damals nicht Finanzminister war.

Herr Finanzminister, Herr Vizekanzler, entschuldigen Sie: Was Sind Sie denn jetzt wirklich? Haben Sie jetzt ein Amt, haben Sie jetzt ein Ministerium, haben Sie Sachver­ständnis, haben Sie jetzt Leute, die damals mitgewirkt haben? Sitzt der Herr Dr. Mant­ler noch bei Ihnen im Ministerium? Gibt es noch zuständige andere Beamte, die da­mals sehr wohl am Werk waren? Die können Sie ja fragen, damit Sie uns Rede und Antwort stehen können. (Beifall bei den Grünen.)

Aber, Herr Finanzminister, ich müsste Ihnen ja eigentlich sehr dankbar sein, denn durch Ihr Nichtbeantworten wichtiger Passagen beweisen Sie ja haarscharf, wie not­wendig eigentlich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist. Sie entschlagen sich der Antwort – na gut, dann müssen wir die Fragen wieder stellen, dann müssen wir die Fragen an mehrere Personen richten, nicht nur an Sie, denn Sie waren ja da­mals nicht dabei, das gebe ich ja zu, Sie waren nicht direkt involviert, Sie saßen ja nur im Kabinett als Umweltminister, Sie waren ja nur in der Regierung als einfaches Mit­glied eines anderen Ministeriums. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Nein, da war ich Bau­ernbunddirektor!)

Aber wir wollen Aufklärung und wir brauchen Aufklärung, weil diese Sache mit dem Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften mit Honoraren an den engsten Freundeskreis, mit Erfolgshonoraren an den engsten Freundeskreis des ehemaligen Finanzministers, eskaliert, diese Sache eskaliert zum großen politisch-privaten Skandal in der Zweiten Republik während der Ära Schwarz-Blau. Nicht umsonst titeln die Illus­trierten demgemäß, nicht umsonst schreiben die Tageszeitungen darüber! Aber Sie,


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Herr Finanzminister, entschlagen sich näherer Auskünfte und sagen: Nein, ich war es ja nicht! – Stimmt ja, Sie waren es nicht, aber Sie sollen uns aber Auskunft geben. Und deswegen sehen wir heute wieder die Notwendigkeit, einen Untersuchungsausschuss zu fordern. (Beifall bei den Grünen.)

Ich teile ja durchaus Ihre Meinung, dass jetzt alles auf den Tisch muss. Die Staatsan­waltschaft ist gefordert, die Gerichte sind gefordert. Auch Ihr Ministerium wird diesen Institutionen der Republik zuarbeiten; das ist heute sozusagen ein offizielles Verspre­chen Ihrerseits. Nur: Das alleine wird nicht reichen!

Der Kollege Kogler hat ohnehin schon dargelegt ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Sie wissen alles besser!) – Nein, ich weiß es nicht besser. Ich weiß nur in diesem Fall ein bisschen mehr als Sie, weil ich ja fachlich acht Jahre lang befasst war mit dieser Ange­legenheit, und daher tue ich mich da ein bisschen leichter als Sie.

Wie der Kollege Kogler ja bereits dargelegt hat, geht es ja nicht nur um die strafrechtli­chen Belange, geht es ja nicht nur um die Dinge, die gerichtsanhängig sind. Herr Minis­ter, wir haben Ihnen sehr, sehr deutlich geradezu die Hand gereicht zur Aufklärung eines Polit-Skandals. Es ist ja nicht so „ohne“, dass ein Finanzminister sich sozusagen gebärdet, als ob er über dem Gesetz stünde, mehr oder weniger hinwegschreitet über die politische Moral und politische Korrektheit, die normalerweise in Mitteleuropa ja doch beheimatet ist.

Aber der Herr Minister Grasser sah damals überhaupt kein Problem, genauso – und das ist auch mein zweiter Vorwurf an Sie – wie Sie heute überhaupt kein Problem darin sehen, dass in diesem Zusammenhang auch ein erfolgreicher Immobilienmanager tätig war. Das kann er ja ruhig sein, daran ist ja gar nichts auszusetzen, dass er erfolgreich ist, der Herr Karl Ernst Plech, nur: Die Unvereinbarkeit war damals weder dem Herrn Minister Grasser einsichtig, noch scheint das bei Ihnen der Fall zu sein. Sie sagen, der Plech war der Plech, und der Plech hat sehr wohl da die Agenden übertragen bekom­men, und so war es, und so sei es, und so ist es gut.

Bitte, das ist nicht unsere Auffassung, das ist auch nicht mitteleuropäischer Standard! Wie kann denn jemand, der im Geschäftsleben erfolgreich Immobilien kauft und ver­kauft, noch zusätzlich betraut werden mit Verkaufsbereichen, die im Sinne der Repu­blik abgewickelt werden sollen? Der ist ja nicht geteilt, der ist ja nicht schizophren, der Herr Plech. Der ist ja nicht auf der einen Seite der private Immobilienmanager, und auf der anderen Seite ist er der Vertreter der Republik in den Aufsichtsräten und schaut, dass die Allgemeinheit, dass die Steuerzahler, dass die Budgets den Maximalertrag haben. So etwas können Sie doch keinem Menschen zumuten! Da ist es ja geradezu automatisch so, dass sozusagen die private Herzhälfte etwas lauter und schneller und intensiver schlägt.

Sie finden auch nichts dabei, Herr Vizekanzler. Das war für mich schon einigermaßen entlarvend und einigermaßen desavouierend, dass Sie einfach diese politische Grund­moral nicht teilen, dass Menschen, die im privaten Geschäftsleben am Werk sind, nicht gleichzeitig zugunsten der Republik agieren können.

Ich meine, die Zeugenaussagen die zurzeit vorliegen, seien sie von Michael Ramprecht oder auch von Hochegger, weisen doch sehr, sehr deutlich eine Spur auf, und diese führt in den Kern des Ministeriums, führt in den Vorhof von Grasser, führt direkt in sein Kabinett. Und deshalb ist es für uns so wesentlich, dass Sie auch als Finanzminister, der Sie auch ein Kabinett haben, Klarheit schaffen gegenüber dem Parlament, gegen­über den Abgeordneten, über die detaillierten Vorgänge damals. Und diese Klarheit müssen wir hier haben, nicht irgendwo beim Staatsanwalt, wo wir dann vielleicht ir­gendwo in Akten stöbern können. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Haben Sie nicht zuge­hört?!) – Ich habe sehr gut zugehört und habe sogar mitgeschrieben, soweit es in der Schnelligkeit möglich war.


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Nur: Sie verweigern uns jetzt einzelne Details, die uns sehr wohl weiterhelfen würden in der Einschätzung der Angelegenheit. Ich habe schon gesagt, sich selber erweisen Sie dadurch einen Bärendienst – oder auch der ÖVP –, weil ja dadurch offenkundig ist, wie dringend wir den Untersuchungsausschuss brauchen, auch angesichts der Dif­ferenzen, die es in der Darstellung gibt zwischen Ihrem Ressort, dem Finanzministe­rium und dem Rechnungshof.

Da ist nach wie vor strittig die Frage mit dem Einweisungsrecht. Sie haben selber eine Anfragebeantwortung vom Herrn ehemaligen Minister Molterer zitiert, die ja sowohl-als-auch sagt. Sie sagt, das Einweisungsrecht ist eigentlich aufgegeben worden, aber ge­nerell bestand es doch; es war aber nicht an spezielle Wohnungen geknüpft, denn ver­kauft werden sollte ja doch.

Das Einweisungsrecht sollte keine Verkaufsbeschränkung sein, aber es wurde auch nicht verzichtet. Es war weder Fisch noch Fleisch. Das ist sozusagen ein Dahinwursch­teln, das letztlich nur dazu dient, dass der Investor oder das Konsortium des Investors den maximalen Ertrag hat, während auf der anderen Seite – leider hat das der Rech­nungshof auch feststellen müssen – die Republik zu wenig Erlös erzielt hat. Es ist nämlich schon ein Unterschied, ob ich eine Wohnung frei verkaufen kann, wenn sie frei wird, oder ob ich wieder nur die Mieteinnahmen habe unter dem Gesichtspunkt des WGG, weil dann wieder ein Beamter einzieht.

Da hat zumindest das Kabinett vom Herrn Minister Molterer doch sehr doppeldeutig geantwortet, und alleine das soll einmal klargelegt werden: die Auffassungsunterschie­de zwischen dem Rechnungshof und Ihrem Ressort. Das muss auch aufgearbeitet werden, denn da geht es ja um keinen Pappenstiel; da geht es um 200 Millionen.

Sie sind jetzt der Sparmeister der Nation. Der Herr Kollege Molterer war der Spare­froh der Nation in der vergangenen Zeit. Ich verstehe nicht, warum diese Sparkoali­tion so großzügig ist, wenn es gegenüber privaten Investoren ums Geschäftemachen geht – das verstehe ich nicht! –, noch dazu, wo es ein relativ breites Nutznießerfeld gibt. Es gibt auf der einen Seite den Nutznießer Immofinanz, und es gibt auf der ande­ren Seite den Nutznießer dieses Oberösterreich-Konsortiums: die WAG, eine florie­rende Wohnbaugesellschaft, die auch relativ viel Eigenkapital hatte, die relativ gute Er­gebnisse erwirtschaftet hat. Dort regiert heute Scharinger, dort regiert heute die Ober­österreichische Versicherung, dort regiert heute die Oberösterreichische Landes-Hypo­thekenanstalt. Das ist der schwarze Teil des Geschäfts.

Das ist, bitte, beschlossen worden, so wurde es auch mehr oder weniger exekutiert, aber für uns ist der springende Punkt: Wieso können Sie als Finanzminister dem ehe­maligen Finanzminister Grasser heute hier im Parlament so sehr die Stange halten, dass Sie uns Detailauskünfte verweigern und uns damit eigentlich immer wieder die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses liefern, uns dies geradezu auf dem Silbertablett servieren?

Herr Minister Pröll, schade, dass Sie die ausgestreckte Hand des Kollegen Kogler auch in Richtung ÖVP-Fraktion, Schluss zu machen mit der Ära Schüssel-Grasser, Schluss zu machen mit einem System (Abg. Kopf: Wovon reden Sie?), das häufig – ich sage extra: häufig – zugunsten Privater entschied, nicht ergriffen haben. (Abg. Gahr: Von was reden Sie? 53 parlamentarische Anfragen! Lesen Sie doch!) Dieses Schlussma­chen haben Sie heute nicht ermöglicht. Sie haben – im Gegenteil! – die Diskussion neu eröffnet.

Es muss Klarheit, Aufklärung und Transparenz geschaffen werden, nicht nur von den Gerichten, sondern auch im politischen Bereich. Es geht schließlich um die politische Moral. (Abg. Kopf: Wann haben Sie die Rede geschrieben?)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 135

Herr Kollege Kopf! Ich kann Ihnen versichern, ich habe kein einziges Wort niederge­schrieben. Ich habe nur die Antworten des Herrn Ministers notiert. Das war es! (Ironi­sche Heiterkeit des Abg. Kopf.)

Ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal gewesen ist, dass wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen. (Abg. Kopf: Letzte Chance!) Herr Minister Pröll! Sie haben eine Chance, Sie können die Zeit nützen, um sozusagen nachzulernen, nachzulesen, was wirklich Sache war, denn der Untersuchungsausschuss muss und wird kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ich mache mir wirklich Sorgen!)

15.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten. – Bitte.

 


15.42.37

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Noch einmal: Warum haben wir vorläufig auf einen Untersuchungsausschuss verzichtet? (Abg. Grosz: Das weiß keiner!) – Das war eine gut überlegte und richtige Entscheidung! Warum? Der ehemali­ge FPÖ- und ÖVP-Minister Grasser ist ja inzwischen Beschuldigter. (Abg. Grosz: Ein Umfaller!) Das war ja schon vergangene Woche vorhersehbar.

Jede einzelne Frage in einem Untersuchungsausschuss an Grasser würde dieser na­türlich mit einem Hinweis auf ein laufendes Verfahren vom Tisch wischen, er würde uns wahrscheinlich dann noch mit irgendwelchen Aussagen von Transparenz und Pro­fessionalität beglücken. Sehen Sie, so war das!, würde er sagen. – Das kann es ja nicht sein.

Dass dieser Untersuchungsausschuss kommen wird, ist für mich recht klar, aber zum derzeitigen Zeitpunkt ist er einfach sinnlos und kontraproduktiv. Mit ein bisschen politi­scher Fairness von den Grünen müsste man das ja auch nachvollziehen und sich das eingestehen. Ich glaube auch, wir sollten uns darauf verständigen, dass Anträge vor­läufig sinnlos sind.

Frau Kollegin Moser, was tun Sie in einem Untersuchungsausschuss, in dem die wich­tigsten Personen wie Grasser, wie Meischberger zu Ihnen sagen – zu Recht sagen –: Das ist ein laufendes Verfahren, ich gebe keine Auskunft!? (Abg. Brosz: Was ist
mit den Leuten aus dem Ministerium? – Abg. Dr. Moser: Wir können anfangen, vorzu­laden!)

In Wirklichkeit geht es um Amtsmissbrauch, Geheimnisverrat, illegale Absprachen und überhaupt die Essenz des Systems Grasser. Da fällt einem ja die ganze Palette ein: die Homepage von der Industriellenvereinigung, die Road-Show mit Hochegger, die Hypo-Alpe Adria. Wer sich gestern die Sendung „Report“ angeschaut hat, konnte fest­stellen: Das ist ja alles kaum zu fassen. Das geht bis hin zu Meinl European Land, Ver­schleuderung von Staatsvermögen, ÖIAG.

Frau Kollegin Moser, ich bin davon überzeugt, wenn die Straf- und die Finanzstrafver­fahren im Zusammenhang mit der BUWOG abgeschlossen sind, dann ist natürlich hier die politische Verantwortung zu untersuchen. Es geht um die Hygiene in der Republik Österreich und vor allem auch um Prävention, denn dieses System gehört restlos aus­gemerzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der BUWOG-Deal hat von Anfang an üblen Geruch verbreitet. Es war ja von Anbeginn die Frage: Warum verschleudert der Bund besonders werthaltiges Vermögen, nämlich Wohnungen? Warum in Bausch und Bogen? Warum nicht bessere Erlöse durch Teil-


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verkäufe? Warum marschiert gleich eine zweistellige Millionensumme in die USA an eine Firma, die eine Expertise – das muss man sich einmal vorstellen! – für den öster­reichischen Wohnungsmarkt machen soll?!

Genau diese Fragen haben wir im Jahr 2003 im Ständigen Unterausschuss des Rech­nungshofausschusses, vulgo „kleiner Untersuchungsausschuss“, gestellt. Wir waren natürlich punktgenau dort, worum es jetzt geht. Die SPÖ hat gefragt: Welche Bera­tungsunternehmen, welche Einzelpersonen sind zu welchen Kosten beauftragt worden, welche Aufträge gab es? – Das ist damals allerdings leider von FPÖ und ÖVP abge­schmettert worden. (Abg. Brosz: Deswegen brauchen wir jetzt einen Untersuchungs­ausschuss!)

Klubobmann war damals übrigens Wilhelm Molterer. Das ist auch keine besondere Empfehlung, ehrlich gesagt. Wir hätten nämlich damals die Malversationen im Keim er­sticken können (Abg. Kopf: Vorsicht!), wenn wir diese Fragen alle beantwortet bekom­men hätten, zum Beispiel: Wozu die Kosten von 10,3 Millionen für Lehman Brothers? Oder: Warum – so war es formuliert – wird nicht in Tranchen, sondern in der Gesamt­heit verkauft?

Herr Finanzminister Pröll, das ist ja immer wieder wichtig: Warum sind die Beamten des Ministeriums, die Vertragsbediensteten mit juristischer und betriebswirtschaftlicher Ausbildung nicht eingesetzt worden? Warum hat man nicht das Know-how von ressort­internen Experten genützt? (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Ich denke, dass man nicht bei allen Dingen auf ressortfremde Bereiche zurückgreifen muss.

Herr Vizekanzler, was mir bei Ihrer Antwort nicht gefallen hat, war, dass Sie gesagt ha­ben, die 200 Millionen €, dieser Schaden, der verursacht wurde, sei nicht so groß, weil im Nachhinein auf die Zuweisungsrechte bei den Wohnungen verzichtet wurde. Herr Vizekanzler! Sie haben einfach gesagt, die Finanzprokuratur hat dem, was der Rech­nungshof sagt, klar widersprochen. Das ist, so glaube ich, nicht ausreichend. Das ist ja nicht in der Sache argumentiert.

Außerdem haben Sie ganz anders argumentiert als Ihr Vorgänger. Sie haben es mit Vertragsgegebenheiten dargestellt, warum auf 200 Millionen € verzichtet worden ist. Der Herr Wilhelm Molterer als Ihr Vorgänger und Nachfolger von Grasser hat das in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung ganz anders dargestellt. (Abg. Kopf: Er hat Fragen mit Fakten beantwortet!) Er hat nämlich gesagt, aufgrund des reichhaltigen Angebotes auf dem Wohnungsmarkt brauchen wir nicht nachträglich diese Zuwei­sungsrechte. Also bei einer solchen Argumentation fehlen einem schon die Worte, wenn es um 200 Millionen € Steuergeld geht!

Apropos Steuergeld: Die ganze Nummer bezüglich Herrn Plech, die der FPÖ-Grande Böhmdorfer als vertretbar bezeichnet hat, als damals das Handelsgericht in den City Tower übersiedelt ist, diese 607 476 €, ist fragwürdig. Das ist wirklich eine Frage; da braucht die FPÖ in Zukunft in keiner Weise irgendwelche Diskussionen über Moral und Anstand zu führen.

Insgesamt ist zu sagen: Das System Schüssel-Grasser gehört wirklich durchleuchtet, in allen Details. Der Herr Schüssel ist gerade – habe ich in einer Zeitung gelesen – auf der Suche nach Erleuchtung, ich glaube, irgendwo in Tibet. (Zwischenruf des Abg. Wö­ginger.) Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass er der Irrlehre abschwört. Er hat ja ein Buch herausgegeben und dort die Segnungen von Schwarz-Blau dargestellt.

Abschließend: Wir müssen durchleuchten, Erleuchtung ist wichtig. Ich glaube, dass von der Regierung her viel mehr Respekt auch vor dem Steuerzahler, vor der steuer­zahlenden Bevölkerung aufgebracht wird. (Abg. Kopf: Das von der SPÖ: „Respekt vor dem Steuerzahler“!)


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Wir hier im Parlament haben die Aufgabe, Maßnahmen zu setzen, dass so ein System Schüssel-Grasser nie wieder möglich ist! – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Wird dieses Schüssel-Buch auch in Tibet verteilt?)

15.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Kopf: Ein Zu­rück zur Sachlichkeit!)

 


15.48.44

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war schon in die­sem Haus, als meine Partei noch in Opposition war. Damals waren Dringliche Anfra­gen parlamentarische Höhepunkte. Da war knisternde Spannung. Da war es mucks­mäuschenstill. Da war volle Präsenz im Plenum.

Meine Damen und Herren, was ist daraus geworden? – Ich bedauere wirklich, dass die grüne Fraktion dieses scharfe Kontrollinstrument der Opposition gegenüber der Regie­rung so abgewertet hat, indem sie ständig die gleichen Fragen stellt, ständig die glei­chen Vorwürfe macht. Vor sechs Tagen haben wir das Gleiche hier diskutiert mit den gleichen Vorwürfen. Sie werten das Parlament ab und Sie werten die Politik ab. Ich bedauere das! Ich bedauere das als Mitglied einer Regierungsfraktion. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Kogler, ich spreche Sie besonders an, denn Sie wissen – ich habe das schon mehrmals von hier aus gesagt –: Ich schätze Sie als überaus konstruktiven Ge­sprächspartner im Finanzausschuss. Lassen Sie sich aber von Ihrer Fraktion hier nicht missbrauchen! (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Was hier geschieht, ist, dass wir einer Meinung sind: lückenlose Aufklärung! Da sind wir einer Meinung.

Herr Kollege Kogler, wo wir uns jedoch unterscheiden, ist: Wir haben Vertrauen in den Rechtsstaat, wir sagen: Staatsanwalt, Richter, Gerichte (ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger) sollen zuerst arbeiten!, aber Sie wollen haben, dass die Öllingers, die Pilzens oder die Koglers selbst Richter spielen. Das wollen wir nicht! (Beifall bei der ÖVP.) Lückenlose Aufklärung, aber keine Vorverurteilung, keine Medienjustiz und kei­ne Abgeordneten als Richter. Das wollen wir nicht!

Meine Damen und Herren, was den Untersuchungsausschuss betrifft (Abg. Mag. Kog­ler: Politische Verantwortung ist bei Ihnen ...!) – vor sechs Tagen haben wir ja hier das Gleiche diskutiert; ich muss mich leider auch wiederholen –: Es gibt einen großen Un­terschied zwischen dem Gericht und einem Untersuchungsausschuss. Das Gericht dient der Wahrheitsfindung. Untersuchung im U-Ausschuss ist quasi immer Polittribu­nal. Herr Kollege Kogler, wir haben zusammen 41 Tage im Banken-Untersuchungsaus­schuss erlebt, und ich kann dazu nur sagen: 41 verlorene Tage! (Abg. Mag. Kogler: FMA-Reform!)

Im gleichen Zeitraum habe ich lediglich eineinhalb Tage Zeit für den Finanzausschuss gehabt, und das als Obmann des Finanzausschusses! Aber: Meiner Überzeugung nach ist Politik primär Zukunftsgestaltung – und nicht ständige Vergangenheitsbewäl­tigung. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher noch einmal: Lückenlose Aufklärung, aber dort, wo sie hingehört, nämlich zur Justiz, vor den Richter, vor den Staatsanwalt – und dann können wir immer noch die Frage der politischen Verantwortung stellen. (Abg. Mag. Kogler: Die Wahrheit wird sie befreien!) Aber auch das ist für mich völlig klar: Wenn im Einflussbereich des Finanz­ministeriums etwas nicht korrekt war, wer hat denn da die politische Verantwortung? –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 138

Der Finanzminister; das ist doch gar keine Frage! Da brauche ich nicht lange etwas zu untersuchen; das ist doch alles völlig klar. (Abg. Mag. Kogler: Wie wollen Sie das fest­stellen?)

Herr Kollege Kogler, wenn Sie hier unter dem Aspekt der Dringlichkeit alle paar Tage das Gleiche vorbringen, dann hat das mit dringlich überhaupt nichts zu tun, sondern dient offensichtlich nur Ihrer politischen Selbstbefriedigung. (Beifall bei der ÖVP.) Das muss ich leider als einer sagen, der das Parlament hoch schätzt, der schon seit vielen Jahren hier ist und der den Niedergang dieses an sich scharfen Kontrollinstrumentes der Opposition gegenüber der Regierung bedauert. Das bedauere ich wirklich.

Herr Kollege Kogler hat gemeint, dass mehr privat, weniger Staat zu Lasten des Steuerzahlers gegangen sei. (Abg. Mag. Kogler: Im System Grasser!) – Herr Kollege Kogler, Sie kennen die Daten und Fakten. Wer hätte denn die 6,3 Milliarden € Schul­den der ÖIAG zurückgezahlt, wenn nicht Privatisierungserlöse gewesen wären? Der Steuerzahler hätte das zurückzahlen müssen! – Sie von den Grünen wollten den Steu­erzahler belasten, aber es war ein Glücksfall für den Steuerzahler, dass diese Privati­sierungserlöse der Ära Grasser hereingekommen sind. Damit wurde nicht der Steuer­zahler zur Kasse gebeten, sondern es waren Privatisierungserlöse, mit denen die Schulden zurückgezahlt werden konnten. Und heute ist die ÖIAG schuldenfrei – also eine Erfolgsstory, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen ganz offen, eines können Sie nicht machen, Herr Kollege Kogler, wenn Sie weiterhin als konstruktiver Gesprächspartner bezeichnet werden möchten: Sie kön­nen nicht sagen, bei der Grasser’schen Homepage war es ein privater Sponsor, und das ist schlecht – und bei den KMU-Vorträgen war es der Steuerzahler, und das ist auch schlecht! (Abg. Öllinger: Billiger!) – Ja was soll denn ein Minister machen? Er kann es nur auf Kosten des Ressorts machen, dann betrifft es den Steuerzahler – oder er hat eben einen privaten Sponsor.

Hätte die Homepage der Steuerzahler finanzieren sollen? Hätten Sie auch da den Steuerzahler zur Kasse gebeten haben wollen?

Wir von der ÖVP sind der Anwalt des Steuerzahlers, daher: Mir ist ein privater Sponsor lieber, als ständig den Steuerzahler zur Kassa zu bitten. Nehmen Sie das zur Kenntnis, Herr Kollege Kogler! Ich hoffe sehr, dass wir trotz dieser Divergenz darin überein­stimmen: lückenlose Aufklärung, aber kein Polittribunal. (Beifall bei der ÖVP.)

15.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kö­nigshofer. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 7 Minuten. – Bitte.

 


15.53.20

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ich möchte gleich in medias res gehen und sogleich des Pudels Kern ansprechen. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wer ist da der Pudel?) – Wer der Pudel ist, das stellt sich bald heraus, Herr Minister.

Ich möchte jetzt aus einer Anfrage der Grünen vom 22. Jänner 2008 zitieren, in der es heißt:

„Durch die Beratungen des Rechnungshofausschusses wurde deutlich, dass die Repu­blik Österreich aus bisher nicht geklärten Gründen auf das Einweisungsrecht verzichte­te. Die Feststellung ..., dies sei bereits mit dem Verkaufsvertrag von Juni 2004 erfolgt, widerspricht der aktenmäßigen Tatsache, dass die Republik Österreich monatelang auf Basis der vertraglich verankerten Beilage 14.1.2a sehr wohl auf dem Einweisungsrecht für 30 Jahre beharrte und aus unerfindlichen Gründen im Februar 2005 darauf verzich­tete.“ – Zitatende.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 139

Mittlerweile kommt man aber schön langsam auf diese unerfindlichen Gründe drauf, warum die Republik Österreich damals darauf verzichtet hat.

Gehen wir einmal auf die Auswirkungen dieses Verzichts ein! Bisher wurde davon ge­sprochen, dass dieser Verzicht 200 Millionen € wert gewesen sei. – Wenn man sich aber jetzt die Bilanzen der Immofinanz ansieht – ich habe das auch schon in Presseor­ganen gelesen und nachvollzogen –, merkt man, dass die Immofinanz die BUWOG-Wohnungen mit 288 Millionen € in die Bilanz 2004 hineingenommen hat. Nach der Auf­gabe des Einweisungsrechts im Jahr 2005 waren diese BUWOG-Wohnungen in der Bi­lanz der Immofinanz plötzlich mit zirka 1,9 Milliarden € bewertet; also eine Wertsteige­rung von 1,3 Milliarden €.

Meine Damen und Herren, das ist eine Größenordnung, die fast unvorstellbar ist, und ich sage Ihnen auch: Gewisse Wiener Immobilienmakler, die rechnen können, haben sich das auch ausgerechnet und sagen: Dafür 5 Prozent! Wenn Sie 5 Prozent davon in Rechnung stellen, dann sind zu den 10 Millionen € an „Provisionen“, die jetzt schon aufgrund von Selbstanzeigen bekannt geworden sind, noch weitere 40 bis 50 Millio­nen € ausfindig zu machen. Da wird zu untersuchen sein, wohin dieses Geld geflos­sen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, beleuchten wir doch einmal auch die Hauptakteure in die­sem Deal: Auf der Verkäuferseite war das ganz bestimmt der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser; bei der Vermittlerseite, nach bisherigen Angaben, und weil er so wichtig war und so viel dafür kassiert hat, Ing. Walter Meischberger aus Kematen bei Innsbruck ... (Abg. Rädler: Alle von der FPÖ!) – Ich sage Ihnen das gleich, Herr Kolle­ge. (Abg. Mag. Stefan: 1999 ausgeschlossen!) Deshalb sage ich es Ihnen ja – und jetzt hören Sie mir zu!

Auf der anderen Seite war das der Herr Petrikovics von der Immofinanz und Constantia Privatbank.

Und jetzt gehen wir einmal zu Herrn Karl-Heinz Grasser! Ich kann mich daran erinnern, dass nach Knittelfeld drei Herrschaften im Fernsehen aufgetreten sind: der Herr Karl-Heinz Grasser, eine gewisse Susanne Riess-Passer und ein gewisser Herr Ing. Peter Westenthaler, die gesagt haben: „Wir nehmen den Hut und sagen adieu!“ (Ruf bei der FPÖ: Die haben gewusst warum!) Ja, die sind gegangen, aber der Herr Karl-Heinz Grasser ist danach wieder aufgetaucht, und zwar auf einem Listenplatz der ÖVP und hat sich auf der ÖVP-Liste in den Nationalrat hineinwählen lassen. (Staatssekretär Dr. Lopatka: Falsch!) – Das ist falsch? Sie können das ja nachher berichtigen. (Staats­sekretär Dr. Lopatka: Das ist falsch! Grasser war nie auf einer Liste der ÖVP!) – Der Herr Staatssekretär sagt, Grasser war nie auf einer Liste der ÖVP; gut. Aber dann schauen wir weiter! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Es kam zu einer Regierungsbildung, und da wurde Herr Minister Grasser als ÖVP-Fi­nanzminister angelobt. (Abg. Grosz: Er ist zwar ein Schwarzer, aber nie auf einer Lis­te!) Das ist aktenkundig; das können Sie nachschauen. Grasser war kein freiheitlicher Finanzminister mehr, sondern ein ÖVP-Finanzminister. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Kindesweglegung!)

Schauen wir uns weiters den Herrn Ing. Walter Meischberger an! Der Herr Walter Meischberger war FPÖ-Bezirksparteiobmann von Innsbruck-Land, einem der größten Bezirke in Tirol, und ich konnte es 1997 verhindern, dass Meischberger weiterhin dort Bezirksparteiobmann ist. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Meischberger hatte bei uns keine Funktion mehr; das wissen Sie auch. (Abg. Grosz: Ist das der, der beim Vierziger vom Strache war? Bussi! Ist das der? – Heiterkeit bei der ÖVP, da Abg. Grosz seine Lippen zu einem Kuss schürzt.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 140

Herr Kollege Grosz, seien Sie froh, wenn Sie zu Ihrem 40. Geburtstag umarmt werden, denn dann können Sie sich glücklich schätzen. Sie können aber dazu gerne Stellung nehmen. – Ich sage Ihnen: Herr Walter Meischberger ist im Frühjahr 1999 aus der Frei­heitlichen Partei ausgeschlossen worden. Meischberger ist schon mehr als zehn Jah­re lang kein Mitglied der Freiheitlichen Partei mehr. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Grosz: Kein Mitglied – aber er geht zu einer Geburtstagsfeier!? Der Chefberater vom Herrn Strache!)

Jetzt schauen wir uns an, wie die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Sache weiter ar­beitet, ob sie so schnell arbeitet wie bei der Frau Kollegin Dr. Susanne Winter in Graz, wo sofort Ermittlungen aufgenommen wurden, wo Verurteilungen erfolgt sind, vom Landesgericht und vom Oberlandesgericht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gahr und Rädler.) – Ich glaube nicht.

Ich darf jetzt aus der heutigen Ausgabe von „ÖSTERREICH“ zitieren, wie gemütlich die Staatsanwaltschaft in Wien die Sache angeht. Da sagt deren Sprecher Gerhard Ja­rosch – er äußert sich in Bezug auf die Staatsanwaltschaft Wien –:

„Wir prüfen das natürlich und haben einen Strafakt angelegt. Direkte Ermittlungen ge­gen Grasser selbst haben wir aber noch nicht eingeleitet.“

Da frage ich mich schon, wieso das so schnell bei Frau Dr. Winter gegangen ist.

Jarosch weiter: „Und da müssen wir abwarten, was sich aus den Einvernahmen etwa bei den Meischberger-Ermittlungen ergibt.“

Wissen Sie, was dazu Herr Andreas Unterberger in der „Wiener Zeitung“ geschrieben hat – ich zitiere –:

„Die Staatsanwälte im Raum Wien sind zur Gefahr für den Rechtsstaat geworden ...“

Wenn die Staatsanwälte im Bereich Wien diese Aussage widerlegen wollen, dann müssen sie in Richtung dieser Herrschaften tätig werden, und zwar schnell. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Strutz zu Wort. 10 Minuten. – Bitte.

 


16.00.27

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Was müssen wir aus den Debattenbeiträgen zur Kenntnis nehmen? – Karl-Heinz Grasser war kein Freiheitlicher, war nicht bei der ÖVP. (Abg. Rädler: BZÖ!) Meisch­berger war auch nie bei der FPÖ, hat eigentlich mit keiner Partei zu tun. (Rufe: Er ist ausgeschlossen worden!)

Der Vizekanzler kommt wie die Jungfrau zum Kind, weiß von nichts, hört nichts. Ein bisschen kommt mir die Darstellung so vor wie die drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und auch nichts sagen wollen. Trotzdem stehen alle hier heraußen und sagen ... (Abg. Rädler: Das sollten Sie einmal ...!) Dort, wo wir zur Aufklärung beitragen können (Abg. Rädler: Na da nicht!), werden wir auch unseren Beitrag leisten.

Ich sage Ihnen eines: Zu hinterfragen ist vor allem die Rolle der SPÖ! – Herr Kräuter, Sie versteht im Moment überhaupt niemand mehr. Vor drei Wochen verlangen Sie in „News“ einen Untersuchungsausschuss. Lückenlose Aufklärung, so die SPÖ! Wir ver­langen einen Untersuchungsausschuss.

Eine Woche vergeht, Sie werden von der ÖVP wieder einmal am Nasenring herbeige­zogen. (Beifall bei Abgeordneten des BZÖ.) Sie gehen hier heraus zum Rednerpult und erklären wortreich, warum die SPÖ doch keinen Untersuchungsausschuss gegen


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Herrn Grasser braucht. Vielleicht haben Sie ein bisschen mit der SPÖ-Villach telefo­niert, mit Herrn Manzenreiter, haben über ESG-Wohnungen und Ähnliches gespro­chen; wie man hört, wurde auch in diesem Fall bei der Kaufabwicklung steuerschonend agiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Heute sagen Sie tatsächlich allen Ernstes: Vorläufig verzichten wir auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Und im gleichen Satz sagen Sie: Aber dass er kommt, ist für uns vollkommen klar. – Also da versteht ja niemand mehr die Haltung der SPÖ. (Abg. Bucher: Die hat man noch nie verstanden!)

Was wollen Sie jetzt? Wollen Sie einen Untersuchungsausschuss? Ja? – Dann stim­men Sie dem Antrag der Opposition zu! Oder wollen Sie keinen? Wollen Sie zude­cken? Sind Sie in Geiselhaft der ÖVP, weil es in irgendeinem Koalitionsvertrag nieder­geschrieben ist, dass man sich nicht gegenseitig überstimmen darf? – Dann sagen Sie das hier auch!

Aber vielleicht geht es doch um etwas mehr. Vielleicht ist die BUWOG nur die Spitze eines Eisberges. Die Causa Grasser, die Causa BUWOG ist zum einen ein Kriminal­fall – wie es heute auch in den Schlagzeilen heißt –, bei dem es natürlich um ein Fi­nanzstrafverfahren, um strafrechtlich relevante Vorwürfe geht. Hier – da bin ich bei Ih­nen, Herr Vizekanzler – ist die Justiz am Zug, die diese Fragen zu klären, zu verfolgen hat, die hier möglichst rasch Klarheit zu schaffen hat.

Was man der Justiz vorwerfen muss, ist, dass hier wieder einmal mit zweierlei Maß ge­messen wird. Jeder kleine Hühnerdieb wird sofort von der Justiz verfolgt. Wir haben jetzt ein Beispiel gehabt, das zeigt, wie unmittelbar nach Bekanntwerden von Fakten direkt aus dem Untersuchungsausschuss ein Auftrag für Ermittlungen erteilt und gegen Personen vorgegangen wird.

Wie ist in dieser Causa in den letzten Wochen agiert worden? In jedem anderen euro­päischen Staat – mit Ausnahme von Italien vielleicht – werden Personen, denen derar­tige finanzrechtliche Vergehen nachgewiesen wurden, wenn es Selbstanzeigen und strafrechtlich relevante Anzeigen gibt, sofort in Untersuchungshaft genommen. Wie ist das bei uns? – Da wird eine Hausdurchsuchung angekündigt, 14 Tage bevor die Haus­durchsuchung bei Herrn Meischberger stattgefunden hat, der im Übrigen dann im Fern­sehen erklärt hat: Wir haben ja damit gerechnet, dass diese Hausdurchsuchung statt­findet. (Abg. Bucher: Ist ja angekündigt worden!) – Was wird man dort gefunden ha­ben, meine Damen und Herren?

Bei anderen Personen wird zuerst einmal höflich das Justizministerium gefragt, ob man gegen sie überhaupt vorgehen darf. Also hier wird eindeutig mit zweierlei Maß gemes­sen.

Für uns ist relevant, die Frage zu klären, ob das Vorgehen in der Causa BUWOG ein Einzelfall ist oder ob das System gehabt hat. Man soll sich ansehen, wie viele Privati­sierungen, wie viele Förderungen – Herr Finanzminister, hier könnten Sie einiges zur Aufklärung beitragen – von Finanzminister Grasser, von Seilschaften abgewickelt wor­den sind und wo tatsächlich die Profiteure dieses Systems sitzen. Wenn das bei der BUWOG der Fall gewesen ist, stelle ich die Frage, was bei der Telekom oder bei ande­ren Förderungsfällen geschehen ist. (Abg. Prähauser: Eurofighter!)

Ich bringe nur eine Kleinigkeit, die mir in den letzten Jahren aufgefallen ist, bei der mir einige Dinge bekannt sind, im Zusammenhang mit dem AWS – der staatlichen Förder­bank, Austria Wirtschaftsservice – im unmittelbaren Einflussbereich des Finanzminis­ters. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wirtschaftsminister, oder?) – Wirtschaftsminister.

Warum sind dort renommierte Aufsichtsräte zurückgetreten, von renommierten Fir­men? Herr Harald Kogler beispielsweise von der Funder Industrie, der gesagt hat, was dort passiere, stinke zum Himmel? Ich kann Ihnen sagen, warum. Dort sind aus gutem


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Grund honorige Personen, die von der Regierung eingesetzt worden sind, um Förde­rungsfälle abzuwickeln, zurückgetreten, weil sie die politische Einflussnahme durch den Finanzminister und den Wirtschaftsminister nicht mehr ausgehalten haben. Hier waren Profiteure am Werk, die in dieser Causa auch wieder aufscheinen.

Deshalb sage ich noch einmal: Wir sind für eine lückenlose Aufklärung dieser Sachver­halte. Herr Finanzminister, Sie können nicht einfach sagen: Ich war in einer anderen Funktion, ich habe von all dem nichts gewusst!, denn Sie sind verpflichtet, Ihre Beam­ten aufzufordern, der Staatsanwaltschaft, der Justiz konstruktiv zur Seite zu stehen.

Sie können hier im Hohen Haus alle Fragen abschmettern, ich kann Ihnen aber ver­sprechen, dass die Oppositionsparteien – welcher Couleur auch immer – nicht locker­lassen werden, weil es um das Vertrauen in die Institutionen des Staates, in diese Re­gierung, in die Kontrollmechanismen dieses Parlaments geht, um eine lückenlose Auf­klärung und darum, dass ein System, wie es sicherlich unter der Verantwortung von Karl-Heinz Grasser in Österreich Platz gegriffen hat, zukünftig verhindert wird. (Beifall beim BZÖ.)

16.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.08.05

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Noch nie hat hier im Parlament ein Minister so wenig gesagt und so viele Aufschlüsse geliefert. Sie haben heute den besten Nachweis dafür erbracht, dass wir einen Unter­suchungsausschuss brauchen, weil Sie die einfachsten Fragen, die sich in Ihrem Mi­nisterium stellen, nicht beantworten können. (Abg. Kopf: Starkes Argument!)

Die ganz banale Frage, ob Insiderwissen an Freunde und Lobbyisten Grassers gegan­gen ist – an Hochegger und Meischberger –, beantworten Sie damit, Sie seien noch nicht Minister gewesen, Sie wüssten es nicht. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Entschuldi­gung, aber war ich es oder war ich es nicht?) Ein ganz klarer Fall – Sie waren es nicht –, wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, damit wir uns diese Angelegen­heit mit den Beamten Ihres Ministeriums näher anschauen können.

Die nächste Frage: Wurden die BUWOG-Wohnungen zu billig verkauft? – Sie liefern uns die banale Feststellung, das sei eine Ex-post-Betrachtung. Uns interessiert et-
was anderes. Uns interessiert, wer die politische Verantwortung dafür zu übernehmen hat. Das ist eine typische Aufgabe für einen Untersuchungsausschuss. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir wissen, genügt uns. Am 11. September ist von Herrn Hochegger im „Wirt­schaftsBlatt“ Bemerkenswertes zu lesen. Er hat gesagt:

„Herr Petrikovics, den ich seit 1993 kenne, hat mich ersucht, ihm eine“ – eine! – „Infor­mation bezüglich des Buwog-Verkaufs zu beschaffen. Ich habe ihm diese“ – diese! – „Information beschafft. Nachdem die Immofinanz als Höchstbieter den Zuschlag erhal­ten hat und ich der Meinung war, dass meine“ – meine! – „Information dafür mitgehol­fen hat, habe ich bei der Immofinanz angeklopft, um eine Erfolgsprämie zu bekom­men.“

Jetzt frage ich Sie: Welche eine Information ist in diesem Land 10 Millionen € wert? (Abg. Kopf: Das ist die große Frage!) – Das ist die große Frage, die sich ein Untersu­chungsausschuss zu stellen hat. Das stinkt, meine Damen und Herren, und da werden wir nicht wegschauen, und da kann das Parlament nicht wegschauen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Königshofer.)


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Was Herr Hochegger als das „Beschaffen von Informationen“ beschreibt, würden man­che hier Freunderlwirtschaft nennen – ich sage dazu Korruption, das ist eindeutig, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt kommt die ÖVP ins Spiel, und dazu einige Gesetzmäßigkeiten, wie die ÖVP zu Untersuchungsausschüssen steht.

Gesetzmäßigkeit Nummer 1: Die ÖVP ist immer dann für einen Untersuchungsaus­schuss, wenn Politiker anderer Parteien im Mittelpunkt stehen. Historische Beispiele gibt es genug: „Lucona“, „Noricum“ und der jüngste „Spitzel“-Untersuchungsausschuss. Sie haben sich in dessen Vorfeld nicht träumen lassen, dass wir auch Ihre Minister vor­laden werden, weil Spuren dorthin führen. Wenn jedoch Ihre Politiker im Mittelpunkt stehen, dann heißt es Untersuchungsverweigerung. – Das ist Gesetzmäßigkeit Num­mer 1.

Gesetzmäßigkeit Nummer 2 bedauere ich, nämlich die Gesetzmäßigkeit: Die SPÖ ist immer dann gegen einen Untersuchungsausschuss, wenn auch die ÖVP dagegen ist. Das ist eine neue Gesetzmäßigkeit, bisher war das nämlich anders, weil die SPÖ in den letzten Jahren immer wieder mitgeholfen hat, das Parlament zu beleben und Un­tersuchungsausschüsse zu ermöglichen.

Ich verstehe Sie nicht, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, auf Ihrer Homepage liest man Erklärungen wie: Kräuter fordert eine lückenlose und schonungslose Aufklä­rung des Systems Grasser–Schüssel. Es wurde ein enormer finanzieller, moralischer und gesellschaftspolitischer Schaden verursacht. Die Politik müsse dafür sorgen, dass eine Wiederholung derartiger Machenschaften in Zukunft unmöglich ist. – Recht haben Sie! Ich frage Sie nur: Wie, wenn nicht mit einem Untersuchungsausschuss, und wann? In fünf Jahren, wenn allfällige Strafverfahren abgeschlossen sind, ist es mit Si­cherheit zu spät.

Damit kommen wir zu Gesetzmäßigkeit Nummer 3 bei der ÖVP: Die ÖVP sagt immer dann, wenn sie keinen Untersuchungsausschuss will: Dafür ist jetzt die Justiz zustän­dig; die Justiz ist am Zug!

Schauen wir uns die Zweideutigkeit der ÖVP-Aussagen an! Ich erinnere an den Ju­li 2009, E-Mails Öllinger. Ich kann mich noch daran erinnern, dass Klubobmann Kopf eifernd – fast wäre ich geneigt zu sagen, geifernd – hier auf und ab gelaufen ist und versucht hat, einen Untersuchungsausschuss vor allem zu dieser Causa mit den ande­ren Parteien auszuverhandeln. – Es sei so! Gleichzeitig aber hat im Kabinett der Innen­ministerin der ÖVP ein Kabinettsmitglied schon einen Ermittlungsauftrag gegeben, da­mit Polizei und Justiz gegen Öllinger ermitteln. Also keine Spur von wegen, die Justiz sei am Zug! Wenn es um den politischen Gegner geht, dann wird die volle Batterie auf­gezogen: Untersuchungsausschuss, Staatsanwaltschaft, Polizei.

Meine Damen und Herren, wir haben damit kein Problem, Kollege Öllinger sieht das im Übrigen positiv, das ist nämlich die einzige Chance, damit er sich gegen die Verleum­dungen von ÖVP und FPÖ zur Wehr setzen kann (Zwischenruf des Abg. Neubauer), aber Tatsache ist: Sie messen mit zweierlei Maß! (Beifall bei den Grünen.) Wenn der politische Gegner im Mittelpunkt steht, sind Ihnen alle Mittel recht. Wenn es um Ihre Personen, um Ihre Leichen im Keller geht, dann wird zugedeckt und eine Untersuchung verhindert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 5 Minuten. – Bitte.

 


16.13.43

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege von den Grünen, wir So-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 144

zialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind für eine parlamentarische Aufarbeitung dieses Themas, aber wann wir uns dazu entscheiden, wann die Zeit dafür die richtige ist, das lassen Sie unsere Sache sein! Wir sind der Meinung, dass, da jetzt die Justiz arbeitet, die politische Aufarbeitung später vielleicht parallel dazu oder im Anschluss daran stattfinden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, welcher Finanzminister flog lieber nach Ha­waii statt zum Ecofin? Welcher Finanzminister ließ sich steuerschonend seine Homepage finanzieren? Welcher Finanzminister ließ sich von einer US-Modemarke einkleiden? (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ich war es nicht! – Heiterkeit.) Welcher Fi­nanzminister ließ ein Inserat in der „Financial Times“ schalten? – Dass Sie das nicht waren, Herr Vizekanzler, das ist natürlich allen klar; Sie sind ja wirklich ein braver, or­dentlicher, sparsamer und fleißiger Finanzminister. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wow! – Staatssekretär Dr. Lopatka: Das müssen wir pla­katieren!)

Welcher Finanzminister hielt Road-Shows ab und ließ Berater von den SteuerzahlerIn­nen bezahlen?

All das war Karl-Heinz Grasser, der am 6. Oktober 2009 im „Mittagsjournal“ sagte – Zi­tat –: „Ich bin das Opfer dieser schiefen Optik.“

Dass er der Anlass für diese schiefe Optik in sehr vielen Bereichen, die ich vorhin auf­gezählt habe, ist, das muss man wirklich darstellen.

Privatisierungen, Verkäufe, Berater. – Das System bei all dem war: Glanz und Gloria für sich und seine Freunde, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schauen durch die Finger.

Sehr geehrter Herr Kollege Stummvoll, Sie haben vorhin gesagt, dass wir nun alle Schulden bei der ÖIAG weggebracht haben. Ich finde, man muss auch dazusagen: Wir haben auch sehr viele Unternehmen, die österreichische Unternehmen waren, wegge­bracht. – Nur so viel zu Ihren Maßnahmen, mit denen Sie, wie Sie sagen, alles in der ÖIAG abgearbeitet haben.

Ich möchte jetzt zu dem Freundesnetzwerk des Karl-Heinz Grasser kommen, zu Freunden wie Meischberger, Hochegger und Plech.

Ex-FPÖ-Abgeordneter Meischberger, der in den neunziger Jahren „bar aufs Handerl“, ohne Zettel oder so Geld bekommen hatte, Hunderttausende Schilling; jener Meisch­berger, der dann im Jahr 1998 rechtskräftig zu einer Strafe von 500 000 S verurteilt wurde, obgleich der damalige FPÖ-Generalsekretär Westenthaler anfangs noch davon gesprochen hat, das sei eine politische Verurteilung oder eine unschuldige Verurtei­lung – im April 1999 ist die FPÖ aber draufgekommen, dass sie den ehemaligen Kolle­gen Meischberger aus der FPÖ ausschließen muss –; jener Meischberger, der dann rund um 2000 mit der Werbeagentur „ZehnVierzig“ – was für Provisionsaufteilungen da auch immer dahinterstehen – ins Geschäft mit dem Finanzministerium gekommen ist und im BUWOG-Verkaufsverfahren Provisionen nicht versteuert und auch zu Unrecht bezogen hat.

Die Selbstanzeige vom 18. September 2009 weist darauf hin, dass die Justiz sehr viel zu arbeiten hat: verschachtelte Kontoverteilungen, zu Unrecht bezogene Provisionen, Insiderinformationen. Die Liste der Vermutungen und Unterstellungen und vor allem je­ner Kniffe, für die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit ihrem Geld bezahlen müssen, ist lang.

Grasser hat am 12. Juni 2003 in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage gemeint, die 10,8 Millionen € Veräußerungserlöse seien im Vergleich ja Peanuts, das sei ja nur fast 1 Prozent, also ganz wenig.


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Der Verkauf der Bundeswohnungen. – Die Mieter wurden verunsichert, die Wohnun­gen werden verscherbelt, und andere schöpfen dann später die Gewinne, stellte Pro­fessor Schneider, Institut für Volkswirtschaftslehre an der Uni Linz, am 1. Feber 2001 in der „Presse“ fest.

Der Rechnungshofbericht wies darauf hin, dass zunächst den Mietern die Wohnungen nur halbherzig angeboten worden sind, dass die Vorbereitung der Veräußerung man­gelhaft war, dass Rechtsanwälte statt der eigenen Juristen des Finanzministeriums be­auftragt worden sind und dass die Veräußerung nur dann wirtschaftlich sein könnte, wenn die Zinszahlungen geringer wären, die für die Staatsverschuldungen zu zahlen sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist die Justiz mit Hochdruck am Zug. Für mich als Mitglied des derzeitigen Untersuchungsausschusses ist es sehr wichtig, dass die Justiz jetzt auch Vorsorge treffen kann, dass Unterlagen oder sonstige Dinge nicht verschwinden und liegen bleiben, sondern dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird. Im Anschluss an diese rechtliche Bearbeitung kommt dann die politisch-parlamentari­sche. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.19.14

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde heute schon viel gesagt, und es erfolgten hier vom Rednerpult aus viele Vorverurteilungen und Argumente, die, wie ich glaube, eigentlich jeder Grundlage entbehren. Mir sei es erlaubt, eingangs vier Feststellungen zu treffen.

Kollege Kogler, wir fürchten uns vor dem Ganzen überhaupt nicht. Es hat genügend Rechnungshofberichte und Prüfungen der Steuerbehörden, der Finanz und anderer Einrichtungen gegeben. Wir stehen für Aufklärung, und wir sind immer Rede und Ant­wort gestanden. Der Beweis dafür sind 53 parlamentarische Anfragen, Rechnungshof­berichte. (Abg. Dr. Moser: Die haben aber nicht Sie gestellt! Danke für die Anerken­nung!) Es bleibt eigentlich nur die Frage: Will man das anerkennen, Frau Kollegin Mo­ser, oder will man das nicht anerkennen?

Die ÖVP distanziert sich klar von Vorverurteilungen, Anschuldigungen und nicht be­weisbaren Vorwürfen. Jede und jeder von uns kann angezeigt werden, und jede und jeder von uns kann Beschuldigte/r sein, so schnell geht das heute, und auch in diesem Fall ist es so. Aus Sicht der ÖVP ist es so, dass wir klar die Gerichte in den Vorder­grund stellen, und die Gerichte sind befasst. Es gibt ein laufendes Verfahren, die Justiz ermittelt, die Staatsanwaltschaft ist aktiv und auch der Rechnungshof.

Im Jahre 2007 haben wir einen Rechnungshofbericht hier im Plenum und im Aus­schuss diskutiert. Als Kontrollorgan des Parlaments hat er geprüft und Berichte vorge­legt, und wir zweifeln nicht an den Berichten des Rechnungshofes. Wir bezweifeln auch nicht, dass im Rechnungshof-Unterausschuss ganz klar die gewünschten Dinge – Beraterverträge, Ausschreibung und Auswahl der Bewertungskriterien – noch einmal geprüft wurden.

Es gibt überall Verbesserungen. Das liegt fünf Jahre zurück, und im Nachhinein verste­hen manche etwas besser. Ich erlaube mir, aus dem Rechnungshofbericht zwei Punkte zu zitieren:

Der Rechnungshof kritisiert, dass der Bund infolge unklarer Formulierungen im Kauf­vertragsentwurf hinsichtlich der Einweisungsrechte den wertsteigernden Effekt seines Verzichts auf diese Rechte nicht selbst lukriert hat.


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Die Finanzprokuratur hält dazu fest – Stellungnahme vom 22. Dezember 2005 –, dass sie durch die konkrete Vertragsabwicklung eine nachträgliche Besserstellung der Käu­fer der BUWOG-Geschäftsanteile des Bundes durch die Vereinbarung vom 18.2.2005 im Verhältnis zum Inhalt des Angebots nicht zu erkennen vermag. Ganz klar.

Nach Ansicht des Rechnungshofes ist es dem BMF weiters nicht gelungen, „einen über einen sehr konservativen Wertansatz hinausgehenden Preis durch attraktive Präsenta­tion der zum Verkauf stehenden Gesellschaften zu erzielen“.

Das BMF schreibt, dass der Kaufpreis in einem offenen, transparenten und kompetiti­ven Wettbewerbsverfahren gebildet worden sei, in welchem durch eine zusätzliche, nachträgliche Angebotsrunde die Bieter das Äußerste ihres Bewegungsspielraumes gaben. Der Kaufpreis lag am oberen Bewertungsrand und stellt somit auch internatio­nal ein hervorragendes Ergebnis dar, was durch Preisvergleiche mit derartigen Trans­aktionen in anderen Ländern belegt wurde. Die Unternehmensbewertung war den Bie­tern nicht bekannt und hatte keinen Einfluss auf die Preisbildung. (Abg. Öllinger: War­um werden dann 10 Millionen gezahlt?)

So ließe sich das weiter klar fortführen. Es geht um das Vorkaufsrecht, es geht um den Einfluss des Landes Kärnten, es geht um Dokumentation, es geht um Formulierungen.

Herr Kollege Öllinger, eines ist für mich nicht schlüssig: Wieso will man eigentlich Ant­worten nicht anerkennen? Wieso kann man nicht klar zwischen dem parlamentarischen Prozess und den Gerichten und der Staatsanwaltschaft trennen? (Abg. Öllinger: 10 Millionen!) Das werden Sie einmal zur Kenntnis nehmen müssen! (Abg. Öllinger: 10 Millionen sind nicht übrig geblieben!)

Und auch wenn die Frau Kollegin Moser das Thema noch öfter aufwirft und noch inten­siver behandelt, werden sich manche Dinge nicht verändern. (Abg. Dr. Moser: Es hat sich aber schon viel geändert!) Ich glaube, überall im Leben gibt es Recht und Unrecht, aber, Frau Kollegin Moser, Sie haben dieses Thema, dass Sie hier immer wieder ein­fordern, auch nicht dauerhaft gepachtet. (Abg. Dr. Moser: Gott sei Dank!)

Zum Abschluss stelle ich fest: Aufklärung, sollte man sie noch irgendwo brauchen – ja; Verdächtigungen und Vorverurteilungen ohne Beweise – nein; Transparenz, Fairness und Objektivität im laufenden Verfahren – ja; politisches Schauspiel und Selbstinsze­nierung – nein!

Wir nehmen unsere politische Verantwortung wahr. Der Herr Finanzminister und Vize­kanzler ist heute anwesend und ist hier Rede und Antwort gestanden. Schuldzuweisun­gen lehnen wir aufs Schärfste ab. Ich finde, man sollte ein Thema irgendwann einmal auch zur Kenntnis nehmen und auch das zur Kenntnis nehmen, was Gerichte entschei­den. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner mit gewünschten 5 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


16.24.05

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Gahr! Eines verstehe ich wirklich nicht: wie Sie jetzt sagen können, Sie tun alles zur Aufklärung, und sich dann auf einen Bericht des Rechnungshofes berufen! (Abg. Gahr: Parlamentarische Anfrage ..., Herr Kollege! Ha­ben Sie sie gelesen?)

Ja, das haben wir alle gelesen, aber Sie zitieren aus dem Rechnungshofbericht und klopfen sich auf die Brust, dass Sie den Rechnungshof nicht behindert haben. (Abg. Gahr: Da geht es um die Anerkennung!) Das ist ja keine Aufklärung. Der Rech­nungshof ist ein Organ des Parlaments, der das untersucht hat und keinesfalls zum Er-


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gebnis gekommen ist, es ist alles gut und alles bestens (Abg. Gahr: Wir haben ge­sagt ... Staatsanwaltschaft!), sondern er hat selbst gesagt, es ist einiges aufklärungs­bedürftig beziehungsweise nicht nachvollziehbar. – Ich habe schon gehört, was Sie ge­sagt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Generell und auch, was die Auskünfte betrifft, die wir heute vom Herrn Vizekanzler be­kommen haben, kann man da nicht ernsthaft sagen, dass der Eindruck erweckt wird, dass an einer restlosen Aufklärung Interesse besteht. Also eines müsste man zumin­dest ministeriumsintern klären können, und zwar ist die Frage, wieso das Einweisungs­recht achteinhalb Monate nach dem Verkauf aufgegeben worden ist. Darauf hätte ich zumindest eine klare Antwort erwartet, und da müsste jeder Minister sagen: Hoppala! Entweder war das schon im Vertrag drinnen, in einer Geheimklausel, dann hat man einen begünstigt, der das gewusst hat, oder es war nicht im Vertrag drinnen, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hat dem Erwerber ein Geschenk gemacht, oder es hat für diese Verzichtserklärung eine andere Gegenleistung gegeben.

Alles, was an Möglichkeiten vorhanden ist, bedeutet also rotes Licht für den Minister, und da muss es natürlich ministeriumsintern Erhebungen geben. Da kann man sich nicht auf die Staatsanwaltschaft ausreden und schon gar nicht auf einen Bericht des Rechnungshofes, der zu einem Zeitpunkt ergangen ist, als man von all diesen Dingen, über die wir heute in den Zeitungen lesen und über die wir hier heute reden, noch nichts gewusst hat. Leider kann ich Ihre Ausführungen hier also überhaupt nicht ver­stehen.

Eine Anmerkung zu diversen anderen Beiträgen: Wir dürfen nicht in den Fehler verfal­len, das Ganze jetzt an der Person Grasser und seinen „Freunderln“ aufzuhängen und uns jetzt gegenseitig zu befetzen und vorzuwerfen, er war bei dieser oder jener Partei, er war noch bei der FPÖ oder nicht mehr bei der FPÖ oder schon bei der ÖVP, son­dern es geht um das System, und ich glaube, da sollten wir als österreichische Staats­bürger doch ein wenig besorgt sein, und wir sollten uns auch Gedanken darüber ma­chen, welchen Eindruck die Leute von der Verwendung ihrer Mittel bekommen.

Da braucht man sich ja nur ein paar Worte aus der Vergangenheit wieder in Erinnerung zu rufen. Eurofighter-Ausschuss: 6,6 Millionen € sind an eine Agentur der Frau Erika Rumpold – „100% communications“ – geflossen. 6,6 Millionen € sind an Beratungsho­norar von derjenigen Firma, die der Republik Österreich etwas verkauft hat, gezahlt worden. – Dafür gibt es keine Erklärungen. (Ruf bei der ÖVP: Der Rumpold ist der Ex­klusivberater der FPÖ!)

Die Situation ist sehr ähnlich, sie ist fast deckungsgleich zur gegenständlichen 9,6 Mil­lionen-Geschichte, nur dass es um 3 Millionen weniger waren. Damals hat man einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, aber als es wirklich heiß geworden ist – Ende des Ganzen! (Ruf bei der ÖVP: Dunkelblau!) Niemand in der Bevölkerung hat, glaube ich, den Eindruck gehabt, dass ein ernsthaftes Interesse der Republik und ihrer Reprä­sentanten bestanden hat, diese Frage aufzuklären.

Wir können aber auch weiter gehen: Was wir im Zusammenhang mit der Republik Ös­terreich und ihrer Rechtspflege in den Zeitungen lesen, ist nicht erfreulich. Denken Sie nur an den Sack mit ministeriellen Einstellungsweisungen aus diversen Verfahren, der der Zeitung „Falter“ übergeben worden ist. Ich nehme nur eine heraus – man konnte es nur lesen, ohne natürlich Informationen über den genauen Inhalt des Aktes zu bekom­men –:

Da gibt es zum Beispiel die Einstellungsweisung hinsichtlich des Verfahrens gegen den früheren Leitenden Staatsanwalt für Wirtschaftsfragen des Landesgerichts für Strafsa­chen Wien. Da möchte ich gar keine Spekulationen anstellen, aber ich weiß aus eige­ner Erfahrungen, wie viele Jahre es da Gerüchte gegeben hat, wie viele Jahre man In-


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formationen erhalten hat, die einem als jemandem, der die Rechtspflege ernst nimmt, eigentlich das Blut in den Adern gefrieren lassen müssten. Und da erfahren wir aus der Zeitung, in einem Sack ist eine ministerielle Einstellungsverfügung gegen einen Leiten­den Staatsanwalt drinnen. Da ist doch Handlungsbedarf gegeben, und ich glaube, da bedarf es nicht des Parlaments beziehungsweise eines Ausschusses, sondern da müssten alle Mitglieder der Bundesregierung sagen: Hoppala, jetzt tun wir etwas! Dass das nicht geschieht, ist mehr als bedauerlich und beängstigend. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Grosz zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 10 Minuten. – Bitte.

 


16.28.47

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte gleich eingangs etwas zitieren, das durchaus auch für die ÖVP interessant sein sollte:

Wir brauchen Profis und nicht nur Promis. Ich brauche die besten Köpfe in meinem Team. Wer Verantwortung hat und will, muss auch Unkonventionelles zulassen. Karl-Heinz Grasser hat hohe fachliche und soziale Kompetenz mit einem bemerkenswerten Einsatz für all jene, denen es nicht so gut geht in diesem Land, als Finanzminister be­wiesen. Karl-Heinz Grasser passt perfekt in unser Superteam. Er ist einer, der für Qua­lität steht, der die Inhalte wahrt. Er freue sich eigentlich sehr, dass Karl-Heinz Grasser endlich das Angebot der Österreichischen Volkspartei angenommen hat. – Dr. Wolf­gang Schüssel im Jahr 2002 in der APA-OTS. (Abg. Riepl: Der Grasser war ja einer von euch, oder? Abg. Kopf: Jetzt bin ich gespannt auf die Pointe!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, es gibt wahrscheinlich keinen Abgeord­neten in der ÖVP – und ich glaube, das trifft auch auf die beiden Regierungsmitglieder zu –, der nicht, zumindest bis ins Jahr 2006, die lobendsten und heroischsten Worte für den Herrn Grasser gefunden haben: Der beste Finanzminister aller Zeiten, der Schönste und das Beste, das wir uns leisten können, der Heilsbringer, der Milch und Honig über unser Land bringt. (Abg. Kopf: Wann kommt die Pointe?!)

Und heute, sehr geehrte Damen und Herren, sitzt der, der uns Karl-Heinz Grasser ab 2002 eingebrockt hat, der Herr Schüssel nämlich, nicht einmal hier (Abg. Mag. Stadler: In Tibet!), weil er vier Wochen in Tibet einen heiligen Berg umkreist – wahrscheinlich um Abbitte für das zu leisten, was er uns 2002 angetan hat: Karl-Heinz Grasser noch ein­mal in die Regierung zu holen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, ich würde Ihnen allen empfehlen, für mehrere Jahre einen Klubausflug nach Tibet zu machen und dort mehrmals um den Berg zu kreisen, für all das, was Sie – zumindest bis zum heutigen Tag – in diesem Land angerichtet haben! (Beifall beim BZÖ. Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Dieser Skandal, sehr geehrte Damen und Herren, der jetzt schön langsam an die Oberfläche dringt, reiht sich doch nahtlos an den Skandal der Frau Hostasch und des Herrn Jarolim, den „Euroteam“-Skandal, der reiht sich doch klassisch an den BAWAG-Skandal, an den jüngsten schwarzen Sumpf Skylink – ein weiteres Thema dieser schwarzen Misswirtschaft – oder an den AKH-Skandal – eigentlich an all das, was Sie seit Jahren und Jahrzehnten in der großen Koalition pflegen! (Abg. Riepl: Reden wir über die Kärntner Skandale! Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, für mich ist heute ein freudiger Tag, denn eines gilt auch in diesem Land: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen sicher. (Abg. Zanger: ... die Skandale, das wäre super! Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Diese Informa-


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tionen und dieser Skandal, der an die Öffentlichkeit dringt, ist eine späte Genugtuung für Jörg Haider, aber auch für Herbert Haupt, der sich im Jahr 2002 geweigert hat, mit einem Karl-Heinz Grasser noch einmal auf der Regierungsbank zu sitzen.

Daher bin ich durchaus dankbar, dass sich Charakterlosigkeit, Ehrlosigkeit und verlu­derte Sitten nicht lohnen und spätestens im Jahr 2009 einer ordentlichen Behandlung durch die österreichische Justiz zugeführt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, Sie dürfen nicht vergessen, dass es sich bei Karl-Heinz Grasser offenbar auch um eine persönli­che Wesensentwicklung handelt. Ich bin ja durchaus der Meinung, dass er in den neunziger Jahren ein straighter, dynamischer Bursche war (Zwischenrufe bei der ÖVP), ein anständiger Mensch, aber offenbar ist er dann, im Jahr 2002, von einem „Vi­rus“ angesteckt worden, von dem ja viele in der ÖVP befallen sind. (Ironische Heiter­keit beim BZÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Plötzlich steht Karl-Heinz Grasser im Mittelpunkt von Korruption, Steuerhinterziehung und Provisionszahlungen – von all dem, was Skylink oder den AKH-Skandal ausmacht. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP, sollten einmal in sich gehen, Ihre eige­nen Charaktermaßstäbe überprüfen und erkennen, wie Sie dieses Land mit Ihren Skandalen in Beugehaft halten. Und heute diskutieren wir ja einen weiteren Skandal. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir vom BZÖ stehen für lückenlose Aufklärung. Wir stehen dafür, dass dieser Fall Grasser, Meischberger und Hochegger vor die Justiz kommt. Wir stehen dafür, dass auch diese Affäre hier in diesem Haus lückenlos poli­tisch geklärt wird (Abg. Wöginger: Ist das BZÖ links oder rechts?), denn dieser Fi­nanzminister ist als Landwirtschaftsminister Seite an Seite, Schulter an Schulter mit Karl-Heinz Grasser im Ministerrat gesessen – in den Ministerratsvorbesprechungen, als Ko­ordinator et cetera.

Ich bin mir ja sicher, dass, wenn in einem so großen Fall wie der BUWOG-Affäre tat­sächlich etwas gelaufen ist, das durchaus auch innerhalb der ÖVP bekannt war. (Zwi­schenrufe des Abg. Hornek.) Daher sehen wir den Entwicklungen sehr gespannt ent­gegen und werden genau beobachten, inwieweit diese BUWOG-Verflechtungen nicht zu Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, in die ÖVP hineinreichen. (Zwischenbemer­kungen von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll und Staatssekretär Dr. Lopatka.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus: Provisionszahlungen, Schmiergeldzah­lungen, Verdacht von Schmiergeldzahlungen im Rahmen von Provisionszahlungen, Ausschreibungen zum Schaden der Republik, Freunderlwirtschaft in der Höhe von – laut Verdacht – 10 Millionen €, all das darf in einem Rechtsstaat wie Österreich nicht möglich sein! (Beifall beim BZÖ.)

Daher, sehr geehrte Damen und Herren, fordere ich auch Sie von der ÖVP auf, die un­abhängige Justiz in Österreich walten zu lassen und nicht einmal mehr – eine partei­politische Justiz zum Vertuschen auszuschicken, wie Sie es beim Althaus-Skandal ge­macht haben, oder wie wir es jetzt beim Untersuchungsausschuss des Parlaments merken, in dem herauskommt, dass Sie auf die Polizei, auf Ermittlungsbehörden und auf Justizbehörden zugreifen, um in Ihrem Interesse die dritte Säule des Staates – die un­abhängige Justiz zu biegen.

Ich ersuche Sie daher, nicht auch in diesem Fall einen Fehler zu machen, sondern wirklich – auch in dem Wissen, dass Frau Bandion-Ortner eine ÖVP-Ministerin ist, die am Gängelband des Vizekanzlers hängt (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll) –we­nigstens in diesem Fall endlich zuzulassen, dass es ordentliche Ermittlungen gibt, die dann auch der Öffentlichkeit bekannt werden und nach denen dann auch das Parla­ment die nötigen Konsequenzen ziehen muss.


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Wir stehen dafür, wir stehen für diese Aufklärung, und ich hoffe, dass wir dieses weite­re traurige Kapitel Ihrer Politik, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, endlich beenden können. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ. Abg. Riepl: Der Grasser war schon beim BZÖ, oder? Abg. Grosz das Rednerpult verlassend : Nein, der war nie beim BZÖ! Das BZÖ ist 2005 gegründet worden!)

16.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. Die Gesamtrestredezeit der Grünen beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


16.35.35

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde – ohne jeden Zynismus, Herr Vizekanzler –, dass Sie eine große Chance vergeben haben. Sie haben die Chance vergeben, mit dem System Grasser Schluss zu machen, das diese Republik über Jahre geprägt hat, obwohl jetzt die Eiter­beulen sichtbar werden. Dadurch, dass diese kaum von der Politik bearbeitet werden, führen sie zu einem noch größeren Verdruss und auch Verlust der politischen Kultur in diesem Land. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.)

Herr Vizekanzler, Ihre Forderung nach Präzision – wenn Sie das so sagen – werde ich versuchen, zu erfüllen. Schauen wir uns das im Konkreten an – und ich möchte aus­drücklich nicht auf die BUWOG-Privatisierung im Besonderen eingehen. Nehmen wir eine andere Privatisierung her. Es ist, relativ bescheiden – fangen wir mit dem Kleinen an –, 2002 der Österreichische Bundesverlag privatisiert worden.

Der Herr Grasser hat vorher von einem Verkaufspreis von 50 Millionen € gesprochen, geworden sind es 24 Millionen €. Aber wie schauen diese 24 Millionen € aus? Es wur­den 24 Millionen € in mehreren Raten gezahlt, wobei die erste Rate etwas über 1 Mil­lion € betrug, und erst nach mehreren Jahren musste der Großteil des Verkaufsprei­ses – nämlich zirka 21 bis 22 Millionen € – erlöst werden. Bis dahin hat die Republik sozusagen nur 1 Million € von dem Käufer verlangt und hat gleichzeitig dem Käufer da­für, dass er diesen Betrieb führt, 1 Million € gegeben. Das heißt, zunächst einmal war überhaupt nichts zu zahlen, und es gab einen stillen Kredit über mehrere Jahre, ohne jeglichen Zinssatz.

Hätten Sie das nicht auch gerne in Ihrer Gemeinde, dass Ihnen irgendjemand 24 oder 25 Millionen € gibt und sagt: Ich verzichte auf die Zinsen, und du zahlst in vier bis fünf Jahren!? (Abg. Dr. Stummvoll: Wann war das? Ist das eine Geschichtsvorlesung?)

Der zweite spannende Punkt bei dieser kleinen, bescheidenen Privatisierung war ein Beratungs- oder Verkaufshonorar für die Gruppe, die diese Privatisierung begleitet hat. Üblich war und ist 1 Prozent, das wissen Sie alle aus den Rechnungshofberichten (Abg. Brosz: Das hat sogar Meischberger gewusst!), auch bei der BUWOG war es nicht anders – nur in diesem Fall hat es 4 Prozent für die KPMG gegeben, weil diese Privatisierung angeblich so schwierig war.

Es war kein Problem für die Republik, bei der Privatisierung – beziehungsweise der Beratungsfirma, die das abgewickelt hat – großzügige Honorare zu zahlen.

Das zweite Beispiel ist die Telekom-Privatisierung. Danke, Herr Kollege Strutz, dass Sie das angesprochen haben! Vor dem Börsengang der Telekom hat man gewusst, dass es nicht so gut laufen wird. Die Aktie war unterzeichnet. Was ist passiert? Man hat institutionellen Anlegern knapp vor dem Börsengang Sonderkonditionen gewährt – die sie auch dankend angenommen haben –, nämlich jenseits der Konditionen, die auf dem Börsenprospekt ausgewiesen waren: Sie wurden noch billiger. Was haben die ins­titutionellen Anleger gemacht? Das können Sie nachlesen, schauen Sie sich die Bör­senentwicklung an: Am ersten Tag des Börsengangs haben alle institutionellen Anleger


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die gerade sehr günstig erworbenen Aktien verkauft und dadurch zunächst einmal den Preis der Telekom-Aktie ordentlich gedrückt. So haben sie für sich eine Sonderrendite herausgeholt, die ihnen Finanzminister Grasser verschafft hat.

Nun zum dritten Punkt, und da wird es jetzt interessant: Hochegger. (Abg. Dr. Stumm­voll: Geschichtsvorlesung!) Herr Bundesminister beziehungsweise Vizekanzler, Sie haben gesagt, Sie können nur das beantworten, was in Ihrem unmittelbaren Bereich liegt. Sie könnten aber schon auch beantworten, was in den nachgelagerten Einrich­tungen, etwa im Bundesrechenzentrum – in Ihrem Verantwortungsbereich –, an Bera­tungsleistungen stattgefunden hat. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Bitte, die Frage ist ge­nau beantwortet!)

Wie viele hunderttausend Euro hat Hochegger über die Jahre vom Bundesrechenzen­trum kassiert? Wie viele hunderttausend Euro hat Hochegger hat von der ÖBB kas­siert? Wie viele hunderttausend oder Millionen Euro hat Hochegger von der Telekom kassiert? – Ja glauben Sie, wir werden nicht anfangen, auch das auf den Tisch zu brin­gen?

Da wird das System Hochegger und Grasser interessant. Was ist Hochegger für Gras­ser? – Ich sage: die Arbeitslosenversicherung, oder Sie können es auch als Lebens­versicherung bezeichnen; genau diese Deals, die sonstigen Deals, die abgewickelt wurden und die Herrn Grasser für die Zeit nach der Politik – insofern hat er ja voraus­gedacht – günstige Bedingungen schaffen.

Wenn Sie sich das System Hochegger anschauen, dann merken Sie, dass da einer am Werk ist, der gut mit dem Prinzip „do ut des“, „Ich gebe, damit du gibst“, leben kann und der das auch in der eigenen Firma anwendet. In der Firma Hochegger werden dann Politiker wie Grasser oder Strasser oder was weiß ich auch mit Sonderkonditio­nen sozusagen dauerhaft im System geführt. Sie bekommen dann auch wieder Geld dafür, dass sie für Dienste zur Verfügung gestanden sind. Und deshalb, Herr Bundes­minister beziehungsweise Vizekanzler, wäre es gut gewesen, diese Auseinanderset­zung mit dem System Grasser etwas offener zu führen und nicht nur zu sagen (Zwi­schenruf des Abg. Neubauer): Ich weiß von nichts, mein Name ist Hase. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Habe ich auch nur eine Frage nicht beantwortet?)

Herr Vizekanzler! Da können Sie noch so viele Zukunftskongresse und Transparenz­kongresse abhalten, das wird nicht ausreichen, um die Zukunft der ÖVP in diesem Land als einer Partei und als eines Trägers der politischen Kultur zu sichern. Im Ge­genteil, dieses Kapital haben Sie heute verspielt! (Beifall bei den Grünen.)

16.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


16.42.06

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Was haben wir an Tatsachen? – Tatsache ist, dass Karl-Heinz Grasser beziehungsweise die Regierungsmitglieder wäh­rend dieser Zeit mehrmals Aufträge an Plech, an Hochegger erteilt haben. Das wissen wir. In weiterer Folge wurde Plech Aufsichtsrat einiger einflussreicher Firmen, die später verkauft werden sollten. Das ist auch eine Tatsache. Tatsache ist ferner, dass der Na­me Hochegger immer wieder als der eines Beraters des Karl-Heinz Grasser auftaucht.

Jetzt taucht der Name Hochegger auf, aber nicht, weil er Berater war (Abg. Ing. Wes­tenthaler: War der nicht bei euch einmal ...?), sondern weil er ein Nebenprodukt eines anderen Finanzskandals ist (Abg. Grosz: Einer, der einmal bei der SPÖ ...! – weitere Zwischenrufe), nämlich des Finanzskandals der Immofinanz. Aufgrund der Hausdurch-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 152

suchungen bei der Immofinanz ist man erst draufgekommen, dass Hochegger nicht nur Beraterhonorar kassiert hat, sondern auch versteckte Vermittlungshonorare über die Immoeast.

Jetzt frage ich mich: Warum muss ich das Honorar, das ich beim Verkauf der BUWOG erhalte, in Provisionszahlungen der Immoeast verstecken? – Das ist meiner Meinung nach allein schon Grund genug, die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen (Abg. Ing. Westenthaler: Hochegger war einmal SPÖ-Berater!) und letztendlich den Justiz­apparat in Bewegung zu setzen, weil da irgendetwas nicht stimmen muss. Sonst hätte ich ja diese Vermittlungsprovision offenlegen können.

Das Zweite ist: Ich hätte dafür als Hochegger und als Meischberger auch keine Steuer gezahlt, wenn nicht zufälligerweise der Immofinanz-Skandal aufgetaucht wäre. Das heißt, da kommen wir jetzt wieder zu Meischberger. Meischberger hat schon beim Fuß­ballverein gesagt: Immer gut ist Geld aufs Handerl! (Abg. Brosz: Bar!) Nicht irgendwo auf ein Konto – bar aufs Handerl!

Tatsache ist, dass dieses Geld auf ein Konto in Zypern überwiesen wurde, das einer Firma, die Hochegger nahesteht, gehört hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Da kennt ihr euch gut aus, wie man das Geld verschiebt, bei der BAWAG!) Jetzt frage ich mich: Warum überweise ich das wieder zurück nach Liechtenstein, wenn ich Meischberger bin, und lasse es nicht in Zypern? (Abg. Grosz: Da habt ihr aber bei der BAWAG ...!) – Das muss auch einen Grund haben. Einen Grund muss das ja haben. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Vielleicht hat die BAWAG beraten?)

Das heißt, allein auch diese Verschleierungsmaßnahmen, die da getroffen wurden, sind ein Fall für den Staatsanwalt, weil da etwas dahinter ist. Darüber brauche ich gar nicht nachzudenken, da ist etwas dahinter! Das heißt, es sind so viele Anhaltspunkte da, dass man wirklich die Staatsanwaltschaft in Ruhe ermitteln lassen sollte, um nicht über Zeitungsmeldungen voreilig politische Schlüsse zu ziehen.

Ich denke, es gibt zwei Gründe, warum ich das nach Liechtenstein überweise: entwe­der um zu verschleiern, dass ich dabei war, oder um zu verschleiern, wer noch dabei war. Diese zwei Gründe gibt es. Auch der körperliche Transport von Schwarzgeld – wir dürfen ja nicht vergessen, dass das bis dahin Schwarzgeld war – ist eine Schwierigkeit, wie ich aus meiner Erfahrung als Masseverwalter bei der ÖKG weiß. (Aha-Rufe bei ÖVP, FPÖ, BZÖ und Grünen.) – Ich war bei dieser Sache auf der Seite der Guten, wenn Sie sich erinnern! (Ruf bei der ÖVP: Freud’sche Fehlleistung! – Weitere Zwi­schenrufe.)

Aber daher weiß man, dass der Transport von Schwarzgeld für Leute, die es darauf angelegt haben, den Staat zu hintergehen, ein Problem darstellt. Deshalb wurde es wahrscheinlich nach Liechtenstein überwiesen, weil es dort leichter zu transportieren war. Auch das sollte man untersuchen. Ich glaube, man kommt dann auf eine sehr dicke Suppe, die den Staatsanwalt dazu berechtigen wird, einen Strafantrag zu stellen und auch eine Anklage zu erheben. Das sollte man abwarten und es auch wirklich durch­führen.

Zwei Sachen sind für mich in dieser Diskussion natürlich ein bisschen zu hinterfragen. Die erste ist: Herr Kollege Stummvoll, es kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein, von einer erfolgreichen Privatisierung zu sprechen, wenn ich um einen Quadratmeterpreis von 236 € Wohnungen verkaufe, die zu diesem Zeitpunkt einen Quadratmeterpreis von 1 400 € erzielt haben und die jetzt, in einer tiefen depressiven Krise des Immobilien­marktes, noch immer über 1 000 € erzielen! Da von einer erfolgreichen Privatisierung zu sprechen, ist wirklich mutig. Ich halte das für einen der größten Flops der Zweiten Republik und für Verschleuderung des Vermögens des Staates par excellence! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist doch nicht erfolgreich, das ist Dilettantismus. Das ist Dilettantis­mus pur!


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Ich glaube, dass der Herr Vizekanzler nicht sehr einverstanden sein wird mit dem Re­debeitrag des Herrn Abgeordneten Gahr. Herr Kollege Gahr, Sie sagen, Sie zweifeln den Rechnungshof nicht an. Wissen Sie, was in dem Rechnungshofbericht drinsteht? – Dass die nachträgliche Aufgabe des Einweisungsrechtes einen Schaden von 200 Mil­lionen € hervorgerufen hat! Nicht böse sein, aber wenn Sie das anerkennen, dann sa­gen Sie das Gegenteil vom Herrn Finanzminister, weil er gesagt hat, dass die Finanz­prokuratur das aufs Schärfste zurückgewiesen hat. Irgendetwas stimmt da also nicht. (Abg. Dr. Stummvoll: Es gibt ein ...!) Sie sagen, es ist in Ordnung, dass man da einen Schaden von 200 Millionen € erlitten hat; auf der anderen Seite wurde flapsig darüber hinweggegangen.

Das ist also auch nicht korrekt, aber grundsätzlich ist, glaube ich, die Suppe dick ge­nug, dass die Staatsanwaltschaft in Ruhe weiterermitteln soll und dass man hier nicht störend eingreifen soll. Ich garantiere Ihnen, dass diese Liechtenstein-Geschichte und die Connection nach Österreich noch vieles ans Tageslicht bringen wird, was man jetzt noch nicht weiß. Man darf eines nicht vergessen: Das ist aus einem Kriminalfall ent­standen, es wird jetzt zu einem weiteren Kriminalfall (Abg. Mag. Kogler: Und am Schluss sind wir bei der Bundesregierung!), und man hat da einen Provisionsfluss ab­zuleiten, der letztendlich nur dazu gedient hat, zu verschleiern, dass die Provision aus diesem Geschäft kommt. Das heißt, alle diese Hinweise sind einmal verdächtig, und was da zu passieren hat, ist, aufzuklären.

Daher: derzeit kein Untersuchungsausschuss! Die Betonung liegt auf „derzeit“, aber ich bin mir sicher, dass uns diese Causa noch länger beschäftigen wird und dass die Sup­pe noch dick genug werden wird, dass die Staatsanwaltschaft ihre Schritte setzen wird und in letzter Konsequenz auch das Parlament im Nachhinein einmal darüber zu befin­den haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

16.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schmucken­schlager zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.48.50

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Geschätztes Hohes Haus! Die Tendenz und der Wille dieser Dringlichen Anfrage lässt sich schon in der Begründung erkennen. Ich darf kurz zitieren: „Die seinerzeitige ÖVP-Führung unter Bundeskanzler Schüssel und den Klubobleuten Khol und Molterer hat Grasser immer voll unterstützt und eine wirk­same Aufklärung der Vorgänge verhindert.“ (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Weiter: „Sie haben als zuständiger Ressortleiter und ÖVP-Obmann zwei Optionen: den weiteren Schutz des ‚Systems Grasser’ im Stil der alten ÖVP-Führung durch die Ver­weigerung einer lückenlosen und wirksamen parlamentarischen Aufklärung, oder aber den Bruch mit der bisherigen Parteilinie und die Aufklärung aller Begünstigungen auf parlamentarischer Ebene.“ (Neuerlicher demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, über die lückenlose Aufklärung sind wir uns zweifelsohne einig, und es ist wahrscheinlich auch schon dem Letzten hier aufgefallen, dass wir voll dafür sind. (Iro­nische Heiterkeit bei den Grünen.) Das Einzige, was hier die Frage ist, ist: Wer klärt auf? – Ich glaube, das sollte nicht ein politisches Tribunal sein, sondern die zuständi­gen Institutionen. Das sind in Österreich bei Strafverfahren noch immer die Gerichte und nicht selbst gewählte Politiker! (Beifall bei der ÖVP.)

Das System Grasser auf parlamentarischer Ebene aufzuarbeiten – da haben wir einer­seits die rechtliche Seite, da sind die Gerichte am Zug. Es gibt ein laufendes Verfah­ren, und wir haben volles Vertrauen in die österreichische Justiz, die unabhängig und frei von politischen Zwischenrufen agieren muss. Volle Kooperation und transparente


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Zusammenarbeit von Bundesministerium für Finanzen und Staatsanwaltschaft sind ge­währleistet und selbstverständlich. Selbst Karl-Heinz Grasser muss ein Interesse an einer lückenlosen Aufklärung haben. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und Grünen.)

Kommen wir nun zur parlamentarischen Arbeit. Es war in der Zeit, bevor ich in diesem Haus war, aber ich habe mir berichten lassen, dass diese Thematik hier im Haus war. Der Themenbereich wurde vom Rechnungshof geprüft, wir haben es gerade vorhin ge­hört. (Abg. Mag. Kogler: ... ein vernichtendes Urteil!) Es gab Rechnungshofunteraus­schüsse, der Rechnungshofausschuss hat getagt, es war im Plenum, und über 50 par­lamentarische Anfragen wurden selbstverständlich beantwortet. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Mag. Kogler.)

Es werden oft die Aussagen erwähnt: Medienberichten zufolge wer, was, wann, wo, wie – bitte schön, Sie betreiben hier Medienjustiz! Sie stützen sich auf Einzelaussagen. Hier kommen Sie mit Beispielen: ein Herr Meischberger, für Informationen bei Immofinanz angeklopft, um eine Erfolgsprämie einzufordern, Verknüpfung Hochegger/Meischber­ger/Grasser, „Valora Solutions“-Firma, Aussagen von einem gewissen Herrn Ramprecht, der früher Mitarbeiter im Kabinett Grasser war. (Abg. Brosz: Waren das keine Aussa­gen?) Persönliche Befindlichkeiten wahrscheinlich auch; wer weiß, was zwischen den zwei Herren vorgefallen ist! Hier haben wir schon die Gegenaussage.

Es gibt ein weiteres Beispiel für diese gegenseitigen Beschuldigungen, wie man in dem morgen erscheinenden Magazin „NEWS“ nachlesen kann, worin wiederum ein Be­schuldigter die anderen zu belasten versucht. Ich bin kein Hellseher, aber ich kann Ih­nen eines heute schon garantieren (Abg. Brosz: Aber Sie wissen schon, was persönli­che Befindlichkeiten sind?): In den nächsten Wochen wird das noch oft hin und her ge­hen, wird der eine den anderen beschuldigen und wieder einer wieder den anderen.

Es kann doch nicht Aufgabe des Parlaments sein, hier auf Basis gegenseitiger Be­schuldigungen politisch Gericht zu spielen! Wir reden hier über schwerwiegende Vor­würfe. Wir haben den Tatbestand von Steuerhinterziehung, Untreue, Verdacht auf Amtsmissbrauch, Geheimnisverrat, illegalen Absprachen. Es stellt sich die Frage: Wer ist die Anklagebehörde? – Das können bei diesen Tatbeständen nur die Gerichte sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Die politische Verantwortung liegt selbstverständlich bei dem jeweiligen Minister, der damals im Amt war. Aber dieser unterschwellige Versuch, die erfolgreiche Regierungs­arbeit eines Kanzlers Wolfgang Schüssel schlechtzumachen, ist wirklich sehr billig!

Auch die Abgeordneten von FPÖ und BZÖ machen bei den Beschuldigten natürlich Kindesweglegung. Nach Spaltung weiß man nicht mehr, wer wo hingehört. Das BZÖ ist in sich uneins, Sie haben dort Wahrnehmungs- und Darstellungsprobleme, wissen nicht mehr, wo sie waren, wer bei wem, und wer wo hingehört. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Grosz, Sie haben in einem „ZiB“-Interview eine sehr treffende Selbstbe­zeichnung getroffen. Auf die Frage nach Ihrem politischen Stil haben Sie geantwortet: Ich bezeichne mich als „Haiderianer“ oder „Haiderist“; ich glaube, ich habe das richtig zitiert. Ohne Ihren Personenkult um einen verstorbenen Politiker weiter kommentieren zu wollen, möchte ich schon darauf hinweisen, dass die hier beschuldigten Personen von der politischen Seite her wohl auch am ehesten als „Haiderianer“ zu bezeichnen und jetzt nicht aus politischer Strategie der ÖVP unterzuschieben sind! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Grasser war Schüsselianer seit 2002!)

16.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Ing. Höbart zu Wort. Gewünschte Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 155

16.53.48

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vielleicht noch kurz zu meinem Vorredner Johannes Schmuckenschlager: Es geht nicht darum, die Regierung Schüssel madig zu machen, sondern es geht darum, die Ära und das System Grasser lückenlos aufzudecken. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Hier müssen natürlich die politischen Verantwortlichkeiten in Form eines Untersu­chungsausschusses geklärt werden – und das nicht irgendwann, nicht nach Abschluss irgendwelcher Untersuchungen, in deren Verlauf möglicherweise wieder ein Staats­anwalt irgendwelche Unterlagen liegen lässt, sondern sofort! Ich konnte feststellen, dass Einigkeit darüber herrscht, diese Dinge aufzudecken, und ich verstehe nicht, war­um hiezu kein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden soll.

Zurück zur Sache: „Mr. Cool and the Gang“, so hat unlängst ein österreichisches Nach­richtenmagazin das System Grasser betitelt, kurz zusammengefasst: die legendäre „Buberlpartie“ Jörg Haiders. Seit gestern Abend hat die BUWOG-Affäre mit Sicherheit eine andere Dimension bekommen. Der angebliche Unternehmer, der angebliche Ma­nager, der angebliche Doktorand – immer von Gnaden Haiders und Schüssels, das muss man in diesem Zusammenhang natürlich schon einmal sagen – Karl-Heinz Gras­ser hat endgültig seinen künstlichen Lack verloren! Er hat seine Politur verloren, und das ist auch gut so. Ich glaube, dass Grasser heute eher einem Don Quijote gleicht, nämlich einem Ritter von trauriger Gestalt. Das muss man in diesem Zusammenhang so sagen. (Zwischenruf des Abg. Prähauser.)

60 000 Bundeswohnungen wurden gemäß dem Rechnungshof zu billig verscherbelt. Das siegreiche Konsortium, nämlich die Immofinanz-Gruppe, lag um läppische 1 Mil­lion € über dem Zweitbieter – eine ganz eigenartige Situation, muss man hier feststel­len. Ein Zeuge – der Name ist ja vorhin schon ein paar Mal gefallen – hat hier immer von einem abgekarteten Spiel gesprochen. Wenn wir einmal ein bisschen in uns ge­hen, dann können wir uns vorstellen, dass das auch so war.

Grasser wird jetzt als Beschuldigter geführt, endlich als Beschuldigter geführt. Es ste­hen Dinge im Raum wie schwerer Betrug, Amtsmissbrauch, Anstiftung zum Amtsmiss­brauch, Steuerhinterziehung. Selbstverständlich gilt für den ehemaligen Finanzminister die Unschuldsvermutung, aber wenn ich auf ein paar Ungereimtheiten dieses verglüh­ten Kärntner Sterns zurückblicken darf, dann wird uns vielleicht auch einiges klar wer­den.

Die steuerschonende Selbstbehandlung der damaligen Homepage, auf der Karl-Heinz Grasser als niedliches Kind respektive als pubertärer Jugendlicher mit wallender Lö­wenmähne zu sehen war, soll angeblich eine Kampagne für „New Economy“ gewesen sein. Das war damals schon Pflanzerei pur, und letztlich hat weder dieser vorgescho­bene Verein noch Grasser als Letztbegünstigter selbst Steuern gezahlt. (Zwischenrufe beim BZÖ und den Grünen.) Was war damals das Fazit? – „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“, und alles wurde unter den Teppich gekehrt!

Die berühmt-berüchtigten Jachtausflüge mit Julius Meinl ... (Abg. Mag. Kogler: Waren alle dabei!) Ja, da war Grasser selbstverständlich dabei; aber wiederum, auf der Jacht ... (Abg. Mag. Stadler: Du bist ihm ja auch nachgelaufen!) Wem? Dem Grasser bin ich nachgelaufen? – Na, da täuschst du dich aber! Da täuschst du dich gewaltig! (Zwischenrufe bei ÖVP und BZÖ.)

Wen hat Grasser auf dieser Jacht getroffen? – Niemand Geringeren als Wolfgang Flöttl, den Mega-Pleitier im Zuge des BAWAG-Skandals! Aber wiederum: Grasser hat natür­lich kein Gespräch mit Flöttl geführt, er hat nur Liebeleien mit seiner Fiona durchge­führt. Na ja, Ansichtssache! Wie reagierte Grasser? – Einmal mehr: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“, Gespräche wurden keine geführt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 156

Seine Managertätigkeit bei Meinl International Power möchte ich in Erinnerung rufen. Da hat er sogenannte Management Fees kassiert, aber leider sehr viele Kleinanleger um ihr Erspartes gebracht. Auch kein Problem – wiederum hat er sich in den Nebel verzo­gen, und kein Mensch weiß, warum! Er steht immer über diesen Dingen.

Nun zu seinen Freunden – ich habe es vorhin schon erwähnt, größtenteils entsprungen aus der legendären „Buberlpartie“:

Walter Meischberger, 1999 wegen Steuerhinterziehung aus der FPÖ ausgeschlossen und eine der Hauptfiguren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ausgeschlossen aus der FPÖ!

Peter Hochegger, Lobbyist, ebenfalls eine der Hauptfiguren in diesem BAWAG-, nein, BUWOG-Skandal. – Man muss das ja schon verwechseln! Es hat in den letzten Jahren so viele Skandale gegeben, man weiß schon gar nicht mehr, welchen, BUWOG, BAWAG. Egal, bei welchem Skandal: Grasser war meistens dabei.

Ernst Karl Plech, der vom ÖVP-Minister Grasser in zwölf Aufsichtsräte gehievt wurde, unter anderem in die Immofinanz, in ein Unternehmen, das bei dem bei der BUWOG siegreichen Konsortium dabei war.

Das ist doch alles eigenartig! Aber nein, Grasser weiß von nichts, er hat eine blüten­weiße Weste.

Mich wundert eigentlich, dass ein weiteres „Buberl“ nicht die Aufnahme in diesen BUWOG-Sumpf gefunden hat, nämlich Rumpold. Er hat nämlich, so als Denkanstoß, von Grasser einen 7-Millionen-Auftrag erhalten, oder mit Grassers Unterstützung, näm­lich zur Beweihräucherung der Eurofighter.

Aber sei es, wie es sei, der Leichtfuß Grasser hat immer versucht, über diesen Dingen zu stehen. Er hat sehr oft die Grenzen zwischen Privat und Öffentlich verwechselt, die­se Grenzen sind ständig verronnen. Grasser hatte bei all diesen Skandalen und Mal­versationen immer ein super-sauberes Gewissen und war ständig Opfer einer schiefen Optik. Da frage ich natürlich einmal hier in diesen Plenarsaal hinein: Für wie dumm hal­ten uns eigentlich diese Herren? – Das kann es natürlich nicht sein, deswegen müssen wir diesen Sumpf auch restlos aufklären! Ich gebe Ihnen allen recht, die Justiz ist am Zug, aber auch das Parlament im Zuge eines Untersuchungsausschusses.

Abschließend möchte ich noch einmal festhalten, dass all diese Herrschaften, von de­nen ich jetzt berichtet habe, zum einen fern jeglicher freiheitlicher Gesinnung sind. Sie haben rein gar nichts mit der FPÖ unter Heinz-Christian Strache zu tun. Wenn ich jetzt so in die Runde schaue, dann findet der klägliche Rest eher noch bei „Bosporus zu Ös­terreich“ seine Heimat. Bei uns in der FPÖ ist für solche Leute keine politische Heimat! (Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. Gesamtrestredezeit der SPÖ: 8 Minuten. – Bitte.

 


17.00.35

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Wir haben schon eine Reihe von Kriminalrätseln vorliegen. Ich möchte es heute einmal umgekehrt versuchen. Glauben wir einmal allen beteiligten Herren rundherum, was sie so alles sagen, und versuchen wir, das Puzzle einmal kurz zusammenzufügen, um festzustellen, ob es mehr gibt als einen Verdacht auf kriminelle Handlungen, die durch die Strafbehörden zu verfolgen sind, oder ob nicht doch durch Dinge, die wir auch aus der morgigen Ausgabe von „NEWS“ erfahren haben, die Frage näher gerückt ist, dass wir uns auch mit der politischen Verantwortung auseinanderset­zen müssen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)


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Ich glaube, dass die These unbestritten ist, dass das Parlament für die Aufdeckung von Kriminalsachverhalten nicht zuständig sein kann. Das Parlament ist aber das einzige Organ, welches dort, wo Schwächen in der Verwaltung auftreten und politische Verant­wortung einzufordern ist, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen hat.

Bleiben wir einmal dabei, was wir allen glauben: Dann war der Sachverhalt doch so, dass Herr Dipl.-Ing. Michael Ramprecht, zu diesem Zeitpunkt Chef der Vergabekom­mission, aussagt, und das entnehmen wir dem „profil“ vom 5. Oktober, dass er von Ernst Karl Plech darauf aufmerksam gemacht wurde, dass klar ist – „Wir haben den Auftrag, wer das werden wird“ –, nämlich der Käufer der BUWOG.

„Es soll die IMMOFINANZ werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die IMMOFINANZ werden.“ – Sachverhalt eins, Ramprecht.

Sachverhalt zwei: Derselbe Plech ist Aufsichtsrat der BUWOG. Dessen Aussage ha­ben wir noch nicht in der Zeitung lesen dürfen, wohl aber heute jene, die Hochegger getätigt hat. Dem morgigen „NEWS“ entnehmen wir, dass es Meischberger war, jener Bar-aufs-Handerl-Meischi, der heute schon zitiert wurde, der auf Hochegger zugekom­men ist und ihm erklärt hat, dass er den Kontakt zu Karl Petrikovics herstellen muss.
Er soll die IMMOFINANZ in diesem Auktionsverfahren beraten, wendet jedoch sel-
ber ein, dass er nur sehr beschränkten Zugang zum Immobilienbereich hat. Darauf sagt Meischberger, dass dies kein Problem sei und er die nötigen Informationen beschaffen könne“.

Weiters sagt Hochegger aus, dass er seinen Anteil ursprünglich mit 25 Prozent ange­nommen hat, und es zu einem gemeinsamen Treffen im Wiener Hotel Imperial gekom­men sei, interessanterweise wieder mit einem gewissen Ernst Karl Plech. Dort wurde ausgemacht, dass das Honorar, das sich Hochegger behalten darf, 20 Prozent beträgt und 80 Prozent weitergegeben werden müssen.

Nehmen wir einmal an, all diese Dinge, die wir heute wissen, sind wahrheitsgemäß vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt worden. Glauben wir auch, dass Karl-Heinz Grasser von all dem nichts gewusst hat. Dann wissen wir zu diesem Zeitpunkt dennoch eines: Wenn das wahr ist, hat sich der Chef der Vergabekommission von einem Aufsichtsrat leiten lassen, der von der Republik Österreich bestellt wurde, der ein Treffen Meischi-Hochegger organisiert hat, in dem Fall persönlich die Verhandlungen über die Vertei­lung der Beute übernommen hat, nämlich des aus der Korruption erwachsenden Provi­sionshonorars, weil er Ramprecht, der ein Mitarbeiter Grassers war, gleichzeitig gesagt hat, dass es die IMMOFINANZ werden muss.

Allein wegen dieses Sachverhalts, wenn dem im Strafverfahren nicht widersprochen wird, werden wir nicht umhin kommen, das hier zu diskutieren, denn wenn es in dieser Republik Kommissionen gibt, in denen ein Einzelner vorhersagen kann, was heraus­kommt, 9,6 Millionen € Schmiergeld bezahlt werden, dann ist das für das Parlament durchaus etwas Aufklärungsbedürftiges. (Abg. Öllinger: Eben!)

Die Frage der Unterschlagung, die Frage des Amtsmissbrauchs, alle anderen Fragen sind Fragen der Strafgerichtsbarkeit. Die Frage der politischen Entscheidung, wie es zu diesem Vergabeverfahren gekommen ist, ist aber eine, die dann hier landen wird. Da­her gilt unsere Noch-nicht-Zustimmung zum Untersuchungsausschuss von letzter Wo­che, wie sie Günther Kräuter formuliert hat, in gleichem Maße. (Abg. Öllinger: „Da­her“?)

Jetzt einmal weg vom Kriminalfall, zur Gesamtsituation: Herr Abgeordneter Grosz, dass es ein ansteckender Virus der ÖVP war, wie Sie glauben, der dieses junge, auf­strebende Buberlpartiemitglied Karl-Heinz Grasser so verändert hat im Jahre 2002, ist doch ziemlich unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist jedoch, dass Grasser ein System


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erlernt hat in dieser Buberlpartie. (Oho-Rufe bei der ÖVP.) Wem hat denn zum Beispiel die IMMOFINANZ und die Constantia gehört? Das war doch am Ende die Turnauer-Gruppe. Erinnern wir uns doch, wie damals die Bargeldkoffer abgeholt worden sind vom Klubdirektor. (Abg. Ing. Westenthaler: Nehmen Sie das zurück mit den Bargeld­koffern!) Das System wurde ja gelernt. Man hat ja gesehen, wie das System funktio­niert. Damals wurde das Geld im Koffer noch bar abgeholt, heute machen sie es schon geschickter über Delaware und Liechtenstein. (Abg. Ing. Westenthaler: Meinen Sie da den Rechnungshofpräsidenten, oder?)

Zweieinhalb Jahrzehnte Erfahrung als Verteidiger in Finanzstrafsachen sagen mir, dass Sie, meine Damen und Herren, wenn der Anteil Hocheggers von 25 Prozent auf 20 Prozent herabgesetzt wird, sicher davon ausgehen können, dass nicht nur vier Menschen daran partizipiert haben, sondern dass es fünf waren. Zwei kennen wir schon: Bar-aufs-Handerl-Meischi und Hochegger. (Abg. Grosz: Hochegger ist ein Ro­ter!)

Vielleicht gibt es da noch den Immobilienspekulanten. Wer waren die anderen zwei? Das herauszufinden wird Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein. Ich bin überzeugt da­von, dass Frau Bundesminister Bandion-Ortner den Verdacht, der auf der Justiz lastet, dass bei Prominenten Verfahren nicht durchgeführt werden, nicht stehen lassen wird, sie alles dazu tun wird, damit Anklagen erfolgen. Und dann werden wir die Aussagen vor dem Strafgericht in öffentlicher Verhandlung hören. Ich bin überzeugt davon, dass dann Zeit genug ist, dass wir uns auch der politischen Verantwortung stellen können.

Mir können Sie nicht vorwerfen, dass ich ein großer Freund Karl-Heinz Grassers ge­wesen bin oder gar noch bin. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Hochegger gehört aber euch! – Abg. Ing. Westenthaler: Ist das nicht ein Riesenproblem, Matznetter, dass ihr den Rechnungshofpräsidenten gewählt habt? – Abg. Grosz: Das ist ein SPÖ-Problem, das Ganze!)

17.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vock. – Bitte.

 


17.07.03

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! (Zwischenrufe von Abgeordneten des BZÖ in Richtung SPÖ. – Präsident Neugebauer gibt das Glocken­zeichen.) Herr Kollege Westenthaler, darf ich? – Gut, danke.

Ich gebe dem Kollegen Dr. Wittmann recht, wenn er sagt, dass der Gesamtverkauf an sich fragwürdig war, denn man hätte sicherlich durch Teilverkäufe einen höheren Preis erzielen können. In dem Zusammenhang ist für mich auch unverständlich, dass dieser Gesamtverkauf, der damals Regierungsbeschluss war, nur Herrn Grasser bekannt war und nicht auch den Regierungsmitgliedern der ÖVP, die ja damals auch auf der Regie­rungsbank gesessen sind. Das ist für mich etwas unverständlich.

Dem Kollegen Schmuckenschlager möchte ich sagen: Wir betreiben keine Kindesweg­legung! Wir gestehen schon ein, dass im Laufe unserer Parteigeschichte der eine oder andere in unserer Partei war, bei dem wir dann irgendwann einmal festgestellt haben, dass er nicht zu unserer Grundlinie, nicht zu unserem Verständnis passt. Daher haben wir auch zum Beispiel, und das ist für jedermann auf der Parlaments-Homepage nach­lesbar, am 21. April 1999 Walter Meischberger aus der Partei ausgeschlossen. Das ist sogar für jeden auf der Parlaments-Homepage nachzulesen. Angesichts dessen zu be­haupten, wir betreiben Kindesweglegung, geht nicht. Das ist vor zehn Jahren gesche­hen, und alles, was danach geschehen ist, ist weit weg von uns. (Abg. Haubner: Wer hat ihn ausgeschlossen? – Abg. Grosz: Hat ihn vielleicht gar Strache ausgeschlos-


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sen?) Die FPÖ hat ihn ausgeschlossen! Bitte lest das nach! (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Grosz.)

Im Herbst 2002 hat Herr Grasser die FPÖ verlassen. Es kann sich noch jeder an die­ses berühmte Fernsehinterview erinnern, wo die drei Minister und Klubobmann Wes­tenthaler gesessen sind und gesagt haben, sie sagen der FPÖ adieu, sie gehen, sie sprengen diese Regierung. Mit ihr kann man keinen Staat mehr machen, haben sie ge­sagt, sie nehmen den Hut, sie gehen, sie legen alle Ämter zurück. (Abg. Ing. Westen­thaler: Ein legendäres Ereignis!)

Das geschah, weil der Druck der Basis, der Druck der FPÖ, der Funktionäre, die heute großteils hier im Nationalrat vertreten sind, einfach zu groß war. Das heißt, wir haben gesagt: Wer in der Regierung sitzt, egal, welche Person es ist, der muss freiheitliche Grundgedanken auch in der Regierung vertreten. Und weil das nicht geschehen ist, haben wir auf diese Regierung von der Basis her Druck gemacht. Der Druck war so
groß, dass er dann 2002, für uns sehr schmerzhaft, in Knittelfeld zwischengelandet ist.
(Abg. Ing. Westenthaler: Waren Sie auch dabei?) – Nein, da war ich nicht dabei.

Knittelfeld ist sehr schmerzhaft in der Parteigeschichte, weil Schüssel es danach als Auslöser für Neuwahlen genutzt hat. Wir haben unser Gewissen, das wir parteiintern gehabt haben, dass wir selbst unsere Regierungsmitglieder für ihr Vorgehen gerügt ha­ben, schmerzhaft zur Kenntnis nehmen müssen, weil uns auch der Wähler abgestraft hat. (Abg. Grosz: Lernen Sie Parteigeschichte!)

Ich sage Ihnen, die Funktionäre, die damals gelaufen sind, haben nicht verstanden, was die Regierung macht, und wir haben damals teilweise auch den Wähler verstan­den, warum er uns dafür abstraft. (Abg. Grosz: Das haben Sie verstanden?) Wir haben gesagt: So kann es nicht weitergehen!

Als die Regierungsmannschaft trotzdem so weitermachen wollte, wurde der Druck abermals so hoch, dass die Regierungsmitglieder mit ein paar weiteren Spitzenfunktio­nären sogar derartig abgehoben haben, dass sie eine neue Partei gegründet haben.

Daher für alle, die das hier im Hohen Haus nicht verstehen: Es ist relativ leicht erklär­bar. Es gibt eine Basis der FPÖ, eine Bewegung, die für Grundwerte steht, die für ihre Anliegen steht, die für das steht, was wir den Wählern versprechen. Und es gab eine Regierungsmannschaft, denen waren offensichtlich eigene Interessen höherwertig als die Parteiinteressen.

Noch einmal: Im Herbst 2002 ist Herr Grasser zur ÖVP gewechselt, und die Ausschrei­bung, über die wir heute sprechen, war im August 2003.

Was mich aber interessiert, ist: Wer war an diesem Immobilien-Deal noch beteiligt? Man hört jetzt in der Öffentlichkeit von Meischberger und Hochegger, aber: Ist das
nur die Spitze des Eisberges, oder sind das wirklich alle? Oder gibt es da noch jeman­den, der Interesse daran hat, dass das nicht aufgeklärt wird, der hier versucht, zu ver­dunkeln, der nicht will, dass das weiter aufgedeckt wird? (Abg. Grosz: Möglicherweise Strache selbst?)

Wer hat für welche Leistungen bezahlt? Wenn ich hier höre, dass so viel Geld geflos­sen ist, dann muss es ja nicht nur einen Empfänger geben, sondern auch jemanden, der dafür bezahlt hat. Ich muss auch sagen, dass mich überrascht hat, dass der Rech­nungshof, obwohl er das kontrolliert hat, diese Provisionszahlungen, die jetzt aufge­taucht sind, nicht feststellen konnte.

Gestatten Sie mir abschließend als Tierschutzsprecher einen kurzen Abstecher in das Tierreich. (Heiterkeit.)


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Herr Vizekanzler Pröll, als Sie in der Vorwoche Ihr Statement zur Lage der Nation ab­gegeben haben, habe ich geglaubt, Sie sind der Löwe der Nation. Ich muss aber fest­stellen, Sie sind der Hase: Ihr Name ist Hase, Sie wissen von nichts. (Beifall bei der FPÖ. – Staatssekretär Dr. Lopatka: Na ja, das war jetzt nicht besonders! – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Eine „sensationelle“ Rede!)

17.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Stadler –: Ewald, eine Bitte: Repliziere auf das! – Unruhe im Saal. – Präsi­dent Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

 


17.12.27

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Vock ist der lebende Beweis dafür, dass man in diesem Haus auch reden darf, wenn man sich nicht auskennt. Der „Hase“, den Sie zitiert haben, war ein Preuße, und der hat nichts mit dem Tierreich zu tun. Aber bitte, das ist ein anderes Kapitel. Ich will auf diese Dinge gar nicht eingehen.

Meine Damen und Herren, schauen Sie, ich stehe sicher nicht im Verdacht, jemals dem Herrn Grasser besonders nachgelaufen zu sein, wirklich nicht. (Abg. Dr. Graf: Oh ja!) Nein! Das habe ich im Gegensatz zu manchen hier in diesem Hause auf meinem Konto gut. Jeder, der weiß, wie das Verhältnis zwischen Karl-Heinz Grasser und Ewald Stadler war, der weiß, dass das von einer gepflegten Feindschaft geprägt war.

Meine Damen und Herren, ich habe Grasser immer für einen der größten Blender die­ser Republik gehalten. (Ruf bei der FPÖ: Geh!) Günter Stummvoll weiß es. Als Grasser zu euch gewechselt ist, habe ich gesagt: Mit dem Blender wünsche ich euch viel Glück; da habt ihr euch jetzt etwas eingehandelt! Das ist normalerweise wie eine An­steckung. Ich habe euch damals gesagt: Der wird euch noch um die Ohren fliegen! (Abg. Dr. Graf: Das kann man jetzt zum BZÖ sagen! – Abg. Kopf: Wo warst du da­mals?)

Was ich nicht wusste, ist, dass es so lange dauern wird, bis er euch um die Ohren fliegt. Es hat jedoch eine Zeit lang gedauert, und nun ist dieser Blender doch noch dort gelandet, wo er hingehört, meine Damen und Herren.

Herr Vizekanzler, wenn Sie es genau wissen wollen, auch Ihrem Onkel habe ich das damals übrigens gesagt: Wie könnt ihr den übernehmen? – Wir sind ja froh gewesen, dass wir ihn los waren, so wie bei Heide Schmidt. Wir hätten ihm ein Mascherl umge­hängt, um ihn loszuwerden. Die ÖVP hat also Grasser übernommen – und jetzt fliegt er euch um die Ohren. Aber das geschieht euch recht, denn, meine Damen und Herren, ihr habt einen gewissen Sinn für Blender gehabt, und da habt ihr gleich den größten der Republik erwischt!

Die SPÖ soll jedoch nicht so tun, als ob sie mit denen nichts zu tun gehabt hätte, denn der Herr Hochegger, meine Damen und Herren, war ein prominenter Roter, glaube ich. Oder? Ein Freund von Viktor Klima! Also tut nicht so, als ob euch diese Leute alle fremd wären, als ob ihr zum ersten Mal von denen hören würdet, meine Damen und Herren von der SPÖ!

Nein, nein, es gibt schon eine bestimmte Anfälligkeit von Regierungsparteien für Leute wie Grasser und Hochegger, die sammeln sich dann wie Ungeziefer um irgendwelche Exkremente, die kreisen dann immer gleich darum herum, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

So ähnlich ist es auch hier! Auch der arrogante Herr Winkler passt furchtbar gut in die­ses ganze Milieu hinein. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wer?) – Der Herr Winkler. Ich


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weiß nicht, ob Sie sich an den erinnern. Das war dieser schönste Kabinettschef aller Zeiten. Wie er vor dem Ausschuss aufgetreten ist, wie eine Diva! Man hat nicht ge­wusst, wer ist jetzt der Bessere: der Chef oder sein Diener? (Abg. Dr. Graf: Bei der Ak­tionsgemeinschaft war der, bei den schwarzen Studenten!)

Eine Blendernummer der Sonderklasse! Wie die ÖVP diese Blendernummer überneh­men konnte, war mir ein Rätsel. Wir wissen heute offensichtlich, dass es nicht nur Blenderei gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mir war damals bereits diese Achse, die sich da regelmäßig beim Herrn Plech in Droß oben, im Waldviertel getroffen hat, auf dem Anwesen in Droß, suspekt. (Abg. Dr. Stummvoll bekundet seine Verwunderung.) – Warst du dort nicht dabei? Haben sie dich nicht eingeladen? – Jöh, jöh, jöh.

Also, bitte, diese Partie hat sich dort oben regelmäßig getroffen. Man ist miteinander nach China gefahren, man ist miteinander in die USA gefahren. Auf einmal war der Herr Plech im Aufsichtsrat der BIG, auf einmal war er im Aufsichtsrat der BUWOG – und dann ist die BUWOG verscherbelt worden. Und heute stellt sich heraus, dass nicht erklärliche Provisionszahlungen damit verknüpft sind.

Mir ist diese ganze Partie damals schon suspekt vorgekommen. Das hat mir genügt. Das war einer der Gründe – falls Sie es genau wissen wollen –, warum ich im Gegen­satz zu Herrn Vock in Knittelfeld wirklich dabei war, und zwar gerne dabei war. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass diese Leute am falschen Platz waren, glauben Sie mir das! Und heute beweist sich das ja. Hier sind Blender auf der Regierungsbank ge­sessen, die dort nie hingedurft hätten. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Nicht auf mich zei­gen!) – Nein, nicht Sie! Sie haben es nur übernommen. Sie hatten einen gewissen Sinn für Blender, die als Altlast übernommen werden mussten.

Meine Damen und Herren, ich stehe dazu: Ich war damals der festen Überzeugung, dass dieser Mann einer der Hauptgründe dafür ist, dass mehr Leute in diesem Land, als notwendig gewesen wären, die damalige Bundesregierung abgelehnt haben. Das wäre nicht notwendig gewesen! Karl-Heinz Grasser ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, und er hat schon dafür gesorgt, dass seine Freundchen alle zum Zug gekommen sind.

Aber bitte, meine lieben Freunde von der FPÖ, das sind auch eure Leute gewesen! Ihr seid denen alle nachgelaufen, und zwar der Reihe nach. Aber selbstverständlich, Christian (in Richtung des Abg. Ing. Höbart), du warst auch einer! Ich erinnere mich noch an die Casinos Austria Veranstaltung mit Herrn Grasser, als er da auf der Bühne herumgeturnt ist und du ihm dort groß applaudiert hast, dem großen Unternehmer-Wunderwuzzi.

Kommen wir zu einem aktuellen Thema. Könnt ihr mir dieses Foto erklären? Bei Fotos vom Heinz-Christian Strache kenne ich mich wirklich aus. Ich erkläre euch dieses Foto, es ist ein anderes. Also, man sieht hier Herrn Lasar, Wiener FPÖ-Abgeordneter, den – wie heißt er da in diesem Artikel? – „Hump-Dump Hilmar Kabas“, der fast schon das Mündchen zur Spitze zusammenballt, weil er Walter Meischberger sieht. – Wissen Sie, wo man das aufgenommen hat? Beim 40. Geburtstag des Heinz-Christian Strache, heuer im Juni! (Jöh-Rufe bei BZÖ und ÖVP.)

Also ich habe weder Herrn Meischberger jemals bei mir auf einem Geburtstag sehen wollen – ich hätte ihn hinausgejagt! –, noch hätte ich Herrn Grasser dort sehen wollen. Ich habe aber auch den Herrn „Hump-Dump“ nie eingeladen, das sage ich auch gleich dazu.

Meine Damen und Herren, da hat sich schon die richtige Partie getroffen. Wissen Sie, wie lange dieses Foto auf der Homepage des HC Strache war? – Bis der BUWOG-


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Skandal aufgeflogen ist. Seitdem finden Sie es nämlich nicht mehr. Jetzt ist man auf Zeitungsartikel angewiesen. Bis dorthin war dieses Foto ein Renommierfoto; man hat sich doch gerne gezeigt mit Meischberger.

Jetzt auf einmal will man sich nicht mehr zeigen, meine Damen und Herren! Also wer hat da Erklärungsbedarf? – Wir mit Sicherheit nicht, und ich am allerwenigsten. Jeder von euch weiß das! Ich habe mit diesen Figuren nie etwas zu tun gehabt.

Und dem Herrn Vock sei noch etwas ins Stammbuch geschrieben: Nicht du hast da da­mals irgendwen hinausgeschmissen. Meischberger – das war eine meiner Leistun­gen – musste mir da hinten erklären (der Redner weist in Richtung der hinteren Bän­ke), dass er den Klub sofort zu verlassen hat, nachdem „Bar aufs Handerl“ aufgekreuzt ist. Da herunten war ich damals geschäftsführender Klubobmann, und da hinten muss­te mir Meischberger das erklären, denn sonst wäre ich nämlich ganz anders mit ihm gefahren. Dort hinten also musste mir Meischberger erklären, dass er den Klub ver­lässt, meine Damen und Herren! Das ist meine politische Hygiene – im Gegensatz zu euch! Ich habe niemanden zum Geburtstag eingeladen, mit dem ich auch vorher nichts zu tun haben wollte. (Beifall beim BZÖ.)

Ich weiß gar nicht, was sich Heinz-Christian Strache von diesen Leuten verspricht. Ich weiß es nicht! Es muss nur ein bisschen nach Fiona ausschauen – und schon ist es für Heinz-Christian Strache erstrebenswert. Er gehört ja so gerne zum Jet-Set, er würde ganz gern dazugehören. Ich habe nie so eine Profilierungsneurose gehabt! (Ironische Ah-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe immer gewusst, wer ich bin, was ich bin, was ich kann. Ich brauche keine Fio­na, ich brauche keinen Jetset, ich brauche keinen Grasser, ich brauche schon gar kei­nen Meischberger, ich brauche auch keinen „Hump-Dump“. Ich brauche die alle nicht, meine Damen und Herren, aber ihr braucht sie! Deswegen: Schaut genau hin! Das ist nicht unsere Altlast, sondern das ist schon eure Neulast, die ihr euch da eingehandelt habt. (Abg. Hornek: Eine schöne Familienfeier!)

Meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, ja, ja, ja, ja. So gerne würde man heute sagen können, man hat nichts damit zu tun, man hat sie alle verloren – und dann lädt man sie zur Geburtstagsfeier ein. Wenn es ihm so ein Anlie­gen gewesen wäre, die alten Kameraden zum Geburtstag einzuladen, dann hätte er mir auch eine Einladung schicken können. Vielleicht wäre ich sogar gekommen. Wer weiß? (Abg. Hornek: Familientreffen!) Aber ich hätte dann gesagt: Oh, da ist der Meischberger da, da ist der Grasser nicht weit – und da gehe ich wieder! Das hätte ich mit Sicherheit dort geliefert.

Schauen Sie, meine Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuss, der kommt, der kommt hundertprozentig. Dieser Untersuchungsausschuss, Herr Vizekanzler, der kommt. Der Untersuchungsausschuss kommt nur deswegen jetzt nicht – ich zitiere Wittmann –, „derzeit nicht“ – habe ich dich richtig zitiert? –, und Matznetter sagt „noch nicht“, ich aber kann Ihnen sagen, wie lange er nicht kommen wird: Er wird so lange nicht kommen, solange Sie noch einigermaßen die Koalition fortsetzen können. Jetzt hat endlich die SPÖ ein Druckmittel gegen die ÖVP. Wenn ihr also weiterhin so wichti­ge Reden haltet, so wie Sie jetzt da mit der Hacklerregelung und so weiter, dann kommt die Drohung: Untersuchungsausschuss Grasser! Wenn ihr von der ÖVP weiter­hin glaubt, ihr könnt schon wieder in vorzeitige Neuwahlen marschieren, dann kommt der Untersuchungsausschuss Grasser. Das ist mit „derzeit nicht“ gemeint, das ist mit „noch nicht“ gemeint. Jetzt hat die SPÖ endlich ein Druckmittel.

Ich weiß, du (in Richtung des Abg. Kopf) brauchst dich nicht zu fürchten. Ich weiß nicht: Wie eng warst du denn mit dem Grasser? Wirtschaftsbund? (Abg. Kopf schüttelt verneinend den Kopf.) Nicht? Aber ihr habt einen Haufen Auftritte für ihn organisiert,


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habe ich in Erinnerung. Ja, natürlich, Grasser war euer „Wunderwuzzi“ im Wirtschafts­bund; ihr habt ja gar nicht genug Grasser haben können. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Kopf: Nein, nein!) Also tu nicht so, als ob du Grasser gar nicht kennen würdest. Ihr seid ihm alle nachgelaufen wie der Zins dem schlechten Geld. So ist es, meine Damen und Herren!

Daher ist es nicht so angenehm, wenn man einen Wahlkampf machen muss und gleichzeitig einen Untersuchungsausschuss mit dem Karl-Heinz Grasser. Das ist für die ÖVP nicht angenehm. Die SPÖ sagt daher, „derzeit noch nicht“. (Zwischenbemer­kung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Ich höre, dass ihr schon wieder am Wahlkampf­vorbereiten seid. Euch sticht ja schon wieder der Hafer. Ihr von der ÖVP habt ein paar Wahlerfolge – und schon denkt ihr darüber nach, wie man die Koalition platzen lassen könnte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt „reicht es“ schon wieder!) Deswegen darf zum Beispiel  (Neuerliche Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.)

Herr Vizekanzler, dein eigener Koalitionspartner jammert uns an, dass er deswegen im Untersuchungsausschuss keinen Minister laden darf – er würde ja gerne –, weil es lau-ter schwarze Minister oder Ex-Minister sind und weil die ÖVP schon wieder mit Koali­tionsbruch droht. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Aber ja! Mitt­lerweile greift das ja ein Blinder mit dem Stock. Euch sticht schon wieder der Hafer. Ein paar Prozente in einem Bundesland – und schon wieder hat die ÖVP die Gelüste der Macht. Ist ja normal! Wir kennen die ÖVP lange genug. Wieso soll sie sich ändern?

Und jetzt hat die SPÖ endlich ein Druckmittel, meine Damen und Herren – und dieses Druckmittel wird früher oder später kommen. Und dann werden wir dabei sein. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Hornek: Man wird sich ja noch was wünschen dürfen!)

17.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brosz. Restrede­zeit der Fraktion: 4 Minuten. – Bitte.

 


17.23.07

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ich habe mir heute relativ genau angeschaut, wie Sie diese Dringliche Anfrage und die Beantwor­tung angelegt haben. Begonnen hat es zu Mittag in der APA, wo offenbar aus Ihrem Ressort durchgeklungen ist, dass Sie nicht vorhaben, heute im Parlament zu erschei­nen, sondern Ihren Kollegen Lopatka schicken wollen. Sie haben dann offenbar noch erkannt, dass es doch etwas schwierig sein würde, wenn der Vorwurf der Nichtbeant­wortung so direkt kommt. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Da müssen Sie sich keine Sor­gen machen!)

Wir machen uns keine Sorgen, Herr Vizekanzler, aber ich kenne Sie schon lange ge­nug, und ich glaube, es war das erste Mal, dass Sie eine Dringliche Anfrage in Ihrer Zeit einmal nicht dazu genutzt haben, ein Wort zur Einleitung zu sagen. Und das ist be­zeichnend, weil Sie normalerweise eine Viertelstunde, 20 Minuten darüber reden kön­nen, wie eigentlich die Welt zusammenhängt und was da alles mit drinnen ist, bevor Sie direkt in die Beantwortung gehen. Das haben Sie heute völlig ausgelassen, ohne ein Wort dazu zu sagen.

Warum? – Weil natürlich genau die Frage, die wir gestellt haben und die auch ehrlich gestellt war: Nutzen Sie die heutige Dringliche Anfrage zu einer Distanzierung oder zu einer Verteidigung des Systems?, bei jeder Einleitung gefallen wäre. Sie haben ver­sucht, es zu umschiffen, und jetzt können wir aus der Form der Beantwortung unsere Schlüsse ziehen.

Herr Vizekanzler, Sie haben bei einigen Punkten Antworten gegeben, insbesondere bei der Frage der Aufträge an Hochegger, und wenn man es jetzt überschlägt, dann


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kommt man drauf – das haben Sie nämlich nicht beantwortet, wie hoch die Gesamt­summe war; wenn ich es richtig mitgeschrieben habe, komme ich auf 3,1 Millionen € –, dass der Herr Hochegger mit seinen Firmen unter Karl-Heinz Grasser 3,1 Millionen € bekommen hat.

Da Sie immer die Frage der strafrechtlichen Verantwortung ansprechen: Das ist ja noch nicht strafrechtlich verantwortlich oder relevant, wenn jemand grundsätzlich Ho­norare bekommt, sondern es geht um die politische Verantwortung. Und eine Honorar­zahlung von 2,359 Millionen €, wie Sie gesagt haben, nur im Bereich der KMUs und der Roadshow ist eine Frage, die dieses Haus hier, die dieses Parlament zu beantwor­ten hat, inwiefern das gerechtfertigt war, inwiefern das politisch gerechtfertigt war. Hier haben Sie Antworten gegeben, aber die Nachfragen stehen aus.

Schmuckenschlager, glaube ich, war es, der darauf hinweist, es sei Show, was sich da abspielen soll. Seit wann sind denn die Aussagen Ramprechts bekannt? – Die Aussa­gen Ramprechts kennen wir seit etwa 14 Tagen. Da geht es genau um die Vorwürfe, dass Grasser ihm explizit gesagt hat, wie diese Vergabe laufen soll. Und der Punkt ist: Das eine ist das strafrechtliche Verfahren, und das andere ist die politische Verantwor­tung, die hier zu klären ist. Aber wenn wir hier im Haus keine Zeugeneinvernahmen der Mitarbeiter des Ministeriums machen können, dann wird vieles im Dunkeln bleiben, was Sie jetzt mitverantworten. (Beifall bei den Grünen.)

Die Frage war explizit an Sie gerichtet, ob Sie eigentlich als Finanzminister der Mei­nung sind, dass ein Untersuchungsausschuss diesem Haus guttun würde. Ihre Ant­wort, das entscheidet das Plenum, kennen wir schon. Wir wissen auch, dass Sie es ab­gelehnt haben, sonst wären wir letzte Woche nicht so weit gekommen, aber es geht hier wohl darum, wirklich Licht ins Dunkel zu bringen.

Wenn Sie sich hier herstellen und sagen, dass zu vielen Fragen, wie zum Beispiel, ob Sie ausschließen können, dass Grasser relevante Informationen aus dem Verfahren weitergegeben hat, Sie nicht zuständig waren, dann frage ich Sie, wie Sie eigentlich mit dem Interpellationsrecht in diesem Haus umgehen. Was heißt denn das? In dem Moment, wo ein neuer Minister kommt, ist alles andere, was vorher war, sakrosankt?

Ja, wen hätten wir denn fragen sollen? Den Herrn Grasser, der es selbst beantwortet hätte? „Herr Karl-Heinz Grasser, haben Sie vielleicht selbst das Verfahren gescho­ben?“ – Das wäre eine Beantwortung gewesen, die originell gewesen wäre.

Der Nächste, der zuständig war, war der Kollege Molterer, der in einem sehr direkten Zusammenhang mit Grasser gestanden wäre und wo wir nicht wirklich einen Bruch mit dem System Grasser hätten erwarten können.

Der, der die Chance ausgelassen hat, sind Sie heute gewesen. Sie hätten die Chance zu sagen, mit diesem System Grasser und ÖVP alt möchte ich nichts mehr zu tun ha­ben. Diese Chance haben Sie heute ausgelassen.

Abschließend: Aus der Präsidiale ist heute bekannt geworden – nur so viel zum The­ma, inwiefern denn eigentlich strafrechtliche Ermittlungen und das Parlament miteinan­der zu tun haben –, es gibt ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft, die Protokolle des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses in der Sache Petrikovits zu übermitteln. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Ja, warum denn? – Weil da offenbar relevante Informationen aufgetaucht sind, die auch für das Strafver­fahren relevant sind. In diesem Fall werden wir überhaupt klären müssen, wie das möglich ist.

Das zeigt doch, wie notwendig ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss auch für die weitere Aufklärung von strafrechtlichen Vorgängen ist (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen), wenn dort überhaupt einmal die Dinge auf den


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Tisch kommen, auf die sich die Staatsanwaltschaft bezieht. (Abg. Kopf: Was ist das für eine Argumentation?) Was das für eine Argumentation ist? – Fragen Sie die Staatsan­waltschaft! Wenn das alles irrelevant wäre, würden die wohl nicht die Akten anfordern. (Beifall bei den Grünen.)

17.27


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

17.27.56Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zur Durchführung der kurzen Debatte. Sie betrifft den Antrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 346/A(E) betreffend die Verankerung der Schutzmachtfunktion Österreichs für die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache eine Frist bis 22. Oktober 2009 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die namentliche Abstimmung über den gegenständli­chen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, der Erstredner verfügt über eine Redezeit von 10 Minu­ten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Regierung oder zu Wort gemeldeten Staats­sekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


17.28.44

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus! Im Jahr 1919 haben die Ereignisse des Ersten Weltkrieges noch durchgeschlagen. Man hat den Ausgang des Krieges verhandelt, und im Vertrag von Saint Germain wur­de zum großen Leidwesen der Tiroler die Abtrennung des südlichen Landesteiles be­schlossen.

Eine Zeit brach an, in der diese Bevölkerung massiven Unterwanderungen ausgesetzt war. Diese Unterwanderung, die vom italienischen Faschismus ausging, hatte einzig und allein das Ziel, die Bevölkerung deutscher und ladinischer Muttersprache dezidiert dort auszulöschen, und das hat man auch in politischen Stellungnahmen immer wieder so kundgetan.

Die Menschen waren einer Unterwerfung ausgesetzt, wo Namen nichts mehr galten, wo Namen, die Tausende Jahre gegolten hatten, umbenannt wurden, Flurnamen um­benannt wurden nach Tolomei, frei erfunden, und wo Namen von Menschen umbe­nannt wurden in menschenrechtswidriger Art und Weise.

Die Menschen waren dem Faschismus ausgesetzt. Es hat den Versuch gegeben, die Eigenart zu erhalten, die Kultur zu erhalten mit sogenannten Katakombenschulen. Es haben sich Menschen wie Reut-Nikolussi und Josef Noldin besonders darum verdient gemacht, diese Unterwerfung zu verhindern. Sie konnte am Anfang verhindert werden. Es wurden die Ereignisse bekannt mit dem München-Rom-Pakt, der letztendlich zum Ziel hatte, die Südtirolfrage im Sinne der Nationalsozialisten, aber auch im Sinne des italienischen Faschismus einer endgültigen Klärung zuzuführen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Situation für die Südtiroler nicht viel besser. Auf­grund des Gruber-De Gasperi-Abkommens – wobei der damalige Außenminister für


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sein Verhandlungsungeschick in Innsbruck vom Schützenmajor eine Ohrfeige erhalten hat, weil er so schlecht verhandelt hatte – kam es zu massiven Unterstützungserklä­rungen an die österreichische Bundesregierung, und 155 000 Unterschriften zeugten vom unbändigen Willen der Tiroler, zusammenzugehören. – Auch das wurde interna­tional ignoriert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Folge kam ein letzter Aufschrei 1957 bei der Kundmachung in Sigmundskron. Hier hat man ein eindeutiges Zeichen gesetzt, wohin der Weg gehen sollte, nämlich zur Selbstbestimmung über das Autonomiestatut.

Letztendlich hat der österreichische Nationalrat in seinem Außenpolitischen Ausschuss eine einstimmige Erklärung abgegeben, auf Südtirol nicht verzichten zu wollen, und dass ein Autonomiestatut letztendlich nur als Übergangslösung dienen könne. Anderes war nicht vorgesehen.

Jetzt haben wir beziehungsweise der damalige Nationalratspräsident Khol 2004 eine Unterstützungspetition erhalten, wo alle Bürgermeister von Nord- und Südtirol unter­schrieben haben, und seitdem hat sich zum Thema Schutzmachtfunktion in diesem Land nichts mehr gerührt. Das ist eine Brüskierung aller Bürgermeister und all derjeni­gen, die diese Petition unterschrieben haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und niemand in diesem Haus kann es verstehen, dass bis heute nichts geschehen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe deshalb im Namen der freiheitlichen Fraktion folgenden Antrag ein:

Fristsetzungsantrag

des Abgeordneten Neubauer betreffend Fristsetzung gemäß § 43 Abs. 1 iVm § 43 Abs. 3 GOG-NR

Der Nationalrat wolle gemäß § 43 iVm § 59 GOG beschließen, dem Verfassungsaus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 346/A(E) der Abgeordneten Strache, Neubauer und weiterer Abgeordneter betreffend die Verankerung der Schutzmacht­funktion Österreichs für die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache eine Frist bis zum 22. Oktober 2009 zu setzen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der sogenannte Verfassungskonvent, der da­mals eingesetzt war und dem für das Land Tirol der ehemalige Bundesminister Univer­sitätsprofessor Klecatsky vorgestanden hat, hat in einer Erklärung vorgeschlagen, dass der Bund folgenden Wortlaut in der Präambel der Verfassung aufnehmen möge:

„Die Republik Österreich bekennt sich zur Wahrung und Entfaltung der Selbstbestim­mung des vom Land Tirol abgetrennten Tiroler Volkes deutscher und ladinischer Spra­che.“

Diesem Vorschlag dieses untadeligen Demokraten Klecatsky wurde in zwei National­ratssitzungen Folge geleistet. ÖVP, SPÖ und Freiheitliche haben das bereits beschlos­sen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vergangene Woche hat es in Wien eine Podi­umsdiskussion gegeben, an der ich mit dem Kollegen Hermann Gahr teilgenommen habe, und die Menschen draußen verstehen nicht, warum trotz der Streitbeilegungser­klärung im Jahr 1992, in der diese Schutzmachtfunktion ein wesentlicher Bestandteil ist, die Realisierung 17 Jahre auf sich warten lässt.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben seit fünf Jahren einen gültigen Be­schluss. Warum wird das nicht realisiert? Sie können es kaum erklären. Ich ersuche Sie deshalb noch einmal eindringlich, auch im Sinne dessen, was der letzte Südtirol-Unterausschuss zu Tage gebracht hat. Auf die Frage an den Experten aus Südtirol, Dr. Michel Ebner, EU-Abgeordneter, was er dazu meint, ob die Schutzfunktion Öster­reichs in der Verfassung festgeschrieben werden soll, hat er geantwortet: Südtirol war­tet darauf! – Der Landeshauptmann von Südtirol, Dr. Luis Durnwalder, hat mir am Frei­tag in einem persönlichen Gespräch in Bozen gesagt: Herr Abgeordneter Neubauer, ich ersuche Sie, vielleicht bringen Sie das durch. Tun Sie es! Wir warten darauf.

Sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! Südtirol wartet auf Sie. Tun Sie was! (Beifall bei der FPÖ.)

17.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krist. – Bitte.

 


17.36.31

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Für uns SozialdemokratInnen war es immer schon wichtig, in Ruhe und unaufgeregt, aber mit scharfem Auge und in freundlicher Nachbarschaft dieses sensible Thema der Schutzfunktion Österreichs gegenüber der österreichischen Volksgruppe in Südtirol zu behandeln. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass dieses gelebte Modell weltweit Vor­zeigecharakter hat und sich auch deshalb nicht dazu eignet, in die tagespolitische Dis­kussion gezogen zu werden. Unabhängig von der Verankerung in unserer Bundesver­fassung ist die Schutzfunktion ein Faktum und auch völkerrechtlich verbindlich. (Ruf: Ist ja nicht wahr!)

Meine Damen und Herren! Vor neun Monaten wurde der heute diskutierte Entschlie­ßungsantrag durch die Kollegen von der FPÖ eingebracht, und in diesen neun Mona­ten – mir ist nichts bekannt, und ich habe mich erkundigt – war keinerlei Versuch er­kennbar, diesem Antrag eine Dringlichkeit zu geben. Warum das Thema heute plötzlich schnellstmöglich erledigt werden soll, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Auch wir waren in Südtirol, auch wir haben unsere Kontakte zu Landeshauptmann Durnwalder, und ha­ben das in dieser Eile nicht so verstanden. Die Behandlung dieses sensiblen Themas darf niemals unter Zeitdruck und schon gar nicht auf Zuruf Einzelner aus Südtirol erfol­gen.

Wir sind uns als österreichische PolitikerInnen dieser verantwortungsvollen Rolle ge­genüber Südtirol mehr als bewusst und beobachten sehr genau, wie schon in der Ver­gangenheit, die Entwicklungen in unserem Nachbarland. Und auch in dem Wissen, wie es Bundespräsident Heinz Fischer in Innsbruck formulierte, haben wir das alles be­trachtet und beobachten das ganz genau, dass die TirolerInnen nördlich und südlich des Brenners mit beiden Beinen in einer friedlichen und europäischen Gegenwart ste­hen. Und Südtirol wird sich auch in Zukunft so wie bisher auf Österreich verlassen kön­nen.

Wir alle, meine Damen und Herren, wissen, wie bitter der Vertrag von Saint Germain war, und niemand hat die schmerzvollen Kerben vergessen, die der Faschismus insbe­sondere auch in Südtirol hinterlassen hat. Aber dieses gemeinsame Leid verbindet, und nur gemeinsam ist dieses wichtige Thema Schutzfunktion auch abzuhandeln.

Es liegt dem Hohen Haus ein mit Mehrheit von vier Parlamentsparteien gefasster Be­schluss für eine mögliche Formulierung in einem neu zu fassenden Bundesverfas­sungsgesetz vor, und an den fühlen wir uns nach wie vor gebunden, dem fühlen wir uns verpflichtet. (Ruf: Seit fünf Jahren!)

Zu gegebener Zeit und insbesondere mit größtmöglich unterstütztem Wunsch unserer Südtiroler FreundInnen werden wir die Frage Schutzfunktion – mir gefällt das besser


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als „Schutzmachtfunktion“ – für die österreichische Volksgruppe in Südtirol mit aller Ernsthaftigkeit und allem Verantwortungsbewusstsein behandeln und gemeinsam zur Umsetzung bringen.

Momentan sehen wir weder politisch noch zeitlich eine Veranlassung, so schnell wie möglich zu handeln. Daher werden wir diesem Fristsetzungsantrag keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


17.40.02

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher aus Südtirol auf der Galerie! Ich darf zu diesem Entschließungsantrag des Kollegen Werner Neubauer feststellen: Die ÖVP hat niemals das Thema Südtirol „brüskiert“, sondern die ÖVP hat über viele Jahre und mit Kontinui­tät und Nachhaltigkeit Südtirol-Politik gemacht und hier eingefordert.

Diese Petition trägt immerhin die Handschrift und ist unterzeichnet von acht ÖVP-Ab­geordneten und einem BZÖ-Abgeordneten. Sie ist unterzeichnet von vielen Bürger­meistern und auch vom Schützenbund in Südtirol. Wir stehen zu dieser Petition, Kolle­ge Werner Neubauer! (Abg. Dr. Graf: Ich auch! Ich habe es öffentlich gesagt!) Ich glau­be, wir haben auch vereinbart, dass wir dieses Thema in nächster Zukunft hier im Par­lament gemeinsam behandeln wollen und so wie in der Vergangenheit mit Geschlos­senheit und Nachdruck für dieses kämpfen.

Wir können uns nicht alles in der Südtirol-Frage aussuchen. Es gibt Rom, es gibt Wien, es gibt Innsbruck, es gibt Bozen, und es gibt Brüssel. Ich glaube, der politische Dialog ist immerhin noch das Bessere und das Gescheitere in dieser Frage.

Lieber Werner Neubauer, ich möchte deine Verdienste in dieser Frage und deine Sachkenntnis und deinen Hintergrund nicht schmälern – das liegt mir überhaupt nicht! –, aber es geht, wie ich meine, einfach darum, dass wir das mit politischem Ge­schick und Klugheit machen. Es bringt nichts. Rom ist zu sensibel. Kollege Neubauer, wir wissen, wie es in Rom steht! Und Sie wissen das ganz genau! Ich meine, deswe­gen müssen wir in dieser Frage sensibel vorgehen. (Abg. Neubauer: Feigheit ist das, Feigheit!) – Ich glaube, von Feigheit zu sprechen ...

Ich stelle die Frage: Wieso wurde dieser Antrag – das hat Kollege Krist gesagt – vom 21. Jänner 2009 bis zum heutigen Tag im Verfassungsausschuss nicht eingebracht, und wieso steht er heute mit einem Tag zur Abstimmung? (Abg. Neubauer: Genau deshalb!) Ich glaube, Kollege Neubauer, wir haben etwas anderes vereinbart! Persön­lich weißt du das. Wir werden in Zukunft hier gemeinsam weiterarbeiten.

Ich glaube, insgesamt hat die FPÖ – und das ist auch enttäuschend! – in der Vergan­genheit nicht immer dem Thema Südtirol gedient. Es sind schon die Fragen erlaubt: Wieso hat es gerade in der letzten Legislaturperiode ein Bündnis mit den Neofaschis­ten in Brüssel gegeben? Herr Präsident Graf, wieso haben Sie Ihre parlamentarischen Kontakte nicht genützt und haben im Sommer ein Medienspektakel zu dem Ganzen gemacht? Ich glaube, das wäre auf parlamentarischem Wege sicher besser gewesen. (Abg. Hörl: Es wäre gescheiter gewesen ...!)

Ich lade alle aus der FPÖ ein: Sie sollten in Rom und in Brüssel gerade für Südtirol kämpfen! Das würde uns weiterbringen, da sind Sie eingeladen, mitzuarbeiten (Abg. Neubauer: Das hat nichts mit Rom zu tun! Das weißt du ganz genau!), und nicht hier heute einen Antrag einzubringen, der weder politisch diskutiert ... – Wir haben eine neue Zusammensetzung im Parlament und eine neue Zusammensetzung im Südtirol-Unterausschuss! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neubauer: Was hat die Schutzmachtfunktion mit Rom zu tun? Erkläre uns das!)


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Wir sind immer – trotz Gegenwind – zur Schutzmachtfunktion für Südtirol gestanden und haben uns offen dazu bekannt. Es braucht hier keine Vorwürfe! Ich bin durchaus dankbar, dass es hier im Parlament und gerade auch im letzten Südtirol-Unteraus­schuss große Einigkeit und Verständnis für diese Frage gegeben hat, wo uns Michl Eb­ner wirklich die europäische Dimension dieser Frage präsentiert hat.

Es gibt in Europa 136 Minderheiten, und 45 Millionen Menschen sind betroffen. Ja, wie sollen wir denn das lösen, wenn wir uns in dieser Frage hier nicht einig sind? Ich glau­be, wir können Vorbildwirkung für europäische Lösungen haben, Kollege Neubauer! Das ist der Grund und der Auftrag für uns alle. (Abg. Neubauer: ... Südtirol!)

Ich glaube, wir sollten mit dieser Südtirol-Frage nicht Parteipolitik machen, sondern es geht darum, dass wir das berücksichtigen, was die Menschen in Südtirol erwarten. Ich bin als Tiroler und als ehrlicher Freund von Südtirol, der sich für diese Sache einsetzt, fast tagtäglich mit diesem Thema konfrontiert. Auf diesem Wege, so denke ich, können wir nicht erfolgreich sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir kämpfen auch in Zukunft für die Begnadigung der in Abwesenheit verurteilten Frei­heitskämpfer. Wir haben eine klare Position im Abbau und zur Entfernung der faschisti­schen Relikte. Wir stehen zum Pariser Vertrag. Wir stehen für ein Tirol der Regionen. Es gibt, so glaube ich, durch den Abbau der Grenzen eine gewisse Freiheit, aber es bestehen immer noch Grenzen in der Sprache und im rechtlichen Bereich. Da, so glau­be ich, müssen wir den Hebel ansetzen, dass wir Einheit in Europa schaffen.

Abschließend: Südtirol und die Frage Südtirol und das Zusammenwachsen der Lan­desteile von Tirol sind zu wichtig für politisches Kleingeld. Es ist immer notwendig und richtig, sich für politische Verhandlung einzusetzen und politische Verantwortung zu tragen. Es gibt ganz klar ein politisches Ziel.

Ich stehe zu dem Antrag, auf dem mein Name steht: Schutzmachtfunktion in der Verfassung. Wir werden daran arbeiten; die Petition ist der Beweis dafür. (Abg. Neu­bauer: ... Schutzmachtfunktion!) Lieber Kollege Werner Neubauer, bring dich ein, fahr nach Rom, fahr nach Brüssel, kämpfe mit uns gemeinsam für Südtirol! Damit ist Süd­tirol gedient, aber nicht mit diesem Fristsetzungsantrag, der heute so von heute auf morgen eingebracht wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter DDr. Königs­hofer. – Bitte.

 


17.45.02

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Südtiroler Freunde auf der Galerie! (Beifall des Abg. Neubauer.) Wir diskutieren heute über die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol. Ich kann Ihnen sagen, das Autonomiestatut Südtirols ist eine Gesetzesgabe sozusagen des italienischen Staates an die Südtiroler. Und es ist nur ein Kompromiss und keine Lösung.

So wie sich die italienische Politik in der letzten Zeit, in den letzten Monaten von Rom her darstellt, scheint es mir sehr wohl gerechtfertigt, lieber Kollege Gahr, hier und heu­te einmal Position zu beziehen und diesem Fristsetzungsantrag nach Schutzmachtstel­lung zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gahr.) – Lieber Freund, die Gefahr für Südtirol geht auch von Tiroler Politikern aus, weil sie hergehen und den Menschen Sand in die Augen streuen! Ich sage dir nur das Beispiel mit der Grenze, wo ein Landeshauptmann und Nordtiroler und Südtiroler Politiker hergehen und sagen: Tirol ist ja ohnehin geeint, es gibt ja keine Grenze mehr! – Das ist doch der völlige Unsinn! (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist so, Herr Kollege Gahr, wie wenn zwei Grundbesitzer, die einen Privatgrund ha­ben, den Gartenzaun weggeben. Deswegen sind die Grundstücke noch nicht vereint oder fusioniert. Jeder Grundbesitzer kann nach wie vor über seinen Grund entschei­den. Das sagt ihr immer: Da die Brenner-Grenze weg ist, ist die Lösung ohnehin wei­testgehend erreicht. Und das stimmt nicht!

Da sich in Italien andere politische Strömungen langsam nach oben bewegen und sich Richtung Südtirol durchzusetzen versuchen, werden wir heute diesen Fristsetzungsan­trag stellen. Ich ersuche Sie – ich ersuche auch euch von der ÖVP, da ihr ja auch schon Signale gesetzt habt, dem zuzustimmen –, hier Ihre Stimme für diese Schutz­machtstellung in der Verfassung abzugeben.

Alles andere sind doch faule Kompromisse. Das sind doch keine Gründe, lieber Her­mann oder meine Damen und Herren von den Sozialisten, zu sagen: Warten wir noch, wir sollen behutsam vorgehen! – Was hindert Sie daran, außer die Zeit, außer das Tak­tieren?

Also noch einmal, meine Damen und Herren: Ich fordere Sie auf, ich ersuche Sie, die­sem unserem Antrag hier und heute zuzustimmen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


17.47.54

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Gahr, du hast gesagt, wir können uns nicht aussuchen, was alles zu geschehen hat! (Abg. Gahr: Ja, mit Rom!) – Langsam! Da geht es heute nicht um Rom, sondern heute geht es darum, ob wir uns aussuchen, dass wir etwas, was wir völkerrechtlich als Funktion gegenüber den Südtirolern übernommen haben, in unsere Verfassung schrei­ben oder nicht. Und das können wir uns aussuchen. Da können wir uns aussuchen, wann wir das machen, ob wir das machen, wie wir es machen, und so weiter. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Neubauer: So ist es!)

Da brauchen wir keine Rücksicht auf irgendjemanden zu nehmen, es sei denn, ihr habt schon Zweifel an unserer Schutzmachtfunktion. (Abg. Gahr: Nein!) – Na also, dann hindert uns ja niemand, etwas zu machen ... (Abg. Gahr: Kollege Stadler, in der Peti­tion steht alles drin!) – Nein, da geht es nicht um eine Petition! Bitte, die Petitionen in diesem Land; ganze Schlösser könnte man an den Wänden pflastern, so viele Petitio­nen sind schon eingebracht worden! Was ist mit ihnen geschehen? Und ob ein Khol darauf unterschrieben hat oder nicht, spielt auch keine Rolle, denn auf die Unterschrift von Andreas Khol habe ich noch nie viel gegeben! (Abg. Gahr: Oje!)

Das ist nicht das Entscheidende, meine Damen und Herren, sondern das Entscheiden­de ist, ob dieses Parlament, ob die Verfassungsmehrheit, ob der Verfassungsgesetz­geber sagt: Jawohl, wir schreiben das, was wir seit den vierziger Jahren sind, in unsere Verfassung, ja oder nein! – Dazu brauchen wir keinen Römer zu fragen. Das können wir jederzeit machen.

Es ist die Frage, ob das so dringlich ist. Wir werden heute dem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, und zwar schlicht aus einem ganz einfachen Grund: Weil es schon längst zu geschehen hätte! (Abg. Dr. Graf: Das ist schon lange diskutiert!)

Man soll doch nicht so tun, als ob man jetzt warten muss, bis der Verfassungskonvent endlich zu einem Ergebnis kommt, sondern das ist eine Geschichte, die in Wirklichkeit im Verfassungskonvent sogar schon unstrittig war. Daher wäre das eine Sache, die von breitestem Konsens getragen wäre, vielleicht würden sogar noch ein paar Grüne mitstimmen, ich weiß es nicht. Der Rest dieses Hauses, der überwiegende große Teil dieses Hauses, ist ja der Meinung, dass wir das tun sollten. Und jetzt wollen wir nicht


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tun, was wir eigentlich alle tun wollen? – Das ist ein bisschen eigenartig! (Abg. Dr. Graf: Im Andreas-Hofer-Jahr!) Das kann man niemandem erklären, wieso man nicht tun soll, was wir ohnehin angeblich alle tun wollen.

Natürlich weiß ich, dass für die Südtiroler damit noch kein Meter gewonnen ist, sondern es hängt davon ab, was die Politik dann daraus macht, wie man der italienischen Poli­tik begegnet. Da teile ich schon auch die Einschätzung, dass nichts so unsicher ist wie die italienische Innenpolitik. Darin sind wir uns doch wohl einig? – Also gut. Wir wissen also nicht, was dort in wenigen Monaten schon geschehen kann, wenn noch ein paar Pornoskandale auftauchen, wer dann an der Macht ist und wer dann mit den Südtiro­lern wie umgeht. Da wird niemand so pfleglich sein, wie das vielleicht in der Vergan­genheit der Fall war. Wir können es nicht ausschließen – wollen wir es nicht hoffen!

Aber Tatsache ist, dass wir diese Schutzmachtfunktion haben. Und bitte, Herr Kollege Krist, das ist ein Terminus aus dem Völkerrecht! – Also, quasi, man darf keine „Macht“ ausüben: Na, was soll man dann sein? „Schutzliebling“, oder was soll man dann sein? „Schutzschmuser“, oder was stellt ihr euch vor? – Im Völkerrecht gelten bestimmte Ter­mini, und was eine Schutzmacht für eine Minderheit ist, das ist nun einmal im Völker­recht ganz klar. Und daher hat man das Ganze auf die Ebene des Völkerrechts geho­ben, und da war es ja auch ganz gut aufgehoben und hat ja auch etwas weiterge­bracht – aber weil Österreich seine Schutzmachtfunktion auch ausgeübt hat!

Wenn wir das also auch weiterhin tun wollen, spricht nichts dagegen, es in die Verfas­sung zu schreiben. Ich sage aber gleich dazu: Wenn jemand glaubt, nur weil wir es nicht in die Verfassung schreiben, seien wir nicht mehr Schutzmacht, dann ist das auch falsch! Wir bleiben Schutzmacht, unabhängig davon, ob das jetzt in der Bundes­verfassung steht oder nicht. Aber es ist gescheiter, es in die Verfassung zu schreiben.

Nur, Herr Kollege Gahr: Wenn man einen Antrag nur deswegen ablehnt, weil er von der FPÖ-Fraktion kommt, dann geht man auch nicht ehrlich mit dem Anliegen der Süd­tiroler um! (Abg. Gahr: Wo ist die Abstimmung?)

Nein, es geht nicht darum, von welcher Fraktion im Hause dieses Anliegen kommt – Tatsache ist, dass es ursprünglich von allen Fraktionen getragen wurde und dass von euch bis heute nicht umgesetzt wird, das in die Verfassung zu schreiben, was wir an­geblich alle sein wollen. Vor diesem Hintergrund ist daher der Fristsetzungsantrag be­rechtigt! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Gahr: Wieso wurde er nicht eingebracht bis heu­te?) – Wieso?

Er ist schon x-mal eingebracht worden! (Abg. Dr. Graf: Der ist schon lange einge­bracht! – Abg. Gahr: Im Ausschuss!) Herr Kollege Gahr, ich bin überzeugt, du wirst jetzt nach meiner Rede so schnell da hinausstieben, dass ich nur mehr deine Absätze sehe, um endlich den Antrag zu stellen, dass endlich die Verfassung geändert wird. (Abg. Gahr: Du fürchtest dich davor!) – Nein, ich fürchte mich nicht davor, ich erwarte nur dein Brausen da hinaus, damit du endlich diesen Antrag stellst! Ich kann dir jetzt schon frank und frei zusagen, wir werden für diese Verfassungsänderung erstmals unsere Stimmen zur Zweidrittelmehrheit beisteuern, meine Damen und Herren, weil
es überfällig ist. Und was überfällig ist, sollte auch endlich getan werden! (Beifall beim BZÖ.)

17.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bel­len. – Bitte.

 


17.52.43

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Südtirol, Nordtirol, Osttirol – Ti­rol isch a Landl, a kloans. – Im Kaunertal sprechen sie es noch ein bisschen härter aus. – Dass die Interessen Südtirols immer unsere volle Aufmerksamkeit verdienen,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 172

das steht ja, glaube ich, völlig außer Frage. Fraglich kann ja nur sein, welche diese le­gitimen Interessen sind und wie man diesen Interessen am besten dient.

Insofern, Herr Stadler, wundert es mich schon, dass Sie als Verfassungsjurist schon im Voraus ankündigen, dass Sie jeder beliebigen Verfassungsergänzung zustimmen ... (Abg. Mag. Stadler: Der, nur der!) – Dieser speziellen würden Sie zustimmen? – Na sehen Sie, so einfach ist das aber nicht, denn gerade dieser speziellen zuzustimmen hätte ich größte Bedenken, ungeachtet meiner Präambel. Dieser Vorschlag nämlich, den die FPÖ jetzt gemacht hat – und ich danke Ihnen auch für die historischen Hinwei­se auf die Streitbeilegungserklärung und so weiter, das ist alles, glaube ich, sehr inter­essant für diejenigen, die sich nicht täglich damit beschäftigen –, dieser Text, den Sie jetzt vorgelegt haben, der unterscheidet sich nicht unwesentlich von dem, der vor drei Jahren vom Nationalrat und damals zuerst vom Außenpolitischen Ausschuss beschlos­sen worden ist. Dort hieß es nämlich:

Der Nationalrat unterstützt bei einer Verfassungsreform – die ja damals schon sozusa­gen im Schwange war oder in der Luft lag – die Aufnahme einer Bestimmung in die ös­terreichische Bundesverfassung, welche die Schutzfunktion – „Schutzmachtfunktion“ oder „Schutzfunktion“, das ist vielleicht wirklich nicht so wichtig – für die österreichische Volksgruppe in Südtirol verankert.

Das ist schon ganz etwas anderes, Herr Stadler, behaupte ich, als ein Bekenntnis zur Wahrung des weiter abgetrennten Tiroler Volkes deutscher und ladinischer Sprache. (Abg. Mag. Stadler: Das ist historisch wahrer!) – Das ist schon ein bisschen mehr als eine semantische Verkürzung! Ich erinnere Sie nur daran: Wenn 1919 Südtirol und Welschtirol nicht abgetrennt worden wären, dann hätte Österreich eine andere Minder­heit in seinen Staatsgrenzen, nämlich die italienischsprachige Minderheit, ganz beson­ders dann, wenn Welschtirol rund um Trient geblieben wäre, aber natürlich selbst dann, wenn nur die Region Bozen geblieben wäre. (Abg. Dr. Graf: Das hat man Hun­derte Jahre gehabt!) Insofern halte ich die Formulierung für die österreichische Volks­gruppe in Südtirol, die die Sprachbarriere, Sprachgrenze, Sprachzugehörigkeit nicht ausdrücklich erwähnt, für eine ziemlich raffinierte. Da werden Sie mir vielleicht zustim­men.

Außerdem enthielt damals der Entschließungsantrag einen zweiten Satz. Der zweite Satz lautet:

„Die Beachtung der Schutzfunktion anderer Staaten für ihre in Österreich lebenden Volksgruppen (Artikel 8 Abs. 2 B-VG) soll gleichermaßen in die Verfassung aufgenom­men werden.“

Das kann sich in erster Linie nur auf die slowenischsprachige Minderheit in Kärnten be­ziehen. Davon ist im Antrag der FPÖ keinerlei Rede. Da steht nur: „sowie ein Aner­kenntnis der gewachsenen Volksgruppen in Österreich“.

Das ist aber viel schwächer – seien Sie mir nicht böse! – als die Anerkennung der Schutzfunktion oder Schutzmachtfunktion Sloweniens für die slowenischsprachigen Kärntner. (Abg. Dr. Graf: Dann stellen Sie einen Antrag, und wir stimmen zu!) Ich fin­de, Sie weichen da wesentlich ab vom seinerzeitigen vom Nationalrat schon angenom­menen Entschließungsantrag, was die konkrete Formulierung in der Verfassung be­trifft. (Abg. Dr. Graf: Das ist die Formulierung Verfassungskonvent!)

In der Sache kann ich dem schon folgen, was Sie meinen. Das Südtiroler Autonomie­statut ist in verschiedener Hinsicht vorbildlich, aber es ist Jahrzehnte alt. Es ist immer die Frage, in welcher Form es adaptiert werden soll.

Ich muss schon auch sagen, ich hatte einmal – das „Vergnügen“, das kann ich nicht sagen – die Gelegenheit, mit Präsidentem Khol, als er noch Präsident des Nationalrats war, in Rom zu sein. Unmittelbarer Anlass war ein Besuch beim Papst; es war sehr in-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 173

teressant. Kollege Molterer war, glaube ich, auch dabei. Präsident Khol und ich haben uns mit dem italienischen Regionenminister getroffen – wenn ich nicht irre La Loggia, ein Sizilianer, Mitglied der damaligen Berlusconi-Regierung.

Dieses Treffen hat mir sehr zu denken gegeben. Das war ein ausgesprochen undiplo­matisches Treffen, wo La Loggia zuerst einmal erklärt hat: Wer seid ihr überhaupt, was wollt ihr da? Das gehe uns alles einen Schmarren an, nämlich die damals in Diskus­sion befindliche Verfassungsänderung der italienischen Republik, die auch Änderun­gen für das Autonomiestatut bedeutet hätte! Khol und ich – setze ich bescheiden hin­zu – haben ihm ebenso undiplomatisch unter Berufung auf die berühmte völkerrechtli­che Schutzfunktion oder Schutzmachtfunktion erklärt: Na, so ist das aber nicht!

Jeder, der sich die Entwicklung der Berlusconi-Regierungen anschaut, muss sich den­ken: So wie die regieren, muss man sich von Fall zu Fall um die Entwicklung der Süd­tiroler Autonomie Sorgen machen, legitime Sorgen machen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.58

17.58.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kol­leginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 346/A(E) betreffend die Verankerung der Schutzmachtfunktion Österreichs für die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache eine Frist bis 22. Oktober 2009 zu setzen.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Das Verlangen wurde von 20 Abgeordneten gestellt und ist daher durchzuführen. Wir gehen daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte. Sie tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ auf den grauen Stimmzetteln beziehungsweise „Nein“ auf den rosafarbenen Stimmzetteln. Es können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Die Abgeordneten werden namentlich aufgerufen, die Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordnete, die für den Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Neu­bauer, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stim­men, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr Frau Schriftführerin Abgeordnete Mag. Lofeyer mit dem Namensauf­ruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner wird sie später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Mag. Lohfeyer und Dr. Haimbuchner wer­fen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.05 Uhr unterbrochen und um 18.14 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 174

Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 161; davon „Ja“-Stimmen: 47, „Nein“-Stimmen: 114.

Der Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 346/A(E) eine Frist bis zum 22. Oktober 2009 zu setzen, ist somit abgelehnt.

Die Namen der Abgeordneten werden unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bucher Josef;

Deimek, Dolinschek, Doppler;

Fichtenbauer;

Gartelgruber, Gradauer, Graf, Grosz Gerald;

Haider, Haimbuchner, Haubner Ursula, Herbert Werner, Höbart Christian, Huber Ger­hard, Hübner Johannes;

Jannach;

Karlsböck, Kickl, Kitzmüller, Königshofer, Kunasek;

Lausch, Linder, List, Lugar Robert;

Markowitz, Mayerhofer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Petzner;

Scheibner, Schenk, Spadiut, Stadler Ewald, Stefan, Strache;

Tadler Erich;

Unterreiner;

Vock;

Weinzinger Lutz, Westenthaler, Widmann Rainer, Windholz, Winter;

Zanger.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Josef;

Bartenstein, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brosz Dieter, Brunner Christiane;

Cap, Cortolezis-Schlager, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Eßl;

Faul, Fazekas, Franz, Fuhrmann, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gartlehner, Gaßner, Gessl-Ranftl, Glaser, Grillitsch;

Hakel Elisabeth, Hakl Karin, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek;

Ikrath;

Jarmer;

Kaipel, Kapeller, Karl, Katzian, Kirchgatterer, Klikovits, Köfer, Kogler, Königsberger-Ludwig, Kopf, Korun, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lettenbichler, Lipitsch, Lohfeyer, Lueger Angela;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 175

Maier Ferdinand, Maier Johann, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Molterer, Mu­chitsch, Musiol, Muttonen;

Oberhauser, Obernosterer, Öllinger;

Pack, Pendl, Pilz, Plassnik, Plessl, Prähauser, Prammer, Prinz;

Rädler Johann, Riepl, Rudas;

Sacher, Schatz, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schönpass Rosemarie, Schopf, Schultes, Schwentner, Silhavy, Singer, Sonnberger, Spindelber­ger, Stauber Peter, Steibl Ridi Maria, Steier, Steindl Konrad, Steinhauser, Steßl-Mühl­bacher, Stummvoll;

Tamandl;

Van der Bellen;

Walser, Weninger Hannes, Windbüchler-Souschill, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm;

Zinggl.

*****

18.15.27Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die Verhandlung über die Punkte 6 bis 8 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.15.36

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Korun, Sie ha­ben vorher gesagt, wir sind nicht den Parteien, sondern den Österreicherinnen und Ös­terreichern verantwortlich. – Genau, und das wollen wir auch mit dieser Novelle jetzt wieder bekräftigen, denn: Wir wollen Menschen, die es notwendig haben, die verfolgt werden – politisch, rassistisch, aus anderen Gründen –, bei uns in Österreich Asyl ge­währen und ihnen Hilfe geben. Aber wir können nicht solche aufnehmen, die sich Asyl bei uns erschleichen wollen durch zig Folgeanträge, die die Behörden ganz einfach be­lasten, wir wollen keinen Asylmissbrauch im Land! Und das werden wir mit dieser No­velle jetzt beseitigen und klarstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, wie das eben so ist und wie wir das in den letzten Wochen, aber natürlich auch heute wieder gesehen haben – dieses Grün gegen Blau, dieses Links gegen Rechts –, muss ich sagen, dass natürlich auch die Blauen heute wieder gezeigt haben, dass sie sich nicht wirklich mit der Sache auseinandersetzen. Herr Kollege Rosenkranz hat nämlich von Zuwanderung gesprochen. In Wirklichkeit geht es heute hier aber um eine Asylgesetz-Novelle, die dringend notwendig ist. Diese beiden Bereiche sind völlig un­terschiedliche Bereiche, und man sollte sie auch strikt auseinanderhalten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Da Herr Kollege Rosenkranz gemeint hat, dass wir die Grenzen dicht machen sollen: Dagegen verwahren wir uns eindeutig! Wir leben in einem freien Europa, und wir wol­len keine dichten Grenzen! Das ist überhaupt keine Lösung, die wir in diesem Fall er­reichen möchten. (Abg. Neubauer: Fragen Sie einmal den Herrn Pröll!) – Na ja, der Herr Pröll will etwas anderes, aber das sollte man dann vielleicht den Herrn Kollegen Grosz fragen.


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Ich muss da schon einmal Folgendes klarstellen – Herr Kollege Pendl hat das vollkom­men richtig gesagt –: Es kann nicht so sein, dass einige Bundesländer die gesamte Ar­beit übernehmen, Erstaufnahmezentren übernehmen, Schubhaftzentren übernehmen, während andere Bundesländer ganz einfach sagen, wir wollen, dass abgeschoben wird, aber bei uns darf kein Schubhaftzentrum und bei uns darf auch kein Erstaufnah­mezentrum sein. Herr Kollege Grosz, da werden Sie einmal umdenken müssen, denn das kann sich nicht nur auf ein, zwei oder drei Bundesländer konzentrieren, sondern das muss ganz einfach auf das gesamte Bundesgebiet aufgeteilt werden! Ja, Sie ha­ben es im Ausschuss ohnedies immer wieder betont: Es geht in der Steiermark nicht, in Leoben geht es nicht, in Kärnten gibt es die Saualm – wir kennen ohnedies diese ganzen Geschichten. (Abg. Grosz: Warum sind Sie denn so aufgedreht?) Aber es muss ganz einfach gerecht auf das ganze Bundesgebiet aufgeteilt werden! (Abg. Grosz: Wa­rum sind Sie denn plötzlich so aufgedreht?)

Die Kernpunkte dieses Gesetzes sind klar und eindeutig, und sie werden die nötige Veränderung und Verbesserung bringen, nämlich: Wir wollen die Beschleunigung der Asylverfahren. Wir wollen nicht, dass es zahlreiche Folgeanträge gibt.

Zur Kritik der Gebietsbeschränkung, Frau Kollegin Korun: Ich glaube schon, dass wir anhand der neuesten Schleppergeschichte – wenn wir 64 geschleppte Türken, Kurden bei uns aufgreifen und 58 Asyl fordern und dann alle 58 innerhalb von 24 Stunden im Untergrund versinken (Abg. Ing. Westenthaler: Na, bitte!) – erkennen können, dass es ganz einfach notwendig ist, dass es eine Gebietsbeschränkung gibt und dass es auch verschärfte Meldepflichten gibt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihre Geschichten, wonach jemand nicht einmal ins AKH oder zu einem Freund oder zu einem Familienmitglied fahren oder nicht einmal einen Rechtsanwalt aufsuchen kann – also bitte, da sollten Sie sich besser informieren. Ich glaube, es geht gar nicht darum, dass jemand wirklich irgendwo zu einem Termin geht, sondern es geht im Konkreten darum, dass alle, die aufgegriffen werden, sagen, ich war irgendwo in einem Spital, ich war irgendwo bei einem Rechtsanwalt – aber in Wirklichkeit wollten sie in den Unter­grund versinken. Und das wollen wir nicht zulassen, und daher diese Änderungen!

Unsere Frau Innenministerin Fekter steht dafür, dass alle Menschen, denen Asyl zu­steht, dieses auch bekommen.

Da gibt es die Verfahren in erster Instanz, die dauern jetzt durchschnittlich zwei Wo­chen, das ist auch richtig so. Aber all jene, die sich Asyl erschleichen, sollen wieder heimkommen und abgeschoben werden. Das wollen wir und dazu stehen wir auch. (Beifall bei der ÖVP.)

18.20


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weinzinger. – Bitte.

 


18.20.16

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Mag. Alev Korun hat in ihrem Redebeitrag festgestellt, dass wir nicht nur für unsere Parteien hier sind, sondern für jene, die uns gewählt haben. – Ja, das ist völlig richtig. Ich bin ein im Inn­viertel in Oberösterreich direkt gewählter Abgeordneter, rund 28 000 Innviertler haben mich gewählt, sehr viele davon kenne ich. Wenn ich Ihnen sagen würde, was viele von denen in der Angelegenheit Asylmissbrauch von mir verlangen und fordern, dann wür­de mich nicht einmal meine Immunität schützen, wenn ich das alles durchsetzen wollte.

Meine Damen und Herren, das ist eben das Problem unserer Bürger, die uns gewählt haben, das Problem des Asylmissbrauchs, das wir ja ununterbrochen am eigenen Lei­be mitbekommen. Ja glauben Sie, dass es besonders lustig ist, wenn man bei jeder


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dritten oder vierten Straftat, von der man in der Zeitung erfährt, lesen muss, dass diese ein Asylant, ein Asylwerber begangen hat? Und dann kommt es auch noch vor, dass der Asylwerber schon einschlägig vorbestraft wurde, und dann kommt es vor, dass der Asylwerber schon drei oder viel Mal verurteilt wurde. Dann fragen genau jene Bürger mich: Du bist Abgeordneter, wozu haben wir dich gewählt und warum gibt es das noch immer? (Beifall bei der FPÖ.) Warum macht ihr nichts dagegen? – Das ist die Proble­matik, meine Damen und Herren!

Ich habe mir ziemlich genau durchgelesen, was wir jetzt hier beschließen sollen. Es ist schon interessant, wenn Sie zwischen den Zeilen lesen oder wenn Sie die Überschrif­ten lesen. Meldepflicht – eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Altersbe­stimmung bei behaupteter Minderjährigkeit – was dahintersteckt, wissen wir natürlich. Aber was kommt denn da zu uns, das da sagt, ich bin erst 16, aber tatsächlich ist er 21 oder 33? Was kommt denn da zu uns und was wird uns denn da zugemutet? Oder: Überprüfung des behaupteten Verwandtschaftsverhältnisses – was erschwindelt sich denn hier den Eintritt bei uns? Und ab einer gewissen Zeit muss man jemanden hier dulden, denn wenn man ihn nach Hause schickt, wird er noch einmal bestraft für das, was er bei uns angestellt hat.

Erweiterte Schubhafttatbestände. – Auch bei dem Wort „Schubhaft“ frage ich mich langsam als Steuerzahler und als einer jener, der aufgrund seines zivilen Berufes vie­len Mitbürgern klarmachen muss, dass sie Steuern zu zahlen haben und dass daher auch entsprechende Rechenwerke vorzulegen sind: Wer zahlt denn die Schubhaft? – Der Staat, an den wir sie zurückschicken, oder zahlen das auch wir, die Steuerzah­ler? – Na selbstverständlich zahlen es wir!

Erschleichung eines Einreise- oder eines Aufenthaltstitels. Erschleichung – was lassen wir da zu uns herein? Sind wir uns eigentlich dessen bewusst, dass rund um Öster­reich lauter sichere Drittstaaten sind? (Beifall bei der FPÖ.) Das heißt, wer Schutz und Hilfe braucht, wer Schutz braucht, weil er in seiner Heimat, in seinem Heimatstaat ver­folgt wird aufgrund seiner Rasse, aufgrund seiner Religion, aufgrund seiner politischen Einstellung, der sucht zuerst einmal ein sicheres Land, und rund um uns sind lauter si­chere Länder. Wieso kommt er dann nach Österreich? – Natürlich kommt er nach Ös­terreich, und zwar zu 99,5 Prozent, weil wir ein sicheres Wirtschaftssystem und ein si­cheres Sozialsystem haben, und davon will er profitieren.

Der Weg, meine Damen und Herren, den wir als Rechtsstaat durchsetzen müssen, kann doch nur der sein: Wer nach Österreich einwandern will, der stellt einen Antrag auf Einwanderung nach Österreich. Und aufgrund dieses Antrags stellt man fest: Ja­wohl, den können wir aufgrund seiner fachlichen Ausbildung brauchen, der hat die ent­sprechende Möglichkeit, sich bei uns anzupassen, der hat die entsprechende Möglich­keit, sich auch wirtschaftlich hier fortzuführen, und wir können ihn brauchen. So muss das gehen und nicht: Ich schleiche mich ein in Österreich, und dann, wenn ich erwischt werde, beantrage ich Asyl und bleibe dann möglichst lange, und zwar so lange, als ich hier geduldet werde, bis ich hier bleiben kann, bis ich das berühmte Bleiberecht in An­spruch nehmen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn Österreich ein Rechtsstaat ist, und zwar ein hochent­wickelter mitteleuropäischer Rechtsstaat, dann müssen wir auch unsere Gesetze ande­ren gegenüber glasklar und eindeutig durchsetzen. Und um das geht es, um die Durch­setzung unserer bestehenden Gesetze, auch für den, der hereinkommt und Asyl bean­sprucht.

Folgendes war ja, abschließend gesagt, überhaupt das, was eben meinen Wählern eine moralische Ohrfeige gegeben hat: Da kommen 64 oder 65 türkische Kurden nach Österreich, und zwar schmuggeln sie sich herein. Das heißt, sie beginnen ihre Karriere


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bei uns in Österreich mit einer Gesetzesübertretung, indem sie unberechtigt die Gren­ze überschreiten. Dann werden sie erwischt. Da sollte man meinen, dass sie im selben Augenblick im nächsten Autobus des Bundesheeres, begleitet von zwei (Abg. Heinzl: Panzern!) – nein, Panzer braucht man da nicht – Polizeifahrzeugen, zurück in die Tür­kei gebracht werden. Das ist doch ganz klar, und der türkischen Regierung wird eine Rechnung gestellt für die Transportleistung, sollte man meinen.

Was aber ist wirklich geschehen? Sie haben alle um Asyl angesucht, bekamen es auch – und waren am nächsten Tag verschwunden. (Bundesministerin Dr. Fekter: Nein, das ist falsch!) Die haben angesucht und wurden damit Asylanten. Nein, sie be­kamen nicht Asyl, aber sie wurden als Asylanten weiter behandelt. (Bundesministerin Dr. Fekter: Nein!) Gut, dann freue ich mich auf die Aufklärung durch die Frau Minister. Auf jeden Fall kam es so heraus, als hätten sie um Asyl angesucht, und wurden in das Erstaufnahmelager gebracht. Stimmt das? (Bundesministerin Dr. Fekter: Ja!) Also was sind sie dann? Gut, das verstehen die einfachen Staatsbürger offensichtlich nicht.

Feststeht, dass diese meine Wähler mich gefragt haben: Wie ist das möglich? Und am nächsten Tag waren diese türkischen Kurden noch dazu abgetaucht. Meine Damen und Herren, hier läuft so viel falsch!

Frau Minister, ich wünsche Ihnen von Oberösterreicher zu Oberösterreicherin viel Glück und Erfolg, dass Sie das wirklich in den Griff bekommen. Unsere Unterstützung haben Sie, wenn Sie wirklich etwas Gescheites machen und auch etwas machen, wo wir sagen, jawohl, das ist es endlich. Aber das, was Sie hier vorlegen, das ist es nicht, das ist eine Augenauswischerei. (Beifall bei der FPÖ.)

18.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


18.27.42

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Herr Kollege Weinzin­ger, ich wäre jetzt geneigt, darauf jetzt noch eine Antwort zu geben, aber ich mache es nicht, denn da war soviel Schwachsinn dahinter (Zwischenrufe bei der FPÖ) – ich ent­schuldige mich gleich für den Ausdruck „Schwachsinn“ –, also Dinge, die ganz einfach nicht stimmen, die Sie in den Raum stellen und behaupten. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe mich schon entschuldigt, somit ist es erledigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zur Gesetzesentwicklung. Verfolgt man die Gesetzesentwicklung, kann man sa­gen, dass zwischen dem ersten Entwurf und dem, so wie er jetzt vorliegt, durchaus sehr intensive Verhandlungen mit der ÖVP, immer im Beisein des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, stattgefunden haben. Ja, es ist richtig, meine Damen und Herren, dass auf auftretende Problemstellungen in der Praxis, welche die Durchset­zung von Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Bundesgerichtshofes verhin­dern, zu reagieren ist.

Gemäß den Zielsetzungen, die wir in unserem Regierungsübereinkommen, SPÖ und ÖVP gemeinsam, festgelegt haben, ist es auch unsere Aufgabe, einen verfassungs­konformen, in rechtsstaatlicher Weise erarbeiteten Entwurf vorzulegen, um auf diese veränderten Bedingungen einzugehen.

Wir haben immer darauf geachtet, dass die Ergebnisse verfassungs- und menschen­rechtskonform waren. Bei den Verhandlungen hat es sich gezeigt, dass wir vor den wichtigen Herausforderungen die Augen zwar nicht verschließen, aber dass es not­wendig ist, das Zusammenleben auf Basis von Toleranz und wechselseitigem Respekt auch zu ermöglichen, und das ist eine unserer Zielsetzungen. Und das kann nur dann funktionieren, wenn ich klare Regeln für ein gutes Zusammenleben habe, die für alle


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gelten. Alle, die hier ihren Lebensmittelpunkt finden, sich legal hier aufhalten, sollten dann auch die faire Chance erhalten, als Basis für ein gutes Zusammenleben und für den langfristigen Frieden in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Weinzinger: Asyl­missbrauch ist Ihnen egal?)

Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt kommen wir zum Asylrecht. Asyl soll jeder und jede bekommen, der beziehungsweise die Asyl braucht. Da sind wir uns sicherlich einig.

Aber es gibt auch ein klares Bekenntnis dazu, und dazu stehe ich auch, dass das Asyl­gesetz kein Zuwanderungsgesetz ist und dass Arbeitsmigration auch kein Asylgrund ist. Dazu stehe ich, auch in der Öffentlichkeit.

Betreffend den Asylgerichtshof haben wir damals zwei wesentliche Ziele verfolgt. Durch die hervorragende Arbeit der MitarbeiterInnen des Asylgerichtshofes sind 60 Prozent der Altfälle – von wie vielen Zahlen sprechen wir da?; wir sprechen von zirka 24 000 Altfäl­len! – erledigt, und mit Ende des Jahres 2010 werden auch die übrigen erledigt sein.

Das zweite Ziel, das wir verfolgt und auch erreicht haben, ist, die Asylverfahren dauern wesentlich kürzer als bisher. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer sagt das?)

Es gibt noch – und auf diese möchte ich noch gerne eingehen – drei wesentliche Punk­te in Bezug auf die Gebietsbeschränkung, wo wir bei dem Hearing im Ausschuss ge­hört haben, dass es in der Praxis ganz einfach Probleme gibt. Eine Problematik hat Mag. Bürstmayr gebracht: Eine Mutter, die in Traiskirchen untergebracht ist, deren Kind aufgrund eines Unfalls, einer Verletzung im AKH behandelt wird, hätte nicht ein­mal die Möglichkeit gehabt, dieses Kind zu besuchen, ohne diese Gebietsbeschrän­kung zu verletzen.

Das ist ein Beispiel aus der Praxis, das haben wir auch mit der Ausschussfeststellung korrigiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Änderung des § 27 NAG, wo es jetzt nicht mehr notwendig ist, dass Familienangehörige die ersten fünf Jahre von der oder dem Zu­sammenführenden abhängig sind, damit sie ihren Aufenthaltstitel halten können. Oft waren Frauen, aber auch Männer gezwungen, in Gewaltbeziehungen zu bleiben, um ihr abgeleitetes Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht nicht zu verlieren. Es ist eine we­sentliche Verbesserung und Prävention gegen Gewalt und eine gute, seit langem ge­forderte Voraussetzung zur Beendigung von Gewalt.

Weiters bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetz eine weitere An­passung geschaffen haben. Die heutige Novelle ist sicherlich nicht die letzte, sondern das ist ein Gesetz, das durch veränderte Bedingungen weiterentwickelt werden muss und somit ständiger Anpassungen bedarf, wie es sich in der Praxis zeigt. Ihre Variante, motschkern, aber keinen konstruktiven Vorschlag bringen, sondern nur fordern: Alle Ausländer raus!, funktioniert nicht und trägt nicht zu Lösungen bei.

Sehr geehrte Frau Ministerin, abschließend würde ich mir noch wünschen, dass Sie selbst die versprochene Evaluierung dieses Gesetzes laufend in Bezug eben auf die praktische Durchsetzung des rechtsstaatlichen Verfahrens durchführen. (Abg. Neu­bauer: Ihre Belehrungen glaubt eh kein Mensch! Dafür verlieren Sie jede Wahl!)

Und die zweite Variante: Natürlich haben wir im Bereich der Schubhaft Defizite, und wenn wir parallel dazu Maßnahmen ergreifen könnten, um Verbesserungen voranzu­treiben, wäre das sehr positiv.

Ein Vorschlag wäre da zum Beispiel eine qualitativ hochwertige Rechtsberatung inner­halb von 48 Stunden, innerhalb der Schubhaft. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 180

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte. (Abg. Grosz – auf dem Weg zum Rednerpult –: Herr Präsident! Was war mit dem „Schwachsinn“?) Herr Kollege Weinzinger hat zu verstehen gegeben, dass er die Ent­schuldigung angenommen hat, so habe ich das zumindest der Körpersprache entnom­men. (Abg. Grosz: Wir müssen ja schauen, dass die Regeln des Hauses immer einge­halten werden!) Das ist so.

Sie sind am Wort, Herr Kollege Grosz.

 


18.33.58

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Ich weiß eigentlich wirklich nicht, warum wir, offenbar Menschen mit logischem Hausverstand, so lange darüber diskutieren müssen. Selbstverständlich muss das Anliegen sein, dass Zuwanderer, die in dieses Land kommen, dass Zuwan­derer, die sich anständig verhalten, dass Zuwanderer, die gesetzestreu sind, dass Zu­wanderer, die sich gesellschaftlich und sozial integrieren, hier auch einen Platz finden. Darüber brauchen wir auch nicht zu diskutieren. (Bundesministerin Dr. Fekter: ... Zu­wanderung?)

Wir haben ein Greencard-Modell vorgeschlagen. Ich weiß nicht, Frau Bundesminister, wir diskutieren schon so oft miteinander, und langsam bin ich wirklich geneigt, zu Ihrem Double in den Rabenhof zu gehen, denn offenbar stoße ich dort auf mehr Verständnis, als wenn ich mit Ihnen da jedes Mal diskutiere.

Frau Bundesminister! Hohes Haus! Dass Menschen zu respektieren sind und unseren Schutz auch erhalten sollen, Bürgerinnen und Bürger, die zu uns kommen, sich geset­zestreu verhalten, sich integrieren, straffrei sind, das steht ja völlig außer Streit.

Das, was ich ja bei Ihrer Novelle so kritisiere, das, was wir als BZÖ so kritisieren, wo wir auch nicht alleine sind, wenn ich den Worten des Herrn Landeshauptmannes Pröll und des Herrn Niessl folgen kann, ist, dass wir in Österreich ein gewaltiges Problem mit Asylwerbern haben, die in die Kriminalität abrutschen.

Frau Bundesministerin, da gibt es Zahlen noch aus dem vorigen Jahr – diese Zahlen waren damals schon erschreckend hoch, sind aber heuer noch erschreckend höher –, wonach am 1. Jänner 2008 17 400 Asylwerberinnen und Asylwerber in der Grundver­sorgung waren und davon 9 800 straffällig waren.

Das, was wir von Ihnen verlangen, ist – das sagt mir keine Ideologie, weder rechts noch links, sondern schlichtweg der logische Hausverstand –: Weizen von Spreu tren­nen, einfach auch jenen das Gastrecht entziehen, die sich an unsere Bestimmungen, an unsere Art und Weise des Zusammenlebens, an unsere Gesetze nicht halten wol­len. Da finde ich nun einmal in Ihrem Asylgesetz, in Ihrem Fremdengesetz, das Sie uns heute vorlegen, wieder Bestimmungen: Ja, der muss zweimal straffällig werden, beim Bezirksgericht und, und, und, und der muss vielleicht zweimal eingebrochen haben, der Schuss ist beim ersten Mal eh noch frei, das pardonieren wir. – Und das wollen wir nicht!

Sie wissen es ganz genau: Fall Torosian in Hohenberg. Es begann mit zwei gestohle­nen Gummistiefeln und endete mit einer Dokumentenfälschung und mit mehreren Autoeinbrüchen. Insgesamt haben sich da sieben, acht Straftaten innerhalb von sechs Jahren aneinandergeschoben, aber der Staat hat nichts getan. Und das ist das, was wir kritisieren, auch an dem Fremdengesetz, dass dieser Unsitte schlichtweg nicht be­gegnet wird. Da ist der Unmut aller, auch jener der Bevölkerung verständlich, wenn wir in Österreich offenbar nach wie vor ein Asylrecht pflegen oder, um nicht zu sagen, eine Grenze pflegen, die da – auf gut Steirisch gesagt – luckerter ist, also löchriger als je­der Emmentaler.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 181

Das zeigt sich, wenn wir in den Zeitungen lesen müssen, dass 64 Kurden auf der Süd­autobahn aufgehalten worden sind, nachdem sie über Slowenien hereingeschleppt worden sind, und dass diese 64 Kurden, nachdem sie in Gewahrsam genommen wor­den sind und das Asylrecht beantragt haben, dann untergetaucht sind. Mittlerweile kommen wir drauf, dass es Monat für Monat 200 Personen alleine aus der Anstalt, aus der Institution in Traiskirchen sind, 200, die uns so verloren gehen, 200, die so in die Europäische Union einsickern.

Frau Kollegin Tamandl, die im Übrigen jetzt nicht mehr da ist, da noch groß geredet hat und dann bei der Glastüre hinausgegangen ist! Das, was Pröll will, das, was wir wollen, das, was wir seit einem halben Jahr wollen, ist ein verstärkter Grenzschutz, sind ver­stärkte Grenzkontrollen.

Daher bringe ich auch heute einmal mehr einen Antrag der Abgeordneten Westentha­ler, Kolleginnen und Kollegen ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer Grenzschutzeinheit beim Bundesministerium für Inneres

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, eine spezielle Grenzschutzeinheit beim Bundesministerium für Inneres einzurichten, die über die notwendigen personel­len und technischen Ressourcen verfügt, um zusätzlich zum Assistenzeinsatz des Bun­desheeres eine lückenlose Grenzüberwachung zu bewerkstelligen.“

*****

Das wollen wir, sehr geehrte Frau Bundesminister.

Was wir selbstverständlich auch wollen, ist, dass gegen kriminelle Asylwerber in unse­rem Land hart vorgegangen wird, dass wir es nicht zulassen, dass wir einfach Krimina­litätsfälle zu bagatellisieren anfangen, wie es im Laufe der letzten Jahre der Fall war. Nein, ist eh nicht so schlimm, die hat eh nur eine Flasche Wein über den Schädel be­kommen, die 86-jährige Frau. Das ist ja kein Kriminalfall! Der ist eh nur die Handtasche gestohlen worden, wie wir da am lebenden Beispiel sehen. Ist ja alles kein Problem. Darüber sehen wir hinweg.

Wir leben mittlerweile auch in Österreich in einer Zeit, in der Straftaten und Kriminalfäl­le bagatellisiert werden, weil wir sie offenbar ideologisch sehen, wenn ich der Frau Ko­run folgen darf, die auch heute hier gestanden ist. Straftaten, die Ausländer begehen, sind Straftaten, die in der Not passiert sind. Straftaten, die tagtäglich hier in Österreich passieren, gehören offenbar mit der Todesstrafe belangt, wenn es nach Ihnen geht, Frau Korun.

Sie sind auf einem Auge blind. Das ist Ihr Problem, dass Sie eine Ideologisierung in eine zutiefst sachliche Fremdenrechtsdebatte hineinbringen, die wir eigentlich hier füh­ren wollen.

Wir wollen von Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesminister, dass Sie kriminellen Asylwer­bern nachgehen, dass Sie Kriminalität in diesem Land abstellen, wollen aber nicht, dass Sie das Stadtpolizeikommando Graz an die Peripherie verlegen, wie heute be­kannt geworden ist, auch der steirische Landtag hat einen entsprechenden Beschluss gefällt, zumal wir in Graz ohnedies schon mit 70 Straftaten am Tag zu rechnen haben und wir jeden Mann in der Stadt brauchen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 182

Daher bringe ich zu diesem Bereich folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, von der geplanten Verlegung von 100 Exekutivkräften vom Grazer Stadtzentrum an den Standort Graz-Straßgang umge­hend Abstand zu nehmen.“

*****

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, zum Schluss kommend, weil Sie jetzt offenbar versuchen auszuspielen Pröll, Steiermark, Kärnten, Semmering, vor Semmering, nach Wechsel, und ich weiß nicht, was Ihnen da sonst noch einfällt; man muss das jetzt al­les teilen: All unsere Anträge hier in diesem Haus zum Thema Schubhaftzentrum und Asylerstaufnahmezentrum waren sachlich und fachlich argumentierbar. (Zwi­schenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) Darüber können Sie auch nicht hinweg, Frau Bundesministerin! Da können Sie mir ins „Gnack“ hineinflüstern, was im­mer Sie wollen, als Ahnfrau. Sie werden mich da auch nicht aus der Ruhe bringen.

Wir haben sachlich argumentiert, dass 68 Kilometer von Leoben nach Graz-Thalerhof zu einem Flughafen für ein Schubhaftzentrum zu weit sind! Wir haben sachlich ar­gumentiert, dass 140 Kilometer zum Flughafen Graz-Thalerhof zu weit sind! Dann ge­hen Sie halt die Strecke mit mir einmal ab, dass Sie uns glauben, dass das zu weit ist, dass das logistisch ein denkbar schlechter Ort ist für Ihr Projekt eines Schub­haftzen­trums! (Der Redner spricht bis zum Schluss seiner Rede mit sehr lauter Stimme. – Abg. Heinzl: Schrei nicht so!)

Wir haben Ihnen jetzt zum hundertsten Mal in diesem Haus erklärt, dass ein Schub­haftzentrum in einer Wohngegend keinen Sinn macht! (Abg. Amon: Eine andere Ton­lage! – Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Wir haben Ihnen zum hundertsten Mal erklärt, dass die Menschen dort Angst haben! Alle Parteien des Gemeinderates von Leoben haben sich dagegen gewehrt.

Der Kollege Petzner, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete aus Kärnten haben Ihnen zum hundertsten Mal erklärt, dass ein Asylerstaufnahmezentrum in Kärnten wenig Sinn macht, zumal die von Ihnen dargestellte Asylantenbewegung ja nicht über die Ka­rawanken herüberkraxelt, Frau Bundesministerin! – Schön langsam zweifle ich ja an der Vernunft, ob noch ein Funken logischen Hausverstandes in Ihrer Politik zu finden ist! (Abg. Amon: Du gehörst ins Burgtheater! Unglaublich! – Rufe bei der SPÖ: Lauter! Lauter!)

Ich weiß nicht, wie oft wir Ihnen es noch erklären müssen! Nehmen Sie sich endlich Experten, suchen Sie sich geeignete Alternativen und Standorte, dann werden Sie auch unseren Beifall erleben – ansonsten das Gelächter eines Großteils der österrei­chischen Bevölkerung, die Sie am liebsten eh schon woanders sehen würde, nur nicht mehr in Ihrem Ministerium, sehr geehrte Frau Bundesministerin! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Amon: Du gehörst ins Burgtheater!)

18.42


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Bundesministerin Dr. Fekter gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Minister.

 


18.42.32

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Justizministerin! Hohes Haus! Wenn die Grünen von der linken Seite klagen, alles wäre zu restriktiv und zu streng (Abg. Petzner: Das kennen wir schon, dieses Zitat!), und FPÖ und BZÖ klagen, es sei alles zu wenig streng, dann


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 183

weiß ich, wir sind auf dem richtigen Weg: Es ist ausgewogen, rechtsstaatlich und im Sinne der Sicherheit in Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Fal­sche Rede! Das haben Sie das letzte Mal schon gesagt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jänner haben die österreichischen Asyl­behörden 16 Prozent der Asylverfahren positiv erledigt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ma­chen Sie in Ihrer Schottergrube Ihr Aufnahmezentrum!) Beim Rest – und das sind im­merhin über 12 100 Fälle – lagen gar keine Asylgründe vor.

1 169 neuerliche Asylanträge wurden abgewiesen in dieser Zeit. Sie waren als Folge­anträge nicht zulässig.

Seit Jahresbeginn wurden über 1 178 Personen in ein anderes EU-Land überstellt, weil Österreich nicht für das Verfahren zuständig ist. Beispielsweise wenn aus der Russi­schen Föderation Tschetschenen zu uns über Polen kommen, müssen sie wieder nach Polen zurückgebracht werden und in Polen ihr Asylverfahren abwarten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass die überwiegende Zahl der Verfahren, die wir abwickeln, für Personen gemacht wer­den, die nicht hierbleiben können. Daher ist es notwendig, diese Verfahren rascher und effizienter zu gestalten.

Faktum ist, dass unsere finanziellen Kapazitäten durch Asylmissbrauch erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Falsche Angaben zur Identität, falsche Angaben zum Herkunftsland, nur um nicht zurückgeschickt werden zu können, falsche Angaben zum Alter, um sich in die Privilegien der Minderjährigenbetreuung hineinzuschwindeln, fal­sche Angaben im Hinblick auf die Gesamtsituation sind Missbrauch und daher abzu­stellen!

Genauso sind abzustellen mutwillige Folgeanträge, um die Abschiebung zu verhindern, nachdem man bereits sein Asylverfahren rechtskräftig durch alle Instanzen beschieden bekommen hat. Solche Folgeanträge sollen in Zukunft nicht mehr die Abschiebung ver­hindern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Fürs Protokoll: Mäßiger Ap­plaus! Schütterer Applaus!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen die Hintertür für Schlepper und Kriminelle schließen, damit wir die Vordertür für verfolgte und bedrohte Flüchtlinge of­fenhalten können.

Sie alle kennen mein Ziel: Österreich zum sichersten Land der Welt mit der höchsten Lebensqualität zu machen. (Abg. Grosz: Ich möchte auch heute beim Lotto gewinnen! Ich habe extra fünf Lottoscheine ausgefüllt!) Schlepperei, Asylmissbrauch und Krimina­lität sind aber Hindernisse auf diesem Weg, und daher diskutieren wir heute ein geord­netes Fremdenrecht. Mit einem geordneten Fremdenrecht gestalten wir die Sicherheit, und zudem ist es bei weitem nicht nur ein Sicherheitsthema.

Regelungen im Asyl- und Fremdenwesen sind besonders sensibel. Sie betreffen menschliche Schicksale. Verfolgung, Verstümmelung und Mord, wovor Menschen in anderen Ländern flüchten, das ist für uns in Österreich kaum vorstellbar. Daher neh­men wir diese Verfolgten auf. Dieses Thema verlangt gerade von diesem Parlament und von der österreichischen Bundesregierung ein höchstes Maß an Verantwortung – daher ein geordnetes Fremdenrecht, das human und gerecht ist.

Politischer Populismus, sehr geehrter Herr Westenthaler, auf dem Rücken der Verfolg­ten ist verwerflich! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist genau dieselbe Rede wie letztes Mal! Haben Sie nicht einmal eine neue Rede für uns? Sie sagen immer das Gleiche!)

Ich sage aber ganz bewusst, wir unterstützen die Verfolgten, aber wir bekämpfen Asyl­missbrauch; insbesondere wollen wir für die Schlepperei nicht als ein attraktiver Markt gelten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 184

Meine Eckpunkte in diesem Gesetz, das Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hoffentlich heute mit sehr großer Mehrheit beschließen werden (Abg. Ing. Westentha­ler: Schaut nicht so aus!): Wer bei uns Schutz sucht und nachweislich verfolgt ist, er­hält diesen Schutz. Wer bei uns arbeiten will, muss sich aber um eine Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz kümmern. Das hat mit Asyl rein gar nichts zu tun. Alle jene, die nur aus wirtschaftlichen Motiven Asyl sagen, werden keinen posi­tiven Asylbescheid bekommen.

Die Asylwerber hingegen müssen mitwirken, um rasche Entscheidungen zu erreichen, damit sie nicht ungerechtfertigt das Asylverfahren verschleppen, verzögern oder sich dem überhaupt entziehen. Daher Meldepflichten und Mitwirkungspflichten, und wer sei­ne Pflichten verletzt, der liefert einen Schubhaftgrund.

Auch der Trick, immer neue, mutwillige Asylanträge zu stellen, um die Abschiebung zu vereiteln, muss abgestellt werden. Niemand kann sich dem Vollzug der österreichi­schen Gesetze entziehen, und es ist unsere Aufgabe, den Vollzug effizient zu gestalten.

Wer negative Asylbescheide in Händen hat und ein Ausweisungsverfahren positiv ab­geschlossen hat, muss damit rechnen, dass er in sein Herkunftsland zurückgebracht wird.

Über einen Folgeantrag kann künftig auch trotz Abschiebung entschieden werden, weil diese Personen ja bereits ein rechtskräftiges Verfahren im Asylbereich durch alle Ins­tanzen beschieden bekommen haben. Daher ist es nicht gerechtfertigt, dass Folgean­träge die Abschiebung verhindern.

Für minderjährige Flüchtlinge braucht es besonderen Schutz. Es ist aber nicht gerecht­fertigt, dass immer mehr Personen uns falsche Angaben über ihr Alter machen. Gera­de der Fall des Inders, der in der Schubhaft verstorben ist, hat gezeigt: Er hat Asyl beantragt und behauptet, er wäre 17 Jahre alt. Die Gutachter haben ihm das auch bescheinigt. – Bei der Obduktion hat sich herausgestellt, er war 33 Jahre alt. (Abg. Ing. Westenthaler: Was sind das für Gutachter?)

Um da in Zukunft Sicherheit zu haben, gibt es auch die Möglichkeit, eine Altersfeststel­lung durch Handwurzel-Röntgen machen zu lassen. Die Expertin beim Hearing hat uns auf die Frage, welche Belastung denn so ein Röntgen darstellt, erläutert: in etwa die­selbe Belastung, wie wenn Sie eine Viertelstunde in der frischen Luft spazieren gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist für eine gesicherte Altersfeststellung zumutbar!

Und wenn sich der Betreffende weigert, so eine Untersuchung machen zu lassen, dann wird er seine guten Gründe haben, aber das fließt dann in die Beweiswürdigung ein.

Ähnlich ist es bei falschen Angaben über die Familienverhältnisse. Bei ungesicherten Dokumenten, bei fälschlichen Ausweisen und bei keinen Belegen über die echte Fami­lieneigenschaft gibt es die Möglichkeit einer DNA-Analyse. Auch da: Wenn der Betref­fende eine DNA-Analyse verweigert, dann wird das in die Beweisführung einfließen und wird er die Benefizien von Familien-Privilegien nicht in Anspruch nehmen kön­nen – wenn keine sonstigen Beweise vorliegen.

Weiters wird vorgegangen gegen die Kriminellen, die sich unter den Schutz des Asyl­rechts stellen. Wer unter unserer Rechtsordnung Schutz sucht, muss diese Rechtsord­nung auch einhalten! Daher werden wir bei jenen, die bereits Asyl bekommen haben, aber ihre kriminelle Energie bei uns ausleben, die Asylgründe neuerlich hinterfragen – und, wenn sie nicht mehr gegeben sind, ihnen diese aberkennen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Im Wiederholungsfall!)

Gleichzeitig werden wir bei jenen, die während ihres Verfahrens ihre kriminelle Energie ausleben, beschleunigte Verfahren einleiten, damit die Asylverfahren gleichzeitig mit


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den justiziellen Strafverfahren abgewickelt werden. Im Asylverfahren wird nicht über Schuld oder Unschuld geurteilt, das macht die Justiz, aber es ist gerechtfertigt, dass beide Verfahren parallel abgewickelt werden und, wenn er schuldig ist und das Asyl­verfahren negativ ausgeht, dieser Straftäter in sein Herkunftsland zurück muss.

Wir müssen drei Grundsätze außer Streit stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und ich gehe davon aus, dass sich darüber ein großer Konsens hier im Hohen Haus findet.

Erstens: Das Recht auf Asyl ist unantastbar. Zweitens: Asylmissbrauch müssen wir ef­fizient bekämpfen. Und drittens: Die Gesetze, die hier das Hohe Haus beschließt, müs­sen auch vollzogen werden! (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: No na! Das muss man ja nicht extra betonen!) Wer nicht hierbleiben kann und darf, muss zurück in sein Herkunftsland! (Abg. Kickl: Das Zogaj-Prinzip!)

Österreich hat eine große humanitäre Verantwortung, und dafür werde auch ich immer eintreten. Dieses geordnete Fremdenrecht bietet uns nun die Möglichkeit, den Schutz für die Verfolgten nicht anzutasten, aber das Fremdenrecht effizienter vollziehen zu können und Abschiebungen in Zukunft nicht mehr vereiteln zu lassen. Das garantiert Sicherheit in Österreich und macht den Markt für Menschenhandel und Schlepperei un­attraktiv.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich ersuche Sie, speziell die Parteien der Opposition, leisten Sie heute Ihren Beitrag, denn nur ein geordnetes Fremdenrecht macht Österreich sicherer! Und wer sich dagegen entscheidet, der leistet Vorschub für Missbrauch und Schlepperei! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.54


Präsident Fritz Neugebauer: Die zuvor von Herrn Abgeordnetem Grosz eingebrach­ten Entschließungsanträge stehen mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer Grenzschutzeinheit beim Bundesministerium für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.)

Vor dem Hintergrund des in den vergangenen Tagen bekannt gewordenen Schlepper­skandals, im Zuge dessen 64 Kurden in einem Lkw nach Österreich geschleppt wur­den, ist die immense Notwendigkeit von Kontrollen an den Grenzen erneut evident worden. Hans Niessl von der SPÖ sagte dazu im Interview mit der Zeitung ÖSTER­REICH: „Gerade der Schlepper-Fall zeigt, dass viel zu wenig Polizisten an den Gren­zen kontrollieren. Im Burgenland fehlen 300 Polizisten. Hier haben das Innenministe­rium und Ministerin Fekter versagt. Ich fordere, dass die Polizei aufgestockt wird und dass der Assistenzeinsatz des Bundesheeres bleibt. Ich bin für fallweise Grenzkontrol­len und mehr Kontrollen im Grenzraum.“

Auch der Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, führte in diesem Zu­sammenhang aus: „Wichtig ist die Kontrolle von Bundesheer und Polizei. Nur ein Zu­sammenspiel von Polizei, verdeckten Ermittlungen und Bundesheer wird Erfolg brin­gen.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 186

Es ist im Interesse der Sicherheit der Österreichischen Bevölkerung somit unbedingt erforderlich beim Bundesministerium für Inneres eine eigene Grenzschutzeinheit einzu­richten, die über eine ausreichende Zahl speziell geschulter Beamter und über die technischen Ressourcen verfügt in Zusammenarbeit mit dem Bundesheer eine effekti­ve Überwachung des grenznahen Raumes in Österreich zu gewährleisten, um Phäno­mene wie den ausufernden Kriminaltourismus und die steigende Schlepperkriminalität wirksam zu bekämpfen.

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, eine spezielle Grenzschutzeinheit beim Bundesministerium für Inneres einzurichten, die über die notwendigen personel­len und technischen Ressourcen verfügt, um zusätzlich zum Assistenzeinsatz des Bun­desheeres eine lückenlose Grenzüberwachung zu bewerkstelligen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Verlegung von 100 Polizisten nach Graz-Straßgang

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (387 d.B.)

Wie in der Kronen Zeitung unlängst berichtet wurde, sollen, laut Plänen von Innenmi­nisterin Fekter, insgesamt 100 Exekutivkräfte vom Grazer Stadtzentrum an den Stand­ort Graz-Straßgang verlegt werden. Die von der ÖVP und ihrer Bundesministerin für In­neres geplante Verlegung ist eine sicherheitspolitische Katastrophe. Statt 100 Beamte aus dem Zentrum zu verlegen, braucht Graz zusätzliche 300 Planstellen in der Stadt. Die Einbruchskriminalität steigt und die Aufklärungsrate gerade in diesem Strafbereich sinkt. Einerseits kündigt die ÖVP die Stärkung der Grazer Exekutivkräfte seit Jahren an, andererseits ist es die ÖVP, die sämtliche Initiativen zur Verbesserung der dramati­schen Sicherheitslage verhindert. Sowohl im Nationalrat als auch im Grazer Gemein­derat war es die ÖVP, die sämtliche Anträge zur Aufstockung der Grazer Exekutivkräf­te abgelehnt hat.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, von der geplanten Verlegung von 100 Exekutivkräften vom Grazer Stadtzentrum an den Standort Graz-Straßgang umge­hend Abstand zu nehmen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 187

18.54.31

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Ich muss wirklich sagen, was sich einige Abgeordnete hier ge­genüber unserer Ministerin erlauben (Abg. Ing. Westenthaler: Na was denn?), ist ein Skandal! (Beifall bei der ÖVP.) Und das nicht nur hier, sondern auch im Ausschuss. Das grenzt nahezu an persönliche Verfolgung. (Abg. Ing. Westenthaler: Was denn?) Nein, das ist so, das ist wirklich so! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind auch nicht von diesem Planeten!)

Mit dieser Gesetzesnovelle schaffen wir eines: Wir schließen die Hintertür für Schlep­per und Kriminelle und lassen die Vordertür für Bedrohte offen. Österreich war immer ein Asylland. Wir gewähren Asyl all jenen, die es brauchen, aber wir stellen den Miss­brauch ab. Gefragt sind klare Regeln, die Recht und Ordnung verlässlich sichern. Und mit dieser Gesetzesnovelle bekommen wir ein humanes, gerechtes und aus meiner Sicht auch effizientes Gesetz.

Jetzt noch ein Wort zu Herrn Abgeordnetem Grosz, der jetzt auch nicht mehr da ist – oder soll ich Mini sagen?; ich weiß es nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind letzt­klassig, das Unterste vom Letzten!) Was Herr Abgeordneter Grosz in der Steiermark macht, ist Folgendes: Herr Abgeordneter Grosz verunsichert die Bevölkerung, er infor­miert die Bevölkerung falsch. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie regen sich auf wegen per­sönlicher Verunglimpfung – und verunglimpfen selber!)

Immer dann, wenn es um das Schubhaftzentrum in Leoben geht, informiert der Abgeord­nete Grosz die Menschen dort so, dass sie glauben, die Schubhäftlinge könnten sich dort frei bewegen. Aber Sie wissen ganz genau, das stimmt einfach nicht! (Abg. Zan­ger: Können sie ja!)

Gerade in Leoben haben wir eine der modernsten Haftanstalten, und daneben käme dann das Schubhaftzentrum. (Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt ja nicht!) Und die Asy­lanten können sich nicht frei bewegen! (Abg. Zanger: Selbstverständlich!)

Und was die Entfernung zu Graz anlangt, auch noch ein Wort. Die Autobahnverbin­dung von Graz nach Leoben wird ausgebaut, die ist bald fertig. Und was glauben Sie, wie lange Sie dann von Graz nach Leoben-Lerchenfeld fahren? – Eine Stunde fünf Mi­nuten – jetzt!; dann nicht mehr so lange.

Was schätzen Sie, wie lange fahren Sie, sollte das in Vordernberg gebaut werden? Und Vordernberg wünscht sich dieses Schubhaftzentrum! Es gibt maximal zwei Ein­wände aus dem Kreis aller Gemeindebewohner, weil die Vordernberger das Zentrum haben wollen, denn sie haben keine Arbeitsplätze. (Abg. Grosz: Nur der Gemeinde­rat – die Leute nicht!) Das ist die Gemeinde in Österreich, die die meisten Abwande­rungen hat, und die wären froh, hätten sie 160 Arbeitsplätze mehr. Die wünschen sich das! (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Herr Abgeordneter Zanger, du kennst dich aus: Was glaubst du, wie lange fährst du dann von Vordernberg nach Graz-Thalerhof? Was glaubst du? Eine Stunde fünf Minu­ten nach Leoben. Was glaubst du? (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Ich habe mich ver­sprochen: Nach Leoben sind es 55 Minuten, und nach Vordernberg sind es eine Stun­de fünf Minuten. Also zehn Minuten mehr, das ist lächerlich!

Wenn wir heute das Schubhaftzentrum hier hätten – das würde einem vielleicht gut tun, einmal da drinnen zu sein –, wenn wir da nach Schwechat fahren, wären wir län­ger unterwegs, denn wenn wir im Stau sind, brauchen wir wesentlich länger. (Abg. Scheibner: Was reden Sie denn da schon wieder? Das ist ja unglaublich! – Abg. Grosz: Wollen Sie das Parlament in Schubhaft nehmen? Das hat der Herr Dollfuß das letzte Mal gemacht! – Weitere heftige Zwischenrufe bei BZÖ und FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 188

Noch einmal: Ich bin sehr froh, dass wir diese Gesetzesnovelle heute beschließen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aufhören! Niedersetzen! Die Abgeordnete würde uns am liebsten alle einsperren! Das ist skandalös! – Weitere anhaltende heftige Zwischenrufe bei BZÖ und FPÖ.) Wichtig ist für mich der Identitätsnachweis, wichtig ist für mich der Altersnachweis, und wesentlich ist für mich, dass es dann nicht mehr so einfach ist, Folgeanträge zu stellen, wie es zurzeit sehr viele Asylwerber machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neubauer: Zur Geschäftsordnung!)

18.58


Präsident Fritz Neugebauer: Zur Geschäftsordnung: Herr Kollege Neubauer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Diese Abgeordnete würde uns am liebsten alle einsperren! Das ist die Wahrheit! Und aufhängen auch noch! Das ist ja unglaublich!)

 


18.58.18

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich stelle für meine freiheitliche Fraktion fest, dass ich die letzten Äußerungen der Kollegin von der ÖVP auf das Schärfste verurteile und zurückweise. Es kann nicht angehen, dass sie hier Angehörige des Nationalrates verunglimpft, und zwar in einer Art und Weise, wie ich es eigentlich selten gehört habe, und den Menschen, die hier herinnen ihren Dienst für das Land leisten, in den Häfen wünscht.

Herr Präsident, seien Sie mir nicht böse, aber ich erwarte mir von Ihrer Vorsitzführung, dass Sie hier entschiedener einschreiten. (Beifall bei FPÖ und BZÖ. – Abg. Ing. Wes­tenthaler: Sie verunglimpft Namen, sie verunglimpft Abgeordnete – und selbst hat sie ein Glaskinn!)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege, aufgrund der vielen Zwischenrufe konnte ich den Schluss der Rede der Kollegin nicht wahrnehmen. Ich werde aber die Kollegen des Stenographenbüros bitten, mir von dieser Passage rasch eine schriftliche Ausferti­gung zukommen zu lassen. (Abg. Grosz: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Kollege Grosz zur Geschäftsordnung. – Bitte.

 


18.59.23

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich stelle namens meiner Fraktion fest, dass hier soeben eine Grenzüberschreitung pas­siert ist. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Ruf beim BZÖ: Das ist nicht lustig! Abg. Ing. Westenthaler in Richtung SPÖ und ÖVP : Ihr findet das auch noch lustig! Die will alle anderen einsperren, und ihr findet das noch lustig!) Man kann in diesem Haus kontroversiell diskutieren, Schimpfworte finden, die dann die Würdigung des Prä­sidiums finden, aber in diesem Haus darf es nicht vorkommen, dass Mandatare am Rednerpult der Republik stehen und de facto verlangen, dass Abgeordnete der Repu­blik in Schubhaft genommen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bei einer Abgeordneten, die Mitgliedern dieses Hauses, gewählten Mandataren dieses Hauses die Schubhaft empfiehlt mit den Worten: Das würde Ihnen guttun!, muss ich sagen: Das sind Worte, die in diesem Haus zum letzten Mal wahrscheinlich vor 70 Jah­ren gefallen sind, als man Abgeordnete einsperren wollte, um die Demokratie abzu­schaffen, den Parlamentarismus auszuhebeln und einen Ständestaat einzuführen.

Herr Präsident, ich ersuche Sie sehr eindringlich, das einer besonderen Würdigung zu unterziehen und solch ein Verhalten einer Abgeordneten einmal in einer Präsidiale zu diskutieren. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Ikrath – in Richtung BZÖ –: Keine künstli­che Aufregung! Nicht künstlich aufregen!)

19.00


Präsident Fritz Neugebauer: Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 189

19.00.40

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Zunächst einmal bin ich dankbar dafür, dass Sie bereits angeordnet haben, dass das Protokoll herbeigeholt wird, denn so, wie Herr Kollege Grosz das darstellt, war die Aussage ausdrücklich nicht. (Abg. Neubauer: Tun Sie das jetzt nicht schönreden!)

Zum Zweiten sollen sich jene, die hier in unglaublicher Weise mit Schimpftiraden vom Rednerpult aus agiert haben, jetzt nicht als besonders empfindlich gerieren. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von BZÖ und ÖVP.)

19.01


Präsident Fritz Neugebauer: Ich darf nochmals die Kollegen des Stenographenbüros bitten ... (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung ÖVP –: Das ist unglaublich: Sie verun­glimpft Namen und Körperstatur von Abgeordneten! Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Herr Kollege Westenthaler, brauchen wir eine Auszeit, um das zu beenden? – Bitte.

Zur Geschäftsordnung: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


19.01.39

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich begrüße ausdrücklich Ihre Position, das Protokoll herbeizuschaffen, und ersuche Sie, den genauen Text zu lesen und danach die Entscheidung zu treffen.

Ich ersuche Sie aber auch, die Zwischenrufe, die seitens des BZÖ bei der Rede der Frau Bundesministerin getätigt wurden, nachzulesen, denn ich wage zu behaupten, wenn die Frau Bundesministerin ein Herr Bundesminister wäre, wären so manche Ausdrücke in den Zwischenrufen nicht gefallen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.02


Präsident Fritz Neugebauer: Da das Stenographische Protokoll üblicherweise auch Zwischenrufe aufnimmt, werden wir beide Seiten beleuchten können. (Abg. Scheib­ner: Sie hätten zuhören sollen! Auch der Präsident sollte zuhören, wenn einer vom Rednerpult aus redet!)

Herr Kollege Scheibner, war das an mich gerichtet? (Abg. Scheibner: Allgemein in den Raum gesprochen!)

Wollte ich auch meinen. Aber Sie wissen genau, wenn Sie da großen Lärm verbreiten, ist hier absolut nichts zu verstehen, daher brauchen wir das Stenographische Protokoll. Diese Vorgangsweise ist unbeeinsprucht.

*****

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. Die Redezeit be­trägt 5 Minuten. – Bitte.

 


19.02.46

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überrascht, wie sensibel Herr Kollege Grosz reagiert, wenn ihm jemand – ob es nun gesagt wurde oder nicht – Schubhaft wünscht. Sie stehen ständig draußen und wünschen irgendwelchen Menschen Schubhaft, die sich nichts zuschulden kommen haben lassen! (Abg. Ing. Westenthaler: Kriminelle!) Nein, nicht nur Kriminelle, sondern generell. Sie wollen die Ausweitung der Schubhaftgründe für Unbescholtene. Da sind Sie vollkommen unsensibel. Aber wenn es Sie trifft, dann werden Sie sensibel, denn Sie sind Abgeordneter dieser Republik. (Abg. Scheibner: Oberlehrer!)

Kehren Sie vor der eigenen Tür und mäßigen Sie sich in Ihren Worten! Das ist mein Appell an Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 190

Meine Damen und Herren, 11,5 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht. Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung: Das sind ihre Schicksale! Hier sitzen Abge­ordnete, die nachweislich auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, in ihren Polster­sesseln und diskutieren das Asylrecht so, als gäbe es nur Missbrauch und Kriminalität. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Weinzinger stellte sich hier ans Rednerpult und sagte, er schlägt die Zei­tung auf und erkennt, dass es hinter jedem dritten, vierten Kriminalfall ein Asylwerber steht. Ich hoffe, dass er seine sonstigen politischen Analysen auf etwas festerem Fun­dament aufbaut, denn die Zahlen, die er genannt hat, haben nichts mit der Realität zu tun. Schauen Sie sich Ihre eigenen Anfragen an, dann werden Sie die realen Zahlen sehen!

Aber ich kann dem Kollegen Weinzinger das kaum vorwerfen, weil auch die Innenmi­nisterin ständig Änderungen vorschlägt, ohne die Fakten zu kennen.

Zum Problem „Folge-Anträge“ – unter Anführungszeichen –:

Erstens: Bis vor Kurzem haben Sie gar nicht erfasst, Frau Innenministerin, wie viele Folge-Anträge es gibt. Auch heute wird es nur sehr mäßig erfasst, weil Sie nur die ne­gativ beschiedenen Folge-Anträge erfassen, nicht aber die positiv beschiedenen. Da­mit hat diese Zahl keine Aussagekraft.

Zweitens: Bis heute können Sie uns nicht sagen, wie viele Asylwerber rechtskräftig ver­urteilt wurden. Das ist nämlich die entscheidende Zahl für diese Debatte, aber sie wird nicht erhoben. Doch Sie reden über Asyl ständig im Zusammenhang mit Kriminalität.

Meine Damen und Herren, glaubt hier wirklich irgendjemand, dass diese Asylrechts-Novelle in Österreich mehr Sicherheit bringt? – Wer Einbruchskriminalität organisieren will, wird das auch nach dieser Asylrechts-Novelle tun. Es wird sich daran nichts än­dern. Sie können verschärfen, so viel Sie wollen, Menschenhändler werden sich davon nicht abschrecken lassen.

Wer Kriminalität, wie etwa Einbruchsdiebstähle, bekämpfen will, der soll nicht Asylpo­litik, sondern der muss Kriminalpolitik machen. Nur: Wenn wir Kriminalpolitik machten, dann wären wir sehr schnell im Innenministerium und bei Ihren Verfehlungen, Frau Bundesministerin – doch das wollen Sie nicht –, und dann wären wir sehr schnell bei der Strasser’schen Polizeireform, die nämlich die eigentliche Ursache für das Anstei­gen der Zahl der Einbruchdiebstähle ist.

Sie werden das Asylrecht verschärfen, aber damit kein einziges Problem lösen. Die Kriminalitätszahlen werden weiter steigen, und die Rechtsparteien werden in einem halben Jahr eine weitere Verschärfung fordern, doch es wird sich nichts ändern.

Das Einzige, was Sie mit dieser Asylrechts-Novelle erreichen, ist, dass jene, die Asyl suchen oder mit gutem Grund glauben, dass sie Asyl bekommen können, in ihren Rechten geschädigt werden.

Wenn hier ständig beteuert wird, diejenigen, die verfolgt werden, bekämen weiter Asyl und seien davon nicht betroffen, dann muss ich sagen: Das stimmt schlicht und einfach nicht! Einschränkung der Bewegungsfreiheit gilt auch für vollkommen unbescholtene Asylwerber. Ausweitung der Schubhaftgründe gilt auch für vollkommen unbescholtene Asylwerber. Die Rechtsmittelfristen werden verkürzt; das gilt auch für vollkommen un­bescholtene Asylwerber. Folge-Anträge werden erschwert; das gilt auch für vollkom­men unbescholtene Asylwerber. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gerade bei den Folge-Anträgen, die da so pauschal als Missbrauch hingestellt werden, sollte man sich näher anschauen, warum es zu denselben kommt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 191

Wir debattieren hier zu Recht im Parlament über die Ausweitung der Verjährungsfristen bei Vergewaltigung, und zwar aus guten Grund: Weil Vergewaltigungsopfer traumati­siert sind und oft erst Jahre später über die Tat sprechen können.

Nicht anders ist es bei Flüchtlingen, die schlimme Schicksale hinter sich haben: körper­liche Gewalt, Folter, Misshandlung, Vergewaltigungen. Auch die sind traumatisiert, und das ist der Grund dafür, warum es Folge-Anträge gibt: weil mitunter in einem ersten Antrag Flüchtlinge gar nicht in der Lage sind, alles zu nennen, was ihre Fluchtgründe betrifft.

Die FPÖ ist am Ziel angelangt. Ihr Ziel war immer klar: Das Asylrecht soll diskreditiert werden. Die Botschaft ist klar: Die Asylwerber sind kriminell.

Wohin wollen aber ÖVP und SPÖ? Wie weit lassen Sie sich treiben? Wo sind Ihre Grenzen? Diese Fragen müssen Sie sich heute gefallen lassen, denn ich sehe kein Ende der Debatte. Ich bin überzeugt davon, dass Sie in einem halben Jahr wieder mit einer Asylrechts-Novelle kommen.

Wo ist das Ende? Wo sind Ihre menschenrechtlichen Standards? Ich sehe sie nicht, meine Damen und Herren, und das macht mir schlichtweg Angst! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Heinzl. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.08.13

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Toleranz und gegenseitiger Respekt – und deshalb, Herr Grosz, sage ich Ihnen nicht das, was ich mir jetzt gerade denke, was Sie betrifft (Abg. Grosz: Ich auch nicht! Seien Sie froh! – Abg. Ing. Westenthaler: Seit wann denken Sie?), weil wir gerade von gegenseitigem Respekt und von Toleranz sprechen – sind die Basis für ein gutes Zusammenleben. Dazu bedarf es aber für alle – auch für Sie, Herr Grosz – verbindlicher Spielregeln.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen durch klare Regelungen und faire Chancen langfristig sozialen Frieden in Österreich sichern. Basis unserer gesell­schaftlichen Spielregeln sind, wie ich meine, unsere Verfassung, Demokratie und Mei­nungsfreiheit. Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die Einhaltung unserer Gesetze: Das sind Werte, die für uns nicht verhandelbar sind, und wer sich nicht daran hält, der hat in Österreich nichts verloren.

Unser klares Ziel ist es, die Asylverfahren zu beschleunigen. Es ist für den Asylwerber wie auch für den Staat gleichermaßen wichtig, schnell zu erfahren, ob Asyl gewährt wird oder nicht. Und wenn ein Asylwerber im Sinne der Genfer Konvention als solcher gilt, dann wird er in Österreich – und das wurde heute schon mehrmals und von vielen Rednern betont – Schutz und Hilfe erhalten. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es das erklärte Ziel, rasche und saubere Lösungen für die Rückkehr in die Heimat zu fin­den.

Wenn in einem Verfahren endgültig geklärt ist, dass die Migrantinnen und Migranten nicht in Österreich bleiben dürfen, so darf die Abschiebung nicht an bürokratischen Un­zulänglichkeiten oder an fehlenden Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftslän­dern scheitern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Flut von Folge-Anträgen ist einzu­dämmen; auch das wurde heute schon mehrmals und, wie ich meine, richtigerweise betont.


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Es muss durch klare Regeln und faire Chancen erreicht werden, die Voraussetzungen für einen langfristigen sozialen Frieden in Österreich zu sichern und zu stärken, und deshalb gebe ich dem neuen Asylgesetz gerne meine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

19.10


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Herbert. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.10.57

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Erlauben Sie mir zuerst eine kleine Re­plik auf die Ausführungen der Kollegin Lueger: Wenn Sie nämlich hier von diesem Red­nerpult aus die Ausführungen des Kollegen Weinzinger als Schwachsinn titulieren (Abg. Schönpass: Sie hat sich entschuldigt!), dann zeugt das nicht nur von demokra­tiepolitischen Defiziten, sondern dann ist das auch dieses Hohen Hauses schlichtweg unwürdig. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Auch wenn Sie nachher versuchen, sich mit einer leisen Entschuldigung aus Ihrer Ver­antwortung zu stehlen, sage ich Ihnen: Es ist dieses Hauses unwürdig! Herr Kollege Weinzinger hat es nicht verdient, hier in dieser Art und Weise von Ihnen behandelt zu werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des BZÖ.)

Nun zum Fremdenrechtsänderungsgesetz.

Ich muss sagen, dass den hohen Erwartungshaltungen, die es im Vorfeld zu den ge­setzlichen Bestimmungen dieser Regierungsvorlage gegeben hat, sei es vonseiten der Bevölkerung oder sei es seitens der Exekutive – Stichwort: Traiskirchen, mit den zu­letzt kolportierten Vorfällen dort im Bereich des Fremden- und Asylwesens – einmal mehr nicht entsprochen wurde. Die Bevölkerung wünscht sich nämlich – und das hat Herr Kollege Weinzinger klar herausgearbeitet – wirklich rasche Verfahren und die ri­gorose Durchsetzung der Abschiebungen von Fremden, die sich ungerechtfertigt in un­serem Bundesgebiet aufhalten.

Wenn man sich aber anschaut, was bei dieser Regierungsvorlage herausgekommen ist, dann stellt man fest: Das ist eigentlich bei Weitem nicht das, was man sich erwartet hat, und eigentlich nur ein Vielfaches an komplizierten und schwer nachvollziehbaren gesetzlichen Bestimmungen mit wenig politischem Weitblick und spärlichen Kompeten­zen für die Exekutive.

Beispiele dafür finden sich zuhauf. Ich denke da an die DNA-Überprüfung bei behaup­tetem Verwandtschaftsverhältnis. Anders als wir von der FPÖ es vorgesehen haben, nämlich als verpflichtend, ist es jetzt lediglich eine Möglichkeit und daher keine effek­tive Maßnahme, den Missbrauch in dieser Sache tatsächlich und nachhaltig abzustel­len.

Auch die Bestimmungen für den Fall behaupteter Minderjährigkeit, die keine Durch­setzung von Zwangsmitteln zum Zwecke von radiologischen Untersuchungen beinhal­ten, und den Umstand, dass Schlepperei und Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet nur im Sinne von Verwaltungsübertretungen strafbar sind und damit eigentlich – ich sage es einmal salopp – dem Delikt des Falschparkens gleichgeordnet sind, wird wohl in diesem Land jemand, der sich damit auseinandersetzt, kaum verste­hen. Alles in allem ist das also eine unpraktikable und in der Folgewirkung ineffiziente gesetzliche Regelung.

Praktizieren müssen das aber – und das ist eigentlich für mich als aktiven Polizist, der ich noch immer meinen Dienst versehe, entscheidend – wieder einmal nicht Sie, Frau Minister, nicht die Sektionschefs, nicht die Abteilungsleiter in Ihrem Ministerium, son-


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dern die Polizisten und die kleinen Beamten und Verwaltungsbediensteten in den Fachabteilungen und Fachreferaten, die mit diesem Gesetz künftig arbeiten sollen. Sie sind einmal mehr in der Frage der faktischen Umsetzung Ihres gesetzlichen Auftrages im Stich gelassen worden und müssen sich vielleicht auch zukünftig mit der Kritik der Bevölkerung konfrontiert sehen und sich vielleicht auch noch den Vorwurf gefallen las­sen, sie würden ihren – von der Bevölkerung zu Recht geforderten – Verpflichtungen zur dienstlichen Durchsetzung der fremdenrechtlichen Bestimmungen und zur Handha­bung der Asyl- und Fremdengesetze nicht in dem von der Bevölkerung erwünschten beziehungsweise erwarteten und auch erforderlichen Ausmaß nachkommen.

Ich stelle fest: Eine solch untaugliche Regierungsvorlage kann daher keine Zustim­mung finden, zumindest nicht von meiner Fraktion, weil einmal mehr verabsäumt wur­de – und zwar von Ihnen, Frau Bundesministerin, aber auch von den Regierungspar­teien ÖVP und SPÖ, die diesem Gesetzesvorschlag im Ausschuss ja ihre Zustimmung gegeben haben und damit eine Umsetzung faktisch ermöglicht haben –, dafür zu sor­gen, dass die Polizei die nötigen Rahmenbedingungen zur Umsetzung ihrer sicher­heitspolizeilichen Aufgaben in ausreichendem Maße erhält und dass unsere Bevölke­rung zukünftig vor ungezügeltem Asylmissbrauch und permanenter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften wirklich und wahrhaftig geschützt ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.16.35

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen Ministerin­nen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei einer Anerkennungsquote von derzeit 16 Prozent bei den Asylwerbern gehen wir davon aus, dass das Bundesasylamt und die anderen Dienststellen hervorragende Arbeit leisten. Aber diese Zahl bedeutet auch, dass 84 Prozent der Asylwerber nicht in die Asylschiene passen beziehungsweise ge­hören, sonst würden ihre Ansuchen nicht von den Beamten, die die Asylanträge seriös und unter Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen bearbeiten, negativ beschieden werden.

Wenn die Ersuchen von 84 Prozent der nach Österreich einreisenden, eingeschleppten oder geflüchteten Asylwerber abgelehnt werden, dann haben wir Handlungsbedarf, dann ist das derzeit bestehende Gesetz – so scheint es – hierfür nicht das richtige Ins­trumentarium. Dass Österreich auf der anderen Seite aufgrund seiner geographischen Lage und des Wohlstandes, den es sich erwirtschaftet hat, natürlich ein bevorzugtes und attraktives Asylland ist, weiß jeder, wissen die Schlepperbanden, wissen jene, die als Wirtschaftsflüchtlinge oder aus sonstigen Gründen nach Österreich kommen.

Aber ich möchte noch einmal festhalten: Eine Anerkennungsquote von 16 Prozent be­weist, dass jene, die wirklich Asyl bekommen müssen, weil sie in ihren Heimatstaaten aus diversen Gründen verfolgt werden, bei uns auch Asyl bekommen, wir ihnen Hilfe angedeihen lassen und für sie auch entsprechende Integrationsmaßnahmen gesetzt werden.

Wir haben aber die Pflicht, dass wir den Österreicherinnen und Österreichern Schutz gewähren, wenn wir in verantwortungsvoller Weise Politik betreiben wollen, und das bedeutet, dass wir Asylmissbrauch abstellen müssen, und abstellen können wir Asyl­missbrauch nur dadurch, dass wir auch das Fremdenrechtsgesetz entsprechend nach­schärfen.

Es wurden hier heute ein paar Aussagen getätigt, zu denen ich sagen muss: Natürlich kommen auch jetzt noch sehr viele Asylwerber, die geschleppt werden, die hierher


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flüchten oder die sonstwie nach Österreich kommen, aber in der Vor-Schengen-Zeit – und das muss uns auch klar sein – waren die Grenzen zu, da hat es Grenzkontrollen gegeben, doch damals, schon vor 1989 und in den neunziger Jahren, kamen wesent­lich mehr Asylwerber nach Österreich, als es jetzt der Fall ist. Daher ist das vom BZÖ und auch von der FPÖ geforderte Schließen der Grenzen kein adäquates Mittel, um Asylmissbrauch hintanzuhalten, wenn es in Österreich vor Schengen schon viele Asyl­werber oder sogar mehr als heute gab. Daher brauchen wir Nachschärfungen im Ge­setz.

Die Welt wird sich auch in Zukunft verändern. Ich meine, es ist legitim, dass man auch dann wieder auf die Gegebenheiten entsprechend reagiert. Jawohl, ich traue mich das zu sagen: Es kann auch sein, dass wir in den nächsten Jahren wieder eine Änderung im fremdenrechtsgesetzlichen Bereich durchführen müssen, weil die Novelle noch nicht weitreichend genug war. (Abg. Mayerhofer: Ja, genau!)

Aber eines ist mir bei dieser Diskussion, lieber Freund und Kollege, auch klar: Das, was wir jetzt beschließen werden, liegt in der goldenen Mitte, denn den Grünen geht es viel zu weit, die wollen in Wirklichkeit alle herinnen haben, für alle die Grenzen öffnen, ob Kriminelle oder Nichtkriminelle, und dem BZÖ und der FPÖ geht es zu wenig weit.

Daher ist es wieder einmal der goldene Mittelweg, und das zeichnet ja solch große Volksparteien, wie die ÖVP eine ist, aus. – Dadurch gibt es auch die Wahlsiege, wie wir vor drei Wochen einen in Oberösterreich feiern durften. (Beifall bei der ÖVP.)

19.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. Ein­gestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.20.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kapeller hat gezeigt, dass es in der ÖVP Gott sei Dank noch Red­ner gibt, die ihre Rede auch ohne Untergriff gegen Oppositionsabgeordnete (Abg. Hörl: Na, na, na, na!) halten können. (Abg. Amon: Es gibt eine Fülle von Rednern, die das können!) – Jetzt passt es euch auch nicht, wenn man eure Abgeordneten entspre­chend lobt?

Er hat richtigerweise auf eines hingewiesen, meine Damen und Herren vor allem auch von den Grünen – weil Sie immer so tun, als ob wir alle Asylwerber kriminalisieren wür­den, obwohl doch alle, jedenfalls der Großteil, ohnehin rechtschaffen und wirklich ver­folgt seien und hier in Österreich nur das Beste wollen: Sehen Sie sich einfach die Zah­len an! 16 Prozent Anerkennung. – Jetzt werden Sie wieder sagen, es werden ja ver­schiedenste Asylwerber nicht anerkannt. – Na, sollen es 20 Prozent sein, die wirklich Asyl brauchen, dann sind 80 Prozent der Asylwerber, die nach Österreich kommen, missbräuchlich unterwegs: Diese haben dieses wichtige Recht missbraucht. Herr Kolle­ge Steinhauser, da muss man doch endlich einmal auch von Ihrer Seite zugeben, dass dieser Missbrauch abgestellt werden muss! 16 Prozent rechtschaffene Asylanten; 84 Prozent, die das System missbrauchen. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch den Flüchtlingsorganisationen muss endlich klargemacht werden, dass sie die wirklichen Flüchtlinge zu vertreten haben, und diese vertreten sie dann, wenn sie je­nen, bei denen sie sehen, sie sind missbräuchlich hier, die Türe weisen, und ihnen nicht noch einen Tipp geben, wie sie mit dem fünften Antrag noch ein Jahr in Öster­reich bleiben können! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Kickl.)

Nur, Herr Kollege Kapeller, in einem haben Sie natürlich in dem Fall nicht recht: Da gibt es keine goldene Mitte! Man kann bei diesen Maßnahmen, bei denen es darum geht, Recht zu schaffen, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen und es durchzusetzen,


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nicht sagen, man geht den Weg der goldene Mitte, man geht zwischen dem, was die Grünen wollen, und dem, was FPÖ und BZÖ wollen, man schwindelt sich eben in der Mitte durch. (Abg. Amon: Nein, nein!) – Herr Kollege Kapeller! Bei der Entscheidung zwischen Recht und Unrecht gibt es keine goldene Mitte, sondern da kann man nur zu 100 Prozent auf der Seite des Rechts stehen, und deshalb muss es klare Regelungen geben! (Beifall beim BZÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amon.)

Deshalb sind wir auch dagegen, dass man, wenn es etwa um die Abschiebung geht, einen Freibrief ausstellt, Herr Kollege, dass kriminelle Asylwerber eben erst beim zwei­ten Delikt – bei Diebstahl, bei Nötigung, bei Körperverletzung – das Recht auf ein Asyl­verfahren verlieren – nein! Wir wissen es ja von den wirklichen Asylanten: Diese sind froh, dass sie hier sind, diese versuchen sich da entsprechend einzubinden, diese ver­suchen auch bei der Feststellung ihrer Identität mitzuwirken. Wer das nicht macht – und zwar beim ersten Delikt! –, wer nicht mitwirkt, wer straffällig wird, der hat das Recht auf Gastfreundschaft, der hat das Recht auf ein Asylverfahren verwirkt und ist abzuschieben. Das wäre hundertprozentig auf der Seite des Rechtssystems. (Beifall beim BZÖ.)

Man sieht es ja anhand der Beispiele, meine Damen und Herren: Die Kurden habe ich heute Morgen schon angesprochen. Wie gibt es denn das? – Sie kommen hier herein, werden geschleppt, und es ist wohl offensichtlich, dass da etwas nicht stimmt. Sie kommen wie jeder rechtschaffene Asylwerber nach Traiskirchen, und man wundert sich dann, dass sie verschwinden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Unterreiner und Mayerhofer.) Und wieso verschwinden sie? – Sie kennen sich ja nicht aus! Man möchte glauben, da kann es nicht mit rechten Dingen zugehen.

Genau solche Zustände sind es, die zu uns einladen! Die Schlepperorganisationen wissen das ganz genau, die schauen sich genau an, in welchem Land es welche Be­stimmungen gibt. Und wenn Österreich zu sich einlädt, dann werden die Schlepperor­ganisationen die Flüchtlinge auch nach Österreich bringen.

Wenn dann im Zuge der Berichterstattung herauskommt, dass der Kommandant des Flüchtlingslagers sagt, das ist eigentlich nichts Neues, weil 200 Asylwerber pro Monat in Traiskirchen untertauchen, und wenn man weiß, dass die Belegstärke bei 700 bis 800 Personen liegt, dann heißt das, man hat alle vier Monate sozusagen einen Turn­over: Alle vier Monate ist das Lager leer geräumt, da sind alle weg, im Untergrund! Da kann man doch nicht sagen, man versucht einen goldenen Mittelweg zu gehen, son­dern da sind Maßnahmen zu setzen! (Abg. Kößl: Wo werden diese Maßnahmen ge­setzt?)

Meine Damen und Herren, man sagt, die Leute haben nichts angestellt, man kann sie nicht festhalten, aber ich sage Ihnen Folgendes: Jeder österreichische Staatsbürger, der mit 18 oder 19 Jahren seinen Grundwehrdienst antritt – und sagen Sie jetzt nicht, das sei ein schlechter Vergleich! –, wird einmal einige Tage lang angehalten und darf die Kaserne nicht verlassen, weil man sich erst ansieht, wie zuverlässig er ist: Kommt er um Mitternacht, wenn Zapfenstreich ist, auch wieder zurück?

Da, beim österreichischen Staatsbürger, gibt es plötzlich kein Recht auf Freizügigkeit, aber beim Asylanten, da ist es natürlich unzumutbar (Zwischenruf des Abg. Weinzin­ger), dass man sagt, man hält ihn bis zur Erstprüfung seiner Identität und der Umstän­de, warum er hier hergekommen ist, in einem Aufnahmezentrum an. – Das wäre doch eine vernünftige Lösung, Frau Innenministerin, Frau Justizministerin! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) – Schaffen Sie es einmal, dass man die Asylwerber von den Rechten her wenigstens mit unseren Grundwehrdienern gleichstellt! Das ist die Problematik!

Das Thema Traumatisierung ist angesprochen worden (Zwischenruf der Abg. Silha­vy), die Asylwerber würden es nicht gleich schaffen, ihre Gründe anzusprechen. – Da-


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zu: Wenn man es schafft, sich auf einen Weg von vielen tausend Kilometern zu ma­chen, um nach Österreich zu kommen, dann wird man es auch schaffen, seine Gründe für diese Flucht darzulegen. (Zwischenruf des Abg. Weinzinger.)

Ganz zum Schluss, meine Damen und Herren, zur Drittstaatsklausel: Wenn man die­se konsequent – nicht auf einem Mittelweg, Herr Kollege, sondern konsequent – um­setzte, dann gäbe es nur mehr ein paar Dutzend Asylwerber, die wir zu betreuen hät­ten, nämlich die, die am Flughafen Schwechat, Graz oder Linz oder auf den anderen internationalen Flughäfen und vielleicht noch auf einem Donauhafen aufgegriffen wer­den, denn alle anderen kommen – auf dem Landweg – aus einem sicheren Drittland und hätten in diesem Drittland ihr Asylverfahren abzuwarten.

Wir wollen nur, dass diese gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden, dann hät­ten wir schon einige Probleme weniger. (Beifall beim BZÖ.)

19.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Königsberger-Ludwig. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.26.51

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau­en Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Auch wir sind der Meinung, dass Straffälligkeit zu ahnden ist – das gilt für Inländer und für Aus­länder. Auch wir sind der Meinung, dass unrechtmäßig gestellte Asylanträge abgelehnt werden sollen – auch da sind wir sicher einer Meinung –; wir sind aber mit manchen Rednerinnen und Rednern nicht derselben Meinung, dass alle AsylwerberInnen gene­rell kriminell sind (Abg. Scheibner: Es sind ja nur 86 Prozent ...!), und wir stehen, Herr Kollege Scheibner, für faire Verfahren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, genau da liegt der Unterschied: Im Zugang und auch – das möchte ich gleichfalls betonen – in der Diskussionskultur. Für uns ist das Asylrecht ein Menschen­recht, und das sollte in diesem Haus auch unbestritten sein (Abg. Kickl: Das bestreitet kein Mensch! Wer hat das bestritten?), bei aller Problematik, die es in diesem Bereich gibt.

Wir sind uns bei unseren Reden und bei unserem Zugang zu der Problematik auch un­serer Verantwortung bewusst, Kollege Kickl. Polemik nützt nichts und niemandem, pauschale Kriminalisierung nützt nichts und niemandem. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat das in Frage gestellt? – Abg. Ursula Haubner: Wer stellt das in Frage?) Schreien, Herr Kollege Grosz – ich meine nicht jetzt, sondern vorher mit der Frau Ministerin –, nützt schon überhaupt nichts, denn wer schreit, ist im Unrecht. Das ist ein geflügeltes Wort. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das Schüren von Ängsten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen und des BZÖ (Abg. Mayerhofer: Wer schürt Ängste? – Abg. Ing. Westenthaler: Es wer­den nur Tatsachen dargestellt!), führt meiner Meinung nach nur dazu, dass der soziale Friede in unserem Land wirklich gefährdet wird, und auch dazu, dass das Asylrecht nur oder nur mehr unter den Aspekten Missbrauch, Kriminalität, Asylbetrug und Miss­stand diskutiert wird. Das, geschätzte Damen und Herren, ist nicht der einzige Weg, denn ich bin überzeugt davon, dass viele Österreicherinnen und Österreicher durchaus bereit sind, Menschen, die in ihren Heimatländern verfolgt werden, in Österreich Schutz zu gewähren, sie erwarten sich aber – und das auch zu Recht –, dass das Asyl­recht nicht unrechtmäßig beansprucht wird.

Daher ist es die Aufgabe der Politik, auf der einen Seite die Menschenrechte zu achten und zu wahren, für faire und rasche, rechtsstaatlich einwandfreie Verfahren zu sorgen, auf der anderen Seite aber auch dafür zu sorgen, dass abgeschlossene Verfahren um-


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gesetzt werden: verfassungskonform, rechtsstaatlich einwandfrei, menschenrechtskon­form, aber konsequent! (Abg. Kickl: So weit die Theorie!) Ich bin davon überzeugt, dass mit der vorliegenden Asyl- und Fremdenrechts-Novelle genau dem Folge geleistet wird.

Der Asylgerichtshof hat schon bewirkt, dass die Verfahren beschleunigt wurden, dass es für die Menschen, Frau Kollegin Korun, vor allem rascher Rechtssicherheit – auch für sie selbst – gibt. Die jetzt vorliegende Novelle regelt Folgeanträge neu – das haben wir heute schon gehört –, und die Feststellung des Alters, die Erweiterungen der Schubhaft-Tatbestände und der Umgang mit straffälligen Asylwerbern werden neu ge­regelt. – Dass es den Grünen auf der einen Seite zu weit geht, den Kollegen vom BZÖ und von den Freiheitlichen jedoch viel zu wenig scharf ist, wie wir heute schon gehört haben, zeigt mir, dass wir den richtigen Weg beschreiten.

Wir von der SPÖ stellen klar, dass das Asylgesetz keineswegs ein Zuwanderungsge­setz ist. Wir unterstellen AsylwerberInnen auch nicht generell Missbrauch, wir stellen aber klar, dass es Regeln gibt, die einzuhalten sind, und dass bei deren Nichteinhal­tung mit Konsequenzen zu rechnen ist. Wir unterstellen aber auch nicht, dass die Be­hörden generell gegen die Interessen der AsylwerberInnen arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Für uns vonseiten der SPÖ gilt eindeutig: Klare Regeln, faire Chancen! Ich bin deshalb froh, dass im Begutachtungsverfahren noch Veränderungen herbeigeführt worden sind. Am Ende steht nun ein verfassungskonformes, rechtsstaatlich einwandfreies Gesetz. Jetzt liegt es daran, den Vollzug zu verbessern und auch dafür zu sorgen, Frau Minis­terin – und da sind auch Sie gefordert –, die Bedingungen bei der Schubhaft zu verbes­sern. Das hat schon Ministerin Prokop seinerzeit versprochen.

Ich denke, wir sind auch da gefordert, denn „Klare Regeln, faire Chancen!“, das gilt auch in diese Richtung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Viel Spaß bei der Wiener Wahl!)

19.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.31.05

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewalt ist Gewalt, eine strafbare Handlung ist immer eine strafba­re Handlung und soll auch strafrechtlich verfolgt werden und Polemik ist immer Pole­mik. – Das zu Herrn Kapeller, zu Herrn Grosz und auch zu Herrn Scheibner (Abg. Kickl: Polemisch sind immer die anderen! – Abg. Grosz: Und bei den Blauen gibt es keinen, ...? – Abg. Scheibner: ..., wenn ich polemisch werde!), denn: Wenn ein negati­ver Bescheid ausgestellt wird, heißt das doch noch lange nicht, dass das zuständige Recht missbräuchlich verwendet wurde, sondern dass ein Antrag, der mit bestem Wis­sen und Gewissen gestellt wurde, negativ beschieden wurde. Das kann im Baurecht genauso sein und in anderen Rechtsbereichen auch. Sie sagen, ein negativer Be­scheid bedeutet automatisch Missbrauch. Wir sagen dazu ganz klar: Nein, das ist es nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Kapeller: Die Quote bedeutet „in letzter Ins­tanz!“)

Es ist – das ist heute nämlich auch schon behauptet worden – kein Kampf Blau gegen Grün oder Grün gegen Blau. Ganz im Gegenteil: Es ist der Kampf Grün gegen die Re­gierung! Und wir werden sicher nicht müde werden, diesen Kampf weiter fortzusetzen und gegen die Innenministerin einfach argumentativ vorzugehen (Abg. Kickl: Die beu­telt es eh schon so her! – Abg. Mag. Molterer: Die Innenministerin ist ganz ...!) und ganz klar Stellung zu beziehen, nämlich für die Menschenrechte, für die Einhaltung der Grundrechte und für die persönliche Integrität in diesem Land.


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Zur Altersfeststellung: Neben zahnmedizinischen und körperlichen Untersuchungen wird es nun auch Röntgenuntersuchungen geben. Es hat im Vorfeld genug Diskussionen bezüglich der Strahlenbelastung und auch bezüglich der Fehlerquote gegeben. (Zwi­schenruf des Abg. Ing. Kapeller.) Faktum ist, es gibt keine hundertprozentige Methode der Altersfeststellung, außer – das hat die Ministerin heute schon gesagt – die Obduk­tion. Ich gehe aber nicht davon aus, dass in der nächsten Novelle die Obduktion Teil der gesetzlichen Bestimmungen sein wird, ganz und gar nicht. (Abg. Hornek: ... pole­misch! – Abg. Kößl: Haben Sie vorhin von polemisch gesprochen?)

Was hier in der Diskussion vollkommen vergessen wurde, was die Röntgenstrahlung betrifft, ist eines: Es ist Faktum, dass laut österreichischem Strahlenschutzgesetz ioni­sierende Strahlung, das heißt Röntgenstrahlung, ausschließlich – ausschließlich! – für medizinische Zwecke eingesetzt werden darf. Und ich bin sicher, wir sind alle hier d’accord, dass die Altersfeststellung kein medizinischer Zweck ist, und wir sind d’accord, dass die Röntgenstrahlung für die Altersfeststellung keinem medizinischen Zweck dient. (Zwischenruf des Abg. Kößl. – Abg. Grosz: ... alle keine Gesprächskul­tur! Lasst sie doch ausreden! – Abg. Kößl: Entschuldigung!)

Das heißt, dass das Gesetz den Eingriff in die körperliche und in die persönliche Inte­grität forciert, dass dieses Gesetz den Eingriff in die Grundrechte der Menschen er­laubt. (Zwischenruf des Abg. Hornek.) Da bin ich überhaupt nicht bei meinen SPÖ-Kol­legInnen Lueger und Pendl, die meinen, dass die Grundrechte hier gewahrt bleiben. Ganz und gar nicht, denn was heißt das denn in der Praxis? – Es gibt eine Verpflich­tung zum Beweis der Minderjährigkeit, und es gibt eine Röntgenuntersuchung, die aus der Diskussion bezüglich der Grundrechte heraus eine Kann-Bestimmung ist, die nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann. (Abg. Riepl: Na eben!) Wenn nun ein min­derjähriger Schutzsuchender, ein Betroffener, das Recht in Anspruch nimmt, Nein zur Röntgenstrahlung zu sagen, dann wird das zum Nachteil in seinem Verfahren. Das kann es nicht sein! (Zwischenruf des Abg. Kößl. – Abg. Grosz: Und wenn er einen ka­putten Zahn hat, geht das auch nicht?)

Die Diskrepanz ist klar: Die medizinrechtliche Seite sagt Nein, die grundrechtliche Seite sagt eigentlich auch Nein – und die Wahrung des Persönlichkeitsrechtes ist nicht ab­hängig von der Bundesregierung oder von der Innenministerin, sondern sie ist die Pflicht der Bundesregierung! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grosz: Und wenn er gar nicht minderjährig ist?)

Jeder/jede Abgeordnete, der/die diesem Gesetzesvorschlag zustimmt, muss sich einer Sache bewusst sein: Sie übernehmen hiermit Verantwortung für das Vermischen politi­scher Einzelbereiche, das Vermischen der Asylpolitik, der Integrationspolitik, der Si­cherheitspolitik und der Kriminalitätspolitik. Das hat sich hier heute schon ganz klar he­rausgestellt. (Zwischenruf des Abg. Kößl.) Sie übernehmen Verantwortung dafür, dass Beschwerdefristen verkürzt werden, dass die Schubhaft ausgeweitet wird, für längere Verfahren, für höhere Kosten (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler), für mehr Rechtsunsicherheit, dafür, dass Rechtsberatung gestrichen wird (Abg. Kößl: Das stimmt ja nicht! Das machen andere!) – sei es von der Diakonie, von der Caritas, von der Volkshilfe; nicht von diesen „linkspolitischen Organisationen“, nein, von den christli­chen Organisationen kommt diese Kritik! –, und Sie übernehmen Verantwortung dafür, dass es eigentlich zur legalen Verletzung der körperlichen Integrität minderjähriger Schutzsuchender kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Was ist rich­tig? Definieren Sie, was richtig ist!)

19.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 199

19.36.33

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin Windbüchler, es fasziniert mich unglaublich, mit welcher, doch ein bisschen, Weltfremdheit Sie an dieses Thema herangehen. Ich möchte Ihnen ein paar konkrete Beispiele schildern, die verdeutlichen, warum – und ich glaube, das kann in unserem gemeinsamen Sinne nicht sein – in diesen Fragen momentan die FPÖ und auch das BZÖ so ein wenig und unverdient erste Reihe fußfrei sitzen.

Wir haben in Innsbruck ein Problem mit illegalen Marokkanern. Die kommen, ge­schleppt von der italienischen Mafia, zuerst nach Italien und dann nach Österreich. Vie­le werden von der gut arbeitenden Polizei bereits im Zug aufgegriffen, werden zurück­gebracht, kommen über die grüne Grenze gleich wieder, sind da, denn hier sind schon die Kollegen. Das sind so ungefähr 200 Leute, und ich kann Ihnen sagen: Die halten ganz Innsbruck in Geiselhaft! In einer kleinen, beschaulichen Stadt, wo ich mein gan­zes Leben lang niemals Angst gehabt habe, als Frau in der Nacht auf die Straße zu ge­hen, wurde ich überfallen. Das ist nicht weiter dramatisch, ich verkrafte das schon, aber jeden Tag werden dort Frauen überfallen, beraubt, es werden Handys geklaut – am Bahnhof und überall –, von 200 amtsbekannten Marokkanern.

Die kommen und sagen einmal als Allererstes: Wir sind gar keine Marokkaner, wir sind Algerier!, denn dann ist die Chance höher, dass sie auch tatsächlich Asyl bekommen. Dann sagen die Dolmetscher: Nein, der Dialekt – das ist schon ein Marokkaner! – Das geht ja noch. Dann sagt jeder von denen – und das wird auch weitergegeben, und es wird auch dahingehend beraten –: Ich bin minderjährig!

Wir haben in Tirol ab 40 Jahren ein Mammographie-Screening für alle Frauen, bei dem sie die Möglichkeit haben, jährlich einmal eine Mammographie zu machen. Wenn jetzt jemand sagt, ein Handwurzelröntgen im Leben ist zu viel (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun), dann muss ich sagen: Um Gottes willen, liebe Frauen, ihr bekommt alle Krebs und sterbt, wenn ihr Mammographie-Screenings macht! – Das kann es ja nicht sein. (Abg. Kickl: Das ist ja lächerlich!)

Wie geht die Sache dann weiter? – Lauter Bärtige sagen: Ich bin minderjährig! Die Po­lizei ist da wirklich arm. In Zukunft kann man ihnen nachweisen, dass sie das nicht sind. An die Minderjährigkeit knüpft sich nämlich nicht nur der bessere Status im Asyl­verfahren, sondern daran knüpft sich dann, wenn sie straffällig geworden sind, ein Rat­tenschwanz an weiteren Erleichterungen bei der Justiz: Jugendgerichtsbarkeit und kür­zere Haftstrafen.

Wird ein Handy geklaut, dann werden die Straftäter gefasst, unsere Polizei hat das su­per im Griff. Sie werden auf freiem Fuß angezeigt. Dann kommt irgendwann einmal das Verfahren – und vielleicht findet man den Täter. Denjenigen, der mich überfallen hat, habe ich auf der Straße selbst gestellt: Er hat vier Jahre bekommen. Mein Verfah­ren ist ausgeschieden worden, weil es nur unter „ferner liefen“ war, denn der Betreffen­de ist wegen Drogenhandels und keine Ahnung, was alles, vier Jahre hinter Gitter ge­kommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Zwei! Zwei Überfälle! Zweimal darf er!)

Ich habe eine Datenbank mit 200 Fotos durchgeblättert und einmal nachgeschaut. Alle Straftaten dort sind mehrfach verurteilt! Das regt die Leute auf, Frau Kollegin!

Deswegen, weil zum ersten Mal Frauen in Innsbruck Angst davor haben, auf die Stra­ße zu gehen, ergreifen wir diese Maßnahmen, und nicht deswegen, Frau Kollegin, weil wir so „böse“ sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich war in Uganda, ich war in anderen Ländern, und ich verstehe, dass von dort Leute fliehen, ja ich wünsche mir, dass wir mehr von ihnen holen könnten mit dem wahn­witzig vielen Geld, das wir derzeit aufwenden. Derzeit muss der, der überfallen worden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 200

ist und dem sein Handy geklaut worden ist, nach dem 150. Folgeantrag auf Asyl und dem Abwickeln des Verfahrens, auch noch aus den Steuern alles doppelt selber zahlen.

Ich wäre froh, wenn wir die Türen weit aufmachen könnten für all die Menschen, die dadurch in Misskredit geraten und die es gar nicht bis zu uns her schaffen. Denen wür­de ich einen Flieger schicken und sie holen! In ein paar Jahren, wenn wir das Geld für die straffälligen Asylbetrüger nicht mehr brauchen, ist mir das auch recht.

Die FPÖ hingegen macht gleichzeitig vieles Wichtige unmöglich und ist insofern inkon­sequent, als wir das Problem haben, dass wir die Genannten nicht abschieben können, weil Marokko sagt: Entschuldigt, aber wenn der sagt, er ist Algerier, und die Pässe fin­den wir nie, dann wollen wir diese illegalen Staffälligen bitte auch nicht haben, behaltet euch die! Und die sind dann bei uns, die sind geduldet und bekommen immer noch Geld. Und der, der jemandem das Handy geklaut hat, geht drei Monate, nachdem er wieder aus dem Gefängnis herauskommt, vor den selben Leuten wieder auf der Straße spazieren. Jeder Innsbrucker kennt die 200, von denen ich rede, beim Gesicht und beim Namen!

Das ist frustrierend und ein Versagen des Rechtsstaates! Und ich stehe dazu, dass man ab und zu versucht ist, sich zu überlegen, ob bis zu einer Abschiebung da irgend­eine Anhaltegebietsbeschränkung – keine Ahnung, was – stattfinden sollte. Aber das ist menschenrechtswidrig, und ich stehe auch dazu: Ein Rechtsstaat darf sich nicht über Menschenrechte hinwegsetzen. Das sind Grenzen, damit müssen wir leben, und auf europäischer Ebene können wir dieses Problem lösen.

Deshalb kann ich nur sagen: Wenn Sie von FPÖ und BZÖ es ernst meinen, dann müs­sen Sie auch sagen: Ja zu Europa, weil die Marokkaner erzählen Österreich: Wer seid ihr! – Wir sind ein kleines Land, hier hat die EU als Ganzes bessere Möglichkeiten. Und nur dann, wenn die EU das Problem, zum Beispiel das mit Marokko, verhandelt, können wir das Problem endgültig beseitigen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

19.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayerhofer; 4 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


19.42.21

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Ich war am Tatort am Montag. Tagdienst. Polizei Wien-Fünfhaus. (Abg. Kößl: „Tatort“ im Fernsehen?) Nicht im Fernsehen! Das ist vielleicht bei dir der Fall, wenn du weiterhin nichts tust auf deiner PI.

Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Jahrzehntelange Losung der ÖVP- und ganz besonders SPÖ-Politiker war: Ausländer herein! Zuerst haben sie Fremdarbeiter ge­heißen, jetzt heißen sie Gastarbeiter. Und dann hat man den Familiennachzug er­möglicht – und der war der eigentliche Schaden. Familiennachzug gibt es in fast kei­nem Land der Welt in der Form, und zwar deshalb, weil die anderen Länder genau wis­sen, warum: Weil das wirklich Geld kostet.

Aber da hat es einen interessanten Zeitungsartikel gegeben, den ich Ihnen bei dieser Gelegenheit näher bringen darf, und zwar von Mariam Lau in der Zeitung „DIE WELT“. Der Artikel lautet: „Zuwanderung: Abrechnung mit einem Mythos“ über das eben er­schienene Buch von Christopher Caldwell, wo Selbiger berechtigterweise die Frage stellt: „Kann Europa bleiben, was es ist, obwohl andere Leute darin leben?“ Seine Ant­wort lautet klar und deutlich: nein!

Dasselbe gilt meines Erachtens für Österreich. Darüber wäre die österreichische Be­völkerung zu informieren gewesen, schon seit Jahrzehnten, und was das für Auswir­kungen hat! Wozu hat sie Politiker, die vorausdenken und vorausschauen müssen? (Beifall bei der FPÖ.)


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Caldwell sagt weiters, dass Immigranten die Sozialsysteme mehr beanspruchen, als sie dazu beitragen. – Auch das dürfen wir jetzt mit Ergriffenheit feststellen, und Sie sind ganz erschrocken, welche Maßnahmen da jetzt noch erforderlich sein werden, die wir heute nicht beschließen, dass wir einigermaßen über die Runden kommen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese falschen Losungen waren in Wirklichkeit sehr schädlich, weil sie hinter dem Rü­cken der österreichischen Bürger im Parlament ganz still und leise durchgezogen wur­den.

Wie ich schon sagte: Die Überbelastung des Staates und der Sozialsysteme ist durch den Familiennachzug entstanden, und daran waren Sie (in Richtung SPÖ) maßgeblich beteiligt! Wir werden der Bevölkerung die Verantwortlichen, um nicht zu sagen: die Tä­ter, nennen. Das kann ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bedenken der Bevölkerung haben Sie jahrelang – jahrelang! – abgetan und sind mit der Faschismuskeule durch die Gegend gezogen. Wie konnte es sein, dass eine Demokratie diesen Prozess jahrzehntelang gegen den erklärten Willen der Bevölke­rungsmehrheit durchgedrückt hat? Welche Demokratie ist das?, fragen sich manche Bevölkerungsteile, nämlich die Betroffenen. Und diese Frage ist wahrlich mehr als be­rechtigt vor allem auch angesichts leerer Kassen und einer Rezession. Die Rezession ist aus meiner Sicht noch nicht zu Ende. Und die leeren Kassen? – Das wird die wahre Katastrophe sein!

Nicht ohne Grund, Frau Minister, ist die britische Polizei eben im Begriffe, aufzurüsten. Ich fürchte mich davor, was da auf die Exekutive und auf die österreichische Bevölke­rung zukommt, denn da kann es unter Umständen bis hin zu Unruhen kommen. Und der prophezeite Wirtschaftsaufschwung, von dem Sie und Ihre Fraktion ständig spre­chen, wird, so befürchte ich, länger ausbleiben, als Sie das gerne hätten.

Damit sind wir beim leistungswilligen Österreicher. Man fragt sich: Warum haben wir so viel eingezahlt in dieses Sozialsystem, und warum muss der Bürger nunmehr für seine Behandlung im Krankenhaus so viel dazu zahlen? – Genau aus diesem Grund: Weil diese sozialen System überbeansprucht sind genau durch diese Gruppe, die Sie hier hereingelassen haben, und das jahrzehntelang.

Ich möchte Ihnen auch noch mitteilen, dass man auch an Ihrer (zur SPÖ gewandt) Ba­sis, auch bei den Landtagsabgeordneten klare Worte findet. Ich zitiere hier aus der „Kro­ne-West“: Loosdorfer Ortschef findet klare Worte.

Ich habe mir gedacht: Was ist da los? Gibt es dort irgendwo einen freiheitlichen Bür­germeister? – Nein! Es ist ein sozialdemokratischer Langzeitlandtagsabgeordneter (Heiterkeit bei der FPÖ), ein Lehrer. Was hat er gesagt? – Loosdorfer Ortschef findet klare Worte, heißt es. Er meint, viele Zuwanderer ... unsere Toleranz ... zunehmend auf eine ... (Ruf: Ich lese es Ihnen vor!) Viele Zuwanderer stellen die Österreicher zuneh­mend auf eine harte Probe, sagt Jahrmann. (Zwischenrufe des Abg. Weninger.) Kolle­ge Weninger, du solltest lieber in deinem Bezirk schauen, damit es dort mehr Sicher­heit gibt! Dort schaut es nämlich besonders schlimm aus, wo du bist. (Heiterkeit. – Bei­fall bei der FPÖ.)

Aber wer mit dem Gesetz gröber in Konflikt kommt, meint Jahrmann weiter, und den Sozialstaat überstrapaziert, ist bei uns unerwünscht. – Hast du mitgeschrieben? Ich bringe es dir dann hinauf, damit du nicht aufs Protokoll zu warten brauchst und siehst, was dein Fraktionskollege und deine Basisfunktionäre bereits von sich geben!

Zum Abschluss: Ihr seid von der Meinung der Bevölkerung sehr weit weg. Was da jetzt geplant ist, ist ein Placebo für die unzufriedene Bevölkerung. Die Bevölkerung ist mit


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Recht unzufrieden. Sie fürchtet sich, sie hat Angst, weil Sie nichts gegen die überbor­dende Kriminalität, die eindeutig mit dieser ungezügelten Zuwanderung zu tun hat, un­ternehmen.

Und, lieber Kollege Steinhauser, ein Wort an dich (Heiterkeit): Zum Unterschied von dir bin ich dort, wo es wirklich passiert, nämlich am Polizeikommissariat; so hat es früher geheißen, jetzt heißt es „Stadtleitstelle“. Und wenn man da in die Haftbücher hinein­schaut ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Steinhauser.) – Hör zu, damit auch du was weißt! (Heiterkeit bei der FPÖ.) In den Haftbüchern stehen die Nationalitäten drinnen, aber ich werde keine Namen nennen, damit Sie keine Beschwerde gegen mich ma­chen können – das tun Sie ja ohnehin gerne; ich erinnere an das Jahr 2000. Das habe ich mir ganz gut gemerkt.

Aber dennoch sage ich Ihnen, dass ein Großteil der Häftlinge Nicht-Österreicher sind, sondern Asylanten. Das ist die Wahrheit! Lassen Sie sich das von einem Polizisten sa­gen, der 32 Jahre im Funkwagen gesessen ist. Und jeder von der SPÖ, der will, sollte vielleicht bei der Frau Innenminister anfragen, ob er nicht doch einen halben Tag im Funkwagen mitfahren, im Rayon mitgehen kann, damit auch Sie wissen, wovon Sie re­den. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Plessl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.48.47

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Innen­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu behandelnde Regierungsvor­lage, die Novelle zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, ermöglicht es uns, Ver­besserungen in unterschiedlichsten Rechtsmaterien umzusetzen. Mit dieser Novelle können wir notwendige Nachjustierungen vornehmen und auf aktuelle Gegebenheiten und Problembereiche eingehen.

Besonders wichtig sind die folgenden Punkte:

Erstens: Effizienzsteigerung fremdenrechtlicher Verfahren unter Wahrung aller rechts­staatlichen Garantien.

Zweitens: Umsetzung höchstgerichtlicher Rechtsprechungen sowie europarechtlicher Vorgaben und der Judikatur des EuGH.

Drittens: Bekämpfung von Problembereichen, zum Beispiel bei Folgeanträgen im Asyl­verfahren bei den sogenannten Dublin-Fällen sowie bei der Altersfeststellung von Asyl­werbern.

Gerade im Vollzug des Asyl- und Fremdenrechts stehen unsere engagierten Kollegin­nen und Kollegen im BMI, bei Polizei, Justizwache und Verwaltung täglich an vorders­ter Front. Daher möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Beamtinnen und Beamten für ihren unermüdlichen Einsatz und ihr ambitioniertes tagtägliches En­gagement bedanken (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP), denn sie sind es, die bei jeder Amtshandlung mit neuen, individuellen Problemlagen zuallererst konfrontiert sind.

Handlungsbedarf bestand insbesondere bei Folgeanträgen, bei Dublin-Fällen und bei effektiven Sanktionsmöglichkeiten für straffällige AsylwerberInnen und Fremde. Denn eines ist klar: Recht muss Recht bleiben! Ein ordnungsgemäß abgewickeltes und rechtlich negativ entschiedenes Asylverfahren muss mit einer Rückführung des Frem­den einhergehen und abgeschlossen werden können.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 203

Frau Innenminister, gerade in diesem Bereich besteht weiterhin Handlungsbedarf, zum Beispiel betreffend Nigeria. Wir fordern Sie daher auf, dass Sie hier gemeinsam mit dem Außenminister die notwendigen Vereinbarungen für eine Rückführung dieser Flüchtlin­ge auf europäischer Ebene vorantreiben.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Wir haben heute wieder unterschiedli­che Meinungen zu diesem Thema gehört. Auf der einen Seite sind da die Grünen, die hier wieder einmal eine Verschlechterung durch die vorliegende Regierungsvorlage se­hen. Aber wir sagen ganz klar: Wer Asyl braucht, bekommt Asyl, jedoch: Missbrauch von Asyl muss bekämpft werden!

Ich möchte aber noch die andere Seite: FPÖ und BZÖ, kurz beleuchten. Sie sind ja wieder der anderen Meinung: dass es nicht weit genug geht. Allerdings vergessen Sie immer Ihre Regierungsbeteiligung, denn: Wie sah die Haltung von FPÖ und BZÖ im Bereich Arbeitskräfte aus? – Zum Beispiel ein Tourismus-Saisonnier-Vergleich 1998 bis 2002: eine Zunahme von 416 Prozent unter Ihrer Regierungsbeteiligung! Und – das sage ich auch noch dazu – Sie haben ausländische Erntehelfer billiger gemacht als in­ländische und damit übelstem Lohndumping Tür und Tor geöffnet! (Beifall bei der SPÖ.)

Die nüchternen Fakten sehen also wieder einmal anders aus. Sie bekritteln das Ergeb­nis, aber Faktum ist: Diese SPÖ-geführte Bundesregierung korrigiert heute Ihre Verfeh­lungen und schafft rechtskonforme Lösungen für all jene Probleme, die Sie in Ihrer Re­gierungsverantwortung mit verursacht haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Maier. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.52.35

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Ho­hes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Diskussion richtig gehört und verstanden habe, bestreitet niemand von den Abgeordneten, dass das Recht auf Asyl ein Menschenrecht ist und für uns im Hohen Haus unantastbar ist. Ich möchte das mit aller Deutlichkeit festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Diskussion ergibt sich in der Frage, wie Missbrauch, Missstände und Asylbetrug bekämpft werden sollen. Die nun vorliegenden Novellen sind die politische Antwort auf bestimmte Missstände, auf Entwicklungen, die entsprechend bekämpft werden müssen.

Ich möchte eines noch klar festhalten: Asyl, werte Kollegen und Kolleginnen von den Grünen, ist auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention zu diskutieren und nicht auf Ba­sis der globalen Migrationsströme. Das schafft kein Asylrecht, und hier ist die Europäi­sche Union gefragt.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Novelle ist auch ein gu­tes Beispiel für den Gesetzgebungs-, Gesetzwerdungsprozess, nämlich unter Einbin­dung des Parlaments. Ich möchte mich hier wirklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern des Innenministeriums und bei den Experten bedanken, die uns zur Verfügung standen, und wir haben verschiedene Einwände in einem Abänderungsantrag berück­sichtigt.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Politik kommt die wesentli­che Aufgabe zu, auf veränderte Bedingungen und Missbrauchserscheinungen zu re­agieren. Mit diesen Novellen reagieren wir auf die Problematik straffällig gewordener Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigter. Wir reagieren auf die Problematik der Folgeanträge, und wir reagieren damit auch auf die vermehrte Anzahl von Asylwer­bern, die sich einem ordentlichen Asylverfahren entziehen und in die Illegalität unter­tauchen.


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Aber wir müssen auch auf besondere Entwicklungen reagieren. Die Kollegin Hakl hat das Innsbrucker Problem sehr deutlich dargestellt. Wir haben bei uns in Salzburg ein aktuelles Problem mit Falschidentitäten und Mehrfachidentitäten, wo sich Illegale scheinbar legal auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz besorgt haben und gleichzeitig eben als Asylwerber aufgetreten sind.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf diese Fälle hat die Politik zu reagieren. Und wenn man sich die Zahlen ansieht – und ich habe in der Arbeiter­kammer gelernt, Zahlen zu interpretieren, Zahlen auch zu analysieren –, wenn man sich die Entwicklung der Folgeanträge ansieht, über die die grüne Fraktion nicht reden will – es gibt ja eine Anfragebeantwortung, die die Kollegin Korun bekommen hat –, dann kann man Folgendes feststellen: Wir haben bis 31. Juli 2010 890 Folgeanträge bekommen, bis September waren es 1 169 Folgeanträge. Und ich muss als Jurist sa­gen: Es gibt eine „res iudicata“, eine entschiedene Sache. Man kann nicht immer, auch nicht in Bauverfahren, ohne dass sich etwas Entscheidungsrelevantes ändert, neue Anträge stellen.

Mit dieser Neuregelung, mit der Möglichkeit des Mandatsbescheides ist im Detail, im Einzelfall zu prüfen, ob entscheidungswesentliche neue Gründe vorliegen. Die Asyl­werber stehen nicht unter Generalverdacht, das möchte ich mit aller Deutlichkeit fest­halten. Ich darf Sie daher einladen, diesen Novellen zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.56

19.56.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Fremdenrechtsände­rungsgesetz 2009 samt Titel und Eingang in 387 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Grenzkontrollen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 205

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begriff der Straffällig­keit im Asylgesetz 2005.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fingerabdrücke in Identi­tätskarten für Fremde und Karten für Geduldete.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer Grenzschutzeinheit beim Bundesministerium für Inneres.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Verlegung von 100 Poli­zisten nach Graz-Straßgang.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 388 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 390 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

20.00.37 9. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (331 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (389 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.01.09

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich haben wir Grüne es begrüßt, dass das Sprengmittelgesetz novelliert wird. Die letzte Fassung des Gesetzes stammte aus dem Jahr 1935, auch der ursprüngliche Ministerialentwurf war durchaus tauglich, weil der Besitz und Erwerb von Schießmitteln zwingend an eine Bewilligung gebunden wurde.

Dann ist etwas passiert, was eigentlich zu erwarten war, die Waffenlobby ist nämlich Sturm gelaufen. Und die Frau Innenministerin ist eingeknickt und hat offensichtlich alle Wünsche erfüllt. Plötzlich ist alles anders.

Der Ministerialentwurf sieht nun vor, dass es eine Befreiung von jeder Bewilligung bis 10 kg Schießmittel gibt. Wer einen Waffenpass hat, braucht keine Bewilligung. Wer bei


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einem Schützenverein Mitglied ist, braucht keine Bewilligung. Wer bei einer Sportschüt­zenvereinigung ist, braucht keine Bewilligung.

Das heißt, es genügt, dass man bloß Mitglied bei einem dieser genannten Vereine ist. Es braucht keine Verlässlichkeits- und Fähigkeitskontrolle und schon darf man unbe­schränkt Schießmittel besitzen.

Also meinem Sicherheitsbedürfnis wird das nicht gerecht – einem Gesetz, das ursprüng­lich vorgesehen hat, den Besitz von Schießmitteln zu reglementieren, schon gar nicht. Die jetzige Fassung führt ja diesen Gedanken vollkommen ad absurdum, denn jene, die Schießmittel kaufen, fallen in Zukunft unter die Ausnahmeregelungen. Und jene, für die Schießmittel beschränkt werden würden, kaufen gar keine Schießmittel.

In diesem Sinne werden wir Grüne dieses Gesetz ablehnen, weil es der ursprünglichen Idee nicht einmal in Ansätzen gerecht wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.03.08

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zum Kollegen Steinhauser werden wir dieser Gesetzesinitiative gerne zustimmen. Kollege Steinhauser, ich glau­be, man sollte einmal beachten, dass es zuerst einen Gesetzentwurf gibt, danach gibt es eben eine Begutachtungsphase und zum Schluss kann man noch bewerten, was davon übrig bleibt.

Aus meiner Sicht stechen fünf Dinge klar hervor. Es geht um die Herstellungsbefugnis, wer auf welchen Grundlagen Schieß- und Sprengmittel herstellen darf. Es geht um die Erzeugungsgenehmigung. Es geht auch darum, dass der Sicherheitsaspekt gewahrt bleibt und dass die Ansprüche an die Sicherheit erfüllt werden.

Es geht darum, wer zum Handel befugt ist, denn nur mit entsprechender Ausbildung und mit einschlägiger Berufspraxis ist das möglich; das ist klar im Gesetz festgeschrie­ben. Es geht aber auch darum, wer besitzen und erwerben kann und wem ein Schieß- und Sprengmittelschein ausgestellt werden kann. Dabei müssen ganz klar Nachweise erbracht werden über Ausbildung, über berechtigte Interessen und Bedarf sowie über Verwendung und Lagerung.

Es geht aber abschließend auch noch um die behördliche Überwachung betreffend die Bestandesführung, um die Führung von Verzeichnissen über die Lagerung und darum, Missbrauch zu unterbinden.

Wer ist vom Gesetz betroffen? – Vom Gesetz betroffen ist natürlich sehr massiv die Wirtschaft, die tagtäglich im Wirtschaftsleben zum Beispiel bei Sprengungen in Stein­brüchen und im Straßen- und Tunnelbau Sprengmittel einsetzt. Betroffen sind aber zum großen Teil die ländlichen Regionen, was die Sicherheit angeht, wenn es darum geht, Lawinen zu sprengen, um Menschen und Objekte zu schützen. Gerade in mei­nem Heimatland Tirol ist es wirklich ein wichtiger Aspekt, dass man bei Gefahr unver­züglich mit Fachkompetenz diese Gefahren bewältigt.

Es geht aber darum, im Kultur- und Sportbereich – und das, glaube ich, hat der Kollege Steinhauser angesprochen – Sportschützen und Jägern kein Misstrauen entgegenzu­bringen. Diese haben schon bisher mit hoher Sorgfalt und Kompetenz Spreng- und Schießmittel eingesetzt. Es ist da nicht unbedingt Misstrauen angebracht, sondern es geht darum – gerade da haben wir uns eingebracht, nämlich im Traditionswesen bei den Schützen –, dass man mit Sorgfalt und Sachkenntnis weiterhin Mehrfachladungen bei Patronenhülsen ermöglicht. Das ist auch nicht unbedingt ein großes Hindernis.


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Der Gesetzentwurf wurde vorgelegt. Ich möchte mich im Namen vieler Vereine, die da­von betroffen sind, bedanken. Ich möchte überhaupt nicht sagen, dass es keine Gefah­ren gibt. Aber ich glaube, entscheidend ist immer der Umgang und die Handhabung. Es lauern heute im Umgang mit vielen Dingen im Haushalt, aber auch in der Wirtschaft Gefahren. Da geht es halt darum, welche Menschen das machen und wie man das Ganze bewerkstelligt.

Aus meiner Sicht entspricht diese Gesetzesvorlage in hohem Maße den Sicherheitsan­forderungen. Ich glaube, das ist für uns alle wichtig. Grundsätzlich tritt mit 1. Jänner 2010 ein zeitgemäßes Gesetz in Kraft, das ein Gesetz ersetzt, welches schon seit 1935 in Kraft ist. Daher haben wir alle einen Grund und den Auftrag, hier zuzustimmen. Ich lade die Grünen noch einmal abschließend dazu ein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Fazekas. 3 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


20.06.51

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Mein Vorvorredner Abgeordneter Steinhauser hat es schon er­wähnt: Das ist ein Gesetz, das seit 1935 allen Wirren der Zeit, von ein paar Novellie­rungen abgesehen, standgehalten hat; es ist ja grundsätzlich kein schlechtes Gesetz gewesen, aber es hat sich letztendlich ein wenig überdauert. Die Notwendigkeit hat es mit sich gebracht, hier neue, den Zeichen der Zeit und auch dem Stand der Technik adäquate Aspekte in dieses Gesetzeswerk einzuarbeiten.

Auch das ist schon gesagt worden: Wichtige Inhalte sind demnach vor allem die Rege­lung der allgemeinen Herstellungsbefugnis, der Handelsbefugnis, die Verlässlichkeits­bestimmungen an und für sich, die auch ganz explizit festgehaltene Umstände definie­ren. Ein Chemiestudium ist erforderlich, eine Berufspraxis ist erforderlich. Das sind sehr wichtige Neuerungen.

Eine weitere positive Neuerung ist der Umstand, dass Besitzer von Schieß- und Spreng­mitteln verpflichtet sind, auch durchgängige Aufzeichnungen über die Bestände zu füh­ren, auch mit periodischen Überprüfungen.

Dem, was bezüglich der Waffenlobby gesagt wurde, möchte ich jetzt nicht unbedingt beipflichten, Herr Abgeordneter Steinhauser, denn wir sollten uns ganz klar dazu zu bekennen haben, dass die Sportschützen – das sind ja nicht nur Leute, die Wildwest spielen – ausgenommen sind. Sie vertreten unser Land im sportlichen Bereich als Prä­zisionsschützen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Das ist ein Kon­zentrationssport, der sehr wichtig ist und der vor allem sehr viel Geld kostet.

Dieses Geld kann man sich dann ersparen, wenn es möglich ist, dass die Schützinnen und Schützen jetzt nach diesem Gesetzentwurf ihre Patronen wieder öfter laden kön­nen. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Denn wir haben hervorragende Sportlerinnen und Sportler im Schützenbereich. Das zeigen auch die internationalen Erfolge.

Daher finde ich, ist dieses Gesetz ein gutes, gelungenes Gesetz. Wir können ihm zu­stimmen. Und ein weiterer Umstand, der sehr wesentlich ist, ist, dass die Bestimmun­gen und etwaige Übertretungen nicht nur – so wie im alten Gesetz – dem Verwaltungs­straftatbestand zuzuordnen sind, sondern einen strafgerichtlichen Tatbestand darstellen.

Also für die Sportschützen ist das eine hervorragende Lösung. – Ich danke Ihnen. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Herbert. 3 Minuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 208

20.09.34

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die gegenständliche Regierungsvorlage ist ja weitgehend Konsensmaterie. Auch die FPÖ wird dieser Regierungsvorlage ihre Zustimmung geben.

Ich möchte nicht verhehlen, dass wir anfangs unsere Bedenken hatten, da ja im Begut­achtungsentwurf ursprünglich für den Erwerb von Schießmitteln eine eigene behördli­che Bewilligung gefordert wurde.

Dies hätte nicht nur für private Waffenbesitzer eine übergebührliche Härte bedeutet – auch deswegen, weil diese ohnedies eine behördliche Bewilligung für das Besitzen be­ziehungsweise das Führen der Waffe benötigen –, sondern auch für die Sportschützen und die Mitglieder traditioneller Schützenvereine hätte es einen erheblichen bürokrati­schen Aufwand und auch einen unzumutbaren Kostenfaktor bedeutet. Auch bisher war ja für diese Personengruppen der Besitz von Schießmitteln an keine behördliche Bewil­ligung gebunden.

Da sich diese unserer Meinung nach im Begutachtungsentwurf ungerechte und auch nicht sinnvolle Bestimmung nun in der vorliegenden Regierungsvorlage nicht mehr wiederfindet, sind auch unsere Vorbehalte dagegen nicht mehr gegeben. Wir werden daher, wie gesagt, dieser Regierungsvorlage auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. 4 Minu­ten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


20.11.21

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es kurz: Auch wir vom BZÖ werden dieser Regierungsvorlage zustimmen. Unsere Bedenken haben sich ebenfalls auf den Bereich, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist, bezogen.

Fakt ist, dass die Traditionsschützen beziehungsweise die Sportschützen unter die Rä­der gekommen wären. Es wären hohe Kosten auf diese Menschen zugekommen, die Wiederladerei ist wichtig. Es gibt auch bei den Traditionsschützen Munitionen, die nicht einmal gekauft werden können, die selbst hergestellt werden müssen. Da hat man da­rauf schauen müssen, dass diese Vereine beziehungsweise Bruderschaften nicht unter die Räder kommen.

Herr Kollege Steinhauser, Sie müssen Abstand davon nehmen – das möchte ich Ihnen einfach einmal empfehlen –, Vereine beziehungsweise Gruppen, die absolut seriös sind, die zuverlässig sind, die x-mal geprüft worden sind, immer in ein kriminelles Eck zu stellen!

Diejenigen, die kriminell sind, besorgen sich die Munition sowieso nicht legal. Das kön­nen Sie mir glauben. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Fekter. – Bitte.

 


20.12.42

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Das Sprengmittelgesetz 2010 ersetzt ein Gesetz aus dem Jahr 1935. Das Hohe Haus hat im Jahre 1999 das Erste Bundesrechtsbereinigungsge­setz beschlossen, in dem man festgelegt hat, dass alle Gesetze, die vor 1946 kundge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 209

macht wurden, mit Ende Dezember 2009 außer Kraft treten. Darum tritt das geltende Sprengmittelgesetz auch mit Jahresende außer Kraft und das heute zu beschließende wird eben durch dieses Gesetz ersetzt.

Es regelt ganz klar den Umgang wie zum Beispiel das Lagern, das Inverkehrbringen genauso wie die Herstellung, die Erzeugung von und den Handel mit Schieß- und Sprengmitteln. Man braucht dafür natürlich eine allgemeine Herstellerbefugnis, Erzeu­gungsgenehmigungen, Handelsbefugnisse, einen Schieß- und Sprengmittelschein und vor allem eine intensive Dokumentation dessen, was damit in durchgängigen Aufzeich­nungen passiert ist, die zehn Jahre lang aufbewahrt werden müssen.

Gleichzeitig setzen wir auch eine Richtlinie der EU um, in der es um die explosiven Stoffe im Hinblick auf deren Kennzeichnung und Rückverfolgung geht.

Zum Kollegen Steinhauser, dem aufgefallen ist, dass zwischen Begutachtung und Re­gierungsvorlage eine Änderung vorgenommen wurde. Herr Kollege Steinhauser, es ist so, dass aufgrund der bisherigen Bewilligungsfreiheit von Schießmitteln die Möglichkeit geschaffen wurde, dass Schießmittel bis zu 10 kg auch weiterhin ohne Schießmittel­schein bezogen werden können, und zwar sind ausgenommen Vereinigungen und Per­sonen wie Jäger, Waffenbesitzer, Sportschützen und Inhaber einer Gewerbeberechti­gung für das Waffengewerbe. Diese können Schießmittel ohne Bewilligungsschein wei­terhin erwerben.

Diese Personengruppen haben entweder durch ihre jahrzehntelange Handhabung von Schießmitteln im Rahmen der Ausübung des Brauchtums, der Vereinszugehörigkeit oder eben aufgrund der sportlichen Ausübung entsprechende Erfahrung mit dem si­cheren Umgang. Daher halten wir das für gerechtfertigt. Es handelt sich hiebei um Schwarzpulver für die Vorderladerschützen oder beispielsweise um jene Vereine, die ihre Patronen selber füllen. Ich glaube, dass man hier nicht durch überbordende Büro­kratie das Vereinsleben besonders erschweren sollte. Wir haben das deswegen als ge­rechtfertigt erkannt. Die hohe Zustimmung hier im Haus zeigt, dass dies auch das Ho­he Haus so sieht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weinzinger.)

20.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hornek. 3 Mi­nuten eingestellte Redezeit. – Bitte.

 


20.16.06

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir das Bundesgesetzblatt aus dem Jahre 1935 ausge­druckt, wunderbar in Kurrentschrift gehalten und toll gestaltet. Ich darf Ihnen den Ab­schnitt I, § 1 kurz zu Gehör bringen:

„Unter Schieß- und Sprengmitteln werden in diesem Gesetz alle Erzeugnisse verstan­den, die bei willkürlich auslösbaren chemischen Zustandsveränderungen derart Ener­gie freisetzen lassen, daß Geschosse einer Feuerwaffe angetrieben oder feste Körper gesprengt werden können.“

Frau Bundesministerin Dr. Fekter hat bereits darauf verwiesen, dass sich im Zuge des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes die Notwendigkeit ergibt, ein neues Gesetz zu erlassen. Die Frau Bundesministerin hat in perfekter Art und Weise das Gesetz prä­sentiert. Ich hätte es nicht besser gekonnt. – Ich werde ihm zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Pendl.)

20.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 210

20.17.00

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin für Justiz! Frau Bundesministerin für Inneres! Meine werten Damen und Her­ren Kollegen! Hohes Haus! Wir von der FPÖ werden dieser Gesetzesvorlage zustim­men. Dieser wurden bestimmte Giftzähne gezogen und aus diesem Grund ist es kein Problem, hier auch die Zustimmung zu erteilen.

Ich möchte zu diesem Tagesordnungspunkt noch einige persönliche Worte verlieren. Wie Sie wissen, werde ich am kommenden Freitag in die Landesregierung nach Ober­österreich wechseln. Es waren drei wunderbare Jahre hier im Hohen Haus. Ich glaube, es gibt keinen schöneren Arbeitsplatz in Österreich als das Parlament und das Bemü­hen um das Beste für diese Republik und unsere Heimat.

Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nutzen, danke zu sagen. Ich danke den Kolle­ginnen und Kollegen, vor allem meiner Parlamentsfraktion. Ich möchte mich bei mei­nem lieben väterlichen Freund Lutz Weinzinger bedanken, der mich in den vergange­nen Jahren unterstützt hat, wo es nur gegangen ist, der auch für meinen Lebensweg ver­antwortlich ist. Vielen Dank!

Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klubs, bei den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments für die Arbeit, die hier geleistet wird, die sicherlich nicht immer einfach ist bei diesem Terminstress. Man denke an verschie­dene Untersuchungsausschüsse, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. Auch ich habe an diesen mitwirken dürfen.

Es war eine wunderbare Zeit. Es war eine schöne Zeit. Es war eine interessante Zeit. Ich bedanke mich auch als junger Abgeordneter – ich bin vor einigen Jahren mit 27 Jah­ren in dieses Hohe Haus gekommen – bei jenen erfahrenen Abgeordneten – auch der anderen Parlamentsklubs –, die mir aufrichtig und mit Respekt entgegengetreten sind. Manchmal habe auch ich ein bisschen geschliffen werden müssen. Das ist einmal so in der Demokratie. Das gehört sich so. Aber ich glaube, ich bin mit allen relativ gut ausge­kommen und ich versuche, das auch weiterhin so in der Landesregierung in Oberöster­reich zu handhaben.

Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute im privaten Bereich, viel Gesundheit – das ist das höchste Gut –, viel Engagement, viel positive Arbeit für die Republik Österreich, für die Menschen in diesem Land, denn Politik ist kein Selbstzweck, Politik – das ist Arbeit für andere Menschen, das ist auch manchmal der Einsatz für die Schwächeren in un­serer Gesellschaft, und das sollte man sehr ernst nehmen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute, viel Erfolg und viel positive Arbeit für unsere schöne Heimat, die Republik Österreich. – Danke. (Beifall bei FPÖ – die Abgeordneten der FPÖ bringen ihren Beifall stehend dar –, SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

20.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich möchte an dieser Stelle unserem Kollegen Dr. Manfred Haimbuchner ebenfalls auch im Namen aller Kollegen hier im Hohen Haus alles Gute, Gesundheit, Erfolg und Glück für seinen weiteren Werdegang in der Politik, aber auch im privaten und beruflichen Bereich wünschen. Er geht der Politik ja nicht verloren, sondern wechselt in eine andere verantwortungsvolle Funktion. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man auch Zeit für seine Familie findet, diese brauchen Politiker sehr oft. Danke auch noch für die schönen Worte, alles Gute und viel Glück in unser al­ler Namen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

*****

20.20.30

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 211

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 331 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.22.3510. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 374/A der Abgeordneten Mag. Al­bert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem NS-Unrechtsurteile aufgehoben werden (NS-Aufhebungsgesetz) (358 d.B.)

11. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses betreffend ein Aufhebungs- und Re­habilitationsgesetz (359 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.23.21

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen auf der Regierungsbank! (In Richtung des Abg. Kopf, der bei der Regierungsbank steht und mit Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner spricht:) Lieber Kollege Kopf, es ist nicht einfach, über einen so heiklen Gegenstand zu sprechen. Ich spreche natürlich zum Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz – es heißt tatsächlich so –, nicht zum An­trag Steinhauser.

Es ist nun so, dass es gar keinen Zweifel geben kann, dass die in § 1 genannten Ent­scheidungen, die im ehemaligen Deutschen Reich getroffen worden sind, verwerflich und beseitigungswürdig sind. Ich möchte aus staatsrechtlichen Gründen einen Gedan­ken hinzufügen, der vermutlich den Gang der Diskussion nicht wesentlich beeinflusst, der mir aber aus ganz nüchterner juristischer Sichtweise schon erwähnenswert zu sein scheint.

Punkt eins: Im Jahr 1938 hat Österreich als souveräner Staat geendet. Es gibt zwei Theorien: entweder die Annexionstheorie, die ehemals immer die Sozialdemokratie in Erinnerung an Bundespräsidenten Schärf vertreten hat, oder die Okkupationstheorie, die sich die übrige herrschende Mehrheit zu eigen gemacht hat. Gleichwohl – es gab keinen souveränen Staat Österreich.

Nun ist es eine Konsequenz der offenkundigen Tatsache, dass das wieder erstandene Österreich nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist und war, dass es eine zumindest staatsrechtliche Problemstellung darstellt, inhaltlich im Gebiet des Deut­schen Reiches ergangene Urteile aufzuheben oder als nicht erfolgt zu deklarieren. Na­türlich ist das nicht von praktischer Relevanz, das gebe ich schon zu, aber von der ju­ristischen Sauberkeit her steckt darin eine eventuelle Problemstellung im Verhältnis zur


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Okkupationstheorie. Man sollte besser sagen: hat keine Geltung auf österreichischem Staatsgebiet, dann würde man nicht in eine theoretisch mögliche Konfrontation geraten.

Ferner – etwas, das hier nicht so klar zum Ausdruck kommt, ich aber zum Ausdruck bringen möchte –: Es gibt keinen Zweifel, dass die Tätigkeit der Militärstandgerichte oder Militärgerichtsbarkeit unzweifelhaft ein Instrument des NS-Terrors gewesen ist. Die Zahlen, die zur Verfügung stehen, belegen, dass mindestens 17 000, wahrschein­lich aber 25 000 – wenn nicht mehr – Todesurteile von diesen Gerichten ausgespro­chen und auch vollzogen worden sind; im Verhältnis zu den anderen kämpfenden Ar­meen ein Drama. Ich glaube, von den US-Streitkräften sind insgesamt nicht mehr als 20 Todesurteile zu verzeichnen, von den Engländern ungefähr ebenso viele, die Sow­jetunion ist völlig auszuklammern – kein rechtsstaatlicher Gedanke möglich in diesem Zusammenhang –, Frankreich hat etwas mehr Todesurteile verhängt. Der Unterschied also zwischen den kämpfenden Armeen vielleicht ähnlicher Größenordnung und der Deutschen Armee ist dramatisch genug. Es war ein Instrument des Terrors, keine Frage!

Sie hätten es der Freiheitlichen Partei leicht gemacht, diesem Gesetz zuzustimmen, wenn Ihnen § 4, also die Rehabilitierung, nicht unbedingt ein Anliegen gewesen wäre. Diesbezüglich sage ich klipp und klar, dass dies eine Ebene übersteigt, die unserem Verständnis des Gleichmachens nicht gleicher Sachverhalte nicht gerecht wird.

Es gibt auf die primäre Frage der Rechtfertigung der Desertion, die prinzipiell nicht dem positiven Rechtsbestand zugehört, in keinem Staat der Welt, differenzierbare Antwor­ten, und die erste Antwort, die die ÖVP seinerzeit gegeben hat, war auch jene, die wir uns zu eigen gemacht haben: Es käme bei Beurteilung doch auf den Einzelfall an.

Jetzt kann man sagen, das liegt lange zurück, aber es gibt eine objektive Untersu­chung, nämlich die des Schweizer Staates, der dorthin erfolgte Desertionen peinlichst genau untersucht hat. Es gibt ein Sample von 501 dokumentierten Befragungen von Deserteuren aus der Deutschen Armee, das ein sehr, sehr differenziertes Kausalitäts­bild beziehungsweise eine sehr differenzierte Motivengeschichte zum Ausdruck bringt; jedenfalls durchwegs menschlich verständlich, überhaupt keine Frage: Unglaube an den Endsieg, Angst vor Bestrafung wegen eigener Straftaten, Opposition gegen den Nationalsozialismus als politische Ausrichtung, Elsässer, Lothringer, Luxemburger fühl­ten sich als Ausländer schlecht behandelt, Angst vor der Ostfront, schlechte Behand­lung, und so weiter. Aktiven Widerstand gegen das Deutsche Reich leisteten aber nur elf Personen.

Dass natürlich nach 1945 Deserteure den Widerstandsakt in den Vordergrund gerückt haben, das ist verständlich, muss man aber nicht billigend teilen (Abg. Öllinger: War­um nicht?) – lassen Sie mich weitersprechen! –, wenn man andere Handlungen im Rahmen der Deutschen Wehrmacht aus dem Aspekt des Widerstandes, der ja unzwei­felhaft positiv konnotiert ist, betrachtet.

Ich erinnere an den österreichischen Major Carl Szokoll – den ich hier nicht näher be­schreiben muss –, einen der bedeutendsten Menschen Österreichs aus der Zeit des militärischen Widerstands, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Wien im Rah­men des russischen Angriffs auf Wien, soweit es ging, von schweren russischen Ver­nichtungsschlägen verschont geblieben ist. Szokoll hat sich in mehreren Diskussionen nicht positiv zur Desertion geäußert.

Ein anderer Mensch, den ich Ihnen näher bringen möchte, ein gewisser Wilm Hosen­feld, ein schließlich als Leutnant in Warschau gestandener Mann, der sich schon vor seinen aktiven Handlungen mit seiner Frau eindeutig gegen das NS-Regime ausge­sprochen hat, hat, nachdem er Gelegenheit dazu bekam, zahllose Polen und Juden vor der Verfolgung und der Deportation geschützt, indem er sie in seiner Abteilung be­schäftigt hat. Nachdem die Verteidigung der Festung Warschau von der Deutschen Ar-


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mee aufgegeben worden ist, ist Hosenfeld am 17. Jänner 1945 von sowjetischen Sol­daten gefangen genommen worden. Sämtliche Bemühungen, entlassen zu werden, scheiterten trotz der Unterstützung der von ihm Geretteten. Mitte 1950 verurteilte ihn sogar ein weißrussisches Militärtribunal wegen vermeintlicher Kriegsverbrechen zu 25 Jahren Haft. Er starb 1952 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Er ist übrigens als Retter von Wladyslaw Szpilman in dessen auch verfilmten Erzählung bekannt.

Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu dem, was ich anfangs gesagt habe. Es ist leicht, drüberzuwischen, und es ist leicht, Ungleiches gleichzumachen. Im Lichte des Schicksals eines Menschen, das ich Ihnen vorgetragen habe, und im Lichte vieler gleich handelnder Personen einfach drüberzuwischen und zu sagen, alle sind rehabili­tiert – und wir wissen ganz genau, dass es im Zug von Desertionen auch zu schweren Unrechtstaten gekommen ist; nähere Ausführungen will ich hier bewusst nicht vorneh­men –, scheint uns unbillig zu sein und belastet das Andenken an redlich handelnde Menschen, ohne dass damit zum Ausdruck gebracht würde, dass das NS-Regime ein Terror-Regime war, das wir zutiefst verabscheuen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner ist Herr Präsident Neugebauer. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.33.16

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Die Ruhe im Saal, Dr. Fichtenbauer, hat dir hohe Auf­merksamkeit garantiert, weil du das schon auch sehr differenziert dargestellt hast. Ich meine, dass gerade die Diskussion, so differenziert sie auch gewesen ist, letztendlich eine fruchtbare war und auch eine vernünftige Lösung gebracht hat. Ich glaube, damit setzen wir heute ein wichtiges politisches Signal und führen eine jahrelange Debatte zu einem positiven Ende.

Durch die Befreiungsamnestie 1945, ergänzt durch das Anerkennungsgesetz 2005, sind die Urteile der NS-Sondermilitärgerichte auch wegen Desertion bereits aufgeho­ben gewesen, es gibt trotzdem zwei Gründe für diese Beschlussfassung: dass das vor­liegende Paket erstens ein klares politisches Zeichen setzt, nämlich explizit all jenen Respekt und Anerkennung zollt, die sich gegen das Unrechtsregime aufgelehnt haben, als Widerstandskämpfer etwa, als Deserteure oder sogenannte Kriegsverräter, und zweitens das Gesetz jetzt, so glaube ich, rechtspolitisch von zentraler Bedeutung ist, weil es Unklarheiten, Missverständnisse aufklärt und damit Lücken schließt, nämlich durch die Einbeziehung der Urteile des Volksgerichtshofes, durch die Einbeziehung der Sonder- und Standgerichte und der Erbgesundheitsgerichte betreffend Zwangssterili­sation und Zwangsabtreibung. Daneben werden auch Verurteilungen wegen gleichge­schlechtlicher Handlungen beseitigt, soweit das Verhalten heute straffrei wäre.

Einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben vielleicht die Ausstellung im Nestroyhof in der Leopoldstädter Praterstraße mit dem Titel „Was damals Recht war ...“ gesehen. Bei dieser Gelegenheit begrüße ich sehr herzlich (in Richtung Gale­rie) den Obmann des Personenkomitees Richard Wadani, der den Beratungen hier bei­wohnt. (Allgemeiner Beifall.)

Es war mir schon anlässlich der Eröffnung dieser Ausstellung, die ich für einen wichti­gen Beitrag auch im Sinne der politischen Bildung erachte, wichtig, zu betonen, dass sie dazu beitragen kann, einer offeneren Debatte in Österreich vor allem mehr Tief­gang und Sensibilität zu verleihen. Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir durch einen Konsens zwischen Regierungsparteien und Grünen, durch eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit dieser drei parlamentarischen Fraktionen, aber durch gute Gespräche auch mit Ihnen (in Richtung Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner) und Ihrem Ressort zu einem solchen Ergebnis gekommen sind.


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Das, was die Ausstellung an die Jugend heranträgt, nämlich sich mit historischen Er­eignissen auseinanderzusetzen, halte ich für besonders wesentlich, weil wir damit der Gefahr der Gleichgültigkeit gegenüber den Ereignissen der jüngeren Geschichte be­gegnen. Dieses Gedenken bringt eine ganz konkrete Verantwortung mit sich, nämlich Anerkennung jenen zu zollen, die sich gegen Unrechtsregime wie den Nationalsozialis­mus aufgelehnt haben.

Ich bin froh, dass wir dies heute beschließen können. (Allgemeiner Beifall.)

20.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Scheibner. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.37.01

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass wir diesbezüglich heute keinen einstimmigen Beschluss zustande bringen, denn wir haben eigentlich immer wieder versucht, bei derartigen Anträgen, die die Abscheu und die bedingungslose Kritik an den Gräueltaten des Nationalsozialismus zum Aus­druck bringen sollen, möglichst einen Gleichklang – auch für den Symbolwert nach außen – aller Fraktionen signalisieren zu können. Wir haben im Ausschuss sehr inten­siv diskutiert, und ich hatte dort eigentlich den Eindruck, dass wir die Zeit bis heute, bis zu den Plenarverhandlungen, nützen werden, um dieses Einvernehmen herzustellen. Das wurde auch angekündigt. Es sind noch Mitarbeiter, ich glaube, aus Ihrem Kabinett (in Richtung Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner) zu mir gekommen, die gefragt ha­ben, was wir noch brauchen, um zustimmen zu können. Es wären vielleicht ein oder zwei Sätze als Erklärung notwendig gewesen. – Es ist leider niemand gekommen, es ist nicht versucht worden, diese ein oder zwei Sätze in das Gesetz noch aufzunehmen, damit wir zustimmen.

Da frage ich mich schon: Warum geschieht das nicht? Hat man nicht die Absicht, hier einen einstimmigen Beschluss zu fassen? War das jetzt nur so eine Debatte anlässlich des Gedenkjahres 2009 zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkrieges? Wollte man wieder nur etwas zeigen, aber nicht wirklich das Signal setzen – was selbstverständlich ist, davon gehe ich aus –, dass alle fünf Fraktionen diese Gräuel und auch das Unrecht, das vom Nationalsozialismus ausgegangen ist, verurteilen?

Vieles von dem, das jetzt beschlossen wird, hat auch unsere Zustimmung gefunden. Dass man die Aufhebung auch auf Entscheidungen gegenüber Homosexuellen aus­dehnt, auf Entscheidungen im Zusammenhang mit Zwangssterilisationen – na, selbst­verständlich, überhaupt keine Debatte! Es sind wirklich auch vernünftige Bestimmun­gen mit eingebracht: dass zur Rehabilitierung von Homosexuellen etwa jene Straftaten nicht umfasst sind, die auch heute strafbar wären, so etwa der Missbrauch von Minder­jährigen, dass man hier selbstverständlich auch auf den Einzelfall Rücksicht nimmt und eine Einzelprüfung vornimmt.

All das hat man aber dann beim § 4 nicht gemacht, in dem es um die Deserteure geht, und das ist unverständlich, denn auch dort sollte man nicht alles über einen Kamm scheren. Ich will jetzt nicht die Argumentation fortführen – denn die finde ich unmög­lich –, dass man die Deserteure deshalb nicht rehabilitieren könne, weil sie Kamera­denmörder seien und so weiter. – Das ist Unsinn, das ist falsch und abzulehnen.

Ich sehe es anders: Ich möchte nicht jeden Deserteur gleich behandeln wie jene, die wirklich aus tiefster Überzeugung, aus Gewissensgründen den Dienst bei der Wehr­macht abgelehnt haben – zu welchem Zeitpunkt auch immer –, wie zum Beispiel Jä­gerstätter, der unser aller Anerkennung und Achtung finden muss, ohne dass mit erho­benem Zeigefinger gegen andere vorgegangen wird, denn Gott sei Dank muss nie­mand von uns in solchen Zeiten leben und in solchen Armeen dienen.


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Ich möchte nicht, dass man Leute wie Franz Jägerstätter mit anderen gleichsetzt – und die hat es auch zuhauf gegeben: die typischen Opportunisten –, die vielleicht – und diese Fälle gab es, sie sind sogar in die Literatur mit eingeflossen – über Jahre ge­dient haben, mehr als sie mussten, die vielleicht noch wirkliche, opportunistische Natio­nalsozialisten gewesen sind, die Kritiker vernadert haben, aber in den letzten Tagen gemerkt haben, dass sich vielleicht das Blatt wendet und es jetzt gescheit wäre, auf die andere Seite zu gehen, unabhängig davon, wie das dann stattgefunden hat, ob da – das hat es auch gegeben – auch Straftaten stattgefunden haben.

Diese Leute werden jetzt ohne Prüfung des Einzelfalles, ohne – und das wäre unser Wunsch gewesen, das hätte man mit einem Satz ergänzen können – dass man auch das Motiv für die Desertion und für die Wehrdienstverweigerung mit in diesen Rechts­bestand hineinnimmt, alle pauschal rehabilitiert.

Ich glaube, das widerspricht den Grundsätzen, die man mit dieser gesetzlichen Bestim­mung schaffen wollte, und das ist schade, denn wenn das nicht nur ein Lippenbekennt­nis zu einem Jubiläumsjahr gewesen sein soll, dann hätte es doch die Möglichkeit ge­geben, dass wir einen Fünf-Parteien-Beschluss zusammenbringen und dass wir wirk­lich auch den Anliegen der Opfer, so wenige es noch sind, und der wirklichen Wider­standskämpfer gerecht werden. Mit dieser Vorlage ist das leider nicht gelungen. (Beifall beim BZÖ.)

20.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Maier. Eingestellte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


20.42.36

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Ho­hes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war und ist kein Lippenbe­kenntnis zum Jubiläumsjahr. (Abg. Scheibner: Wieso wolltet ihr dann keine Einigung?) Wir wissen ganz genau, dass wir weiterhin die Geschichte erforschen müssen, aufklä­rend tätig sein müssen, und ich bedanke mich recht herzlich bei jenen, die die Ausstel­lung „Was damals Recht war ...“ organisiert und auch durchgeführt haben.

Ich verbinde damit die Hoffnung, dass diese Ausstellung nicht nur in Wien gezeigt wird, sondern auch in anderen Bundesländern, wobei auch die Möglichkeit bestünde, regio­nale Geschichten, regionale Probleme, Geschichten über den Widerstand der Regio­nen mit zu berücksichtigen.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir halten relativ wenig von einer Motivforschung. Man muss sich vor Augen halten, dass sich Deserteure, aus wel­chem Grund auch immer sie desertiert sind, einem enormen Risiko ausgesetzt haben und noch am Ende des Krieges hingerichtet wurden.

Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass Österreich den Staatsvertrag nicht bekom­men hätte, hätte es nicht diesen Widerstand auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebe­nen gegeben, dessen Akteure nach dem Zweiten Weltkrieg aber nicht rehabilitiert wa­ren, sondern verleumdet wurden und Mühe hatten, gesellschaftspolitisch wieder aner­kannt zu werden.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz setzen wir ein klares politisches Bekenntnis und ein klares politisches Signal. Wir gehen den Weg, den auch Deutschland im August gegangen ist, wo es ebenfalls diese pauschale Reha­bilitierung gegeben hat.

Ich stimme in vielen Punkten mit der differenzierten Darstellung von Peter Fichten­bauer überein und unterstreiche seine Ausführungen hinsichtlich der NS-Militärjustiz. Die Justiz war ein Instrument des nationalsozialistischen Terrors, und daher ist dieses Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz so notwendig.


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Herr Kollege Neugebauer hat bereits darauf hingewiesen, was hier tatsächlich passiert: Es kommt mit diesem Gesetz zur rückwirkenden Aufhebung gerichtlicher Entscheidun­gen mit typisch nationalsozialistischem Unrecht und zur umfassenden Rehabilitierung. Es geht beispielsweise um die Strafurteile der Sonder- und Standgerichte, die bisher vom Anerkennungsgesetz 2005 nicht erfasst waren.

Ich habe mir die Mühe gemacht und einige Urteile gelesen, beispielsweise das Urteil des Wiener Sondergerichts gegen den Tischlermeister Ludwig Saffrian, wohnhaft in Wien, wo es heißt:

„Die Angeklagten werden wegen absichtlichen Abhörens des Londoner-Senders, Saff­rian und Studniczka dazu wegen Verbreitens von Nachrichten dieses Senders verurteilt und zwar: 1) Ludwig Saffrian zu 7 (sieben) Jahren Zuchthaus (...).“

Oder das Urteil des „Volksgerichtshofes“ gegen den Eisenbahner Alois Brunner und Ehefrau Josefine Brunner – beide aus Wörgl –, den Maschinenschlosser Balthasar Höck aus Innsbruck, den Spengler Johann Loibichler aus Kufstein, die Verkäuferin Jo­hanna Hofer aus Häring/Tirol, das Kinderfräulein Frieda Haupt aus Bludenz und den Bergarbeiter Otto Thies aus Mühlbach am Hochkönig.

Das Ehepaar Brunner wurde zum Tode verurteilt und das Todesurteil auch vollstreckt. Es wurde vom Begnadigungsrecht kein Gebrauch gemacht, dazu heißt es im Akt:

„In der Strafsache gegen die vom Volksgerichtshof am 28. Mai 1943 zum Tode verur­teilten Alois Brunner und Josefine Brunner habe ich mit Ermächtigung des Führers be­schlossen, von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen, sondern der Ge­rechtigkeit freien Lauf zu lassen. Berlin, den 22. August 1943.“

Was war das für eine Gerechtigkeit, Hohes Haus?

Oder die Ermordung des Majors Karl Biedermann in Wien, der in den letzten Kriegsta­gen zum Tode verurteilt worden ist?

Oder die Urteile der Erbgerichtshöfe? Die Anordnungen von Zwangssterilisierungen? (Abg. Scheibner: Kollege, die sind aber schon aufgehoben!) – Auch die werden jetzt erfasst, Kollege Scheibner. (Abg. Scheibner: Nein, die sind schon aufgehoben!) – Nein.

Ich lese aus einer Entscheidung vor:

„Im Namen des Deutschen Volkes! In dem Verfahren betreffend die Unfruchtbarma­chung der ledigen Therese Zibusch, geboren am 7.8.1905 in Amaliendorf, wohnhaft Alt-Dietmanns, eheliche Tochter des Thomas Zibusch und der Marie, geborene Permes­ser, hat das Erbgesundheitsgericht Krems in der Sitzung vom 18.3.1944 durch den Amts­gerichtsrat Otto Brosch, den Amtsarzt Dr. Anton Gruss und den Arzt Dr. Leopold Tangl beschlossen: Die Therese Zibusch ist unfruchtbar zu machen.“

Hohes Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem heutigen Beschluss zu diesem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz werden wir für Rechtsklarheit sor­gen. Es wird Rechtssicherheit geben. Das Anerkennungsgesetz 2005 hat eben bestimm­te Urteile der NS-Justiz – der NS-Terrorjustiz nicht erfasst.

Hohes Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie einladen, dieser Vor­lage auch zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

20.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. Eingetragene Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.49.11

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich hier zweifellos


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 217

um einen sehr sensiblen Bereich, und daher sollte man sich auch sehr genau an­schauen, wie die Regelungen getroffen werden, die uns hier vorgeschlagen sind. Der derzeitige Rechtsstand ist ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialis­tischer Unrechtsakte. Man kann natürlich gescheiter werden und abschließende Besei­tigungen noch einmal verbessern, und das soll hier gemacht werden.

Wir haben das Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz vorliegen. In seinem § 1 Abs. 1 wird dieses auf Ausländer ausgeweitet, die im Inland verurteilt wurden.

Das stimmt mich etwas bedenklich, denn eine Zuständigkeit für Ausländer, die auf ös­terreichischem Staatsgebiet verurteilt wurden, legt den Schluss nahe, dass es sich um eine Rechtsnachfolge handelt – und diese Diskussion wollten wir, glaube ich, nicht füh­ren. Peter Fichtenbauer hat bereits angedeutet, dass man sehr genau darauf achten müsste, wie man die Formulierung wählt, um nicht in diese Diskussion zu geraten.

Weiters wird in diesem Abs. 1 festgehalten, dass ab sofort keine Mischverurteilungen mehr geprüft werden. Bisher war im § 9 Abs. 1 des Befreiungsamnestiegesetzes von 1946 vorgesehen, dass Mischverurteilungen – das heißt, Verurteilungen, die einerseits auf­grund von Gesetzen, die eindeutig nationalsozialistisches Gedankengut beinhaltet ha­ben, und andererseits aufgrund von Straftaten, die auch nach österreichischem Recht strafbar wären, erfolgten – noch einmal einer Untersuchung unterzogen werden konnten.

Das ist natürlich tatsächlich in der Praxis nicht oder kaum mehr relevant, denn die ein­zige Straftat, die nicht verjährt wäre, ist Mord. Aber auf der anderen Seite geht es ge­nau darum, dass mit diesem jetzigen Akt alle Morde, die im Zusammenhang mit NS-Verurteilungen mitverurteilt wurden, auch endgültig amnestiert und aufgehoben sind – und das ist nicht in unserem Sinne; so stellen wir uns das nicht vor.

Weiters ist dann in § 1 Abs. 2, wie schon ausgeführt, eine Ausweitung auf Entschei­dungen, die bisher nicht berücksichtigt waren, vorgenommen worden. Das ist zweifel­los sehr sinnvoll und richtig, zum Beispiel die Ausweitung auf Entscheidungen des Volks­gerichtshofes, der Sonder- und Standgerichte oder der Erbgesundheitsgerichte.

Tatsächlich problematisch wird es dann allerdings in § 4 Abs. 1, in dem es eine ganz allgemeine Rehabilitierung all jener gibt, die zur Schwächung oder Beendigung des NS-Unrechtsregimes beigetragen haben. Das ist genau diese undifferenzierte Vor­gangsweise, die wir bekritteln, denn es wird weder auf ein Motiv Rücksicht genommen noch darauf, unter welchen Umständen eine derartige Handlung gesetzt wurde. Da­durch sind natürlich strafbare Handlungen, die nach derzeitigem Rechtsverstand ge­nauso strafbar wären, in einem rehabilitiert, und das ist doch sehr problematisch, denn bei diesem Gesetz geht es ja zweifellos nur darum, ein Symbol zu setzen – praktische Bedeutung hat es so gut wie keine.

Wenn man Deserteure pauschal rehabilitiert, dann muss man sich fragen, welche der zwei folgenden Sichtweisen man vertritt: Entweder steht es Soldaten grundsätzlich zu, selbst zu entscheiden, ob sie Befehlen gehorchen oder sich der Truppe entziehen – dann müsste das aber heutzutage auch gelten, und das wird wohl nicht gemeint sein –; oder jede Handlung, die gegen das NS-System gerichtet war, ist auf jeden Fall gerecht­fertigt.

Abgesehen davon, dass das dazu führen würde, die Mehrheit der Kriegsteilnehmer als feig oder unanständig ansehen zu müssen, muss man auch festhalten: Selbst wenn Widerstand Pflicht wäre, heiligt der Zweck nicht die Mittel! Auch dann können einzelne Handlungen beispielsweise den Tatbestand des Kriegsverbrechens erfüllen, und auch dann müssen diese Widerstandshandlungen dem Sittengesetz entsprechen. (Abg. Öl­linger: Welche?) – Mord zum Beispiel ist sicherlich eine Handlung, die in die­sem Zu­sammenhang auch nach wie vor tatsächlich strafbar sein sollte.


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Wenn man also wirklich danach strebt, die Opfer des Dritten Reichs zu rehabilitieren, wäre es sinnvoll gewesen, zum Beispiel das russische Vorbild anzuwenden. Dort sind zehntausende Wehrmachtsangehörige von der stalinistischen Justiz als Kriegsverbre­cher abgeurteilt worden, und Russland hat diesen Männern beziehungsweise ihren Fa­milien die Möglichkeit gegeben, im Einzelfall prüfen zu lassen, ob diese Verurteilungen gerechtfertigt waren. Etwa 90 Prozent dieser Überprüfungen haben dazu geführt, dass die Rehabilitierung durchgeführt wurde. Das sind dann Freisprüche, die den Familien tatsächlich Frieden geben können.

Die pauschale Aufhebung von Urteilen, bei der – wie auch in der NS-Zeit – nicht diffe­renziert wird, ob jemand zum Beispiel aus Mitmenschlichkeit Kriegsgefangenen gegen­über oder als echter Kameradenmörder gehandelt hat, ist keineswegs in derselben Form befriedigend. Bedenken Sie also, dass Sie aus diesem Grund mit diesem Gesetz ein falsches Zeichen setzen und dass dies dem Andenken der Widerstandskämpfer zu­dem nicht zuträglich ist! (Beifall bei der FPÖ.)

20.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. Eingestellte Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


20.55.27

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist durch diesen Beschluss ein bedeutender Tag für Österreich. Dieses Gesetz bringt Genugtuung für Opfer des Nationalsozialismus. Die Opfergruppen sind bereits aufgezählt worden: die Opfer der Sonder- und Standgerichte sowie der Volksgerichte, die Opfer der Beschlüsse auf Zwangssterilisation und Zwangsabtreibungen – allein 6 000 Österreicherinnen waren von Zwangssterilisation betroffen. Körperliche Gebre­chen wie Blindheit und Taubheit sowie psychische Erkrankungen haben dazu geführt; das NS-Regime war gnadenlos.

Es ist Genugtuung für die Opfer des Terrors gegen Homosexuelle, und es bringt die ausdrückliche politische Rehabilitierung der Deserteure. Ganz wichtig ist auch, dass dieses Gesetz eine Generalklausel enthält, die besagt, dass alle Entscheidungen auf­gehoben sind, die Ausdruck typischen nationalsozialistischen Unrechts waren. Das ist deswegen notwendig, weil die Forschung immer wieder neue Opfergruppen entdeckt, die dann von diesem Gesetz nicht abgedeckt wären.

Wenn dieses Gesetz heute beschlossen wird, sind sämtliche NS-Unrechtsurteile besei­tigt. Das ist ein Meilenstein in der österreichischen Geschichte, weil Österreich klar Po­sition bezieht. Österreich sagt damit: Wir stehen hinter den Opfern des NS-Regimes, und wir stehen hinter jenen Menschen, die aktiv gegen das NS-Regime Widerstand ge­leistet haben! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es hat lange gedauert – 64 Jahre –, aber auch die Debatte hier im Hohen Haus hat lange gedauert. Vor zehn Jahren war es ein erster Entschließungsantrag von Andreas Wabl – ich weiß nicht, ob er noch anwesend ist (der Redner blickt auf die Besucherga­lerie), er hat dieser Debatte eine Zeit lang zugehört –, der diese Diskussion ins Rollen gebracht hat. Dann hat Terezija Stoisits diese Diskussion erfolgreich weitergeführt, und heute, so glaube ich, sind wir am Endpunkt dieser Diskussion angelangt.

Ein weiterer Meilenstein waren die wichtigen wissenschaftlichen Untersuchungen von Walter Manoschek. Damit wurde mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass Deserteure Ge­walttäter sind. Die Forschungsergebnisse haben ein ganz klares Ergebnis gebracht: Es wurden 1 300 Fälle von Desertion angeschaut, und nur bei 0,39 Prozent aller Desertio­nen war physische Gewalt im Spiel.

Wenn heute hier gesagt wird, dass Mord Mord bleibt, dann möchte ich Ihnen ein Bei­spiel bringen, und vielleicht überdenken Sie dann Ihre Position: Am 8. Mai 1945 hat die


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gesamte Wehrmacht kapituliert, aber nicht alle Verbände wollten sich daran halten. In Norwegen hat es eine Armeeeinheit gegeben, in der der Befehl ausgegeben wurde: Wir kämpfen weiter, das gilt für uns nicht! Außerdem gab es den klaren Befehl, auf dem Rückzug sämtliche Lappen, die man traf, zu erschießen, da sie verdächtigt wur­den, mit den Russen zusammenzuarbeiten. Dieser Befehl galt auch für sämtliche Nor­weger, die bewaffnet waren.

Die betroffenen Soldaten wussten, was es bedeutete, wenn sie diesem Befehl entspra­chen. Sie haben daher in einer kleinen Gruppe beschlossen, den militanten Nazi-Hauptmann zu ermorden. Sie haben das getan, haben sich auf die Flucht begeben, wurden von Nazi-Armeeeinheiten verfolgt, und der kleinere Teil der Gruppe – 11 Per­sonen – wurde tatsächlich wieder gefangengenommen. Meine Damen und Herren, noch am 9. Mai hat ein Wehrmachtsgericht vier davon zum Tode verurteilt, und am 10. Mai wurden diese Todesurteile – zwei Tage nach der Kapitulation der Wehrmacht – vollstreckt.

Können wir diesen Menschen einen Vorwurf machen? Haben wir das Recht, über sie zu richten, ihnen Gerechtigkeit und Rehabilitierung zu verwehren? Ich sage: Nein, sie gehören rehabilitiert!

Wer nicht zur Kenntnis nimmt, dass der kleinere Teil, dass nur ein sehr kleiner Teil der Deserteure physische Gewalt begangen hat, der steht schon unter dem Verdacht, dass es ihm um etwas anderes geht, nämlich darum, die Deserteure zu diskreditieren und damit den Widerstand gegen das NS-Regime zu diskreditieren. (Präsidentin Mag. Pram­mer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Einen Namen möchte ich erwähnen, weil sein Träger einen wichtigen Beitrag geleistet hat: Das ist Professor Moos. Professor Moos hat die rechtspolitischen Überlegungen für den grünen Initiativantrag geliefert, der letztendlich auch inhaltlich in den nun vorlie­genden Antrag eingeflossen ist. Das waren wichtige Hilfestellungen, um diese umfas­sende Rehabilitierung tatsächlich zu erreichen.

Ein Name ist hier bereits gefallen, nämlich der von Richard Wadani. Er ist noch hier und hört dieser Debatte zu. Er ist der Ehrenobmann des Vereins Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“. Er ist ein unermüdlicher Kämpfer ge­wesen, er hat nie aufgegeben. Wenn man ihm zuhört, weiß man, dass es nicht leicht war. Ich glaube, dafür muss man ihm Hochachtung und Dank aussprechen! (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

In diesem Gesetz – ich komme darauf zurück – passiert das ausdrücklich. Es war im­mer interessant, ihm zuzuhören und zu hören, dass die Deserteure nicht verstehen konnten, dass sie einen Beitrag zur Befreiung Österreichs geliefert haben, dass sie einen Beitrag zur Beendigung des Krieges geliefert haben, dass sie dann aber im Nachkriegs-Österreich geächtet waren. Spätestens jetzt, mit diesem Gesetz, ist klar, dass sich diese Situation verändert hat. Die Republik hat sich deklariert: In diesem Ge­setz wird im § 4 ausdrücklich den Deserteuren und Opfern von NS-Unrechtsentschei­dungen ihre Achtung ausgesprochen. Das ist ein wichtiger Punkt!

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch ein paar andere Namen erwäh­nen, weil so ein Gesetz nicht möglich ist, wenn man nicht auch Verbündete in anderen Parteien hat, die mithelfen, hier etwas zu ändern. Allen voran gilt mein großer Dank Frau Nationalratspräsidentin Prammer, die sich öffentlich klar geäußert hat und dann – das glaube ich, auch wenn ich nicht immer hinter die Kulissen der anderen Parteien schauen kann – ein wichtiger Motor war, dass es zur Veränderung gekommen ist. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ.)

Genauso hat es diese inhaltlichen Verbündeten in der Österreichischen Volkspartei ge­geben. Der Zweite Nationalratspräsident Neugebauer hat sich ebenfalls immer klar öf-


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fentlich bekannt, und ich bin davon überzeugt, dass auch er im Hintergrund aktiv daran mitgewirkt hat, dass es zu diesem Gesetz kommt. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ebenfalls Andreas Khol: Ich habe noch vor ein paar Wochen den Spaß gehabt, mit ihm zu diskutieren. Über die Bewertung von Schwarz-Blau werden wir uns nie einig werden – das war sofort ein Streitthema –, aber in der Frage der Einschätzung der De­serteure war es möglich, mit ihm an einem Strang zu ziehen. Ich glaube, auch Andreas Khol hat einen wichtigen Beitrag geleistet.

In den letzten Tagen gab es noch einen wichtigen Beitrag der Frau Justizministerin und ihres Teams. Wir haben so manches Scharmützel ausgetragen, teilweise auch öffent­lich – das gehört dazu, das war meiner Meinung nach auch richtig –, aber dann, als es darauf angekommen ist, waren die Gespräche sehr produktiv. Die Frau Justizministerin Bandion-Ortner und ihr Team haben unseren Argumenten immer wieder Aufmerk­samkeit geschenkt und viel Geduld mit uns bewiesen, weil uns eigentlich immer wieder noch das eine oder andere eingefallen ist, was man in dieses Gesetz hineinnehmen könnte. Dafür möchte ich mich bedanken.

Heute werden wir dieses Gesetz beschließen. Gesetzestexte sind geduldig, damit al­lein ist noch nichts gewonnen. Jetzt muss diese Positionierung der Republik auch mit Leben erfüllt werden, jetzt muss das in die Geschichtsbücher. Das muss jetzt nicht nur Haltung des Parlaments, sondern auch Haltung der Österreicherinnen und Österrei­cher werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

21.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundesmi­nisterin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte.

 


21.03.57

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zu Beginn aus einem Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ vom 8. Oktober dieses Jahres zitieren; darin heißt es:

Der Auftritt hatte Symbolkraft. Gemeinsam mit den Justizsprechern von SPÖ, ÖVP und den Grünen präsentierte die Justizministerin gestern den Entwurf für das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz, mit dem sie einen juristischen Schlussstrich unter die Un­rechtsurteile der NS-Zeit ziehen will. – Zitatende.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es gab eine Lücke! Die Lücke soll nunmehr ge­schlossen werden. Es gab noch NS-Unrechtsurteile, die unter dem Deckmantel der Justiz gefällt wurden, die aber diametral jeglichen Grundsätzen der Gerechtigkeit, jegli­chen Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit widersprachen.

Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass es zu einer Einigung zwischen den Regie­rungsparteien und den Grünen gekommen ist. Ich bedauere es umso mehr, dass das BZÖ und die FPÖ offenbar nicht mitgehen. Es wäre eigentlich ein wichtiges Symbol gewesen, wenn alle zugestimmt hätten.

Es ist bereits gesagt worden, welche Urteile von der Aufhebung betroffen sein sollen. Es ist so, dass es jetzt zum Großteil eine pauschale Aufhebung dieser Urteile gibt. Nur in den Fällen, in denen Urteile wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen ausgespro­chen wurden, gibt es eine Einzelfallprüfung, weil man schauen muss, ob diese Hand­lungen nach heutigem Recht noch strafbar wären. Außerdem kommt es zu einer Ein­zelfallprüfung, wenn die Generalklausel zur Anwendung kommt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 221

Das Landesgericht für Strafsachen Wien wird für die Aufhebung dieser Urteile bezie­hungsweise für deklarative Beschlüsse zuständig sein. Es soll ein Versöhnungsbeirat eingerichtet werden, der beratend zur Stelle sein und zu den einzelnen Anträgen Stel­lung beziehen soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Gesetz wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geschaffen. Man weiß natürlich nicht mehr, wie viele Personen noch am Leben sind, die von diesen Aufhebungen betroffen sind. Natürlich ist dieses Gesetz mehr symbolisch, und es ist, glaube ich, auch sehr, sehr wichtig für die Nachfahren der Betroffenen.

Eines muss man natürlich schon auch betonen: Durch dieses Gesetz sollen die Solda­ten des Zweiten Weltkrieges nicht herabgewürdigt werden. Natürlich haben viele ge­glaubt, ihre Pflicht zu tun, und nur allzu oft wurden Tapferkeit und Vaterlandsliebe miss­braucht.

Aber es ist so: Österreich war zwar Opfer des Nationalsozialismus, aber es gab viele Österreicherinnen und Österreicher, die sich mitschuldig gemacht haben. Das Be­wusstsein darüber ist eine der Grundlagen für dieses Gesetz. Dieses Bewusstsein muss weiter gefördert werden.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Paragraphen ändern die Herzen der Men­schen nicht – aber sie ändern das Wissen und die Auseinandersetzung mit der eige­nen Geschichte. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie den Grünen.)

21.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Wein­zinger zu Wort. Ich stelle die Uhr auf gewünschte 4 Minuten. – Bitte.

 


21.07.53

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Jetzt haben wir viele juristische, rechtliche, sehr gescheite, zum Teil sehr emo­tionelle Stellungnahmen zu diesem neuen Gesetz gehört und auch das Bedauern, dass zwei Parteien nicht zustimmen können, und zwar aus einem einzigen Grund: aus dem Grund des General-Freispruches aller Deserteure.

Sie wissen natürlich und sehen auch, dass ich schon zu den Älteren dieses Hauses gehöre. Ich hatte das Glück, in meinem Leben seit frühester Jugend mit sehr vielen Soldaten der verschiedensten Dienstgrade sogar noch des Ersten Weltkrieges und des Zweiten Weltkrieges zu reden. Und der eine oder andere von Ihnen wird wissen, dass ich bis vor wenigen Monaten mit großer Begeisterung Milizsoldat beim österreichischen Bundesheer war.

Was ich an Schicksalen gehört habe, vor allem von den Soldaten des Zweiten Welt­krieges, war oft ungeheuer erschütternd! Natürlich haben die meisten das Unrechtssys­tem verurteilt, das damals geherrscht hat und dem sie oft nicht entkommen konnten.

Aber sie haben noch etwas verurteilt: Sie haben sehr oft die Deserteure verurteilt, weil sie darunter gelitten haben. Einerseits haben sie darunter gelitten, dass sie Kameraden verloren haben, auf die sie sich völlig verlassen haben – denn sie mussten sich auf sie verlassen –, und auf der anderen Seite konnte der eine oder andere davon berichten, dass anschließend auf jenen Frontabschnitt, auf jene Stellung oder auf jene Deckung, die bisher nicht bekannt war, geschossen wurde, mit Steilfeuerwaffen oder Ähnlichem.

Ich weiß nicht, ob wir es unserer älteren Generation – soweit sie noch lebt –, die im Krieg war, zumuten können, dass ihre Republik Österreich, an deren Aufbau sie voll mitgearbeitet hat, dass ihr Heimatland auf einmal jene, die sie nicht mochten und die sie verantwortlich machten – nicht alle, aber viele – für schlechte Ergebnisse, nennen wir es einmal so, nun durch die Bank alle rehabilitiert.


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Einzel-Rehabilitation: ja, selbstverständlich! Beobachten und feststellen: in diesem Fall kein Problem, in jenem Fall kein Problem. So macht man es auch mit den Homosexuel­len, da geht es ja auch. Es wäre schon gegangen, und Sie wissen auch, dass wir nicht ungern der gesamten Materie zugestimmt hätten. Aber es ist nicht mehr auf uns zuge­gangen worden, das haben mir meine Freunde aus dem Justizausschuss mitgeteilt, und auch seitens des BZÖ wurde das bestätigt.

Meine Damen und Herren, lassen wir der älteren Generation – soweit sie noch lebt –, die diesen Krieg aktiv miterlebt hat, nicht das Gefühl, dass diejenigen, die nicht deser­tiert sind, vielleicht die schlechteren Österreicher sind! (Beifall bei der FPÖ.)

21.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 


21.11.45

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich zweifellos um eine sensible Materie und Debatte, gerade auch, weil es um eine sehr, sehr schwierige Zeit für unser Land geht, die wir hier heute behandeln, eine sehr schwierige Zeit mit weitreichenden Folgen, wie wir wissen, für die Menschen unseres Landes, Europas und der ganzen Welt.

Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass diese Debatte in einer sehr ruhigen und sehr sachlichen Atmosphäre abläuft, auch wenn da oder dort noch Meinungsverschieden­heiten zu erkennen sind. Ich bin auch sehr froh darüber, dass hier doch sehr einhellig von allen Fraktionen klargestellt wurde – soweit man das jetzt überblicken kann –, dass die Militär- und SS-Gerichte, die Sonder- und Standgerichte, aber auch der Volksge­richtshof keine Gerichte im herkömmlichen Sinn gewesen sind, dass man daher eigentlich nicht anders kann, als alle Urteile, die von diesen sogenannten Gerichten ge­fällt wurden, einheitlich und vollständig aufzuheben, und dass es hier auch keinen Spiel­raum dafür gibt, anders und differenzierend vorzugehen.

Viele Menschen sind in dieser schwierigen Zeit unseres Landes in die Terror-Maschi­nerie der Nazis geraten und dadurch meist mit sehr, sehr schlimmen Folgen, bis hin zum Tod, Opfer dieses grausamen Unrechtsregimes geworden. Es war daher der Ös­terreichischen Volkspartei von Beginn der Zweiten Republik an, vom ersten Tag nach der Befreiung von diesem Unrechtsregime, von der Nazi-Herrschaft an ein ernsthaftes Anliegen, die Unrechtsfolgen dieses Unrechtsregimes lückenlos aufzuheben und unge­schehen zu machen.

Dies war, wie heute schon einige Male angeklungen ist, 1945 und 1946 im Rahmen der Aufhebungs- und Einstellungsgesetze und der Befreiungsamnestie so. Dies war im Jahr 2005 so, als aus Anlass der 60-jährigen Beendigung des Zweiten Weltkrieges eine Mehrheit dieses Hauses das Anerkennungsgesetz 2005 beschlossen hat. Und das ist heute so mit der Beschlussfassung des Aufhebungs- und Rehabilitationsgeset­zes 2009.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass wir uns auch da­rauf verständigen konnten, unser Verständnis und unser Mitgefühl für viele andere Op­fer des Nationalsozialismus und des fürchterlichen Krieges auszudrücken. Ich ersuche aber auch um Verständnis bei jenen Fraktionen, die das moniert haben und hier noch Änderungsbedarf gesehen hätten, dass es meiner Meinung und unserer Ansicht nach völlig unzumutbar und menschenunwürdig wäre, mehr als 60 Jahre nach Beendigung des Nazi-Regimes jetzt quasi auf Motivforschung zu gehen und im Einzelfall zu versu­chen herauszufinden, welche Motive, welche Umstände für Desertion und Widerstand maßgeblich waren. Ich glaube, das wäre einfach nicht realistisch.


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Wir werden mit der heutigen Beschlussfassung – auch das wurde schon einige Male gesagt, wir stehen dazu und sind froh darüber – auch die letzten Lücken der Fortwir­kung des Nazi-Unrechtsregimes beseitigen, viele Opfer des Nationalsozialismus reha­bilitieren und damit auch das an ihnen begangene Unrecht endgültig beseitigen.

Ich darf aus formalen Gründen noch folgenden Abänderungsantrag, der nur den Titel des Gesetzentwurfes betrifft, einbringen:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Dr. Jarolim, Mag. Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht und Antrag des Justizausschusses betreffend ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz (359 d. B.):

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Der Titel des Gesetzentwurfes lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlassen wird“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wer diese Debatte, die Entste­hungsgeschichte dieses Gesetzes und das Ergebnis, das wir heute beschließen, ver­folgt hat, der wird erkennen, dass es ein gutes Kapitel auch dieses Hauses und ein gu­tes Kapitel des Parlamentarismus ist. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

21.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 


21.16.24

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich fast lü­ckenlos den Vorrednern anschließen: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man 60 Jah­re nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges nicht Motivforschung betreiben sollte, um herauszufinden, was zu Widerstandshandlungen oder zur Desertion geführt hat. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man eine Generalklausel hat, um eine Rehabilitierung für alle herzustellen, weil es undenkbar ist, die Motive nach 60 Jahren zu erfahren be­ziehungsweise richtigzustellen.

Ich halte auch das Beispiel, das Kollege Steinhauser gebracht hat, für einen Akt des Widerstandes. Schon aus diesem Grund wäre hier eine Rehabilitierung angebracht, auch wenn dieser Widerstand physische Gewalt beinhaltet hat. Ich halte dieses Bei­spiel eigentlich für eines jener Beispiele, die man dafür heranziehen kann, dass Motiv­forschung in einem solchen Fall unmöglich wäre. Daher halte ich die Generalklausel für einen der Kernpunkte dieses Gesetzes. Ich glaube auch, dass wir gut daran tun, in einer Generalklausel mit dieser Zeit und mit diesen Unrechtsurteilen abzuschließen.

Herr Kollege Weinzinger, es geht nicht darum, diejenigen, die bis zum Ende des Krie­ges weiter in der Wehrmacht verblieben sind, schlechtzumachen, sondern es geht da-


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rum, bei Urteilen, die ungerecht waren und jene diskriminiert haben, die diesen Urteilen unterworfen waren, den Ruf wiederherzustellen. (Abg. Mag. Stefan: Das Urteil war doch schon aufgehoben! Das ist ja 60 Jahre her!) Das heißt nicht, jemandem ein Recht zu nehmen, sondern jenen ein Recht zu geben, die einem Unrechtsurteil unterlegen sind. (Abg. Mag. Stefan: Sie sind schon aufgehoben, diese Urteile! Die sind schon seit 1946 aufgehoben!)

Ich glaube, da ist ein ganz gewaltiger Unterschied, und ich glaube, man kann das nicht gegeneinander ausspielen, sondern denen, denen ein Unrecht passiert ist, erteilen wir mit diesem Gesetz wieder die Rehabilitierung und die Herstellung ihres normalen Rechtszustandes, der ihnen zusteht. Ich glaube, diesen Denkansatz möchte ich eigent­lich zurückweisen (Abg. Mag. Stefan: Die sind ja schon aufgehoben gewesen!), weil ich glaube, dass es darum geht, jene Leute zu rehabilitieren, die Opfer eines Unrechts­urteils geworden sind und einen Akt des Widerstandes gesetzt haben, und nicht da­rum, jene zu diskriminieren, die bis zum Ende des Krieges in der Armee verblieben sind. Die wurden ja auch nicht diskriminiert, sondern es wurden jene diskriminiert, die einen Widerstandsakt gesetzt haben, die einen Desertionsakt gesetzt haben und die eine Verurteilung gehabt haben. Die muss man wieder rehabilitieren, die muss man endgültig von diesen Unrechtsurteilen loslösen und ihnen volle Rehabilitation gewähr­leisten.

Ich möchte mich ganz besonders bei unserer Frau Präsidentin Mag. Prammer bedan­ken, die treibende Kraft für dieses Gesetz war und ganz maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass dieses Gesetz zustande gekommen ist und jetzt ein Schlussstrich unter diese grauenvolle Zeit gezogen werden kann. Ich glaube, es ist angebracht, allen jenen Hochachtung zu zollen, die einen Akt des Widerstandes gegen ein derartiges Un­rechtsregime gesetzt haben. Ich glaube, dass das Inkrafttreten mit 1. Dezember 2009 keinen Tag zu früh erfolgt, und ich bin froh darüber, dass wir hier zu einer mehrheitli­chen Verständigung gekommen sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Walser gelangt nunmehr zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


21.20.23

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Wir erleben heute einen historischen Moment hier in diesem Hohen Haus. Dieses Gesetz zieht auch einen Schlussstrich unter einen unsäglichen Umgang mit der Ver­gangenheit, den es in dieser Republik nach 1945 auch gegeben hat, einen Umgang, der davon ausgegangen ist, dass Österreich das erste Opfer war, einen Umgang, der ausgeklammert hat, dass Österreich auch einen Anteil am nationalsozialistischen Ver­brecherregime gehabt hat.

Wir geben heute unter anderem Deserteuren die Ehre wieder zurück, auch solchen wie Richard Wadani beispielsweise, die nicht verurteilt worden sind. Menschen, die nach 1945, statt für ihre Tat Anerkennung zu finden, missachtet wurden, beschimpft wurden. Ich könnte Ihnen da sehr, sehr viele Beispiele erzählen, weil ich mich in Vorarlberg sel­ber mit dieser Materie auseinandergesetzt habe.

Ich habe die jetzige Diskussion als sehr, sehr wohltuend empfunden. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei den beiden Rechtsparteien bedanken, denn es ist nicht selbst­verständlich, dass wir eine Diskussion über diese Materie in dieser sachlichen Form abführen. Ich habe das in diesem Hohen Haus leider auch schon anders erlebt. Ich glaube, hier sind Argumente aufeinandergeprallt, über die man diskutieren kann. Wenn ich an die Art und Weise denke, wie Kollege Fichtenbauer, Kollege Scheibner oder Kol­lege Stefan argumentiert haben, kann ich da logischerweise nicht mit. Ich möchte je-


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doch genau auf eines ihrer Argumente ein bisschen näher eingehen, auf die sogenann­te Einzelfallprüfung.

Kollege Fichtenbauer, Sie haben selber die NS-Terrorjustiz in der Wehrmacht mit der Militärjustiz in den anderen Armeen des Zweiten Weltkriegs verglichen und die Unter­schiede festgestellt. Es wäre da vielleicht noch hinzuzufügen, dass es Schätzungen von Historikern gibt, die bis zu 50 000 vollstreckte Todesurteile reichen. Im Vergleich dazu gab es in Deutschland im Ersten Weltkrieg 48 vollstreckte Todesurteile. Das zeigt den Terrorgehalt dieser Urteile. Und wenn Sie sich diese Urteile anschauen – ich habe viele von ihnen gelesen –, Urteile, die im Geiste eines Roland Freisler geschrieben wurden, dann werden Sie doch nicht im Ernst glauben können, dass wir heute, 70 Jah­re nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, in der Lage sind, Motive zu erforschen. Diese Urteile und diese Akten strotzen vor nationalsozialistischer Propaganda, es sind Pam­phlete gegen die Verurteilten. Das hat mit Rechtssprechung überhaupt nichts zu tun. Aufgrund dieser Akten können wir heute beim besten Willen keine Einzelfallprüfung mehr vornehmen. Also das ist ein Ding der Unmöglichkeit, und von daher hat dieses Gesetz natürlich seine Berechtigung und seine absolute Notwendigkeit.

Deserteure im Zweiten Weltkrieg haben objektiv das Richtige getan. Sie haben objektiv das getan, was die Siegermächte, die späteren Siegermächte, am 1. November 1943 in der Moskauer Deklaration festgelegt haben. Sie haben einen Beitrag geleistet zur Wiedererrichtung Österreichs. Das ist von den Alliierten damals gefordert worden, und das haben Deserteure gemacht. Warum sie im Einzelfall diese Tat begangen haben, das ist heute aus dieser Sicht irrelevant, das ist in einer anderen Diskussion, glaube ich jedenfalls, von großem Interesse.

Eine besondere Freude ist für mich, da ich auch viel im südlichen Kärnten war, dass heute auch für verurteilte Kärntner Partisanen ein historischer Tag ist, denn da die Volksgerichtshofurteile insgesamt aufgehoben werden, haben jetzt auch viele zum Tod verurteilte Kärntner Partisanen, viele insgesamt verurteilte Kärntner Partisanen ihre Eh­re wiedererlangt. Auch sie mussten in diesem Staat leider allzu lange auf diesen histo­rischen Moment warten.

Insgesamt ist heute ein Tag, der dem Ansehen Österreichs guttut. Lassen Sie mich en­den mit einem Zitat aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 14. Oktober 2009. Dort schreibt Charles Ritterband – ich zitiere –:

Dieser Durchbruch ist vor allem einem überparteilichen Komitee mit dem heute 87-jäh­rigen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani an der Spitze und dem während zehn Jahren hartnäckig geleisteten Einsatz der Grünen im Kampf gegen Tabus und Vorurtei­le zu verdanken. – Zitatende.

Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Es ist für uns, das darf ich dazu sagen, ein großer Erfolg, es ist eine große Befriedigung für alle diejenigen, die sich für Ge­rechtigkeit, für eine neue Sicht auf die NS-Zeit eingesetzt haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kopf.)

21.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort; 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Beifall und Bravoruf des Abg. Hörl in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Hakl.)

 


21.26.39

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es scheint ja tatsächlich so zu sein, dass wir wie schon im Ausschuss in diesem Hohen Haus nur wenige Millimeter auseinan­derliegen, und es ist nie zu spät, vielleicht an einem noch deutlicheren Zeichen aus dem Parlament zur Rehabilitierung zahlreicher Personen aus der NS-Zeit mitzuwirken.


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FPÖ und BZÖ könnten sich auch noch in den letzten Minuten einen Ruck geben mitzu­stimmen, und dazu könnte vielleicht beitragen, dass ich darauf hinweise, dass sowohl Kollege Weinzinger als auch Kollege Wittmann in ihren Reden insofern einem Denk­fehler unterlagen, als sie meinten, wir würden jetzt die Urteile wegen Desertion aufhe­ben. Liebe Kollegen! Das ist bereits im Jahr 1945 geschehen. (Abg. Scheibner: Dazu würden wir das Gesetz nicht brauchen!) Sämtliche Urteile wegen Desertion und alle zugehörigen Mischurteile wurden bereits 1945 aufgehoben. Das Einzige, was übrig bleibt oder blieb, war, dass diese Urteile auch im Nachhinein noch einmal einer mög­lichen Überprüfung unterlagen. Jetzt kommt hier eine generelle Rehabilitierung zum Tragen.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, es ist grundsätzlich richtig, dass im justi­ziellen Bereich immer die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu gelten hat. Was waren das jedoch damals für Gerichte? Ich glaube, man muss Ausnahmen machen, wenn ein Reichsgericht Kriegsverrat, schon damals rechtsbeugend, auf Zivilpersonen ausgedehnt hat, die einfach politischen Widerstand geleistet haben, es Frauen zur Zwangssterilisation und Schwangerschaftsabbrüchen zwang, wenn also derartige Un­rechtsgerichte Urteile sprachen. Ich glaube, das rechtfertigt auch, in diesen wenigen, kleinen Einzelfällen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles abzurücken und das einzige Richtige zu tun, nämlich sämtliche Urteile dieser Unrechtsjustiz endgültig aufzuheben und alle davon Betroffenen endgültig zu rehabilitieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Karl Öllinger gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.29.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Dank, vor allem an die Initiatoren, ist ja schon mehrmals ausgesprochen worden. Ich wiederhole ihn gerne.

Ich danke auch allen, die sich an dieser Diskussion beteiligt haben beziehungsweise zu diesem Beschluss beigetragen haben. Es wurde auch schon von einigen Rednerin­nen, Rednern bemerkt, dass die Atmosphäre, in der diese Diskussion stattfindet, eine besondere ist. – Ja, das kann ich auch feststellen, und ich ziehe auch meine Schlüsse daraus: Warum ist diese Diskussion im Unterschied zu vielen anderen, die wir in ähnli­chen Fragen hatten, auf einmal eine besondere?

Meine Schlussfolgerung ist: Zum ersten Mal erlebe ich hier, dass sich drei Parteien in einer für das Selbstverständnis dieser Republik sehr, sehr wichtigen und konstitutionel­len Frage einig sind. Da gibt es mittlerweile so etwas wie eine Klarheit darüber, was man will, was man beseitigt haben will, und das schafft auch die Voraussetzung für die anderen Parteien, die in dem einen oder anderen Punkten abweichen. Ich kann mit dem Präsidenten Neugebauer durchaus mit. Bei der Rede des Kollegen Fichtenbauer habe ich mir gedacht: ja, interessant, spannend zuzuhören, und trotzdem gibt es auch noch Punkte, die mich von dieser Argumentation trennen.

Für mich ist jedoch wesentlich, es gibt in einer für die Republik, für ihre Geschichte, für ihr Selbstverständnis sehr wesentlichen Frage auch so etwas wie einen Cordon sani­taire, ich nenne das einmal so. Das schafft eine völlig andere Voraussetzung für die Debatte, als wenn es diese Einigkeit nicht gäbe. Das zwingt, und bitte mich nicht miss­zuverstehen, auch Sie (in Richtung FPÖ und BZÖ) in eine völlig andere Situation, mit uns diese Debatte zu führen. Und das ist gut so!

Wenn es diese Einigkeit in für die Republik wesentlichen, essentiellen Fragen, für ihr Selbstverständnis essentiellen Fragen auch in anderen Bereichen gäbe, dann hätten


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wir eine wesentlich bessere Grundlage, um zu diskutieren, und zwar nicht nur unter den drei Parteien, die hier diesen Beschluss gefasst haben, sondern auch mit den an­deren, die aus dem einen oder anderen Grund oder mehreren Gründen nicht überein­stimmen. Das können Sie an dieser Debatte ablesen, warum sie sich so deutlich von anderen Debatten unterscheidet. Das ist das eine.

Das Zweite, und damit komme ich sozusagen schon zum Kern der Kritik, die Sie ge­äußert haben, Herr Kollege Fichtenbauer, oder etwa auch Sie, Kollege Scheibner. Es ist absolut legitim, hier rechtstheoretische, rechtsdogmatische Gründe anzuführen, aber für mich geht es da schon in erster Linie um das pralle Leben. Das war auch der Grund für meinen Zwischenruf bei der Rede des Abgeordneten Stefan: die Mordfrage! Die Mordfrage praktisch betrachtet: Wenn ein Wehrmachtssoldat einen Menschen, der desertieren will, erschießt, dann war das Pflichterfüllung und kein Mord. Wenn ein De­serteur beim Versuch, sich von der Truppe abzusetzen, einen Offizier erschießt, und dazu gab es auch das Beispiel, das gebracht wurde, obwohl die Sondersituation nach der Kapitulation der Wehrmacht für uns einfach unvorstellbar ist, wenn also ein Deser­teur einen Offizier erschießt – das hat es ja, wie man aus der Forschung weiß, de facto nicht gegeben in Österreich, aber nehmen wir den Fall einmal an –, dann war das nach damaliger Rechtslage Mord. Da sehen Sie den Unterschied!

Da geht es einfach nur darum, dass wir – und es ist absolut richtig, denke ich, diese Entscheidung zu treffen – jetzt nicht richten über den Wehrmachtssoldaten, der den er­schossen hat, aber auch nicht prüfen, was die Motive beim Deserteur waren. Simpel darum geht es! Und das ist ein absolut befreiender Akt, dass diese Einzelfallprüfung beziehungsweise diese Motivprüfung – könnte da nicht doch ein niederes Motiv dahin­tergestanden haben, weswegen der desertiert ist? – wegfällt und dadurch auch für die Deserteure Klarheit geschaffen wird, aber nicht nur für die Deserteure, dass sie richtig gehandelt haben.

Kollege Weinzinger, das heißt noch immer nicht, dass wir die verurteilen, die bei der Wehrmacht gedient und geglaubt haben, ihre Pflicht zu erfüllen, denn sie haben nicht die Pflicht für diese Republik erfüllt, wenn sie die Pflicht erfüllt haben, dann haben sie sie für ein verbrecherisches Regime erfüllt. Es hat so viele Motivlagen, auch so viele Gründe gegeben, warum die in der Regel jungen Menschen das damals nicht erkannt haben. Sie sind hineingetrieben worden in einen verbrecherischen Krieg, und das gilt für Österreicher und Deutsche gleichermaßen.

Das ist der Grund, warum man nicht darüber richten sollte. Noch immer gilt aber: Die, die sich gegen diesen Krieg, gegen dieses Verbrechen, gegen dieses Terrorregime ge­wehrt haben, denen sollte in erster Linie unsere Anerkennung gelten. (Beifall bei den Grünen.)

21.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 2 Minuten. – Bitte.

 


21.35.41

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Es drängt mich, noch einige ergänzende Sätze hinzuzufügen.

Ich knüpfe daran an, was Kollege Scheibner gesagt hat. Wir trennten uns im Justizaus­schuss mit der in Aussicht genommenen Möglichkeit, den kritischen § 4, also den Re­habilitierungsparagraphen, durch einen Halbsatz zu ergänzen, dass diese pauschale Rehabilitierung – und der Inhalt dieser Rehabilitierung ist ja auch eine Wertstellungs­erklärung – durch eine Ausnahme, ohne dass es dadurch zur Einzelfallprüfung zu kom-


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men hätte, einzuschränken wäre, dass nämlich eine Ausnahme dann besteht, wenn dieser Akt des Widerstandes oder was immer, der ja auf keine Verurteilung abstellte, mit Mord verbunden gewesen wäre.

Selbst wenn Herr Manoschek herausgefunden hat, dass es nur eine kleine Prozentzahl gewesen ist, auch der Ermordete hat eine Mutter gehabt, die um ihren Sohn geweint hat. Oder wenn ich an das denke, was Kollege Weinzinger gesagt hat: Wenn jemand, ohne etwas anzustellen, übergelaufen ist und die eigene Stellung verraten hat, sodass Feindfeuer auf die Stellung gelenkt werden konnte und die dort zugrunde gegangen sind, so haben auch die Mütter gehabt.

Das Problem ist, dass das Teuflische jedes Krieges natürlich darin besteht, dass er einebnet und dass er selber eine Mordmaschine ist, und der Einzelne, der einer ihm nicht zur Verfügung stehenden Entscheidungsgewalt ausgeliefert ist, dem anerzoge­nen Gewissen und seiner Lebenssituation entsprechend handelt oder nicht handelt.

Kollege Walser hat etwas Richtiges gesagt. Wahrscheinlich sind es 50 000 gewesen, das stimmt schon. Ich glaube zu wissen, dass de facto nur höchstens 25 000 Akten vorhanden sind, jedenfalls ein gesicherter Aktenbestand von 17 000 vorhanden ist, aber wahrscheinlich ist diese insbesondere vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Deutschland angenommene Zahl von 50 000 richtig und, ich wiederhole, an Ab­scheulichkeit nicht zu überbieten, ausnahmslos nicht zu überbieten. (Abg. Dr. Strutz: Was wollen Sie sagen?)

Sie haben auch den Namen Freisler genannt. Jetzt geht mir ein Sektor in der Betrach­tung des Terrors wirklich ab. Die Geschichte der Justiz im „Dritten Reich“ als genauso der Terrormaschine zugänglich ist nie wirklich aufgearbeitet worden. (Beifall bei Abge­ordneten von FPÖ, SPÖ und ÖVP.) Man hat sich immer nur mit den Soldaten beschäf­tigt, und die Soldaten waren der Zwangsgewalt ausgeliefert. Die Karrierejuristen aber, die zum Frühstück drei Todesurteile ausgesprochen haben, weil etwa jemand den eng­lischen Sender abgehört hat, sind sehr bald nach 1945 wieder in Amt und Würden ge­sehen worden. Und das ist eine Abscheulichkeit, die auch noch nie wirklich aufgearbei­tet worden ist.

Wenn Aufarbeitung, dann erkennen wir, dass die Rechtspflege eines Staates das Fun­dament der Gerechtigkeit und der Würde der Menschen ist, und die ist damals mit Fü­ßen getreten worden, aber niemals ist es zu einer gleichartigen Aufarbeitung dieser Personengruppe gegenüber gekommen wie gegenüber den Soldaten! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Walser.)

21.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Franz zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

 


21.40.01

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Ich möchte mich gleich vorweg sehr herzlich bei Ihnen bedanken, Frau Ministerin. Sie haben es ermöglicht, dass wir hier eine mehrheitsfähige Einigung haben, um eben diese NS-Justizopfer zu rehabilitieren.

Ich danke auch Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen, die Sie sich an dieser Diskus­sion beteiligt haben, für diese klare, sachliche Diskussion in dieser sehr sensiblen Ge­schichte. 70 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sind wir es den Opfern, die inzwischen in die Jahre gekommen sind, aber auch ihren Angehörigen schuldig, dass sie ihre Rehabilitation bekommen. So wie die meisten von uns bin auch ich überzeugt davon, dass es an der Zeit war, ein Kapitel zu schließen, das noch einige Ungereimt­heiten in sich getragen hat. Nach langen Diskussionen in der Vergangenheit haben wir


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es geschafft, nun sämtliche Urteile dieses NS-Unrechtsregimes pauschal aufzuheben. Pauschal ist deshalb wichtig, weil es wirklich unmöglich ist, nach so langer Zeit Motiv­forschung zu machen.

Es wurde schon sehr viel gesagt, und ich möchte dem hier nicht mehr allzu viel hinzu­fügen. Die Diskussion hat eine sehr vernünftige Lösung gebracht. Es gibt Rechtssi­cherheit, es gibt Klarheit, es wurden einige Lücken geschlossen. Schade, dass wir dieses Gesetz nicht einstimmig beschließen können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Öllinger.)

21.41

21.40.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht in 358 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz in 359 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Dr. Jarolim, Mag. Steinhauser, Kol­leginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf eine Ände­rung des Titels des Gesetzentwurfes bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Ti­tel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Donnerbauer, Dr. Jarolim, Mag. Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetz­entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzent­wurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.43.1812. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (322 d.B.): Bundesge­setz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Ver­kehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über interna­tionales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum auf­gehoben werden (356 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Ich stelle die Uhr auf 4 Minu­ten. – Bitte.

 



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21.43.56

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ich ma­che es kurz. Ich freue mich im Besonderen darüber, dass die Umsetzung der Verord­nung über das für vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht jetzt neuge­staltet wird und wir uns aus diesem Grund im Wege von Verwaltungsvereinfachungen in Zukunft Kosten sparen werden, was angesichts der großen Aufgaben, die auf uns zukommen, besonders wichtig ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

 


21.45.00

Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine erste Rede im Hohen Haus beschäf­tigt sich mit der Änderung des Internationalen Privatrechtsgesetzes sowie der Aufhebung des Bundesgesetzes über internationales Versicherungsvertragsrecht für den EWR.

Was sind die Verbesserungen dieses neuen Gesetzes beziehungsweise der Änderung des IPRG? Es entsteht kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand für den Bund, auch nicht für die Wirtschaftsunternehmen, da keine zusätzlichen Informationspflichten enthalten sind. Mittelbar kann auch mit einem Einsparungspotential gerechnet werden, einerseits durch die Setzung von Maßnahmen, die die Rechtsfindung erleichtern, sowie anderer­seits durch das Vermeiden fehlerhafter rechtlicher Beurteilungen.

Weiters sind in dieser Änderung auch Auffangregelungen enthalten für Tatbestände, die in der Rom-I-Verordnung nicht enthalten sind, eben um die Lücken zu schließen, wie etwa die nicht enthaltenen Regelungen über die Lebensversicherungen. Ansonsten sind jedoch alle Versicherungsverträge in der Rom-I-Verordnung enthalten, somit ist auch eine Aufhebung des Bundesgesetzes über die internationalen Versicherungsver­träge für den EWR durchaus sinnvoll.

Bisher war das IPRG kompliziert. Es war mit Verweisungsnormen gefüllt, für die Durch­schnittsanwenderIn kaum verständlich. Durch diese Änderung kommt es zu einer Ver­einfachung, und es ist damit nachvollziehbar und auch verständlicher. Weiters, wie vor­hin erwähnt, sind auch die rechtlichen Beurteilungen einfacher, und so kommt es auch zu einer Reduktion und der Vermeidung von Fehlerquellen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass diese Änderung beziehungsweise Aufhe­bung die Rechtsbereinigung im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse, die Be­seitigung der Irreführung durch obsolet gewordene Verweisungsnormen zum Ziel hat, und es kommt zu einer Schaffung von Rechtsklarheit.

Wie wichtig und richtig diese Änderung ist, sieht man auch im Verhalten im Justizaus­schuss. Es kam zu einer Fünfparteieneinigung, was mich in dieser Materie sehr freut. Das heißt, nicht nur die Parteipolitik, sondern auch das Wohl der RechtsanwenderIn­nen steht im Vordergrund. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Ikrath gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

 


21.47.30

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Justizminis­terin! Unser Dank gilt einmal mehr auch der erstklassigen Arbeit im Justizministerium. Es ist das geradezu ein Musterbeispiel, wie zwei Verordnungen, Rom-I und Rom-II,


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hervorragend in österreichisches Recht umgesetzt wurden. Es ist erfreulich, dass es damit zu einer Rechtsbereinigung kommt, dass wir damit mehr Rechtssicherheit und mehr Rechtseinfachheit haben.

Wir werden daher dieser Gesetzesvorlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.48

21.48.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 322 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

21.48.49 13. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (95 d.B.): Überein­kommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (357 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


21.49.11

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei dem hier zu genehmigenden Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus um eine Einvernehmensmaterie einerseits, andererseits um die Ge­nehmigung eben, wie gesagt, eines Übereinkommens des Europarats, das dann noch innerstaatlicher Umsetzung bedarf.

Ich darf mich kurz halten, denn wir sind uns Gott sei Dank und, ich glaube, richtigerwei­se einig, dass die Bekämpfung des Terrorismus eine wichtige Aufgabe ist. Und dass sich die Staaten und Mitglieder des Europarats in diesem Übereinkommen dazu be­kannt haben, gewisse Ausprägungen des Terrorismus entsprechend effizient zu be­kämpfen und auch bei der Bekämpfung des Terrorismus zusammenzuarbeiten, ist da­her richtig und gut.

Insbesondere möchte ich nur drei Tatbestände erwähnen, die im Übereinkommen be­sonders hervorgehoben werden: Das ist die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat, das ist die Anwerbung für terroristische Zwecke und das ist die Ausbildung für terroristische Zwecke.

Es besteht auch Einigkeit darüber, dass Teile dieses Europaratsübereinkommens in­nerstaatlich in unseren Strafgesetzen bereits umgesetzt sind, in manchen Teilen wird es noch einer Umsetzung bedürfen. Daher freut es mich, dass wir einerseits heute einig


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sind darin, dieses Europaratsübereinkommen anzunehmen und damit wieder einen Schritt zur effizienten Bekämpfung des Terrorismus zu gehen. Ich würde mich aber auch freuen, wenn es uns gelänge, in der Diskussion der nächsten Monate gemeinsam mit dem Justizressort auch bei der Umsetzung der Maßnahmen, zu denen wir uns in diesem Europaratsübereinkommen verpflichten, eine einvernehmliche Lösung, mit der alle fünf Parteien in diesem Hohen Haus mitgehen können, zu finden.

Ich glaube, dass dieses Übereinkommen, das einen Schritt zur Bekämpfung des Ter­rorismus darstellt, hier einvernehmlich genehmigt wird, zeigt, dass wir gemeinsam an diesem Strang ziehen, und ich freue mich schon auf die konstruktiven Diskussionen für die Umsetzung dieses Übereinkommens. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

21.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Pendl zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.51.32

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In aller Kürze. Ich glaube, dem, was mein Vorredner bereits ausgeführt hat, ist nicht wirklich etwas hinzuzufügen. Ich denke, aufgrund der internationalen Entwicklung, vor allem was den terroristischen Bereich betrifft, ist das unbedingt notwendig. Wir haben hier eine Konsensmaterie.

Warum ich mich aber zu Wort gemeldet habe, hat einen einzigen Hintergrund. Es ist mir wichtig, Kollege Donnerbauer, dass wir in den Umsetzungen auf der nationalstaatli­chen Ebene natürlich auch im Hinblick auf demokratiepolitische, auf rechtsstaatliche und auf Grundrechtsfragen sehr sensibel damit umgehen. Ich kenne die Diskussionen, wenn es um die Sicherheit geht, aber bei aller Notwendigkeit und bei aller Klarheit
und Schärfe, die wir hier in der Zusammenarbeit mit der Staatengemeinschaft brau­chen, müssen wir auch den klaren Blick für die Grundrechte und für die Menschen­rechte haben.

Ich lade Sie zu dieser vor uns liegenden Diskussion schon heute ein. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir nicht nur heute dieses Übereinkommen treffen, sondern dann auch die nationalen Materiengesetze schaffen. Auf eine gute Zusammenarbeit im Justizaus­schuss! Ich freue mich bereits darauf, wenn wir dann hier die Materiengesetze bespre­chen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bucher: Was ist mit den Danksagungen?)

21.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Stadler gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.53.07

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Ich danke meinem Vorredner für seine Rede, weil er seinen obligatorischen Dank vergessen hat. (Abg. Pendl: Wir sind ja freundliche Leute!) – Ja eh, natürlich, Otto. Ich wollte es nur nachholen für dich.

Frau Bundesminister! Wir werden dieser Vorlage natürlich zustimmen, das haben wir auch im Ausschuss getan. Ich möchte nur auf einen Aspekt hinweisen, der in der bis­herigen Debatte noch nicht vorgekommen ist, und den sollten Sie bitte bei der Umset­zung des Übereinkommens mit berücksichtigen. Wir hätten allerdings nicht dieses Übereinkommen gebraucht, um hier nachzuschärfen. Es geht um folgenden Umstand:

Ich erwähne das Interview, das der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT, Peter Gridling, am 12. September dieses Jahres in der „Presse“ gegeben hat. Da sagt Peter Gridling wörtlich Folgendes: dass es in Österreich eine Reihe von Personen gibt, die in ausländischen Terrorcamps ausgebildet wurden,


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dass es sich hierbei vorwiegend um Vertreter der in Österreich lebenden radikal isla­mistischen Szene handelt, dass sie in diesen Terrorcamps Kontakte entwickelt haben (Abg. Weninger: In Knittelfeld!) und diese Kontakte weiter pflegen 

Was haben Sie gemeint? Was war das für ein gescheiter Zwischenruf? Was hat das mit Knittelfeld zu tun, bitte? Das, was ihr als Terrorcamp bezeichnet, hat, soviel ich weiß, das Heeresabwehramt konstruiert. Das werden wir im Ausschuss noch klären, aber wenn das harmlos oder lustig ist, was Herr Gridling da erzählt hat und was wir noch im Nationalen Sicherheitsrat erfahren haben ... (Abg. Pendl: Vertraulich!) – Bitte? (Abg. Pendl: Vertraulich!) – Natürlich vertraulich. Ich finde es nicht lustig, dass in die­sem Land Terroristen herumlaufen, die in ausländischen Terrorcamps ausgebildet wur­den, und – jetzt kommt die Crux – gegen die die Justiz nichts unternehmen kann, weil § 278b keine Handhabe bietet.

Das findet der Kollege lustig! Ich weiß nicht, dauert die Debatte schon zu lange oder bist du zu lange schon außer Haus gewesen? Ich weiß es nicht. Ich finde es nicht lus­tig, wenn der Chef des BVT jammert, dass sie wissen, wer in ausländischen Terror­camps war – das findet der Kollege lustig –, dass die in dem Land herumspazieren, dass die in dem Land Kontakte pflegen, dass sie das angezeigt haben und die Staats­anwaltschaft keine Handhabe hat, weil das Gesetz nicht scharf genug ist. § 278b des StGB bietet keine Handhabe, meine Damen und Herren!

Mein Appell, Frau Bundesminister, geht nur an Sie – und ich glaube, Sie bringen die­sen unangebrachten Humor nicht auf –, dass man dieses Übereinkommen zum Anlass nimmt, hier sofort nachzujustieren. Es bräuchte diesen Anlass nicht, es würde genü­gen, dass der Chef des BVT sagt, ich weiß, wer ausgebildet wurde, ich weiß, dass sie in einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl in Österreich herummarschieren, ich weiß, dass sie internationale Kontakte haben, ich weiß, dass da etwas passieren kann, was Österreich auf den Kopf fallen kann, und zwar international. Das wäre schön peinlich, wenn irgendwo ein Terroranschlag stattfindet und sich dann herausstellt, dass die Lo­gistik hier im Lande war. Ich weiß nicht, ob dann die Sozialdemokratie auch noch den gleichen Humor hätte. Ich habe ihn jedenfalls nicht. (Abg. Amon: Sie wissen, dass eine Novelle in Vorbereitung ist!)

Ich weiß schon, aber es müsste längst da sein. Wir hätten dieses Übereinkommen nicht gebraucht. Kollege Amon, das wäre etwas, was man sofort hereinbringen hätte können. Ich erinnere mich daran, dass ihr ein paar Bankengeschichten sofort da herin­nen hattet. Da musste man gar nicht lange herum tun, das ist ruck-zuck gegangen.

Das ist eine Materie, die nicht harmlos ist, die keine Quantité négligeable ist von der Größenordnung her, das haben wir im Nationalen Sicherheitsrat erfahren, und für die ich nicht bereit bin, den gleichen Humor aufzubringen, den offensichtlich Teile der So­zialdemokratie haben.

Mein Appell: Machen Sie das bitte rasch, Frau Bundesminister! (Beifall beim BZÖ.)

21.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.57.33

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Unter dem Titel „Kampf dem Terrorismus“ ist schon viel Schaden angerichtet worden, nicht nur international durch Bush – das ist das Erste, was einem unter dem Begriff einfällt –, sondern auch in den nationalen Gesetzgebungen, Stichwort: Aushöhlung der Bürgerrechte.


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Auch dieses Europaratsübereinkommen bewegt sich an einem sehr sensiblen Punkt. Es gibt ja im Strafrecht eine Debatte, wie weit das Strafrecht präventiv wirken soll, po­tentiell gefährliches Verhalten unter Strafe stellen soll. Das wird kritisiert. Gefahrenab­wehr ist an sich Aufgabe der Polizei und nicht des Strafrechts. Trotzdem ist natürlich klar, dass internationaler Terrorismus ein Bedrohungsszenario ist, das ernst zu neh­men ist.

Es ist aber ein Punkt, wo ich wirklich skeptisch bin und dann um Genauigkeit ersuche. § 278a Strafgesetzbuch, Bildung einer kriminellen Organisation, wurde geschaffen,
um die internationale organisierte Kriminalität zu bekämpfen. – Klingt auch vernünftig. Die Umsetzung und die Handhabung dieses Paragraphen ist in Österreich aber mehr als fragwürdig.

Sie wissen, Frau Bundesministerin, ich habe mich durchaus immer in Zurückhaltung geübt, laufende Verfahren zu kommentieren, aber es fällt mir immer schwerer, diese Zurückhaltung hier weiter an den Tag zu legen. Wenn man jetzt hört, dass eine UVS-Richterin mittlerweile möglicherweise abgehört wurde – das werde ich erfragen –, aber jedenfalls einvernommen wurde von der SOKO Tierschutz, weil sie vor Jahren als UVS-Richterin eine Entscheidung, die Tierschützer betroffen hat, aufgehoben hat, dann geht das zu weit. Das geht nicht! Da müssen Sie auf Ihre Staatsanwaltschaft auf­passen, Sie sind nach wie vor verantwortlich, und die Staatsanwaltschaft muss einen Blick auf die SOKO Tierschutz werfen. Es geht so nicht.

Ich habe immer gesagt, ich kommentiere laufende Verfahren nicht, aber das geht zu weit. Eine UVS-Richterin wird wegen einer Entscheidung im UVS jetzt im Zusammen­hang mit der ganzen Tierschützer-Causa verfolgt. Das ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist genau der Grund, warum ich bei derartigen Vorhaben und internationalen Über­einkommen sehr skeptisch und vorsichtig bin. Jetzt klingt das alles sehr logisch und vernünftig, dann wird umgesetzt, und dann ist plötzlich nicht mehr der internationale Terrorismus im Fokus, sondern ganz andere Personen, und das ist dann genau die Aushöhlung der Bürgerrechte, die man als Bedrohung empfinden muss.

Wir werden zustimmen, aber wir werden bei der Umsetzung genau hinschauen, ob wirk­lich der internationale Terrorismus im Auge ist oder ob etwas anderes verfolgt wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Schönegger gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


22.00.31

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon von meinen Vor­rednerinnen und Vorrednern umfassend dargestellt, ist das eine Konsensmaterie. Es geht darum, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus hier gemeinsam zu beschließen. Das tun wir, weil es eben eine Konsensmaterie ist.

Die Maßnahmen reichen von der Verbesserung der Zusammenarbeit der einschlägi­gen Behörden über die gemeinsame Aus- und Weiterbildung bis hin zur Förderung von Toleranz zum Beispiel durch interreligiösen oder kulturellen Dialog, aber es geht auch um allgemeine Maßnahmen zur Problembewusstseinsbildung.

Die internationale Zusammenarbeit betrifft vor allem Maßnahmen der Prävention, um­fasst aber auch die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit, zur Auslieferung in bestimmten inkriminierten Fällen.

In Zeiten, in denen Bedrohungsszenarien des internationalen Terrorismus weltweit prä­sent sind, muss man sich auch in diesem Haus der Herausforderung stellen und dem


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wachsenden Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen. Das tun wir. Das tut auch die Frau Bundesministerin. Das wissen auch Sie, Herr Magister Stadler, die Umsetzungsgesetze, die Sie hier als Schärfung bezeichnet haben, sind am Weg. Das wissen Sie sehr genau. Daher ist eine gewisse Gelassenheit in diesem Punkt durchaus angebracht. (Abg. Grosz: „Minister Stadler“ gefällt mir!) – Gerald Grosz, danke für deinen Zwischenruf! Darauf habe ich gewartet. Herr Kollege Bucher hat ja ausgerichtet, dass du dein Profil schärfen sollst als „Mini-Voves“ der Steiermark. Vielleicht bist du da jetzt am Weg dazu mit deinen Zwischenrufen.

Die Wertekoordinaten haben sich verändert: ein kleines Stück weg von der individuel­len Freiheit hin zum allgemeinen Sicherheitsbedürfnis. Das haben wir auch zur Kennt­nis zu nehmen. Es geht darum, diesen Anforderungen mit Augenmaß zu begegnen – auch in Richtung Kollege Steinhauser –, aber auch entschieden diesen neuen Anforde­rungen gerecht zu werden. Die Balance zwischen Sicherheit, Freiheit, Rechtsstaatlich­keit ist zu wahren.

Ein tauglicher Weg, diese Balance zu wahren – dies ist ein ganz erwähnenswerter Schwerpunkt! –, ist die Prävention: zum Beispiel bereits vor einem konkreten Verdacht, Gefahrenquellen aufspüren zu können oder bestimmte Milieus beobachten zu können.

Die Demokratie – und das ist meine wirkliche Überzeugung – besitzt die Fähigkeit, sich auf ihre Werte zu besinnen und gesellschaftliche Selbstverständigungsprozesse in Gang zu setzen. Wir sind mitten drin in diesem Prozess: Ein kleines Stück weniger Freiheit des Einzelnen für ein großes Stück allgemeine Sicherheit. Das sind wir den Österreicherinnen und Österreichern, das sind wir unserem Staat schuldig. Da sind wir auf dem besten Weg dazu. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


22.03.51

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich glaube, ich kann naht­los an die Rede meines Vorredners anschließen. Das Übereinkommen ist Konsens­materie und deshalb notwendig geworden, weil eben bestehende internationale Verträ­ge wie das Europaratsübereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus aus 1977 zu ergänzen und den aktuellen Erfordernissen anzupassen sind.

Ich möchte nochmals festhalten – so wie es auch im Europarat definiert wird –, dass Terrorismus eine Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschen­rechte sowie der Sicherheit der Bürger darstellt und unter sorgfältigster Achtung der Grundrechte bekämpft werden muss. Es ist ganz wichtig – und ich möchte das hervor­heben –, dass Maßnahmen zur Prävention von Terrorismus niemals zulasten men­schenrechtlicher, demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze gehen dürfen.

Das vorliegende Übereinkommen stellt sowohl auf Strafen als auch auf Prävention ab. Ich denke, wir werden dem Problem mit diesem Übereinkommen wie auch mit anderen völkerrechtlichen geschlossenen Verträgen nicht Herr werden, weil wir hier nur Sym­ptome bekämpfen. Aus diesem Grund sind alle Übereinkommen, beginnend mit der Konvention zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus aus 1937 weitgehend wir­kungslos geblieben.

Die wahren Wurzeln, so denke ich, der Terrorismusproblematik liegen in sehr vielen Fällen in der sozialen Frage begründet. Solange in weiten Teilen der Erde die soziale Schieflage nicht behoben wird – in diesem Zusammenhang ist die Demokratie meis­tens zu stärken –, werden wir auch in Zukunft mit Auswirkungen des Terrorismus kon­frontiert sein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 236

Ich finde es daher besonders wichtig, diese Entschließung zur Bekämpfung des Terro­rismus auf allen Ebenen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu unter­stützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


22.06.14

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich heute um die Ratifizierung des Überein­kommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus. Nur ganz kurz: Es besteht kaum Anpassungsbedarf in Österreich. Der Tatbestand der aktiven und passiven Aus­bildung in einem Terrorcamp ist auf Schiene, und der Entwurf ist schon fast fertig. – So viel sei verraten.

Ganz allgemein: Die österreichische Justiz ist gut gerüstet im Kampf gegen den inter­nationalen Terrorismus. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Grosz zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen hoffent­lich die Bestimmungen! (Abg. Steibl: Da bin ich nicht so sicher!)

 


22.07.07

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Schönegger hat hier behauptet, der Herr Abgeordnete Bucher habe zu mir gesagt, ich wäre ein „Mi­ni-Voves“.

Ich darf tatsächlich berichtigen, dass er das niemals gesagt hat und auch diesbezüglich in den Medien nichts zu finden ist.

Ich darf das aber zum Anlass nehmen, zu sagen, dass wir uns auf solche Körpereigen­heiten, ob jemand groß, klein, dick oder dünn ist, im Parlament nicht reduzieren soll­ten. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

22.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Glaser gelangt nun zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.07.42

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Praktisch kein Tag vergeht gerade in dieser Zeit ohne die Meldung über irgendeine terroristische Tat und ohne die damit verbundene Meldung, dass soundso viele unschuldige Menschen aus irgendwelchen obskuren Gründen der Terroristen sterben mussten.

Ich glaube deswegen, dass wir dieses Übereinkommen, das den präventiven Schutz vor Terrorismus zum Ziel hat, absolut notwendig haben und dass es kein Problem ist, wie es die Grünen teilweise gesehen haben, sondern dass es absolut gerechtfertigt ist.

Es kann nicht angehen, dass unter dem Schutz von Meinungsfreiheit, Religionsaus­übung zum Beispiel Hassprediger ihr Unwesen treiben oder Terrorcamps geduldet werden – es gibt ja schon die ersten Ansätze –, sondern solche Dinge müssen im An­satz, im Keim erstickt werden können. Ich glaube, dass Toleranz dort ihre Grenzen hat, wo der Einzelne oder die Gesellschaft davon tatsächlich betroffen und gefährdet sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 237

Natürlich gebe ich hier schon auch zu, dass das kein Freibrief für Willkürmaßnahmen sein darf, aber ich glaube, dass gerade in unseren Ländern und gerade auch in Öster­reich eine ausgewogene und effiziente Gesetzgebung und deren Umsetzung in der Praxis das absolut richtig handhaben werden.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faze­kas. – Bitte.

 


22.09.35

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Hohes Haus! Es ist jetzt schon sehr viel dazu gesagt worden. Vielleicht gibt es noch einen Aspekt, den wir im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen noch ein­bringen sollten, nämlich dass, wie im Verfassungsschutzbericht angeführt, großer Wert nicht nur auf die Präventivarbeit zu legen ist, auf die Möglichkeit, dass sich die Sicher­heitsbehörden und die Justizbehörden verstärkt vernetzen, verstärkt internationale Ko­operationen einzugehen haben, sondern dass auch verstärkt Wert auf den interkultu­rellen Dialog zu legen ist, um das Phänomen Terrorismus an seinen Wurzeln packen zu können.

Bei all den Maßnahmen, die in Zukunft auch unter dem Aspekt Terrorismus gesetzt werden – der Herr Abgeordnete Steinhauser hat ja darauf verwiesen, und es ist schon von der Frau Bundesministerin gesagt worden, es ist ein Regelwerk in Ausarbeitung, das sich mit dem Thema auseinandersetzt, vor allem was die Anwerbung und die Aus­bildung von Terroristen sowie Aufrufe zu terroristischen Handlungen betrifft –, geht es auch darum, immer wieder danach zu trachten, die Wahrung der Menschenrechte und der Demokratie im Auge zu behalten, wenn ich nur an das Stichwort Online-Untersu­chung denke.

Die Menschen haben ein Recht auf Sicherheit und Freiheit. Das wollen wir nicht ge­fährden. Wesentlich, um Sicherheit zu gewährleisten und frei leben zu können, ist eben diese präventive Arbeit im Kampf gegen die Kriminalität und vor allem auch gegen den internationalen Terrorismus. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Köfer. – Bitte.

 


22.11.18

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Die Ratifizierung dieses Europaratsübereinkommens zur Verhütung des Ter­rorismus ist ein für mich sehr richtiger und vor allem wichtiger Schritt im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Dieses Übereinkommen erfasst erstmals aber auch die Re­krutierung und die Ausbildung von Menschen für terroristische Zwecke in Österreich. Natürlich gibt es immer wieder Aufrufe und Einladungen von rechtsextremen Gruppie­rungen zu sogenannten Fortbildungscamps. Die größte Bedrohung geht aktuell aber zweifelsfrei von islamistischen Terroristen aus.

So gibt es laut Elmar Theveßen, einem bekannten Terrorismusexperten des Zweiten Deutschen Fernsehens mittlerweile im Internet rund 5 000 Webseiten, die für den Dschihad, den Heiligen Krieg werben. Kurz vor der deutschen Bundestagswahl hat der deutsch-marokkanische Islamist Bekkay Harrach im Internet zwei düstere Videobot­schaften verbreitet, in denen er Deutschland nicht nur gedroht hat, sondern auch laut „Spiegel“-online unter dem Gebrauch der Worte – und ich zitiere ihn wörtlich –: Für die Sache Allahs muss ich bereit sein, alles in Kauf zu nehmen!, zum Heiligen Krieg auf-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 238

ruft. Weiters sagte er: Gott werde nicht fragen, ob jemand im Dschihad erfolgreich ge­wesen sei, sondern ob er es wenigstens versucht habe. – Zitatende.

Bekkay Harrach ist kein Einzelfall. Laut der „Washington Post“ vom vergangenen Mon­tag sollen seit Jänner dieses Jahres auch dreißig Deutsche zu Terrortrainings nach Pa­kistan eingereist sein. All diese Fakten zeigen und beweisen, dass es sehr wichtig ist, ein Übereinkommen zu schließen, da auch Österreich trotz der besten sozialen und materiellen Grundversorgung von diesen Entwicklungen nicht ganz verschont bleiben wird.

Diese Abkommen sind höchst notwendige Signale in Richtung jener Menschen, die in Österreich versuchen, Personen für terroristische Zwecke anzuwerben, beziehungs­weise Österreicher, die im Ausland versuchen, das Gleiche zu tun.

Zum Schluss kommend möchte ich noch beim hier zu ratifizierenden Übereinkommen etwas Positives hervorheben, nämlich dass mit Art. 13 auf die Frage des Opferschut­zes, der Opferentschädigung und der Opferunterstützung eingegangen wurde. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.13

22.13.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 95 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Justizausschusses, wonach der vorliegende Staats­vertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfül­len ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

22.14.40 14. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-24 d.B.) des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/2 (384 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zanger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.15.04

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofs, guten Abend! Meine Damen und Herren! Wir hatten vorige Woche – so denke ich – rund eineinhalb Stunden die Gelegenheit, ORF-Generaldirektor Wrabetz zum vorliegenden Rechnungshofbericht zu befragen. Eineinhalb Stunden ist eine wahr­haft großzügig bemessene Zeit. Wenn man allein die Fragen bedenkt, die die Abgeord­neten aufgrund des Berichtes hatten, kann man sich vorstellen, wie umfangreich die Antworten ausgefallen sind. Wenn man zwei Minuten braucht, um die Frage nach der


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Gesamtstrategie des ORF zu stellen oder zu beantworten, ein Unternehmen, das im­merhin 1 Milliarde € Bilanzsumme hat, rund 4 600 Mitarbeiter beschäftigt und sich die Gesamtstrategie für dieses Unternehmen in rund zwei Minuten darstellen lässt, dann ist dahinter entweder eine Verschleierung vorhanden oder eine Inkompetenz. Ich tippe auf das Zweite verbunden mit dem Ersten.

Ein Unternehmen, das 4 600 Mitarbeiter hat und von einem Stiftungsrat, der 35 Perso­nen umfasst, kontrolliert werden soll, wobei einzelne Stiftungsräte dem Vernehmen nach nicht einmal wissen, was eine Unternehmensberatungsfirma namens McKinsey ist und vermutlich noch weniger wissen, was diese zu tun hat, und schon gar nicht wis­sen, was sie dann mit den Ergebnissen anfangen sollen. Ein Unternehmen, das für einen langfristigen Finanzplan drei Jahre ins Auge fasst – nur zum Vergleich, eine kleine Landgemeinde muss laut Gesetz einen mittelfristigen Finanzplan vorlegen, der immerhin fünf Jahre umfasst.

Eine unkoordinierte Entwicklung in einzelnen Unternehmensbereichen wurde festge­stellt. Das ist kein Wunder, wenn man sich die Struktur des ORF mit den verschiede­nen Bereichen, die miteinander offensichtlich nicht oder nur wenig kommunizieren, ein bisschen zu Gemüte führt. Es hat logischerweise – und das hat der Rechnungshof auch festgestellt – zu Schnittstellenproblemen und Doppelgleisigkeiten geführt.

Jetzt hat ein Beratungsunternehmen ein Einsparungspotential von 27 Millionen € fest­gestellt. Das wurde nun auch noch nach unten korrigiert, und umgesetzt wurden 10 Millionen €. Der jetzige Bedarf beläuft sich noch immer auf rund 80 Millionen €, wo­bei nun angeblich, nach einer Presseaussendung von gestern, der Herr ORF-General­direktor schon 20 Millionen € gefunden haben will. Wo die restlichen 60 Millionen blei­ben, kann man nur raten. Offensichtlich oder vermutlich wird es der Herr Generaldirek­tor darauf anlegen, von der Bundesregierung jene Gebühren zurückerstattet zu bekom­men, die er sich von den gebührenbefreiten Sehern nicht holen kann.

Im monetären Bereich gibt es eine gewaltige Baustelle. Es gibt hochdotierte Einzelver­träge, drei unterschiedliche Kollektivverträge. In Wirklichkeit ist dieser ORF ein Selbst­bedienungsladen, wo die Herrschaften leben wie die Maden im Speck bei einem Durchschnittsgehalt von rund 69 000 € – das heißt, das verdient dort schon die Putz­frau, jetzt übertrieben gesagt – mit fetten Gehaltszulagen, die bis zu einer Summe von 2 250 € im Monat betragen können, mit Mehrdienstleistungspauschalen, für die keine Zeitaufzeichnungen geführt werden müssen und wo der ORF nicht einmal Wert darauf legt, zu dieser Kritik des Rechnungshofs eine Stellungnahme abzugeben, mit großzügi­gen Pensionsregelungen, mit satten Bonifikationen.

Bonifikationen haben ja einen Sinn. Ich sehe das grundsätzlich positiv, wenn man einen Leistungsanreiz erstellt, aber dazu gehören auch klar definierte Ziele und Bedin­gungen. Diese Ziele hat es zwar gegeben, aber sie wurden in einer Art und Weise defi­niert, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann, denn wenn Ziele so gesetzt werden, dass sie eigentlich schon mit der bloßen Anwesenheit eines Mitarbeiters oder eines Direktors in diesem Fall erreicht werden können, dann kann das nicht der Sinn der Bonifikation sein.

In einer Zeit, in der der ORF Marktanteile verliert – kein Wunder, bei diesem Pro­gramm! –, müsste er eigentlich hergehen und sagen: Wenn ich schon in meinen Er­gebnissen schrumpfe, dann müssen die Einstiegsgehälter oder die Managergehälter sinken! – Bonifikationen kann es nach wie vor geben, das ist nicht das große Problem.

Der Rechnungshof hat auf sechs Seiten 57 Verbesserungsvorschläge gebracht. Was wir an Antworten bekommen haben, war nichts. Wir werden sehr genau verfolgen, ob in Zukunft beim ORF etwas passiert, wir werden das in Form von Anfragen abrufen.


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Aber ich denke, dass auch noch etwas ganz anderes im Rechnungshofgesetz nieder­geschrieben werden müsste, nämlich so ähnlich, wie es in Deutschland der Fall ist, dass es einen Zwang oder eine Notwendigkeit gibt, auch Handlungen zu setzen. Bei uns gibt es nur Empfehlungen und keine Sanktionen, wenn etwas nicht umgesetzt wird. Das soll nicht der Sinn des Rechnungshofes sein, das soll nicht der Sinn von Prü­fungen sein! Hier müsste man überlegen, verpflichtend etwas vorzusehen. Ich denke, wir sollten das noch diskutieren. (Beifall bei der FPÖ.)

22.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


22.21.21

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Kollege Zanger hat den Rechnungshofbericht mit dem Tunnelblick gelesen. Er hat nicht darauf verwiesen, dass der Zeitraum 2004 bis 2007 vom Rechnungshof untersucht wurde – das letzte Mal vor­her ist der ORF 1995 untersucht worden –, dass der ORF ein erfolgreiches Medienun­ternehmen ist, obwohl sich die Anzahl der Konkurrenzsender in diesem Zeitraum ver­doppelt hat – das ist dem Kollegen Zanger anscheinend auch entgangen.

Weiters ist ihm entgangen, dass die Belegschaft gestern mit der Generaldirektion – al­so Arbeitgebervertreter und ArbeitnehmerInnenvertreter, Betriebsräte – mit Heulen und Zähneknirschen einem Einsparungspotential von 22 Millionen € zugestimmt hat, dass es in den kommenden Jahren eine Nulllohnrunde gibt, dass es für die Manager keine Boni gibt, dass es keine Valorisierung gibt, dass sich der ORF sehr anstrengt, die wirt­schaftlichen Herausforderungen anzunehmen, und dass von den 57 Empfehlungen, die vom Rechnungshof aufgelistet worden sind, bereits 45 in Umsetzung, in Bearbei­tung und in Entwicklung sind. Ich denke, man kann natürlich davor die Augen ver­schließen, aber ich finde es sehr schade, wenn man mit einem Tunnelblick durchs Le­ben geht, weil man dann den restlichen Teil der Welt vergisst.

Weiters hat der ORF auch keine risikoreichen Veranlagungen vorgenommen, das heißt, er ist in die Finanzkrise sozusagen nicht wie andere österreichische Unterneh­mungen hineingefallen, sondern konnte hier das Ergebnis halten.

Im Endeffekt zeigt der Bericht des Rechnungshofes sehr viele Vorschläge, Maßnah­men, die im Unternehmen auch umgesetzt werden, damit dieses Medienflaggschiff des ORF auch weiterhin einen guten Kurs hält. Die Diskussion über das Programm, was einem gefällt oder nicht gefällt, ist eine Diskussion, die man sehr lange und ewig führen kann, aber ich glaube nicht, dass wir als politische Vertreterinnen und Vertreter dazu unser Urteil abgeben können, denn mir gefällt sicher ganz etwas anderes als Ihnen, Herr Kollege Zanger. (Abg. Zanger: Gott sei Dank!) Und ich denke, die Vielfalt und die Bandbreite, die im ORF gegeben sind, zeigen, dass er einen guten Kurs hält. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Gradauer zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 


22.23.57

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin Lapp, wir können natürlich nur über den Rechnungshofbericht, wie er hier vorliegt, reden, weil im Ausschuss leider keine Zeit gewesen ist, den jetzigen wirtschaftlichen Zustand des ORF wirklich zu er­fahren. (Abg. Prähauser: Der Bericht ist 2004 bis 2007!) Es war nicht möglich, die Fra-


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gen beantwortet zu bekommen (Abg. Zanger: Ein Schummel-Ausschuss war das!), und deshalb bleibt nichts anderes übrig, als diesen Bericht hier abzuhandeln. Und es geht ja in Wirklichkeit um ganz etwas anderes.

Wenn man sich in der Betriebswirtschaft und in der Betriebsführung ein bisschen aus­kennt, dann erkennt man, dass in diesem Bericht Gravierendes drinnensteht, nämlich Niederschmetterndes! Jeder Insider, der Bescheid weiß, was hier läuft, muss sagen, es brennt ganz gewaltig der Hut, und die Weichen – wie der Bericht es ausdrückt – stehen auf Crash. Ich habe im Ausschuss schon gesagt, dass sich hier der Vergleich mit der AUA anbietet. Herr Kollege Prähauser hat darauf gesagt: AUA, das ist überhaupt kein Vergleich, denn der ORF hat ja ein Grundkapital von 300 Millionen €! – Nun, wenn man weiß, dass der ORF im letzten Berichtsjahr 130 Millionen € Verlust gemacht hat, weiß man, dass dieses Grundkapital schnell weg ist und die Liquidität gefährdet ist.

Bei all diesen Entwicklungen schauen, wie auch bei der AUA, die ÖVP und die SPÖ zu. (Abg. Dr. Königshofer: Tatenlos!) Das ist das Schlimme, denn es droht auch dem ORF die Pleite, meine Damen und Herren. Wenn das so weitergeht, schlittert auch der ORF in die Pleite! Und was ist dann? – Der Steuerzahler muss natürlich dafür wieder geradestehen. Und wir erinnern uns: Bei der AUA waren es nicht nur die Kredithilfen, die gegeben wurden, sondern 500 Millionen € musste der Steuerzahler an Mitgift be­zahlen, damit die AUA an die Lufthansa verschenkt werden konnte!

Kollege Zanger hat es schon gesagt: Die staatsnahen Betriebe sind aus unserer Sicht Selbstbedienungsläden für Teile der Mitarbeiter – mithilfe der Gewerkschaft – und auch der Vorstände geworden. Ich erinnere an die großzügigen Abfertigungen, die bei den ÖBB an Herrn Huber geflossen sind, bei der AUA an Herrn Ötsch – und ich denke, wenn Herr Wrabetz so weit ist, wird es auch dort sehr satte Abfertigungen geben. Die­se Missstände werden von Rot und Schwarz geduldet, und der Steuerzahler ist immer der Dumme.

Ich möchte Ihnen Vergleichszahlen zum Bayerischen Rundfunk, die ich ebenfalls vom Rechnungshof bekommen habe, zur Kenntnis bringen: Der Bayerische Rundfunk be­schäftigt 4 661 Mitarbeiter und wendet für Personal 327 Millionen € auf. Der Österrei­chische Rundfunk beschäftigt 4 023 Mitarbeiter und wendet 374 Millionen € auf – also um 50 Millionen € mehr, bei 600 Personen Beschäftigten weniger. Es heißt, der Perso­nalaufwand, die Quote des Personalaufwands liegt beim Bayerischen Rundfunk bei 26,6 Prozent und beim Österreichischen Rundfunk bei 40 Prozent. Bei solchen Fakten ist es unmöglich, einen Betrieb wirtschaftlich zu führen. Das ist einfach so, und wenn hier nicht dringend, wirklich dringend die Weichen in die andere Richtung gestellt wer­den, werden wir bald das Problem haben, dass die Pleite droht. (Abg. Dr. Cap: Sie ver­schlafen alles!) Bitte? (Abg. Dr. Cap: Es hat ein 22-Millionen-€-Sparpaket gegeben, das der Zentralbetriebsrat beschlossen hat! Wieso erwähnen Sie das nicht?)

Das war jetzt kürzlich, nicht wahr? Das ist heute in der Zeitung gestanden, ja. Das ist leider im Ausschuss nicht besprochen worden. Das hätte uns noch viel mehr interes­siert. Aber ich denke, wir werden hier noch öfter über den Rundfunk reden, weil dieses Problem sowieso auf uns zukommt. Diese einzelne Maßnahme, die Sie erwähnen, Herr Cap, ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. (Abg. Bucher zu Abg. Dr. Cap: Mit 22 Millionen werden wir den ORF nicht ..., Herr Kollege! 50 Millionen schießen wir heuer zu!) Da geht es ja um wesentlich mehr! Ich erinnere daran, dass es keine Ge­samtstrategie gibt, dass es keine Marketingstrategie gibt, dass keine Harmonisierung zum ASVG-Pensionssystem besteht und es viele, viele andere Hinweise darauf gibt, dass dieser Betrieb marode ist. Das muss man einfach wissen, wenn man sich in der Betriebsführung auskennt. Es ist einfach so! Das sind Hinweise, die darauf deuten, dass der ORF madig ist. Es ist leider so.


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Auf der anderen Seite gibt es neben diesen Missständen im ORF verärgerte Kunden, es gibt ein schlechtes Programm, es gibt Gebührenzahler, die überhaupt nicht zufrie­den sind mit dem, was der ORF ihnen bietet. Der ORF ist aus meiner Sicht eine gewal­tige Großbaustelle, und es fragt sich, ob dieser Bau jemals fertig gestellt werden kann oder ob tatsächlich eine Pleite auf uns zukommt, wie bei der AUA – und ich glaube, dass auch die ÖBB als Pleitebetrieb auf uns zukommen.

Es sind einerseits die Gewerkschaften dafür verantwortlich, dass hier Betriebe kaputt­gemacht werden, aber auch unfähige Manager sind es, die verantwortlich sind (Abg. Silhavy: Sie leben in einer verkehrten Welt!), gedeckt und verschuldet von Rot und Schwarz! (Beifall bei der FPÖ.)

22.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Gahr zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


22.30.28

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Meine Vorredner haben ja schon einiges wiedergegeben. In diesem Rechnungshofbericht geht es um die Jahre 2004
bis 2007, die der Rechnungshof hier betrachtet hat, und wir schreiben jetzt das Jahr 2009. Ich glaube, ob des Umfeldes und dieser Aussagen des Rechnungshofes, ob der wirt­schaftlichen Situation – wir leben ja in einer Zeit, in der im Banken- und im Wirtschafts­bereich eine gewisse Stimmung und eine gewisse Situation vorherrscht, die nicht un­bedingt erfreulich ist, und ich glaube, das betrifft auch irgendwo den ORF – ist es ganz, ganz wichtig, dass wir die Empfehlungen des Rechnungshofes ernst nehmen.

Ich bräuchte eigentlich nichts anderes zu sagen als: Sparen, sparen, sparen und refor­mieren! Ich glaube, da gibt es schon einige Hausaufgaben, die zu machen sind. Ich bin durchaus froh – es wurde im Ausschuss ja diskutiert –, dass der Generaldirektor hier konkrete Schritte verlautbart und angekündigt hat. Ich meine, das brauchen wir, um auch in Zukunft einen starken und unabhängigen ORF zu haben, der seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht wird. Ich glaube, auch die Situation auf dem Markt, der Wettbewerb, gerade auch mit privaten Anbietern, bringt es mit sich, dass wir hier gefor­dert sind.

Was hat der Rechnungshof insgesamt aufgezeigt? – Er hat aufgezeigt, dass es längst überfällige Strukturreformen braucht, um im Wettbewerb bestehen zu können. Es braucht eine Gesamtstrategie, es braucht längst ein zeitgemäßes Unternehmenskonzept und natürlich auch eine Neupositionierung, weil sich ja viel im Umfeld verändert hat. Daher muss man das auf diese Zeit, auf dieses Umfeld, auf die Anforderungen und auch auf das wirtschaftliche Umfeld ausrichten.

Was auch wichtig ist – wir vertreten ja auch den Steuerzahler –, ist, dass man mit den Einnahmen aus den Fernsehgebühren und mit den Werbegeldern ordentlich wirtschaf­tet. Ich glaube, hier gibt es durchaus Hausaufgaben.

Im Bereich des Personals hat ja Generaldirektor Wrabetz eine Einsparung von 12 Pro­zent, also 440 Personen, angekündigt. Das ist ja durchaus nicht erfreulich, wenn man Personal abbauen muss. Jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, ist einer zu viel. Trotz­dem glaube ich, dass man insgesamt hier den Hebel ansetzen muss. Er hat uns auch zugesagt, dass die Führungskräfte um 25 Prozent reduziert werden, aber auch, dass man hier den Weg der Verhandlungen suchen wird. Auch was die Verträge betrifft: Es sind zirka ein Fünftel der Verträge, Herr Präsident des Rechnungshofes, wo es wirklich Privilegien gibt, die heute nicht mehr zeitgemäß sind und die auch nicht verantwortbar sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 243

Generaldirektor Wrabetz hat uns auch zugesagt, dass von acht Hauptabteilungen auf vier reduziert wird. Und auch im Bereich der Technik muss optimiert und verbessert werden.

Einen Satz des Rechnungshofpräsidenten habe ich mir gut gemerkt, er betrifft das Thema Stiftungsrat. Hiezu hat Herr Präsident Moser sehr scharf formulierend gesagt, der Stiftungsrat war nicht in der Lage, die Kontrollfunktion wahrzunehmen. – Ja, was liegt denn da im Argen? Wir brauchen hier ein Gremium, das fachlich kompetent und schlagkräftig die Aufsichtsratsfunktion erfüllt! Hier gibt es riesige Probleme. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Danke, Herr Präsident, dass Sie das so offen im Ausschuss angesprochen haben.

Es gibt insgesamt viele Empfehlungen – Kollegin Lapp hat es gesagt –, es gibt aber auch Beschlüsse, die einfach zu langsam umgesetzt werden.

Was ist insgesamt das Ziel dieser Prüfung? – Nicht, den ORF öffentlich schlechtzuma­chen. Das ist eine österreichische Marke, und ich weigere mich, ihn öffentlich immer schlechtzureden. Wir brauchen einen ORF, der in seiner Einheit erhalten bleibt und dessen Existenz langfristig gesichert wird, einen ORF, der gut und gezielt positioniert ist, der effizient und sparsam wirtschaftet und wo es zufriedene Kunden und gute Ge­schäfte gibt!

In diesem Sinne wünsche ich und fordere ich das Management auf, den eingeschlage­nen Weg, den uns der Generaldirektor im Ausschuss mitgeteilt hat, fortzusetzen. Mir ist ganz wichtig, dass der ORF möglichst schnell aus den negativen Schlagzeilen kommt (Abg. Neubauer: Wie soll denn das gehen? Wie geht denn das?), weil jede Krise, so glaube ich, einem Unternehmen schadet. Und was ich mir abschließend auch noch wünsche: ein besseres Zusammenspiel zwischen Management, Stiftungsrat, aber auch Politik, weil wir hier ja auch Rahmenbedingungen schaffen.

Aus meiner Sicht gilt: Der ORF muss die Zeichen der Zeit erkennen, denn nur ein star­ker ORF kann dem Land und den Menschen dienen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hai­der mit einer gewünschten Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


22.35.07

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsi­dent des Rechnungshofes! Hohes Haus! Nein, Herr Kollege Gahr, es bringt nichts, den ORF so lange schönzureden, bis er wirklich kaputt ist! Das bringt nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hatten am Donnerstag eineinhalb Stunden Zeit, um 57 Punkte, die der Rechnungs­hof beim ORF moniert hat, durchzubesprechen. Von diesen eineinhalb Stunden ist den Abgeordneten gerade einmal eine halbe Stunde zur Verfügung gestanden (Abg. Mag. Lapp: Das stimmt ja nicht!), denn eine Stunde haben der Staatssekretär Lopatka, der anwesend war, und der ORF-General Wrabetz verblubbert. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat die Sondersitzung einberufen am Donnerstag?) Sie haben eine ganze Stunde von diesen eineinhalb Stunden mit nichts verblubbert! Herr Wrabetz hat über eine halbe Stunde gebraucht, um uns zu erklären, dass ohnedies alles, was in diesem Rech­nungshofbericht steht, jetzt Rubbish ist und uninteressant ist, weil ja jetzt sowieso schon alles anders ist, weil er jetzt 25 Prozent der Führungspositionen und 12 Prozent der Mitarbeiter eingespart hat, und 22 Prozent der vertraglich vereinbarten Einkommen wurden auch reduziert – und jetzt ist alles wieder in Ordnung im ORF.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 244

Als Herr Kollege Strutz vom BZÖ vorgeschlagen hat, dass wir zumindest einmal die wichtigsten dieser 57 Punkte durchgehen, da ist die Vertagung natürlich gleich abge­lehnt worden. So schaut es da aus!

Frau Kollegin Lapp, Sie waren doch auch in dieser Ausschusssitzung! Warum haben Sie da offensichtlich einen ganz anderen Eindruck als Kollege Strutz und ich, die dort waren, und die Kollegen Gradauer und Zanger? (Abg. Mag. Lapp: ... eine konkrete Frage?)

Frau Kollegin, dem ORF fehlt nach wie vor eine Gesamtstrategie. Ich zitiere nur das Wichtigste aus diesen 57 Punkten:

„In einigen Medienbereichen des ORF waren die Produktionsabläufe in den Redaktio­nen und Programmabteilungen wenig aufeinander abgestimmt.“

Das ist ja diese feine Sprache des Rechnungshofes. Doppelgleisigkeiten, doppelt und dreifach sind Leute für die gleiche Arbeit bezahlt worden, völlig unnötigerweise! So schaut es aus! Als der Rechnungshof das moniert hat, ist dem Ganzen die Krone auf­gesetzt worden, und es sind noch zusätzlich stellvertretende Chefredakteure, eigene Sendeverantwortliche und noch fünf Ressortverantwortliche dazubestellt worden.

Ich korrigiere jetzt meinen Fraktionskollegen Zanger: Nein, es sind nicht knapp 60 000 € Durchschnittseinkommen. In der Technik sind es nämlich 100 000 € Durchschnittsein­kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren Nationalratsabgeordneten! Schauen Sie sich einmal an, was Sie im Jahr haben! Das sind im ORF die Durchschnittsein­kommen!

Da es ein ganz besonderes Zuckerl ist: 2004 wurde ja von der Generaldirektorin ein Beratungsunternehmen beauftragt, eine Gesamtkostenanalyse durchzuführen. Da ist herausgekommen, es gibt 27 Millionen € Sparpotential. Ein Lenkungsausschuss, dem sie selbst auch vorgestanden ist, hat dann beschlossen: Na ja, wir realisieren 22,6 Mil­lionen € an Reduzierung. Daraus sind dann ohne Beschluss, sang- und klanglos, 16,6 Millionen € geworden. Das Ganze ist über den Tisch eines Herrn gegangen, der damals Finanzchef im ORF war. (Abg. Dr. Königshofer: Der Wrabetz!) – So ist es. Und der ist jetzt der Generaldirektor.

Damit sind wir auch schon bei diesen Managern im ORF. 2002 hat die Frau General­direktorin dem Stiftungsrat einen drei Seiten – drei Seiten! – umfassenden Vorschlag zur Einführung eines ORF-Qualitätssicherungsprogramms – die Ironie will ich jetzt gar nicht kommentieren – vorgelegt. Das Ganze basiert auf einem ohnehin schon seit meh­reren Jahren im ORF bestehenden Qualitätsmonitoring, und das ist eben auf das ge­samte Programmangebot ausgeweitet worden. Dafür haben die Dame und Herren Ma­nager 63 600 € kassiert – in echtem Geld: 900 000 Schilling. So schaut es nämlich aus!

So geht es aber auch weiter: Ab 2003 haben sie es dann geschickter gemacht. Da ha­ben sie einen Gutachter feststellen lassen, dass diese Qualitätskriterien erfüllt worden sind. Das Gutachten hat zwischen 225 000 € und 279 000 € gekostet. Und dafür haben sie wieder 63 600 € ausbezahlt bekommen. Und weil zusätzlich noch alle anderen Kri­terien erfüllt worden sind, haben sie zusätzlich noch 254 000 € Boni kassiert – in die­sem ORF!

Und der Mann, der das finanziell zu verantworten hat, steht diesem Unternehmen jetzt vor, Franz Hörl! Und das habt ihr zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ.)

22.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Strutz. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 245

22.40.21

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich möchte mich vorweg stellvertretend bei Ih­nen, Herr Dr. Moser, und Ihren Mitarbeitern recht herzlich für die Arbeit bedanken, die Sie im Zuge der ORF-Überprüfung geleistet haben, denn dieser Bericht des Rech­nungshofes ist substantiell wirklich notwendig, um Reformen voranzutreiben. Wie mit diesem Band und diesen Vorschlägen des Rechnungshofes umgegangen wird, lässt allerdings Schlimmes erahnen.

Sie selbst haben in diesem Bericht ja kritisiert, dass der ORF im Prüfungszeitraum eigentlich massenhaft an Gutachten bei externen Beratern in Auftrag gegeben hat, aber dass dann die Empfehlungen nur unzureichend umgesetzt worden sind. Bei­spielsweise ist eine Studie von McKinsey, die fast 600 000 € gekostet hat, in die Schub­lade gelegt worden. Ein ähnliches Schicksal erleidet jetzt auch dieser Rechnungshof­bericht.

Es ist keineswegs so, wie das die Kollegin von der SPÖ gesagt hat, dass es 57 ganz konkrete Kritikpunkte des Rechnungshofes gegeben habe und 45 Empfehlungen sozu­sagen in Umsetzung seien. Da frage ich Sie nur: Welche dieser Punkte sind in Umset­zung? Ich nenne Ihnen jetzt ein paar. Der Rechnungshof schlägt vor, ein strategisches Marketingkonzept sollte erarbeitet und der Marketingbereich neu organisiert werden. – Es gibt keinen neu organisierten Marketingbereich! Es gibt kein strategisches Marke­tingkonzept!

Nächster Punkt: Die operative Umsetzung der Marketingaktivitäten sowie der Verkauf der Werbezeiten für alle Medienbereiche sollte von einem Tochterunternehmen wahr­genommen werden. – Da gibt es nicht einmal strategische Überlegungen, das zu tun.

Alle Personalaufgaben sollten in einer Organisationseinheit zusammengefasst wer­den. – Nichts ist geschehen!

Zur Straffung der Organisation des ORF sollte die Direktion für Online und Neue Me­dien aufgelöst werden. – Nichts ist geschehen!

Zu den tiefer greifenden Reformen komme ich gar nicht. Die Anzahl der Direktoren ist zu reduzieren. – Nichts ist geschehen!

Die Anzahl der Hauptabteilungen und sonstigen Organisationseinheiten sollte verrin­gert werden. – Nichts ist geschehen!

Beteiligungskonzepte. – Nichts ist geschehen!

Tochterunternehmen, Marktpositionierung, Aufgabenerfüllung hinterfragen. – Nichts ist geschehen!

Und so könnten wir all diese 57 Punkte, die wir im Übrigen im Rechnungshofausschuss mit dem Herrn Generaldirektor Wrabetz besprechen wollten, durchgehen. Es heißt ein­fach, es ist ohnedies alles schon in bester Ordnung, wie das SPÖ und ÖVP hier glau­ben machen wollten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Eines noch zur Einigung der Gewerkschaft mit der ORF-Führung. Was ist denn dieser große Wurf, das Einsparungspotential, das plötzlich lukriert wird? – Aussetzung der Gehaltsrunde für das Jahr 2010? Einstellung der Jubiläumsgelder? Abschaffung des Karfreitags als ORF-Feiertag? – Na wumm, das ist ein tolles ORF-Konzept!

Zugleich rühmt sich die Gewerkschaft, rühmt sich der ORF-Zentralbetriebsrat, er habe sich durchgesetzt, er habe erreicht, dass der ORF 2010 auf betriebsbedingte Kündi­gungen verzichtet, dass bis zum nächsten Jahr keine weiteren Verhandlungen mehr stattfinden dürfen und es auch keine weiteren Verschlechterungen geben wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 246

Wissen Sie, was das heißt? – Ein Jahr weitere Blockade aller Reformen im ORF! (Bei­fall beim BZÖ.) Das ist das tolle Erfolgskonzept, das der Generaldirektor mit der Ge­werkschaft umgesetzt hat. In Wirklichkeit ist er vor dem roten Zentralbetriebsrat einmal mehr in die Knie gegangen. Gratuliere, dass man das auch als Einigung verkaufen kann!

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben hier einen Rechnungshofbericht, der so wie alle anderen Empfehlungen in Wirklichkeit schubladisiert werden wird und wo man einfach keine Konsequenzen zieht.

Vor der Sommerpause hat der zuständige Staatssekretär angekündigt, es werde ein neues ORF-Gesetz geben. Bis heute hören wir von diesem ORF-Gesetz noch nichts, und ich sage Ihnen auch, warum – weil es einen politischen Streit zwischen SPÖ und ÖVP gibt. Die ÖVP ärgert die SPÖ beim ORF-Gesetz, dafür ärgert die SPÖ die ÖVP in der Frage EU-Kommissar. Das war in Wirklichkeit der politische Deal dieser Koalition: Ihr kriegt den ORF, dafür kriegen wir die EU-Kompetenzen. Jetzt streitet man sich, jetzt gerät man einander in die Haare. Leidtragende sind der ORF und vor allem die Fern­sehzuseher, die die Zeche zahlen müssen. (Beifall beim BZÖ.)

22.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Brosz gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten. – Bitte.

 


22.45.41

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Rechnungshofpräsident! Ich kann ja versuchen, die Debatte vielleicht ein bisschen weniger emotional zu führen, weil es Dinge gibt, die im ORF mit Sicherheit verändert werden müssen, Dinge gibt, die einfach aufgrund der internationalen Entwicklungen im Medienbereich den ORF auch treffen, und, wie ich meine, auch Dinge gibt, wo gewisse Reformen eingeleitet worden sind.

Gehen wir einmal den ersten Bereich an, wo Entwicklungen überschwappen. Wenn man sich beispielsweise die Entwicklung der Werbeeinnahmen anschaut, dann kann man möglicherweise schon sagen: In dem einen oder anderen Bereich hätte der ORF vielleicht besser reagieren können. Aber dass die deutschen Werbe  (Abg. Kopf: Das Problem haben alle!) Das Problem haben alle, ist jetzt ein guter Zwischenruf, weil die Werbefenster vermutlich den ORF doch anders treffen als die österreichischen Printmedien oder das Radio. Kollege Kopf, darüber brauchen wir nicht wirklich ernst­haft zu reden. (Abg. Kopf: Alle Fernsehsender europaweit haben das Problem mit der Werbung!)

Nein, das stimmt in der Form nicht ganz. Es gibt die Sondersituation eines sehr großen gleichsprachigen Nachbarlandes, wo natürlich ORF-Sendungen eine völlig andere Konkurrenz haben als anderssprachige Sendungen. Es wäre skurril, wenn man das nicht ernst nähme. (Abg. Kopf: Das ist ein alter Hut!) Ja, ich weiß, das ist ein alter Hut. Deswegen hat die ÖVP die ORF-Politik immer so gemacht, wie sie es gemacht hat.

Ich versuche hier eine Diskussion zu führen, wo man sagt: Okay, es gibt Entwicklun­gen, die bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich schwer umkehrbar sind. Wenn man sich die Werbeeinnahmen und die Kurve der Werbeeinnahmen in den letzten zehn Jahren anschaut, dann kann niemand sagen, dass man jetzt erwarten kann, dass auf einmal, Perspektive fünf Jahre, der ORF wieder 70 Prozent der Einnahmen aus dem Werbebereich haben wird, während auf der anderen Seite die Privaten das nicht mehr haben werden. Diese Entwicklung ist bis zu einem gewissen Grad vorgegeben.

Es gibt Altlasten. Das sollte man vielleicht auch einmal realistischerweise betrachten, beispielsweise Gehaltsschema. Das ist schon im Ausschuss erwähnt worden. Wenn man sich das neue Gehaltsschema anschaut, dann kann ja niemand sagen, dass nicht schon Schritte gesetzt worden sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 247

15 Gehälter vorher laufend – abgeschafft worden. Jetzt gibt es 14. Zur Frage der Hö­hen und des Unterschieds zwischen Ein- und Ausstiegsgehältern sind Schritte gesetzt worden. Da sollte man sich im Übrigen dann auch vonseiten der ÖVP selbst ein biss­chen an der Nase nehmen, denn ganz unbeteiligt waren ja die politischen Verhältnisse an der Entwicklung auch nicht. Wenn man so tue, als hätte man damit nichts zu tun, ist das wohl nicht ganz glaubwürdig.

Natürlich muss man sagen, Gehaltsschemata, wo wir Durchschnittskosten – im Übri­gen sind das keine Bruttogehälter, das ist wieder einmal ein Unterschied, aber so ge­nau braucht man es ja nicht zu nehmen – von annähernd 100 000 € pro Person haben, zeigen, dass das Unternehmen eine gewisse Problemlage hat, weil das im Marktbe­reich wahrscheinlich kaum leistbar sein wird. Das kann man relativ locker nehmen. Wenn zum Beispiel im Bereich des Fernsehproduktionspersonals 50 Prozent einspar­bar wären, wenn es nicht vom ORF direkt betrieben, sondern ausgelagert würde, dann zeigt das ja, dass die Marktsituation offenbar etwas anderes ist als das, was das Ge­haltsschema des ORF mit sich bringt.

Jetzt ist nur die Frage: Wie schnell kann man darauf reagieren? Wir kennen auch die Verträge, die dort sind. Wie kommen wir aus den Verträgen raus? Es ist schwierig, dem ORF zu sagen, ihr könnt die Verträge locker kündigen, die zum Teil ja noch skurri­le Bedingungen hatten. Die 25 Abfertigungen, die es für das Direktorium bis zur vori­gen Periode, wie ich meine, gegeben hat, sprechen ja auch Bände, im Übrigen selbst für Personen, die neu ins Direktorium eingestiegen sind und das nicht für ein Lebens­zeitwerk im ORF bekommen haben, sondern für eine Direktoriumszeit. Also da zeigt sich schon, dass noch, ich würde sagen, bis vor relativ kurzer Zeit dort sehr fahrlässig mit finanziellen Ressourcen umgegangen worden ist. Sofern ich es richtig lese, dann gibt es zumindest auf diesem Gebiet deutliche Verbesserungen, sagen wir es einmal so.

Ja, Altlasten, soweit die aufzuarbeiten sind. Ich möchte auf den Bereich der Gebühren­befreiungen jetzt nicht eingehen, das haben wir schon des Öfteren gemacht.

Mir sind noch zwei Dinge wichtig, die, glaube ich, eine gewisse Auseinandersetzung mit den Vorschlägen des Rechnungshofes mit sich bringen können. Zunächst zum Stif­tungsrat. Da sind nämlich zwei Aspekte drinnen, der eine Aspekt ist der der Verkleine­rung. Wenn man es genau liest, dann sieht man, dass drinsteht, weil die Kontrollfunk­tion zu wenig wahrgenommen worden ist. Das nur als Warnung oder als Hinweis an die Regierungsfraktionen. Ich würde das nicht so interpretieren, dass eine Verkleine­rung des ORF, wo dann herauskommt, dass Politik nur mehr Regierung bedeutet – so hatten wir die Diskussion schon – und die Opposition nicht mehr drinnen ist, zur Folge hat, dass auf einmal die Kontrollfunktion besser wird. So wie die Funktionen bestellt werden, wissen wir, dass es ja einen gewissen politischen Einfluss gibt. Und wenn der Aufsichtsrat dann so bestellt ist, dass der Teil, der für die Kontrolle da wäre, rausfliegt, wird dies nicht sonderlich dazu führen, dass die Kontrollaufgaben besser wahrgenom­men werden können.

Der zweite Punkt, der mir schon sehr wichtig ist, ist eine Empfehlung des Rechnungs­hofs, wo es um die redaktionelle Verschränkung geht, also die Idee, die verschiedenen Bereiche, den Online-Bereich, Radiobereich, Fernsehbereich, so weit zu verschränken, dass sie auch gemeinsame Leistungen liefern, sagen wir es einmal so. Jetzt haben wir im Ausschuss darüber diskutiert, dass das beim Wetter sicher unproblematisch sein wird, da gebe ich Ihnen auch recht. Wenn ich mir das im Bereich der Information an­schaue, dann glaube ich, dass es durchaus auch eine gute Entwicklung war, dass von einem System abgegangen worden ist, wo es eine zentrale Person gibt, die einen sehr großen Einfluss auf das hat, was in den verschiedenen Bereichen geschieht.

Ich glaube, dass momentan die Situation so ist, dass über Politik vielleicht manchmal auch zu negativ berichtet wird – das ist ein anderes Kapitel –, aber dass doch eine ge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 248

wisse Objektivität insofern eingekehrt ist, als man nicht sagen kann, es gibt eine Stoß­richtung, wo eine Partei geschont wird und die anderen nur drankommen. Da wäre ich schon dafür, dass die Diskussion so geführt wird, wie sie in der Medienwissenschaft geführt wird, dass nämlich eine gewisse Vielfalt und, sagen wir, auch ein gewisser Wettbewerb letztlich im ORF auf die Qualität Einfluss nehmen, wobei man sicher sa­gen kann, wo dieses Argument zutrifft und wo nicht.

Beim Wetter glaube ich auch, dass wahrscheinlich die Frage der Konkurrenz und unter­schiedliche Wettervorhersagen im Radio und Fernsehen die Qualität auch für die Bür­gerInnen nicht sonderlich heben würden, im Informationsbereich hat das durchaus an­dere Kriterien und Qualitäten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Amon.)

22.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Prähauser zu Wort. – Bitte.

 


22.51.49

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass der BUWOG-Rechnungshofbericht ähnliche Diskussionen hervorgebracht hätte wie jener über den ORF. Wenn man heute so locker darüber hinweggeht, dass im Einvernehmen mit dem Betriebsrat über 20 Millionen eingespart werden, dann vergisst man, dass man das bei der BUWOG an wenige Freunde als Provisionen ausgeschüttet hat. Ich möchte das nur angeregt haben, damit wir wissen, wovon wir reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte es aber für wichtig und begrüße die Arbeit des Rechnungshofes, wenn er auf­zeigt, wie man ein Unternehmen vielleicht besser führen kann, Vorschläge unterbreitet, Missstände aufzeigt, um sie abstellen zu helfen. Wir haben gesehen, 57 Empfehlun­gen, 45 sind bereits umgesetzt oder in Umsetzung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Strutz.)

Herr Kollege Strutz, zwölf sind offen, und bei fünf davon ist es so, dass der Rech­nungshof eine Sichtweise hat und der ORF eine andere. Ein Unternehmen, das für sich verantwortlich ist, darf auch eigene Ideen verwirklichen. Beim nächsten Bericht wird man sehen, ob sie zielführend und richtig gewesen sind.

Herr Kollege Gradauer, ich unterstelle Ihnen im Gegensatz zum Kollegen Haider und Kollegen Strutz, dass Sie es ehrlich meinen, wenn Sie den ORF hier zitieren, seine Probleme aufzeigen und Vorschläge mit einbringen wollen. Ich darf Ihnen aber trotz­dem sagen, im Vergleich mit der AUA hat der ORF einen großen Vorteil: Die Ge­schäftsführung wurde nicht von Grasser eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher, meine Damen und Herren, bin ich sehr optimistisch, dass es in der nächsten Zeit gelingen wird. Wir sollen ja nicht vergessen, der Berichtszeitraum 2004 bis 2007 ist schon etwas länger vorbei. Man hat auch versprochen, in Zukunft das wieder in kür­zeren Intervallen zu prüfen, damit man nicht im Nachhinein etwas diskutiert, was heute nicht mehr so zu regeln ist, und weil jene, die Verantwortung getragen haben, heute nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Nur zu sagen, dass Wrabetz für die Finanzen zuständig war, das ist ein bisschen wenig, wenn man weiß, wie die Struk­tur dort aussieht.

Meine Damen und Herren, wir wissen auch, der ORF hat im Vergleich zur AUA keine Schulden angehäuft. Natürlich muss man gemeinsam darauf achten, dass es auch nicht zu Schulden kommt. Aber die Politik schafft die Rahmenbedingungen für den ORF. Wir haben uns für ein duales System entschieden. Das hat damit zu tun, dass wir Private haben wollen, dazu stehe ich, und den Öffentlich-Rechtlichen.

Wir haben aber auch – und das sollten wir auch nicht vergessen – in der Vergangen­heit einen Zuwachs an Sendern bekommen, im Schnitt sind es 88 Fernsehkanäle ge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 249

genüber drei in der Urzeit, 20 in der mittleren Vergangenheit, und jetzt sind es schon über 100. Dass natürlich hier der Werbekuchen weniger Einnahmen für jeden bringen wird, ist keine Frage, zumal wir auch Sorge dafür tragen müssen, dass die Privaten nicht unter die Räder kommen. Wir können auf der einen Seite nicht für eine Medien­vielfalt sorgen und Private reinschicken, diese aber letztendlich dann vertrocknen lassen.

Ich glaube, dass auch wir den ORF unterstützen müssen in der Diskussion darüber, Sportveranstaltungen nicht um jeden Preis übertragen zu müssen. Natürlich wäre es schön, Red Bull Salzburg siegen zu sehen. Aber wenn der ORF heute bei der Verstei­gerung dieser Spiele zu tief in die Tasche greifen muss, dann muss man auch verzich­ten können, dann soll eben jemand anderer das Risiko auf sich nehmen. Auf der einen Seite den Unternehmen vorzuwerfen, zu viel Geld auszugeben, und auf der anderen Seite zu sagen, das und das findet nicht statt, ist natürlich auch ein bisschen zwiespäl­tig. Da sollten wir also wissen, was wir gemeinsam wollen.

Ich glaube, dass wir auch dem ORF nichts Gutes tun, wenn wir dauernd davon träu­men, er sollte doch einen Kanal abgeben, man sollte das vielleicht privatisieren, er braucht das in der Form ja nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Frau Kollegin Steibl, hö­ren Sie einfach zu oder gehen Sie fernsehen, dann wissen Sie, wovon ich rede! – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

22.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Schittenhelm gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


22.56.09

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Schöne am Bericht des Rechnungshofes ist, es sind Daten und Fakten. Und Faktum ist, dass dem ORF nach wie vor eine um­fassende Gesamtstrategie fehlt, und Tatsache ist, dass der ORF an einer ineffizienten Organisationsstruktur leidet, und Tatsache ist, dass ein nicht realisiertes Einsparungs­potenzial und viel zu hohe Personalkosten den ORF eigentlich zugrunde richten. (Bei­fall bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist Faktum!

Es fehlen dem ORF strategische Überlegungen, um Schnittstellenpotenziale zu nützen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele nennen: 17 Organisationseinheiten, meine Damen und Herren, und Tochterunternehmen ope­rieren ohne einheitliches Marketingkonzept. Allein sieben Organisationseinheiten sind mit demselben beschäftigt, nämlich mit den Personalagenden, sieben einzelne Einhei­ten! Genauso wurden für den Ein- und Verkauf sowie die Verwaltung von den Lizenz­rechten neben den dafür bereits vorhandenen zuständigen Programmabteilungen noch weitere sechs geschaffen, weitere sechs Organisationen und noch weitere drei Direk­tionen. Und die ORF Enterprise GmbH wurde ebenfalls ins Leben gerufen, um sich mit Ein- und Verkauf und Lizenzrechten zu beschäftigen. – Ein Konstrukt, das nicht vor­stellbar ist, ein Konstrukt, das nicht funktionieren kann, wenn man weiß, wie das in et­wa vor sich gehen könnte.

Abgesehen davon hat man auch die Hauptabteilung Information ebenfalls wiederum in zwei Abteilungen geteilt, warum, weiß man nicht, und wiederum hat dies dazu geführt, dass man weitere stellvertretende Chefredakteure gebraucht hat, Sendeverantwortli­che, weitere fünf Ressortverantwortliche. Auch da ein Explodieren der Personalkosten.

Es wurde sehr viel ausgelagert, auch das belegt der Rechnungshofbericht. Einzelpro­duktionen wurden ausgelagert, ohne die hauseigenen Ressourcen zu überprüfen, ob diese in der Lage gewesen wären, selbst zu produzieren. Ich nenne hier nur einen Be­reich: Die Sendung „Im Zentrum“ wurde ausgelagert und verursacht jährlich Mehrkos­ten von 570 000 €, meine Damen und Herren!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 250

Und wenn ich mir die Personalkosten anschaue – das wurde heute schon genannt –, dann möchte ich nur eines herausnehmen: Ich habe mir drei Persönlichkeiten dieser schönen großen Welt herausgenommen. Der Generaldirektor bekommt ein Jahressalär von 350 000 €. Was glauben Sie, was Herr Bundespräsident Heinz Fischer und was der amerikanische Präsident Barack Obama bekommen? Ich sage es Ihnen: Nummer eins ORF-Generaldirektor 350 000 €, der Bundespräsident der Republik Österreich 319 000 €, der amerikanische Präsident 308 000 €, 400 000 US-Dollar.

Geschätzte Damen und Herren, ich meine, dass wir hier die große Chance haben, auf­grund des Zustands des ORF einen neuen ORF zu machen, einen ORF, wie ihn sich die Bürgerinnen und Bürger verdient haben, vor allem jene, die Gebühren bezahlen. Der ORF ist in der Medienwelt anerkannt, und dass es so bleibt und sich noch ver­stärkt, daran müssen wir arbeiten. Aber Faktum ist auch, wir können die Augen nicht vor dem Zustand des ORF verschließen. Wir sind gefordert, und wir von der Volkspar­tei stehen zu diesem öffentlich-rechtlichen ORF und tun alles, was wir dazu beitragen können. (Beifall bei der ÖVP.)

22.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faul. Ich stelle die Uhr auf 2 Minuten. – Bitte.

 


23.00.01

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Eigentlich wollte ich mich heute bei der Erfolgsgeschichte, beim Kollegen Prähauser anhalten, aber diese Wortmeldung, lieber Karlheinz, von deinem Giebelkreuz-Ferdl heute Vormittag (Heiterkeit bei der FPÖ), die erste Wortmeldung, die über die „Tachinierer“, erlaubt mir doch, ein bisschen eine Verbindung herzustellen zwischen Raiffeisen, Rundfunk und Bahn. (Abg. Bucher: Pass auf, sonst stehst du wieder in der Zeitung!)

Frau Präsidentin, ich bin schon so gescheit, dass ich sicherlich heute nicht von Gau­nern und Betrügern rede, wenn ich die Erfolgsgeschichte der Frau Steinacker anspre­che. Du kannst dich noch erinnern, lieber Kollege Stadler, wie wir das im Ausschuss gehabt haben. Es geht um die Erfolgsgeschichte der Frau Steinacker von der mittleren Angestellten in der BIG hinauf zur dubiosen Freundin vom Herrn Huber und hinauf zur Generaldirektorin bei Raiffeisen mit 400 000 €. (Abg. Bucher: Was verdient denn der Kollege Haberzettl?)

Wie wir uns diese Immobiliengeschichten alle angeschaut haben, da haben wir es kra­chen gehört, da haben wir gesehen, wie Angebote nicht angenommen worden sind, wie Provisionen ausgezahlt worden sind, wie man versucht hat, die Bahn und das Ver­mögen der Österreicher und Österreicherinnen irgendwohin zu schaffen, in Kanäle, die wir heute nicht verstehen. (Abg. Bucher: Da seid ihr die Experten!) Es wurde unter­preisig verkauft, an Freunde verkauft, ohne Ausschreibung verkauft, ohne Anbieter ver­kauft, ohne Schätzwerte verkauft! (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Ja warum kriegt denn die Frau Steinacker den Superjob mit 400 000 €, Herr Raiffeisen-Direktor, der jetzt gerade nicht da ist?

Dieses Strickmuster von Raiffeisen ist klar. So wollte man es mit der Bahn machen, und so möchte man es auch mit dem ORF machen: madig machen, auseinanderreißen und aufkaufen wollen.

Nur eines wollen wir nicht, liebe Raiffeisen-Freunde – richtet es ihm aus! –: Wir wollen keinen ORF-Sender, so einen Seppel-Sender nach dem Vorbild von Niederösterreich! Ich glaube, wir brauchen die Freiheit und die Unabhängigkeit des ORF. Ich glaube, da werdet ihr doch alle dafür sein. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

23.02



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 251

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steindl. – Bitte.

 


23.02.19

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Lieber Kollege Faul, ich hoffe nicht, dass die Altlasten, hauptsächlich hervorgerufen durch die Gewerkschaft, dazu führen, dass auch der ORF von irgendeinem Großunternehmen, von irgendeinem Bankhaus, vielleicht sogar von Raiffeisen irgendwann einmal übernommen werden muss, weil wir zulassen, dass er eben aufgrund von Lohnzahlungen wirtschaftlich nicht mehr intakt ist.

Nun zum Rechnungshofbericht selbst. Dankenswerterweise hat der Rechnungshof sei­ne Ergebnisse sehr umfangreich in seinem Bericht ausgeführt und wiederum 57 Emp­fehlungen dargelegt. Leider sind seit 1995, seit dem letzten Rechnungshofbericht keine markanten oder wesentlichen Besserungen hier festzustellen.

Ich kann aufgrund der Kürze meiner Redezeit nur auf einige Empfehlungen eingehen. Weil heute schon gesagt wurde, dass Auslagerungen dort und da billiger wären – dazu habe ich mir auch ein Beispiel herausgesucht: Die Produktionskosten für die „Barbara Karlich-Show“ betragen jetzt nach der Auslagerung 3,9 Millionen €. Das ist auch nicht ganz günstig.

Insgesamt gibt es, glaube ich, auch in diesem Bereich sehr viele Unvereinbarkeiten, et­wa wenn ehemalige Mitarbeiter dann mit eigenen Firmen in ausgelagerten Bereichen anbieten. Also man müsste in dieser Sache wirklich viel genauer und differenter vor­gehen.

Es wurde heute schon mehrfach ausgeführt, dass es keine Businesspläne gibt, wenig Marketinginstrumente, die auch wenig effizient sind. Der ORF ist ja kein Monopolunter­nehmen mehr, er hat mittlerweile auch starke internationale Senderkonkurrenz bekom­men. Da tun dem Unternehmen die Altlasten, wie wir heute gehört haben, schon sehr weh.

Das Problem ist auch der im internationalen Vergleich hohe Lohnkostenfaktor. Wenn der ZDF, wie es heute schon ausgeführt wurde, 26 Prozent Lohnkostenanteil hat und der ORF über 40 Prozent, dann ist klar, dass er international nicht mehr erfolgreich sein kann. Dieses Unternehmen kann auf Dauer mit diesen hohen Lohnkosten von 100 000 € pro Mann und Jahr und 2 250 € Zulagen pro Mann und Monat wahrschein­lich nicht zurande kommen. Es ist schön, wenn man hier jetzt erste Schritte einleitet und dieses großzügige Privileg der Entlohnung endlich einmal an das Maß im interna­tionalen Wettbewerb angleicht.

Ansonsten wird es schon so sein, wie auch heute schon mehrmals von meinen Vorred­nern ausgeführt, dass auch der ORF ein ähnliches Schicksal erleidet wie beispielswei­se die AUA, wo die Gewerkschaften es nicht zugelassen haben, diese Lohnprivilegien, diese hohen Kosten abzubauen und zu beseitigen, wodurch die AUA international nicht mehr konkurrenzfähig war. Eine ähnliche Situation haben wir auch bei den ÖBB.

Ich bitte alle Beteiligten, darauf zu schauen, dass die österreichischen Betriebe auch weiterhin wettbewerbsfähig bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

23.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


23.06.09

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident Neugebauer! Herr Präsident Moser! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Bericht wurden sehr viele Punkte vom Rechnungshof aufgezeigt, und eine verantwortungsvolle Führung wird die-


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se Punkte auch aufgreifen und nutzen. Generalintendant Wrabetz hat ja das auch in sehr vorbildlicher Weise gezeigt. Ich möchte nur die in den letzten Jahren erzielten Ein­sparungspotentiale erwähnen, besonders bei Dienstverträgen im oberen Einkommens­segment, und auch Anstrengungen beim Zulagensystem, die natürlich weitergeführt werden müssen.

Meine KollegInnen Lapp und Prähauser haben ja schon sehr viele Punkte in diesem Bereich genannt; ich möchte nur noch erwähnen, wie wichtig so ein öffentlich-rechtli­cher Sender, eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist.

Der ORF hat 80 Prozent Marktanteil im Radio, 40 Prozent im Fernsehen und zählt da­mit sicher zu den führendsten Sendern in Europa. Mit 4 Millionen Usern verfügt er auch über das größte Internetportal Österreichs.

Vom Grundsatz her ist der ORF auf eine objektive Berichterstattung ausgerichtet und daher sehr, sehr wichtig als öffentlich-rechtliche Einrichtung. Das zeigt auch ein Blick
in das Fernsehprogramm von gestern Abend im Vergleich mit dem Angebot von rein kommerziellen Sendeanstalten.

Gestern am Abend bei RTL: 19.40 Uhr „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ – Serie; 20.15 Uhr „CSI: Miami“ – US-Serie; 21.15 Uhr „Dr. House“ – US-Serie; 22.15 Uhr „Monk“ – US-Serie; 23.10 Uhr „Law & Order“ – US-Serie und um 00.00 Uhr „Nacht­journal“.

Ebenso bei Pro7: 18.10 Uhr „Die Simpsons“ – US-Zeichentrickserie; 18.40 Uhr „Die Simpsons“; 19.10 Uhr „Galileo“ – Magazin; 20.15 Uhr „Die Simpsons“; 20.45 Uhr „Die Simpsons“; 21.15 Uhr „Two and a Half Men“ – US-Comedy-Serie; 21.45 Uhr „Two and a Half Men“; 22.15 Uhr „Granaten wie wir“ – Comedy-Show; 23.15 Uhr „TV total“ – Show und um 00.15 Uhr wieder „Two and a Half Men“.

Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

23.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


23.08.54

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Meine Damen und Herren! Wenn auch der Rechnungshofbericht zur Prüfung des ORF sehr kontroversiell diskutiert wird, denke ich, dass wir uns darüber einig sein können, dass es sich beim ORF um ein erfolgreiches österreichisches Unter­nehmen handelt, das von der Bevölkerung auch anerkannt ist. Denn: Marktanteile sind auch eine Frage der Akzeptanz – und die Marktanteile des ORF sind nach wie vor sehr herzeigbar.

Der Rechnungshof hat eine große Anzahl an Empfehlungen festgeschrieben. Wir wis­sen auch, dass eine Vielzahl davon bereits erledigt ist, und genau dieses rasche Re­agieren in der Erledigung zeigt, dass der ORF handlungsfähig ist – ja nicht nur hand­lungsfähig, auch handlungswillig ist.

Da viele der Anregungen bereits diskutiert wurden, möchte ich in der gebotenen Kürze nur eine grundsätzliche Überlegung anstellen. Bei all diesen Überprüfungen spielt die Einsparung eine sehr zentrale Rolle. Wenn wir Einsparungen diskutieren, dann gelan­gen wir meist sehr rasch dahin, wo es darum geht, Mitarbeiter freizusetzen. Demge­genüber stehen sehr umfassende Beteuerungen, dass die Mitarbeiter das wichtigste Kapital sind – was auch stimmt, weil letztlich die Mitarbeiter die Ergebnisse zu erarbei­ten haben.

Aber nicht nur das, auch ist die Summe aller Mitarbeiter, aller Beschäftigten für 60 Pro­zent der Staatseinnahmen verantwortlich. Die Zahl der Beschäftigten hat auch eine


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Funktion des sozialen Friedens. Daher ist es schon notwendig, einen möglichst hohen Beschäftigungsgrad aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist es jedenfalls notwendig, darüber nachzudenken, wie dieser Knoten aufzulö­sen ist: auf der einen Seite Sparen, vor allem bei den Mitarbeitern, und auf der anderen Seite der soziale Frieden. Vielleicht gibt es auch dazu Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

23.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


23.11.30

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf nun kurz zusammenfassen. Die Prüfung des ORF durch den Rechnungshof erfolgte insbesondere für die Geschäftsjahre 2004 bis 2007. Letztlich geht es uns um die langfristige Sicherung des ORF als öffentlich-rechtlichen Senders. Der ORF verfügt im Gegensatz zum oftmals gebrauchten Ver­gleich mit der AUA über Eigenkapital und hat eine Handlungswilligkeit gezeigt, indem bereits 45 der 57 Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt wurden.

Herr Präsident Moser! Übrigens: Jetzt im Nachhinein gesehen wäre die Umsetzung einer bestimmten Empfehlung für den ORF nicht sehr hilfreich gewesen. Ich denke hier an die Aktienbeteiligungen.

Abschließend danke ich der Belegschaft des ORF, dass sie das für 2010 bereits fixier­te Sparpaket in der Höhe von 50 Millionen € mittragen wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bemühen wir uns gemeinsam, die Zukunft des ORF langfristig abzusichern! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.13


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Sacher ist der nächste Redner. – Bitte.

 


23.13.03

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Hohes Haus! – Herr Kollege Dr. Strutz, auch ich war in dieser Sitzung des Rechnungshofausschusses, und ich habe diese Sitzung etwas anders in Erinnerung als Sie: Sie haben dort schon polemisiert, und Sie polemisieren hier im Plenum auch. Sie haben keine einzige kon­krete Frage an den dort anwesenden Generaldirektor gestellt. (Abg. Dr. Strutz: Das stimmt überhaupt nicht! Schauen Sie in das Protokoll hinein! So ein Blödsinn!) Sie ha­ben herumgeredet und polemisiert, Herr Kollege Strutz. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie zitieren hier in Ihrer Attacke auf die Personalvertreter und die Gewerkschaft Pres­seaussendungen – Sie lassen aber den ersten Absatz weg; Sie zitieren nur den zwei­ten Absatz. Der erste Absatz würde nämlich belegen, dass die Gewerkschaft und die Personalvertretung sehr hart mitgearbeitet haben und bereits für das kommende Jahr Einsparungen in zwei wesentlichen, elementaren Punkten zugestimmt haben, nämlich dem einmaligen Aussetzen der Gehaltsverhandlungen und großen Einschnitten bei den freien Dienstvereinbarungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, hier auf die Personalvertretung und die Gewerk­schaft polemisch loszugehen ist fehl am Platz! Zitieren Sie richtig, und attackieren Sie nicht die guten Mitarbeiter! (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Satz noch aus Sicht des Kulturinteressierten. Es wird auch das Thema Radio-Symphonieorchester angesprochen und angeregt, dass man in diesem Bereich einspa­ren soll.

Herr Präsident Dr. Moser, der Rundfunk hat ein Konzept vorgelegt, und zwar in Rich­tung Ausgliederung, aber das Radio-Symphonieorchester soll in jedem Fall erhalten


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 254

werden. Das ist ein kulturelles Anliegen des Musiklandes Österreich und auch im Sinne unseres Musiknachwuchses.

Ich kann hier ein gutes Beispiel anführen, das zeigt, dass das funktioniert. Einen ähnli­chen Vorgang hat es nämlich beim Tonkünstler-Orchester Niederösterreich gegeben, das vorher auch in der Budgethoheit des Landes gewesen ist und nunmehr als eigene GesmbH in der Kulturwirtschaft bestens, effizient organisiert ist. In diesem Sinne wird es auch beim Radio-Symphonieorchester eine Lösung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

23.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nun erteile ich dem Herrn Präsidenten des Rechnungs­hofes Dr. Moser das Wort. – Bitte.

 


23.15.26

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass der Rechnungshof im Jahr 2008 den ORF gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung einer Überprüfung unterzogen hat.

Ich möchte weiters darauf hinweisen, dass im Jahr 2006 das EGT – das ist das Er­gebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit – noch 9,55 Millionen € betragen hat, im Jahr 2007 3,65 Millionen €, und dass laut den Finanzvorschauen des ORF für die Jah­re 2008 bis 2010 das Konzern-EGT für das Jahr 2008 mit minus 36,5 Millionen, für 2009 mit minus 85,4 Millionen und für 2010 mit minus 127 Millionen prognostiziert worden ist.

Wenn Sie sich den Gebarungserfolg des Jahres 2008 anschauen, dann können Sie sehen: Es lag das Ergebnis nicht im Rahmen des prognostizierten Rahmens von 36,5 Millionen €, sondern bei 79,67 Millionen €. Dazu kommt noch ein Verlust an Marktanteilen von 2004 bis 2006 im Ausmaß von 7,2 Prozent und 2007 ein Marktan­teilsverlust von 9,4 Prozent. Generaldirektor Wrabetz hat zu Recht im Rechnungshof­ausschuss darauf hingewiesen, dass eine Vervielfachung der Konkurrenz eine der Ur­sachen ist.

Ziel der Prüfung war daher – das möchte ich ausdrücklich erwähnen –, zu überprüfen, inwieweit die strategische Ausrichtung und die Steuerung des Unternehmens den An­forderungen entsprechen. Wir haben daher sowohl die Organisation, das Personal als auch die Ausgliederung und die Technik einer eingehenden Überprüfung unterzogen.

Hauptaussage – und daran darf man nicht vorbeischauen – ist, dass trotz zunehmen­der Konkurrenz, des Verlusts von Marktanteilen und auch im Hinblick auf die wirt­schaftliche Entwicklung der ORF bis dato keine umfassende verbindliche Gesamtstra­tegie als Grundlage für eine zielgerichtete Unternehmensführung hat, obwohl selbst der Stiftungsrat vor einigen Jahren schon darauf hingewiesen hat, dass es nur durch eine Gesamtstrategie möglich ist, die Struktur festzulegen beziehungsweise auch die Perspektiven zu beurteilen.

Die Folgen dieser Entwicklung sind – das haben Sie heute im Rahmen der Debatte mehrmals erwähnt – eine unkoordinierte Entwicklung der einzelnen Unternehmenszie­le, Schnittstellenprobleme, keine klaren Verantwortlichkeiten und weitere Schwachstel­len. Eine wurde gerade angesprochen, das Radio-Symphonieorchester, aber auch die Kurzwelle und insbesondere auch die Technische Direktion.

Wir haben ein Problem im Bereich des Personals, wo es unterschiedliche Dienstrechte, unterschiedliche Entlohnungen, unterschiedliche Ansprüche gibt, insbesondere bei Biennalsprüngen oder bei Abfertigungen. Es werden Zahlungen geleistet, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, und es werden Mehrleistungen gezahlt, oh­ne dass dementsprechende Zeitaufzeichnungen geführt werden, obwohl das gesetzlich vorgesehen wäre.


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Im Bereich Technik, welcher der personell größte und wichtigste Teil in dem ganzen Bereich des ORF ist, ist der Mitarbeiterstand um 10 Prozent angestiegen. Wir haben aber gleichzeitig beim Arbeitszeit-Kollektivvertrag Sonderregelungen, die über die Re­gelungen anderer Mitarbeiter aus dem Kollektivvertrag hinausgehen und die zusätzlich durch den technischen Direktor ausgedehnt wurden, obwohl hierfür auch keine sachli­che Rechtfertigung vorliegt. Eine Sonderregelung, die zum einen zu Mehrkosten führt und zum anderen gleichzeitig auch den flexiblen Personaleinsatz, gerade im Bereich der Technik, massiv beeinträchtigt.

Diese Sonderregelung führt auch dazu, dass die Zusammenarbeit zwischen Pro­grammdienststellen und der Technik nicht ausreichend funktioniert und nicht zuletzt auch dazu – auch das wurde heute im Rahmen der Debatte erwähnt –, dass beispiels­weise die Eigenleistungen um bis zu 50 Prozent teurer sind als der Zukauf.

Erwähnen möchte ich auch noch, dass die Prüfung eindeutig belegt, dass eine nicht ausreichend zielgerichtete Unternehmensführung vorliegt, was einerseits darauf zu­rückzuführen ist, dass eben keine Gesamtstrategie vorliegt, von der sich die einzelnen Teilstrategien ableiten lassen, und darüber hinaus – auch das wurde heute ange­sprochen – die Steuerung bei weitem nicht ausreichend ist.

Der Stiftungsrat war im Laufe der einzelnen Jahre nicht immer ausreichend über den Gang der Geschäfte und über die Lage des Unternehmens informiert. Er machte auch nicht von ihm eingeräumten Informationsrechten ausreichend Gebrauch – gleichzeitig hat er auch Beharrlichkeit und Konsequenz vermissen lassen, die aber erforderlich ge­wesen wären.

Das heißt, es wäre notwendig – und das hat sich gezeigt –, dass im Unternehmen ORF auch tatsächlich gesteuert wird und die Überwachung auch ordentlich wahrgenommen wird.

Positiv in diesem Zusammenhang ist – auch das wurde heute im Rahmen der Debatte bereits erwähnt –, dass die Generaldirektion mittlerweile Schritte gesetzt hat in Blick­richtung einer effizienten Steuerung des Unternehmens.

Positiv ist auch, dass gerade in den letzten Tagen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt worden sind. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass generell anzumerken ist, dass für ausgabenseitige Maßnahmen bisher zumeist konkrete Vorschläge, Konzepte und insbesondere rechnerische Grundlagen gefehlt haben, um tatsächlich die Einspa­rungen überprüfen zu können.

Es wurde bereits erwähnt: Die deutlichen Prüfungsfeststellungen, belegt durch 57 Rech­nungshofempfehlungen, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und insbeson­dere auch die Marktanteilsentwicklung zeigen weiteren dringenden Handlungsbedarf auf. Aus Sicht des Rechnungshofes wäre umgehend eine Gesamtstrategie als Grund­lage für die zukünftige Positionierung des Unternehmensfeldes, insbesondere was das Spannungsfeld öffentlich-rechtlicher Auftrag versus Markt- und Quotenerfordernisse betrifft, festzulegen. Darüber hinaus wären auch die erforderlichen Restrukturierungs- und Einsparungsmaßnahmen konkret zu definieren, nachvollziehbare Grundlagen als Basis der Unternehmenskontrolle vorzulegen und schließlich die Realisierung der Po­tentiale auch zu kontrollieren beziehungsweise zu steuern und zu überwachen.

Das erfordert aber auch, dass die Verantwortlichkeiten klar festgelegt werden und da­rüber hinaus die nötigen Strukturen geschaffen werden, um das Unternehmen auch ausreichend steuern zu können. Nur dadurch wird es meines Erachtens möglich sein, den öffentlichen Auftrag tatsächlich optimal zu erfüllen und darüber hinaus die – und auch das wurde heute vom Abgeordneten Brosz angesprochen – uns allen wichtige Er­haltung der journalistischen Pluralität sicherzustellen und nicht zuletzt auch die Eigen­ständigkeit des ORF zu wahren.


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Was den Rechnungshof betrifft, kann ich Ihnen versichern, dass wir eine Follow-up-Prüfung durchführen werden und uns sehr genau vergewissern werden, ob die Emp­fehlungen umgesetzt worden sind, um auch Ihnen das Ergebnis vorzulegen. Ich kann Sie im Sinne des Unternehmens und im Sinne der Zuhörer und der Gebührenzahler nur darum ersuchen, tatsächlich den nötigen Nachdruck darauf zu legen, dass das Un­ternehmen ORF – wozu Sie auch die nötigen Grundlagen beziehungsweise Möglich­keiten haben – auch in Zukunft richtig und zielgerichtet gesteuert wird. – Ich danke Ih­nen. (Allgemeiner Beifall.)

23.22


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Dr. Strutz möchte einen Vorredner tatsächlich berichtigen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.22.16

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung, weil der Abgeordnete Sacher von der SPÖ hier die Unwahrheit gesagt hat. Er hat gesagt, er sei im Ausschuss anwesend gewesen und ich hätte keine Frage gestellt.

Das ist falsch! Ich habe konkret acht Fragen gestellt – das ist auch im Protokoll nach­zulesen –, und drei davon wurden von Generaldirektor Wrabetz auch beantwortet.

Ich habe konkret die Frage gestellt, ob ein strategisches Marketing-Konzept erarbeitet wurde und ein Marketing-Bereich neu organisiert wurde.

Ich habe die Frage gestellt, ob die Werbezeiten für den ORF in ...

 


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter, an sich ist die Gegenüberstellung bereits erledigt und die tatsächliche Berichtigung vorgenommen.

 


Abgeordneter Dr. Martin Strutz (BZÖ) (fortsetzend): Ich wollte das nur abklären, Herr Präsident! – Ich stelle fest, dass die SPÖ zu Unwahrheiten greifen muss, weil sie in der Sache keine Argumente hat. (Beifall beim BZÖ.)

23.23

23.23.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich darf Sie bitten, sich mit den Bestimmungen über eine tatsächliche Berichtigung vertraut zu machen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-24 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie, wenn Sie für die Kenntnisnahme eintreten, um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist angenommen.

23.24.0515. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (663/A)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Mi­nuten. – Bitte.

 


23.25.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Aufgrund der vorgeschrittenen Zeit, wie es meistens bei diesem Thema der Fall ist, möchte ich meine Ausführungen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 257

tatsächlich sehr kurz halten. Sie wissen, worum es geht. Wir haben schon etliche Male darüber diskutiert. Die Argumente, die Sie gebracht haben, warum Sie einer Erhöhung der Freibeträge nicht zustimmen wollten oder konnten, waren immer die gleichen und lauteten folgendermaßen: Wir wollen das im Zusammenhang mit einer Steuerreform diskutieren und erledigen!

Jetzt haben wir die Steuertarif-Reform hinter uns gebracht, das Problem der Betroffe­nen jedoch, die aufgrund des Opferfürsorgegesetzes einen Anspruch auf die Freibeträ­ge haben, ist dadurch aber nicht erledigt worden.

Konkret geht es darum, dass diese Freibeträge seit 1964 nicht angepasst worden sind. Es wäre daher eigentlich fast eine Verfünffachung, würde man das valorisieren, not­wendig. Wir schlagen, um die Ungerechtigkeiten zwischen den verschiedenen betroffe­nen Gruppen nicht groß zu machen – nämlich zwischen denen, die erst in den letzten Jahren Anspruch darauf gehabt haben, beziehungsweise denen, die schon vorher den Anspruch darauf einlösen konnten –, eine Verdoppelung vor. Die Kosten für den Staatshaushalt wären sehr gering – das wissen wir alle –, weil es nur mehr wenige gibt.

Ich glaube, es ist auch Ihnen klar, dass diese Gruppen für jedes kleine Zeichen, das sie von der Republik Österreich erhalten, dankbar sind und es auch als wichtig be­trachten. In diesem Sinne ist das ein Plädoyer für die Verdoppelung der Freibeträge, weil hier dem Anspruch einer Gruppe, über die wir heute auch schon gesprochen ha­ben, in einem sehr, sehr geringen Ausmaß, aber doch mit einem kleinen Zeichen Rechnung getragen werden könnte; einem Anspruch, den diese Gruppe aufgrund ihres Beitrages hat, den sie für die Befreiung Österreichs und für die Republik Österreich ge­leistet hat. (Beifall bei den Grünen.)

23.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


23.27.26

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Es geht hier um das Opferfürsorge­gesetz und den Antrag der Grünen hiezu. Das Gesetz regelt, wie wir wissen, Ansprü­che von Opfern des Kampfes für ein freies und demokratisches Österreich und gilt auch für deren Hinterbliebene.

Ich sage ganz offen: Ich habe Verständnis dafür, dass man hier jetzt endlich einmal versucht, einen Konsens über Anpassungen zu finden. Ob auch beim Finanzminister Verständnis dafür vorhanden ist, werden wir vielleicht von den nächsten Rednern er­fahren.

Ich meine aber auch, dass es wichtig ist, eine Gesamtbeurteilung dieses Themas vor­zunehmen. Es gibt auch weitere Leistungen für Opfer des Nationalsozialismus: Hilfs­fonds, Nationalfonds, einmalige Aushilfen, Steuerfreibeträge bei Behinderungen und vieles andere. All das ist im Laufe der Jahre geschaffen worden und sollte gemeinsam mit dieser – ich sage es noch einmal – sicher gerechtfertigten Anpassung diskutiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

23.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


23.28.33

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ho­hes Haus! Der Antrag des Herrn Kollegen Öllinger wird mit gleicher Regelmäßigkeit je­des Jahr gestellt; zuletzt am 11. März vorigen Jahres.

Das Gesetz stammt tatsächlich aus dem Jahr 1947, es wurde in der Zwischenzeit mehr als fünfzig Mal novelliert. Wir haben voriges Jahr Ihrem Antrag in etwa entsprochen, in-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 258

dem es eine Einmalzahlung, eine Erinnerungszuwendung von 1 000 € gab. Es gab die­se Zuwendung für insgesamt 3 300 Bezugsberechtigte.

Der Bezug gliedert sich in sieben Leistungsbeträge und ist als solcher auch zu sehen. Ihr Antrag lautet auf eine Verdoppelung der Beiträge. Wir können diesem Ihrem Antrag heuer nicht beitreten, weil das Budget 2010 dafür keine Mittel vorsieht. Ich denke aber, dass dieses Thema wirklich ernst zu nehmen ist, dass wir es weiter im Auge behalten sollten und dass wir bei der nächsten Gelegenheit darüber eine ausführliche Debatte führen sollten.

Ich darf noch sagen, dass die Leistungen jährlich wie die ASVG-Leistungen angepasst werden, also indexgesichert sind, aber dennoch haben Sie recht, wenn Sie meinen, dass insgesamt eine Grundsatzdebatte stattfinden und eine Neuausrichtung erfolgen könnte. (Beifall bei der ÖVP.)

23.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


23.30.08

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Soweit ich es richtig im Kopf habe, sind von den heutigen 15 Tagesordnungspunkten fünf dem Nationalsozialismus und der Vergangenheitsbewältigung gewidmet. Von den fünf sind drei Fünftel, nämlich drei, von den Grünen direkt eingebracht worden, und die anderen sind von den Grünen mitinitiiert worden.

Da fühle ich mich an ein altes römisches Polit-Sprichwort erinnert, wo es heißt, dass die Vergangenheit die Waffe der Politiker gegen die Zukunft ist. Anders kann ich mir das hier nicht erklären. (Beifall bei der FPÖ.) Bei den großen Mengen an drängenden Fragen der Gegenwart und der Zukunft ist mir das nicht mehr verständlich.

Beim letzten Punkt, den Sie wiederholt eingebracht haben, ist es mir schon überhaupt nicht mehr verständlich. Erstens geht es dabei um minimalste Beträge. Zweitens geht es dabei um – auf Wienerisch gesagt – reines B’stemm. Und drittens ist es auch sach­lich nicht gerechtfertigt, denn nirgends steht, dass diese Leute Anspruch auf eine Erhö­hung haben. Im Opferfürsorgegesetz gibt es die Möglichkeit, im Einkommensteuerge­setz zusätzlich zu allen möglichen anderen Sachen einen Steuerfreibetrag festzuset­zen, und der ist derzeit mit 810 € festgesetzt.

Es gibt eine Vielzahl von Leistungen, die nach wie vor stattfinden. Wie Sie wissen, gibt es unter anderem auch eine „ewige Rente“, die derzeit zirka 1 020 € für einen Allein­stehenden und 1 370 € für einen Verheirateten beträgt.

Das ist aber nur ein kleiner Teil der Begünstigungen, die dieser Gruppe gewährt wur­den. Ein kleiner Teil! Ich darf noch einmal erinnern: Die sind bevorzugt gewesen bei der Vergabe von Geschäftsstellen der Klassenlotterie, bei Lottokollekturen, bei Tabak­verschleißgeschäften, bei der Zuweisung von Wohnungen, Siedlerstellen und Kleingär­ten. Sie sind von den Gebühren weitgehend befreit gewesen und haben im Nachlass­verfahren und bei Ähnlichem viele, viele Begünstigungen gehabt. Das Opferfürsorge­gesetz ist nur ein kleiner Teil der insgesamt 27 gesetzlichen Regelungen, die den Op­fern Entschädigung haben zukommen lassen.

Wir haben es schon einmal diskutiert, wer die Opfer nach dem Opferfürsorgegesetz sind, nämlich diejenigen, die einen sogenannten Opferausweis haben, und die sollen nach Ihrem Wunsch durch eine Anhebung des Freibetrages begünstigt werden. Es sind Leute, die den Verlust der Freiheit durch zumindest drei Monate zu beklagen ge­habt haben. Drei Monate! Es sind Leute, deren Einkommen durch zumindest dreiein­halb Jahre, immer NS-bedingt, um zumindest die Hälfte gemindert war. Es sind Leute, die eine dreieinhalbjährige Unterbrechung des Studiums und der Berufsausbildung zu


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ertragen hatten, Leute, die erzwungenermaßen emigrieren mussten oder die sechs Monate im Verborgenen leben mussten oder die eine Freiheitsbeschränkung, Hausar­rest und Ähnliches, von sechs Monaten gehabt haben.

Das sind also nicht Schwerversehrte und „Schweropfer“. Und die Kategorien, die ich genannt habe, treffen auf etwa 95 Prozent zu; die anderen, die ich jetzt nicht genannt habe, sind eine verschwindende Gruppe.

Wir haben es also hier nicht mit einer Notsituation zu tun, wir haben es mit keiner min­der bevorzugten oder minder obsorgten Gruppe zu tun, sondern wir haben es überwie­gend mit einer Gruppe von Österreichern oder ehemaligen Österreichern zu tun, die eine einzigartige Stellung in unserem Vorsorge- und Obsorgesystem genießen, und deshalb ist mir dieser Antrag gänzlich unverständlich. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

23.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


23.33.58

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesantrag zum Opferfürsorgegesetz beinhaltet eine Verdoppelung der Beträge. Die Zahl der Menschen, die in den Genuss dieser erhöhten Beträge gelangen sollten, ist aufgrund der schon lange verstrichenen Zeit als eher gering anzusehen. Ich glaube, diese Erhöhung soll eher eine symbolische Handlung sein, mehr nicht.

Ich möchte aber auch darauf verweisen, dass gerade in den Jahren der schwarz-oran­gen Bundesregierung etliche Dinge, die in diesem Zusammenhang zu sehen sind, ge­tan worden sind und vieles aufgearbeitet worden ist. So wurden zahlreiche Maßnah­men gesetzt, wie zum Beispiel die Restitutionszahlungen, die Erinnerungszuwendun­gen, die Erweiterung des Opferfürsorgegesetzes, das Anerkennungsgesetz, Zuwen­dungen an Trümmerfrauen, die Verbesserung der Witwenpension von Kriegsopfern und Ähnliches. Also es ist schon in den letzten Jahren einiges getan worden. Wenn jetzt auch die Beträge im Opferfürsorgegesetz erhöht werden würden, wäre es eher eine symbolische Leistung.

Wir werden darüber beraten, und wir werden sehen, was der Finanzminister in Anbe­tracht der finanziellen Situation dazu sagt. (Beifall beim BZÖ.)

23.35


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 663/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.35.46Einlauf

 


Präsident Fritz Neugebauer: In der heutigen Sitzung sind die Selbständigen Anträge 822/A bis 827/A eingebracht worden.

Ferner sind die Anfragen 3357/J bis 3386/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 22. Oktober, 9 Uhr, ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 260

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Ich gebe noch bekannt, dass im Anschluss an diese Sitzung der Volksanwaltschafts­ausschuss im Lokal III eine Sitzung abhält.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.36.24Schluss der Sitzung: 23.36 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien