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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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829. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 15. Mai 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

829. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Mai 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Mai 2014: 9.04 – 16.56 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden

2. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Familie und Jugend)

3. Punkt: Bundesgesetz über die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhalts­ansprüchen mit Auslandsbezug (Auslandsunterhaltsgesetz 2014 – AUG 2014)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Konsu­mentenschutzgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG) erlassen wird (Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – VRUG)

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfah­ren beendet wurde

6. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes

7. Punkt: Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz

8. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2012)

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014; Acht­zehn­monatsprogramm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

10. Punkt: Waffenhandelsvertrag

11. Punkt: Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression

12. Punkt: Änderung des Artikels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regie­rungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Finanzierung der im mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehenen Hilfe der Europäischen Union im Rahmen des AKP EU Partnerschaftsabkommens und über die Bereitstellung von finanzieller Hilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung findet

14. Punkt: Abkommen zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitglied­staaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geän­dert in Luxemburg am 25. Juni 2005, samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen

15. Punkt: Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits

16. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Migration über den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und dem Sitz ihrer Büros in Wien

17. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern über die Verwendung von Flughäfen und anderen Einrichtungen in der Republik Zypern im Falle von Evakuierungen aus Drittländern

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 35

18. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunfts­perspektiven“ (196/A-BR/2014)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung eines österreichischen Mitgliedes des Wirt­schafts- und Sozialausschusses                         33

Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 196/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunftsperspektiven“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ............................  35, 35


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 3

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (26.)

Thema: „Europas Sozial- und Umweltstandards sichern. Österreichs Position in den TTIP-Verhandlungen“ ........................................................................................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 10

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 12

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 14

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 17

Bundeskanzler Werner Faymann ........................................................................  20, 31

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ..... 23

Christian Poglitsch ................................................................................................. ..... 24

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 26

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 28

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 29

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 35

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinder­betreu­ungsgeldgesetz geändert werden (87 d.B. und 116 d.B. sowie 9166/BR d.B.) ........................................................................................ 36

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 36

Redner/Rednerinnen:

Angela Stöckl .......................................................................................................... ..... 36

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 38

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 40

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ................................................. ..... 42

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 45

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 47

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 48

Johanna Köberl ............................................................................................................ 50

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 54

2. Punkt: Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Familie und Jugend) (III-511-BR/2014 d.B. sowie 9167/BR d.B.) ................... 54

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 54

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 54

Walter Temmel ........................................................................................................ ..... 57


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 4

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 59

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 61

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ..... 62

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-511-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 66

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bun­des­gesetz über die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhalts­ansprüchen mit Auslandsbezug (Auslandsunterhaltsgesetz 2014 – AUG 2014) (88 d.B. und 91 d.B. sowie 9168/BR d.B.)                            66

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 66

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christian Jachs .............................................................................................. ..... 66

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 67

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 68

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 70

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 72

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumen­ten­schutzgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäfts­räumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG) erlassen wird (Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – VRUG) (89 d.B. und 92 d.B. sowie 9169/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 72

Berichterstatterin: Ingrid Winkler .................................................................................. 73

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 73

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 74

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 75

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 76

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 78

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde (III-502-BR/2013 d.B. sowie 9170/BR d.B.) ...................................................................................................... 78

Berichterstatterin: Ingrid Winkler .................................................................................. 78

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 78

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 80

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 81

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 82

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 83


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-502-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 85

6. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des Achtzehn­monatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes (III-515-BR/2014 d.B. sowie 9171/BR d.B.) ...................... 85

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 85

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 85

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 87

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 88

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 90

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ....................................................... ..... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-515-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 92

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Über­einkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz (32 d.B. und 94 d.B. sowie 9172/BR d.B.)                  92

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 92

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Schödinger ............................................................................................... ..... 92

Richard Wilhelm ..................................................................................................... ..... 93

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 94

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 96

8. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2012) (III-505-BR/2013 d.B. sowie 9173/BR d.B.) ........................................................................ 96

Berichterstatter: Ing. Bernhard Ebner, MSc ................................................................ 96

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 96

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ..... 99

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 100

Christian Füller ....................................................................................................... ... 101

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 103

Dr. Andreas Köll ..................................................................................................... ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-505-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 106

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Par­lament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014; Achtzehnmonatsprogramm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-513-BR/2014 d.B. sowie 9174/BR d.B.) ............................................................................................................... 106

Berichterstatter: Ing. Bernhard Ebner, MSc .............................................................. 106


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 106

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 108

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 110

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 111

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 112

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ... 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-513-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 115

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Waffen­handelsvertrag (26 d.B. und 102 d.B. sowie 9175/BR d.B.) ...................................................................................... 115

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ...................................................................... 115

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 115

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 117

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression (28 d.B. und 103 d.B. sowie 9176/BR d.B.) ............................................................................................................... 117

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ...................................................................... 117

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Artikels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (27 d.B. und 104 d.B. sowie 9177/BR d.B.) ..... 117

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ...................................................................... 117

Redner/Rednerinnen:

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 118

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 118

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Finanzierung der im mehr­jährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehenen Hilfe der Europäischen Union im Rahmen des AKP EU Partnerschaftsabkommens und über die Bereitstellung von finanzieller Hilfe für die überseeischen Länder und Ge­biete, auf die der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Euro­päischen Union Anwendung findet (5 d.B. und 107 d.B. sowie 9178/BR d.B.) ........... 119

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 7

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Ab­kommen zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geändert in Luxemburg am 25. Juni 2005, samt Schlussakte ein­schließlich der dieser beigefügten Erklärungen (71 d.B. und 108 d.B. sowie 9179/BR d.B.) ............................................................................................................... 119

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Rahmen­abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits (29 d.B. und 109 d.B. sowie 9180/BR d.B.) ................... 120

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Migration über den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und dem Sitz ihrer Büros in Wien (13 d.B. und 105 d.B. sowie 9181/BR d.B.)                            120

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern über die Ver­wendung von Flughäfen und anderen Einrichtungen in der Republik Zypern im Falle von Evakuierungen aus Drittländern (15 d.B. und 106 d.B. sowie 9182/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 120

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................. 120

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 121

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 123

Mag. Susanne Kurz ................................................................................................ ... 125

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 128

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 129

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 130

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ... 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 133


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 133

18. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunfts­perspektiven“ (196/A-BR/2014) ........................................................................................................... 133

Annahme des Selbständigen Antrages 196/A-BR/2014 .............................................. 133

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunftsperspektiven“ (196/A-BR/2014)

Anfragen der Bundesräte

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2987/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2988/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2989/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2990/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2991/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2992/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2993/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2994/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2995/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2996/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2997/J-BR/2014)


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 9

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2998/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (2999/J-BR/2014)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Lehrlinge im Bundesdienst (3000/J-BR/2014)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Finanzierung der Vorbereitungslehrgänge auf den Pflichtschulabschluss (3001/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Finanzflüsse in die Bundesländer von 2009 bis 2012 exklusive der Finanz­ausgleichszahlungen (3002/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Finanzflüsse in die Bundesländer von 2009 bis 2012 exklusive der Finanzausgleichszahlungen (3003/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Finanzflüsse in die Bundesländer in den Jahren von 2009 bis 2012 exklusive der Finanzausgleichszahlungen (3004/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Finanzflüsse in die Bundesländer von 2009 bis 2012 exklusive der Finanzausgleichszahlungen (3005/J-BR/2014)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzflüsse in die Bundesländer von 2009 bis 2012 exklusive der Finanz­ausgleichszahlungen (3006/J-BR/2014)

Mag. Christian Jachs, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Kasernenschließungen (3007/J-BR/2014)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ithuba Capital AG (2744/AB-BR/2014 zu 2966/J-BR/2014)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anzahl der Küchen, Kantinen und Buffets im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums in Wien und in den Bundesländern (2745/AB-BR/2014 zu 2977/J-BR/2014)


 


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 10

09.04.11 Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Michael Lampel: Ich eröffne die 829. Sitzung des Bundesrates.

Einen schönen guten Morgen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen und vor allem die jungen Damen und Herren, die sich auf den Besucherplätzen eingefunden haben. Ein Grüß Gott auch an die Zuseherinnen und Zuseher, die diese Sitzung heute via Livestream im Internet verfolgen. Ganz besonders möchte ich noch Herrn Bundeskanzler Werner Faymann in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 828. Sitzung des Bundesrates vom 10. April 2014 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Brigitte Bierbauer-Hartinger, Mag. Klaus Fürlinger und Ilse Fetik.

09.05.12Aktuelle Stunde

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Herrn Bundeskanzler zum Thema:

„Europas Sozial- und Umweltstandards sichern. Österreichs Position in den TTIP-Verhandlungen“

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgen wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend even­tuell eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundes­kanzlers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreitet.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.

 


9.06.18

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine ganz besondere Ehre, heute über ein für die Zukunft der Europäischen Union, für die Zukunft Öster­reichs, für die Zukunft von uns allen so wichtiges Thema sprechen zu dürfen. Auch wenn der Begriff „Transnationales Handels- und Investitionsabkommen“, kurz TTIP, für viele in der Bevölkerung nach einem abstrakten Bürokratiekonstrukt klingt, so betrifft das sogenannte Freihandelsabkommen jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger.

Leider herrschen bei einigen Menschen nicht zuletzt aufgrund der von EU-kritischen Parteien und Medien verbreiteten Horrormeldungen über Chlorhühner und Genmais große Verunsicherung und Skepsis. Deshalb ist es unsere Aufgabe als politische Vertreterinnen und Vertreter, zu informieren, aufzuklären und Unsicherheiten zu besei­tigen. Wir müssen auf die Menschen zugehen, ihnen deutlich machen, wie wichtig das Freihandelsabkommen für die Ankurbelung der Wirtschaft, das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen ist. Wir müssen Vorurteile, Unsicherheiten und Ängste


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aus der Welt schaffen, indem wir deutlich machen, dass unsere Regierung mit Bundes­kanzler Werner Faymann an der Spitze es sicher nicht zulassen wird, dass unsere hohen österreichischen Standards untergraben werden. Österreich gehört mit seinen unvergleichlich hohen Standards in allen Bereichen, vom Arbeitsmarkt über Lebens­mittelsicherheit bis hin zum Sozial- und Gesundheitswesen, zu den Besten in der Welt, und unser Bundeskanzler Werner Faymann ist der Garant dafür, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

Wie wir alle wissen, werden unsere hohen Sozialstandards und sicheren Pensionen vor allem durch Wachstum, durch Beschäftigung, durch eine florierende Wirtschaft und einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt mit sicheren Jobs und fairer Bezahlung ge­sichert. Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union, der zweit­größten Wirtschaftsmacht der Welt, und den USA, der größten Wirtschaftsmacht der Welt, bringt daher unglaublich großes Potenzial für ein exportorientiertes Land wie Öster­reich.

Die USA und die EU sind wirtschaftlich zwar schon seit vielen Jahren sehr eng miteinander verflochten, doch durch das Freihandelsabkommen wird dafür gesorgt, dass die EU auch gegenüber rapid aufsteigenden Schwellenländern wie zum Beispiel China international konkurrenzfähig bleibt. Das müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen. Es gibt große Chancen für ein EU-USA-Handelsabkommen, das zur Ankurbelung der Wirtschaft führen und uns gegen das Dumping aus Billig­ländern absichern soll. Es soll als Vorbildfunktion dienen und hohe Standards beim Konsumentenschutz im globalen Handel etablieren, außerdem verbindliche Sozial- und Umweltstandards verankern.

Die bereits seit fast einem Jahr laufenden Verhandlungen befinden sich nun in der vierten Runde, und für uns Sozialdemokraten ist es so wie in vielen Bereichen auch hier wichtig, dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit ein absolutes Muss sind. Wir wollen keine Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Das hat Bundeskanzler Werner Faymann gegenüber den Verhandlungspartnern auch deutlich gemacht. Er hat sich für transparente Verhandlungen unter voller Einbindung des Europäischen Parla­ments, der Zivilgesellschaft und der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter stark gemacht. Zu diesem Zweck hat erst vor Kurzem im Bundeskanzleramt ein Run­der Tisch mit allen Organisationen und Institutionen stattgefunden. Bundeskanzler Werner Faymann hat in allen bisher stattgefundenen Verhandlungsrunden ebenso deutlich wie unverrückbar klargestellt, dass Österreichs hohe Standards sicher nicht untergraben werden dürfen. Der Schutz unserer Standards im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen hat höchste Priorität ebenso wie der Schutz unserer Arbeits- und Sozialstandards.

Eines der primären Ziele des Freihandelsabkommens ist sicher die Schaffung von Arbeitsplätzen, aber jedenfalls entsprechend jenen im weltweiten Vergleich hohen arbeits- und sozialrechtlichen Standards, die bereits jetzt in Österreich gelten. Mögliche Schlupflöcher müssen bereits im Vorhinein geschlossen werden, sodass Unternehmen gar keine Möglichkeit mehr haben, arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen zu umgehen. Diese Position wurde und wird von Österreich durch unseren Bundeskanzler klar und deutlich und stark vertreten.

Noch sind die Verhandlungen zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Euro­päischen Kommission und der Regierung in Amerika in vollem Gange, noch ist es nicht möglich, einen Zeitpunkt abzuschätzen, zu dem die Details fixiert werden und das Freihandelsabkommen zur Abstimmung gelangt, aber eines ist gewiss: Das Euro­päische Parlament hat letztlich die Entscheidungskraft, diesen Vertrag abzulehnen oder zu bewilligen. Wie diese Entscheidung schließlich ausfallen wird, hängt von den zukünftigen Mehrheiten im Europäischen Parlament ab.


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Im Regierungsprogramm ist eindeutig festgelegt, dass Österreich für eine gerechte und faire Welt eintritt. Ich zitiere:

„Die Bundesregierung wird bei den Beratungen über Verhandlungsmandate für EU-Handels- und Investitionsabkommen sowie bei den Verhandlungen über diese selbst auch weiterhin für die Aufnahme der Verpflichtung zur Einhaltung hoher sozialer und ökologischer Mindeststandards eintreten. Ziel ist es, bei den Freihandelspartnern der EU die Ratifikation sowie die Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus den internationalen anerkannten ILO Übereinkommen sowie jener aus den internationalen Umweltüber­einkommen zu erreichen. Dabei ist auch auf ein effizientes Monitoring der Verpflich­tungen und einen Mechanismus zur Beilegung von Differenzen bei mangelnder Um­setzung zu achten.

Österreich unterstützt jene Maßnahmen auf globaler Ebene, die eine gerechtere und stabilere Finanzordnung erreichen wollen. Dazu zählt insbesondere der Einsatz für die weltweite Bekämpfung von Steuerflucht und Steueroasen sowie der unterschiedlichen Ausprägungen aggressiver Steuerplanung.“

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Nur ein Abkommen, das den Wohlstand steigert, ohne Standards abzusenken, ist ein gutes Abkommen!

Übrigens bin ich der Meinung, dass der 1. Mai als Staatsfeiertag erhalten bleiben muss. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei der spö sowie bei Bundesräten der Grünen.)

9.14


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile es ihm.

 


9.14.26

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren! Werte Schülerinnen und Schüler! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf Herrn Kollegen Todt beipflichten, der 1. Mai ist mein Geburtstag, ein guter Tag für einen Feiertag. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.) Es ist aber auch der heutige Tag, der 15. Mai, ein besonderer Tag, geschätzte Damen und Herren! Wir sprechen über das „Transatlantic Trade and Investment Partnership“-Abkommen, kurz TTIP genannt. Ich bin dankbar für dieses Thema in der Aktuellen Stunde, weil es eben ein aktuelles Thema ist, weil es viele Meinungen dazu gibt, aber noch wenig Information.

Die Europäische Union mit ihren 28 Mitgliedstaaten ist der größte Wirtschaftsraum der Welt, die USA sind der zweitgrößte. Insgesamt sind das 800 Millionen Menschen. Täg­lich werden Waren zwischen diesen beiden Wirtschaftsräumen im Wert von über 2 Milliarden € bewegt. Es sind beide die höchst entwickelten Volkswirtschaften der Welt. Europa, vor allem auch Österreich, ist stark exportorientiert. Der Exportüber­schuss, den wir aus dem Handelsgeschäft mit den Vereinigten Staaten beziehen, beträgt 2,6 Milliarden € im Jahr. Das heißt, wir haben Interesse, in diese Volks­wirt­schaft zu exportieren.

Grundsätzlich ist der Welthandel innerhalb der WTO – 159 Mitgliedstaaten – geregelt, und neben diesem weltweiten Wirtschaftsreglement gibt es eben bilaterale Abkommen zwischen der Europäischen Union und einzelnen Ländern und Staaten. Bisher sind das so ungefähr 30 Abkommen. Das Letzte wurde mit der Ukraine abgeschlossen, noch offen sind Verhandlungen mit Japan und Kanada. Die Europäische Union ist ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, weshalb diese Verhandlungen von ihr geführt werden. Das heißt, Staaten erteilen der Kommission ein Verhandlungsmandat. Das Parlament


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der Europäischen Union und auch wir als nationales Parlament können über die Ergebnisse dieser Verhandlungen entscheiden.

Die Verhandlungen stehen am Anfang, es gibt viele offene Fragen und natürlich auch Kritik. Die österreichischen Bundesländer haben sich in einer gemeinsamen Stellung­nahme dafür ausgesprochen, dass einige Dinge klar geregelt werden, und wir als Bundesrat sind unseren Bundesländern und damit dieser Stellungnahme entsprechend verpflichtet.

Der erste Kritikpunkt – er wurde auch schon angesprochen und breit diskutiert – ist jener der mangelnden Transparenz. Es gibt keine öffentlichen Dokumente über den klaren Verhandlungsauftrag, es gibt auch keine schriftlichen Fortschrittsberichte. Das ist so geregelt. Andererseits wissen wir, dass die Vereinigten Staaten an ihrer Kontroll­instanz, am Kongress, vorbeiverhandeln möchten. Auch der Rat will kein öffentliches Mandat. Das kann man schon auch verstehen, das kann oder soll auch Verhand­lungstaktik sein, nicht offenzulegen, wo die eigenen roten Linien und wo die Kernpunkte liegen. Trotzdem – und das ist eine klare Forderung! – muss Zugang für die interessierte Bevölkerung zu allen relevanten Verhandlungsdokumenten bestehen, soweit das eben gesetzeskonform möglich ist.

Der zweite Kritikpunkt ist – natürlich für uns, für Österreich, sehr wichtig –: Wir wollen kein Abrücken von den hohen österreichischen und europäischen Standards durch dieses Freihandelsabkommen erreichen. Es darf keine Nivellierung nach unten geben. Auch diesbezüglich haben die Bundesländer ihre Forderung klar formuliert. Es gilt die Gewährleistung der in der EU geltenden arbeitsrechtlichen Normen, der gesetzlichen Standards für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz. Das ist ein lang erarbeitetes, erkämpftes Schutzniveau, von dem wir natür­lich nicht abweichen wollen. Wir wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, wir wollen keine Chlorhühner, und wir wollen kein Hormonfleisch.

Wie man bei derartigen Verhandlungen auch immer wieder erfolgreich sein kann, hat der ehemalige Landwirtschaftsminister Berlakovich bewiesen, als es um die Um­setzung von gentechnisch freien (Bundesrätin Mühlwerth: Bei den Bienen!)  – Nein, nein, nicht bei den Bienen, sondern bei der GVO-Verordnung, als es darum ging, dass die EU Österreich dazu verpflichten wollte, gentechnisch veränderte Organismen einzusetzen. Wir haben uns dagegen gewehrt, und mittlerweile ist auch in Europa der Trend ein anderer.

Unsere EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger hat die Saatgutverordnung, die seitens der EU auf den Weg gebracht wurde und die wir alle gemeinsam kritisiert haben, wieder zurückverwiesen. Man kann mit konsequenter Arbeit auch in Europa ent­sprechend erfolgreich sein.

Der dritte Kritikpunkt ist, dass es ein Investitionssicherheitsprogramm in diesem Frei­han­dels­abkommen geben soll; das heißt, dass, wenn Firmen in einem Land inves­tieren, diese Investition auch sicher sein soll.

Grundsätzlich kommt der Gedanke daher, dass, wenn Firmen in Entwicklungsländern investiert haben, sie vor Enteignung geschützt werden. Grundsätzlich ist das ein guter Gedanke, weil nur dadurch Investitionen – und vor allem Investitionen in unterent­wickelten Ländern – möglich sind, es darf dieses Investitionsschutzabkommen aber nicht zu einem Missbrauch führen, der einen Staat beziehungsweise der die EU bei Neuregelungen behindert. Die Forderung ist daher klar: Vorsicht beim Investitions­schutz, damit dieser nicht auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit und auch auf Kosten der Landwirtschaft geht.


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Der vierte massive Kritikpunkt, der von den Bundesländern ausgesprochen wurde, ist, dass die Daseinsvorsorge, die sich in Österreich in öffentlicher Hand befindet, auch entsprechend geschützt werden muss. Das System der kommunalen Selbstbestim­mung soll aufrechterhalten bleiben. Die klare Forderung lautet daher, alle Leistungen der Daseinsvorsorge vom Freihandelsabkommen auszunehmen.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Dieses Freihandels­abkommen bringt Chancen und natürlich auch Risken. Wir stehen zurzeit am Beginn eines Weges. Es hat mich gestern irritiert, als im EU-Ausschuss, wo wir eine sehr breite Diskussion zu diesem Thema hatten, die Freiheitliche Partei einen Antrag einge­bracht hat, dieses Handelsabkommen abzulehnen beziehungsweise die Verhandlun­gen abzulehnen. Das heißt, wir es lehnen ab, uns auf einen Weg zu begeben.

Ich sage Ihnen: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben! Wenn unsere Staatsmänner vor 59 Jahren sich ähnlich verhalten und Angst gehabt hätten, hätten wir wahr­scheinlich auch keinen Staatsvertrag bekommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!) Es gilt aber, dass Grundprinzipien gewahrt bleiben, wie das Grundprinzip, das eigene Recht zu regulieren und eigene Gesetze beschließen zu können.

Die Entscheidung, ob wir das Ergebnis dieser Verhandlungen annehmen, wird am Ende des Tages getroffen – durch das Europäische Parlament und durch das Hohe Haus hier bei uns.

Es gibt Chancen: Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent jährlich heißt 20 000 Arbeitsplätze; heißt 1 Prozent Lohnsteigerung; heißt Stärkung des Wirt­schaftsraumes gegenüber Billigländern wie China oder Indien.

Geschätzte Damen und Herren! Dieses Freihandelsabkommen wird kein Engel sein, der uns den Reichtum bringt, es wird aber auch kein Teufel sein, der uns in die Hölle führt, sondern es wird ein grauer Esel sein, der uns Lasten abnehmen soll und diese für uns tragen muss. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.23


Präsident Michael Lampel: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


9.23.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal, die Sie uns heute zuschauen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie unsere Sitzung über Livestream verfolgen! Herr Kollege Preineder, zu Ihrem Vergleich des Staatsvertrags mit dem Freihandelsabkommen muss ich Ihnen eines sagen: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Dass Sie das schönreden werden und dass Sie sagen werden, wir wollen unsere Standards sichern, aber das Freihandelsabkommen ist im Grunde genommen ganz wunderbar, überrascht uns nicht. Sie sind ja hier schon lange auf dem Weg unterwegs, dieses Abkommen unbedingt haben zu müssen, weil es uns allerlei Segnungen verspricht.

Wie ist es aber wirklich? – Wenn man sich die Studien anschaut, die mittlerweile im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt worden sind, wo man also einmal grundsätzlich davon ausgehen kann, dass diese Studien durchaus positiv sind, und dann die realen Zahlen anschaut, dann merkt man, dass von diesen Segnungen nicht allzu viel zu sehen sein wird. Wir können nicht einmal die Wirtschaftsprognose für das nächste Jahre voraussagen, aber es sind sich alle einig, zu wissen, was in den nächsten 20, 30 Jahren sein wird. – Allein das kann einen schon skeptisch stimmen.


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Also was sagen die Studien der Europäischen Kommission über das jährliche Wirt­schaftswachstum im Euroraum? – 0,03 Prozentpunkte, also 3 Promille, in einem Zeit­raum von zehn Jahren. Da kann man davon ausgehen, dass das eine Annahme ist, von der man hofft, dass sie vielleicht kommt, und die ist schon sehr gering.

Es gibt eine Studie, die auf Österreich bezogen und die ein bisschen optimistischer ist, aber auch da sind wir nur bei 0,2 jährlich innerhalb von zehn Jahren, und je eine Studie des ifo Instituts und der Bertelsmann Stiftung gehen für Deutschland von einer Wachstumsprognose von 0,47 Prozent aus. Im EU-Durchschnitt sind es 0,49 Prozent, aber 1,34 Prozent für die USA, also darf man sich hier schon fragen, sehr geehrte Damen und Herren: Wer wird denn mehr davon profitieren, der Euroraum oder die USA-Wirtschaft?

Auch bei der Beschäftigung geistern ja Zahlen herum, wo man sich fragt, woher sie kommen, von denen man denkt, diese können ja nur aus irgendeinem Hut gezaubert worden sein, sie haben jedenfalls nichts mit einer sachlichen Annahme zu tun. Aber selbst wenn man voraussetzt, dass das sachlich ist, ist ein Beschäftigungszuwachs von 0,06 Prozent prognostiziert – und das ist, wie gesagt, nur eine reine Annahme.

Und beim Beschäftigungszuwachs gehen die Studien vor allem davon aus, dass das ausschließlich im Automobilsektor sein wird. Automobilsektor, wo in Wien Rot/Grün gerade versucht, den Autoverkehr zu halbieren. Also frage ich mich: Wer wird denn diese Autos, wo eine 9-Prozent-Zuwachsrate kommen soll, denn noch kaufen und fahren? Und wie schließt man dann darauf, dass es dort einen Zuwachs gibt? Alle anderen Branchen, wie Chemie und Holz, Metall, werden nach einer optimistischen Studie verlieren.

Also wo ist denn jetzt da der Vorteil? – Das ist doch ein sehr dürftiges Ergebnis, wo man hinnimmt, dass Standards gesenkt werden (Zwischenrufe des Bundesrates Perhab. – Bundesrat Kneifel: Es gibt noch kein Ergebnis! Reden Sie nicht von einem Ergebnis!), denn Sie glauben doch nicht im Ernst, dass alle unsere Standards von den USA 1 : 1 übernommen werden! (Bundesrat Kneifel: Es gibt kein Ergebnis! – Bundes­rat Jenewein: Es gibt aber auch keine Unterlagen! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Kneifel und Jenewein. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Aber allein das, was jetzt verhandelt wird, ist etwas, wo Sie in einer optimistischen Art und Weise davon ausgehen, dass das alles wunderbar funktionieren wird. Also hier kann man wirklich größtmögliche Zweifel anmelden.

Und wenn man schaut, wer mit den USA und der Europäischen Kommission ver­handelt, dann sieht man, dass es ausschließlich Lobbyisten von Großkonzernen sind. Daher werden die Großkonzerne profitieren. Denn: Natürlich haben diese ein Interesse daran, dass Handelshemmnisse fallen, denn die Zölle sind ja nur mehr 3 Prozent, um die geht es ja nicht, es geht um diese Handelshemmnisse, wo wir durch­aus zu Recht Sorge um unsere hohen europäischen, aber auch österreichischen – weil die öster­reichischen oft höher sind als die europäischen – Standards haben.

Wieso glauben Sie denn, dass die USA diese Standards einfach übernehmen wird? Die USA wollen vor allem Handel treiben, die wollen im Wettbewerb sein, denen sind unsere Standards relativ wurscht. Die USA sind ein Land, das Fracking betreibt, weil es die Energiekosten senkt, obwohl man weiß, dass es hohe Umweltschädlichkeit hat. Und auch die Chlorhühner, die ja schon zitiert worden sind – die Amerikaner übertreiben bei den Hygienevorschriften ja gerne – könnten dann zu uns kommen.

Genmais ist auch schon genannt worden. (Bundesrat Perhab: ... Joghurt!) Aber dass die Amerikaner diese Chlorhühner haben, das wissen wir schon, oder ist das an Ihnen vorbei gegangen, Herr Kollege Preineder? – Das sind also Dinge, wo die USA nicht


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unbedingt hohe Standards haben oder überbordend vorsichtig sind. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Und das alles werden wir abwehren? Das wird die Europäische Kommission in ihren Verhandlungen schaffen abzuwehren? – Da kann ich Ihnen nur sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Die Bevölkerung, die ja darüber weitgehend nicht informiert wurde, glaubt Ihnen ja sowieso nichts mehr. Was soll Ihnen die Bevölkerung noch glauben? Wahlver­sprechen, die Sie machen, die dann nach der Wahl überhaupt nicht mehr gelten! – Wir erinnern uns noch an den „Ederer-Tausender“, der nie gekommen ist, vor dem Beitritt zur Europäischen Union, oder: Der Schilling bleibt! – Erinnern wir uns daran! Auch das hat nicht gestimmt.

Also was soll Ihnen die Bevölkerung noch glauben, wenn sie denn überhaupt informiert werden sollte, denn bis jetzt gibt es nicht viele Papiere, aus denen wir ersehen können, wie der Stand der Verhandlungen überhaupt ist.

Auch das Europäische Parlament ist nicht in die Verhandlungen eingebunden! Die dürfen dann zwar darüber abstimmen, wenn das fertige Papier vorliegt, aber eingebunden ist niemand in die Verhandlungen, weil sich das EK, Regierung USA und viele, viele Lobbyisten ausmachen. Und das Ziel jedes Lobbyisten ist es, die Vorteile für sich selber zu sichern. Da reden wir nicht von der Bevölkerung, weder von der europäischen noch von der österreichischen. Man darf sich also schon fragen, was denn da am Ende herauskommen soll.

Sie versprechen uns immer treuherzig, dass Sie sich an alles halten werden, dass Sie aufpassen werden, dass die hohen Standards bei Umwelt, bei Energie, bei Medika­menten, bei der Tierhaltung, bei Arbeitnehmerschutzrechten beibehalten werden, aber wir haben nicht erst einmal erlebt, dass das alles Schimäre ist. Am Ende des Tages versucht man uns dann etwas zu verkaufen, wenn man es eben doch nicht durchgebracht hat, und das noch dazu als Erfolg.

Die USA haben zum Beispiel betreffend den Arbeitnehmerschutz bei diesem ILO-Abkommen – das ist auch schon zitiert worden – von zehn Punkten acht nicht ratifiziert, sie sind aber Mitglied dieser internationalen Arbeitsorganisation, was die Abkürzung ja bedeutet. Von zehn Abkommen sind acht nicht ratifiziert, und da geht es um so wichtige Sachen wie den Kinderschutz, kollektivvertragliche Verhandlungen, gewerkschaftliche Organisation – alles, was zum Beispiel der SPÖ bis jetzt immer wichtig war. (Bundesrat Füller: Auch weiterhin! Auch weiterhin!) Da sind die USA aber nicht dabei.

Sie unterzeichnen zwar internationale Abkommen nicht, aber auf der anderen Seite werden Sie unsere Standards übernehmen?! – Also ich glaube, Sie glauben an den Mann im Mond oder dass es das Schlaraffenland gibt (Zwischenruf des Bundesrates Günther Köberl) oder sonst irgendetwas, aber mit der Realität hat das jedenfalls nichts zu tun.

Und dann gibt es noch dieses Investitionsschutzabkommen, das auch schon zitiert worden ist. Da wird der Rechtsstaat ausgehöhlt: Da wird ein privates Schiedsgericht darüber befinden, wenn ein Unternehmer einen Staat klagt – einen Staat klagt, wenn dieser ein Gesetz erlässt, das den Gewinn des Unternehmens schmälert. Da geht es darum, dass, wenn Standards erhöht werden, das auch den Gewinn schmälern könnte, und daher kann ein Unternehmen den Staat klagen. Es gibt ja schon ein Beispiel dafür: Ein schwedischer Großkonzern hat die Bundesrepublik Deutschland geklagt wegen ihres Ausstiegs aus dem Atomprogramm und wegen der Schließung von Atommeilern. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Da geht es um 3,7 Milliarden €, die der deut-


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sche Steuerzahler dann zu berappen haben wird, sollte Deutschland diese Klage verlieren.

Also all das sind Dinge, die man nicht einfach wegwischen kann und sagen kann: Na, das werden wir schon machen!, sondern da muss man wirklich aufpassen. (Bundesrat Stadler: Es wäre besser gewesen, wenn Sie gestern im EU-Ausschuss gewesen wären, dann hätten Sie das alles erfahren!)

Aus diesem Grunde – weil es so viele Baustellen gibt und wir nicht glauben, dass die USA da unsere Standards einfach übernehmen werden (Bundesrat Stadler: Haben Sie die Kollegen vom EU-Ausschuss informiert? – Bundesrat Jenewein: Ja, was der ...!), sondern vielleicht ein ganz klein wenig, und beim Rest werden wir wieder nachhinken – sind wir für den Stopp dieses Abkommens, und ich glaube, dass wir damit auch recht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

9.34


Präsident Michael Lampel: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


9.34.15

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause am Computer! Warum sehen wir Grüne das Transatlantische Freihandelsabkommen so kritisch? – Wir sehen es deshalb so kritisch, weil es überhaupt nicht unseren europäischen Vorstellungen von Demokratie und Transparenz entspricht. Wir wissen nicht genau, was verhandelt wird, wir kennen den derzeitigen Verhandlungsstand nicht, wir wissen nicht, wer verhandelt – also wir kennen die VerhandlerInnen nicht –, und wir wissen auch nicht, bis wann verhandelt wird. Seit knapp einem Jahr, also seit Juli 2013, verhandeln hinter verschlossenen Türen die US-Regierung und die Europäische Kommission mit etwa 600 Lobbyisten der Wirtschaft, von denen wir natürlich auch nicht wissen, wer das ist.

Das Europäische Parlament – Sie wissen schon, das ist eine sehr wichtige Institution, die wir nächste Woche wählen –, 766 demokratisch gewählte Abgeordnete, und die Parlamente der Nationalstaaten, also unter anderem auch wir hier, sind nicht dabei und bekommen auch keine Einsicht in Verhandlungsprotokolle, nur in die Positionspapiere der EU, mit denen sie in die Verhandlungen geht. Die Positionspapiere, die lediglich unsere Forderungen, aber nicht die der Verhandlungspartner enthalten, unterliegen aber leider der Geheimhaltung. Auf grüne Initiative hin werden jetzt die erfolgreichen Verhandlungspapiere seit März 2014 auch direkt an die Parlamente geliefert, unter­liegen aber natürlich der Geheimhaltung.

Als ersten und wichtigsten Schritt aus Sicht der Grünen braucht es daher einen Verhandlungsstopp, bis es endlich zur Transparenz kommt – Transparenz in diesem Prozess, der für ganz Europa enorm wichtig ist und weitestgehende Auswirkungen für uns alle hat.

Die Europäische Kommission und auch meine Vorredner von ÖVP und SPÖ versuchen zu beschwichtigen: Es wird keine Aushöhlung von europäischen Gesetzen geben, keine Aushöhlung von Standards, es werden keine bestehenden Verbote aufgeweicht oder Datenschutzrichtlinien gedehnt. – Fakt ist aber, wir wissen es nicht! Das können wir jetzt glauben oder nicht, und mit diesen Befürchtungen stehen wir Grüne bei Weitem nicht alleine da. Was aus den Verhandlungen nämlich so durchsickert, gibt es natürlich, wie meine Vorrednerin auch gesagt hat, massive Interessen vonseiten der amerikanischen Konzerne.


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Bei uns nicht legale Methoden, die seitens der US-Konzerne als technische oder nichttarifäre Handelshemmnisse gesehen werden, sollen derzeit aktuell noch in die Verhandlungen eingebracht werden, sei es – die Worte sind ohnehin schon sehr oft bemüht worden – im Energiesektor das Fracking, seien es Förderungen für erneuer­bare Energien, die ebenso den Klimaschutz betreffen wie Energieeffizienzvorschriften für Geräte oder Emissionsgrenzwerte für Autos, die in den USA sehr, sehr viel weniger streng sind als bei uns. Die Grenzwerte für chemische und toxische Belastungen sind in den USA generell sehr viel höher angesetzt, zum Beispiel bei Bisphenol A oder bei Weichmachern.

Weitere Beispiele sind die Land- und Rohstoffnutzung, die Liberalisierung von Wassermärkten, die durch das Freihandelsabkommen NAFTA in Südamerika jetzt schon seit Jahren stattfinden, sei es der Bereich Landwirtschaft, wo die Agroindustrie für das Ende der Gentechnikfreiheit schon in den Startlöchern scharrt, Lebensmittel­sicherheit und -kennzeichnung. Ich möchte hier nicht das Chlorhühnchen zitieren, weil es schon so oft zitiert worden ist, aber es stimmt einfach. In der Fleischproduktion – Stichwort: Hormonfleisch –, in der Fleischverarbeitung, aber auch bei der Fleisch­beschau und generell bei der Lebensmittelkennzeichnung sind die US-Standards sehr, sehr viel niedriger angesetzt als die europäischen.

Wie meine Vorrednerin schon bemerkt hat: Auch wir glauben nicht, dass die Amerikaner strengere europäische Richtlinien einfach so 1 : 1übernehmen und sagen: Na gut, machen wir das halt!, wir befürchten, dass es, durch die Wirtschaftslobbys gepusht, zu einer Nivellierung nach unten kommt, dass also jeweils das für die Wirt­schaft schlechtere Recht aufgeweicht wird, dass die hohen Umwelt- und Sozial­standards der EU aufgeweicht werden ebenso wie die strengeren Finanzstandards der USA zugunsten der laxeren Vorschriften in der EU.

Eine der größten Gefahren sehen wir im völlig unterschiedlichen Zugang von EU und USA betreffend die Regulierung: In der EU herrscht das Vorsorgeprinzip, das heißt, dass der Nachweis der Sicherheit, das Ausschließen von Folgewirkungen bei der Zulassung und bei der Einführung von Produkten und Technologien von den Unternehmen, die das Produkt, Lebensmittel oder die Technologie auf den Markt bringen wollen, erbracht werden muss, es ist also eine Bringschuld der Unternehmen.

In den USA ist die Herangehensweise genau umgekehrt: Es wird nach der soge­nannten sound science agiert, das ist frei übersetzt: „nach einer vertieften wissen­schaftlichen Erkenntnis“. Das heißt, dass ein Produkt oder eine Technologie erst dann vom Markt genommen wird, wenn zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Produkt und Schädigung von Gesundheit oder Umwelt bewiesen wird. Der Nachweis der Sicherheit von Produkten liegt also nicht bei den Unternehmen, die die neuen Produkte, Lebensmittel, Technologien einführen wollen, sondern es ist eine Bringschuld der Kritiker, also eine Bringschuld der Behörden, der BürgerInnen, AnrainerInnen, der NGOs und Bürgerinitiativen.

Zum Beispiel – ich erkläre es jetzt einmal betreffend Fracking – würde das bedeuten, dass in der EU vorher nachgewiesen werden muss, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht, in den USA darf man so lange Chemikalien in Boden und Grundwasser pumpen, bis eindeutig nachgewiesen ist, dass das auch wirklich Gesundheit und Umwelt schädigt.

Das betrifft nicht nur das Beispiel Fracking, aber bei solchen neuen Technologien, wo wir die Risiken nicht abschätzen können, sind bis dahin vielleicht schon Schäden entstanden, die irreversibel sind.

Ein weiterer kritischer Punkt, der schon einige Male angesprochen worden ist, ist das Investitionsschutzabkommen, in dem ausländische Unternehmen die Möglichkeit


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erhalten, Staaten vor undemokratischen Schiedsgerichten ohne Instanzenzug zu ver­klagen, wenn sie der Meinung sind, dass aufgrund von Änderungen in Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitsschutzstandards ihre erwarteten künftigen Gewinne ge­schmälert werden. Gerade als Tirolerin wohne ich ja mitten in einem Luftsanie­rungs­gebiet, und gerade wenn da im Bereich Luftreinhaltung schärfere Maßnahmen kommen, ist das zum Beispiel ein Punkt, wo wir uns auf Klagen einstellen könnten.

Das ist wiederum ein Punkt, den nicht nur wir Grüne so sehen. Es hat immer mehr Proteste gegen dieses Investitionsschutzabkommen, also ISDS, gegeben, und die Europäische Kommission hat die Verhandlungen zu diesem Kapitel aufgrund dieser Proteste jetzt bis Juni ausgesetzt.

Die EU-Kommission und die USA versprechen Wachstum und Arbeitsplätze durch noch mehr Handel und Investitionen zwischen den USA und der EU. Das finden wir Grüne natürlich auch sehr wichtig, wenn es denn auch eintrifft. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Im Moment schaut es aber eher nicht danach aus. Eine Studie – ich habe ein bisschen andere Zahlen als Frau Mühlwerth –, die von der Europäischen Kommission selbst beauftragt wurde, um das Wachstumspotenzial durch das Freihan­dels­abkommen einzuschätzen, kommt auf ein geschätztes Bruttoinlandsprodukt-Wachstum von 0,5 Prozent in zehn Jahren, also gerade einmal 0,05 Prozent pro Jahr. Das erscheint mir jetzt ein bisschen viel Lärm um nichts oder um wenig.

Aber prinzipiell freuen wir uns ja über Wachstum und Arbeitsplätze, wenn rechtlich verbindlich in einem Freihandelsvertrag abgesichert ist, dass es keine Investitions­schutzabkommen mit Schiedsgerichten ohne Instanzenzug gibt, wenn wirklich rechtlich verbindlich abgesichert ist, dass alles, was gerade vorhin auch schon vollmundig versprochen worden ist – dass Klima- und Umweltschutzstandards, KonsumentInnen-, Gesundheitsstandards, Sozialstandards, Arbeitsrechte keinesfalls abgesenkt oder ausgehöhlt werden dürfen, sondern ganz im Gegenteil gemeinsam weiterentwickelt werden –, eingehalten wird.

Weiters muss bei Zulassung von Technologien, Produkten und Lebensmitteln das Vorsorge- und Verursacherprinzip auf alle Fälle zur Anwendung kommen, also unser besseres EU-Prinzip muss zur Anwendung kommen. Gerade bei den sehr umstrittenen Produkten wie Hormon- und Klonfleisch oder bei gentechnisch veränderten Pflanzen, bei Pestizideinsätzen, bei Pestizidrückständen bei Lebensmitteln ist das Vorsorge­prinzip einfach unerlässlich, denn wenn das schon einmal von uns und unseren Kindern konsumiert wird und erst dann Gefahren nachgewiesen werden, kann das schon extremen Schaden angerichtet haben.

Öffentliches Beschaffungswesen ist auch noch ein Punkt, der relativ kritisch gesehen wird, nämlich dass nicht dem billigsten Produkt, sondern dass wirklich Bio-, regionalen und saisonalen Produkten der Vorzug gegeben wird – und nicht billigeren Produkten, die Tausende Kilometer klimaschädigend transportiert worden sind.

Generell ist eine gemeinsame Klimapolitik mit Förderung erneuerbarer Energien und die Reduktion von Subventionen für fossile Energieträger auch ein Punkt, wo die USA einfach sehr weit von europäischen Positionen entfernt stehen. Und wichtig ist auch, dass EU- Mitgliedstaaten weiterhin selbst entscheiden können, ob sie auf ihrem Grund und Boden gentechnisch verändertes Saatgut anbauen wollen; es geht also auch da wieder um die Kennzeichnungspflichten.

Europäische Tierschutzstandards sind auch schon angesprochen worden. Das sind einfach Punkte, wo wir so lange dafür gekämpft haben, dass wir da wirklich gute Standards haben, und da darf auf keinen Fall irgendetwas ausgehöhlt werden, und das muss einfach vorher irgendwo verbindlich festgelegt werden – um nicht im Nachhinein zu sagen: Ja, es wurde leider doch ein bisschen etwas nach unten nivelliert!


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Das sind jetzt die wichtigsten Punkte von uns aus den Bereichen Umwelt, Energie und Gesundheit. Da kommen ja noch sehr, sehr viele soziale Fragen und solche des Datenschutzes dazu. Wenn diese Punkte passen, können wir Grüne sicher sehr gut über die künftigen Verhandlungspositionen diskutieren. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

9.44


Präsident Michael Lampel: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte.

 


9.44.33

Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Präsident! Verehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Junge Gäste! Sehr verehrte Damen und Herren! In einer internationalen Marktwirtschaft kann man gewisse Bereiche, die man sich eigentlich nicht wünscht, nicht so einfach verhindern. Wenn Sie in den Supermarkt einkaufen gehen und sagen, Sie kaufen nie mehr ein Produkt, wo jemand daran gearbeitet hat, der mit viel zu geringen Löhnen für seine Arbeit bezahlt wurde, der unter falschen oder gar nicht vorhandenen Arbeitsschutzbestimmungen gearbeitet hat oder wo im Bereich der Lebensmittel unter Bedingungen produziert wurde, wie wir sie in Österreich verbieten, wenn man also sagt, ein Produkt, das nicht unseren Standards entspricht, darf nicht mehr in das Regal – das würde in unserer Marktwirtschaft, die weltweit organisiert ist, nicht funktionieren.

Sie nehmen ein Produkt und können fast bei jedem Produkt nachweisen, dass entweder bei den Löhnen, bei den sozialen, bei den umweltpolitischen Standards oder bei den Fragen der Ernährungssicherheit unter anderen Standards produziert wurde. Das ist ja auch ein Problem unserer Bauern, dass sie sich nicht einem Vergleich stellen müssen, wo alle dieselben Voraussetzungen haben, sondern wo in vielen Ländern der Welt unter für uns unvorstellbaren Bedingungen – umweltpolitisch, bei Fragen der Hygiene und der Lebensmittelsicherheit – produziert wurde. Trotzdem gelingt es keinem Land der Welt, sich als eine Insel von dieser Marktwirtschaft abzukoppeln und zu sagen, na ja, dann darf eben nie wieder so ein Produkt in irgendeinem Markt, zum Beispiel in Österreich, verkauft werden.

Das heißt, das Problem, das Sie darstellen und das auch ich darstelle, ist, dass wir mit unseren hohen Löhnen, guten sozialen Bedingungen, starken Umweltgesetzen, guten Gesetzen für Lebensmittelsicherheit, mit unserem Verbot von gentechnischen Verän­de­rungen im Lebensmittelbereich oder damit, keine Kernkraftwerke für die Energie­gewinnung einzusetzen, in einer Konkurrenzsituation leben. Diese hohen österreichi­schen Standards haben die meisten Staaten der Welt nicht, und würden wir uns von ihnen abschotten, müssten wir eine Insel bilden. Daher ist es die einzig richtige Antwort, diese Standards zu verteidigen.

Ich denke, wir sind uns einig, dass wir jetzt nicht einfach sagen: Na gut, wenn es nicht geht, geben wir sie auf!, sondern umgekehrt, wir sagen, wir kämpfen für diese Stan­dards. Und ich sehe die Möglichkeit, gemeinsam für diese Standards einzutreten, nur auf gemeinsamer europäischer Ebene. – Und das macht die Scharlatanerie der FPÖ aus: Sie will auch diese europäische Ebene nicht, sie will auch diese Europäische Union nicht, sie will auch diese Eurozone nicht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. Zwischenrufe des Bundesrates Jenewein.)

Ich sage gerade Ihnen: Ich bin dafür, dass Österreich auch gerade am russischen Markt faire Handelsbeziehungen hat und umgekehrt für Russland diese in Österreich ermöglicht werden. Aber so an den von Ihnen genannten „lupenreinen Demokraten“


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Putin anbiedern, muss man sich auch nicht! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. Bundesrat Jenewein: Reden Sie einmal mit Herrn Cap!)

Daher kann ich an das anschließen, was die grüne Vorrednerin, was die Vorredner von ÖVP und SPÖ so deutlich hervorgehoben haben: In einer Europäischen Union, in der mehr als 500 Millionen Menschen leben, in den Vereinigten Staaten, wo 314 Millio­nen Menschen leben, besteht natürlich die Gefahr, dass diese Handelsbeziehungen, die es ja schon gibt, zu Verschlechterungen führen. Und deshalb ist es so wichtig, dafür zu sorgen, dass dieses Freihandelsabkommen – das so etwas wie ein weiterer Schritt in den Handelsbeziehungen ist; es ist ja keine Neuerfindung, dass die Ver­einigten Staaten und Europa miteinander Handel treiben – eine Weiterentwicklung und nicht ein Rückschritt für unsere Standards ist.

Das ist eine harte Auseinandersetzung. Die kann man polemisch führen, man kann vorne draufschreiben: Na wenn dadurch nicht alles besser wird, dann stimmen wir nicht zu! – Aber die Frage ist folgende: Auf welche Bereiche sollen wir uns in den Verhandlungen konzentrieren? Und was müssen wir gemeinsam auf der europäischen Ebene durchsetzen, wenn es um Lebensmittelsicherheit geht, wenn es um Umwelt­standards geht?

Deutschlands Position ist unserer sehr ähnlich, auch aus einem guten Grund. Deutschland hat mit dem Konzern Vattenfall erlebt, was passieren kann, wenn man bei derartigen Abkommen nicht ins Detail geht, weil der Teufel ja im Detail liegt. Deutschland hat nach Fukushima zu Recht den Atomkraftausstieg beschlossen. Wir sind ja ohnehin ein Land ohne Atomkraftwerke und drängen auch in der Europäischen Union darauf, diesen Atomausstieg, so wie ihn Deutschland für sich entschieden hat, in ganz Europa durchzusetzen. Nach Fukushima, wo Menschen ums Leben gekommen sind, wo man weiß, dass jahrzehnte-, möglicherweise jahrhundertelang die Spätfolgen des Atomunfalls wirken, hat Deutschland richtigerweise die Konsequenz gezogen und gesagt, wir wollen aus der Atomenergie aussteigen.

Nun hat aufgrund eines Investitionsschutzabkommens der Konzern Vattenfall gesagt: Moment, wir haben ja unsere Investitionen noch nicht zurückverdient! Wir haben ja unter ganz anderen Bedingungen in die Kernenergie investiert! Wir haben da einen Schaden von 4 Milliarden €! Vattenfall hat begonnen zu klagen und will damit, wenn man es auf den Punkt bringt, Deutschland die Möglichkeit nehmen, aus der Atom­energie auszusteigen, denn in dieser Logik dürfte man, bis sie ihre Investitionen so zurückverdient haben, wie sie es sich gewünscht haben, überhaupt nie mehr eine neue umweltpolitische oder energiepolitische Maßnahme setzen.

Das birgt dann immer die Gefahr, dass einer der Konzerne sagt, jetzt sind für meine Investitionen plötzlich nicht mehr dieselben Bedingungen gegeben, wie sie damals bei der Investitionsentscheidung vorlagen, vor dieser neuerlichen gesetzlichen Verbes­serung  wie ich sie nennen würde. Deshalb ist es so wichtig, dass dieses Investitions­schutzabkommen und die Verhandlungen darüber einmal ausgesetzt wurden und dass die Länder der Europäischen Union darüber beraten, ob dieses Investitionsschutz­abkommen überhaupt notwendig ist und wenn ja, wie es aussehen soll. – Damit eben genau das eintritt, was wir uns als Demokratinnen und Demokraten, als gesellschafts­politisch fortschrittliche Menschen selbstverständlich wünschen: dass es auch weiter Fortschritte in der Umweltpolitik, der Energiepolitik und in anderen Fragen gibt, dass das nicht durch ein derartiges Abkommen gefährdet sein darf.

Es ist also eine Menge zu tun, von der Frage der sozialen Kriterien über die Frage der Lebensmittelsicherheit bis hin zur Frage, wie die Mitgliedstaaten und die Europäische Union gemeinsam gewährleisten können, dass sie Veränderungen vornehmen dürfen,


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die nicht durch irgendeine Detailbestimmung rechtlicher Natur verhindert werden oder zu so enormen Klagen und womöglich auch Strafzahlungen führen könnten.

Wir sind also auch durch diesen Fall in Deutschland sehr alarmiert. Auch für Österreich gibt es ja diese Investitionsschutzabkommen mit vielen anderen Ländern, mehr als fünfzig an der Zahl; und es hat noch nie eine Klage in Österreich gegeben. Wir sind aber alarmiert, dass diese Klagsmöglichkeit von einigen Konzernen anscheinend als eine Lücke erkannt wurde, um bestimmte Entwicklungen in dem jeweiligen Land zu verhindern. Und weil es so gefährlich ist, dass aus dieser Lücke, die hier entstanden ist, Veränderungen, notwendige, wichtige Veränderungen für das Land verhindert werden könnten, wurden diese Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen ausgesetzt und werden bis Anfang Juli durch Einholen von Stellungnahmen, durch Beratungen, Gutachten und vieles andere neuerlich überprüft.

Es ist auch wichtig, dass man einen Standpunkt überprüft, wenn man sieht, dass etwas ganz anderes passiert, als man vorhatte. Was war der ursprüngliche Sinn des Investitionsschutzabkommens?  In Österreich hat es auch funktioniert, wir sind nie geklagt worden. Der Sinn war, dass ein Unternehmen, auch ein österreichisches Unter­nehmen, das in einem anderen Land investiert, nicht einfach enteignet werden kann, nicht einfach, weil es jemandem politisch gerade passt, ohne rechtsstaatliche Schutz­maßnahmen davongejagt wird. Der Sinn dieses Investitionsschutzabkommens war, für so etwas wie Rechtsstaatlichkeit zu sorgen.

Wenn aber dieser eigentliche Sinn ad absurdum geführt wird und plötzlich die Möglichkeit besteht, Veränderungen zu verhindern, positive Weiterentwicklungen eines Landes zu verhindern, dann würde es ja zum Gegenteil dessen führen, wofür es eigentlich gedacht war und gedacht ist. Daher ist diese Diskussion eine aufwendige und intensive Diskussion.

Wie ist sie zu führen?  Sie ist aus meiner Sicht transparent zu führen. Das heißt nicht, dass es nicht bei Verhandlungen auch immer Verhandlungsunterlagen geben wird, die die Verhandler auch im Interesse der Verhandlung nicht gleich zuerst in der Zeitung publizieren, um sich dann zur Verhandlung zu treffen. Das machen die Sozialpartner ja auch nicht, das ist bei Lohnverhandlungen nicht üblich, das ist auch bei anderen Verhandlungen nicht üblich. (Bundesrat Kneifel: Bei Koalitionsverhandlungen auch nicht!)

Ich nehme auch an, wenn Sie zwischen den Fraktionen etwas besprechen, werden Sie es nicht vorher den anderen zuschicken.

Was in einer Demokratie und in einer gemeinsamen Europäischen Union richtig und notwendig ist, ist, dass die Eckpunkte, wofür man eintritt, auch die Verhandlungs­schritte, was also der andere dazu sagt, politisch transparent sein müssen. Ich denke also nicht, dass es da um jedes Einzeldokument geht, sondern um die politische Transparenz. Die ist zu wenig gewährleistet. Wir wissen zu wenig, wie wir uns als Europäische Union auf diese, wie ich meine jahrelange, Diskussion vorbereiten müssen. Ich glaube nicht, dass das in ein paar Monaten vorbei ist. Ich glaube, dass so etwas zumindest ein, zwei Jahre dauert, wenn nicht sogar länger.

In der Diskussion müssen wir das klarmachen, was Sie auch in den gemeinsamen Erklärungen zum Ausdruck gebracht haben. Österreich in der Europäischen Union, mit der Europäischen Union muss stark genug sein, die Rolle zu spielen, auf die wir zu Recht so großen Wert legen! Wir brauchen die Daseinsvorsorge in unserem Land, also das, was wir die Sicherheit für Wasser, für Energie, für andere Produkte nennen, die Möglichkeit, eigenständige Entscheidungen zum Schutz dieser Daseinsvorsorge zu treffen.


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Wir brauchen die Möglichkeit, dass unsere Landwirtschaft, die sich sehr stark in Richtung biologische Landwirtschaft ausrichtet, unterstützt wird und nicht einen noch stärkeren Gegenwind – etwa von gentechnisch veränderten Lebensmitteln – bekommt, wie es in vielen anderen Ländern der Welt zu den falschen Standards gehört. Wir brauchen Rückenwind für erneuerbare Energien und Wasserkraft und nicht eine Stärkung der Atomlobbys  und weil wir da so viel gemeinsam vorhaben, wird das eine intensive Verhandlung, aber ich setze mich sehr dafür ein, dass es eine transparente Verhandlung wird. Daher bedanke ich mich für die Möglichkeit, auch heute bei Ihnen zu sein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

9.58


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Stellung­nahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte.

 


9.58.38

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon viel über TTIP gesprochen. Ich möchte auf den zweiten Punkt zuerst eingehen, auf Europas Sozial- und Umweltstandards, die ja heute auch Thema sind.

Ich glaube, Europa ist das größte Friedensprojekt aller Zeiten, und wir können auf diesen politischen Erfolg stolz sein. Leider ist die Europäische Union noch immer stark wirtschaftsliberal und zu wenig sozial und umweltorientiert, sozusagen in Richtung Umweltschutz und Ressourceneffizienz.

Wir in Österreich und ebenso viele andere europäische Staaten gingen im letzten Jahrhundert und bis heute den Weg der sozialen Marktwirtschaft – einer Markt­wirtschaft, der ein bisschen die Zähne gezogen wurden, wo es um die bessere Verteilung des gemeinsam Erwirtschafteten ging.

Spätestens seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind mit dem Buch des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ auch der Umweltschutz, die Natur sowie die Endlichkeit der Ressourcen in Diskussion gekommen, und die soziale Markt­wirtschaft wurde um eine ökologische und soziale Marktwirtschaft erweitert. Wir haben Umweltstandards aufgebaut beziehungsweise zum Teil erkämpft. Erinnern wir uns an die großen zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzungen! Ich nenne jetzt nur Hainburg oder auch das AKW Zwentendorf. Hier wurde einiges erkämpft, und auch in Österreich wurden einige sehr hohe Standards gesetzt.

Dieses Konzept der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft soll gewährleisten, dass weder die Menschen, die in diesem Land oder in Europa leben und arbeiten, aus­gebeutet werden, noch dass die Natur über das Maß hinaus ausgebeutet und zerstört wird, sodass die nächsten Generationen auch noch eine lebenswerte Umwelt vor­finden.

Nach der Finanzkrise und in Folge der Wirtschaftskrise in Europa, die zu Rekord­arbeitslosigkeit in vielen Ländern des Südens und dazu geführt hat, dass die Jugend keine Zukunft hat, dass Kinder mitten in Europa hungern müssen und Staaten so verschuldet sind, dass sie vor dem Bankrott stehen, wird selbstverständlich der Ruf nach billigeren Waren und billigerer Energie wieder lauter. Und immer unverschämter werden – das muss ich sagen – die Forderungen der Konzerne nach Lohndumping und billigerer Energie.


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Wir hören es in Europa wieder: Der Ruf nach Atomkraft als sauberster Energie ohne CO2 und dem Ausbau und Neubau von Atomkraftwerken, der Ruf nach Fracking, Schiefergasabbau beziehungsweise Schieferölabbau wird laut. – All das wollen wir eigentlich nicht, wenn wir von einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft reden.

Daher meine Forderungen: Wir brauchen in Europa eine gemeinsame Steuerpolitik mit fairen Mindeststandards und eine Finanztransaktionssteuer. Wir brauchen eine gemeinsame Sozialpolitik mit gemeinsamen Standards. Wir brauchen eine gemein­same Umweltpolitik, die ihren Namen auch verdient. Wir brauchen eine Energiewende in Richtung erneuerbarer Energie, und es wird sicherlich national wie auch europaweit großer Anstrengungen bedürfen, dieses Ziel zu erreichen. Wir brauchen eine europäische ökologische und soziale Marktwirtschaft, die politisch und demokratisch transparent und nicht von den Konzernen gesteuert wird. Wir brauchen das Diktat einer globalen Wirtschaft für unsere soziale Marktwirtschaft nicht!

Damit komme ich auch schon kurz zum Freihandelsabkommen mit den USA. Dazu ist schon viel gesagt worden. – Ich denke: Eine wichtige Stellungnahme zu diesem Frei­handelsabkommen war jene des Gemeinde- und Städtebundes, in welcher darauf hingewiesen wird, dass es ganz wichtig ist, dass die kommunalen Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge – Wasserversorgung, Abwasserentsorgung – gesichert werden und nicht Bestandteil des Freihandelsabkommens sind.

Energiepolitik, Umweltschutz, Gesundheitsschutz sowie gesunde und biologische Lebensmittel müssen unangetastet bleiben. Wir wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel in unseren Regalen, keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf unseren Feldern und auch kein gentechnisch verändertes Fleisch auf unseren Tellern.

Wir haben ein hoch differenziertes Rechtssystem und leben in einem funktionierenden Rechtsstaat. Wir brauchen keine Schiedsgerichte, vor denen Staaten geklagt werden und Investoren ihre Rechte gegen Gesellschaften und ihre Interessen gegen Umwelt- und Gesundheitsthemen durchsetzen können. Das brauchen wir nicht!

Wir wollen die hart erarbeiteten Standards einer ökologischen und sozialen Markt­wirtschaft weiterentwickeln und in die Welt exportieren, jedoch keine Gentechnik und unfaire Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen importieren. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.04


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Poglitsch. Ich erteile es ihm.

 


10.04.29

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann alles negativ sehen. Man kann alles auch in Grund und Boden reden, und man kann aus einer sonst normalerweise sachlich zu führenden Diskussion auch eine Hassdiskussion machen.

Man muss nur die Medien und die FPÖ betrachten und sich ansehen, was da in den letzten Tagen an Argumenten gekommen ist, damit wir dieses Freihandelsabkommen nicht abschließen sollen! Und ich habe es ja heute auch schon gehört: Es soll sogar einen Stopp der Verhandlungen geben! (Bundesrat Jenewein: Gehn S’ ham, gehn S’ schlafen!) Das heißt: Wenn es nach der FPÖ geht, dürfen wir nicht einmal mehr verhandeln!

Liebe Freunde, etwas muss man euch auch einmal ins Stammbuch schreiben: Ich glaube, ihr wisst nicht, wie wichtig die Exportwirtschaft für Österreich ist! Fast jeder zweite Euro wird hier in der Exportwirtschaft verdient, und zwar nicht nur von den


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Konzernen, sondern von den klein- und mittelständischen Unternehmen in diesem Land. Jeder dritte Arbeitsplatz wird in der Exportwirtschaft verdient.

Wenn man das Freihandelsabkommen einmal anschaut beziehungsweise durchliest und die positiven Aspekte heute herausstreicht, dann kommt man, wie ich glaube, sehr schnell zu dem Schluss, dass es auch viele positive Seiten daran gibt. (Bundes­rat Schmittner: Kennen Sie das Abkommen wirklich?)

Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns einig: Niemand – weder der Herr Bundes­kanzler, noch der Herr Vizekanzler oder der Wirtschaftsminister und auch nicht die Europäische Kommission – will eine Verschlechterung der Standards, die wir im Bereich der Lebensmittelsicherheit, im sozialen Bereich und im Umweltbereich haben. Das will niemand! Das ist allerdings ein Bereich der Verhandlungen, und ich traue der Europäischen Kommission und auch unserer Bundesregierung zu, dass wir das hineinverhandeln können.

Man darf jedoch nicht von vornherein schon sagen: Nein! Wir brauchen kein Frei­handels­abkommen! – Erklären Sie das bitte einmal den klein- und mittelständischen Unternehmen, die heute riesige Probleme haben, gewisse Hürden – speziell im außer­europäischen Exporthandel – zu überwinden! Das Ganze soll ja ein Vorteil – das fordere ich in diesem Zusammenhang auch ganz stark ein – für unsere klein- und mittelständischen Unternehmen sein und nicht nur für die großen exportorientierten Konzerne.

Es geht dabei nicht um einen neuen Handelsraum. Das wissen wir. Es befinden sich 830 Millionen Menschen in diesem großen Handelsraum. Es wird tagtäglich Handel zwischen Europa und den Vereinigten Staaten betrieben. 2 Milliarden werden tagtäglich auch im Export hin und her verschoben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute beträgt der Handelsüberschuss Österreichs in Richtung USA 2,7 Milliarden €. Das ist ja etwas! Und da ist viel Luft nach oben drin. Aber wir müssen die Barrieren beseitigen, und dazu dient ein solches Frei­handelsabkommen.

Aber es ist natürlich das Leichteste, ständig etwa diese Chlorhühner oder Genfleisch in den Vordergrund zu stellen. Man kann natürlich alles in Grund und Boden reden. – Das werden wir aber seitens der ÖVP nicht tun, sondern wir fordern in diesem Zusam­menhang ordentliche Verhandlungen, und diese finden auch statt.

Außerdem haben wir ja gehört: Auch im Bereich der Transparenz hat sich jetzt einiges getan. Verhandlungen wurden ausgesetzt, Bürger werden informiert. Und allein die Tatsache, dass wir im Parlament, im Nationalrat und heute im Bundesrat, darüber diskutieren, gehört ja auch zur Transparenz. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist auch ein Aspekt!) Jeder kann seine Kritik und negativen Gedanken dazu einbringen. Aber das, was die Freiheitliche Partei tut, wenn sie etwa verlangt, dass gleich die Verhandlungen gestoppt werden, das schlägt wirklich dem Fass den Boden aus! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wieso boykottiert man denn die Verhandlungen? (Zwischenruf der Bundes­rätin Michalke.) Wenn man gegen jede Veränderung wäre, dann dürfte man überhaupt keinen inter­nationalen Handel mehr zulassen. Ihr seid gegen jede Veränderung. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Erklärt das einmal unseren Firmen draußen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde heute auch schon angesprochen, dass das Bruttoinlandsprodukt steigen wird. Wie hoch wird es dann sein? – Das werden wir sehen! Aber es wird steigen. (Bundesrat Schmittner: Das kann man doch nicht vorhersagen!)


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Wir wissen auch – das ist in Berechnungen niedergeschrieben –, dass es 20 000 neue Arbeitsplätze geben wird. Die Bundesregierung müht sich jeden Tag ab, damit sie Arbeitsplätze sichert, und in diesem Zusammenhang könnten 20 000 neue Arbeits­plätze geschaffen werden. Das ist jedoch für die Freiheitliche Partei auch wieder nicht in Ordnung. Da kann euch kein Wirtschaftler in Österreich mehr verstehen.

Ich würde also sagen: Geht in euch! Lassen wir einmal verhandeln! Lassen wir die Europäische Kommission verhandeln! Seien wir nicht gegen Veränderungen! Schauen wir uns dann das Ergebnis an, das auch im EU-Parlament noch beschlossen und in den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Und dann können wir sagen: Nein oder Ja! (Bundesrat Jenewein: Der Münchhausen der ÖVP!)

Aber zu Verhandlungen jetzt schon Nein zu sagen, das ist in Wahrheit eine richtige Frechheit gegenüber der Wirtschaft in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.08


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jenewein. Ich erteile es ihm.

 


10.09.10

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Ausführungen meines direkten Vorredners eingehe, möchte ich noch ein Wort zum Bundeskanzler sagen, der in seinen Ausführungen ja ganz freundlich fallengelassen hat, dass wir uns in Richtung Russland anbiedern.

Sie wissen ja, Herr Bundeskanzler: Der eine sozialistische Kanzler küsst die russische Erde und sagt Heimaterde dazu. Und im Jahr 2014 küsst der andere Bundeskanzler, ebenfalls ein sozialistischer Bundeskanzler, Wladimir Putin und umarmt ihn. Dennoch ist für Sie unsere Vorgangweise, dass die FPÖ nämlich eine unabhängige Linie von den USA fordert, eine Anbiederung an Russland.

Können Sie sich eigentlich noch in den Spiegel schauen? Ihr Vorgänger küsst die russische Erde.  Und Sie unterstellen uns hier, dass wir uns an Russland anbiedern! Wissen Sie, Herr Bundeskanzler: Das ist skurril! Das ist wirklich skurril!

Noch dazu berät Ihr Vorgänger heute Weißrussland, und der andere sozialistische Kanzler berät heute Russland. Vielleicht wissen Sie das ja, vielleicht ist gerade Herr Schröder derjenige, der Wladimir Putin in seiner Außenpolitik berät. Vielleicht erklären Sie uns das einmal! Sie sind diesbezüglich ja offenbar sehr gut informiert.

Aber um zum Thema zu kommen, möchte ich gleich auf Herrn Kollegen Perhab eingehen. Als nämlich meine Kollegin Mühlwerth gesprochen hat, ist der nette Zwi­schenruf gekommen: Ja, das ist so wie seinerzeit bei dem Schildlausjoghurt von Jörg Haider! – Das war doch von dir, nicht wahr, Herr Kollege?

Ich darf darüber informieren, was man erfährt, wenn man sich ein bisserl mit der Thematik beschäftigt und Medienstudium betreibt: Gestern, am 14.5., berichtet der ORF – du hast ja dein iPad vor dir liegen, und du findest das auch auf der ORF.at-Seite –, nämlich eine gewisse Frau Gaby Konrad, Journalistin des ORF, unter dem Stichwort „EU konkret“, darüber, wie es eigentlich ausschaut, ob denn das von Jörg Haider im Jahr 1994 zitierte Schildlausjoghurt jetzt wirklich auf dem Markt ist oder nicht, und sie kommt zu dem Schluss: Selbstverständlich gibt es diesen Stoff in Pro­dukten, was im Jahr 1994 hingegen nicht der Fall war! Mittlerweile läuft dieser Stoff unter dem schönen Titel „E 120, Echtes Karmin“, und man findet diesen selbst­ver­ständlich in Milchprodukten, er war früher in Österreich verboten und ist heute zuge­lassen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 27

Schau bitte nach! Es ist alles abrufbar, und bevor man Zwischenrufe macht, sollte man sich vielleicht ein bisserl informieren, denn intelligente Menschen sollten sich nicht selbst solche Eigentore schießen! Das hast du dir nicht verdient, und das haben wir alle uns nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Intelligente Menschen nehmen auch einen wohlmeinenden Rat zur Kenntnis und versuchen nicht, diesen halbpolemisch zu kommentieren.

Aber um ins Thema zu gehen: Es ist eine prinzipielle Frage, ob wir als Parlamentarier wirklich akzeptieren können – wir haben gestern im EU-Ausschuss darüber gesprochen, ich habe es gestern im EU-Ausschuss gesagt, und ich sage es auch hier heute im Plenum –, dass wir es mit einer Verhandlung zu tun haben, bei welcher die Dokumente geheim sind und keiner diese kennt, weder die Parlamentarier in Österreich noch die Parlamentarier in den anderen europäischen Staaten. Es gibt Fortschrittsberichte, ja, diese gibt es, aber wir müssen uns darauf verlassen, dass das, was in diesen steht, stimmt, denn die Originaldokumente sind nicht einsehbar und geheim.

Ich sage Ihnen hier vom Rednerpult aus als österreichischer gewählter Mandatar: Das ist eine völlig unzulässige Vorgehensweise. Dagegen verwahre ich mich! Und damit ist für mich schon der Punkt erreicht, dass ich sage: Auf dieser Basis und auf diesem Niveau kann es keine Verhandlungen geben! Das sind keine Verhandlungen auf Augenhöhe, sondern hier steht ganz einfach der Verdacht im Raum, dass man irgendwo im stillen Kämmerlein etwas ausmauscheln möchte, und das können wir so nicht akzeptieren!

Wir brauchen ja jetzt nicht das Rad neu zu erfinden, sondern wir müssen nur in die Vergangenheit schauen, wie das damals gelaufen ist. Schauen wir uns das NAFTA-Abkommen, das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada, an, das es seit 20 Jahren gibt. Seinerzeit wurde den Mexikanern, die schon damals mit einer relativ schwachen Volkswirtschaft ausgestattet waren, mitgeteilt, dass durch dieses NAFTA-Abkommen alles besser werden und sich alles zum Positiven entwickeln wird. – Heute wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Den prekären Dienst­nehmern in Mexiko geht es heute deutlich schlechter als noch vor 20 Jahren.

Abschließend noch ein Satz, weil mein Vorredner über die Exportchancen der Republik gesprochen hat: Österreich exportiert heute im Wert von 11 Milliarden USD in die USA. Das ist heute in etwa das Exporthandelsvolumen österreichischer Unternehmen in die USA. – Nur zum Vergleich: Der US-Konzern Monsanto, der selbstverständlich durch dieses Abkommen auch den Fuß in die Tür der Europäischen Union bekommen wird, hat einen Jahresumsatz von knapp 12 Milliarden USD. Das heißt: Ein Konzern wie Monsanto schert sich einen Dreck darum, wie es den österreichischen Arbeitnehmern geht, und er schert sich einen Dreck darum, wie die Bedingungen wie etwa die Um­welt­standards in Österreich und in der Europäischen Union sind. Der sieht hier nur einen großen Markt und große Investitionsmöglichkeiten.

Solche Unternehmen werden mittelfristig den Weg in die Europäische Union finden, und dagegen sind wir, und deswegen haben wir gestern den Antrag im Ausschuss gestellt, dieses Abkommen abzubrechen. Alle Parteien haben dagegen gestimmt. Wir waren dafür, und wir werden das auch weiterhin sein. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 28

10.14.51

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch einmal einen Schritt zurückgehen und schauen, wie dieses Freihandelsabkommen verhandelt wird.

Ich glaube, es ist zunächst vollkommen gleichgültig, ob man grundsätzlich gegen ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ist oder ob man es für eine Supersache hält, dass es ein Freihandelsabkommen gibt.

Wir alle haben vor zirka zwei Jahren ACTA erlebt. ACTA wurde genauso verhandelt, nämlich hinter verschlossenen Türen. Man wusste nicht, wer verhandelt. Es wurde dann natürlich geleakt, das schon, aber man wusste ursprünglich nicht, wer verhandelt, und niemand, kein Parlamentarier und keine Parlamentarierin, egal ob auf euro­päischer Ebene oder auf nationalstaatlicher Ebene, wurde irgendwie informiert.

Zu Recht hat das Europaparlament Nein zu ACTA gesagt, denn heute, in Zeiten, in denen wir Transparenz, Informationsfreiheit beziehungsweise Transparenzgesetze diskutieren – die wir leider in Österreich noch nicht haben, aber in anderen euro­päischen Staaten –, kann man in dieser Form nicht verhandeln.

In diesem Punkt verstehe ich im Übrigen weder die Europäische Kommission, die offensichtlich nicht aus ACTA gelernt hat, noch verstehe ich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, denn wenn die USA aus guten Gründen ein Inter­esse daran haben, dass es ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union gibt, dann müssen sie ja auch die Zeichen der Zeit erkannt haben, dass nämlich jetzt der Wunsch besteht, gemäß demokratischen Mitteln informiert zu werden und mit zu diskutieren, und dass es den Drang gibt, teilzunehmen, seine Meinung abzugeben und eine öffentliche Diskussion zu führen. In Anbetracht dessen verstehe ich tatsächlich nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Form eine Geheimhaltung vornehmen wollen: Nicht nur wir bekommen nämlich die Verhandlungspapiere nicht – sondern lediglich Positionspapiere –, sondern auch die Senatoren und Senatorinnen der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch diese bekommen diese Information nicht.

Wenn man in den USA und in der Europäischen Union sagt, dass wir keine gelenkten Demokratien wollen, wie es diese zum Beispiel in Russland gibt, dass wir keinen Staatskapitalismus wollen, der auf Menschenrechte pfeift, wie es China praktiziert, sondern dass wir einen liberalen Rechtsstaat demokratisch aufrechterhalten wollen, dann müssten wir erst recht zusammen sagen: Wir wollen gemeinsam für Transparenz sorgen, wenn wir gemeinsam verhandeln! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundes­räten der FPÖ.)

Ich verstehe nicht, dass das in diesem Fall nicht möglich war! Und ich bin Ihnen auch dankbar für das Beispiel Vattenfall, weil es natürlich genau im Zusammenhang mit dem Leistungsschutz das beste Beispiel ist, das man erzählen kann. Vattenfall klagt Deutschland in Höhe von 3,7 Milliarden €, indem argumentiert wird, dass man dort demokratisch einfach bestimmt hat, aus der Atomkraft auszusteigen.

Ich möchte Ihr Beispiel jetzt noch zuspitzen: Das bedeutet in Wahrheit das Ende der Demokratie! Wenn nämlich ein Konzern und ein paar Schiedsrichter, die nicht einmal Richter sein müssen, hinter verschlossenen Türen entscheiden, ob ein Staat aus der Atomkraft aussteigen kann oder nicht, dann können wir – das hat Herr Kollege Jenewein gestern recht gut im Ausschuss gesagt – die Parlamente zusperren. Wir müssen also besonders gut aufpassen, in welche Richtung und in welche demo­kratische Zukunft wir – gemeinsam mit den USA – gehen wollen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 29

Ich möchte allerdings auch dieses Vorurteil, dass es nur um amerikanische Konzerne geht, ein bisserl konterkarieren. Ich glaube, dass jeder Konzern, wurscht ob ein ameri­kanischer Konzern oder ein europäischer Konzern, immer versuchen wird, Standards zu unterlaufen und jede Lücke suchen möchte, um Standards, seien es Umwelt­standards, seien es Sozialstandards, unterlaufen zu können.

Deswegen stellt sich gerade jetzt – und das wird sich auch am 25. Mai mit ent­schei­den – die Frage: Ist die Europäische Union eine Sozialunion, ja oder nein? – Bis jetzt ist die Union noch zu wenig. Wir brauchen einen europäischen Mindestlohn, wir brauchen einheitliche europäische Arbeitslosenversicherungen, Sozialhilfegrundlinien, Rehabilitationsleistungen, Gesundheitsleistungen, Pensionsleistungen und so weiter.

Ich möchte auch Beispiele von österreichischen Firmen nennen, die österreichische Sozialstandards unterlaufen. Es sind nicht nur die Amerikaner, die das tun. Wenn man in einem österreichischen Zug sitzt und sich vom Cateringservice dort einen Kaffee bringen lässt, dann handelt es sich beim Personal um Leute, die in Ungarn angestellt sind. So ist das! Scheinsubunternehmer in Györ gibt es zuhauf, und diese arbeiten ausschließlich auf österreichischen Baustellen.

Österreich hat sehr gute Sozialstandards und gilt als Best-Practice-Beispiel dafür. Aber auch diese werden innerhalb der Europäischen Union unterlaufen.

Oder die 24-Stunden-Pflege ist auch immer ein sehr gutes Beispiel, wo Menschen mit rumänischen Gehältern angestellt werden.

Wir müssen als demokratisch gewählte Vertreterinnen und Vertreter darauf achten, dass Sozialstandards nicht so leicht unterlaufen werden können, sondern dass sie allgemein gültig sind, vor allem und zumal gemeinsam in einer Europäischen Union, die genau dafür geschaffen worden ist, dass wir gemeinsame Standards etablieren. Im Sozialen hinken wir noch weit hinten nach. Das entscheidet sich auch am 25., inwieweit sich die Europäischen Union zu einer Sozialunion entwickeln wird. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

10.20


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Zelina. Ich erteile ihm dieses.

 


10.21.05

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Danke, Herr Präsi­dent, für das Wort. – Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Mitglieder des Bun­desrates! Sämtliche Freihandelsabkommen und Schritte zur Liberalisierung des Welt- und Außenhandels sind für die Wirtschaft grundsätzlich positiv zu betrachten. Jeder Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen bringt mittel- bis langfristig gemäß dem Gesetz der komparativen Kostenvorteile Wohlfahrtsgewinne für alle beteiligten Außenhandelspartner.

Kurzfristig sind in einigen Ländern nach Einführung von Freihandelsabkommen ge­wisse Strukturanpassungen notwendig, die zu Nachteilen gegenüber wettbewerbs­fähigeren Ländern führen, solange notwendige Reformen nicht angegangen werden.

Produkte, welche man im eigenen Land mit im internationalen Wettbewerbsvergleich geringeren Arbeits- und Herstellungskosten produzieren kann, soll jedes Land selbst erzeugen und dann exportieren. Alle anderen Produkte, bei welchen man nicht die günstigsten Herstellungskosten hat, sollen aus anderen Ländern, die diese Produkte günstiger produzieren können, importiert werden.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 30

Durch internationale Arbeitsteilung und Spezialisierung auf Nischenmärkte und Quali­täts­produkte entstehen letzten Endes für alle Handelspartner Wohlstandsgewinne, da jeder ohne Behinderung durch staatliche Einfuhrverbote immer die weltweit günstigsten Produkte erwerben kann. Investitionsschutzvereinbarungen zwischen Staaten und Investoren haben ihre Berechtigung, da ansonsten viele Großinvestitionen in Aus­landsmärkte oder auch Entwicklungsländer gar nicht zustande kommen würden.

Investoren haben das Recht, sich gegen politische Länderrisiken und politische Willkür abzusichern. Denken Sie auch daran, was österreichische Unternehmen, die stark in Osteuropa investiert haben, in den letzten Jahren an politischer Willkür erlebt haben, Ungarn et cetera!

Niemals jedoch dürfen Investitionsschutzvereinbarungen und internationale Schieds­gerichte die Rechtsstaatlichkeit gerichtlicher Souveränität und damit die Demokratie völlig aushebeln. Das muss sichergestellt werden.

Aufgabe der EU-Kommission wäre es, die EU-Mitgliedstaaten und -Bürger in trans­parenter Weise über Verhandlungsziele und Verhandlungsfortschritte zu informieren. Verhandlungen der Großkonzerne und Großbanken unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne Beteiligung der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments und damit ohne demokratische Kontrolle sind nicht tolerierbar.

Der Geldmacht der internationalen Investoren muss immer eine gleichwertige demo­kratische Gegenmacht aus echten Bürgervertretern gegenüberstehen. (Bundesrat Füller: Frank Stronach!)

Vergessen wir nicht, mit TTIP, der Transatlantic Trade and Investment Partnership, wird quasi eine Wirtschafts-NATO errichtet, deren Investitionen und Eigentum durch die militärische NATO beschützt werden.

Wenn Bündnisse weltweit zu mächtig werden, werden sie zur Bedrohung der Weltge­meinschaft, und das kann auch die Freiheit der Bürger gefährden. Wir sprechen hier von einem Wirtschafts- und Militärblock, der 50 Prozent der Weltwirtschaft auf sich vereint. Wir brauchen ein Gleichgewicht der globalen Mächte. Monopole sind nie gut für die Bürger. Die demokratischen Bürgerparlamente müssen immer als Macht­regulativ und Machtkontrolle den Kapitalmächten der Großkonzerne und Großbanken gegenüberstehen.

Die angestrebte Harmonisierung von Standards sollte sich nicht an den jeweils nied­rigsten Standards der Einzelstaaten, sondern an den qualitativ höchsten Standards orientieren.

Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Lebensmittel, für mit Chlor des­infizierte Nahrungsmittel und unter Einsatz von Wachstumshormonen erzeugtes Fleisch müssen bestehen bleiben.

Die Gasförderung mittels Fracking darf sich nur durchsetzen, wenn sämtliche Umwel­trisiken kalkulierbar sind.

Entschädigungszahlungen an Konzerne für Staaten, die aus der Atomenergie aus­steigen wollen, dürfen nicht den Steuerzahler belasten und sollte es daher gar nicht geben.

Arbeitnehmerrechte zur Vereinigung und Interessenvertretung via Gewerkschaften müssen bestehen bleiben.


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Wir müssen uns klar sein, dass TTIP die Spielräume nationaler Regierungen drastisch reduziert. Auch die Regulierungsmöglichkeiten des Staates, wie etwa die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen oder die Zulassungen von Schulen und Unis, könnten eingeschränkt werden.

Noch einmal: Zu viel Macht in wenigen Händen ist nicht gut und war nie gut für die Menschheit. Die Erhaltung der Gewaltenteilung und die Erhaltung des Gleichgewichts der Mächte zwischen Finanzkapital auf der einen Seite und demokratisch gewählter bürgerlicher politischer Macht auf der anderen Seite muss bei sämtlichen TTIP-Verhandlungen unsere Priorität sein. Die nationalen Parlamente und das EU-Parla­ment gehören zwecks Transparenz und demokratischer Kontrolle intensiv in die TTIP-Verhandlungen zwischen EU-Kommission und US-Regierung eingebunden. – Danke schön.

10.27


Präsident Michael Lampel: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


10.27.56

Bundeskanzler Werner Faymann: Ich bedanke mich für die Diskussion und kann vieles unterstreichen. Ich möchte nur auf zwei, drei Argumente eingehen.

Ich hatte bei der Diskussion das Gefühl, dass viele versucht haben klarzumachen, unter welchen Bedingungen sie eine Verbesserung der ohnehin schon bestehenden Handelsbeziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten wollen, und natürlich, so wie ich auch, gemeint haben, dass wir Sorge dafür tragen müssen und sehr darauf zu achten haben, dass es sich um eine Verbesserung der Beziehungen handelt und nicht um eine Verschlechterung. Ausgenommen ist natürlich Herr Jenewein. Aber jemand, der, wenn ein Bundesratskollege hier über die Sorgen der Unternehmer spricht, hineinruft: „Gehn S’ ham, gehn S’ schlafen!“ (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein), der hat diese Art von Witzigsein, die ich peinlich finde. Angenehm war, dass die jungen Leute schon draußen waren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wissen Sie, Respekt ist eine Grundvoraussetzung in allen Gremien (neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Jenewein), und auseinandersetzen sollte man sich mit Argumenten. Und das möchte ich mit einem Argument von Ihnen, nämlich jenem zu Großkonzernen, tun.

Auch ich bin über viele Entwicklungen besorgt, etwa darüber, dass Großkonzerne, insbesondere auch Konzerne, die gar nichts produzieren und auch gar nicht im Dienstleistungsbereich tätig sind, sondern etwa nur im Finanzmarktbereich, stärker sind als die Demokratien, als demokratisch gewählte Politikerinnen und gewählte Politiker. Diese werden mit deutlich schwächeren Instrumenten ausgestattet, in einer so internationalen Marktwirtschaft, in einer Gesellschaft, die immer globalisierter wird. Das ist auch meine Sorge.

Da frage ich inhaltlich: Ist dem ein Abschotten von anderen europäischen Ländern mit gleicher Wertehaltung entgegenzuhalten, oder ist dem eine gemeinsame europäische Entwicklung und darüber hinaus eine gemeinsame Entwicklung mit anderen Demo­kratien entgegenzuhalten, die auch etwas übrig haben für Instrumente der Kontrolle von Konzernen? Ich bin der inhaltlichen Überzeugung, dass jemand, der geistig einen Zaun um ein Land bauen möchte und eher auf Modelle setzt, gegen alles zu sein und sich abzuschotten, überhaupt nicht in der Lage ist, das zu erreichen, was wir gemein-


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sam anstreben, nämlich eine Kontrolle von Finanzmärkten, eine Kontrolle bei sozialen Standards, eine bessere Entwicklung von Arbeitnehmerrechten überall auf der Welt, eine stärkere Entwicklung von umweltpolitischen Bereichen oder eine stärkere Entwicklung in anderen Bereichen, wie etwa Nahrungsmittelsicherheit.

Es ist die Solidarität einer gemeinsamen Vorgangsweise, die ich als stark genug emp­finde, sich diesen Entwicklungen entgegenzusetzen. Daher setze ich nicht auf sektiererische Lösungen, sondern auf Lösungen der Gemeinsamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Die sind anstrengender und nicht immer erfolgreich. Demokratien und Länder, die zusammenarbeiten, brauchen oft mehr Zeit, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, als sie jemand hat, der auf diese Demokratie keinen Wert legt und diese Regeln nicht einhält. Aber ich bin ein überzeugter Demokrat und davon überzeugt, wenn wir auch gegenüber den Vereinigten Staaten und gegenüber jenen Ländern, die weltweit auf dem Markt tätig sind, die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern, die Interessen von Landwirten, die sich in der biologischen Landwirtschaft stark gemacht haben, die Interessen von Menschen, denen die Umwelt der nächsten Generationen und die Verbesserung der Umweltvoraussetzungen etwas bedeuten, vertreten, wenn uns das wichtig ist, dann wird diese Wahl zum Europäischen Parla­ment eine der nächsten Etappen sein, die darüber entscheidet (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein), ob wir stärker werden in dieser Gemeinsamkeit und das Europäische Parlament ernst genommen wird, stärker wird und gestärkt auch diese Möglichkeiten hat.

So empfinde ich auch den Großteil der Debattenbeiträge hier im Haus, es geht nicht darum, etwas einfach abzulehnen, weil man eine Freude an der Ablehnung hat, sondern um ein Ringen um bessere Lösungen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.33


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die abschließen­de Stellungnahme.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.33.29Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Michael Lampel: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2744/AB und 2745/AB (siehe S. 9) beziehungsweise

jenes Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung von Dipl.-Ing. Andreas Thurner als österreichisches Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:


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*****

 

 



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Präsident Michael Lampel: Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt den Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden:

ORF-Jahresbericht 2013 gemäß § 7 ORF-Gesetz, zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

Strategische Jahresplanung 2014 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monats­pro­gramms der irischen, litauischen und griechischen Präsidentschaften, zugewiesen dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur,

37. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2013), zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen,

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2013, zuge­wiesen dem Wirtschaftsausschuss.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Michael Lampel: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 196/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunftsperspektiven“ eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 196/A-BR/2014 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag, den Antrag 196/A-BR/2014 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 196/A-BR/2014 ergänzen und als 18. und letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.


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Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen Antrag 196/A-BR/2014 der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parlamen­tarischen Enquete auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Michael Lampel: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 11 und 12 sowie 13 bis 17 unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Nein, das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ich darf ganz herzlich in unserer Mitte Frau Bundesministerin Dr. Sophie Karmasin begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

10.37.511. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungs­geldgesetz geändert werden (87 d.B. und 116 d.B. sowie 9166/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich bitte um den Bericht.

 


10.38.13

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich den Antrag stellen.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Michael Lampel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Angela Stöckl. Ich erteile es ihr.

 


10.39.09

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja zum Kind, ja zur Familie! Unsere Kinder sind die Basis für die Zukunft unseres Landes, und ich denke, wir sollten ihnen besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen.

Österreich ist ein familienfreundliches Land, und wir wollen für unsere Kinder ein Familienpaket, das den Familien dort unter die Arme greift, wo sie es benötigen, ihnen aber auch die Freiheiten lässt, die sie brauchen.


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Die Bandbreite an Familienmodellen beziehungsweise das, was jeder Einzelne von uns unter dem Begriff Familie versteht, ist im 21. Jahrhundert weit gefasst. Es gibt verschiedene Familienmodelle, und ich denke, es ist unsere Aufgabe, für jede Form der Familie die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wir wollen Österreich innerhalb der nächsten zehn Jahre zum familienfreundlichsten Land Europas machen. Mit der Erhöhung der Familienbeihilfe ab Juli 2014 erfolgt ein weiterer wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Die Familienbeihilfe ist die meist­bezogene und wichtigste familienpolitische Leistung für alle Familien. Bis 2018 werden dafür 830 Millionen € investiert. Die Erhöhung erfolgt in drei Schritten: ab Juli 2014 um 4 Prozent, ab Jänner 2016 um weitere 1,9 Prozent und ab Jänner 2018 nochmals um 1,9 Prozent. Weiters wird der Zuschlag für erheblich behinderte Kinder gleichfalls ab Juli um 8,4 Prozent und in zwei weiteren Tranchen nochmals um jeweils 1,9 Prozent erhöht.

Ein weiterer Meilenstein wird ab Herbst mit der monatlichen Auszahlung gelegt, denn gerade für sozial schwache Familien beziehungsweise für AlleinverdienerInnen oder AlleinerzieherInnen ist es einfacher, die Familienbeihilfe monatlich einzuplanen und ausgeben zu können. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin selbst Mutter von drei Töchtern und weiß, mit welchen Schwierigkeiten das Vereinbaren von Familie und Beruf verbunden ist. Ich kann nur sagen, es ist jeden Tag aufs Neue eine Aufgabe – aber eine schöne Aufgabe. Ziel unserer zukunftsorientierten Familienpolitik ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und die Familien dabei zu unterstützen. Unsere Kinder stehen dabei stets im Zentrum unserer Entscheidungen. Es geht hier nicht nur um Familienpolitik, es geht um Kinderpolitik.

Ich darf auch aus Niederösterreich berichten. Niederösterreich ist erwiesenermaßen Familienland. Vieles haben wir in Niederösterreich bereits umgesetzt wie zum Beispiel die institutionelle Kinderbetreuung. In Niederösterreich hat jedes Kind ab zweieinhalb Jahren einen garantierten, fixen Kindergartenplatz. Seitens des Landes werden 2014 dafür 4 Millionen € aufgewendet.

Gerade die Familienpolitik trägt im Regierungsprogramm vielfach die Handschrift der ÖVP, und zwar beispielsweise beim Ausbau der Kinderbetreuung. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) 350 Millionen € stellt der Bund in den nächsten vier Jahren für die qualitative und quantitative Ausweitung unserer Kindergärten und Kinderkrippen zur Verfügung. Das Schulstartgeld in der Höhe von 100 € für die 6- bis 15-Jährigen sowie der Mehrkindzuschlag bleiben ebenfalls erhalten.

Ich denke auch an das zweite kostenlose Kindergartenjahr für die Vier- bis Fünf­jährigen, die es benötigen, denn der Spracherwerb vor Schuleintritt ist besonders wichtig dafür, dass die Kinder dem Unterricht folgen können und im Klassenverband integriert sind.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsgeldes zu einem flexibel nutzbaren Kinderbetreuungsgeldkonto. Dieses bringt unseren Familien ebenfalls mehr Flexibilität. Die Attraktivierung des Mutter-Kind-Passes ist eine weitere wichtige Maßnahme, ebenso wie die Elternbildung, die Familienberatung und letztend­lich auch die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.

Setzen wir die Arbeit für unsere Kinder und für unsere Familien fort! Mit der Schaffung des neuen Bundesministeriums für Familie und Jugend erhält die Familienarbeit mehr Wertschätzung in unserer Gesellschaft. Vor allem kann dadurch noch zielgerichteter und zukunftsorientierter gearbeitet werden, und zwar  das ist wichtig – im Dialog mit den Landesräten und den einzelnen Kommunen.


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Mit der Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes ist ein Weg in die richtige Richtung vorgezeichnet, obwohl es sicher noch viel zu tun gibt. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit für unsere Kinder, für unsere Jugend und letztendlich für unsere Familien. Blicken wir in eine kinder- und familienfreundliche Zukunft! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Inge Posch-Gruska. – Bitte.

 


10.44.36

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Kollegin Stöckl, zu Ihrer Aussage, dass die Kinderbetreuung in Niederösterreich so gut sei und jedes Kind einen Kinder­gartenplatz habe: Das mag wirklich stimmen, aber wichtig wäre die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und ein Platz in einem Kindergarten, der zu Mittag geschlossen wird oder kein Mittagessen bietet (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, das stimmt nicht!), hilft den Familien beziehungsweise den Müttern und Vätern leider überhaupt nicht. Da ist sicherlich noch etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt aber zurück zu unserem Thema: Frau Ministerin Karmasin, Sie haben im Nationalrat gesagt, das Thema Familie ist Zukunftsthema und Wirtschaftsthema. Ich habe das wirklich sehr, sehr positiv gesehen. Ich war aber der Ansicht, Sie meinen, dass die Wirtschaft da auch Verantwortung übernehmen muss. (Bundesrätin Zwazl: Das tun wir!)

Nach Ihrer gestrigen Aussage gegenüber der „Presse“ wurde ich eines Besseren belehrt, aber dazu vielleicht später. Ich möchte jetzt über das Thema Familie sprechen, weil es wirklich ein Zukunftsthema ist.

Der heutige Tag, der 15. Mai, der Tag der Familie, verdient sicherlich mehr Aner­ken­nung in der Gesellschaft. In die Familie gehört investiert, auch von Wirtschaftsseite, denn die Familie gehört in den Mittelpunkt gerückt. Mit der Unterstützung, die wir heute beschließen, geschieht dies auch. 828 Millionen € für die Erhöhung der Familien­beihilfe sind wirklich eine sehr, sehr große Leistung und eine sehr, sehr große Unterstützung für die Familien. Wichtig ist auch, dass die Familienbeihilfe ab Herbst monatlich ausbezahlt wird, weil dadurch die Planbarkeit für die Familien wesentlich größer wird, was sicherlich auch sehr viel hilft. Die Erhöhung erfolgt in Zwei-Jahres-Schritten: 2014 wird um 4 Prozent erhöht, 2016 um 1,9 Prozent und 2018 nochmals um 1,9 Prozent. Das ist auch wirklich zu begrüßen und ein großer Fortschritt.

Die Aussagen, die im Nationalrat seitens der FPÖ gefallen sind, dass das nur 3 € pro Monat für die Familien sind, sind populistisch, und über den Populismus der FPÖ (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann man ja nachrechnen! Aber das ist nicht Ihre Stärke! Das ist nicht Ihre Stärke, das wissen wir!) – Sie können sich nachher zu Wort melden – haben wir uns hier leider schon öfters unterhalten müssen. Ich glaube, dass wir etwas, das den Familien wirklich hilft, nicht schmälern und nicht schlechtreden sollten.

Ich möchte auf einen weiteren Bereich eingehen, der meiner Meinung nach eine zumindest gleich große Bedeutung hat wie die finanzielle Unterstützung für unsere Familien. Diese ist sehr wichtig, aber die 380 Millionen €, die seitens des Familien­ministeriums für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen bereitgestellt werden, sind ebenfalls sehr, sehr wichtig und notwendig für die Familien, vor allem, wenn wir den internationalen Vergleich hernehmen, dass in Österreich stark in Geldleistungen


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investiert wird, wenn es jedoch darum geht, in die Kinderbetreuung zu investieren, sind wir leider bei den Schlusslichtern. Dieses Manko müssen wir beseitigen.

Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen: Es fehlen 350 000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige, und dieses Geld sollte auch dazu dienen, dies zu beheben. Für 70 000 Kinder gibt es Mängel bei den Öffnungszeiten; das habe ich zu Beginn schon erwähnt.

Wir bemerken auch an der niedrigen Geburtenrate in Österreich, dass Hand­lungs­bedarf besteht. Wir haben in Österreich im Durchschnitt 1,43 Kinder. Wenn wir das vergleichen: In Dänemark sind es 1,75 Kinder, in Schweden 1,9 Kinder und in Finnland 2,4 Kinder.

Sie, Frau Ministerin, haben bei der Festveranstaltung zu „30 Jahre Familienminis­terium“ – das war im Übrigen eine sehr, sehr gute Veranstaltung, dazu möchte ich Ihnen gratulieren – gesagt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Notwen­digkeit ist und ein Schwerpunkt Ihres Ministeriums wird. Es hat mich sehr gefreut, dass die Familienpolitik und vor allem die Schwerpunkte im Ministerium einen kräftigen und wichtigen Impuls erhalten werden. Das wird beziehungsweise würde – leider ist eine Ministerin schon verstorben – unsere beiden Ministerinnen, die das Familienministe­rium gegründet haben, Frau Ministerin Elfriede Karl und Frau Ministerin Gertrude Fröhlich-Sandner, sicherlich sehr, sehr freuen.

Es gibt aber auch langjährige Forderungen seitens der Kinderfreunde, der SPÖ-Frauen, aber auch der SPÖ, die Sie, Frau Ministerin Karmasin, ja auch erwähnt haben, und zwar die Forderungen nach dem Papa-Monat und nach der Väterkarenz, was sehr, sehr wichtig ist.

Frau Ministerin, ich möchte nur kurz aus Ihrer Rede im Nationalrat zitieren:

„Das heißt also, das Familienthema ist ein Zukunftsthema, und es ist letztendlich auch ein Wirtschaftsthema. Wenn wir es nicht schaffen, in diesem Bereich zu investieren und das Thema Familie in Österreich wieder stärker zu bedenken, kommen uns die Zukunft, unser Wohlstand und letztendlich unsere Lebensqualität abhanden.“ – Ich möchte das wirklich ganz, ganz klar unterstreichen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir die Wirtschaft bei dieser Frage eben nicht aus der Verantwortung entlassen dürfen.

Frau Ministerin Heinisch-Hosek hat in der vorigen Legislaturperiode, als sie Frauen- und Beamtenministerin war, bereits den Papa-Monat für alle, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, durchgebracht. Ich glaube, dass wir jetzt auch die Wirtschaft darum bitten und dazu auffordern müssen, den Papa-Monat einzuführen. Es hat eine große Kampagne für die Väterkarenz gegeben: „Echte Männer gehen in Karenz“. Diese Imagekampagne hat leider nicht die Erfolge gebracht, die wir brauchen, aber ich glaube, der erste Impuls war da und war wichtig.

Ein Teil der 380 Millionen € für Kinderbetreuung, die budgetiert sind, ist auch für betriebliche Maßnahmen bestimmt. Das ist eine dieser Säulen, die Sie erwähnt haben. Ich glaube, dass wir da der Wirtschaft sicherlich helfen können, Verantwortung zu übernehmen. (Bundesrätin Zwazl: Die Wirtschaft übernimmt schon Verantwortung!) Mag eh sein, aber ich möchte das trotzdem gerne sagen, weil es wirklich wichtig ist. (Bundesrätin Zwazl: ... aber zahlen musst du es auch!) – Frau Kollegin Zwazl, ich verstehe schon, dass Wirtschaft so ein Punkt ist, bei dem Sie anspringen. Für mich ist das Familie. Das ist keine Kritik, sondern ein Hinweis. (Bundesrätin Zwazl: Schau einmal, was wir alles tun! Nicht immer der Wirtschaft die Verantwortung zuschieben! Wer zahlt denn das eine Monat?) Ich habe nicht gesagt, dass ihr nichts tut. Es hat niemand gesagt, dass nichts getan wird, aber der Papa-Monat ist jetzt eine Auffor­derung und gehört jetzt wirklich umgesetzt.


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Sehr geehrte Frau Ministerin, es ist heute das erste Mal, dass Sie bei uns im Bundesrat sind, und ich habe mich wirklich schon sehr darauf gefreut. Ich habe den Eindruck, dass die Familienpolitik wirklich einen guten Weg einschlägt, dass die Vor­schläge, die Sie machen, sehr gut sind und dass vor allem die Politik, die gemacht wird, wirklich für die Familien gemacht wird, für Familien in vielen verschiedenen Lebens­formen, die alle abgedeckt werden müssen und für die Rahmenbedingungen benötigt werden.

Als Familiensprecherin meiner Fraktion freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen und glaube, dass es für unser Land sehr wichtig ist, dass die Forderungen für die Familien auch umgesetzt werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte Ihnen aber noch eines mitgeben: Der 1. Mai ist ein Staatsfeiertag. Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit. Der 1. Mai ist kein Relikt aus der Vergangenheit. (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

In Zeiten, in denen wir den Zwölf-Stunden-Tag diskutieren müssen, in Zeiten, in denen wir wieder eine Besteuerung des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes diskutieren müssen, in Zeiten, in denen von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Gehalts­zulagen von ArbeitnehmerInnen abgeschafft werden sollen, in solchen Zeiten ist der 1. Mai wichtiger denn je. Der 1. Mai ist der Tag der Gerechtigkeit für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, und wenn Sie sehen wollen, was das alles für Familien bedeutet und wie wichtig für Familien eine starke und gerechte Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenpolitik ist, besuchen Sie am 1. Mai das große Familienfest der SPÖ im Prater! (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der FPÖ. Bundesrat Jenewein: Da sind ja nur mehr 2 000 Leute!) Sie werden sehen, dass die Familien alle davon profitieren. Ich darf Ihnen noch ein Abzeichen schenken. (Die Rednerin überreicht Bundesministerin Karmasin ein Abzeichen.) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Monika Mühlwerth. – Bitte.

 


10.52.44

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja schön, wenn es im Bundesrat ab und zu auch Heiterkeit gibt. Man muss ja nicht immer alles so tierisch ernst nehmen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Ich freue mich, wenn ich Sie unterhalten kann! Ruf bei der ÖVP: Das ist ein ernstes Thema!)

Wir sind uns ja im Grunde genommen einig, dass wir alle für die Familien sind, nur bemerke ich jedes Mal in den Debatten, dass es da eben unterschiedliche Zugänge gibt. Frau Minister Karmasin, ich sage Ihnen schon, wir werden dieser Erhöhung der Familienbeihilfe zustimmen, aber wir wollen doch nicht vergessen, dass Sie den Familien, denen Sie jetzt geringfügige Erhöhungen geben, mit den zuletzt beschlos­senen Steuererhöhungen gerade eben erst das Geld aus der Tasche gezogen haben. Das heißt, die Familien zahlen sich eigentlich ihre Erhöhungen über die Steuer wieder einmal selber – und das nicht zum ersten Mal.

Bei der Familienbeihilfe ist auch nicht berücksichtigt worden – weil die Frau Kollegin von der SPÖ kritisch angemerkt hat, dass wir gesagt haben, es sei eine geringfügige Erhöhung; man kann es ja ausrechnen, es sind zwischen 4 € und 11 € pro Monat –, dass der Kinderabsetzbetrag nicht erhöht worden ist. Das heißt, die gefühlte Erhöhung für die Familien ist dadurch schon reduziert, dass der Kinderabsetzbetrag nicht erhöht worden ist.


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Die Familien sind uns ja allen wichtig, den Regierungsparteien „ganz besonders“ – die ÖVP ist ja immer die selbsternannte Familienpartei. Die Regierungsparteien haben aber seit 2002 die Familienbeihilfe nicht valorisiert. In diesem Zusammenhang geistert immer die Zahl 2008 herum. Das stimmt aber nicht: Im Jahr 2008 wurde die 13. Fami­lien­beihilfe eingeführt, das ist wohl richtig. Diese ist aber 2010 wieder abgeschafft worden. Stattdessen ist das Schulstartgeld von 100 € eingeführt worden, was aber natürlich eine Reduktion ist, weil es ja nur für Kinder von 6 bis 15 Jahren gilt. Das heißt, auch hier hat eine Reduktion stattgefunden, und von einer Valorisierung weit und breit keine Spur.

Weil ja gerade eben angesprochen worden ist, dass die Familien so wichtig seien, dass der 1. Mai, der Tag der Arbeit, abgeschafft werden soll, denn das sei ja die Vergangenheit, während die Familien die Zukunft seien, und daher solle das der Tag der Familie sein: Frau Minister, ein steuerfreies Existenzminimum für die Familien würde den Familien wesentlich mehr helfen als ein Feiertag, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich anschaut, was gerade die Vertreter der ÖVP im Wahlkampf für Versprechen gemacht haben beziehungsweise für Forderungen aufgestellt haben – etwa nach Valorisierung –, dann merkt man, dass nach der Wahl wie immer nichts davon übrig geblieben ist. Ich lese Ihnen, sozusagen als Gedächtnisstütze, ein paar Zitate vor.

Die ÖVP hat im Wahlkampf gesagt: Wir fordern die gesetzliche Verankerung der jähr­lichen Anpassung der Familienleistungen an die Inflation.

Frau Kollegin Tamandl sagt zu einem Antrag von unserer Kollegin Kitzmüller, dass es ihr sehr wichtig ist, dass die Familienbeihilfe in Zukunft valorisiert wird.

Karmasin im „Standard“ am 10. Jänner 2014: „Außerdem könnte es statt der geplanten Erhöhung künftig eine Valorisierung der Familienbeihilfe geben.“ Der „Standard“ fragt dann noch nach: „Also eine jährliche Anpassung an die Teuerung?“ – Und Sie, Frau Ministerin, sagen: „Jährlich wird sich aus Budgetgründen wohl nicht ausgehen. Es soll aber eine regelmäßige Valorisierung geben (...).“

Frau Kollegin Tamandl, Nationalratsabgeordnete der ÖVP, sagt am 10. Dezember 2013, dass Preise, Mieten, Gebühren und Löhne regelmäßig steigen, die Familien­beihilfe aber nicht. Sie geht vom 1. Jänner 2000 als Tag der letzten Erhöhung aus und meint daher, dass die Familienbeihilfe seit nahezu 14 Jahren unverändert 105,40 € pro Monat betrage. Und dann sagt sie das, was ja die Familien hautnah spüren: Im Jänner 2000 konnte man sich um eine Monatsrate Familienbeihilfe knapp 57 Kilo­gramm Brot kaufen, im Oktober 2013 sind es nur noch 36 Kilogramm. – Man sieht also, welchen Wertverlust die Familienbeihilfe durch die Inflation mittlerweile erfahren hat.

Auch die oberösterreichischen ÖVP-Frauen blasen in dasselbe Horn und sagen, sie wollen eine jährliche Inflationsanpassung. Ebenfalls interessant: Frau Abgeordnete Durchschlag hat auch ein steuerfreies Existenzminimum von 7 000 € pro Kind und die jährliche Inflationsanpassung aus Familienleistungen und Pflegegeld et cetera gefor­dert.

Und was ist gekommen? – Nichts ist gekommen! Wie immer! Wir sind ja gelernte Österreicher und wissen: Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl, und was vor der Wahl versprochen wird, wird nach der Wahl auf gar keinen Fall gehalten.

Aber, das muss ich auch ansprechen, wie es auch mein Kollege Darmann im National­rat gemacht hat, weil das ein Thema für die Menschen ist: Wir wenden 50 Millionen € pro Jahr für Kinder auf, denen wir die Differenz der Familienbeihilfe im Ausland auf den österreichischen Standard zahlen. 50 Millionen gibt der Staat für Kinder aus, die nicht


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in Österreich leben, deren Eltern aber in Österreich arbeiten. Das kann man sich viel­leicht in Zeiten, wo es uns gut geht, leisten. Aber in Zeiten, wo wir – beziehungsweise wo Sie – der eigenen Bevölkerung ununterbrochen sagen, dass wir kein Geld für eine Valorisierung der Familienbeihilfe haben, dass wir den Bürgern mehr Steuern ab­knöpfen müssen, obwohl wir die höchsten Lohnsteuereinkommen, die höchsten Steuern aus Einkommen seit Jahrzehnten haben, ist es falsch, dass wir uns einen solchen Luxus leisten. Das gehört gestoppt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Erhöhungen, die jetzt vorgenommen werden, sind Mini-Erhöhungen. – Ich nenne sie so und ich bleibe dabei, dass es Mini-Erhöhungen sind. In der Summe ist es natürlich viel Geld, das hier in die Hand genommen wird, weil wir Gott sei Dank noch Kinder haben, aber auf den Einzelnen gerechnet ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Trotzdem, ich sage immer noch, es ist natürlich besser als nichts, weil jeder Euro manchen Familien, vor allen jenen, die von Armut gefährdet sind, helfen wird. Durch die Nichtvalorisierung der Familienbeihilfe verlieren die Familien aber unter dem Strich bis 2018 trotz Erhöhung. Das sind ungefähr 700 € im Jahr, die die Familien dann letzten Endes trotzdem verlieren, und da habe ich die Steuererhöhungen und das alles noch gar nicht mit eingerechnet.

Auch die Wirtschaftskammer Österreich, also eine der ÖVP nahestehende Organisa­tion, hat in ihrer Stellungnahme ... (Bundesrätin Zwazl: Das haben alle wahlwerben­den ! Auch die Wirtschaftskammer!) – Ja, aber die Wirtschaftskammer gehört trotzdem euch, da könnt ihr sagen, was ihr wollt. (Bundesrätin Zwazl: Gott sei Dank!)

Die Wirtschaftskammer hat in einer Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf ge­schrieben: „Weiters darf nicht übersehen werden, dass die geplante Erhöhung der Familienbeihilfe ab Juli 2014 lediglich monatlich € 4 bis € 6 pro Kind“ – also, Frau Kollegin Posch-Gruska, andere können auch rechnen und kommen zu diesem Ergebnis (Bundesrätin Posch-Gruska: Ich habe nicht gesagt, dass es ein Rechen­fehler ist, sondern ein inhaltlicher Fehler!) – „und in weitere Folge ab 2016 und 2018 monatlich € 2 bis € 4 beträgt. Dies stellt weder eine wirkungsvolle Unterstützung für Familien dar, noch werden dadurch Menschen ermutigt eine Familie zu gründen.“ (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Also die Wirtschaftskammer hat sich der freiheitlichen Position angeschlossen und die Wirtschaftskammer – man kann ja davon ausgehen, dass eine Wirtschaftskammer rechnen kann – kann genauso gut rechnen wie die FPÖ; die Einzigen, die nicht rechnen können – aber diesen Beweis haben Sie schon öfter erbracht –, sind Sie von der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Gesetzentwurf wird daher der Armutsgefährdung der Mehrkindfamilien nicht entge­gen­wirken. Gerade die Mehrkindfamilien – das steht in jedem Armutsbericht immer wieder drinnen – sind natürlich am meisten gefährdet, die Armutsgefährdung wird dadurch nicht gestoppt werden.

Wie gesagt: Wir von der FPÖ sind für eine Erhöhung, man kann sagen, besser als nichts, jeder Euro zählt. Daher werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desminister Dr. Karmasin. – Bitte.

 


11.02.20

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich heute hier auf den ersten Besuch an diesem doch sehr wichtigen Internationalen Tag der Familie


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 43

am 15. Mai, der ja durchaus auch eine gewisse Bedeutung erreicht hat, weil ich gestern diesen Vorstoß angekündigt habe, einen Feiertag für Familien in Österreich zu etablieren, was mir wirklich ein Herzensanliegen ist. Und meine Ausführungen werden Sie hoffentlich ein wenig davon überzeugen, dass wir einen Feiertag für Familien brauchen, der auch jenseits der Familien liegt, die schon im Erwerbsprozess sind, nämlich jener Familien, die eben unentgeltlich zu Hause Kinder betreuen, ältere Menschen pflegen und auch einen Feiertag brauchen, genauso wie alle anderen Familien, mit dem ihnen gegenüber unsere Wertschätzung ausgedrückt werden soll.

Damit werden nicht Leistungen der Arbeiterbewegung diskreditiert oder der Tag der Arbeit in irgendeiner Weise abgewertet, ich bin nur der Meinung, dass wir diesen Familienschwerpunkt für die Zukunft brauchen und damit auch, unterlegt mit einem Feiertag, noch stärker in die Öffentlichkeit bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Politik – ich möchte das später kurz ausführen – ist jedenfalls eine der Partner­schaftlichkeit. Deswegen bin ich auch grundsätzlich froh darüber, dass wir diesen Diskussionsprozess starten konnten und über einen Familienfeiertag zumindest einmal nachdenken und darüber diskutieren. Auch wenn die Reaktionen sehr schnell blocka­deartig ausfallen, wäre ich dennoch froh darüber, wenn wir uns vielleicht auf einen Tag der Familien und Arbeit einigen könnten, weil ja letztendlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, so glaube ich, zentrales Zukunftsthema sein wird.

Aber, wie gesagt, Partnerschaftlichkeit steht da bei mir im Vordergrund; vielleicht erreichen wir hier einen Kompromiss.

Jetzt der Reihe nach: Familie ist für die Österreicher immer noch das wichtigste in allen Rankings der Lebensziele. 80 Prozent sagen uns, Familie ist ihnen das Wichtigste, sie wollen in einer Familie leben und auch Kinder großziehen. Leider sind wir in einer Gesellschaft – und das muss man schon dazusagen –, in einer hoch entwickelten Gesellschaft wie Österreich, die im Grunde in den meisten Gruppen dieser Gesell­schaft von Wohlstand geprägt ist, nicht in der Lage, diesen Kinderwunsch in die Realität umzusetzen.

Ich darf Ihnen die letzten Zahlen präsentieren: Nur 43 Prozent der Jungeltern, die sich in den letzten vier Jahren einen Kinderwunsch vorgenommen haben, die gesagt haben, wir wollen eine Familie gründen, konnten diesen auch umsetzen. Also nicht einmal jede zweite Familie hat ein Kind in die Welt gesetzt. Da frage ich mich schon: In welcher Gesellschaft leben wir, dass uns das über die Rahmenbedingungen nicht ermöglicht wird?

Das ist leider im internationalen Vergleich auch sehr sichtbar: Nur 31 Prozent der Österreicher sagen, wir leben in einem familienfreundlichen Land. In Dänemark sind es 90 Prozent. Unsere Vision ist es, Österreich zu einem familienfreundlicheren Land zu machen, vielleicht sogar zum familienfreundlichsten Land in Europa; das ist ein langer Weg, aber wir müssen uns hier ehrgeizige Ziele setzen.

Wie schaut dieser Weg aus? – Zum einen spielt natürlich das Thema Geld eine Rolle. Da sind wir heute in der glücklichen Lage, die Erhöhung der Familienbeihilfe zu beschließen, alle Details dazu wurden schon berichtet. Das ist sicher ein ganz wesentlicher Punkt. Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen: Die Gesamtsum­me der Erhöhung kann für eine Familie bis zu 1 500 € ausmachen; das ist sicherlich keine geringe Summe, gerade für Alleinerzieherinnen oder Mehrkindfamilien, wo ich ausgesprochen viel Verständnis dafür habe, dass wir da etwas unternehmen müssen, um diese Familien zu entlasten beziehungsweise ihnen aber auch die Möglichkeit zu geben, in den Erwerbsprozess einzusteigen. Das ist das zweite Thema, das ich später behandeln möchte: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 44

Aber noch einmal zurück zum Geld. Die Erhöhung der Familienbeihilfe ist ein ganz wertvoller Schritt, um den Familien zu signalisieren, es wird gerade in budgetär schwie­rigen Zeiten etwas für Familien unternommen. Und die Summe von 1,5 Milliarden €, die in dieser Legislaturperiode für Familien aufgebracht wird, ist, so glaube ich, in Zeiten eines Sparbudgets mehr als anerkennenswert. Vielen Dank für Ihre Unter­stützung in diesem Bereich. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Thema Geld möchte ich noch Folgendes ausführen: Natürlich ist das nächste große Projekt die Familiensteuerreform. Da haben wir ganz konkrete Ziele, die wir auch schon in den Arbeitsgruppen eingebracht haben. Ohne hier jetzt auf Details eingehen zu können, sind mir auf der einen Seite die Mehrkindfamilien, die Alleinerzie­herinnen und die Familien mit Armutsgefährdung ein besonderes Anliegen, auf der anderen Seite aber auch die Familien, wo beide Partner im Erwerbsprozess stehen und unter einer zu hohen Abgabenquote leiden. Die Stichworte „Steuerfreibeträge“ und „Kinderbetreuungsabschreibpositionen“ sind natürlich wesentliche Punkte, nicht nur bis zum zehnten Lebensjahr, vielleicht sogar länger. Darüber wird noch eingehend dis­kutiert werden.

Der zweite große Punkt betrifft die Vereinbarkeitsfragen. Das ist ein zentraler Punkt. Letztendlich geht es nicht nur darum, dass die Familien arbeitsfreundlicher leben und handeln müssen, sondern dass sich auch die Unternehmen auf ein familienfreund­licheres Klima einstellen müssen – nicht, weil wir der Wirtschaft etwas vordiktieren wollen, sondern weil es auch zum Wohle der Wirtschaft ist, wenn sie familienfreundlich agiert. Alle Studien belegen, dass Unternehmen, die familienfreundlich aufgestellt sind, die das Gütezeichen „familienfreundliches Unternehmen“ tragen, auch ökonomische Vorteile haben, in Bezug auf Krankenstandstage, Fluktuationszeiten, Loyalität und Kundenorientierung. Es ist ein ökonomischer und betriebswirtschaftlicher Vorteil, wenn man familienfreundlich wirtschaftet. Das kommt nicht nur der österreichischen Wirtschaft zugute, sondern natürlich auch den österreichischen Familien.

In Summe ist Familienfreundlichkeit ein Erfolgsmodell für das ganze Land, denn wenn die Menschen und die Unternehmen profitieren, dann profitiert unsere Gesellschaft. Das ist schon die Stoßrichtung, die ich verfolge, im partnerschaftlichen Sinne: Familienfreundlichkeit für die Menschen in diesem Land, aber auch als möglicher Wettbewerbs- und Standortvorteil für die österreichischen Unternehmen.

Noch einmal, um das zu wiederholen, ich bleibe dabei: Ein Familienfeiertag würde diesen Anspruch, diese Vision unterstreichen. Ohne einen anderen Feiertag herabzu­würdigen, fände ich es angemessen, zu diesem Zeitpunkt und für diese entscheidende Zukunftsfrage Österreichs einen Feiertag zu nominieren, der möglicherweise mit dem 1. Mai zusammenfällt oder ein eigener Feiertag wäre. Aber ich freue mich auf jeden Diskussionsprozess in diese Richtung. (Bundesrätin Kurz: Maria Himmelfahrt vielleicht!)

Abschließend noch ein paar Vorhaben, die wir planen. Wie Sie wissen, ist mir der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ein ganz großes Anliegen. 350 Millionen € werden da investiert, inklusive Sprach- und Entwicklungsstandförderung. Das sind ganz wesentliche Punkte, auch in der Qualität der Kinderbetreuung. Und da liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den 0- bis 3-Jährigen, wo wir in der Tat Nachholbedarf haben, um eben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen und vor allem Mehrkindfamilien oder auch Alleinerzieherinnen in ihrer finanziellen Unabhängigkeit zu stärken. Wie wir wissen, sind fast 50 Prozent der Alleinerzieherinnen, die nicht er­werbstätig sind, armutsgefährdet, das heißt, erste Priorität wäre es, auch Erwerbs­arbeit in einem gewissen Ausmaß zu ermöglichen.


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Also der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ist ein ganz wesentlicher Faktor. Darüber hinaus werden wir uns in den nächsten Monaten auch mit der Wirtschafts­kammer und mit allen Sozialpartnern darum bemühen, unternehmensfreundliches Wirtschaften zu entwickeln – zum Wohle beider Teile und zum Wohle Österreichs, um letztendlich ein familienfreundlicheres Österreich zu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


11.10.52

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu Hause vor den Computerbildschirmen! Eigentlich schade, dass Sie jetzt vor mir gesprochen haben, Frau Ministerin, denn Sie haben all die Argumente, die ich jetzt anführen wollte, vorweggenommen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Aber es freut mich, dass Sie das genauso sehen wie ich oder ich es genauso sehe wie Sie. Sie haben das wirklich ganz richtig und präzise auf den Punkt gebracht.

Die finanzielle Unterstützung ist die eine Sache, die andere Sache ist es aber, auch die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass es wieder attraktiver wird, Kinder in die Welt zu setzen. Ich bin selber junger Familienvater. Ich habe zwei Töchter im Alter von vier und fünf Jahren. Es ist tatsächlich nicht einfach, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Ich könnte diese Tätigkeit hier nicht ausüben, wenn mich meine Frau nicht massiv unterstützen und auch entlasten würde, aber dadurch hat sie Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Da sind wir sicher kein Einzelfall, da geht es Zigtau­senden ÖsterreicherInnen genauso wie uns.

Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache. Ich habe hier eine Statistik von 1952 bis 2012, wo man sieht, dass die Geburtenrate massiv im Sinkflug ist. (Der Redner hält ein Tablet in die Höhe. – Bundesrätin Mühlwerth: Das kann keiner lesen!) Die Vorred­nerInnen, die KollegInnen haben es schon gesagt, wir sind zurzeit bei ungefähr 1,43 Geburten pro Frau. Das ist doch ein sehr niedriger Wert. Natürlich – und das ist auch ein wesentlicher Aspekt, den Sie angesprochen haben, Frau Ministerin – ist es in einer Wohlstandsgesellschaft ein Nebeneffekt, dass eben weniger Kinder, aus welchem Grund auch immer, in die Welt gesetzt werden.

Aber der andere Aspekt ist, dass wir Rahmenbedingungen vorfinden, die für viele Familien nicht attraktiv sind. Wenn ich mir Kindergartenöffnungszeiten oder Beiträge, die zu entrichten sind, oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie anschaue, da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns. Da müssen wir wirklich noch sehr viele Meter machen.

Ich habe diese Woche in Oberösterreich an einer Podiumsdiskussion mit dem Herrn Außenminister und den Kollegen Rübig von der ÖVP und Weidenholzer von der SPÖ teilgenommen, in der es um die Freizügigkeit in der Europäischen Union gegangen ist. Wir wissen, dass wir eine bestimmte Zahl an Kindern brauchen, um unseren Wohl­stand und auch unsere Wirtschaft absichern zu können. Das ist Faktum. Jetzt ist eine der Möglichkeiten, hier auf die Karte des Zuzugs zu setzen, aber die zweite, viel sinnvollere Möglichkeit wäre, auch aus meiner Sicht, dass wir attraktivere Rahmen­bedingen für die Familien schaffen, sodass man sich wieder für Kinder entscheiden kann. Und da muss man auf vielen unterschiedlichen Ebenen ansetzen und den Blick für das Ganze haben. Damit meine ich: von der Krabbelstube über den Kindergarten bis hin zu den Schulen, wo die Öffnungszeiten teilweise auch suboptimal sind und aufgrund der Einsparungen das Angebot an Ganztagsschulen wieder zurückge­schraubt werden soll. Also da gibt es viele Dinge, die wir berücksichtigen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 46

Natürlich kann man jetzt über Zahlen, die in den Raum gestellt werden, diskutieren, ob die richtig oder falsch sind. Ich kann Ihnen nur jene nennen, die mir genannt worden sind. Da möchte ich ganz kurz drei Beispiele anführen. Eine Familie mit einem einjäh­rigen Kind erhält aktuell 105 € Familienbeihilfe, ab Juli 2014 109,7 €. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern im Alter von einem Jahr und vier Jahren bekommt aktuell 230,9 €, ab Juli 2014 240,4 €. Ein letztes Beispiel: Eine Familie mit drei Kindern im Alter von zwei, sieben und 20 Jahren bekommt 418,6 € Familienbeihilfe, ab Juli 2014 435,7 €.

Das sind in Summe gesehen große Beträge, aber ganz ehrlich, Hand aufs Herz: Die Familien werden das genauso spüren, wie wenn in China ein Rad umfällt. (Bundesrat Perhab: Na, na! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Das sind für die Familien selbst nicht große Beträge. Darum werden wir rein über die Erhöhung der finanziellen Beiträge das Problem nicht lösen können. Und darum bin ich Ihnen dankbar, dass Sie das wirklich erkannt haben und diesen Weg gehen werden. Unsere, meine Unter­stützung haben Sie diesbezüglich voll und ganz. (Beifall der Bundesrätin Schreyer.)

Einen anderen Punkt von Frau Kollegin Mühlwerth möchte ich noch aufgreifen, die leider jetzt nicht da ist, aber vielleicht richtet es ihr Frau Kollegin Michalke aus. Es hätte mich gewundert, wenn Sie die Gelegenheit ausgelassen hätten, um hier sozusagen auf die ausländischen Eltern oder Kinder einen Seitenhieb loszulassen. Faktum ist, dass alle Menschen, die in Österreich arbeiten, egal, ob mit Migrationshintergrund oder ohne, in den FLAF-Topf einzahlen. Und wenn sie in einen Topf einzahlen, haben sie auch die Anspruchsmöglichkeit, daraus Leistungen zu entnehmen.

Ich möchte, vielleicht ist es auch falsch, eine Anfrage aus dem Jahr 2011 von der FPÖ erwähnen, die vom zuständigen Minister beantwortet wurde. Diese besagt, dass 99,29 Prozent der Familienbeihilfe an im Inland lebende Kinder überwiesen worden sind. – Ich verstehe daher die Aufregung und dieses Spiel nicht, jetzt Inländer gegen Ausländer auszuspielen. Faktum ist, dass jeder, der in Österreich arbeitet, in den Topf einzahlt und daraus auch Leistungen bekommen sollte. Letztendlich leben auch ÖsterreicherInnen im Ausland, wo die Lebenshaltungskosten viel höher sind als in Österreich. Wenn man Ihre Logik fortsetzen würde, würde das ja bedeuten, dass wir dorthin Gelder überweisen müssten, um diese Differenz schließen zu können.

Letztendlich gibt es viele, viele unterschiedliche Stellungnahmen, die Ihnen sicher, geschätzte Frau Ministerin, nicht unbekannt sind, vom Katholischen Familienverband über die Diakonie, die Gewerkschaften, die Industriellenvereinigung, die Wirtschafts­kammer, den Rechnungshof, die ÖH und so weiter, die jeweils aus ihrer Perspektive die richtige und sachliche Kritik anbringen.

Weil Frau Präsidentin Zwazl immer wieder, wenn es um die Wirtschaft geht, hier ganz verteidigend ihre Stimme erhebt, teilweise auch zu Recht,  (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Lassen Sie mich einmal ausreden! – Die Wirtschaftskammer sagt auch zu Recht: Besser wäre es, auch steuerliche Erleichterungen zu ermöglichen, die Absetzbarkeit der Kinderbetreuung zu forcieren, Steuerfreibeträge einzurichten (Bundesrätin Zwazl: Genau!) und auch das, was wir uns, glaube ich, alle wünschen, nämlich den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Wenn wir das Ganze als ein Paket und nicht immer aus der Einzelperspektive betrachten, dann bin ich der Überzeugung, dass auch die Verbesserungen, die wir wirklich durchführen müssen, ganz spürbar und real bei den Familien ankommen werden und auch diese Kurve der Geburtenrate wieder nach oben gehen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 47

11.19.12

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Österreich mangelt es an Nachwuchs. Unsere Gesellschaft ist überaltert. Wirtschaftskrisen und steigende Arbeitslosigkeit verstärken den Trend zu weniger Kindern. Unsere Geburtenrate liegt nur noch bei 1,4 Kindern pro Frau. Österreich entwickelt sich immer mehr zum Altersheim Europas.

Um die Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung konstant zu halten, wäre eine Gebur­tenrate von 2,1 Kindern pro Frau notwendig. Eine alternde Bevölkerung mit zu geringer Geburtenrate und zu wenigen Kindern hat auch negative demographische Effekte auf das Wirtschaftswachstum und auf eine nachhaltige Pensionsfinanzierung. Eine sinkende Bevölkerungszahl führt zu Nachfragerückgängen und stagnierendem Wirt­schaftswachstum. Wenn wir Wirtschaftswachstum wollen, müssen wir unsere Gebur­ten­rate wieder erhöhen.

Im Sinne einer zukunftsorientierten Investitionspolitik, welche reale volkswirtschaftliche Werte schafft, sind Investitionen in Familie, in Kinder, in Frauenpolitik ganz klar Priorität Nummer eins von Team Stronach. Die Familie ist die kleinste wirtschaftliche Einheit unserer Volkswirtschaft. Jede Familie ist ein kleiner Familienbetrieb. Die privaten Haushalte machen durch ihre Konsumausgaben zwei Drittel unseres Bruttoinlands­produkts aus. (Bundesrat Schreuder: Familie ist aber schon ein bisschen mehr als Wirtschaft, oder?)

Vergessen wir nicht, 80 Prozent der unbezahlten Familienarbeit wird von Frauen erledigt. Unsere Mütter leisten in der Kinderbetreuung und Kindererziehung enormen volkswirtschaftlichen Nutzen und verrichten wesentliche Haushalts- und Familienmana­ge­mentaufgaben. Diese Leistung muss von unserer Volkswirtschaft auch ökonomisch entlohnt werden. Der Wert der unentgeltlichen Leistungen, der Frauenarbeit in öster­reichischen Familien beträgt pro Jahr 50 Milliarden €, berechnet nach Mindestlohn­tarifen.

Die gesellschaftliche Wertschätzung von Kinderbetreuungstätigkeit durch nicht-berufs­tätige Mütter ist enorm wichtig. Die Diskriminierung privater Kindereigenbetreuung durch die eigene Mutter gegenüber externer öffentlicher Kinderfremdbetreuung muss beendet werden. Dieser aktuelle Trend zur Auslagerung der eigenen Kinder ist kinderfeindlich. Kein Pädagoge kann ein Mutterherz aufwiegen, und schon gar nicht in den ersten drei Lebensjahren. (Zwischenruf des Bundesrates Füller.)

Es ist unverständlich, dass eine Frau, die das Nachbarkind betreut, zur Tagesmutter mit echter Arbeit wird, wenn sie aber ihr eigenes Kind betreut, gilt sie bei uns in Österreich in der Regel nur als Mutter ohne echte Arbeit oder sogar als arbeitslose Mutter. Das ist wirklich pervers.

Ich möchte hier ganz deutlich und klar aussprechen: Kinderbetreuung ist Arbeit und gewaltige Leistung im Interesse des Staates! Kinderbetreuung ist ein 24-Stunden-Fulltime-Job. Kinderbetreuung ist die wertvollste Arbeit überhaupt, und jeder sollte das anerkennen und wertschätzen – und auch finanziell wertschätzen. Nicht-berufstätige Mütter sollten im Falle von Kinderselbstbetreuung als Abgeltung dafür, dass keine Förderung für öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen wie Kinderkrippen oder für Tagesmütter in Anspruch genommen wird, diesen Förderanteil als Kinderselbstbetreu­ungsgeld erhalten (Bundesrätin Kurz: Geh bitte! Schrecklich!); zirka 200 € pro Monat wären hier angemessen. Nach Schätzungen des Wifo betragen die direkten Kinder­kosten pro Monat und Kind zirka 500 €. Auch ein Muttergehalt für nicht-berufstätige Mütter in Höhe der Mindestsicherung wäre zu überlegen. (Bundesrätin Kurz: Die Zeiten sind vorbei, guter Mann!)


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 48

Zur Gegenfinanzierung sollten wir entscheiden, ab welcher Familieneinkommenshöhe wir keine Familienbeihilfen mehr von staatlicher Seite bezahlen. Familienbeihilfen sollten einkommensabhängig gestaltet werden und ab einem zu hohen monatlichen Nettoeinkommen überhaupt nicht mehr bezahlt werden. Ein Familienbeihilfen-Stopp für Gutverdiener wäre längst an der Zeit. Das wäre eine faire staatliche Umverteilung, die ihrem Namen gerecht wird. Also Gutverdiener bekommen keine Familienförderung mehr und nicht-berufstätige Mütter dafür ein Muttergehalt in der Höhe der Mindest­sicherung.

Wir müssen in diesem Land endlich damit beginnen, Förderungen für Nichtbedürftige zu streichen! Beihilfen sind, wie der Name schon sagt, Hilfen für Hilfsbedürftige. Gutverdiener brauchen keine staatliche Beihilfe. Das gilt auch für Wohnbauförde­run­gen und auch für die ganzen Agrarförderungen. Die große industrielle Nahrungsmittel­produktion und Agrargroßbetriebe brauchen keine staatlichen Agrarförderungen, die kleinbäuerlichen Familienbetriebe schon.

Der chaotische Steuerdschungel der österreichischen Familienförderung gehört stark vereinfacht und zentralisiert. Es kann nicht sein, dass eine österreichische Familie einen Steuerberater braucht, um diese ganzen komplizierten steuerlichen Regeln betreffend Familienabsetzbeträge und Freibeträge zu nutzen. Da rede ich noch gar nicht von all den Parallelstrukturen in den Ländern.

Wir vom Team Stronach setzen uns für ein einfaches Familiensteuerungsmodell für Familien ab zwei Kindern ein. Einkommen der Familien soll da zusammengerechnet werden und gemeinsam geringer versteuert werden. Das rechnet sich besonders bei Familien, wo ein Partner weniger verdient, also in der Regel die Mutter. Wir begrüßen jede Anhebung der Familien- und Kinderbeihilfen, würden aber eine automatische jährliche Valorisierung und Anpassung an die Inflation, anstelle willkürlicher Einmal­erhöhungen, analog zu den jährlichen Valorisierungen der Pensionen bevorzugen.

Jede Familie soll sich ohne Rücksicht auf finanzielle Verhältnisse für Kinder ent­scheiden können. Wir müssen unsere Geburtenrate in Österreich wieder steigern. Inves­titionen in unsere Kinder und deren Aus- und Weiterbildung sind unsere wich­tigsten Zukunftsinvestitionen für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit überhaupt. Eine echte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sollte eigentlich sämtliches Human­kapital des Staates in der volkswirtschaftlichen Bilanz auf der Vermögensseite aktivie­ren. Da kann ich nur sagen: Kinder, Kinder, Kinder! Bildung, Bildung, Bildung! Hier lie­gen die Investitionsprioritäten des Staates. Kinder sind im wahrsten Sinne des Wortes unsere wertvollsten Wachstumswerte für unsere Zukunft.

Und grundsätzlich muss gelten: Runter mit den Steuern und den Verwaltungskosten, und mehr Geld in die Kassen unserer Familien! – Danke schön.

11.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Tiefnig. – Bitte.

 


11.27.38

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Der 15. August ist sicherlich geschichtsträchtig: Einerseits die Unterzeichnung des Staatsvertrages, andererseits  – ah, der 15. Mai ist sicherlich geschichtsträchtig. – Jetzt habe ich den mit dem Geburtstag meiner Frau verwechselt. (Bundesrat Fazekas: Der ist auch geschichtsträchtig! – Bundesrat Stadler: Den vergisst er nie!) Am 1. Mai wird sicherlich nicht gerüttelt werden, weil der 1. Mai der Geburtstag von Martin Preineder ist. Da bin ich ganz überzeugt, dass auch die ÖVP zu diesem stehen wird. (Bundesrat Stadler: Da gibt’s aber wichtigere Dinge am 1. Mai!)


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 49

Aber eines ist sicherlich auch wichtig und macht den 15. Mai ebenfalls geschichts­trächtig: Heute wird die Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz und zum Kinder­betreuungsgeldgesetz hier im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde nehmen, und wenn dann der Herr Bundespräsident noch die Unterschrift geleistet hat, werden dementsprechend 1,6 Milliarden € für die Kinder und Familien zur Verfügung gestellt. Ein herzliches Dankeschön! Sie, Frau Bundesminister, haben einen Paradigmen­wechsel auch in unserer Partei veranlasst, sodass ein Weg in die richtige Richtung gestartet worden ist und die ÖVP in Zukunft wirklich wieder eine richtige Familienpartei wird, was sie ja auch jetzt schon ist. Das ist also ein besonderer Schritt.

Eines ist natürlich jetzt im EU-Vorwahlkampf ganz interessant: Viele fordern jetzt polemisch, wir müssen noch mehr Geld hergeben. Ich sage nur eines: Es gibt da eine Bank im Süden Österreichs, und wenn wir diese nicht hätten, hätten wir wahrscheinlich für die Kinder viel mehr übrig. Wir machen sicherlich kein Hobby daraus, die Kinder zu „mobben“ oder den Familien das Geld nicht zukommen zu lassen, sondern es ist uns wichtig, die Familien zu stärken, denn ein Staat, der die Familien verliert, verliert die Zukunft. Uns ist die Zukunft wichtig, und wir brauchen in Zukunft unsere Familien, wir brauchen wieder zwei Kinder pro Frau. Das wird eine Herausforderung für die nächsten Jahre sein.

Die Frau Bundesministerin wird uns auf diesem Weg sicherlich dementsprechend begleiten. Die Wirtschaft kann nicht alles unterstützen. Die Wirtschaft wird in vielen Bereichen auch den Betriebskindergarten einführen. Man sieht, dass es in vielen Unternehmungen mit einer hohen Anzahl von Beschäftigten, also mit über tausend Beschäftigten, schon Betriebskindergärten gibt. Auch das ist ein richtiger Schritt in diese Richtung. Ein kleiner Betrieb kann sich das allerdings nicht leisten. Da werden daher die Gemeinden gefordert sein. Es wird auch ein Thema sein, die Öffnungszeiten der Kindergärten zu verlängern – auch in den Sommerferien; das wird für die Zukunft ein wichtiger Punkt sein –, damit die Menschen auch dem Erwerb nachgehen können.

Kollegin Mühlwerth, die jetzt wieder im Saal ist, hat ja wirklich ein hervorragendes Plädoyer gehalten, um mehr Geld für die Familien zu lukrieren. Liebe Frau Kollegin Mühlwerth! Hätten wir die Hypo nicht gehabt, stünden uns einige Milliarden mehr zur Verfügung, und diese Milliarden könnten wir in der Familienpolitik sinnvoller einsetzen. Aber leider ist da in Kärnten Geld verwirtschaftet worden, und unsere Österreicherin­nen und Österreicher müssen das mittragen.

Die Staatsverschuldung ist auf 80 Prozent gestiegen, und jetzt ist die Aufgabe auch, den Staatshaushalt in die richtigen Bahnen zu leiten. Trotzdem ist es gelungen, Geld für Familie und Jugend zur Verfügung zu stellen. Das ist das Verdienst unserer Familienministerin, aber auch jenes der Bundesländer, denn die Bundesländer haben auch gemeinsam darauf gedrängt, dass auf den Bereich der Familien in Zukunft das Augenmerk gelegt werden muss.

In diesem Sinne noch ein herzliches Dankeschön den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern des Ministeriums, die vorgestern im Ausschuss wirklich hervorragend Auskunft gegeben haben, und auch allen anderen, die an der Ausschusssitzung teilgenommen haben. Es war eine hervorragende Diskussion. Die Beschlussfassung erfolgte mit Stimmeneinhelligkeit. Heute ist zwar in der Diskussion auch etwas mehr an Kritik vorgebracht worden, aber ich bin sicher, dass auch hier im Plenum Stimmenein­hellig­keit gegeben sein wird – denn die NEOS sind hier nicht vertreten, und dort herrscht natürlich wieder eine andere Anschauung in der Familienpolitik. Und was die Aussagen von Herrn Zelina betrifft, so denke ich mir, dass vielleicht auch das Team Stronach wieder einmal Geschichte sein wird, und dann wird vielleicht wieder eine andere politische Partei und damit eine andere Ansicht im Bundesrat vertreten sein.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 50

In diesem Sinne noch ein herzliches Dankeschön der Frau Bundesminister für das Auf-den-Weg-Bringen dieses Gesetzes und ein Dank auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unsere Fraktion wird diesem Gesetz natürlich gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Köberl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.32.19

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Den Vordebatten war ja schon zu entnehmen, dass wir uns alle einig darüber sind, dass die Familie ein sehr wichtiger Teil unserer Gesellschaft ist.

Ganz so einig, glaube ich, sind wir uns schon nicht mehr, wenn es um die Definition der Familie geht. Wikipedia schreibt diesbezüglich, „Familie“ kommt aus dem lateini­schen „familia“, heißt „Hausgemeinschaft“ und „bezeichnet soziologisch eine durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, im westlichen Kulturraum meist aus Eltern oder Erziehungs­berech­tigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im gleichen Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert. Die Familie ist demnach eine engere Verwandtschaftsgruppe“.

Im herkömmlichen Sinne verstehen wir unter Familie immer Vater, Mutter und Kind. Dieser Familienbegriff hat sich im Laufe der Zeit aber sehr verändert. War es in früheren Zeiten, besonders auf dem Land, etwa auf Bauernhöfen, üblich, dass neben Vater, Mutter und Kind auch noch die Großeltern und womöglich auch noch Tanten und Onkel im selben Haushalt lebten, so gibt es heute eine Buntheit an Familien­konstellationen. Es gibt viele alleinerziehende Frauen oder auch Männer mit Kindern. Es gibt auch Paare ohne Kinder. Es gibt Frau und Frau mit Kind. Es gibt Patchwork-Familien. Es sollte auch Mann und Mann mit Kind geben. Und das Zusammenleben in der Familie – ganz egal, ob mit oder ohne Kinder – hat sich verändert, ob wir hier das wollen oder nicht.

Und ich denke, genau das ist die Herausforderung der Familienpolitik: Rahmen­bedin­gungen zu schaffen und diese an die Bedürfnisse dieser Familien anzupassen und weiterzuentwickeln.

Familien brauchen – das haben wir ja schon gehört – einen ausgewogenen Mix an Geldleistungen und Sachleistungen. Sachleistungen, wie der weitere quantitative und qualitative Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, sind notwendig, um unsere Familien zu unterstützen und vor allem um Beruf und Familie vereinbar zu machen.

Eine wesentliche Säule – auch das haben wir schon gehört – ist in Österreich die Familienbeihilfe, die es bereits seit fast 60 Jahren gibt. Es handelt sich dabei um eine direkte Transferleistung, also eine Geldleistung an Anspruchsberechtigte, mit der die Kosten der Eltern, die ihnen aus ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern ent­stehen, ausgeglichen werden sollen.

Seit dem Bestehen der Familienbeihilfe wird sie immer wieder weiterentwickelt. Eine Änderung erfolgte zum Beispiel 1992 dahin gehend, dass die Auszahlung auch direkt an die Mütter erfolgen kann – bis dahin war die Auszahlung an das Familienoberhaupt, an den Vater, zu leisten. Heute erfolgen 80 Prozent der Auszahlungen an die Mütter.

Es gab also viele Verbesserungen und Änderungen, und dadurch ist das Gesetz etwas kompliziert und wenig transparent geworden. Durch den heutigen Beschluss werden wir das ein bisschen bereinigen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 51

Mit den vorliegenden Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes – das haben wir ebenfalls schon gehört – werden insgesamt 828 Millionen € zusätzlich an Geld­leistung zur Verfügung gestellt. Wir wissen schon, dass das nur ein kleines Plus in den Geldtaschen der einzelnen Familien darstellen wird. Es ist auch die Erhöhung für 2016 und 2018 gesichert. Die letzte Valorisierung liegt mehr als zehn Jahre zurück – ich glaube, 1999 hat es eine Erhöhung gegeben –, und daher ist diese Änderung mehr als dringend notwendig.

Die nächste wesentliche Änderung – das haben wir heute noch gar nicht gehört – ist der Zuschlag für erheblich behinderte Kinder. Dieser wird um 8,4 Prozent erhöht. Ich glaube, gerade Familien mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen haben Ausgaben zu tätigen, die trotz unseres Sozialstaates noch immer sehr erheblich sind. Gerade in diesem Bereich wird daher jeder Euro dringend benötigt, und dieser fließt ganz bestimmt eins zu eins in die Wirtschaft. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Begrüßenswert ist auch die Neuerung beim Bezug der Familienbeihilfe für Studie­rende, dass das ein bisschen stärker an den Alltag der Studierenden angeglichen wurde und eine Verbesserung für die Studieneingangsphase erreicht werden konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Familienthema ist ein Zukunftsthema, doch leider nimmt die Zahl der Familien stetig ab. Es gibt immer mehr Single-Haushalte in unserem Staat. Und trotz eines relativ hohen Kinderwunsches unserer jüngeren Bevölkerung spiegelt sich dieser leider in der Geburtenstatistik nicht wider. Nur rund 40 Prozent realisieren ihren Wunsch. Ich glaube, dass das nicht nur an der finanziellen Unterstützung liegt, denn ich habe hier im Zusammenhang mit dem „Generation and Gender“-Programm eine Umfrage, aus der Folgendes hervorgeht: Mit der partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung zufriedene Mütter verwirklichen öfter ihren Kinderwunsch. 68 Prozent verwirklichen ihren Kinderwunsch, wenn sie mit der partnerschaftlichen Hilfe zufrieden sind.– Ich denke, angesichts dessen ist die Väterkarenz sehr wichtig.

Es ist also eine große Herausforderung für uns alle in der Politik, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Spagat zwischen Beruf und Familie zu erleichtern, vielleicht auch eine wirkliche Wahlfreiheit in Bezug auf Familie und Erwerbsleben geben zu können. Die Familien müssen auch weiterhin finanziell und strukturell unterstützt werden.

Die Familie ist eine wichtige soziale Einheit und ein Grundelement unserer gesell­schaftlichen Entwicklung. Am heutigen Internationalen Tag der Familie sollten wir uns Gedanken über die Familie und deren Bedeutung, aber vor allem über ihre Zukunft machen. Und ich denke, die Abschaffung des 1. Mai und dafür die Einführung des 15. Mai als gesetzlichen Feiertag wird den Familien nicht wirklich helfen.

Frau Minister, bitte nicht böse sein: Sie haben geschrieben, der 1. Mai sei ein Relikt aus der Vergangenheit. Wenn man sich die Feiertage anschaut, haben sie alle einen geschichtlichen oder einen kirchlichen Hintergrund – und das war eben vor längerer Zeit und nicht gerade erst vorgestern.

Der 1. Mai ist ein Tag – wie Sie es nennen: ein „Relikt“ – aus der Vergangenheit. Er wird seit 124 Jahren als Tag der Arbeit begangen und ist untrennbar mit den wich­tigsten sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Errungenschaften der Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer verbunden. Dies ist meiner Ansicht nach heute wichtiger denn je. Der 1. Mai ist ein Kampftag für die geregelte Arbeitszeit, für gerechte Löhne, für die soziale Absicherung und die Gleichstellung der Frauen im Beruf – eben gleicher Lohn für gleiche Arbeit –, und ich denke mir, das sind wohl Forderungen, die gerade zum Wohle der Familie gelten müssen.


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Man darf die Familien nicht gegen die Forderungen der ArbeitnehmerInnen ausspielen. Ich denke mir, der 1. Mai ist jetzt schon ein Familientag. Ich komme zu sehr vielen 1.-Mai-Veranstaltungen, und dort ist immer die ganze Familie anwesend. Wenn ich etwa an den 1. Mai in Graz denke, wo ein Schlossbergfest stattgefunden hat, dann kann man schon sagen, dass es ein Familientag ist.

Die Verlegung oder die Umbenennung eines Feiertages allein wird in Österreich bestimmt kein familienfreundliches Klima schaffen, kürzere und geregelte Arbeits­zeiten, gerechte Entlohnung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit aber, denke ich, sehr wohl, denn das brächte mehr Zeit und mehr Geld für unsere Familien, und dafür müs­sen wir uns einsetzen.

Die Erhöhung der Familienbeihilfe ist dabei, denke ich, ein erstes Zeichen, und wir werden dieser Änderung gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Ledl-Rossmann. – Bitte.

 


11.40.26

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über den 15. Mai, den Internatio­nalen Tag der Familie, ist jetzt viel gesagt worden – Feiertag hin oder her, ich darf jetzt zum Abschluss noch einen ganz neuen Aspekt dazu einbringen und unserer Frau Ministerin zum heutigen Namenstag gratulieren. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass unsere Ministerin genau am Internationalen Tag der Familie Namenstag hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist jetzt zum Schluss der Debatte schon ein bisschen eine Herausforderung, nach sieben, acht Vorrednerinnen und Vorrednern, die schon unglaublich viel gesagt haben, noch Punkte ergänzend einzubringen. Ich darf aber doch noch zwei Dinge unter­streichen.

Ganz klar ist, dass Kinder und Familie Zeit, Geld und Infrastruktur brauchen, darin sind wir alle uns einig. Es ist aber ein bisschen schwierig, denn es ist jetzt sehr oft über die monatlichen Beträge diskutiert worden, und es tut mir auch leid, dass Sie, Kollegin Mühlwerth, eingangs zwar gesagt haben, dass Sie dem zustimmen und dass das ein richtiger Schritt ist, dass Sie dann aber 10 Minuten lang wieder alles schlechtgeredet haben. Das tut mir, wie gesagt, leid, denn man muss die Gesamtsumme sehen, und in einem Budget muss man auch mit Gesamtsummen planen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich meine, dass 830 Millionen gerade in der jetzigen Zeit kein Pappenstiel sind, sondern ein ganz klares Zeichen für die Familien. Auch ich bin froh, dass dieser Schritt gesetzt wurde. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es wurde auch schon die Aufteilung zwischen Geld- und Sachleistungen ange­sprochen. Ich freue mich, dass dieser Schritt gesetzt wurde und dass sich die Auf­teilung insofern geändert hat, als es nun 50 : 50 Prozent sind. Die Einrichtungen stellen eine große Entlastung für die Familien dar, tragen sehr zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei.

Auch in diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit schon viel geschehen. Ich darf zum Vergleich die Tiroler Zahlen nennen. Ich hätte die Zahlen genau aufge­schlüsselt, bringe sie aber zusammengefasst: Seit dem Schuljahr/Kindergarten­jahr 2007/2008, also in den letzten fünf, sechs Jahren, wurden – Horte, Krippen und Kindergärten zusammengefasst – 105 zusätzliche Einrichtungen geschaffen, in denen knapp 4 000 zusätzliche Kinder einen Betreuungsplatz gefunden haben. Und es darf


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dabei auch nicht vergessen werden, dass dadurch auch über 1 000 Menschen in diesem Bereich angestellt wurden, um diese Kinder zu betreuen.

Es ist, wie man sieht, auch in den letzten Jahren in allen Bundesländern sehr viel gemacht worden, aber es ist auch klar, dass wir diesen Weg weitergehen müssen, und zwar die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern, um das bestmöglich weiter­zuentwickeln.

Ich freue mich hinsichtlich der Kinderbetreuung auch, dass der Bereich der Tageseltern sehr stark vermerkt ist. Gerade in ländlichen und peripheren Regionen ist das eine unglaublich wichtige Ergänzung. Vor allem in Kleinstgemeinden und dort, wo eine institutionelle Kinderbetreuung nicht möglich ist, ist das eine wertvolle Unterstützung für die Familien.

Auch ich möchte zum Schluss einen Punkt hervorheben – meine Vorrednerin hat auch das fast schon vorweggenommen –, und zwar den Bereich der erhöhten Familien­beihilfe für Kinder mit erheblicher Behinderung. Diese wird in diesem Jahr schon auf 150 € erhöht und bis 2018 auf rund 156 €; das ist eine zweistellige Erhöhung und ein ganz wichtiges Zeichen für diese Familien.

Als Mitglied des Vorstandes der Lebenshilfe Reutte – das ist eine Einrichtung in unserem Bezirk, die sich insbesondere um jugendliche Menschen mit Behinderung kümmert, diese auf verschiedene Art und Weise betreut – habe ich Gott sei Dank auch die Gelegenheit, viele Erfahrungen und auch viele Begegnungen mit diesen jungen Menschen zu machen beziehungsweise zu haben. Es sind das besondere Begegnun­gen, es sind schöne Begegnungen, es sind oft sehr lebendige Begegnungen, aber auch berührende Begegnungen oder Begegnungen, die zum Nachdenken anregen.

Nicht selten ist es dann der Fall, dass ich mir auf dem Heimweg Gedanken darüber mache, was es für eine Familie wirklich heißt, solche Kinder, die schwierigere Startvor­aussetzungen im Leben haben, wirklich zu begleiten. Es wäre, glaube ich, vermessen, sich darüber ein Urteil zu bilden, denn das können wirklich nur jene beurteilen, die das selbst erleben; wir können es uns nur annähernd vorstellen. Es ist aber unglaublich, mit wie viel Liebe, mit wie viel Unterstützung – das kann man beobachten –, aber auch wie nahe an der Grenze der Belastbarkeit da gepflegt und betreut wird. Es ist ja oft ein längerer Prozess, bis diese Kinder ihren Platz, ihren Weg im Leben gefunden haben, oft ist es auch eine lebenslange Aufgabe.

Ich möchte mich bei unserer Ministerin herzlich dafür bedanken, dass gerade auch in diesem Bereich ein ganz klares Zeichen der Unterstützung gesetzt wird.

Die finanzielle Unterstützung ist eine Seite, aber ich freue mich auch darüber, dass wir hier im Bundesrat darüber sprechen können, so wie es auch schon im Nationalrat Thema war. Somit haben wir auch hier die Möglichkeit – und das möchte ich zum Abschluss machen –, gerade diesen Familien für diese besondere Arbeit zu danken und ihnen gegenüber unseren größten Respekt und unsere Wertschätzung auszudrücken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 54

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.46.412. Punkt

Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Familie und Jugend) (III-511-BR/2014 d.B. sowie 9167/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


11.46.52

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Jahres­vor­schau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vor­haben.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Ich darf sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 den Antrag, die Jahresvorschau 2014 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zum EU Vorhaben (Bereich Familie und Jugend) zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


11.47.40

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuhörerInnen, Gäste hier im Plenum! Ich möchte, bevor ich auf den Bericht eingehe, Ihnen, Frau Ministerin, einen Dank aussprechen. Ich glaube, Sie haben mit Ihren Worten, die Sie vorhin gesagt haben, vielleicht doch eine Trendwende bei der ÖVP bewirkt. In den letzten zehn Jahren habe ich bei der ÖVP nämlich genau diesen Familienbezug, diesen Bezug auf die und diese Wertschätzung der Elterntätigkeit, speziell der Mutter, ganz stark ver­misst.

Ich habe während Ihrer Ausführungen ein bisschen auf die andere Seite geschaut und die Gesichter dort beobachtet, sie waren nicht so sehr fröhlich, aber ich glaube, Sie haben in Zukunft in der FPÖ einen guten Verhandlungspartner, wenn es darum geht, eine echte Wahlfreiheit für die Frau zu schaffen, nämlich ob sie die ehrenvolle und tolle Tätigkeit der Mutter wahrnehmen möchte oder ob sie für ihr Kind, für ihre Kinder eine Betreuungseinrichtung in Anspruch nehmen möchte und dadurch ihre Bereitschaft zeigt, ins Berufsleben einzusteigen. Dies würde sich zum Beispiel durch die schon seit Jahren vorgeschlagene Steuersenkung durch das Familiensplitting ergeben – das wurde heute schon angesprochen. Also ich sehe da wirklich genügend Möglichkeiten, um in Zukunft eine gute Diskussion betreffend Familien, betreffend Steuersenkung für die Familien zu führen.

Um auf den Bericht zu sprechen zu kommen – diesen Bericht haben nicht Sie vorge­legt, sondern noch Ihr Vorgänger, Minister Mitterlehner –: Er ist elf Seiten stark, sprich:


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entsprechend dünn. Auch inhaltlich gibt er nicht sehr viel her. Das ist eigentlich sehr schade, da es ja auch um EU-Vorhaben und um die Familien und die Jugend euro­paweit, nicht nur österreichweit geht.

Wenn man weiter hinten zu lesen beginnt, so heißt es dort schon einmal, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das haben wir beim vorherigen Tagesordnungs­punkt bereits entsprechend erläutert – ziemlich schwierig ist. Und dann sieht man auch schon die Diskrepanzen, die Frau Kollegin Posch-Gruska und Frau Kollegin Zwazl haben, denn auf der einen Seite wird zum Beispiel die Elternteilzeit gefordert, was auf der anderen Seite natürlich bedeutet, wenn mehr Menschen lediglich Teilzeit arbeiten, dass die Betreffenden dadurch weniger verdienen, was uns wieder zum Thema Armut führt und dazu, dass die Rente vielleicht irgendwann einmal nicht mehr gesichert ist. Wir reden von Kündigungs- und Entlassungsschutz bis zum siebenten Geburtstag eines Kindes. Da frage ich jetzt zum Beispiel auch, einfach als Frage, nicht als Bewer­tung: Wie können die Unternehmen das bezahlen?

Es gibt in diesem Bericht sehr viele schöne Worte, ich glaube aber nicht, dass diese schönen Worte tatsächlich immer umgesetzt werden können, und ich glaube auch nicht, dass sie europaweit in den Nationalstaaten so gesehen werden. Dazu braucht es in jedem einzelnen Nationalstaat ein entsprechendes Bewusstsein, welches auch durch die kulturellen Hintergründe geprägt ist.

Da man immer ganz gerne auch Dänemark als Beispiel heranzieht: In Dänemark gibt es einen komplett anderen Aufbau. Dort sind Unternehmen bereits so eingerichtet, dass sehr viele Arbeitsplätze auch von zu Hause aus funktionieren, sowohl als auch. Dort wundert sich kein Mensch, wenn ein angesagtes Meeting einfach nicht stattfindet, weil sich der Kollege oder die Kollegin dafür entschieden hat, an diesem Tag zu Hause zu arbeiten. Diese Kultur muss man aber zuerst erlernen, das kann nicht von heute auf morgen so stattfinden.

Klar ist, dass in Dänemark eine ganz, ganz hohe Steuerbelastung gegeben ist. Dort wird beispielsweise ein Kraftfahrzeug mit 180 Prozent Steuern belegt – entsprechend hoch sind natürlich auch die Gehälter, entsprechend gut sind die Kinder­betreuungs­einrichtungen. Sie können in Dänemark ihr Kind ohne Weiteres den ganzen Tag in irgendeine Kinderbetreuungseinrichtung bringen – wer das will!

Man kann daher nicht einfach die Situation eines Landes direkt auf ein anderes Land übertragen. So einfach funktioniert das nicht. Das zeigt auch ein europaweiter Ver­gleich.

Ein Punkt dieses Berichtes ist das Erasmus+-Programm. Dafür werden europaweit 14,7 Milliarden € in die Hand genommen, das sind um 40 Prozent mehr als vorher. Ich glaube, dass das ein gutes Programm ist. Es ist eine Unterstützung beim Erwerb von Mobilitätserfahrungen. Es ist eine Unterstützung für Studenten, damit sie im Ausland studieren können. Es gewährleistet, dass Stipendien auch für BerufsschülerInnen und Auszubildende, aber auch für Jugendbetreuer, Ausbildner und Lehrkräfte ausbezahlt werden.

Es freut mich besonders, dass mit zirka 5 Millionen € aus dem Teilprogramm Leonardo da Vinci auch die Lehrlinge von Erasmus+ profitieren können, wobei die Realität jetzt schon zeigt, dass bisher nur relativ wenige Lehrlinge dieses Programm in Anspruch genommen haben, da es wahrscheinlich auch schwierig ist, die Unternehmen dazu zu bringen. (Bundesrätin Zwazl: , es gibt andere Programme auch!)

Auf jeden Fall glaube ich, dass das ein Lernprozess ist, dass das erst noch Fuß fassen muss, aber das wäre für die Lehrlinge eine gute Möglichkeit.


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Ein weiteres Vorhaben ist das bessere Internet für Kinder. Da habe ich mich schlau gemacht, wer unter „Kinder“ fällt. In der Fußnote steht, „Kinder“ sind „alle Menschen im Alter unter 18 Jahren“. Ich glaube, dass das Internet, das ja heute über Handy, Com­puter, über alle möglichen Medien erreichbar ist, tatsächlich eine Gefahr darstellt. Und ich glaube nicht, dass es ausreichend ist, mit Workshops und Bewusstseinsbildungen, was die Eltern, Erzieher oder Lehrer anlangt, zu arbeiten, dass man das in den Griff bekommen kann, ohne dass man tatsächlich in den öffentlichen Zugang gewisser Programme eingreift.

Das Hauptthema, das mich auch ganz besonders interessiert, ist die Jugendgarantie, über die gesprochen wird. Auf der ersten Seite heißt es im Vorwort von Minister Mitterlehner:

„Gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise hat aber gezeigt, dass viele weitere Fragen, insbesondere die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Aus- und Weiter­bil­dung zunehmend auch auf europäischer Ebene behandelt und gelöst werden müs­sen.“ – No na, net.

Europas Politiker haben diese Jugendarbeitslosigkeit offensichtlich sehr lange ignoriert, und jetzt sollen zirka 45 Milliarden € für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in die Hand genommen werden. Es gab bereits zwei Konferenzen mit Rat, Kommission, Arbeits- und Sozialminister haben daran teilgenommen. Sie sollen ein Zeichen setzen, dass sie dieses Problem tatsächlich ernst nehmen.

Meiner Überzeugung nach kommt diese Rettungsaktion eindeutig zu spät. Seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise vor fünf Jahren ist die Zahl der erwerbslosen Jugendlichen beinahe unaufhörlich gestiegen. Rund 5,5 Millionen Arbeitslose unter 25 Jahren gibt es mittlerweile in der EU, und in zwölf europäischen Ländern hat die Quote inzwischen die 25-Prozent-Marke überschritten. In Griechenland und Spanien sind mehr als 55 Prozent der arbeitsuchenden 15- bis 24-Jährigen ohne Job. Für sie ist Europa kein Symbol der Hoffnung mehr – wie noch für ihre Eltern und Großeltern. Sie fühlen sich von Europa im Stich gelassen und wenden sich ab. Dass in Europa eine verlorene Generation heranwächst, wird vielen Politikern leider erst jetzt bewusst.

Ich selbst habe in Portugal die Möglichkeit gehabt, in persönlichen Gesprächen fest­zustellen, dass das nicht einfach nur so dahergesagt ist, sondern dass das Tatsache ist, traurige Tatsache.

45 Milliarden € wollen also die EU-Länder im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit aufbringen. Das schaut auf den ersten Blick nach einer gewaltigen Summe aus, aber wenn man einen Vergleich anstellt, dann sieht man, wie wenig das eigentlich ist. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft stellten die EU-Staaten in den vergangenen fünf Jahren 3,2 Billionen € zur Rettung der Banken zur Verfügung, in Form von Bürgschaften oder Eigenkapitalspritzen.

Beim Ziel der sogenannten Jugendgarantie, nämlich dass kein Jugendlicher künftig länger als vier Monate auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz warten muss, gibt es schon das erste Problem: Die Mitgliedsländer müssen nämlich die Fonds mitfinan­zieren, vor allem in den Krisenländern fehlt dafür jedoch das Geld.

Problem Nummer zwei ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt der Länder. Die Jugend­arbeitslosigkeit ist kein Phänomen, das einfach so geschieht, sondern es hängt auch mit der allgemeinen Beschäftigungslage zusammen. In Griechenland, Spanien, Portu­gal und Frankreich gibt es derzeit einfach nicht genug Arbeitsplätze, weder für junge noch für ältere Suchende. Die neuen Fördergelder bedeuten daher womöglich sogar eine Gefahr: Staatlich organisierte Beschäftigungsmaßnahmen mögen zwar kurzfristig Entlastung schaffen und die offizielle Arbeitslosenzahl senken, das tatsächliche Prob-


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lem wird aber nur in die Zukunft verschoben. Käme es so, wären 45 Milliarden € daher eine große Summe schlecht investiertes Geld.

Unwahrscheinlich ist das nicht, denn Dänemark, Finnland, Österreich und Schweden haben bereits Erfahrungen mit Jugendgarantien gemacht. Die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen hat sich dort entweder nicht oder nur unwesentlich besser entwickelt als die allgemeine Rate oder ist sogar noch gestiegen. In Finnland lag sie im September bei 20,2 Prozent, in Schweden bei 22,8 Prozent.

Unbestritten dürfte sein, dass es jungen Menschen bei der Arbeitssuche hilft, wenn Arbeitgeber generell eine Perspektive sehen und deshalb neue Jobs schaffen, doch dazu müssen die Politiker Reformen anstoßen, die das Wirtschaftswachstum ankur­beln und die Banken dazu bringen, investitionswilligen Unternehmen wieder Kredite zu geben.

Ob also die EU-Politik in dieser Hinsicht Hilfe bieten kann, ist äußerst fraglich. Auf nationaler Ebene muss aber die Frage erlaubt sein, welche Maßnahmen den Familien, Eltern, Kindern konkret etwas bringen. Und da sind zwar die Gedenktage, die ebenfalls im Bericht angeführt sind, vielleicht ein bisschen bewusstseinsbildend, aber 20 Jahre Elternbildung, 20 Jahre ÖIF, 30 Jahre Familienministerium und gar 40 Jahre Familien­beratungsstellen haben offensichtlich nicht dazu beigetragen, dass wir heute eine entsprechend gute Situation hätten.

Ein weiterer Feiertag würde zwar einen freien Tag zusätzlich bringen, wobei ich nicht weiß, ob die Frau Kollegin Zwazl das für die Wirtschaft so befürworten würde, aber tatsächliche Verbesserungen würde er, befürchte ich, leider auch nicht bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Temmel. – Bitte.

 


12.00.43

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Frau Kollegin Michalke, die Wertschätzung der Mütter und der Familien ist und war uns immer wichtig – das nur als Einleitung –, weil wir ganz genau wissen, dass Familienarbeit einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand unseres Landes leistet. (Vizepräsidentin Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Mit der Erhöhung der Familienbeihilfe in mehreren Teilen und der Ausbauoffensive in der Kinderbetreuung mit zusätzlichen Bundesmitteln von insgesamt 350 Millionen € kommen wir – und das wurde schon mehrmals erwähnt, aber das kann man nicht oft genug sagen – dem Ziel unserer Familienministerin „Österreich muss das familien­freundlichste Land Europas werden“ einen großen Schritt näher. Gerade heute, am Internationalen Tag der Familie, danke ich besonders Ihnen, Frau Minister, aber auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre wertvolle Arbeit zum Wohle unserer Familien. (Beifall bei der ÖVP.)

Grundlagen des vorliegenden Berichtes zu den Vorhaben der Europäischen Union 2014 sind das Achtzehnmonatsprogramm der drei EU-Ratspräsidentschaften Irland, Litauen und Griechenland vom 1. Jänner 2013 bis 30. Juni 2014, das Arbeitsprogramm der griechischen Präsidentschaft und das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2014.

Generalthema der Trio-Präsidentschaft war die Thematik „Soziale Inklusion“, die gute Eingliederung junger Menschen in die Gesellschaft, auch wenn sie keine Arbeit haben und keine schulische Ausbildung absolvieren.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 58

Die griechische Präsidentschaft legte ihren Schwerpunkt auf die Einbeziehung von Jugendlichen durch die Förderung von Unternehmergeist und grünen Arbeitsplätzen.

Der Schwerpunkt der Europäischen Kommission im Jugendbereich ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie die Umsetzung der Jugendgarantie durch die Mitgliedstaaten. Die Jugendgarantie sieht vor, dass alle unter 25-Jährigen innerhalb von vier Monaten nach Abschluss ihrer formalen Ausbildung ein Angebot für eine Arbeits-, Ausbildungs- oder Praktikumsstelle erhalten. Österreich hat hier eine Vor­reiterrolle eingenommen.

Ganz wichtig ist die Strategie für ein besseres Internet für Kinder, weil es Chancen bietet, die es ihnen erleichtern, Zugang zu Wissen zu erlangen und zu kommunizieren, und die die Berufsaussichten verbessern. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Wichtigkeit des Breitbandinternetausbaues in den ländlichen Regionen hin. Dieser notwendige Ausbau wäre für alle Bevölkerungsschichten – nicht nur für die Jugend, sondern auch für die Seniorinnen und Senioren – und auch für alle Wirtschaftsbereiche von großem Vorteil.

Junge Menschen haben Lust auf Bildung, Sprachen und Europa. Das neue Erasmus+-Projekt bietet Österreichs Jugendlichen die Chance, wertvolle Kompetenzen für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung zu gewinnen. Das europäische Bewusst­sein wird gefördert, und die Bildungs- und Mobilitätsbereitschaft steigt.

Die Beteiligung und das Engagement junger Menschen an solchen Projekten tragen nachweislich zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen, wie etwa Fremdsprachen, soziale und interkulturelle Kompetenz sowie Eigeninitiative, bei. Eine verstärkte Bil­dungs- und Mobilitätsbereitschaft sind zudem Eigenschaften, die für einen globali­sierten Arbeitsmarkt von unschätzbarer Bedeutung sind.

Auch die Grundidee der Europäischen Einigung, der Friedensgedanke, wird durch den europäischen Austausch gestärkt. Das bestätigt auch Elisabeth Geißegger aus meiner Heimatgemeinde Bildein. Sie hat ein halbes Jahr dank des Erasmus-Programmes in Irland studiert. Es war für sie eine absolut empfehlenswerte Erfahrung. Sie hat sowohl für ihr Studium als auch persönlich viel dazugelernt. Und sie hatte die Gelegenheit, Menschen aus ganz Europa kennenzulernen.

Die Familienpolitik ist zwar keine Gemeinschaftsmaterie der Europäischen Union, aber dies sei dennoch erwähnt: Um die Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu verbessern, setzt das Familienministerium auf bewährte Maßnahmen. Dabei werden familienfreundliche Betriebe durch die Sozial­partner tatkräftig unterstützt.

Im Jubiläumsjahr 2014 gibt es viele Möglichkeiten, die Interessen der Familien in den Mittelpunkt zu stellen: 40 Jahre Familienberatungsstellen, 30 Jahre Familienministe­rium, 20 Jahre Österreichisches Institut für Familienforschung, 20 Jahre Elternbildung und 10 Jahre Recht auf Elternteilzeit.

In meinem Bezirk Güssing hat am 1. Mai bereits zum 40. Mal ein Bezirksfamilienfest stattgefunden. Nachdem Sie bereits heute von der lieben Kollegin Inge Posch-Gruska eingeladen wurden, am 1. Mai ein Familienfest zu feiern, lade ich Sie auch recht herz­lich ein, dieses unser Familienfest mit uns zu feiern. Und für diejenigen, die Lust zum Feiern haben: Morgen findet das 60-jährige Bestandsjubiläum des Katholischen Fami­lien­verbandes Burgenland in meiner Nachbargemeinde Eberau statt.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ich finde es ganz, ganz wichtig, alle Gemein­schaften, die sich um eine gute Familienarbeit bemühen, zu unterstützen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 59

Wir stimmen der Jahresvorschau 2014 betreffend EU-Vorhaben sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


12.06.24

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Werte hier noch übriggebliebenen Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste, die hier auch noch mit dabei sind! Ja, es ist Mittagszeit, ich weiß, da ist es immer schwer, viele Zuhörer zu haben. Trotzdem möchte ich einen Überblick über die Jahres­vorausschau 2014 zum Thema „EU-Vorhaben im Bereich Familie und Jugend“ bringen.

Davor aber ein paar Worte an Sie, Kollegin Michalke: Immer dann, wenn ich Ihnen zuhöre, habe ich das Gefühl, wir würden alles, was Richtung EU geht, falsch machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das meiste eh!)  Ah, das meiste! Okay. Aber wir wissen sehr wohl, dass es ohne EU nicht geht. Dass man ein bisschen kritisch sein kann, ist keine Frage, aber es gibt viele Dinge – und dazu gehört auch das, was wir heute hier besprechen, von dem schon einiges von den Fraktionen dieses Hauses lobend erwähnt wurde –, die sehr positiv sind.

Ich würde euch eines empfehlen: Versucht einmal, im Rahmen der EU eine Fraktion zusammenzukriegen, damit dann das, was ihr draußen macht, in weiterer Folge Sinnhaftigkeit bekommt und damit die Möglichkeit besteht, dass man in verschiedenen Gruppen und Bereichen mit dabei ist.

Wir alle wissen, dass die Kompetenzen für die Familien- und Jugendpolitik weitest­gehend bei den einzelnen EU-Mitgliedstaaten liegen, also auch bei uns in Österreich. Die europäischen Institutionen können aber wichtige Akzente setzen, wie etwa in Form von Austausch- oder Mobilitätsprogrammen. Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich gezeigt, dass auch in diesen Bereichen viele Fragen und Probleme in zunehmendem Maße auf europäischer Ebene behandelt und gelöst wer­den müssen. Die Förderung der Jugendbeschäftigung muss daher auch 2014 zu den prioritären Aufgaben zählen.

Grundlagen für den vorliegenden Bericht sind das Achtzehnmonatsprogramm der drei EU-Ratsvorsitzenden Irland, Litauen und Griechenland – zwei haben wir ja schon mehr oder weniger überstanden; Griechenland ist gerade dabei, das umzusetzen – sowie die Arbeitsprogramme der griechischen Präsidentschaft für das erste Halbjahr 2014 und jenes der Europäischen Kommission für das gesamte Jahr 2014.

Die Europäische Kommission legt mit ihrem Arbeitsprogramm für 2014 einen beson­deren Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie auf die Umsetzung der Jugendgarantie durch die Mitgliedstaaten. – Zu dem Wort „Jugend­garantie“ werde ich dann noch einmal kommen.

Wir wissen, dass es das ehrgeizige Ziel ist, für alle unter 25-Jährigen innerhalb von vier Monaten nach Abschluss der formalen Ausbildung oder nach einem Jobverlust einen Arbeitsplatz beziehungsweise eine Ausbildungs- oder Praktikumsstelle bereitzustellen. Man will damit die Bedingungen in Europa verbessern beziehungsweise die Chancen der Jugend auf einen guten Arbeitsplatz steigern.

Eines ist aber auch kritisch zu hinterfragen, wie schon erwähnt: Wenn wir uns jetzt in Europa umsehen und nach Portugal oder Spanien oder Griechenland schauen, dann sehen wir, dass die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen bis zu 50 Prozent oder sogar über 50 Prozent beträgt, und da frage ich mich schon, ob wir, wenn wir das Wort „Jugendgarantie“ ernst meinen, das schlussendlich auch erreichen werden, so wie es


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Österreich und Finnland ja weitestgehend erreicht haben. Aber eine Garantie abzugeben, dass das in Zukunft auch gelingen wird, ist, glaube ich, ein bisschen zu weit gegriffen.

Zum zweiten Thema: EU-Vorhaben im Wirkungsfeld Familie und Jugend im Bereich der Europäischen Strategie für ein besseres Internet für Kinder. – Das beginnt im Großen und Ganzen schon im Kindesalter. Daher unterstützt Österreich die Euro­päische Strategie für ein besseres Internet für Kinder.

Das ist wichtig, das ist keine Frage. Das Internet sowie die diversen Services der Telekommunikation bieten für Kinder ungeahnte Chancen, bergen aber natürlich auch Risken in sich. Sie bedeuten eine Erleichterung beim Zugang zu Wissen. Sie ermög­lichen es, beinahe unbegrenzt zu kommunizieren, Kompetenzen zu entwickeln und Berufsaussichten und Beschäftigungsfähigkeiten zu verbessern.

Wie ich schon gesagt habe: Neben vielen positiven Dingen und Möglichkeiten beste­hen natürlich auch zahlreiche und große Risken, wie zum Beispiel Cybermobbing, Grooming sowie Probleme im Daten- und Jugendschutzbereich et cetera. Da könnte man noch viele andere Dinge aufzählen. Daher ist sehr kritisch anzumerken, dass die EU-Kommission das Safer-Internet-Programm mit Juni 2014 auslaufen lässt, wobei man dazu noch sagen muss, dass da eigentlich die Mitgliedstaaten für sich selbst, also im Grunde genommen eigenständig agieren. Es ist auf jeden Fall so, dass wir noch einmal darauf hinweisen sollten, dass anzustreben wäre, dass eine Weiterführung der Aktivitäten in der bisher bewährten Form und damit auch eine Finanzierung sicher­gestellt wird.

Zum letzten Punkt, zum Erasmus+-Programm: – Das ist ein EU-Programm für Studie­rende, Lehrkräfte, Lehrlinge, Jugendliche sowie Ausbildner und Jugendbetreuer. – Sie werden wohl recht haben, wenn Sie sagen, Frau Michalke, dass 14,7 Milliarden € dafür zu wenig sind. Wir wissen aber, dass Österreich davon 35 oder 36 Millionen €, glaube ich, bekommt, um dieses Programm umzusetzen.

Es ist schon hinlänglich erklärt worden, wer dieses Programm in Anspruch nehmen kann. Ich bin eigentlich felsenfest überzeugt, zumal dieses Programm, wie im vorlie­genden Bericht zu lesen ist, europaweit 4 Millionen Menschen in Anspruch nehmen können, dass es eine tolle Geschichte ist.

Wir haben – weil ich gerade zu meiner Kollegin Ana Blatnik schaue – erst gestern darüber diskutiert, dass es das Problem gibt, dass wir uns oft nicht gut verkaufen können. Wir stehen nämlich eine Woche vor der EU-Wahl, und wir werden unter Um­ständen wieder Rückgänge bei der Beteiligung der Wähler und Wählerinnen an der EU-Wahl hinnehmen müssen. Das wäre zum Beispiel doch ein tolles Programm, wo man den Leuten zeigen könnte, was in diesem Bereich passiert. Sie haben ja selbst und werden in Zukunft auch noch in dem Bereich Motivforschung und bei all dem, was da dazugehört, arbeiten; Markenbildung habe ich zum Beispiel mit Ihrer Mutter einmal gemacht, und zwar auch was den Tourismus anbelangt.

Ich glaube, dass es bei uns am Innenmarketing scheitert. Wir sind nicht in der Lage, den Studierenden, überhaupt den Menschen draußen zu sagen – ich beziehe mich jetzt speziell auf dieses Programm –, was es da alles gibt, was die EU anbietet und was wir an Geld dafür zur Verfügung gestellt bekommen. Das, glaube ich, müssen wir ändern, dann werden mehr Menschen – auch die Jugendlichen – zur Wahl gehen.

Wir haben festgestellt, dass nicht alle Jugendlichen, die das Erasmus+-Programm in Anspruch nehmen, wissen, woher das kommt, und vielleicht deshalb gar nicht zur EU-Wahl gehen. Wir haben einen Jugendlichen, der solch ein Programm in Anspruch nimmt, darauf angesprochen, und der hat gesagt: Aha, das kommt ja alles von der EU!


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Es gibt also gewisse Dinge, die wir in Zukunft selbst in die Hand nehmen müssen. Das ist nur ein Beispiel aus diesem Bericht betreffend EU-Vorhaben für das Jahr 2014. Wir sollten besser und professioneller im Bereich des Innenmarketings vorgehen.

Das war ganz kurz eine Übersicht von meiner Seite zum Thema „EU-Vorhaben für das Jahr 2014“.

Noch ein Wort zur Frau Bundesministerin: Ich kann Ihnen keinen Rat geben, aber ich würde den 1. Mai als den „Tag der Arbeit“ nicht abzuschaffen oder umzubenennen versuchen. Bei uns in Kärnten würde man sagen: Sie ziehen sich einen Spieß ein! (Beifall bei der SPÖ.)

12.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.14.30

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuhörerInnen! Der Kollege Temmel hat es schon angesprochen: Die Familienpolitik ist ja keine Gemeinschaftsmaterie, aber es wird eben ganz kurz aufgelistet, was Österreich zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ tut, vor allem mit dem Fokus auf Betriebe und Unternehmen. Kurz erwähnt werden die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission sowie des Rates zur Umsetzung der Europa-2020-Ziele, inhaltlich wird aber nicht näher darauf eingegangen.

Die Kommission gibt länderspezifische Empfehlungen für die Umsetzung der Europa-2020-Ziele und kritisiert erstens den sehr hohen Anteil der Frauen in Teilzeitbeschäfti­gung – dieser gehört EU-weit zu den höchsten –, zweitens, dass die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen oder Langzeitpflegediensten in Österreich begrenzt ist, und drittens, dass sich Österreich besonders schwer tut, das Potenzial seiner weiblichen Erwerbsbevölkerung voll auszuschöpfen.

Zu dieser Kritik möchte ich noch hinzufügen und vielleicht als Anregung mit auf den Weg geben, dass in Bezug auf die Gleichstellung in Österreich noch einiges zu tun wäre. So werden im Ausland geschlossene Ehen von gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich noch immer nicht anerkannt. Da würde ich mir schon einen Schritt in diese Richtung wünschen.

Ich weiß, es ist in der ÖVP gerade eine sehr hitzige Debatte zu dieser Frage im Gange, und da kann es meiner Meinung nach kein Dazwischen geben, sondern da muss man sich ganz klar positionieren: Ist man auf der Seite jener, die diskriminieren, oder ist man auf der Seite jener, die sich für die Gleichstellung einsetzen?

Ich denke, seit Kant, seit Schopenhauer, seit Herder, seit der deutschen Aufklärung ist der Mensch vom Haben zum Sein gelangt. Der Mensch ist mehr als nur eine Ansammlung von biologischen Zellen. Ich verstehe es wirklich nicht, warum man Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gleiche Rechte verwehrt – und das gerade in einem Europa, das sich auf seine Fahnen heftet, dass man für Gleichbe­rechtigung und für Gleichstellung ist! Aber wenn man da ein bisserl in die Details hineinschaut, dann sieht man, dass wir davon noch weit entfernt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ja, natürlich, es gibt die optimalen Vorstellungen von Familie: Vater-Mutter-Kind (Bundesrätin Mühlwerth: Davon lebt eine Gesellschaft!), aber wir leben in einer Gesellschaft, wo es viele unterschiedliche Lebensformen gibt, und die sollten auch nicht benachteiligt werden!


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 62

Ich bin unter anderem Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, und ich habe wirklich tiefe Einblicke in unterschiedlichste Familiensysteme. Ich kenne viele Dramen, die sich abspielen, und ich weiß: Frau-Mann ist nicht gleich glückliche Familie (Beifall der Bundesrätin Blatnik), sondern da gehört viel mehr dazu. Was Kinder brauchen, das sind – und da bin ich der hundertprozentigen Überzeugung – Sicherheit, Geborgenheit und Liebe. Und das ist nicht abhängig von einem bestimmten Geschlecht, sondern eben davon, wie man das lebt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin nicht homosexuell, aber ich setze mich auch für die Rechte der Homosexuellen ein. Ich verstehe es nicht, warum Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in diesem Punkt benachteiligt werden sollten. Wenn sie einen Kinderwunsch haben, dann sollten sie das auch ermöglicht bekommen!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es durch den Sieg Österreichs beim Eurovision Song Contest 2014 geschafft, nach zig Jahrzehnten die Möglichkeit zu bekommen, dieses internationale und weltweite Event in Österreich auszutragen. Ich weiß, es sind dadurch Standortdiskussionen entbrannt. Das ist ein bisserl provinziell, aber auf diese Diskussion möchte ich jetzt hier nicht eingehen.

Wichtig ist, dass wir Österreicher dieses Großevent nach Österreich holen können. Davon werden auch die Wirtschaft und die Unternehmen sehr viel profitieren, ge­schätzte Frau Präsidentin. Aber – und das ist jetzt wirklich ein Signal, das ich insbe­sondere in Richtung ÖVP senden möchte – es geht um eine Richtungsent­scheidung, die auch in der ÖVP zu treffen ist, nämlich: Gibt man jenen Raum, die blockieren und verweigern und diskriminieren, oder setzen sich jene durch, die für die Gleichstellung sind? Es gibt ja Signale vom Landwirtschaftsminister und von Ihnen, geschätzte Frau Ministerin, dass Sie sich um die Gleichstellung bemühen.

Aber was ich mir wünsche – und was sich sicher nicht alle, aber die meisten Öster­reicherInnen wünschen –, ist, dass wir, wenn wir nächstes Jahr den Eurovision Song Contest in Österreich abhalten, sagen können, in Österreich gibt es diesbezüglich keine Diskriminierungen mehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das wäre ein schönes, ein tolles Signal, nicht nur auf einer musikalischen Ebene, sondern auch auf einer politischen Ebene, und wir tragen die Verantwortung, ob es Realität wird oder nicht.

Mein Standpunkt, der Standpunkt der Grünen und auch von Teilen der SPÖ ist dies­bezüglich klar, in der ÖVP gibt es diese Diskussionen. Ich hoffe, dass jene, die aufgeschlossen sind, sich werden durchsetzen können, und die FPÖ lade ich ein, auch ihr Weltbild diesbezüglich zu überdenken. Die Familie besteht aus mehr, sie ist vielfältig, und das, was Kinder brauchen, sind Geborgenheit, Sicherheit und Liebe und nicht nur Mama und Papa, sondern viel mehr. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


12.21.01

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Zu Beginn: Ich bin sicher nicht kleinlich, aber es ist schon bemerkenswert, welche politischen Zugänge oder Grundeinstellungen manche politischen Fraktionen haben. Frau Kollegin Mühl­werth, Sie haben heute einmal in Richtung ÖVP gesagt – ich glaube, ich habe es


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 63

richtig gehört –: Die Wirtschaftskammer gehört euch! (Bundesrätin Mühlwerth: Der ÖVP nahestehend!)

Ich glaube schon, dass Organisationen, Kammern, Institutionen, Gemeinden, Länder noch lange nicht jenen gehören, die dort die Wahl gewinnen, sondern sie gehören selbstverständlich den Mitgliedern und den Bewohnern dort. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und wenn man die Wahl gewinnt, dann darf man dort verantwortlich gestalten und hat dort eine große Verantwortung zu tragen – das grundsätzlich einmal dazu. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Sie ist trotzdem der ÖVP nahestehend!)

Wenn man über Jugendpolitik spricht, dann, glaube ich, muss man auch darüber reden, wie Jugendarbeit in unserem Land gemacht wird. Ich möchte das vor allem des­halb machen, weil hier Großartiges geleistet wird von vielen Freiwilligenorganisationen. Ob das jetzt die Feuerwehren sind, ob das die Hilfsorganisationen sind, die Rettung zum Beispiel, oder im Kulturbereich die Blasmusikkapellen oder Theatergruppen, ich glaube, die leisten ganz, ganz wichtige Jugendarbeit. Es gibt auch reine politische Jugendorganisationen, die ebenfalls sehr wertvolle Arbeit leisten. Es gibt aber auch parteipolitisch vollkommen unabhängige Jugendorganisationen, die sich auch sehr bemühen und freiwillig ganz, ganz wichtige und großartige Arbeit leisten. Auch da muss man ein großes Danke sagen.

Ich möchte hier eine Jugendorganisation hervorheben, weil sie die größte Jugendorga­nisation vor allem im ländlichen Raum ist, und das ist die Landjugend. Es sind 90 000 Mitglieder österreichweit in dieser Organisation zusammengefasst, und sie ist aus den Dörfern nicht mehr wegzudenken. Sie macht eine ganz hochwertige Arbeit im Bildungsbereich, im Kulturbereich, im Sport- und Freizeitbereich.

Ich betone deshalb die Landjugend hier, weil sie diese Arbeit ohne nennenswerte Subventionen machen. Sie machen das in Eigenverantwortung, in Eigenverwaltung, sie machen ein Programm, das heißt, Jugendliche machen ein Programm für Jugend­liche. Ich glaube, das ist keine Selbstverständlichkeit. Es wird teilweise für die Jugend­betreuung viel Geld in die Hand genommen. Das mag wichtig sein, aber es gibt auch gute Beispiele, wie so etwas freiwillig geschehen kann, und ich glaube, da darf man die Landjugend durchaus einmal betonen und herausstreichen.

In diesen Jugendorganisationen lernen junge Menschen selbständiges Handeln, wie man konstruktiv miteinander arbeitet und wichtige Projekte umsetzt, wie man Menschen integriert, wie man sie auch sozial inkludiert. Das ist auch ein wichtiger Bestandteil dieser EU-Jahresvorschau, weil es, glaube ich, wichtig ist, dass wir Menschen in ihrer Vielfalt achten und auch wertschätzen. Junge Menschen wollen diese Vielfalt erleben, und deshalb ist es wichtig, dass es dieses Erasmus+-Projekt gibt. Die jungen Menschen sind hungrig, Europa kennenzulernen, die Menschen Europas kennenzulernen, auch die Wirtschaft und die Kultur kennenzulernen. Daher sage ich auch danke, dass eine finanzielle Aufstockung für dieses Projekt stattgefunden hat.

Ein wichtiger Punkt der Jahresvorschau ist auch der Schutz Jugendlicher vor schädlichen Bereichen im Internet. Da finde ich es sehr schade, dass das Projekt „Safer Internet“ am Auslaufen ist. Ich glaube, es ist ein guter Weg, dass man Bewusst­sein schafft und die Kinder und Jugendlichen auch auf die Gefahren des Internets aufmerksam macht, dass man ihnen erklärt, wo da Gefahren lauern. Ich glaube, das ist weitaus besser, als wenn man versucht, technische Sperren einzurichten, weil wir wissen, dass Jugendliche oft sehr schnell heraushaben, wie das zu umgehen ist. Darum ist es wichtig, ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 64

Ich denke, man sollte sich Gedanken machen, wie man dieses Projekt „Safer Internet“ weiterführen oder, vielleicht noch besser, weiter ausbauen kann.

Eine große und wichtige Herausforderung ist natürlich auch der Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weil da in erster Linie natürlich Frauen benachteiligt sind. Es ist leider noch so. Man muss aber auch sagen, dass gerade viele Unternehmen groß­zügige und vorbildliche Arbeit leisten. Es ist daher gut, glaube ich, dass wir diese Unternehmer immer wieder auf die Bühne holen und entsprechend auszeichnen, wenn sie Besonderes leisten, weil dies auch freiwillig geschieht. Ich denke, man sollte wirklich darüber nachdenken, auch steuerliche Anreize für derartige Maßnahmen zu setzen und zu machen.

Da der 1. Mai heute ein großes Thema ist, möchte ich auch etwas dazu sagen: Bitte, wertschätzen wir die Leistungen der Familien und machen wir einen Tag der Familien! Das ist mir auch ganz wichtig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Blatnik. – Bitte.

 


12.27.32

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Spoštovane gospa president! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Spoštovane gospa ministrica! Erlaubt mir, dass ich jemanden begrüße, der mir sehr wichtig ist und wo ich froh bin, dass er heute hier an der Debatte teilnimmt. Es ist der Vorsitzende des Volksgrup­penbeirats der Kärntner Slowenen und Vorsitzender des Zentralverbandes Dr. Marjan Sturm. Dragi Marjan, lepo da si z nami! Lieber Marjan, schön dass du da bist! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Lieber Efgani, danke, hvala! Liebe Johanna, danke! Johanna und Efgani haben Familie neu definiert, so möchte ich es bezeichnen. Efgani hat uns gesagt, dass es um das Wohl des Kindes geht, dass es um Liebe geht, dass es um Geborgenheit geht, dass es um Wärme geht. Ich glaube, jeder Mensch, der das will, kann das machen. Jeder Mensch, der es empfindet, kann das machen. Und das ist nicht geschlechtsspezifisch, das ist nicht so, dass es nur Mann und Frau machen können, das können auch zwei Frauen machen, das können auch zwei Männer machen.

Ich kenne eine Familie, die ich wirklich liebgewonnen habe, wo zwei Frauen Kinder erziehen, und ich muss euch ehrlich sagen, die machen es nicht schlechter und nicht besser als Vater und Mutter. – Recht herzlichen Dank, lieber Efgani! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich möchte bei dieser Jahresvorschau vor allem auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingehen. Efgani hat schon gesagt, dass die Familienpolitik keine Gemein­schaftsmaterie der Europäischen Union ist, aber trotzdem haben die Kommission und der Rat Akzente gesetzt, dass Familienpolitik verbessert wird. Im Jahr 2014 wird der Schwerpunkt vor allem auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt.

Lieben Kolleginnen und lieben Kollegen, ich habe mich entschieden: Ich bin für die Wahlfreiheit. Ich habe mich entschieden, meine ehrenvolle Arbeit, meine ehrenvolle Aufgabe liegt in der Kindererziehung, aber auch in meinem Beruf. Ich bin irrsinnig gern Lehrerin, und – schade, der Bundesrat des Teams Stronach ist jetzt nicht da – mein Mutterherz ist bei meiner Tochter sowohl in der Schule, wo ich arbeite, als auch zu Hause. Überall, wo ich bin, lebt meine Tochter in mir.

Noch etwas: Es kann ja nicht sein, dass es die alleinige Berufung der Frau ist, sich um die Kindererziehung sorgen zu müssen, obwohl sie es zum Großteil ohnehin macht. Und ich danke Ihnen daher dafür, dass Sie sich für eine partnerschaftliche Erziehung


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 65

ausgesprochen haben, denn eine Erziehung, die auch der Vater macht – und machen sollte! –, ist doch positiv für die Entwicklung des Kindes. Und ich bitte noch einmal: Hören wir bitte damit auf, dass diese Erziehungsarbeit nur der Mutter zusteht und nur sie dafür verantwortlich ist! Das ist nicht fair! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Das sagt ja keiner! Das hat auch niemand gesagt! – Bundesrat Perhab: Wer behauptet denn das? – Bundesrätin Mühlwerth: Wer behauptet das?)

Der Herr Zelina hat das praktisch auch gesagt, das habe ich aber, wenn Sie mir zugehört haben, auch gesagt – und an alle, die das behaupten oder behaupten wollen, mein Appell.

Ich möchte auch auf die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingehen. Ich habe mich entschieden, sowohl für mein Kind da zu sein, für die Kindererziehung, die ich mir mit meinem Mann partnerschaftlich aufgeteilt habe, als auch Lehrerin zu sein. Für mich sind Rahmenbedingungen wichtig, die es mir ermög­lichen, sowohl Kinder erziehen zu können als auch erwerbstätig, berufstätig sein zu können. (Bundesrätin Mühlwerth: Schön, aber andere wollen das vielleicht anders!)

Genau! Und ich bin für die Wahlfreiheit, liebe Kollegin Mühlwerth. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir auch!) Ganz genau! Ich bin für die Wahlfreiheit, aber seien wir ehrlich: Können sich Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen wirklich entscheiden, ob sie „nur“ – unter Anführungszeichen, bitte – zu Hause bleiben oder ob sie erwerbstätig sein wollen? (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Diese Alleinerzieher und Alleinerzie­herinnen müssen arbeiten gehen, damit sie das Leben finanzieren können, damit sie sich etwas leisten können, und es geht bei diesem Leisten-Können auch um das Wohl des Kindes! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Seien wir noch einmal ehrlich: Ja, es gibt Frauen – weil es meistens die Frauen sind, die die Erziehungsarbeit machen oder sich dafür verantwortlich fühlen –, die zu Hause bleiben, und ich akzeptiere das, ich bin Demokratin. Aber ich sage Ihnen, dass diese Frauen, wenn sie in einer Partnerschaft, in einer Ehe leben und es zu einer Scheidung kommt – jede zweite Ehe wird leider geschieden –, dann meistens ohne Geld dastehen und sehr oft in die Armutsfalle tappen. Das ist auch ein Teil der Wahrheit. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Ich akzeptiere Ihre Meinung, aber bitte akzeptieren Sie auch Fakten, die Fakten sind!

Da du, Efgani Dönmez, die Teilzeitbeschäftigten angesprochen hast: Ja, es gibt Frauen, die teilzeitbeschäftigt arbeiten wollen. Es gibt aber auch Frauen, die teilzeit­beschäftigt arbeiten müssen, weil es keine ganzjährige Kinderbetreuung gibt, weil die Öffnungszeiten nicht entsprechend sind, weil die Kinderbetreuung nicht flexibel genug ist. Auch das ist Faktum.

Deswegen bin ich froh darüber, dass die Regierung 380 Millionen € in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert, denn diese Investition ist für unsere Kinder, und jede Investition für unsere Kinder ist eine Investition in die Zukunft.

Ich möchte noch etwas sagen, das, was schon sehr viele Vorrednerinnen und Vorred­ner gesagt haben, aber es ist mir so wichtig: Wir müssen bei den Kinderbetreuungs­einrichtungen wirklich dafür sorgen, dass sie ganzjährig geöffnet sind, dass sie flexible Öffnungszeiten haben und dass sie auch leistbar sind, denn gerade diese Punkte sind die Punkte, die Probleme für die Eltern darstellen. Und du hast selbst gesagt, Efgani, du bist sehr froh, dass dich deine Frau unterstützt und dir sehr viel abnimmt. – Ja, das ist die Wahrheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch ganz kurz zum 1. Mai: Ja zum 1. Mai, Tag der Arbeit! Es haben sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für soziale


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 66

Gerechtigkeit gesorgt, für vielleicht für so manchen draußen selbstverständliche Rechte wie die 40-Stunden-Woche, Versicherung, Krankenversicherung et cetera, aber auch ja zu einem internationalen 15. Mai, ja zu einem Familienfeiertag, denn wenn wir ein familienfreundliches Österreich sind, steht uns das auch zu!

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Hvala lepa. Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.37.243. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz über die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen mit Aus­landsbezug (Auslandsunterhaltsgesetz 2014 – AUG 2014) (88 d.B. und 91 d.B. sowie 9168/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um den Bericht.

 


12.37.38

Berichterstatter Werner Stadler: Meine Damen und Herren, ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz über die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen mit Auslandsbezug.

Der Bericht liegt schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


12.38.15

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade die Kapitel Kinderbetreu­ung, Kindererziehung, Familienarbeit diskutiert. Wir kommen nun mit dem Auslands­unter­haltsgesetz zu 400 Kindern, die in keiner Familie leben. Wir beschäftigen uns, wenn wir hier das Auslandsunterhaltsgesetz diskutieren, mit dem Schicksal von 400 Kindern, 400 verlassenen Kindern, 400 Kindern, die in keinen guten Familienbe­ziehungen leben.

Es gibt auch in Österreich wie auf der ganzen Welt Kinder, die nicht im selben Land leben wie die Mutter und der Vater und die dann in Österreich oder im Ausland einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater oder gegenüber der Mutter durchsetzen


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 67

müssen. Das ist das Thema des Auslandsunterhaltsgesetzes. Und was wir heute tun, was wir gerne tun, was wir mit sehr viel Freude tun, ist: Wir führen dieses Gesetz zusammen. Ich darf an dieser Stelle den Verfasser dieses Gesetzes recht herzlich begrüßen, Herrn Minister Brandstetter. Ich freue mich, dass wir heute dieses Gesetz beschließen können, denn es hilft diesen 400 verlassenen Kindern, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Wir in Österreich machen für diese Kinder die Tür sehr weit auf, nehmen sie an der Hand und machen mit ihnen gemeinsam diese Ansprüche geltend. Das ist vorbildhaft, sage ich einmal, in der Welt, und wir hoffen, dass unsere Kinder auch im Ausland gleich behandelt werden, denn das Gesetz geht von dem Gedanken, dem Grund­prinzip der Wechselseitigkeit aus. Wir erwarten uns, dass unsere Kinder bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Ausland ebenso gut begleitet und unterstützt werden bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche.

Ja, uns sind die Kinder wichtig, daher ist uns auch die Geltendmachung ihrer An­sprüche ein großes Anliegen. Wenn Eltern ihre Erziehungsarbeit, ihre Elternrolle nicht ernst nehmen, dann sollen sie zumindest finanziell das Notwendige leisten, nämlich den Unterhalt. Das ist einfach ganz, ganz lebenswichtig für die Kinder und für ihre Eltern, für ihre Mutter oder ihren Vater, bei dem sie aufwachsen und ins Leben starten.

Dieses Gesetz ist aber nicht nur ein wertvolles, ein gutes Gesetz für die Betroffenen, dieses Gesetz ist auch vorbildlich, wenn es um Reformarbeit geht. Also in Sachen Entbürokratisierung hat der Herr Minister hier wirklich, sage ich einmal, einen großen Impuls gesetzt. Wir lösen mit diesem Auslandsunterhaltsanspruchsgesetz eine ganze Reihe von Gesetzen ab, wir führen die vielen Gesetze/Rechtsquellen in ein Gesetz zusammen. Das schafft Transparenz, das schafft Klarheit und macht auch Sinn hinsichtlich der Entbürokratisierung.

Österreich ist ein offenes Land, wir sind und leben in einer mobilen Gesellschaft. Wenn Sie wissen möchten, woher diese 400 Verfahren kommen: Diese 400 Verfahren haben hauptsächlich einen Hintergrund aus den Ländern Deutschland, Tschechien und der Slowakei. Mit diesen Ländern haben wir auch die große gemeinsame Grenze; also die halbe Staatsgrenze, sage ich einmal, bewegt sich entlang Deutschland, Tschechien und der Slowakei. Die Deutschen sind auch die wichtigsten Arbeitnehmer auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Wir haben hier also vor allem Verfahren aus Deutsch­land, aus Tschechien und aus der Slowakei, und diesen Kindern wollen wir bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche helfen.

Daher ist dieses Auslandsunterhaltsgesetz ein solch wichtiges Gesetz, das wir gerne beschließen und unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich darf den Herrn Justizminister jetzt auch offiziell ganz herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allge­meiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte.

 


12.42.34

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Seit 11. Mai gibt es in Österreich nur ein Thema: Das ist der Song Contest und der Sieg unserer Conchita Wurst. Als ich mich auf diesen Redebeitrag vorbereitet habe, ist mir ein österreichischer Beitrag eingefallen, der 30 Jahre zurück­liegt, der Beitrag von Gary Lux: Er hieß „Die Kinder dieser Welt“. Ich glaube, dieser wunderschöne Titel hat auch 30 Jahre danach einen Wert, denn die Kinder sind immer der Mittelpunkt dieser Welt.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 68

Wenn wir uns heute mit dem Unterhaltsrecht befassen, dürfen wir nicht vergessen, dass dieses Recht für die Alleinerziehenden von sehr großer Bedeutung ist. Spätes­tens seit den neunziger Jahren wissen wir, dass die Lebensform Alleinerziehender – ob wir es wollen oder nicht wollen – eine zunehmende Form ist, und sehr oft ist dieser Alleinerziehende weiblich.

Das Aufwachsen von Kindern unter bestmöglichen Bedingungen muss die Aufgabe der Politik sein. Dazu gehört es auch einmal, eine finanzielle Grundlage zu schaffen. Wir alle wissen, dass Trennung und Scheidung oft ein Armutsrisiko darstellen. Deswegen ist jede Weiterentwicklung im Unterhaltsrecht zu begrüßen und dankenswert.

Mit einem Mosaikstein in dieser Thematik befassen wir uns heute. Ich denke aber, dass es ein wichtiger Mosaikstein ist, denn es ist notwendig, dass es egal sein muss, wo Mütter und Väter leben: Sie dürfen niemals Grund dafür sein, dass ein Kind schlechtere Rahmenbedingungen hat!

Zusätzlich zu den vorgeschlagenen Maßnahmen können natürlich auch Menschen Unterhaltsansprüche benötigen, auf die sie selbst angewiesen sind, und auch das ist sehr notwendig.

Ziel dieses Gesetzes ist es – ich denke, es wird damit auch gelingen –, eine raschere Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Auslandsbezug zu erreichen, um den Anspruch auch verständlich und leicht abwickelbar zu machen. Auch das wird mit diesem Gesetz geschaffen. Dazu tragen die einheitlichen Durchführungsbestimmun­gen für alle unions- und völkerrechtlichen Rechtsinstrumente bei. Ich denke, auch das wird uns im europäischen Gedanken wieder ein wenig mehr zusammenschweißen.

Auch die direkte Befassung des Bundesministeriums für Justiz mit der Einführung einer Regelung, wie mit den vereinnahmten Geldbeträgen umzugehen ist, wird zu einer rascheren und einfacheren Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bei Auslandsbe­zügen beitragen. Letztendlich ist alles, was schneller geht, auch wirksamer, und das kommt wieder den Kindern zugute.

Aus all diesen Gründen ist für mich und meine Fraktion klar, Herr Minister, dass wir dem heute zu beratenden Gesetzentwurf eindeutig zustimmen werden.

Klar muss für uns aber auch sein, dass jede Verbesserung des Unterhaltsgesetzes ein wichtiger Schritt ist, auch wenn wir noch sehr, sehr wichtige Themen vor uns haben. Lassen Sie mich exemplarisch dafür das Unterhaltsbevorschussungsgesetz nennen. Kollegin Wurm hat im Nationalrat vorgeschlagen, eine Enquete zum Thema Unterhalts­recht zu starten. Ich würde sagen: Es ist an der Zeit, packen wir es an! Jeder Schritt in diese Richtung ist ein wertvoller Schritt. Ich denke, es wäre gerade bei dieser Thematik sehr wünschenswert zu zeigen, dass wir auch ein Miteinander leben können, wenn es um unsere Kinder geht.

Die Kinder dieser Welt, um noch einmal auf den Titel zurückzukommen, sind unsere Zukunft. Ich glaube, damit ist alles gesagt, und danke noch einmal für diesen Gesetz­entwurf. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

12.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Brückl. – Bitte.

 


12.47.42

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem zur Beschlussfassung vorliegenden Auslandsunterhaltsgesetz wird das Ziel verfolgt, die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen mit Auslandsbezug zu verbessern und eine Verfahrensbe-


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 69

schleu­nigung zu erreichen. Das haben im Großen und Ganzen auch meine Vorredner bereits erläutert. Ich darf auch anmerken, dass dieses Gesetz im Großen und Ganzen – ich betone das noch einmal – auch ganz gut gelungen ist. Es geht hier um Kindeswohl, es geht um das Wohl von Kindern und Jugendlichen, und da ist es wichtig, dass man klare und gute Entscheidungen trifft.

Gestatten Sie mir aber doch einige Anmerkungen vielleicht ein bisschen techno­kratischer Natur. Zum Beispiel in Verfahren zur Durchsetzung von eingehenden Unter­halts­ansprüchen, also von Anträgen, die aus dem Ausland hier in Österreich einlangen, besteht mehr oder weniger Anwaltspflicht; Anwaltspflicht dahin gehend, dass, wenn keine gütliche Einigung erzielt wird, vom Richter ein Rechtsanwalt zur Vertretung des Anspruchsberechtigten zu bestellen ist. Man kann davon ausgehen, dass das in so gut wie allen Fällen unter Zuhilfenahme der Verfahrenshilfe passieren wird, wobei als einziges Kriterium für die Bewilligung der Verfahrenshilfe das Alter herangezogen wird. Das ist hier die Vollendung des 21. Lebensjahres. Also bei eingehenden Anträgen ist ebendieses 21. Lebensjahr sozusagen gültig.

Hier gibt es eine Benachteiligung gegenüber jenen Kindern und Jugendlichen, die im Inland den Antrag stellen. Der Jugendliche bis 18 hat zwar den Vorteil, dass er einen leichteren Zugang zum Recht hat. Er kann am Amtstag zum Gericht gehen, kann einen Protokollarantrag abgeben und hat unter Umständen den Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter, der ihm hilft. Aber diese Vertretung endet tatsächlich mit dem 18. Lebens­jahr, und dann muss er sich selbst um diese Frage kümmern. Da kommt dann eben dazu: Wenn er das 18. Lebensjahr vollendet hat, muss er, wenn er Verfahrenshilfe will, diesem Antrag auch ein Vermögensverzeichnis beigeben, was für den ausländischen Unterhaltsberechtigten nicht der Fall ist.

Da liegt einfach eine Ungleichbehandlung vor. Das kann man jetzt akzeptieren, und wir tun das in Österreich. Ich hoffe, dass das in der Praxis dann für Anträge aus Österreich ins Ausland ebenfalls so gehandhabt wird und danach keine tatsächliche Benach­teiligung eintritt.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Tatsache, dass in diesem Gesetz im § 11 ausdrücklich die Befreiung von der Tragung der Kosten für die Dritt­schuldnererklärung aufgenommen ist. Das ist bemerkenswert, weil man hier sozu­sagen der Rechtsprechung vorgreift. Herr Bundesminister, wir wissen, dass es gerade in der Frage der Tragung der Kosten bei der Drittschuldnererklärung eine diver­gierende Rechtsprechung in Österreich gibt. Es gibt Entscheidungen von Senaten, von Gerichten, die sagen: Ja, diese Kosten sind von der Verfahrenshilfe umfasst. Und es gibt Entscheidungen, die das Gegenteil feststellen.

Auch, um in dieser Frage eine einheitliche Vorgehensweise sicherzustellen, um hier tatsächlich Rechtssicherheit zu schaffen, sollte man, so denke ich, zumindest grundsätzlich im Gesetz festschreiben, dass in Verfahren, in denen es um den Kindes­unterhalt geht, die Verfahrenshilfe auch die Kosten der Drittschuldnererklärung um­fasst. Das wäre eine klare Regelung, die für Rechtssicherheit sorgt und die auch keinen großen Aufwand erfordert.

Geschätzte Damen und Herren, im Großen und Ganzen aber bewirkt dieses Auslandsunterhaltsgesetz tatsächlich eine Vereinfachung, eine Beschleunigung dieser Verfahren, was, weil es gerade hier um das Kindeswohl, um Kinder, um Jugendliche geht, die diesen Unterhalt zumeist sehr notwendig und sehr dringend brauchen, durchaus als positiv gesehen werden kann. Wir werden diesem Gesetzesvorschlag daher auch zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Todt.)

12.52



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 70

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


12.52.08

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben schon sehr viel angesprochen. Wir haben natürlich Probleme beim Unterhaltsrecht, das ist nicht von der Hand zu weisen. Einerseits gibt es viel zu geringe Beträge für die Anspruchsberechtigten. Mit 20, 30, 40, 50 € kann man, das wissen wir, Kinder nicht sinnvoll unterstützen und die Kosten, die anfallen, nicht einmal nur annähernd abdecken.

Aber das andere Problem ist, dass wir viele haben, die dadurch in die Armutsfalle geraten. Scheidungen sind, auch wenn sie einvernehmlich erfolgen, sehr oft sehr kost­spielig. Da geht es um Existenzen. Wir haben, gerade was den Unterhalt betrifft, auch die Möglichkeit, die Leute bis unter das Existenzminimum zu pfänden. Das schafft natürlich für die Betroffenen massive Probleme, und das sind in den meisten Fällen die Männer. Das muss man auch sagen, das ist die Realität.

Kollegin Winkler hat es angesprochen: Im Parlament hat es die Intention gegeben, eine Enquete zu starten. Das ist eine wirklich gute, eine hervorragende Idee. Ich hoffe, dass eine solche auch demnächst stattfinden wird, da es um ein sehr essenzielles Thema geht. Da geht es dann natürlich unter anderem auch um eine Art Grundsicherung für die Kinder oder für Familien, die von Armut bedroht sind.

Das ist natürlich eine Materie, die nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt, weil es ja eine Sozialleistung darstellen würde. Da muss man selbstverständlich Gespräche mit dem Sozialminister führen. Aber ich finde es für einen wichtigen und richtigen Schritt, dass es diese Enquete geben wird. Ich kann nur hoffen, dass sie zustande kommt und dass auch die Ergebnisse dahin gehend für die Betroffenen spürbar und bemerkbar sind.

Im Großen und Ganzen: Herzlichen Dank, auch wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte.

 


12.54.37

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich werde mich im Rahmen meiner Kompetenzen halten. Das heißt, ich werde über eines sicherlich nicht reden, nämlich über den Song Contest, wiewohl das Ergebnis wirklich sehr erfreulich war.

Mir hat auch gefallen, dass Frau Bundesrätin Winkler ausdrücklich Bezug genommen hat auf ein sehr schönes Lied eines Teilnehmers am Song Contest vor mittlerweile schon etlichen Jahren, auf Gary Lux mit „Die Kinder dieser Welt“. Das war ein wirklich schönes Lied, es hätte sich mehr Erfolg verdient. Wenn ich mich so zurückerinnere – ich meine, ich habe bestenfalls, was den Song Contest betrifft, gewisse historische Kenntnisse, altersbedingt –: Einer meiner Jugendfreunde ist 1981 für Österreich mit einem wunderschönen Lied angetreten, „Wenn du da bist“ – ein herrliches Lied, damals komponiert und getextet von einem einfachen VOEST-Arbeiter. Das war schon bemerkenswert. Es hätte sich auch deutlich mehr Erfolg verdient.


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Altersbedingt kann ich mich natürlich schon noch an den ersten, früheren Sieg erinnern, den wir hatten: Udo Jürgens mit „Merci, Chérie“. Das hat dazu geführt – und das wollte ich eigentlich sagen, weil das vor allem für die Jugend auch wichtig ist; die wissen das ja nicht mehr, meine Leute, im Ministerium habe ich oft das Problem, dass alle so jung sind –, dass wir durch den Sieg von Udo Jürgens mit „Merci, Chérie“ dann 1967 den Song Contest in Wien veranstaltet haben. Das war toll!

Das war in der Stadthalle. Und was Sie vielleicht nicht mehr wissen – ich weiß es noch ... (Bundesrat Schreuder: Nein, Hofburg!) Bitte? (Bundesrat Schreuder: Hofburg!) Hofburg, Entschuldigung! Ja, Hofburg, aber dafür weiß ich, wer damals gewonnen hat. (Bundesrat Schreuder: Sandie Shaw!) – Unglaublich! (Heiterkeit.) Frau Präsidentin, ich glaube, wir können aufhören. Ich kann hier nichts Neues erzählen. (Bundesrat Schreuder: Ich bin ein Lexikon!) – Ja, ja, Sie sind ein Lexikon.

Das war Sandie Shaw mit „Puppet on a String“. Aber jetzt kommt das Interessante: Das war damals ein kleiner Skandal. Nämlich allein die Tatsache, dass sie bloßfüßig aufgetreten ist, war damals schon ein kleiner Skandal. Daran sieht man, die Welt ist wirklich toleranter geworden, und es ist auch gut so.

So, aber jetzt zu den wirklichen Kompetenzen, die wir zu betreuen haben. Ich werde allenfalls auf Sie zukommen, wenn ich Gedächtnislücken habe. Aber wir sind uns einig, auch was den Beitrag 1981 betrifft. Der wurde unter seinem Wert geschlagen. Sind wir uns darin einig? – Gut. (Bundesrat Schreuder: Gary Lux: für mich ganz normal! – Heiterkeit.) Na ja! Na, aber schon ... (Heiterkeit.) Gut, wir werden nachher darüber weiterreden.

Also mit diesem Auslandsunterhaltsgesetz soll ein einheitliches Durchführungsgesetz für alle in Österreich geltenden völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Rechtsinstru­mente zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen mit Auslandsbezug geschaffen werden. Das ist auch gelungen.

Die Materie ist ja ziemlich komplex. Es war notwendig, da Änderungen vorzunehmen, weil die Haager Privatrechtskonferenz und die Europäische Union mit dem Haager Unterhaltsübereinkommen und mit der Europäischen Unterhaltsverordnung neue Normen zur grenzüberschreitenden Unterhaltsdurchsetzung geschaffen haben. Diese Normen wollten wir jetzt mit dem Auslandsunterhaltsgesetz 2014 durch Durchführungs­bestimmungen im österreichischen Recht mit praktischem Leben erfüllen.

Die Fragen, die sich bei der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs aus Österreich in das Ausland ebenso wie umgekehrt stellen, sind ja vielfältig: Welche Gerichte sind überhaupt zuständig? Welches Recht haben sie dann anzuwenden? Wenn man einmal weiß, wer zuständig ist: Wer hilft bei der Antragstellung? – Das ist eine Fragestellung, die auch zuletzt sehr schön zum Ausdruck gekommen ist beim Redebeitrag des Herrn Bundesrates Brückl; darauf werde ich dann noch kurz eingehen.

Kann Verfahrenshilfe bekommen werden? – Alle diese Fragen sind bisher Gegenstand zersplitterter Normen gewesen, was sich zum Teil daraus erklären lässt, dass histo­risch nicht alle Sachprobleme gleichzeitig in einem internationalen Instrument gelöst werden konnten. Aber die Europäische Unterhaltsverordnung und das Haager Unter­halts­übereinkommen konnten jetzt erstmals praktisch alle Fragen zusammenfassend regeln. Die Verordnung gilt seit 18. Juni 2011. Das Übereinkommen wird am 1. August 2014 für Österreich in Kraft treten.

Mit dem AUG 2014 soll jetzt für alle Fälle grenzüberschreitender Unterhalts­durch­setzung ein einheitliches, modernes und effizientes Durchführungsgesetz beschlossen werden. Das ist das Ziel. Damit können auch zwei ältere Gesetze, nämlich das Durch-


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führungsgesetz zum New Yorker Unterhaltsübereinkommen und das Auslandsunter­haltsgesetz, aufgehoben werden, was der Rechtsbereinigung dient.

Da fällt mir ein Zitat von Tacitus ein, das im Nationalrat immer wieder von bestimmten Abgeordneten gebracht wird: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, eben keines zu machen. – Wir haben damit immerhin auch zwei Gesetze aufheben können, im Sinne auch von mehr Klarheit, mehr Rechtssicherheit und Rechtsbereinigung.

Insgesamt ist der Entwurf ein Beitrag zu einer einfacheren, rascheren und wirksameren Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Ausland. Das wollte ich auch noch zu dem, was Herr Bundesrat Brückl gesagt hat, hinzufügen: gegenüber dem Ausland natürlich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit! Das heißt, es sollte eigent­lich – wir werden sehen, wie sich das einspielt – nicht passieren, dass es aus öster­reichischer Sicht zu Benachteiligungen kommt, wenn Österreicher Unterhalts­ansprüche im Ausland durchsetzen wollen.

Dass natürlich der gesamte Bereich der Rechtsdurchsetzung, speziell wenn es um Unterhaltsansprüche geht, auch einer ist, den man möglichst durch Verfahrenshilfe absichern muss, das ist völlig richtig, da gebe ich auch Bundesrat Brückl völlig recht. Wie Sie wissen, sind wir ja dabei, durch das Instrument der Familiengerichtshilfe dazu etwas aufzubauen, sodass dann praktisch jeder weiß, dass er, wenn er sich an die wendet, ein Kompetenzzentrum hat. Dort wird ihm geholfen, dort bekommt er allenfalls auch Verfahrenshilfe. Ich glaube, das wird à la longue auch gut funktionieren. Mit diesen Instrumenten werden wir es auch schaffen, dass niemand mehr irgendwelche Schwierigkeiten hat, wenn es um die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche geht.

Es ist einfach auf europäischer Ebene jetzt so weit. Eigentlich müsste das alles wirklich funktionieren. Es müsste eigentlich auch innerhalb Europas jetzt vorbei sein mit irgendwelchen Problemen. Und es wird natürlich in Zukunft auch nicht mehr so leicht möglich sein, sich der Unterhaltsverpflichtung dadurch zu entziehen, dass man einfach den Wohnsitz aus Österreich hinausverlegt oder versucht, sonstige Tricks anzu­wenden. Da muss man schon sehr, sehr weit wegfahren, wenn man da noch eine Chance haben will, und das soll ja auch nicht möglich sein.

Ich darf Sie daher auch um die bereits angekündigte breite Zustimmung zu diesem Vorhaben bitten, die wir im Übrigen ja auch im Nationalrat gehabt haben, was mich sehr, sehr gefreut hat. Wir hatten praktisch einen völligen Konsens. Das war eine Einstimmigkeit, die wirklich sehr, sehr erfreulich war, nicht zuletzt auch im Interesse der Kinder dieser Welt. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.01.4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden und ein


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Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlos­sene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG) erlassen wird (Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – VRUG) (89 d.B. und 92 d.B. sowie 9169/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Bitte um den Bericht.

 


13.02.02

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Frau Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geän­dert werden und ein Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäfts­räumen geschlossene Verträge – Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – erlassen wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

13.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


13.02.58

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser vom Nationalrat beschlossenen Regierungsvorlage geht es im Wesentlichen um eine Änderung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und um eine Änderung des Konsumentenschutzgesetzes sowie um ein Bundesgesetz über Fernabsatz und außer­halb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, das erlassen werden soll. Und es geht auch um die dringliche Umsetzung einer EU-Richtlinie; dringlich – und das unterstelle ich jetzt einfach einmal –, was uns dazu zwingt, dass wir dieses Gesetz heute beschließen müssen.

Das Gesetz beinhaltet definitiv Verbesserungen für die Konsumenten, zum Beispiel den Ausbau des Rücktrittsrechts. Ich möchte in diesem Zusammenhang anmerken, dass der Konsumentenschutz in Österreich im internationalen Vergleich doch ein sehr hohes Niveau hat und Ansehen genießt.

Der wesentliche Punkt in diesem Fernabsatzgesetz ist allerdings eine Informations­pflicht. Dazu findet sich im Fernabsatzgesetz folgender Passus: „Bevor der Ver­braucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, muss ihn der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise über Folgendes informieren, “ Und dann folgen 19 unterschiedliche Punkte. 19 unterschiedliche Punkte sind angeführt, über die der Unternehmer informieren muss.

Und im Gesetz heißt es dann weiter: „Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlos­senen Verträgen sind die“ vorhin genannten 19 Informationen „dem Verbraucher auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Die Informationen müssen lesbar, klar und verständlich sein.“ Das klingt zunächst einmal problemlos und ganz gut. Was das dann aber für die Praxis bedeutet, muss man sich tatsächlich genau anschauen.

Herr Bundesminister! Sie kennen das Beispiel vom Installationsnotdienst ja mittler­weile. Wenn also ein Kunde am Wochenende anruft und sagt: Bei mir tropft das


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Wasser von der Decke!, was soll dann der Installateur am anderen Ende der Leitung sagen? Er kann nicht informieren, denn er weiß ja nicht, welches Problem vorliegt. Er weiß nicht, ob er Material benötigt, ob Vorarbeiten zu leisten sind. Also fährt er hin, schaut sich das Ganze an und stellt dann fest, dass mehr zu tun sein wird. Unter Umständen muss er vielleicht sogar etwas ausstemmen, Mauerarbeiten machen. Da kann es ihm eben passieren, dass er einfach unverrichteter Dinge wieder abrücken muss, weil er nicht ordnungsgemäß informieren kann. Das ist ein Beispiel.

Oder es gibt das Beispiel der Rechtsanwälte und Notare. Herr Bundesminister! Es ist ja gängige Praxis, dass Rechtsanwälte oder auch Notare Rechtsauskünfte am Telefon geben. Ich glaube, da gibt es sogar einen eigenen Tarif dafür. Es gäbe noch einige weitere Beispiele für Unklarheiten im Gesetz, die in der Praxis für Schwierigkeiten sorgen werden und würden.

Unser Vorschlag im Nationalrat war eine Rückverweisung an den Ausschuss, um das Gesetz beziehungsweise diese Regierungsvorlage noch einmal zu überarbeiten, die Unklarheiten zu beseitigen und dann erst zu sagen: So, jetzt legen wir es vor und beschließen es. Das erscheint uns auch heute noch als die sinnvollste Vorgehens­weise, und das ist auch der Grund, weshalb wir diesem Gesetz auch hier nicht zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

13.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Zwazl. – Bitte.

 


13.06.24

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt, die vorliegende Gesetzesmaterie behandelt ein sehr komplexes Regelungssystem mit weitreichenden Auswirkungen in vielen Bereichen des Vertragsrechts.

Ich gebe einen Überblick über die wesentlichen Punkte. Es ist schon angesprochen worden, dass die Schwerpunkte der Umsetzung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie einerseits im Fernabsatz liegen, also im Versandhandel und in der Gestaltung von Webshops, andererseits werden Verträge neu geregelt, die außerhalb der Geschäfts­räumlichkeiten abgeschlossen werden.

Zu begrüßen ist die Harmonisierung im Bereich der Webshops. In diesem Bereich dürfen nämlich die Mitgliedstaaten in keiner Weise von den Richtlinien abweichen. So ist europaweit einheitlich das Rücktrittsrecht mit 14 Kalendertagen festgelegt. Das bedeutet zwar für uns in Österreich eine Verlängerung – wir haben bisher nur 7 Werk­tage gehabt –, aber jetzt ist eben die Frist europaweit einheitlich. Damit kann auch die Informationspflicht über das Rücktrittsrecht europaweit nach einem einheitlichen Muster erfolgen.

Überreglementiert und bürokratisch sind aus unserer Sicht, aus Sicht der Wirtschaft, die in der Richtlinie enthaltenen vorvertraglichen und nachvertraglichen Informations­pflichten. So reicht zum Beispiel die Information über die gesetzliche Gewährleistungs­pflicht nicht mehr aus. Es muss auch umfassend über die freiwilligen Hersteller­garantien informiert werden. Da haben wir einen ungeheuer großen Anpassungs­be­darf, weil diese Garantiebedingungen bisher nicht in internettauglicher Form vorgele­gen sind.

Eine Bestellung im Internet ist in Zukunft nur noch dann rechtsverbindlich, wenn der Käufer mit Begriffen wie „zahlungspflichtig bestellen“ konfrontiert wurde.


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Komplizierter ist der Umgang mit Geschäften, die real außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden. Diesbezüglich bestehen vorvertragliche und nachvertragliche Informationspflichten.

Kollege Brückl hat schon den Installateur angesprochen. Natürlich ist es nicht so, dass es da immer nur um einen Wasserrohrbruch geht, wenn ich einen brauche, sondern es gibt auch andere Reparaturen. Ich bin sehr froh, dass da jetzt die Grenze von ursprünglich 20 €, 50 € auf 200 € angehoben wurde. Mir wäre jedoch recht, wenn wir da mit der Grenze noch ein bisschen weiter hinaufgehen könnten, zum Beispiel auf 500 €. Es ist nämlich so, dass man den Kunden aufklären muss, dass unsere Unter­nehmerinnen und Unternehmer mit Verträgen unterwegs sein müssen. Die müssen sie dem Kunden erklären, und der Betrieb wird in Zukunft auch die Information geben, dass der Kunde im Fall eines Rücktritts die bis zum Rücktritt erbrachten Dienstleistun­gen zu bezahlen hat. Und es ist natürlich auch so, dass es nur mehr mit Unterschriften geht und dass sozusagen ein Handschlag nicht mehr gilt.

Wenn man sich das anschaut, sind die vielen Unterlagen schon problematisch. Noch viel problematischer ist, dass sich, wenn über das Rücktrittsrecht nicht oder nicht korrekt informiert wurde, die Rücktrittsfrist um 12 Monate verlängert.

Da ist es eben so, dass das reine Vertrauen, so wie wir es gewohnt sind, in Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Der Schutz der Konsumenten geht in diesem Fall eindeutig auf Kosten der vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen zum Unternehmer.

Auch auf Verträge, die in Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen werden, gibt es massive Auswirkungen. Auch dabei ist über die Garantiebestimmungen der Hersteller zu informieren.

Zusammenfassend: Mit dieser Richtlinie werden noch strengere Maßstäbe im Konsu­men­tenschutz angelegt, und für die innerösterreichische Umsetzung gab es keine Spielräume, aber bei der Umsetzung ist kein „golden plating“ erfolgt. Dafür bedanken wir uns.

Äußerst problematisch ist für mich als Vertreterin der Wirtschaft natürlich der kurze Umsetzungszeitraum, den die Richtlinie vorgibt. Bis 13. Juni dieses Jahres muss die Umstellung der Unternehmen abgeschlossen sein, und an meinen Ausführungen erkennen Sie ja, mit welchem auch bürokratischen Aufwand die Umsetzung bei den Unternehmen verbunden ist.

Damit die überbordende Bürokratie das Verhältnis, das Vertrauen zwischen Konsu­men­ten, Gewerbe und Handwerk nicht allzu sehr trübt, haben wir als Wirtschafts­kammer Niederösterreich für unsere Betriebe Formulare erarbeitet, welche die 19 notwendigen Bestandteile in einfacher und verständlicher und sinnvoller Form enthalten. Das ist für unsere Betriebe notwendig und wichtig und eine großartige Hilfe, und ich erwarte mir in diesem Zusammenhang auch, dass die Konsumentenschutz­organisationen jetzt am Anfang mit Augenmaß vorgehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Füller. – Bitte.

 


13.12.08

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates aus dem Jahr 2011 über die Rechte der Verbraucher muss in österreichisches Recht umgesetzt werden und gilt für


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 76

Verträge, die ab dem 13. Juni 2014 geschlossen werden. Kollegin Zwazl hat ja inhaltlich schon sehr viel dazu gesagt.

Gemäß dieser Richtlinie werden mit dem Gesetzesvorhaben folgende Ziele verfolgt: Eine Verbesserung der Informationslage der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Außergeschäftsraumvertrag, die Verbesserung der Informationslage für Verbraucherin­nen und Verbraucher beim Fernabsatzgeschäft, eine Erleichterung des Rücktritts sei­tens der Verbraucher bei ebendiesen Geschäften, eine Verbesserung der Be­schwerde- und Reklamationsmöglichkeit sowie eine Ankurbelung des grenzüber­schreitenden Handels.

Die verschiedenen Regelungsinhalte der Verbraucherrichtlinie sollen modulartig an verschiedenen unterschiedlichen Regelungsorten umsetzt werden. So werden die neuen allgemeinen Informationspflichten des Unternehmers, die Regelungen über Zahlungen, zusätzliche Zahlungen und Kosten sowie die Richtlinienbestimmungen allgemein vertraglichen Charakters, zu denen ja auch noch ein Umsetzungsbedarf besteht, in den allgemeinen Teil des Konsumentenschutzgesetzes eingebaut. Jene Kapitel der Richtlinie, die Verbraucherschutzrecht für Fernabsatzverträge und außer­halb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge etablieren, werden durch eine neue Gesetzesvorschrift in das österreichische Recht übernommen, nämlich durch ein neues Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG.

Die Beschlussfassung im Ministerrat hat sich über längere Zeit hinausgezögert, da auch vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz darum gerungen wurde, gegenüber dem Justizministerium noch zusätzliche Verbesserungen für Konsumentinnen und Konsumenten zu erreichen. Dies ist zu einem gewissen Teil auch gelungen. Insbesondere spreche ich damit die Button-Lösung an. Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrags im elektronischen Geschäftsverkehr ist, dass der Verbraucher mit der Bestellung ausdrücklich bestätigt hat, dass die Bestellung für ihn eine Zahlungspflicht auslöst. In der Praxis bestellt der Verbraucher, die Ver­braucherin auf Online-Plattformen dadurch, dass er oder sie eine Schaltfläche, zum Beispiel den Bestell-Button betätigt. Aus diesem Grund präzisiert die Richtlinie die Regelung im Hinblick auf die Vorgabe einer Schaltfläche.

Das Sozialministerium und die SPÖ haben versucht, diese Button-Lösung auch auf alle Verträge über soziale Dienstleistungen und Gesundheitsdienstleistungen auszudeh­nen. Gelungen ist das jetzt noch nicht. Sehr wohl konnte eine Ausdehnung auf Pau­schal­reisen erwirkt werden. Dies bedeutet etwa, dass bei einer Pauschalreise nicht einfach eine Stornoversicherung mitgeliefert werden kann. Ebenso konnte ein wirk­samer Schutz vor „Cold Calling“, also unerbetene Telefonanrufe zu Werbezwecken, sichergestellt werden.

Wir halten die Umsetzung dieser Richtlinie im Großen und Ganzen für gelungen und werden dieser auch zustimmen. Dennoch möchte ich anmerken, dass die Ausdehnung der sogenannten Button-Lösung auf die vorhin genannten Bereiche wünschenswert wäre und wir diese auch weiterhin verfolgen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


13.15.57

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzter Herr Minister! Da vieles schon gesagt worden ist, kann ich mich sehr kurz fassen. Was Kollegin Zwazl angesprochen hat, kann man nicht den MitarbeiterInnen


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anlasten, und ich habe das auch nicht so verstanden, dass das als Vorwurf gewertet worden ist, denn der Entwurf liegt ja schon länger vor. Und Sie können auch nichts dafür, Herr Minister. Das war ein Versäumnis Ihrer Vorgängerin. Sie hat das einfach lang liegen lassen, und jetzt haben wir eben ein bisschen Stress und müssen das umsetzen.

Es ist, wie es ist, und es ist begrüßenswert. Wir werden dem auch unsere Zustimmung erteilen, aber ich möchte dennoch erwähnen, dass aufgrund der verschiedenen Anwendungs­bereiche der Schutzbestimmungen das Verbraucherrecht in Österreich nicht besser lesbar und auch nicht bürgernäher geworden ist. Wir werden daher auch in Zukunft ein Augenmerk darauf legen müssen, inwieweit wir im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bestimmte Geschäfte wie eben Gesundheitsdienstleistungen, Pau­schalreisen, bestimmte Finanzdienstleistungen in den Vollanwendungsbereich des Konsumentenschutzes in Österreich integrieren können.

Kollege Füller hat den Bereich des „Cold Calling“ schon angesprochen. Es ist sehr gut, dass die Möglichkeit geschaffen worden ist, auch durch schriftliche Verträge Sicherheit zu schaffen, denn wir wissen – von der Arbeiterkammer in Kärnten, glaube ich, gab es dazu eine Untersuchung beziehungsweise hat es dort einen Haufen Beschwerden gegeben –, dass bestimmte Anbieter massivst aggressiv werben und dabei Leute, die sich nicht so gut auskennen, über den Tisch ziehen. Das kann man mit dieser Regelung hoffentlich eindämmen.

Die Umsetzung ist zu begrüßen, und wir werden dem auch unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

13.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir haben heute hohen Besuch im Bundesrat. Ich darf den Vizepremier der Föderation Bosnien-Herzegowina Herrn Radivojević ganz herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall. – Vizepremier Radivojević begrüßt den anwesenden Bundesminister Brandstetter und wechselt ein paar Worte mit diesem. Hernach begrüßt er noch die Vizepräsidentin und die anderen Personen am Präsidium und verlässt dann in Begleitung einiger Bun­desräte den Sitzungssaal.)

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte.

 


13.18.18

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Nach all dem, was hier bereits an absolut sachlichen und nachvollziehbaren Argumenten zum Verbraucherrechte-Richtlinie-Um­setzungsgesetz vorgebracht wurde, kann ich mich sehr kurz fassen.

Ja, das war ein mühsames Ringen. Ja, es war schwer, einen Kompromiss zu erzielen, und eigentlich schon auch sehr knapp – von der Zeit her betrachtet. Ein guter Kompromiss ist immer einer, der beiden Seiten wehtut. Ich weiß, dass die Wirtschaft mit einigen Punkten absolut nicht glücklich ist, insbesondere mit der sehr kurzen Frist, die jetzt nur mehr bleibt, um das umzusetzen. Das ist dadurch bedingt, dass wir diese Richtlinie eben innerhalb einer bestimmten Frist umsetzen müssen, und daher musste es jetzt einfach wirklich rasch gehen; das ist richtig. Das heißt aber nicht, dass das, was herausgekommen ist, nicht wirklich ein tragfähiger Kompromiss ist – auch nach meiner persönlichen Überzeugung.

Es ist richtig, dass auch die Konsumentenschützer in diesem Gesetz noch gerne vieles gehabt hätten, was letztlich auch nicht möglich war. Es ist also, glaube ich, doch ein passabler Kompromiss geworden. Ich sehe aber schon ein, dass es jetzt einer


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 78

konstruktiven Umsetzung dieser Regelung bedarf, da hat Frau Präsidentin Zwazl schon recht. Ich glaube, jetzt sollten alle Beteiligten einfach versuchen, das Beste daraus zu machen.

Ich denke, es sind wesentliche Verbesserungen für die Verbraucher enthalten. Es wird sich das Ganze, glaube ich, so einspielen, dass es letztlich im Detail nicht so große Probleme geben wird, wie man jetzt vielleicht aus theoretischer Sicht befürchtet hat. Ich glaube, das wird ganz gut funktionieren, wenn alle Beteiligten – und davon gehe ich aus – das auch konstruktiv anpacken und damit entsprechend umgehen. Ich bitte daher um entsprechende Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.21.155. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde (III-502-BR/2013 d.B. sowie 9170/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Winkler. Bitte um den Bericht.

 


13.21.31

Berichterstatterin Ingrid Winkler: Frau Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Justiz über die im Jahr 2009, 2010, 2011 und 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde, zur Kenntnis zu nehmen.

13.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


13.22.26

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bericht macht zuallererst deutlich, dass das Weisungsrecht des Bundesministers sehr transparent ausgestaltet wurde. Das liegt daran, dass es einer gerichtlichen, aber auch der parlamentarischen Kontrolle unterliegt; und das sehen wir heute, wenn der Bericht neben dem Nationalrat auch hier im Bundesrat besprochen wird.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 79

Dieser Bericht bietet aber natürlich auch Gelegenheit, ein aktuelles Thema anzu­sprechen. Dabei geht es mir jetzt nicht nur um die immer wieder vorkommenden Spekulationen über allfällige unsachliche politische Einflussnahme. Das gehört bei dieser Diskussion natürlich dazu, aber es geht mehr prinzipiell um die aktuelle The­matik der Reform des Weisungsrechtes.

Herr Bundesminister, Sie haben ja gleich bei Ihrem Amtsantritt diesem Thema eine gewisse Bedeutung verliehen. Sie waren eigentlich schon immer für eine Reform des Weisungsrechtes in der derzeitigen Form, um das Vertrauen in die Justiz zu stärken.

Ich glaube aber, dass es bei einem so wichtigen rechtsstaatlichen Thema zentral ist, mit der nötigen Ruhe und mit einer Gelassenheit heranzugehen, um eine ent­sprechende solide Lösung erarbeiten zu können, die schlussendlich einen möglichst breiten Konsens haben soll. Sie haben das getan, Sie haben rasch eine hochkarätige Expertenkommission eingesetzt, die ohne Vorgaben verfassungskonforme Reformvor­schläge erarbeiten soll.

Es gibt natürlich für so eine Reform des Weisungsrechtes verschiedene Alter­nativmöglichkeiten. Einen Weisenrat haben Sie bereits eingerichtet, der unter anderem in Fällen der Befangenheit einbezogen wird. Das ist sicher ein richtiger Schritt. Manche sind mit einer solchen Reform nicht ganz zufrieden und fordern eine gänzliche Abschaffung dieses Weisungsrechtes. Warum eigentlich? (Bundesrat Schreuder: Das sagen wir dann!) – Ich glaube dir, dass du es dann sagen wirst.

Staatsanwälte sind ja keine Richter. Sie entscheiden, ob gegen bestimmte Personen eine Anklage erhoben wird, ob Untersuchungen im Vorfeld geführt werden sollen. Natürlich haben viele von uns bei dem Wort „Weisungsrecht“ immer noch vor Augen, dass mithilfe von Weisungen auch politisch unliebsame Erhebungen oder Anklagen abgewürgt werden. Solche Fälle hat es insbesondere in den siebziger Jahren immer wieder gegeben.

Was würden aber jene Leute, die so vehement für die gänzliche Abschaffung des Weisungsrechtes eintreten, sagen, wenn ein Staatsanwalt beispielsweise in einem Fall, der objektiv geradezu nach Aufklärung schreit, untätig bleiben würde? Oder was würden Sie sagen, wenn ein Staatsanwalt in schwierigen Fällen sich verzetteln und andere Aufgaben dann vernachlässigen würde oder wenn er selber aus politischen Motiven gegen eine Person vorgehen würde?

Das Weisungsrecht ist also aus meiner Sicht prinzipiell sicher nichts Schlechtes, und eigentlich gibt es, auch wenn man die anderen Rechtsordnungen anschaut, nicht wirklich eine Alternative dazu. In praktisch allen fortgeschrittenen Rechtsstaaten sind die Staatsanwaltschaften auch weisungsgebunden. Die Frage ist höchstens, wer so eine Befugnis hat. (Bundesrat Schreuder: Genau!) Diese Frage kann man natürlich stellen. Wer kann so eine Weisung erteilen? Diese Frage ist sicher legitim.

Der Minister hat jetzt eben diesen Weisenrat eingeführt, der für eine gewisse Ob­jektivierung sorgen soll. Die Alternative dazu wäre, wenn die oberste Leitung der Staats­anwaltschaften einer unabhängigen Person übertragen wird, also eine Art Generalstaatsanwalt geschaffen wird, wie beispielsweise in der Schweiz der Bundes­anwalt, der dort vom Parlament gewählt wird.

Diese Wahl dürfte dann allerdings, und das müssen wir im Bundesrat festhalten, nicht vom Nationalrat allein, sondern auch wie in der Schweiz von Nationalrat und Bundesrat entschieden werden. Schließlich ist dieser Bundesanwalt, wie man ihn auch immer nennt, in der Schweiz als Beispiel auch eine Einrichtung des Gesamtstaates. Dann wird er aber auch wieder politisch. Das ist eine Frage, die man sich stellen muss.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 80

Ich persönlich sehe das Weisungsrecht bei einem politischen Organ, also jetzt beim Justizminister, nicht so schlecht aufgehoben. Er hat ja auch die politischen Konse­quenzen zu tragen, während ein Eingesetzter, ein Gewählter, ein Generalstaatsanwalt oder wie auch immer man ihn nennt, wohl in der Öffentlichkeit ebenso der Kritik ausgesetzt wäre. Auch er kann es nicht immer allen recht machen, aber bis zum Ablauf seiner Funktionsperiode hätte er mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen, anders als das beim Justizminister der Fall ist.

Lassen wir also den Herrn Bundesminister Brandstetter arbeiten! Er ist, glaube ich, durch seine Expertise und durch seinen Sachverstand ein Garant dafür, dass die Staatsanwaltschaften einerseits kontrolliert, andererseits aber auch nicht unlauter beeinflusst werden.

Herr Minister, wir sind sehr gespannt auf die Vorschläge zu einer Reform und nehmen den Bericht natürlich dankend zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Füller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.28.24

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizminis­teriums über die in den Jahren 2009 bis 2012 erteilten Weisungen steht heute hier zur Diskussion. Mit dieser Vorlage nimmt das Bundesministerium für Justiz seine Verant­wortung und Verpflichtung gegenüber dem Parlament wahr.

Gerade in Zeiten, in denen sich große und sehr komplexe Wirtschaftsdelikte ereignet haben, kommt damit dem Justizminister eine große Verantwortung zu. Schließlich ist ja das korrekte Abhandeln von Delikten und Kriminalfällen eine der zentralen Säulen einer funktionierenden Demokratie und eines funktionierenden Rechtsstaates.

Medial werden uns seit Jahren laufend große Fälle sprichwörtlich bis ins Wohnzimmer geliefert. Gerade Verfahren von sehr langer oder überlanger Dauer, die sich dahin­schleppen, wenn es um Fälle von Wirtschaftskriminalität geht, tun dem Ansehen der Justiz nicht gut.

Natürlich darf man da nicht übersehen, dass, um gegebenenfalls eine Anklage erheben zu können, Hunderttausende Seiten an Akten durchgearbeitet werden müssen. In der Bevölkerung darf aber auch nicht der Eindruck entstehen – und dieser Eindruck ist oft nicht ganz von der Hand zu weisen –, dass bei kleineren Delikten und Vergehen die Justiz sehr schnell aktiv wird und sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt werden.

Ich denke da noch immer ein bisschen mit Schaudern an den Tierschützerprozess in Wiener Neustadt zurück. Bei anderen, prominenteren Fällen entsteht der Eindruck, dass da sehr lange ermittelt wird, bis es eben keine Beweise mehr gibt, bis Fristen abgelaufen sind, sodass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Ich denke da auch an die Causa Grasser. Da wird seit Jahren seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt, um Akten aus Liechtenstein gerungen, Hausdurchsuchungen werden durchgeführt, aber es gibt bis zum heutigen Tag keine Anklage.

Es ist die Aufgabe der Justiz, in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat bei allen Menschen, ganz unabhängig von deren Vermögen und Ansehen, gleiche Maßstäbe anzusetzen.

Herr Bundesminister, ich glaube auch, dass Ihr jetziges Vorhaben, das Weisungsrecht einer Reform zu unterziehen, ein richtiger Schritt hin zu mehr Offenheit und Transpa-


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renz ist. Da geht es vor allem darum, das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Dazu wurde Ihrerseits die Installierung eines Weisenrats vorgeschlagen, und dieser wurde auch bereits eingesetzt.

Der Weisenrat wird sich zu den Erledigungsvorschlägen des Leiters der Straf­rechts­sektion äußern und gegebenenfalls auch in nachvollziehbarer Form Empfehlungen abgeben. Damit soll sichergestellt werden, dass Sie selbst als Justizminister auf Entscheidungen in derartigen Verfahren künftig keinen Einfluss nehmen. Es wird somit keine Weisungen ohne Einbindung des Weisenrats geben, dessen Mitglieder bekannt­lich ja nicht weisungsgebunden sind, so die Stoßrichtung Ihres Vorhabens. Außerdem soll dieser Weisenrat in Fällen der Befangenheit bei Verfahren gegen oberste Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit herangezogen werden. (Präsident Lampel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Mit der Einrichtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist bereits ein erster großer Schritt gesetzt worden. Auch Ihr Vorhaben bezüglich des Weisungsrechts geht aus unserer Sicht in die richtige Richtung und ist begrüßenswert.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesen Bericht selbstverständlich gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.32


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


13.32.25

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich vorerst einmal bedanken für den ausführlichen und umfassenden Bericht, der ja für sich spricht und dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist. Daher wird es von unserer Seite auch Zustimmung zur wohlwollenden Kenntnisnahme dieses Berichts geben. Aber ich darf mich an dieser Stelle auch meinen Vorrednern anschließen, indem ich die Diskussion des Weisungs­rechts aufgreife.

Wir seitens der FPÖ sind ja für die Beibehaltung dieses Weisungsrechts. Wir meinen nämlich, dass es am Ende bei einem politischen Amt auch einen politischen Verant­wortungsträger geben muss, der gegebenenfalls auch politisch Rechenschaft ablegen muss, sei es vor dem Nationalrat, dem Bundesrat oder einer anderen politischen Instanz. Dieser Verantwortungsträger muss für seine Entscheidungen in seinem politi­schen Verantwortungsbereich geradestehen.

Ich möchte an dieser Stelle auch festhalten, dass wir natürlich gegen jede politische Einflussnahme sind, im negativen Sinne. Das wird ja immer als Grund dafür genom­men, dass es gerade da einer unabhängigen Instanz bedarf, die, losgelöst von einem politischen Entscheidungsträger, einem Minister, an dessen Stelle ersatzweise solche Entscheidungen treffen möge.

Das halten wir, wie gesagt, für keine gute Lösung, weil – und da schließt sich der Kreis – es bei so einer Problemstellung zwei große Gefahren gibt. Das muss eine Person sein, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit autark, unabhängig ist. Und da stellt sich wieder die Problematik – ich sage es einmal überspitzt – der Gefahr eines Staates im Staat, wo Entscheidungen gefällt werden, die gegen den Willen des politisch Verantwortlichen, also gegen den Willen des zuständigen Ministers sind.

Und dann stellt sich die Frage der Verantwortlichkeit, weil eine unabhängige Instanz da natürlich ähnlich wie ein Gericht sagt: Das war eine unabhängige Entscheidung. Als Gremium, das diese Entscheidung gefällt hat, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Aber die politische Verantwortung liegt eindeutig beim Minister,


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und er muss vielleicht den Kopf hinhalten für Dinge, für die er eigentlich gar nichts kann.

Ich denke, das ist eine Lösung, die nicht im Sinne der politischen Abläufe hier in diesem Haus ist. Es ist auch nicht eine Lösung, die die Bevölkerung gern haben möchte. Denn gerade bei den vielen ungelösten Fragen, die es hier gibt, einige wurden schon angesprochen, wird immer wieder der Ruf laut nach einer Instanz, die da letztendlich die Verantwortung trägt, und das kann unserer Meinung nach nur der zuständige Minister sein.

Noch ein abschließendes Wort: Vielleicht, und das schwelt auch immer so ein bisschen mit, könnte man angesichts Ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt – in deren Rahmen Sie ja auch viele große, spektakuläre Fälle behandelt haben; ich darf da erinnern an die Inseratenaffäre des Bundeskanzlers oder auch an die Vertretung des ehemaligen kasachischen Politikers Aliyev – eine gewisse Befangenheit Ihre Person betreffend herauslesen. Aber ich möchte an dieser Stelle festhalten: Befangenheit hat nichts mit Weisungsrecht zu tun. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die man klar trennen muss, und ich verwahre mich dagegen, dass man das in dieser Diskussion vermischt.

Befangenheit, hier eine Lösung zu finden, das ist in Ordnung; allerdings die generelle Einsetzung eines Weisenrats oder auch, wie hier schon genannt wurde am Beispiel der Schweiz, die Einsetzung eines Generalstaatsanwaltes als Ersatz für die Entschei­dungen des zuständigen Ministers in seiner Ressortverantwortlichkeit, das ist unserer­seits klar abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsident Michael Lampel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.37.02

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Mein Kollege Magnus Brunner hat ja im Vorfeld schon sehr kluge Sachen gesagt, wo wir uns auch finden. Beim Thema Weisungen geht es ja nicht grundsätzlich darum, dass es gar keine Weisungen gibt, sondern es geht immer um die Frage: Wer gibt die Weisung?

Wir Grüne, und das ist nicht ganz neu, haben dazu eine ganz klare Position. Es gab nun mal in der Geschichte der Republik – historische Ereignisse wurden schon genannt – auch immer wieder Weisungen von Justizministern und -ministerinnen. Das ist jetzt kein Vorwurf an Sie, es ist einfach eine historische Sache. Minister und Minis­terinnen stehen immer wieder auch in einer politischen Abhängigkeit. Zum Beispiel sind sie Wackelkandidaten oder -kandidatinnen und müssen schauen, dass sie bei der nächsten Wahl wieder auf eine Liste kommen, und können gerade keine schlechte Presse für die Partei brauchen. Es gibt Korruptionsskandale, die zugedeckt werden sollen, et cetera.

Dann ist es natürlich eine berechtigte Frage – unabhängig von der Person, wer aktuell Justizminister, Justizministerin ist –, wie man das Gefüge bauen möchte, mit dem politische Abhängigkeiten grundsätzlich ausgeschlossen werden können und gleich­zeitig politische Kontrolle möglich ist. Das ist nicht einfach, gebe ich zu, da muss man nachdenken. Und wenn es einen Ort gibt, der das bewerkstelligen kann, aber eine gewisse Unabhängigkeit hat, dann ist das aus meiner Sicht immer noch das Parla­ment. Da kann man noch darüber diskutieren ob Nationalrat, Bundesrat, gemeinsam – eine völlig berechtigte Anmerkung, nebenbei bemerkt.


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Aber wenn man das zum Beispiel mit einer Zweidrittelmehrheit löst, indem es eben einen Generalstaatsanwalt oder eine Generalstaatsanwältin gibt, die von zwei Dritteln der Mitglieder des Parlaments gewählt wird, dann ist das schon einmal eine partei­unabhängigere Sache; denn eine Zweidrittelmehrheit bringt eine Partei – außer in Ungarn, leider – niemand zusammen. Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig.

Warum das so ein Problem ist? Weil Weisungen eines Justizministers oder einer Justizministerin auch für die Behörde zur Korruptionsbekämpfung gelten. Und das ist natürlich ein Problem, denn in dem Augenblick, wo es um Korruptionsbekämpfung geht, geht es fast immer auch um politische Mandatare oder Mandatarinnen oder politisch aktive Menschen, ganz egal, wo. Das kann eine kleine Korruption irgendwo auf Gemeindeebene oder gar eine Megakorruption auf Europaebene sein.

Deswegen müssen wir wirklich ganz intensiv darüber nachdenken, wie wir in Zukunft mit den Weisungen umgehen wollen. Wir Grünen sind ganz klar für einen/eine – wie immer man sie auch nennen möchte – Generalstaatsanwalt/-anwältin oder Bundes­staats­anwalt/-anwältin, der oder die die Weisungen erteilen kann und – aber nicht nur das, und da kommen wir auch wieder auf das Gefüge Legislative-Exekutive-Judikative zurück – auch kontrolliert werden muss. Das wäre meiner Meinung nach dann ganz klar wieder die Legislative, also wir, die wir im Parlament sind. Das heißt, Weisungen müssen aus unserer Sicht natürlich immer transparent gemacht werden, damit sie auch kontrolliert werden können, und diejenigen, die kontrollieren sollten, sind die Abgeordneten des österreichischen Parlaments.

So stellen wir uns die Zukunft von Weisungen vor. Wir wissen, dass eine Diskussion im Laufen ist. Das ist ein sehr konstruktiver Beitrag, wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Vorschlag auch aufgenommen und umgesetzt werden könnte. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Blatnik.)

13.41


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Brandstetter. Ich erteile es ihm.

 


13.41.25

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich darf zu diesem Bericht betreffend Weisungen vielleicht nur eines sagen: Wenn Sie ihn sich wirklich genau anschauen, wenn Sie ihn lesen, diesen Weisungs-Bericht über die letzten Jahre, dann werden Sie feststellen – wenn man ihn wirklich genau studiert –, da ist kein Aufreger drin. Im Gegenteil, der Bericht selbst ist ein Abreger. (Bundesrat Schreuder: Aber vielleicht nächstes Jahr!)

Was ich damit zum Ausdruck bringen will, und das habe ich immer so gesagt: Ich selbst glaube nicht, dass es in der letzten Zeit irgendwelche problematischen inhalt­lichen Weisungen in Strafverfahren gegeben hat. Das glaube ich gar nicht. Ich selbst, muss ich Ihnen ehrlich sagen, war überhaupt noch nicht in der Situation. Ich wäre jetzt in einer Situation, eine Weisung zu geben, nur dann, wenn das von mir eingerichtete Beratungsgremium des Weisenrats, bestehend aus lauter weisungsunabhängigen Persönlichkeiten – aus beiden Rechtsschutzbeauftragten plus dem Generalprokurator, dessen Aufgaben wegen der Vakanz der Position momentan vom ersten General­anwalt wahrgenommen werden –, also wenn dieses Beratungsgremium anderer Meinung wäre als meine Fachleute in der zuständigen Abteilung. Nur dann käme ich in die Pflicht. Dann müsste man mir das vorlegen, und dann müsste ich eine Ent­schei­dung treffen, sonst nicht.


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Aber, wie eigentlich zu erwarten war – und das möchte ich damit zum Ausdruck bringen –, es gab noch kein einziges Problem. Es ist so, dass alle Fälle, um die es hier geht, im Wesentlichen Fälle der sogenannten Fachaufsicht sind, in denen man einfach etwas tun muss, wenn irgendwo ein junger Staatsanwalt einen Fehler macht, der sich eigentlich für jeden von uns Staatsbürgern auch einmal fatal auswirken kann. Da muss man oft eingreifen. Wenn man sich das näher anschaut, kann man sagen, es geht um wirklich durchaus normale, einfache Fälle, in denen man den Behörden einfach konkret sagen muss: Bitte, macht euch da ein bissel mehr Mühe, so geht es nicht! Es geht niemals darum, dass einmal der Fall aufgetreten wäre, in dem es darum gegangen wäre oder gehen würde, irgendein Verfahren abzudrehen oder abzuwürgen, überhaupt nicht.

Worum es wirklich geht – und genau so habe ich es auch immer gesehen –, ist das Vertrauen in die Justiz. Das ist eigentlich das Entscheidende. Ich komme mir bei diesen Diskussionen über das Weisungsrecht oft vor wie beim Schattenboxen, man kämpft gegen einen Schatten. Der Schatten ist die böse Weisung, die es eigentlich im Normalfall nicht gibt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie so etwas denkbar wäre, ganz ehrlich. In Wahrheit ist so etwas völlig undenkbar. Wenn ich auch nur versuchen würde, in irgendein Verfahren einzugreifen, dann wäre das wahrscheinlich am nächs­ten Tag in irgendeiner Form publik, im äußersten Fall über die Whistleblower-Hotline oder was auch immer, und ich hätte zu Recht ein Strafverfahren am Hals. Das ist undenkbar, dass es wirklich unsachliche Weisungen gibt. Aber – und das genügt für mich, um hier etwas tun zu wollen – das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz ist beeinträchtigt durch die Vorstellung: Es könnte etwas sein, es könnte so etwas geben, der Minister hat das Recht, irgendwo einzugreifen.

Allein das macht es notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, wie man vielleicht Besseres schaffen kann als das jetzige Weisungsrecht, die jetzige Regelung. Die Expertengruppe, die daran arbeitet, die im Übrigen nichts zu tun hat mit dem Weisenrat, der schon seit Jänner arbeitet und wirklich problemlos arbeitet – es waren schon 15, 16 Fälle dort, die problemlos erledigt wurden –, diese Expertengruppe schaut sich jetzt an, welche legistischen Möglichkeiten es als Alternative zum jetzigen Weisungsrecht gibt. Nur – aber wem sage ich das, Ihnen ist das ja allen klar –, eine substanzielle Änderung des Weisungsrechts würde ein Verfassungsgesetz voraus­setzen, es würde eine Verfassungsmehrheit dafür brauchen. Wir werden sehen, ob das jetzt rein realpolitisch möglich ist. Wenn nicht, und das möchte ich schon auch gleich hier durchaus festhalten, dann würde ich schon versuchen, das eine oder andere, was einfachgesetzlich möglich ist im Interesse der Stärkung des Vertrauens in die Justiz, für die ich mich auch verantwortlich fühle, noch zu überlegen, eben in Anlehnung an den Weisenrat, denn seit es diesen gibt und die berichtspflichtigen Akten über den Weisenrat laufen, gibt es, glaube ich, auch nicht wirklich Zweifel mehr daran, dass das tatsächlich so gehandhabt wird, dass man absolut darauf vertrauen kann, dass rein sachliche Entscheidungen getroffen werden und nichts anderes.

Dass dieser Weisenrat und darauf aufbauend vielleicht noch die eine oder andere zusätzliche Maßnahme dazu dienen könnten, auf einfachgesetzlicher Ebene das Vertrauen in die Justiz weiter zu stärken, kann ich mir durchaus vorstellen.

Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich schon einmal sagen, dieser Bericht über die Wei­sungen wird Ihnen zeigen, dass es derzeit nicht wirklich Thema ist, dass man mit Weisungen Probleme hätte. Aber alles, was der Stärkung des Vertrauens der Bevöl­kerung in die Justiz dient, ist mir recht. So gesehen bin ich froh darüber, dass wir den Weisenrat installiert haben, dass er gut funktioniert und auch rasch arbeitet. Ich denke, dass das auf jeden Fall etwas ist, was man auch in Zukunft weiter verfolgen sollte.


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Jetzt geht es einmal darum, abzuwarten – wir haben uns ja von Anfang an das Jahresende als Frist dafür gesetzt –, was im Rahmen dieser Expertengruppe herauskommt, die ja wirklich erstmals – das möchte ich schon auch sagen, das war wichtig – vorbehaltlos und umfassend alles diskutiert, was es dazu an Alternativ­vorschlägen gibt. Und das ist gut so. Wir werden Ende des Jahres wissen, was uns diese Experten dazu sagen, und darauf aufbauend werden wir dann überlegen, welche Lösung realpolitisch machbar ist und wie wir dafür sorgen können, dass eben das Vertrauen in die Justiz möglichst noch weiter gestärkt wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.47


Präsident Michael Lampel: Danke, Herr Bundesminister.

Ich darf Frau Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ganz herzlich in unserer Mitte begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.47.376. Punkt

Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­pro­gramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des Achtzehnmonats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes (III-515-BR/2014 d.B. sowie 9171/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nunmehr zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte um den Bericht.

 


13.47.58

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Justiz­ausschusses über die Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des Achtzehn­monats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes.

Der Ausschussbericht liegt schriftlich vor, daher zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 den Antrag, die Jahresvorschau des BMJ zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile es ihm.

 


13.48.40

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf sagen, der Bericht ist es wert, dass man sich wirklich intensiv damit befasst, er ist hervorragend ausgearbeitet, aber die Kenntnisnahme des vorliegenden Berichts des Bundesministeriums für Justiz betreffend Jahresvorschau auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des


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Achtzehnmonatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes fällt uns insofern sehr schwer, als dass der Bericht eine Reihe von Punkten enthält, die wir einfach nicht befürworten können.

Hohes Haus! Obgleich sich im Bericht durchaus positive Ansätze einer europäischen Justizpolitik so, wie wir sie verstehen, finden, finden sich auch Vorschläge, die aus unserer Sicht Österreich zum Nachteil gereichen und die einfach nicht tragbar sind. Beispielgebend dafür anführen darf ich die Schaffung einer Europäischen Staats­anwaltschaft. Ich weiß, das Bundesministerium für Justiz, Österreich unterstützt grund­sätzlich diese Idee einer Europäischen Staatsanwaltschaft, dennoch werden auch hier im Bericht einige Punkte aus dem aktuellen, von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag für die Verordnung kritisiert, und auch europaweit gibt es zwi­schen den Mitgliedstaaten zu dieser Frage geteilte Meinungen.

Wir Freiheitlichen lehnen die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft in jedem Fall ab, weil wir zum einen der Meinung sind, dass Europa ein bewährtes verfahrensrechtliches System der nationalen Behörden besitzt. Im Übrigen hegen wir auch die Befürchtung in diesem Zusammenhang, dass es zu Kompetenzunklarheiten und im Zuge dessen zu keiner Verbesserung des Rechtsschutzes kommen wird.

Im Zusammenhang mit dieser Europäischen Staatsanwaltschaft ist auch der im Vorhabensbericht erwähnte Ausbau von Eurojust zu sehen. Das Bundesministerium hebt im Bericht einige Punkte hervor, übt aber auch wiederum Kritik am Vorschlag. So werden unter anderem Bedenken bezüglich des vorgesehenen Zusammenspiels mit der Europäischen Staatsanwaltschaft angemeldet. Dieser Punkt, der Ausbau von Eurojust, kann, wie gesagt, eben nur im Zusammenspiel mit der Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft gesehen werden.

Wir sind der Meinung, dass gerade in Kernbereichen – und die Justiz ist ein Kern­bereich unserer staatlichen Hoheit – die Kompetenzen in Österreich bleiben müssen. Die Europäische Union und deren ausgelagerte Institutionen erhalten immer mehr Macht und entziehen den Mitgliedstaaten dadurch auch die Fähigkeit zum eigenen Handeln. Das ist für uns eine grundsätzliche Frage, und deshalb sehen wir diese Entwicklung auch so kritisch. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema Zivilrecht finden sich in diesem Bericht ebenfalls mehrere Punkte, die mir mehr als nur fraglich zu sein scheinen, so zum Beispiel der Vorschlag einer Legis­lativmaßnahme für ein neues Konzept für scheiternde und insolvente Unternehmen. Dazu bemerkt das Bundesministerium für Justiz ebenfalls, dass die Meinungen zu einer erleichterten Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren in Österreich geteilt sind. Wenn man sich das überlegt: Eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren ohne Min­destquote ist in solchen Verfahren mehr als bedenklich. Dabei würde der Gläubi­gerschutz völlig außer Acht gelassen. Das wird im Übrigen auch in anderen Mitglied­staaten so gesehen.

Ich darf auch noch kurz das Kaufrecht ansprechen, den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht. Dazu heißt es in dem Bericht:

„Ein von den Vertragsparteien wählbares europäisches Kaufrecht begünstigt im Ergeb­nis den jeweils ,Stärkeren‘ im Vertragsverhältnis.“

Oder: „Auch für den Verbraucher bringt ein optionales Instrument keine Vorteile.“

So hat auch der österreichische Bundesrat im Dezember 2011 eine Stellungnahme gemäß Artikel 23 B-VG, eine Subsidiaritätsrüge beschlossen, welche auch vom Rat veröffentlicht wurde. Auch in anderen Mitgliedstaaten wurde eine Subsidiaritätsrüge


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 87

entweder bereits verabschiedet und vom Rat veröffentlicht oder wird eben derzeit vorbereitet, in Belgien etwa.

Ich halte es in dieser Frage mit den Experten im Bundesministerium: Zivilrecht soll und muss nationalstaatlich bleiben.

Im Bericht gibt es noch weitere Punkte – II.4, II.5, II.6 –, zu denen es heißt: „Die Haltung Österreichs und einiger anderer Mitgliedstaaten gegenüber diesem mehr­heitlich angenommenen Gesamtkompromiss ist sehr skeptisch.“

Wir werden diesen Bericht, der auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission erstellt wurde, unter anderem aus jenen Gründen, auf die ich hier kurz eingegangen bin, nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.54


Präsident Michael Lampel: Ich darf in unserer Mitte die Schülerinnen und Schüler der Neuen Mittelschule Kematen aus Tirol mit ihrem Lehrkörper ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


13.54.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hermann Brückl, jetzt hast du wirklich elegant die Kurve gekratzt. Zuerst hast du den Bericht gelobt, dann einige Punkte und ... – Außerdem musst du es natürlich selbst mit deinem Gewissen vereinbaren, wenn du den Bericht deines Chefs ablehnst. Das ist schon nicht einfach, finde ich. (Bundesrat Brückl: Entweder man kann es oder man kann es nicht!) Als Justizmitarbeiter den Bericht seines eigenen Chefs abzulehnen  (Bun­desrätin Mühlwerth: Es gilt aber schon noch das freie Mandat! – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, ja, klar, selbstverständlich. Es war auch ironisch ge­meint, Herr Kollege Schreuder und Frau Kollegin Mühlwerth! Ich hoffe, manchmal wird das doch immer wieder erkannt, danke schön. (Bundesrat Schreuder: Alemannischer Humor ist manchmal schwer zu durchschauen!) Alemannischer Humor ist oft besser als holländischer, möchte ich dazu anmerken. (Heiterkeit.)

Vielen Dank für den Bericht, Herr Minister, Dank auch ans Ministerium! Die Grundlage der Justizpolitik der Europäischen Union für das Jahr 2014 bilden das Bekenntnis zur Stärkung des wechselseitigen Vertrauens in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und der Ansatz der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen. Damit unterstützt Österreich natürlich auch das Stockholmer Programm. Die gegenseitige Anerkennung ist auch ein probates Mittel, um Privatrechte von Bürgerinnen und Bürgern über die Grenzen hinweg zu stärken und auch zu beschleunigen. Die Zielvor­gabe ist also die weitere Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit der nationalen Behörden in Zivil- und Strafsachen.

Zu der umfangreichen Liste an Justizvorhaben der Union heißt es im Bericht, das Justizministerium unterstütze die EU-Prioritäten prinzipiell, es werde aber darauf zu achten sein, dass diese gründlich vorbereitet werden. – So weit, so gut, das kann man, glaube ich, in aller Form unterstützen.

Jetzt auch zu dem Thema, das Kollege Brückl angesprochen hat, zur Verordnung des Rates zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Man muss sich schon auch ein bisschen damit auseinandersetzen, was dahinter steht. Österreich hat sich zu dieser Europäischen Staatsanwaltschaft bekannt. Wir haben das auch im Bundesrat eingehend geprüft und haben aufgrund der Argumente, die es gegeben hat, von einer Subsidiaritätsrüge abgesehen. Aber das wurde europaweit – das stimmt – sehr kritisch betrachtet. Es gibt, was die Subsidiaritätsrüge anlangt, insgesamt 13 nationale Parla-


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 88

mente, die sich mit einer derartigen Subsidiaritätsrüge eingefunden haben. Das ist sozusagen die zweite Materie, die seit dem Lissabon-Vertrag mit einer Gelben Karte bestückt wurde, die zweite nach der Monti-Dienstleistungsrichtlinie.

Die Europäische Kommission hat den Vorschlag geprüft und am 27. November beschlossen, an diesem Vorschlag festzuhalten.

Auch unter dem litauischen und griechischen Vorsitz wird die thematische Debatte weitergeführt, und es wird im Laufe des Jahres damit zu rechnen sein, dass das Verfahren über die verstärkte Zusammenarbeit eingeleitet wird. Österreich hat – das stimmt auch – diese Idee grundsätzlich unterstützt, denn es geht auch darum, Herr Kollege Brückl, dass angesichts der Finanzkrise und der Budgetknappheit gerade im Interesse der Nettozahlerländer – Österreich ist ja ein Nettozahler nach wie vor, Gott sei Dank – derartige Machenschaften entschieden verfolgt werden. Das ist, glaube ich, schon ein essenzieller Punkt, dass die Verantwortlichen bestraft werden und die Erträge eingezogen werden. Sollte sich abzeichnen, dass eine EStA, also eine Euro­päische Staatsanwaltschaft, eingerichtet wird, so wäre es politisch kaum vorstellbar, glaube ich, dass Länder wie Österreich, die grundsätzlich auch integrationsfreundlich sind, abseits stehen.

Österreich hat hier ganz klar einige Punkte reklamiert. Die EStA sollte wenig Personal haben, also kein aufgeblähter Apparat sein. Die Hauptlast der tatsächlichen Ermitt­lungs­tätigkeit soll weiterhin bei den nationalen Behörden liegen. Es werden weiterhin die nationalen Verfahrensbestimmungen gelten. Nicht nur die Führung des Haupt­verfahrens, sondern auch die gerichtliche Kontrolle des Ermittlungsverfahrens sollen auf nationaler Ebene stattfinden. Deshalb war auch Österreich, und natürlich das Ministerium, der Meinung, dass dieser Verordnungsvorschlag schlüssig und nachvoll­ziehbar ist.

Insgesamt ist es ein sehr guter Bericht, dem wir natürlich sehr gerne die Zustimmung erteilen werden. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.59


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


13.59.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Haupt­problem, Herr Brückl, ist halt: Die FPÖ ist einfach nicht in der EU angekommen. Das hat auch Ihr Redebeitrag gezeigt. Ich meine, auch die Schüler und Schülerinnen aus Kematen werden verstehen: Wenn man in einer Gemeinschaft ist, dann arbeitet man zusammen.

Wir befinden uns in einer Gemeinschaft von 28 Staaten. Es ist klar, dass die Behörden des Inneren und der Justiz zusammenarbeiten. Schwere Verbrechen in Europa bekämpft man durch Zusammenarbeit, deshalb ist Eurojust so wichtig.

Was die kritische Positionierung Österreichs anlangt: Österreich kritisiert, dass man diese Zusammenarbeit eingeschränkt hat. Sie haben das genau umgedreht. Es ist ganz wichtig, dass Eurojust gestärkt worden ist, zum Beispiel in seiner operativen Tätigkeit. Es ist doch klar, dass wir schwere Kriminalität in Europa durch Zusam­menarbeit effektiv und gemeinsam bekämpfen müssen, genauso wie Straftaten, die einen Betrug gegenüber der Europäischen Union darstellen.

Für uns im EU-Ausschuss ist es ja eine ständige Wiederkehr, wenn wir über die Vorhaben berichten, da wir in all diesen Bereichen ganz intensive Beratungen haben. – Herr Sektionschef Kathrein hat praktisch schon ein Abonnement in unserem Aus-


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 89

schuss, und wir bedanken uns – ich glaube, dass kann ich auch im Namen von Edgar Mayer sagen – für die tollen Expertisen.

Demokratie gestaltet sich eben zwischen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Der EU-Aus­schuss des österreichischen Bundesrates hat eine Subsidiaritätsrüge zum Kaufrecht gemacht. – By the way, Kollege Brückl, diese Subsidiaritätsrüge des österreichischen Bundesrates gilt heute in Europa in allen Parlamenten als Musterbeispiel dafür, wie eine gute Subsidiaritätsrüge zu formulieren ist. Wir wollen kein 29. Kaufrecht – damals war es das 28; es gibt ja in jedem Mitgliedsland eigene Kaufrechte. Dafür haben wir in Europa keine Mehrheit bekommen. Gleichzeitig ist es bei der Europäischen Staats­anwaltschaft genau umgekehrt gelaufen.

Herr Kollege Brückl, der Bundesrat hat mit der Europäische Staatsanwaltschaft nicht nur einmal diskutiert, denn wir finden das besonders spannend und besonders interessant. Jetzt ist es aber genau umgekehrt passiert, indem viele Länder das nicht wollen. Die Kommission muss nun, wenn sie daran festhält, andere demokratische Hürden durchlaufen – das ist in einer Diskussion innerhalb einer Gemeinschaft so –, sie muss jetzt den Rat und das Europäische Parlament befragen.

Für uns ist der Vorhabensbericht 2014, sowohl was das Ressort des Herrn Bun­desministers als auch was jenes der Frau Bundesministerin betrifft, speziell inter­essant, weil wir jetzt in dieser Übergangsfrist sind, die der Vertrag von Lissabon für die Bereiche des Inneren und für die Bereiche der justiziellen Zusammenarbeit vorsieht. Denn nach 2014 soll es zu dieser vollständigen – und sinnvollen – Integration der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa kommen und auch zur vollständigen Integration der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen.

Zivilrechtliche Materien betreffen zum Beispiel das Erbrecht, bei dem wir bestimmte Fragen regeln wollen, wenn etwa in einem mobilen Europa österreichische Bürger und Bürgerinnen einen Erblassfall in Stockholm oder in Monaco haben. Natürlich sind Zivilrechtssachen zunächst eine nationale Angelegenheit, aber es liegt auf der Hand, dass manche Dinge im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Europas und im Inter­esse der Bürgerinnen und Bürger Österreichs auch gemeinschaftlich gelöst werden.

Herr Bundesminister, für uns im Rahmen des EU-Ausschusses ist es natürlich beson­ders wichtig, dass wir einander im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit – egal ob bei Strafsachen oder im Zivilrecht – vertrauen, auf das Justizsystem der Mitglieds­länder vertrauen und dass wir durch diese Zusammenarbeit die Justizsysteme in den verschiedenen Ländern an ein gleiches Niveau heranführen. Wir sind nun einmal in einem Europa, aus dem wir den Nationalismus hinausgeschmissen und die Tür zugesperrt haben (Heiterkeit bei der FPÖ), wodurch es niemanden mehr gibt, auf den man hinunterblickt und fragt: Was sind denn das für welche?, sondern wo wir gemein­sam versuchen, Vertrauen zueinander zu haben. Und dieses Vertrauen bekommt man, indem die Behörden der Justiz, aber auch die Behörden des Inneren lernen zusam­menzuarbeiten und wir hier gemeinsame Voraussetzungen schaffen.

Deshalb sind wir mit diesem Vorhabensbericht 2014 jetzt an einer Schwelle angelangt, denn die Übergangsfrist ist mit diesem Jahr zu Ende und ab 2015 wird in Europa im Bereich des Inneren, im Bereich der Justiz/Strafsachen ein neues Kapitel aufge­schlagen. Ich denke, der EU-Ausschuss des Bundesrates wird weiterhin sehr viel zu tun haben, aber das tun wir ja gerne. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.06


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 90

14.06.40

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Wir haben uns ja schon vorhin über historische österreichische Beiträge zum Eurovision Song Contest unterhalten. Zu diesem Akt fällt mir 1992 ein: Tony Wegas, „Zusammen Geh’n“. Ich glaube, das war der 10. Platz.

Auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen ja im Justizbereich und im innenpolitischen Bereich ein Stück „Zusammen Geh’n“. Die Einzigen, die nicht mitgehen, sind die Freiheitlichen. Das gilt halt für alle rechtspopulistischen und nationalistischen Parteien in Europa. Sie wollen nicht „Zusammen Geh’n“, sie gehen irgendwelche eigenen Wege, von denen ich vermute, dass sie nur in den Abgrund führen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Wunschdenken!) – Da bin ich mir aber ganz sicher, Nationalismus hat immer nur in den Abgrund geführt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei.

Was ich auch nicht verstehe – an die Freiheitliche Partei gerichtet –, ist, warum man Berichte ablehnt, weil man deren Inhalt ablehnt. Ich bekomme auch oft Berichte. Ich kann die Inhalte als falsch empfinden, ich kann sie politisch falsch finden, aber ich bekomme den Bericht. (Bundesrat Brückl: Wir nehmen ihn nicht zur Kenntnis!) Würde ich den Bericht nicht bekommen, könnte ich ja nicht beurteilen, ob ich ihn falsch finde. Daher lehnen wir Berichte nur dann ab, wenn wir die Informationen, die wir aus einem Bericht haben wollen, nicht bekommen. Ich verstehe nicht, wie man einen Bericht ablehnen kann, aber das haben wir ja schon öfter diskutiert. Ich verstehe es jedenfalls nicht. (Bundesrat Krusche: Macht ja nichts! Du musst ja nicht alles verstehen!) – Ich glaube, ich verstehe schon, worum es euch geht: Es steht „EU“ drauf, und deswegen lehnt man es automatisch ab. Punkt. – So sehe ich das.

Aber gehen wir zurück zur gemeinsamen Justizpolitik, die innerhalb der Europäischen Union geplant ist. Da kann man auch wieder einen Bogen zum letzten Tagesord­nungspunkt spannen, und zwar, wenn es um den Europäischen Staatsanwalt geht, der nämlich – Rufzeichen, Doppelpunkt, Rufzeichen – weisungsfrei sein wird. Auch das sei noch angemerkt.

Da ja schon vieles gesagt worden ist, möchte ich mich relativ kurz fassen, aber noch auf den Bereich Eurojust eingehen. Seit dem Vertrag von Lissabon hat sich die euro­päische Innen- und Justizpolitik ja doch dramatisch geändert, indem nicht mehr ein Land blockieren kann, sondern das Mehrheitsprinzip gültig ist. Das gibt natürlich einem derartigen thematischen Feld auch einen Auftrieb. In der Frage von Eurojust sehen wir ein Problem: Die neuen Regelungen basieren nämlich auf der Tatsache, dass man im Prinzip davon ausgeht, dass es in allen Mitgliedstaaten ein ähnliches oder gleiches Rechtswesen gibt. Wenn man genauer hinschaut, gibt es das aber eben nicht.

Als Beispiel sei der europäische Haftbefehl genannt, der in den Mitgliedstaaten total unterschiedlich gehandhabt wird. In Deutschland oder in Österreich wurde er in der Praxis nur in sehr enge Grenzen, in Polen hingegen bereits tausendfach angewendet, auch für ganz kleine Delikte. Daher kann man nicht davon ausgehen, dass die Rechts­perspektiven in allen Mitgliedstaaten gleich sind.

Der Ausbau der Verfahrensrechte ist aus unserer Sicht grundsätzlich zu begrüßen. Inhaltlich sehen die Richtlinien ein Schutzniveau vor, auch das ist zu begrüßen. Die tatsächliche Anhebung des europäischen Rechtsschutzniveaus im Strafvollzug kann aber immer nur innerstaatlich umgesetzt werden, aber da unterscheiden sich die Vollzugspraxen innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten so stark voneinander, dass aus unserer Sicht auch da noch dringend Schritte notwendig wären. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

14.11



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 91

Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. Ich erteile es ihm.

 


14.11.14

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Liebe jugendliche Gäste! Gestatten Sie mir nur eine ganz kurze Bemerkung zu dem, was zuletzt diskutiert wurde: Ich sage Ihnen ganz offen, auch dieses jetzt vorliegende Legislativ- und Arbeitsprogramm enthält keine besonderen Aufreger. Es gibt derzeit nichts, was wir akut umsetzen müssten, und es ist nichts enthalten, was von österreichischer Seite einen besonderen Hand­lungsbedarf auslösen würde.

Alles, was hier gesagt wurde, war für mich durchaus wichtig und anregend. Gestatten Sie mir nur eine ganz kurze Bemerkung, denn es war und ist ja auch für mich eine durchaus neue Erfahrung, wie Rechtsetzung auf europäischer Ebene erfolgt und inwieweit die österreichische Legislative dadurch natürlich auch geprägt wird. Wir sind Mitglied der Europäischen Union, wir haben daher einen guten Teil der Regelungen der Europäischen Union auch umzusetzen und nur noch einen gewissen Spielraum für innerstaatliche Freiräume. Das ist im Rahmen der Europäischen Union so angelegt und das ist auch gut so, denn es soll auch juristisch zusammenwachsen, was zusam­mengehört.

Es gibt nur einen Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte, und das entspricht meiner persönlichen Erfahrung bei den Justizministerräten, die ich in der Zwischenzeit hinter mich gebracht habe. – Herr Bundesrat Brückl, nebenbei möchte ich noch bemerken, dass mir das freie Mandat heilig ist und ich überhaupt keine Ahnung habe, in welcher Form Sie mir als Bundesminister dienstrechtlich unterstellt sein könnten. Ich kann Ihnen jedoch versprechen, ich gebe Ihnen sicher nie eine Weisung. Das ist ein­mal klar.

Ein Punkt Ihrer sehr sachlichen Ausführungen hat mich jedoch dazu veranlasst, auf etwas hinzuweisen, was mir vorher auch nicht so bekannt war: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich mit guten legistischen Konzepten, mit guten Ideen auf EU-Ebene sogar durchsetzen kann. Dieses Europa ist ein Europa des Wettbewerbs und der Ideen und der Chancen. Wir haben die Chance, uns mit guten legistischen Konzepten auch auf europäischer Ebene durchzusetzen, mit unseren Regelungen auch auf europäischer Ebene durchzudringen.

Ein konkretes Beispiel – und darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut und zuerst gewundert – ist die Richtlinie zum Opferschutz, die jetzt geplant ist. Wenn Sie diese durchlesen, dann werden Sie feststellen, dass hier unser Gesetz abgekupfert wurde. Das ist ja nur legitim. Das ist ja genau das, was wir innerstaatlich haben. Auch im Bereich des Jugendstrafrechts werden Sie feststellen, dass aus unserem Recht Anleihen genommen werden.

Und das ist das, was ich meine: Wir sollten nicht immer nur aus einer Abwehrhaltung heraus sagen, dass da etwas Böses aus Brüssel kommt – weil EU draufsteht, daher Abwehrhaltung. – Das wollen wir nicht! Warum nehmen wir nicht die Chance wahr – und sie ist real, das möchte ich vor allem der Jugend sagen – und versuchen, mit unseren Argumenten, mit unseren legistischen Konzepten auf europäischer Ebene Erfolg zu haben? Es geht! Nur setzt es halt voraus, dass man wirklich konstruktiv in die Diskussionen hineingeht und sich nicht immer von vornherein in einer Abwehrhaltung befindet. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Ich glaube, das funktioniert!

Sie können sicher sein, wir haben den Ehrgeiz entwickelt, genau das möglichst oft zu schaffen, und zwar im Sinne eines besseren Europa – und das braucht auch ein


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 92

möglichst starkes Österreich, auch legistisch. Das schaffen wir schon. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.14


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.15.227. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz (32 d.B. und 94 d.B. sowie 9172/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir kommen nunmehr zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Günther Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


14.15.36

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz.

Der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Michael Lampel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte.

 


14.16.20

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Präsident! Liebe Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Plenarsaal! Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz – das ist eine etwas trockene Formulierung, aber ich denke, dass es ein weiterer Stein im großen Mosaik der inter­nationalen Polizeizusammenarbeit ist, die uns eine Verbesserung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität bringt. Es hat dies zur Folge, dass ausländische Polizei­einheiten, die in diesem Vertrag genannt sind, in der Zusammenarbeit im Zeugen­schutz unser Bundesgebiet betreten können, dass sie Transporte von geschützten Zeugen über die Grenzen hinweg durchführen können und dass sie dabei nicht an der Grenze übergeben müssen.

Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt in der europäischen Zusammenarbeit, weil wir nur durch die Internationalisierung und Europäisierung in der Polizei auch dem Gegenüber, das schon lange keine Grenzen mehr kennt, dementsprechend etwas entgegensetzen können. Ich bin seit zehn Jahren in der internationalen, grenzüber-


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 93

schreitenden Polizeikooperation tätig, habe gesehen, wo wir begonnen haben, und ich weiß, wo wir heute stehen.

Wenn wir die internationale organisierte Kriminalität wirklich unterstützen wollen, dann brauchen wir nur noch Grenzkontrollen einzuführen, denn dann fangen wir einige kleine Täter ab und lassen damit die großen Täter, die Mafiabosse ungeschoren. – Denn es wird ja doch wohl niemand glauben, dass sich unsere Nachbarstaaten bei diesen Verträgen weiter mit uns zusammensetzen werden, wenn wir vor ihren Haustüren Grenzkontrollen einführen und sie dadurch mit Misstrauen belegen.

Daher denke ich, dass wir heute auf diesem Weg, mit diesen internationalen Verträgen wirklich eine Zusammenarbeit erreicht haben, die uns auch in der grenzüber­schreitenden Kriminalitätsbekämpfung Mittel in die Hand gibt, um im Ausland agieren­den Bossen Einhalt gebieten zu können und nicht von diesen entsprechend ausge­nommen zu werden.

Ich möchte dazu nur ein kleines Beispiel bringen, das uns vielleicht auch zum Schmunzeln anregen kann: Ich war auf meiner Dienststelle und wir hatten eine Verfolgungsjagd über die Grenze. Das ist heute keine besondere Ausnahme mehr und wurde von slowakischen Live-TV-Sendern übertragen. Wir konnten den Täter stellen. Am nächsten Tag läutet in meiner Dienststelle das Telefon und eine Frau aus Bratislava ruft an. Sie fragt mich, wo sie sich hinwenden kann, sie habe das letzte Mal vergessen, die Tankrechnung in Österreich zu bezahlen und habe nun Angst, dass österreichische Polizei bei ihr vor der Haustür stehe und sie abhole. Wir haben ihr das dann gemacht, sie ist wirklich hingefahren und hat das dementsprechend bereinigt.

Wir sehen an diesem Beispiel, dass die Bevölkerung mittlerweile auch in diesem Punkt beginnt, zu verinnerlichen, dass Polizeizusammenarbeit – egal, ob es sich um Zeugen­schutz, grenzüberschreitende Streifentätigkeit, Nacheile oder verdeckte Ermittlungen handelt – heute für uns ganz normal und alltäglich ist. Aus diesem Grund möchte ich wirklich dafür plädieren, dass wir in der Polizeiarbeit auch die Unterstützung aller Abgeordneten haben, besonders im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, und darauf hinweisen, dass das Einführen von neuen Grenzkontrollen in diesem Punkt wirklich kontraproduktiv wäre.

Ich bitte im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage und möchte mich bei der Frau Innenministerin dafür bedanken, dass genau diese Art der Grenzen überwindenden Verträge forciert wird, weil das unserer Sicherheit dient. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.20


Präsident Michael Lampel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Wilhelm zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


14.20.31

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Der Sinn und Zweck dieses Übereinkommens ist eine Erweiterung und Vertiefung zwischen den jeweiligen Ländern, die an diesem Übereinkommen teilnehmen.

Nicht alle Länder der Erde verfügen über Programme zum Zeugenschutz, und wenn, dann sind sie unterschiedlich ausgeprägt. Schutzmaßnahmen für Zeugen sind ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen sowie bei schwe­rer organisierter Kriminalität. Personen, die sich in einem solchen Programm befinden, sowie deren Angehörige sind natürlich als Wissensträger schwer gefährdet, deswegen ist ein notwendiger Schutz zu gewährleisten.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 94

Das Zeugenschutzprogramm betrifft nur akut gefährdete Personen und kommt nicht in jedem Fall zur Anwendung. Diesen Personen wird für den Zeitraum des Schutzes oft eine neue Identität gegeben und sie werden auch in den Arbeitsprozess eingegliedert. Je nach Fall werden die Zeugen oft im Ausland untergebracht, da es auch vorkommt, dass Zeugen im eigenen Land zu bekannt sind. Im Jahr 2012 gab es zum Beispiel nur 30 Fälle, die in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurden, darunter 19 nationale.

Ein Problem ist zurzeit, dass es noch keine europaweiten Rechtsgrundlagen für grenz­überschreitende Übernahmen sowie den Transport von gefährdeten Zeugen gibt, außer mit den Vertragspartnern. Hier ist nun die Möglichkeit geschaffen, dass Sicher­heitsbehörden der polizeilichen Kooperation auf deren Hoheitsgebiet das Recht zum Einschreiten sowie das Mitführen von Waffen und Ausrüstungen bei Transporten von Schutzpersonen ermöglicht wird.

Auf lange Sicht muss eine internationale Zusammenarbeit das Ziel sein, und dies wird auch von österreichischen Sicherheitsbehörden als wichtige Maßnahme gesehen.

Das Übereinkommen steht auch im Einklang mit den Rahmenbedingungen der EU, da es sich um eine zulässige Ergänzung bestehender Rechtsinstrumente handelt. Weiters ist dieses Übereinkommen für die Behörden von Vorteil, da es effizient wirkt, und man kann natürlich schneller reagieren. Damit fallen auch zahlreiche Interventionen sowie Sondergenehmigungen weg oder sie reduzieren sich auf ein Mindestmaß.

Diese Vertiefung der Zusammenarbeit ist sicher zu begrüßen und stellt einen Beitrag zur Bekämpfung der Kriminalität dar. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

14.22


Präsident Michael Lampel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Herbert zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


14.23.01

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wir werden dieser Regie­rungs­vorlage zustimmen. Das ist ja Konsensmaterie, und es war schon im Vorfeld klar, dass alle Fraktionen in diesem Bundesrat diese wichtige und auch sinnvolle Regie­rungsvorlage mittragen werden.

Es ist eine neue, eine gute Möglichkeit der Unterstützung der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe bei der Vollziehung ihrer Aufgaben im Rahmen des Zeugenschutzes. Es erleichtert die Möglichkeiten der Exekutive, und zwar nicht nur im Zeugenschutz, sondern generell bei der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit.

Der Inhalt ist weitgehend bekannt, ich möchte daher nicht näher darauf eingehen; was mir aber schon am Herzen liegt, ist, auf die Ausführungen des Kollegen Schödinger näher einzugehen.

Kollege Schödinger, alle Fraktionen – alle! – wie auch alle Institutionen können sich darauf verlassen, dass sie unsere Unterstützung haben, wenn es darum geht, die internationale oder organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Dass das aber unbedingt mit offenen Grenzen einhergehen muss, dagegen verwehre ich mich schon, denn man kann mit den Nachbarn in polizeilicher Hinsicht auf jeder Ebene gut zusammenarbeiten (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), muss aber nicht unbedingt den verbrecherischen und kriminalistischen Umtrieben mancher anderen Staatsangehörigen damit Vorschub leisten, dass man eine Selektion an unseren Grenzen von vornherein ablehnt. Darin unterscheiden wir uns, glaube ich, sehr wesentlich.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 95

Die bilaterale, die internationale Zusammenarbeit auf inhaltlichem Gebiet? – Ja und jederzeit, aber bitte machen wir unsere Grenzen wieder etwas sicherer! Schauen wir wiederum genau, wer da in unser Bundesgebiet hereinkommt, auch zum Schutz unse­rer Bevölkerung – und weil es ein Wunsch gerade der Bevölkerung ist, wieder mehr auf unser Land und unsere Mitbürger zu schauen. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ.)

In diesem Sinne: Unterstützung für dieses Abkommen, Unterstützung bei der Bekämp­fung der organisierten Kriminalität, der internationalen Kriminalität, aber: Ja!, zu einem verbesserten Grenzschutz. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Sehr gut!)

14.25


Präsident Michael Lampel: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

14.25.46

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ja, die grenz­überschreitende Zusammenarbeit wird immer wichtiger. Sie wird immer wichtiger gerade im Bereich der Polizei beziehungsweise der Behörden, deshalb auch die Wichtigkeit dieses Zeugenschutzabkommens. Deswegen bin ich froh, dass von der Republik Österreich eine Initiative ausgegangen ist, wo es uns gelungen ist, eben hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung dieses Zeugenschutzprogramm abschließen zu können.

Wer kann diesem Abkommen beitreten? – Alle EU-Mitgliedstaaten und alle bezüglich Schengen assoziierten Staaten.

Welche Staaten haben dieses Abkommen bereits unterzeichnet beziehungsweise wo ist es in Kraft? – Bulgarien, Kroatien, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Estland.

Warum ist dieses Abkommen so wichtig? – Weil wir ganz genau wissen, dass es bisher keine europaweit einheitliche Grundlage gab hinsichtlich des Zeugenschutzes und eben des grenzüberschreitenden Transports von Zeugen. Jetzt können wir mit diesem Abkommen diese Lücke schließen, und es ist künftig eben auch möglich, dass österreichische Beamte nach Zustimmung der Kollegen aus dem Ausland, wie zum Beispiel der ungarischen Kollegen, die Zeugen auch innerhalb der ungarischen Grenze begleiten dürfen.

Das heißt, die Kollegen dürfen in Zukunft ihre Dienstwaffen bei sich tragen, können diese in Notwehr einsetzen und können auch von ungarischen Kollegen beziehungs­weise Behörden mit hoheitlichen Aufgaben betraut werden. Selbstverständlich gilt das auch vice versa.

Wichtig ist mir vor allem, dass dadurch auch die Vertraulichkeit bei der Zusammen­arbeit gestärkt wird. Warum wird diese gestärkt? – Weil in Zukunft nur mehr ein Kontaktpunkt im Bundeskriminalamt zu informieren ist. Das heißt, das ist nicht nur eine Erleichterung, sondern auch eine Erhöhung der Vertraulichkeit.

Sie sehen also, mit diesem Abkommen kommt es zu einem erhöhten Schutz der Zeugen, vor allem aber auch zu einer noch besseren grenzüberschreitenden Zusam­menarbeit, was die Qualität betrifft, und vor allem auch zu einer Zielsetzung, diese grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung noch besser in den Griff zu bekommen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

14.28


Präsident Michael Lampel: Ich danke der Frau Bundesministerin.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 96

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.28.468. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2012) (III-505-BR/2013 d.B. sowie 9173/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Nunmehr gelangen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Ebner. – Bitte um den Bericht.

 


14.29.02

Berichterstatter Ing. Bernhard Ebner, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, den Sicherheitsbericht 2012.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Frau Bundesminister und bei der Polizei für die tolle Arbeit bedanken und komme nun gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Michael Lampel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm.

 


14.29.43

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits im Ausschuss festgehalten, dass die späte Vorlage dieses Berichtes – wir behandeln hier nämlich den Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2012 – insofern ein bisschen, ich würde nicht sagen: problematisch, aber doch eigenartig ist, weil wir mittlerweile Mitte 2014 haben und die jetzt zu diskutierenden Zahlen in der Zwischenzeit ja bei Weitem überholt sind und daher eine Diskussion der Frage einer rascheren Berichtsvorlage hier im Hohen Haus sinnvoll wäre.

Mir wurde gesagt, dass da oft das Problem ist, dass zwar die Vorlage seitens des BMI rasch erfolgt, dass es allerdings seitens des Justizministeriums eine etwas verzögerte Vorlage gibt, nicht zuletzt aufgrund der internen Abläufe, die sich dort ergeben. Deshalb darf ich an dieser Stelle bei der Frau Bundesminister die Anregung depo­nieren, dass man vielleicht in Zukunft überlegt, ob man nicht in diesem Hohen Haus getrennte Berichte zu debattieren gedenkt, weil es natürlich auch in der Sache sinnvoller wäre, über aktuelle Zahlen, über aktuelle Vorgänge zu diskutieren und nicht über Vorgänge, die eher weiter zurückliegen und wo die Diskussion nur mehr einen akademischen Charakter hat.

Für den Bericht selbst darf ich mich bedanken. Das ist ein guter Bericht, ein aus­führlicher, ein informativer Bericht, wenngleich – und da darf ich gleich einmal mit meiner Kritik beginnen – uns der Inhalt dieses Berichtes natürlich nicht gefällt. Warum gefällt er uns nicht? – Weil er in negativer Weise für sich spricht, wobei „negativ für sich


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 97

sprechen“ bedeutet, dass er einen weiteren Anstieg der Kriminalität und einen weiteren Rückgang der Aufklärungsquote verglichen mit 2011 widerspiegelt. – Wenn man sich die aktuellen Zahlen von 2013 anschaut, dann wird die Sache ja noch ein bisschen spektakulärer, aber bleiben wir bei den Zahlen von 2012.

Dazu kommen dann auch noch ein paar spektakuläre Ausreißer, was sowohl die Aufklärungsrate als auch die angezeigten Fälle anbelangt. Diesbezüglich gab es im Ausschuss auch entsprechende Auskunft durch die informierten Vertreter des Ressorts.

Wenn wir uns aber die Quintessenz aus diesem Bericht zu Gemüte führen, dann bedeutet diese, dass, wenn wir die 548 027 strafbaren Handlungen statistisch herun­terbrechen, im Jahr 2012  1 501 Straftaten pro Tag – pro Tag! – oder 62 Straftaten pro Stunde oder, das ist noch ein bisschen interessanter, 1,2 Straftaten pro Minute begangen wurden.

Das ist eigentlich eine Zahl, von der ich sage: Sicher ist das ein statistischer Wert, aber ein alarmierender statistischer Wert, denn, und da darf ich noch einmal einen Vorgriff auf 2013 machen, wenn wir bereits diese Zahlen virtuellerweise hier in den Raum stellen, dann wissen wir, dass die Zahlen aus dem Jahr 2012, die ich hier gerade genannt habe, nicht die Spitze des Eisberges sind, sondern dass wir beim nächsten Bericht wohl über ein bisschen noch aktuellere wie auch dramatischere Zahlen zu berichten haben.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum ist das so? – Ganz sicher, und da darf ich hier eine Lanze für unsere Polizistinnen und Polizisten brechen, ganz sicher ist es nicht so, weil sie – unsere Polizistinnen und Polizisten – trotz eklatanter Personalprobleme, trotz Ausstattungs- und Ausrüstungsmängeln, sowohl was die persönliche Ausrüstung als auch die Ausgestaltung der Dienststellen betrifft, und trotz laufend sich ändernder organisatorischer Vorgaben keine gute Arbeit liefern. Ich darf daran erinnern, dass wir mittlerweile die vierte große Polizeireform seit dem Jahr 2004 haben, es gibt also pausenlos neue Zuständigkeiten, es gibt pausenlos neue Ansprechpartner, es gibt pausenlos neue interne Abläufe, die sich ständig ändern, und trotz all dieser Hürden, die den Polizistinnen und Polizisten organisatorisch wie auch administrativ in den Weg gestellt werden, machen sie einen harten, einen guten, aber oft unbedankten Job, und an dieser Stelle darf ich einmal Danke dafür sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es stellt sich daher die Frage, wer Schuld an diesen Kriminalitätszahlen hat, die rasant nach oben schnellen. Und da muss ich Ihnen, Frau Bundesminister, wohl den Vorwurf machen, dass Sie die politische Verantwortung zu tragen haben, und zwar einerseits aufgrund der immer wieder nicht optimalen Konzepte, die für die Bekämpfung der Kriminalität vorliegen, aber natürlich auch, weil hier, und das sage ich bewusst, auch wider besseres Wissen an alten Vorgaben festgehalten wird.

Warum sage ich das? – Ich darf Ihnen zwei Beispiele nennen, die ich in diesem Zusammenhang konkret ansprechen möchte.

Das erste ist das Konzept Moderne Polizei. – Das klingt unheimlich gut. Wenn man sich die Pressemeldungen anschaut, dann könnte man ja fast meinen, das ist der Stein der Weisen. Ich lese da in einer APA-Meldung vom 26. März unter anderem Folgen­des:

„Die drei Eckpfeiler des Projektes sind“ – man höre und staune! –

„die Entlastung der Polizistinnen und Polizisten von Verwaltungsaufgaben,

die Anpassung der Dienststellenstrukturen sowie

1.200 Spezialisten in den Regionen vor Ort noch in dieser Regierungsperiode“.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 98

Das klingt unheimlich klasse! Ein Außenstehender könnte meinen: Bumm, jetzt bricht die große Sicherheit in Österreich aus! – Mitnichten! Schauen wir uns die Realität an: Wie schaut die Realität aus?

Also die Entlastung der Polizistinnen und Polizisten von Verwaltungsaufgaben findet nicht statt. (Ruf bei der ÖVP: Selbstverständlich!) Sie findet nicht statt, das Gegenteil ist der Fall. Die Bezirks- und Stadtpolizeikommanden haben aufgrund von Personalnot und Überlastung immer mehr den Drang, ihre administrativen Aufgaben direkt den Polizeiinspektionen zu übergeben. Da gibt es eine Studie, die besagt, 40 Prozent seiner Arbeitszeit sitzt der Polizist vor dem Computer, aber nicht, weil er sich nicht hinaustraut oder weil er sich der Bevölkerung und den Herausforderungen der polizeilichen Aufgaben auf der Straße nicht stellen möchte, sondern weil er mit Verwaltungstätigkeiten zugeschüttet ist. – Also so schaut einmal der erste Eckpfeiler aus.

Mit dem zweiten Eckpfeiler, der „Anpassung der Dienststellenstrukturen“, meinen Sie sicherlich die Schließung der 138 Dienststellen, die ungefähr genauso sinnvoll ist, wie wenn ich sage: Wir schaffen die Hydranten in den Ortschaften ab und schauen einmal, ob gelegentlich einer aufpasst, dass es nicht brennt. Oder wir könnten auch, um Ihrer Logik zu folgen, sagen, wo es keine Polizei gibt, wird es sicherer. Das haben Sie gesagt! Sie haben gesagt, das Land wird sicherer, denn wir bringen mehr Polizei auf die Straße. – Die Frage ist nur, wie lange die Polizistinnen und Polizisten brauchen, wie lange sie mit den Entfernungen, die sie dann zurücklegen müssen, zu kämpfen haben. Aber es stellt sich jedenfalls die Frage des praktischen Zuganges: Wie effektiv gestalten wir den Außendienst?

Was die Schließung der Dienststellen anlangt: Wo wir gerade die Zahl der An­sprechpersonen vor Ort minimieren, wo wir gerade die Zahl der, ich nenne sie einmal so, Sicherheits-Hot-Spots für die Bevölkerung vor Ort herunterfahren, wird das wohl nicht der richtige Ansatz sein.

Bezüglich der 1 200 Spezialisten in der Region lese ich unter anderem, es gibt einen Präventionsspezialisten. – „Präventionsspezialist“ klingt unheimlich gut, das gefällt mir, ich kenne nur keinen einzigen, obwohl ich seit 30 Jahren Polizeibeamter bin. Ich nehme einmal an, das sind dann die Dorfpolizisten oder die Gemeindepolizisten, die dann in die Gemeinden kommen – nämlich in jene Gemeinden, wo vorher eine Polizeidienststelle zugesperrt wurde –, um nachher dort die Anzeigen betreffend strafbare Handlungen, die sich ereignet haben, aufzunehmen, weil eben die Polizei­inspektion zugesperrt wurde. – Aber wie auch immer, vielleicht können Sie mir das betreffend diese Präventionsspezialisten näherbringen.

Das zweite mangelhafte Konzept ... (Bundesrätin Zwazl: Das dritte, ich habe mitge­zählt! Du hast gesagt: Eins, zwei ...! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Kollegin Zwazl, Sie haben das mit der Anpassung der Dienststellenstruktur im Mittelteil überhört! Sie haben nicht aufgepasst, Kollegin Zwazl! Aber das macht nichts! Das macht nichts, ich bin eh noch nicht fertig. Also hören Sie noch zu, passen Sie gut auf, dann können Sie vielleicht noch etwas lernen.

Das zweite Konzept, das ich hier hinterfragen möchte oder kritisch beleuchten möchte, sind die 1 000 zusätzlichen Planstellen bei der Polizei ab 2015, die angekündigt wurden. – Jetzt wissen wir, dass die 1 000 zusätzlichen Polizisten eigentlich keine 1 000 zusätzlichen Polizisten sind, sondern eigentlich nur 700, denn 300 sind ja Verwaltungs-Planstellen von wechselwilligen Angehörigen anderer Ressorts, die zur Polizei kommen wollen.

Von diesen restlichen 700 bleiben eigentlich nur 500 Exekutivbeamte im Außendienst, denn 200 sind ein Einmaleffekt in der Ausbildung, bleiben somit 500 übrig. Das ist


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 99

dann österreichweit ungefähr ein „Dreiviertel-Inspektor“ mehr für jede Dienststelle – also auch ein Tropfen auf den heißen Stein – und deckt mitnichten den Bedarf ab, der auf uns zukommt, wenn die Ergebnisse der Studie aus Ihrem Hause aus dem Jahre 2007 schlagend werden, die besagen, dass zwischen 2016 und 2020 ein Drittel aller Beamten im exekutiven Außendienst, nämlich rund 10 000 Beamte, in Pension gehen wird. Da bin ich schon gespannt, wie man damit umgehen wird und vor allem, wie man dieses Personalmanko abdecken wird.

Aber, wie gesagt, besonders perfide finde ich es, dass man zuerst österreichweit 138 Dienststellen zusperrt, um anschließend aufgrund der eingesparten Controlling­punkte und Finanzressourcen zu sagen: Jetzt schaffen wir aber neues Personal. – So gesehen ist das auch wieder eine jener Zahlenspielereien, die – gestatten Sie mir den Ausdruck – in den Bereich der „Märchenpolizei“ fallen. Und diese Märchenpolizei setzt sich nunmehr seit einigen Jahren im Bereich des Inneren fort.

Warum Märchenpolizei? – Es wird in der öffentlichen Darstellung, in der medialen Verantwortlichkeit als auch in der medialen Außenwirkung ein völlig anderes Bild erzeugt, als es sich eigentlich innerorganisatorisch darstellt. Es wird nämlich nach außen hin ein positives, ein überzeichnet gutes Bild gezeigt, ein geschöntes Bild, aber wenn man hinter die Kulissen schaut, ist es wie in einer Westernstadt in einem alten Spielfilm. Da geht man bei der Tür hinaus und steht in der Wüste. Also es ist nichts da!

Das ist das große Problem. Das ist ein wichtiges, ein schwerwiegendes Problem. Ich bin schon gespannt darauf, wie man mit den Herausforderungen im Hinblick auf die steigenden Kriminalitätszahlen, die Personalentwicklung, die hier in negativer Weise auf uns zukommt, und auch im Hinblick auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, das immer weiter leidet, das immer mehr negative Rückmeldungen bei uns, aber wahrscheinlich auch bei Ihnen hervorruft, umgeht.

Einmal mehr widerspiegelt dieser Bericht den rasanten Sicherheitsabbau in Ihrem Ressort, Frau Bundesminister. Und daher werden wir diesem Bericht auch keine Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.42


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Mag. Mikl-Leitner. Ich erteile es ihr.

 


14.42.36

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! An und für sich hätte ich geplant gehabt, mich am Ende dieser Debatte zu Wort zu melden, aber mir brennt es einfach unter den Nägeln, diese Kritik aufzugreifen.

Ich greife den ersten Kritikpunkt auf: Warum kommt dieser Sicherheitsbericht 2012 erst jetzt ins Bundesratsplenum? – Das möchte ich hier erklären: Deswegen, weil wir diesen Bericht zwar schon lange fertig hatten, wir ihn aber erst in der neuen Legis­laturperiode einbringen konnten, denn ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, diesen Bericht auch im Nationalratsplenum zu diskutieren. Mir war es wichtig, dass dieser Bericht auch im Nationalratsplenum diskutiert werden kann. Das heißt, dieser Kritik kann man begegnen. Natürlich: Alles, was wir jetzt über das Jahr 2012 disku­tieren, ist Schnee von gestern.

Entscheidend ist aber der zweite Kritikpunkt, den Sie genannt haben, wo ich geglaubt habe, Sie erzählen hier ein Märchen, und wo ich wirklich sagen muss: Als Polizist müssten Sie es eigentlich besser wissen. Schade, dass Sie die Arbeit Ihrer Kolleginnen und Kollegen schlechtreden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Herbert: Das ist nicht wahr!)


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Schlechtreden deswegen, weil Sie doch, wenn Sie sich die Kriminalstatistik genau anschauen, ganz genau wissen, dass, wenn es um Kriminalstatistik geht, nicht nur eine punktuelle Auswertung von großer Wichtigkeit ist, sondern vor allem eine Auswertung in einem längeren Zeitabschnitt. Nehmen Sie einfach nur die letzten zehn Jahre her, als wir einen Anfall an Kriminalität von in etwa 640 000 Delikten hatten, während wir jetzt, Ende 2013, einen Anfall von 540 000 Delikten hatten. Das heißt, die Kriminalität ist trotz neuer Deliktsfelder wie Handydiebstahl oder Cyberkriminalität zurück­gegangen. Ein ganz klares Signal, dass die Polizei Hervorragendes leistet! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Zweiten: Entscheidend ist nicht nur, was in die Sicherheit investiert wird, sondern entscheidend ist, wie sicher sich die österreichische Bevölkerung fühlt. Sie wissen ganz genau, dass es keine andere Berufsgruppe als die Polizei gibt, die das größte Vertrauen seitens der Bevölkerung genießt: Neun von zehn Österreichern sagen, sie haben höchstes Vertrauen, die Polizei leistet beste Arbeit. Und das ist letztendlich das Entscheidende: Nicht nur die Zahlen, was die Kriminalität betrifft, sprechen hier eine klare Sprache, sondern auch der Vertrauensindex. (Bundesrat Herbert: Das weiß ich eh!) Bitte schauen Sie sich das an!

Zum letzten Kritikpunkt: Ich bin etwas entsetzt darüber, dass sich hier einer, der dieser Berufsgruppe angehört, nicht mit der strategischen Ausrichtung des BMI und mit den Detailkonzepten beschäftigt. Wenn Sie sich nämlich das Projekt „Moderne Polizei“ anschauen, so geht es da nicht nur um eine Zusammenlegung von 138 Dienststellen, was vor allem zu mehr Schlagkraft der Polizei und zu mehr Außendienstpräsenz führt, wozu Ihnen jeder Sicherheitsexperte, egal, ob national oder international, aber auch der Rechnungshof sagen, dass wir größere Einheiten brauchen.

Und warum brauchen wir größere Einheiten? – Damit wir zunehmend in die Spezia­lisierung gehen können, weil es aufgrund der geänderten Kriminalitätsarten nicht nur Generalisten braucht, sondern weil es hier Spezialisten braucht – Spezialisten im fremdenpolizeilichen Bereich, im Cyberbereich, im verkehrspolizeilichen Bereich, wo auch immer.

Wir schaffen es bis Ende dieser Periode, 1 200 Spezialisten auszubilden. In Summe braucht es 6 000 Spezialistinnen und Spezialisten. Deswegen war es auch wichtig und notwendig, jetzt mit dieser Strukturreform zu beginnen, damit wir eine moderne Struk­tur haben, um in die Spezialisierung gehen zu können, was letztendlich vor allem auch für die Kolleginnen und Kollegen große Chancen darstellt.

Ich sage ein Danke allen Polizistinnen und Polizisten, die ganz großartige Arbeit leisten. Meine Verantwortung als Innenministerin ist es, mit meinen Führungskräften dafür zu sorgen, dass die Struktur, die Ausstattung und die Rahmenbedingungen passen, damit die PolizistInnen gut arbeiten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.47


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


14.47.45

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ja, schade, ich wollte jetzt gerade zu einer flammenden Verteidi­gungs­rede antreten, aber die Chefin macht das alles selbst perfekt. Also kann ich mich relativ kurz halten.

Vielleicht ein paar Bemerkungen, Herr Kollege Herbert. Es ist ja schon, wie die Frau Ministerin angeführt hat, ein besonderes Paradoxon, wenn ein Exekutivbeamter den


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Leistungsnachweis seiner eigenen Berufsgruppe in Form von Statistiken des Ministe­riums in Frage stellt. Ganz komme ich mit dieser Argumentation nicht mit.

Abgesehen davon, dass ja ein Bericht ein Bericht ist. Was wir ohnehin schon immer diskutiert haben: Den Bericht kann man durchlesen, zur Kenntnis nehmen oder auch nicht. Es ändert sich an den Zahlen, Fakten und Daten nichts mehr.

Das verspätete Einlangen dieses Sicherheitsberichts ist erklärbar. Er gibt wie immer in allen Details Auskunft – auch für uns Bundesräte –, ist umfangreich und bis in die letzte Einzelheit auch konkret. Er zeigt eben den Istzustand im Jahr 2012. Warum er ver­spätet eingelangt ist, hat Herr General Lang mit seinem Team im Ausschuss super erklärt: Es gab die Modernisierung des Strafregisters, und im Herbst hatten wir die Nationalratswahl. Heuer wird der Sicherheitsbericht 2013 wieder ganz normal im Mai dem Ministerrat vorgelegt werden, den wir dann zeitgemäß auch hier im Bundesrat wieder zu diskutieren haben.

Wie schon die Frau Ministerin gesagt hat: Die langfristige Entwicklung der Kriminalfälle, der Anzeigen ist von 2008 bis 2012 kontinuierlich gleich geblieben – mit einer Schwankungsbreite von einem Prozent; das ist so viel wie nichts.

In diesem Sinne: Natürlich ist jeder einzelne Fall zu viel. Darin sind wir uns einig. Das ist auch die zukünftige Aufgabe, da braucht die Exekutive natürlich positive Rahmen­bedingungen und unsere Unterstützung auch auf parlamentarischer Ebene dadurch, dass wir ihr die Mittel in die Hand geben, damit sie die Kriminalität in Österreich effizient bekämpfen kann.

Eine Erfolgsgeschichte war das Jahr 2012 schon: Die „SOKO-Ost“ hat zum Beispiel durchaus effizient und erfolgreich gearbeitet. Herr Kollege Schrödinger hat unserer Fraktion berichtet, dass da markante Erfolge vorzuweisen sind. Natürlich entwickelt sich gleichzeitig woanders ein neues kriminelles Feld.

Ich komme aus der Wirtschaft. Die Wirtschaftskriminalität ist leider auch gestiegen. Wir wissen alle, warum. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es eine Wirtschafts- und Finanz­krise gibt, sondern dass es einfach gewisse – ich möchte nicht sagen, kriminelle – Elemente gibt, die sich in einem ausgesprochen komplizierten Fachbereich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern wollen. Daher braucht auch die Polizei auf diesem Sektor Experten. Ich glaube, die sind inzwischen auch vorhanden.

Herr Kollege Herbert, weil Sie gesagt haben, Präventionspolizisten gibt es nicht: Dem Bericht ist zu entnehmen, dass alleine 2012 österreichweit 310 113 Personen von der Exekutive kostenlos präventiv beraten wurden. (Bundesrat Herbert: Das ist ja kein Präventionspolizist!) 310 113! Soll man da sagen, das ist alles nichts, den gibt es gar nicht, das ist ein Märchenpolizist? – Also bitte, die Fakten sprechen klar dagegen. Mein Kollege Dr. Andreas Köll wird noch ein paar Details bringen, sodass ich mich auf ein Danke beschränken kann.

Selbstverständlich nimmt unsere Fraktion diesen Bericht zur Kenntnis. Die Sicherheit ist in Österreich – da bin ich mir hundertprozentig sicher – bei unserer Frau Ministerin in guten Händen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.51


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Füller. Ich erteile es ihm.

 


14.51.42

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im


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Innenministerium für die Erstellung dieses sehr umfangreichen, sehr detaillierten und auch in die Bereiche Vorbeugung und Bekämpfung sowie Statistik und Analyse sehr gut gegliederten Sicherheitsberichts zu bedanken. Wie wir gestern im Ausschuss und auch heute erfahren konnten, wurde dieser Bericht eben aufgrund diverser Umstände und der Nationalratswahl im letzten Herbst etwas zeitlich verzögert übermittelt.

Im Bereich der Gesamtkriminalität ist festzustellen, dass sich die angezeigten straf­baren Handlungen nach einem Hoch in den Jahren 2008/2009 in den Jahren 2010 bis 2012 auf einem ziemlich gleichbleibenden Niveau eingependelt haben. Leider muss ich als steirischer Bundesrat in meinem eigenen Bundesland einen Zuwachs von rund 5 Prozent feststellen und ansprechen. Wir haben allerdings auch gestern im Aus­schuss gehört, das hat zum Teil mit einer Art Ausweichkriminalität von anderen Bun­des­ländern hin in die Steiermark zu tun gehabt, mit einem Schwerpunkt im Großraum Graz. Da ging es in den allermeisten Fällen um Handtaschendiebstähle, Betrügereien mit Bankomatkarten und eine Zunahme von Fällen von Internetkriminalität.

Es wäre klarerweise auch interessant zu erfahren, wie die weitere Entwicklung – wir werden das auch im nächsten Sicherheitsbericht diskutieren – vonstatten gegangen ist, ob es da vielleicht im Jahr 2013 schon wieder zu einem Rückgang gekommen ist.

Erfahrungsgemäß – das wird im Bericht auch oft erwähnt – handelt es sich anteils­mäßig im ländlichen und kleinstädtischen Bereich eher um fahrlässige oder vorsätz­liche Körperverletzungen, während im großstädtischen Bereich eher Vermö­gensdelikte überwiegen und im Allgemeinen die Kriminalität im städtischen Bereich eher höher als im ländlichen Bereich ist. Aus dieser unterschiedlichen Kriminalitäts­struktur ergibt sich auch eine unterschiedliche Höhe der Aufklärungsquoten. Da erschwert natürlich auch die sprichwörtliche Anonymität der Großstadt die Polizeiarbeit und die dazugehörige Aufklärung von Fällen.

Zum Sicherheitsbericht positiv anzumerken ist und spannend zu lesen war auch, an wie vielen Projekten, Kooperationen und Maßnahmen man beteiligt ist oder diese auch federführend mitumsetzt. Die einzelnen Bereiche waren meines Erachtens sehr aufschlussreich gestaltet, sodass man sich recht schnell einen guten Überblick verschaffen kann.

Frau Bundesministerin, Ihr Weg, im Zusammenhang mit Polizeiinspektions­schließun­gen – ich denke an die Diskussion darüber – dafür mehr Polizisten auf der Straße zu haben, wird natürlich in den nächsten Sicherheitsberichten und den Ergebnissen dieser Sicherheitsberichte zu einer Art Nagelprobe werden. Die zukünftigen Sicherheits­berichte 2014 oder 2015 werden zeigen, ob dies der richtige Weg war, der beschritten wurde.

Zusätzlich, denke ich, müssen wir schauen, dass wir im öffentlichen Dienst weiterhin zu einem Mehr an ressortübergreifender Durchlässigkeit kommen können, damit Beamtin­nen und Beamte aus anderen Ressorts vielleicht entsprechend mitunter­stützend tätig werden können, um zum Beispiel die Polizistinnen und Polizisten weiter von der Arbeit am Schreibtisch zu entlasten.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, dass es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass unsere Exekutivbeamtinnen und -beamten bestmöglich ausgerüstet und ausgestattet sind. Sie machen an Sonn- und Feiertagen Dienst, sie machen Tag und Nacht Dienst und sind bei jedem Wetter unterwegs.

Das müssen wir hier anerkennen. Daher möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, mich bei den Exekutivbeamtinnen und -beamten für ihren mit großer Sorgfalt verse­henen Dienst recht herzlich zu bedanken.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 103

Wir von der SPÖ nehmen diesen Sicherheitsbericht gerne zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.56


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


14.56.16

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Verspätung des Einlangens dieses Berichts wurde im Ausschuss schon sehr klar und überzeugend erläutert. Mich wundert es, dass das dann in dieser Form hier wieder aufgenommen wird.

Der Bericht ist wirklich ein sehr umfassendes Zahlenwerk. Mich überrascht eigentlich, wie wenig sich verändert, also wie konstant sowohl die Fälle, Aufklärungsquoten et cetera sind, wie gering die Fluktuation über die Jahre ist, wenn man eben sieht, dass die Gesamtkriminalität gegenüber 2011 nur um 1,5 Prozent gestiegen ist. Für 2013 gibt es angeblich aber schon wieder einen leichten Rückgang um 0,3 Prozent. Was tut man dann mit Ausreißern wie der Steiermark, wo es einen Anstieg um 5,3 Prozent gegeben hat? Muss man das dem Volk jetzt als Notstandsgebiet erklären oder – weiß ich nicht – dort die Exekutivkräfte verdoppeln oder verdreifachen?

Ich denke, dass man aufgrund dieser doch sehr umfangreichen Zahlen und eines solchen Berichts sehr viel rationalisieren kann oder zumindest könnte, wenn man in der Debatte nur willens wäre.

Ich möchte nur einige kleinere Punkte herausnehmen. Einer dieser Punkte ist der Waffengebrauch. Es gab laut diesem Bericht 857 Fälle mit Schusswaffenbezug. Das ist gegenüber dem Jahr 2009 fast eine Verdoppelung, aber gegenüber den Spitzenwerten von 2010 – damals war der Spitzenwert 1 258 Fälle – doch wieder ein dramatischer Rückgang. Interessanterweise ist bei Stich- und Hiebwaffen eine ganz ähnliche Ent-wicklung zu sehen.

Wir bedauern, dass nicht ausgewiesen wurde, ob die Schusswaffen, die eingesetzt wurden, legal oder illegal besessen wurden. Ich bedauere das deshalb, da das ein ewiger Streitpunkt mit der Waffenlobby ist, wo immer wieder behauptet wird, dass vor allem illegale Schusswaffen zum Einsatz kommen. Dazu Zahlen zu haben, denke ich, wäre hilfreich.

Auch was die Fremdenkriminalität betrifft, ist aufgrund der Zahlen eine starke Rationa­lisierung in der Debatte möglich.

Zum Punkt Rechtsextremismus: Es wurden im Jahr 2012 377 Personen angezeigt. Das ist eine Steigerung gegenüber 2011, als 341 Personen angezeigt wurden. Leider gibt es im Sicherheitsbericht nicht mehr eine Aufschlüsselung nach Delikten, im Verfassungsschutzbericht sehr wohl. Es wäre, wie ich meine, auch bei der Beurteilung und in der Debatte hier hilfreich, diese Zahlen auch im Sicherheitsbericht zu haben. Interessant ist, dass es eine starke Steigerung bei der Internetmeldestelle in diesem Bereich gibt.

Was Linksextremismus betrifft, sind 65 Personen zur Anzeige gebracht worden. Auch bei Einzeldelikten abseits des Verbotsgesetzes gibt es wesentlich weniger links-extremistische Taten. Was uns verwundert ist doch die sehr unterschiedliche Darstellungsform im Bericht in diesem Zusammenhang.

Noch eine kurze Bemerkung zur militanten Tierrechtsszene. Da gab es 2012 16 Straf-tatbestände. Die Zuordnung zu einem extremistischen Hintergrund finden wir durchaus erstaunlich.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 104

Was gerichtliche Überwachungsmaßnahmen betrifft, kam es zu einer deutlichen Steigerung gegenüber dem doch schon sehr hohen Niveau von 2011, nämlich von 1 887 Überwachungen auf 2 242 Überwachungen, was den Nachrichtenbereich betrifft, und von 4 864 auf 5 148, was die Auskunft über Daten betrifft. Dazu ist auch anzu­merken, dass die Anträge der Staatsanwaltschaften zu 99 Prozent von den Gerichten bewilligt wurden und sich da schon die Frage stellt, ob es sich bei diesem hohen Prozentsatz der Bewilligungen wirklich um eine wirksame Kontrolle handelt.

Leider ist im Bereich zum Beispiel des Einsatzes von verdeckten Ermittlungen eine Vergleichbarkeit mit den Vorjahren praktisch nicht mehr möglich. Da hat sich die Gesamtdarstellung verändert beziehungsweise wird nur mehr die Anzahl der Fälle aufgeführt und sonst eigentlich nichts mehr.

Das wären von unserer Seite die Kritikpunkte an diesem Bericht, aber wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.02


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich erteile es ihm.

 


15.02.18

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir vorhin vom Kollegen Herbert gehört haben, dass ihm zwar der Bericht gefällt, aber nicht dessen Inhalt, dann muss ich Sie, der Sie ja selbst aus dem Exekutivdienst kommen, fragen: Was gefällt Ihnen dann: die kriminalgeographischen Darstellungen, die Kartierungen oder der Inhalt? Ich habe mich da bei Ihren Beiträgen etwa in einen John Wayne- oder Wyatt Earp-Film zurückversetzt gesehen. Ich bin, gelinde gesagt, etwas enttäuscht, dass derartige Äußerungen von einem Mitglied der österreichischen Polizei kommen.

Mir hat dieser Bericht sehr gut gefallen: Er ist äußerst detailliert und geht im Jahre 2012 punktuell auf die damaligen Gegebenheiten ein. Wir kennen alle auch schon die Ergebnisse 2013. Es lassen sich hier Trends feststellen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Aus der Praxis heraus, ich gehöre nicht der Exekutive an, aber als einer der von diesen strukturellen Posten- und Inspektionszusammenschlüssen betroffenen Bürgermeister in Osttirol kann ich ganz klar festhalten, dass wir hier auf dem richtigen Wege sind. Die Trends, die auch hier in diesem Bericht analysiert sind, können Sie bei uns in Osttirol – wir sind da schon etwas weiter als manche andere Bezirke – bereits sehen: Wir haben nämlich bei uns jetzt ab 1. Juli nur mehr drei Inspektionen, aber keine Inspektion mehr unter 22 Beamtinnen und Beamten!

Wir haben im höchstgelegenen Bezirk Österreichs nicht nur die höchsten Berge zu betreuen, wir haben keine nachhaltige negative demographische Entwicklung, wir haben auch keinen Rückgang im Tourismus, aber bei uns ist ganz klar ein Zusam­menhang zwischen diesen Strukturverbesserungen, den Zusammenlegungen von Kleinstdienststellen – die bei uns in Kleingemeinden wie Obertilliach nicht einmal drei systemisierte Beamte umfasst haben – zu größeren Dienststellen erkennbar, wo genau das stattfindet, was die Frau Bundesministerin mit dieser Verschlankung der Ver-waltung gemeint hat: Wenn Sie 10 Posten mit 3 Beamten haben, dann ist klar, dass die mehr mit Verwaltungstätigkeiten befasst sein werden als 22 Beamtinnen und Beamte, die sich dann neben dieser Verschlankung der Verwaltung vor Ort und auf der Straße um das, was wirklich anfällt, kümmern können. Da finden dann genau diese Spezia-lisierungen statt, etwa im Kriminaldienst – auch im ländlichen Bereich –, wo man sich


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um Spurensicherung kümmern kann, wo man erkennungsdienstlich arbeiten kann, wo man DNA-Spuren auswerten kann und – so wie es bei uns in Osttirol schon geschehen ist – auch Einbruchsdiebstähle und -delikte, die schon vor Jahren stattgefunden haben, zurückverfolgen und aufklären kann; dies mit einer der höchsten Aufklärungsraten in Österreich.

Im Bereich des Straßenverkehrs kommt es zu einem Rückgang der Zahl der Ver­kehrsunfälle mit tödlichem Ausgang, mit schweren Personenschäden, weil einfach die Präsenz auf der Straße besser geworden ist. Und in Osttirol erfolgt derzeit in Lienz – bei 44 Beamtinnen und Beamten – gerade im Bereich der Einbruchsdelikte eine Spezialisierung, dort steigt die Aufklärungsrate. Der Kriminaldienst wird verstärkt, die Verkehrsüberwachung wird verstärkt im Raum Sillian, Grenzgebiet Südtirol/Italien. Natürlich gilt Schengen, aber wir wissen ja, dass sich die tragischen Ereignisse von Lampedusa durchaus auch auf österreichisches Staatsgebiet auswirken können. Es findet dort eine spezielle Betreuung statt, das Schlepperwesen wird zurückgedrängt und bekämpft. Bei uns in Matrei findet ein sehr qualifizierter Alpindienst statt, mit einer Spezialisierung in diesem Bereich.

Als einer der betroffenen Bürgermeister – wir hatten noch zwei Inspektionen, weil es flächenmäßig eine der größten Gemeinden Österreichs ist – kann ich das in meiner Gemeinde nur begrüßen!

Die Frau Bundesministerin wird in den letzten Tagen vielleicht nur auf wenige Bürger­meisterinnen und Bürgermeister gestoßen sein, die derartige Erfahrungsberichte abgegeben haben. Das kann in anderen Bundesländern durchaus unterschiedlich sein, wo die geographische Distanz zwischen Inspektionen vielleicht etwas zu hoch sein mag, aber bei uns in Osttirol hat sich das absolut bewährt. Und ich darf dir, liebe Frau Bundesministerin, und deinem Team im Ministerium sowie auch allen Beamtinnen und Beamten der Exekutive in Österreich und im Sicherheitsdienst dafür danken. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg!

Der Bericht selbst ist sehr detailliert, sehr spezialisiert, er reicht vom salafistischen Dschihad-Terrorismus – man könnte am Beispiel dieser armen Wiener Mädchen leider auch von einem Dschihad-Tourismus sprechen – in Syrien bis zu den bereits ange­sprochenen Auswirkungen der Flüchtlingstragödie auf Lampedusa. Ich glaube, die Innenministerinnen und -minister werden einander auf europäischer Ebene im Juni treffen und weitere Maßnahmen beraten.

Ich begrüße auch ausdrücklich deine Forderung im Bereich des Strafrechtes, die Strafrahmen für Einbruchsdelikte und Verbrechen in diesem Bereich zu verdoppeln, von einem halben Jahr Strafausmaß bis auf ein Jahr. Wir wissen ja – und das ist vielleicht auch eine kurze Replik auf die Ausführungen von Kollegin Dr. Reiter –, dass die Gesamtzahl in Österreich nur marginal gestiegen ist, aber der Bericht hat natürlich sehr wohl die Möglichkeit, Auswirkungen auch im Detail zu betrachten: Wir wissen, dass die Wirtschaftsleistung Österreichs Gott sei Dank alljährlich steigt, damit verbun­den natürlich die Wirtschaftskriminalität. Wir wissen, dass unsere Bevölkerungszahl steigt – wir bewegen uns jetzt in Richtung 8,7 Millionen Einwohner –, und wir wissen natürlich auch, dass der Tourismus steigt.

In diesem Sinne kann man von einem positiven Trend in allen Bereichen sprechen, dass es hier gelingt, mit Spezialisierung der Exekutive, mit einem modernen Polizei­dienstrecht, mit dieser modernen Polizei – in Form eines Konzeptes umgesetzt – positive Entwicklungen einzuleiten, die dazu führen, dass unsere Republik Österreich täglich sicherer wird. Ich kann das nur so sagen, weil das auch die objektiven Aus­sagen dieser Berichte sind.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 106

Ich darf abschließend noch einmal dir, liebe Frau Bundesministerin, und deinem Team herzlich danken! Und es empfiehlt sich natürlich die Annahme dieses Berichtes. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.09.309. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014; Achtzehnmonatsprogramm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-513-BR/2014 d.B. sowie 9174/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Ebner. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


15.09.46

Berichterstatter Ing. Bernhard Ebner, MSc : Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014; Achtzehnmonatsprogramm des irischen, litauischen und griechi­schen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014; Achtzehnmonatsprogramm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-513-BR/2014 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrätin Zwazl – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Herbert –: Reden tust du heute viel! – Bundesrat Herbert: Viel zu sagen heute! – Weitere Zwi­schenrufe. – Bundesrat Herbert: Da musst du ein bisschen mehr aufpassen, dann geht es schon!)

 


15.10.35

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich diesem Bericht im


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 107

Detail widme, darf ich mich noch kurz mit den Ausführungen des Kollegen Schennach, die er zuvor in Bezug auf die FPÖ gemacht hat, beschäftigen. Er hat nämlich gemeint, die FPÖ sei in der EU noch nicht angekommen.

Kollege Schennach! Die Frage, die Sie hier aufgeworfen haben, ist nicht eine Frage der Reise oder des Ziels, sondern ist eine Frage des Weges, der sich uns hier darstellt. Und dieser Weg in diese EU ist nicht unser Weg. So ist das! Das möchte ich an dieser Stelle nur einmal festhalten (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn Kollege Schreuder, der jetzt leider nicht im Saal ist, gemeint hat, die FPÖ lehne die EU generell ab, sage ich Ihnen an dieser Stelle: Es ist die EU, so wie sie sich heute darstellt, die wir ablehnen, nicht die EU als Zusammenschluss von Staaten, sondern die Art und Weise, wie sich dieser Zusammenschluss darstellt, nämlich insbesondere als generelle Vereinnahmung der nationalen Eigenstaatlichkeiten im Hinblick auf eine Gesamt-EU. Das ist es, was wir nicht wollen.

Aber nun zum Bericht, der sich ja in zwei Bereiche gliedert, nämlich in den Arbeits­bereich der Kommission und in das Programm des Rates. Wenn ich mir den Bericht so angeschaut habe, dann habe ich gesehen, dass das Arbeitsprogramm der Kommission auf ganzen drei Seiten zusammengefasst ist. – Na ja, wenn das die Sicherheitsansage der EU oder der Kommission für Österreich ist, noch dazu wenn ich lese, das soll die Fertigstellung der laufenden Arbeiten sein, dann muss ich sagen: Da hat die EU sich aber allerhand vorgenommen, um das jetzt einmal etwas sarkastisch auszudrücken. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Oder ich könnte auch meinen, Kollege Mayer, der Stellenwert der Sicherheit ist bei der EU eher unterrepräsentiert, das könnte ich jetzt auch so interpretieren, wobei ich jetzt noch immer von der Kommission rede.

Wenn man sich das Programm des Rates anschaut, dann sieht man, da sind es schon ein bisschen mehr, nämlich 23 Seiten, und die sind ebenfalls etwas unbefriedigend, nämlich sowohl was den strategischen Rahmen in Bezug auf die längerfristigen Ziele betrifft, als auch die operativen Programme. Entweder sind es gut klingende Ankündi­gungen, die sich bei genauerer Betrachtung als Worthülsen herausstellen, oder es sind gut ausgeschmückte, oberflächliche rhetorische Darlegungen, beispielsweise „Smart Borders“-Initiative“, aber auch die EU-Aktion gegen Migrationsdruck. Schöne Worte, nichts dahinter, sage ich einmal dazu.

Aber auch die Ausführungen über Cyberkriminalität und Cybersicherheit sind in dieser Form höchst unbefriedigend. Also wenn das die Ansage der EU auf die Internet­kriminalität und die internationalen Kriminalitätsformen in Bezug auf Internet ist, dann würde ich mich auf die EU nicht wirklich gut verlassen.

Oder der zweite Fall ist, dass diese Ankündigungen sicherheits- oder datenschutz­rechtlich höchst bedenklich sind. Ich denke hier an die in diesem Bericht noch einmal vorkommende Richtlinie zur Erhebung und Nutzung von Fluggastdaten, eine Ge-schichte, die wir schon an anderer Stelle sehr ausführlich und sehr kritisch beleuchtet haben. Es fehlt mir hier einfach der inhaltliche wie auch fachliche Zugang, dass ich da etwas Positives erkennen kann, um nicht zu sagen, dass ich gerade die Fluggast-datenproblematik höchst bedenklich finde.

Meiner Überzeugung nach fehlt da weitestgehend die Nachvollziehbarkeit der Effekti­vität der hier angeführten Maßnahmen. Und ich hege einmal mehr den Verdacht, dass hier wieder etwas angekündigt wird, was schon in der Vergangenheit nicht gehalten wurde.

Wenn ich mir die EU-Strategien der Vergangenheit anschaue, insbesondere auch was die Eigentumskriminalität betrifft, dann wissen wir ja, dass diese schon in der Vergan-


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 108

genheit nicht von ausgesprochen großem Erfolg gekrönt waren und die vorgelegten Vorgaben, von der EU kommend, eher bescheiden sind, was die nationale Anwend­barkeit betrifft.

Alles, was hier in diesem Bericht dargeboten wird, ist eher nicht geeignet, das Ver­trauen in die EU und auch in deren sicherheitspolitische oder sicherheitspolizeiliche Arbeit weiter auszubauen. Aus diesem Grund spricht sich meine Fraktion auch klar gegen die Annahme dieses Berichtes aus. (Beifall bei der FPÖ.)

15.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Herbert: Oje! – Bundesrat Mayer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kein Schweiß, Herr Kollege Herbert! Es wird ange­nehmer, als du glaubst!)

 


15.16.10

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es bleibt einfach ein Satz anzumerken: Herr Kollege Herbert, egal, ob in dem Bericht 3 Seiten, 23 Seiten oder im Sicherheitsbericht 312 Seiten sind, es ist wurscht, ihr lehnt ihn sowieso ab. Also hat es überhaupt keinen Wert zu diskutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

In einem Bericht sind tatsächlich geschehene Ereignisse aufgelistet, die hier einfach diskutiert werden. Und es ist auch euer gutes Recht, das abzulehnen. So einfach ist das abzuhandeln.

Ich denke, die wesentlichen Themen in diesem Bericht sind Terrorismusbekämpfung, Migration, gemeinsame Asylpolitik und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizeibehörden, die bleiben also im Fokus, und das ist im Rahmen der Europäischen Union auch entscheidend.

Zur Nutzung von Fluggastdaten möchte ich schon noch ein paar Sätze anfügen: Die in Diskussion stehende EU-Richtlinie über die Erhebung und Nutzung von Fluggastdaten zum Zwecke der Strafverfolgung ist laut Bericht der Kommission ja noch ausständig.

Dabei geht das Innenministerium davon aus, und da hat sich auch unsere Frau Ministerin Mikl-Leitner massiv dafür eingesetzt, dass das Europäische Parlament noch nachbessern wird, was den Datenschutz anbelangt. Im Rat der Innen- und Justiz­minister ist Österreich nämlich einer der ganz wenigen Mitgliedstaaten gewesen, die kritisch angemerkt haben, dass sie Verbesserungen wünschen. Das Innenressort hat auch im Auftrag des Nationalrates weiter den Nachweis für die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Nutzung der sogenannten PNR-Daten, Passenger Name Record-Daten, eingefordert. Ich denke, das ist auch wichtig, und wir hoffen wirklich dass das Europäische Parlament da noch Nachbesserungen vornimmt.

Zum Thema illegale Einwanderung: Die EU will auch den Migrationsdruck verringern. Kollege Dr. Köll hat schon Lampedusa erwähnt. Das ist wirklich eine schreckliche Situation, schreckliche Bilder, die wir immer wieder sehen. Zum Glück wird jetzt seitens der EU, seitens Italiens massiv daran gearbeitet, Menschen aus Seenot zu retten. Tausende wurden in den letzten Wochen und Monaten gerettet. Wahrscheinlich, und davon kann man ausgehen, sind aber auch viele Hunderte ertrunken und konnten nicht gerettet werden. Da geht es nicht nur um Lampedusa, sondern es geht auch um Sizilien und Malta und all diese in Nähe des ostafrikanischen Raumes gelegenen Inseln, die relativ nah und somit relativ rasch erreichbar sind. Das sind also desaströse Situationen.

Da hat sich auch der Europarat sehr dafür eingesetzt, dass es da zu Verbesserungen kommt, auch im Rahmen von Frontex. Der Europarat – das kann Kollege Schennach


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bestätigen – arbeitet hier wirklich sehr, sehr massiv und wirkt auch auf die Mitglied­staaten, auf die EU ein. Ich denke, gemeinsam kann an dieser Problematik auch entsprechend gut gearbeitet werden.

Man möchte also, wie gesagt, den Migrationsdruck verhindern. Hier gibt es ein ganzes Maßnahmenbündel, und das hat die EU-Kommission auch entsprechend vorbereitet.

Dazu gehören neben einem verbesserten Außengrenzen-Management etwa auch die verstärkte Kooperation mit Drittstaaten und Maßnahmen gegen den Missbrauch von sogenannten Migrationskanälen.

Der EU-Aktionsplan wird laufend aktualisiert. Zuletzt war dies im Dezember der Fall.

Rücknahmeübereinkommen gibt es inzwischen mit 16 Staaten, mit fünf weiteren wer­den derzeit Verhandlungen geführt.

Bereits Anfang Dezember in Kraft getreten ist eine EU-Verordnung zur Errichtung des europäischen Grenzüberwachungssystems EUROSUR. EUROSUR soll Mitglied­staaten bei ihren Bemühungen unterstützen, illegale Migration in die EU einzudämmen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt an den See- und Landaußengrenzen, vorge­sehen sind unter anderem Patrouillen unter Einsatz von Kameraüberwachungs­systemen.

Kurz auch zur Asylpolitik: Mit dem Inkrafttreten zahlreicher Richtlinien und Verord­nungen im vergangenen Jahr steht nun der rechtliche Rahmen für ein gemeinsames europäisches Asylsystem fest. In weiterer Folge soll nun daran gearbeitet werden, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der EU im Asylbereich zu stärken. Österreich wird nach Meinung des Innenministeriums und der Innenministerin von einer EU-internen Verteilung anerkannter Flüchtlinge profitieren, da es nach wie vor zu den am stärksten belasteten Mitgliedstaaten der EU zählt. Als Voraussetzung dafür wird allerdings ein EU-weites einheitliches Asylverfahren genannt.

Zum Thema Extremismus ganz kurz: Die EU will gewalttätigem Extremismus mehr Augenmerk schenken. Um die innere Sicherheit zu erhöhen, will die EU-Kommission unter anderem der Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus mehr Augenmerk schenken. Ein Papier mit Präventionsvorschlägen wurde den Mitgliedstaaten Mitte Jänner präsentiert. Auch das Phänomen der ausländischen Kämpfer, Foreign Fighters, so wie schon angedeutet, soll in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden.

Weitere Diskussionsthemen auf EU-Ebene sind eine koordinierte Vorgangsweise im Kampf gegen die zunehmende Cyberkriminalität, die forcierte Bekämpfung des Men­schenhandels, die Umsetzung der EU-Drogenstrategie 2013 bis 2020 und ein inten­sivierter grenzüberschreitender Informationsaustausch zwischen den Strafverfol­gungs­behörden. Außerdem muss nach dem Auslaufen des Stockholmprogramms mit Ende dieses Jahres ein neues Mehrjahresprogramm für die Weiterentwicklung des Raumes der Freiheit, Sicherheit und des Rechtes festgelegt werden.

Herr Kollege Herbert, abschließend: Wenn man sich intensiv mit diesen Materien aus­einandersetzt und etwas dahinter blickt, dann ist da schon einiges an Potenzial vorhanden. Wir sind, glaube ich, in diesem Bereich sehr, sehr gut unterwegs. Wir werden daher diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Adelheid Ebner und Beer.)

15.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 



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15.22.50

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können ein Quiz zur nachmittäglichen Stunde machen. Es geht ja in dieser Vorschau auch sehr viel um Migration und Asyl.

„Ist der Ali kriminell, in die Heimat, aber schnell!“ – Das ist ein Wahlplakat zur jetzigen Europawahl. Woher könnte das sein? (Zwischenruf bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Von der SPÖ sicher! – Bundesrätin Grimling: Super!) – Es ist der Bündnispartner der FPÖ!

Was mich immer wieder wundert, ist, dass Rechtsnationalisten immer anfangen zu reimen, so wie wir es derzeit auch in unserem Land sehen. Es ist aber interessant, dass Leute Plakate dazuhängen, das wurde jetzt gerade gesehen: „Was Ihr Idioten bloß nicht wisst, dass Ali’s Heimat Deutschland ist!“ (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) – Das zeigt, in welchem Spannungsfeld, wer wo angekommen ist.

Gehen wir aber auf den Vorhabensbericht ein! Wir haben ja schon  (Bundesrat Jenewein: Von wem ist jetzt das Plakat?) – Von der NPD. (Bundesrat Jenewein: Das ist aber kein Bündnispartner der FPÖ! Tatsächliche Berichtigung! Sofort!)  Aber in trauter geistiger Gemeinschaft, nehme ich einmal an. (Bundesrat Jenewein: Das trauen Sie sich nur am Rednerpult, Herr Kollege! Sagen Sie das draußen, dann klären wir das vor Gericht!) – Ja, ja, viele Inhalte gleichen einander doch ganz stark!

Kommen wir zu dem EU-Vorhabensbericht, das ist ja jetzt die große Spannung: Was passiert sozusagen im Post-Stockholmbereich? Was kommt, wenn Italien, Lettland und Luxemburg das nächste Programm nach Auslaufen des derzeitigen Stockholm­pro­gramms vorlegen?

Um einmal etwas sehr Positives zu sagen: Was wirklich geschaffen wurde, ist das intelligente Grenzsystem „Smart Borders“, das jetzt in der Umsetzung ist. Dieses intelligente Grenzsystem, das ja Erleichterungen für viele nach sich zieht, ist eines der wirklich beeindruckenden Vorhaben der Europäischen Union. Dazu kommt das Vorhaben, das wir gerade hier im Bundesrat immer diskutiert haben, der Visa-Erleichterungen und der Visa-Liberalisierung.

Ich habe ja öfters an diesem Rednerpult gesagt, es ist absurd, dass die Großeltern in Belgrad und in Sarajevo ihren Enkelkindern erzählen, wie toll es in der Tito-Zeit war: ohne Visum frei durch ganz Europa! Die haben es bekommen. Mit Ihrem Vorvorvor­gänger, Frau Minister Mikl-Leitner, nämlich Kollegen Strasser, haben wir hier einige rhetorische Debatten dazu gehabt. Und dass jetzt der nächste Schritt kommt mit Albanien, Armenien, Bosnien, Georgien, Mazedonien, Montenegro, Moldawien, Russ­land, Serbien, Ukraine und Aserbaidschan, das ist einfach wichtig in einem Europa, das sich nicht abschottet, das begreift, dass es ein gesamtes Europa ist. Deshalb schaffen diese Visa-Erleichterungen auch für junge Menschen die Möglichkeit, von jener Mobilität zu profitieren, die unsere Kinder in unserem Europa, in unserem EU-Europa haben.

Natürlich, Edgar Mayer hat es ausgeführt, betreffend das Asylsystem: Wir brauchen in verschiedensten Bereichen ein gemeinsames Asylverfahren in Europa, wir brauchen aber auch die Solidarität. Gerade als Vorsitzender der Union für das Mittelmeer hatte ich vor Kurzem eine Konferenz mit den Bürgermeistern von Melilla und Ceuta, wo es derzeit viermal mehr Flüchtlinge als Bewohnerinnen und Bewohner gibt.

Und was Europa einfach nicht hinnehmen kann, ist, dass das Mittelmeer zu einem Massengrab wird. Kollege Mayer hat schon angesprochen, dass zum Beispiel der Europarat eine Untersuchung gegen jene spanische Fregatte eingeleitet hat, die das


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Hilfeansuchen ignoriert hat, infolge dessen über 200 Menschen ertrunken sind, aber genauso hinsichtlich einer Gesetzgebung, die italienischen Fischern, die Menschen vor dem Ertrinken retten, die Anklage wegen Schlepperei einbringt.

All diese Dinge sind schon ein Stück weiter und ein Stück weitergebracht. Romano Prodi hat immer gesagt, dass wir eine Gesamtverantwortung haben, auch dafür, was hinter den Grenzen unseres gemeinsamen Europas ist. Er hat da von einem weiteren Europa gesprochen. Ich glaube, wir müssen diese Solidarität zeigen, denn eine so kleine Insel wie Lampedusa ist an ihren Grenzen angelangt. Auch in Lampedusa woh­nen Menschen, die ein Geschäft haben, es gibt Hoteliers, es gibt Menschen, die Friseure oder was auch immer sind. Es ist eine ganz kleine Insel, auf der das alltägliche Leben vor sich geht, und diese Menschen sind absolut nicht fremdenfeind­lich, aber ihre Kapazitäten, ihr Stressfaktor ist irgendwann auch erschöpft. Und da muss Europa Hand in Hand gehen, und deshalb brauchen wir hier diese Zusammen­arbeit!

Wo wir sie schon ganz besonders brauchen, ist die Cyberkriminalität. Soll denn ein kleines Land wie Österreich anfangen? Wir können das nur europäisch lösen.

Dann kommen wir zu den zwei großen Herausforderungen, die wir in Europa haben: Das ist einerseits der Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Darüber haben wir schon vorher gesprochen, wie wichtig die Zusammenarbeit nicht nur im justiziellen Bereich, sondern auch im Bereich der inneren Sicherheit ist.

Und jetzt komme ich zum widerlichsten Bereich: Das ist der Kampf gegen den Menschenhandel. Vielfach sind Frauen oder beinahe noch Kinder betroffen, was die sexuelle Ausbeutung betrifft. Das zu stoppen muss ein gemeinsames Ziel sein, und deshalb bin ich immer froh, zu sehen, dass das ein gemeinsames Ziel dieses Europas ist. Deshalb ist da die Zusammenarbeit von besonderer Wichtigkeit.

Ein Punkt, wo wir seitens des EU-Ausschusses des Bundesrates ein bisschen kritisch waren, ist die Saisonarbeitsregelung. Da zielt man auf eine Harmonisierung ab. Ich hoffe, unsere Kritik, die wir auch geübt haben, wird Berücksichtigung finden. Wir haben ja sogar eine Subsidiaritätsrüge ausgesprochen, ich glaube, sogar der EU-Ausschuss des Nationalrates hat hier einmal eine Subsidiaritätsrüge ausgesprochen. Es gab dazu ein Hearing, wo wir den österreichischen Standpunkt einbringen konnten, und wichtig ist, dass dies in diese Regelung einfließt.

Vor mir hat ein Personalvertreter der Polizei gesprochen, und aufgrund dessen, was Sie, Herr Bundesrat Herbert, über den Köpfen Ihrer eigenen Leute, für die Sie Per­sonalvertreter sind, hier ausgeschüttet haben, kann ich nur sagen: Solche Personal­vertreter braucht man! (Rufe bei der FPÖ: Ja, die gewinnen aber! Die gewinnen Wahlen!) Ich weiß nicht, ob jene, die Sie als Personalvertreter in der Polizei vertreten, wissen, was Sie hier am Rednerpult über die Arbeit der Polizisten und Polizistinnen in Österreich zum Besten geben (Bundesrat Jenewein: Ja, die wissen das!), aber ein Personalvertreter sieht anders aus! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.31.54

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Kollege Schennach hat in seiner Rede behauptet, die NPD, die Nationaldemokratische Partei – wenn ich das jetzt richtig ausspreche – wäre ein Bünd­nispartner der Freiheitlichen Partei.


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Die Freiheitliche Partei hat das in der Vergangenheit und auch für die Zukunft immer ausgeschlossen.

Es gab keine Zusammenarbeit, es gibt keine Zusammenarbeit, und dementsprechend ist das tatsächlich zu berichtigen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.32.33

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Dieser Bericht gliedert sich in zwei Teile, einen Bericht der Kommission und einen des Rates.

Der Bericht der Kommission ist wirklich sehr knapp und enthält eigentlich nichts Neues. Das Stockholmer Programm läuft Ende 2014 aus, und das Nachfolgeprogramm wird noch diskutiert beziehungsweise soll erst vorgelegt werden. Auch die Aktualisierung der EU-Strategie zur Bekämpfung der Radikalisierung und Anwerbung für den Terroris­mus ist derzeit nur angekündigt und noch sehr unkonkret.

Der Bericht des Rates ist ausführlicher, allerdings ist anzumerken, dass die Über­wachungseuphorie der vergangenen Jahre doch einer gewissen Ernüchterung ge­wichen zu sein scheint, insbesondere auch auf österreichischer Seite. Das ist aber grundsätzlich zu begrüßen.

Es ist zu bemerken, dass nun eine Reihe der in der Vergangenheit geplanten Maß­nahmen umgesetzt werden; Maßnahmen, die von uns auch sehr kritisiert wurden und auch sehr kritisch gesehen werden.

Das betrifft zum Beispiel das Ein- und Ausreisesystem mit einer automatisierten Erfassung aller Ein- und Ausreisen in die EU, wobei bei Überschreitung der Auf­enthaltsdauer eben eine Fahndung ausgeschrieben werden soll. Da ist jetzt eine Machbarkeitsstudie vorgesehen, und erst dann soll über die weitere Vorgehensweise entschieden werden. Wir unterstützen die Position des Ministeriums, dass da im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie sehr kritisch hingesehen wird.

Ebenso gilt das für das System registrierter Reisender, das heißt, es soll eine Zwei­klas­sengesellschaft von sogenannten Wenig-Risiko-Reisenden und Hoch-Risiko-Reisenden geben, wobei die Feststellung dieses Risikos aufgrund von Ethnie, Religion oder Herkunft erfolgen soll. Das widerspricht doch sehr dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Aber auch das soll in der Machbarkeitsstudie noch einmal überprüft werden.

Die elektronische Einreisegenehmigung ist ebenfalls Teil der Machbarkeitsstudie. Betreffend Fluggastdaten, das ist vom Kollegen Mayer hier schon erwähnt worden, sind die Verhandlungen im Rat abgeschlossen und das EU-Parlament ist am Zug. Dazu gibt es auch, Gott sei Dank, eine sehr kritische österreichische Stellungnahme. Diese Haltung können wir nur bekräftigen.

EUROSUR: Da ist es so, dass die Daten von verschiedensten Land- und Seegrenzen verknüpft werden sollen. Dabei bleibt aber unserer Meinung nach auch wieder die Datenschutzproblematik unberücksichtigt.

Das ist auch bei anderen Dingen so, SIS II zum Beispiel, wo die Daten sozusagen zwar getrennt gesammelt werden, diese getrennt gesammelten Daten können aber dann im Nachhinein relativ leicht verknüpft werden, was dann doch einer Rasterung durch die Hintertür Tür und Tor öffnet und aus datenschutzrechtlichen Gründen doch sehr kritisch zu hinterfragen ist.


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Das betrifft auch das Visa-Informationssystem oder die europäischen Informations­austauschmodelle. Auch da gibt es, gerade was diesen Bereich betrifft, eine kritische Haltung des Innenministeriums, die wir hier sehr positiv unterstützen möchten.

Zur Cyberkriminalität: Da ist zu fragen, ob und inwiefern die aktuellen Entwicklungen seit den Enthüllungen von Edward Snowden in die Arbeiten zu diesem Entwurf Eingang gefunden haben, und falls sie das nicht haben, warum nicht.

Zum EU-System zur Aufspürung der Terrorismusfinanzierung: Da gibt es ja im Rah­men der SWIFT ein Abkommen mit den USA, wo es zu einer Analyse der Finanzströme kommt. Es wurde ursprünglich eine vergleichbare Einrichtung mit einem EU-Programm angedacht, das dürfte nun gescheitert sein. Das ist einerseits erfreulich, aber andererseits bedeutet das, dass die EU-Geheimdienste weiter auf die Koope­ration mit den US-Diensten angewiesen sind. Das ist zweischneidig zu sehen. Viel­leicht könnte auch dazu das Ministerium noch einmal eine Stellungnahme abgeben, aber ich denke, eine gewisse Unabhängigkeit der EU wäre da schon anzustreben.

Zum ganzen Bereich Freizügigkeit der EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen und Schutz dieser Freizügigkeit vor Betrug und Missbrauch bezüglich neuer Trends, also der Bereich Armutsmigration: Da begrüßt Österreich entsprechende Maßnahmen, aber es ist anzumerken, dass weder Österreich noch Großbritannien oder auch Deutschland hier zu einem angeblichen Sozialtourismus beziehungsweise zu einem Missbrauch dieser Freizügigkeit bis jetzt stichhaltige Beweise erbracht haben und es auf der anderen Seite eine Studie der Kommission gibt, die diese Vorwürfe weitgehend ent­kräftet. Da, denke ich, ist wirklich darauf zu achten, dass es nicht zu einer Polemik kommt, die es sehr schwierig macht, die Akzeptanz in der EU-Bevölkerung aufrecht­zuerhalten oder auch in vielen Bereichen zu gewinnen.

Was die legale Migration von Drittstaatsangehörigen betrifft, so kommt es in diesem Bereich nach wie vor zu vielen punktuellen Maßnahmen, aber zu keiner echten, transparenten, sozusagen normalen Zuwanderungsschiene.

Das betrifft den befristeten Aufenthalt für innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer oder den Vorschlag für eine Richtlinie für Forscher, Studenten, Praktikanten, Au Pairs oder Saisonarbeitskräfte. Das wurde schon erwähnt. Also in diesem Bereich wäre es, so denke ich, gut, zu einer entsprechenden Zuwanderungsschiene, zu einem umfassen­deren Programm zu kommen und das auch breit zu diskutieren.

Zur illegalen Einwanderung: Ich denke, das ist wohl der schwierigste und auch dramatischste Bereich, aber auch eine Nagelprobe für die EU beziehungsweise für die Mitgliedstaaten, denn es ist nicht hinzunehmen – das wurde von Kollegen Schennach ja schon erwähnt –, was sich derzeit an den EU-Außengrenzen abspielt, was dort vor sich geht. Auch das Thema gemeinsame Rückkehrpolitik, Förderung der freiwilligen Rückkehr ist ein schwieriges, denn dass zuletzt zum Beispiel mit der Türkei, einem Staat, der die Genfer Flüchtlingskonvention nur für EU-BürgerInnen anerkennt, ein entsprechender Vertrag abgeschlossen wurde, zeigt, wie wenig Menschenrechts­be­lange dann oft tatsächlich eine Rolle spielen.

Es gibt also große Bedenken, weil Rückübernahmeabkommen MigrantInnen und Schutzsuchende in Drittstaaten oft in eine sehr schwierige und bedrohliche Lage bringen.

Zum Bereich Asyl: Obwohl das Gemeinsame Europäische Asylsystem durch die Überarbeitung und die Beschlussfassung der Rechtsakte des gemeinsamen Asyl­systems als abgeschlossen gilt, ist da, so denke ich, gar nichts abgeschlossen, sondern es gilt, noch zahlreiche Entwicklungen weiterzutreiben, zum Beispiel die Umsetzung der Standards in den Mitgliedstaaten stärker zu überwachen; wenn man


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sich nur anschaut, wie sehr die Anerkennungsraten für verschiedene Nationalitäten in den Mitgliedstaaten schwanken. Maßnahmen zur Solidarität zwischen den Mitglied­staaten sind natürlich zu begrüßen. Die konkrete Umsetzung ist aber nach wie vor relativ vage, auch was die Aufteilung der Flüchtlinge und so weiter betrifft.

Zur Bekämpfung des Menschenhandels nur ein paar Worte: Auch wir sind der Ansicht, dass das ein prioritärer Bereich sein muss; er ist auch als Priorität des Rates formuliert. Ich darf hier nur erwähnen, dass die Strategie zur Unterstützung der Opfer, insbe­sondere der Kinder, und die Entwicklung eines grenzübergreifenden Ansatzes, sodass sich die EU-Länder gegenseitig bei der Erkennung und dem Schutz der Opfer helfen können, wichtige Maßnahmen sind.

Österreich hat bisher national noch keine Strukturen aufgebaut, die die Identifizierung beziehungsweise die Betreuung von Opfern von Kinderhandel sicherstellen könnten. Da herrscht also auch national Handlungsbedarf, und wir hoffen, dass entsprechende Maßnahmen auch wirklich vorangetrieben werden können. Wir werden zumindest mithilfe von entsprechenden Anträgen versuchen, das Unsere dazu zu tun.

Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


15.44.15

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die Arbeitsschwerpunkte für das Jahr 2014 liegen vor uns und standen heute hier im Mittelpunkt des Bundesrates. Es sind zweifelsohne äußerst sensible und schwierige Themen, die es umzusetzen gilt, zu denen es vor allem auch immer unterschiedliche Meinungen gibt, seien es das Asyl- und Fremdenwesen oder die Menschenrechte.

Deswegen ist es ganz wichtig, gemeinsame Positionen auf europäischer Ebene aus­zuarbeiten und vor allem an den verschiedensten Themen zu arbeiten, nämlich beispielsweise an einem gemeinsamen Asylsystem und daran, dass das jetzt auch tatsächlich umgesetzt wird, dass vor allem die Standards in jenen Ländern, die noch nicht so weit sind, endlich angehoben werden, dass vor allem auch eine gerechte Verteilung über alle EU-Mitgliedstaaten erfolgt, dass es nicht nur zehn Mitgliedstaaten sind, die 80 Prozent aller Asylanträge zu bewerkstelligen haben, dass selbstver­ständlich vor allem die Menschenrechte eingehalten werden.

Es ist aber auch zu beachten, dass die Umsetzung der Roadmap zu bewerkstelligen ist, dass vor allem auch die Rückführabkommen weiter abgeschlossen werden müssen, denn gerade wenn jemand nicht in einem Mitgliedsland bleiben darf, ist es wichtig, die betroffenen Personen mit gewissen Rückkehrprogrammen rückzuführen, um den Fremden die Möglichkeit und die Chance zu geben, zu Hause wieder eine Existenz gründen zu können. Das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig.

Das heißt, wichtig ist es, dass wir uns jetzt einbringen, was die Planung des Mehrjah­resprogramms betrifft, im Zuge derer wir unsere Österreich-Wünsche zu deponieren haben. Es gilt jetzt aber, vor allem an der Konsolidierung und Umsetzung des be­stehenden EU-Rechtes und an den bestehenden Strategien zu arbeiten, und da gibt es viel zu tun. Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

15.46



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 115

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.46.4210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Waffenhandelsvertrag (26 d.B. und 102 d.B. sowie 9175/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte um den Bericht.

 


15.46.56

Berichterstatter Mag. Christian Jachs: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Waffenhan­delsvertrag.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


15.47.43

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind der 32. Staat, der dieses Abkommen ratifiziert.

Bevor wir in die Thematik des Abkommens einsteigen, sollten wir, so glaube ich, jenen danken, die es ermöglicht haben, dass es zu einem solchen Waffenhandelsabkommen kommt. Das ist nämlich ein durchschlagender Erfolg der Zivilgesellschaft, von Oxfam, Control Arms oder IANSA, der Vereinigung gegen Kleinwaffen.

Ich möchte nur daran erinnern, dass dieses Abkommen, das wir heute als 32. Staat ratifizieren, 2012 gescheitert war.

Wie wichtig ein solches Abkommen ist, zeigt ein Blick in die Welt. Eine Sekte, die gerade 200 Mädchen aus einer Schule entführt hat, wie die Boko Haram, braucht Waffen. Die syrischen Kriegsparteien brauchen Waffen.

2 000 Menschen sterben täglich weltweit an der Benützung solcher Waffen, also rund 750 000 Menschen im Jahr. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass nach mühsamen, sieben Jahre dauernden Verhandlungen 118 Staaten, darunter – weil heute im Zusam­menhang mit TTIP schon so viel Kritik an den USA geübt wurde –, man höre und staune, auch die USA, dieses Abkommen unterzeichnet haben.

Mit diesem Waffenhandelsvertrag können Lieferungen zumindest unterdrückt und abge­schnitten werden. Es ist vielleicht noch nicht der Schritt, durch den die Waffen


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verbannt werden, aber es ist ein Schritt, um zumindest dem illegalen Waffenhandel die Nahrung und die Möglichkeiten abzuschneiden.

Manche Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben, wissen, dass sie dadurch auch eine innenpolitische Diskussion auslösen, so zum Beispiel unser Nachbarstaat Deutschland. Deutschland hat das Abkommen unterzeichnet und ratifiziert, und im Deutschen Bundestag gibt es sehr wohl eine sehr intensive Debatte, Waffenexporte aus Deutschland überhaupt zu verbieten. Das ist eine spannende Entwicklung, ein Stück Menschlichkeit.

Wir haben zu viele Waffen, und wir haben durch diesen Vertrag, wenn er von 50 Staaten ratifiziert wird, endlich auch ein völkerrechtliches Instrument in der Hand, wie wir es ja schon hinsichtlich Massenvernichtungswaffen oder Landminen haben. Dieser Vertrag, über den wir hier heute diskutieren, ist ein ganz wichtiger Lücken­schluss.

Wir hoffen, dass Waffenexporte nicht mehr zu Kriegsverbrechen, zu den Problemen im Zusammenhang mit marodierenden Soldaten, von denen es noch in vielen Teilen der Welt zu viele gibt, oder zu Völkermord beitragen. Was wir heute hier mit einer Abstim­mung bewerkstelligen – in Kürze werden wir hoffentlich 50 sein –, das rettet in der Tat Menschen, Menschen in Somalia, in Liberia, in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik, wenn wir die illegalen Waffenwege Schritt für Schritt und Stück für Stück austrocknen.

Wenn dann die illegalen Waffen ausgetrocknet sind, liebe Kollegen und Kolleginnen, dann ist auch der Weg frei, um Menschen, die von Armut oder anderen Zwangslagen bedroht sind, zu helfen. Wenn geschossen wird, dann ist Hilfe oft sehr schwierig, aber mit diesem Waffenhandelsvertrag schaffen wir ein völkerrechtliches Instrument und auch die Möglichkeit, Leben zu retten. Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

15.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


15.52.26

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf das Thema Waffen­handelsvertrag eingehe, nur kurz ein paar Worte zu der Bemerkung des Kollegen Schennach hinsichtlich Personalvertretung.

Kollege Schennach, kümmern Sie sich um die Dinge, von denen Sie eine Ahnung haben, und überlassen Sie die Personalvertretung jenen Menschen, die da seit 15 Jahren sehr erfolgreich tätig sind! (Bundesrat Schennach: Ich war lange genug Betriebsrat, keine Sorge! Keine Sorge, ich war lang genug Betriebsratsobmann!) – Das war nur ein kurzer Ausflug, weil ich das einfach nicht so im Raum stehen lassen wollte.

Zum gegenständlichen Waffenhandelsvertrag darf ich Ihnen mitteilen, dass auch wir dem Antrag unsere Zustimmung geben werden. Ich denke, das ist eine wichtige und notwendige Initiative, ein Beitrag zur Bekämpfung und Eindämmung der negativen Auswirkungen des illegalen Waffenhandels. Die Inhalte des Vertrages sind Ihnen ja ohnehin bekannt, ich erspare mir daher, das näher auszuführen.

Was mich besonders freut und was ich an dieser Stelle auch erwähnen möchte, ist, dass in Artikel 18 dieses Vertrages auch die Einrichtung eines Sekretariats vorgesehen ist, für dessen Sitz auch Wien im Gespräch ist. Ich denke, das wäre eine gute Initiative für Österreich und insbesondere auch für Wien. Wir könnten damit das erfolgreiche Engagement im Bereich Abrüstung, Kontrolle und Stärkung des humanitären Völker-


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rechts mit einem weiteren repräsentativen Sitz in Wien, in der Bundeshauptstadt von Österreich, fortsetzen.

In diesem Sinne: Ja, wir werden dem Waffenhandelsvertrag zustimmen.  Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.54.39 11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Römi­schen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression (28 d.B. und 103 d.B. sowie 9176/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Arti­kels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (27 d.B. und 104 d.B. sowie 9177/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte um die Berichte.

 


15.55.00

Berichterstatter Mag. Christian Jachs: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe Ihnen weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Artikels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

15.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 118

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


15.55.59

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz zur Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes: Das Römische Statut geht ja auf zahlreiche Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen und Vorarbeiten der Völkerrechtskommission zurück.

Im Juni und im Juli 1998 fand in Rom eine Staatenkonferenz dazu statt, daher der Name. Bis Ende 2000 haben rund 150 Staaten dieses Abkommen unterzeichnet. Nicht alle haben es aber ratifiziert  leider, muss man sagen –, rund 30 Staaten fehlen, darunter die Vereinigten Staaten von Amerika und auch Israel. 41 europäische Staaten sind dabei. Nicht unterzeichnet haben Großmächte wie China, Indien, die Türkei, Saudi-Arabien und der Irak.

Der Internationale Strafgerichtshof ist, wie wir wissen, ein ständiges internationales Strafgericht mit Sitz in Den Haag. Er hat seine Tätigkeit 2002 aufgenommen. Die Zuständigkeit umfasst die begangenen Delikte des Völkerrechts, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Nun soll dies auch für das Verbrechen der Aggression ausgeweitet werden. Das ist bereits von der im Juni 2010 in Kampala tagenden ersten Überprüfungskonferenz festgelegt worden.

Ich denke, dass diese Änderung sehr zeitgemäß ist, wenn man gerade die Punkte betrachtet, die unter dem Titel Aggression aufgenommen werden. Ich darf nur auf den letzten Punkt eingehen, „das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, irregulärer Kräfte oder Söldner durch einen Staat oder in seinem Namen, die mit Waffengewalt gegen einen anderen Staat“ vorgehen. Jeder von uns hat dazu Bilder vor Augen. Ich glaube, das ist sehr aktuell, und deswegen stimmt unsere Fraktion diesem Abkommen gerne zu. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


15.58.12

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Köberl hat inhaltlich schon sehr viel zu diesen beiden Änderungen des Römischen Statuts ausgeführt. Ich möchte noch ein wenig auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und auf die Länder, die das Römische Statut ratifiziert haben und anerkennen, eingehen.

Wenn Kollege Schennach zuerst erwähnt hat, dass die USA den Waffenhandelsvertrag anerkannt haben, dann muss ich sagen: Beim Internationalen Strafgerichtshof sind die Vereinigten Staaten leider nicht dabei. Auch einige andere bedeutende Staaten haben das Statut nicht ratifiziert, darunter Ägypten, Iran, Sudan, Syrien, Thailand oder – ganz aktuell – die Ukraine. Diese sind nicht über den Internationalen Strafgerichtshof verfolg­bar. Es gibt also noch viel Arbeit zu leisten, damit auch andere Staaten das Statut noch ratifizieren. Mit Juli 2013 haben 122 Staaten das Rom-Statut unterzeichnet.

Interessant ist auch, dass es derzeit einige aktuelle Fälle gibt, die seit Anfang 2000 bearbeitet werden: Demokratische Republik Kongo, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Kenia, Libyen, Elfenbeinküste, und zuletzt – 2012 und 2013 – ist in Mali zu ermitteln begonnen worden.


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Sie sehen, der Internationale Strafgerichtshof hat sehr viel Arbeit. Aber wirksam kann er nur sein, wenn noch mehr Länder beitreten und auch Russland unterzeichnet. Aber das sind vielleicht Aufgaben der Europäischen Union, hier noch nachzustoßen, damit auch mehr Länder diese Konvention unterschreiben und auch verfolgbar sind, wenn in diesem Bereich Verbrechen geschehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Änderung des Artikels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichts­hofs.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.02.03 13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Finanzierung der im mehrjährigen Finanz­rahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehenen Hilfe der Europäischen Union im Rahmen des AKP EU Partnerschaftsabkommens und über die Bereitstellung von finanzieller Hilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung findet (5 d.B. und 107 d.B. sowie 9178/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten ande­rerseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geändert in Luxemburg am 25. Juni 2005, samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (71 d.B. und 108 d.B. sowie 9179/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 120

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits (29 d.B. und 109 d.B. sowie 9180/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Migration über den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und dem Sitz ihrer Büros in Wien (13 d.B. und 105 d.B. sowie 9181/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern über die Verwendung von Flughäfen und anderen Einrichtungen in der Republik Zypern im Falle von Evakuierungen aus Drittländern (15 d.B. und 106 d.B. sowie 9182/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte um die Be­richte.

 


16.03.40

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Be­schluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union über die Finanzierung der im mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehenen Hilfe der Europäischen Union im Rahmen des AKP EU Partnerschaftsabkommens und über die Bereitstellung von finanzieller Hilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung findet.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geändert in Luxemburg am 25. Juni 2005, samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Rahmenabkommen


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 121

über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Migration über den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und dem Sitz ihrer Büros in Wien.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern über die Verwendung von Flughäfen und anderen Einrichtungen in der Republik Zypern im Falle von Evakuierungen aus Drittländern.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Mai 2014 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

16.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

16.07.08

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Falls jemand zusieht beim Live-Stream: Werte Zuseher! Im Rahmen dieser Debatte behandeln wir ja insgesamt fünf Tages­ordnungspunkte, und der erste dieser fünf Tagesordnungspunkte wiegt am schwers­ten, zumindest in finanzieller Hinsicht, geht es doch dabei um einen Betrag von immerhin zirka 731 Millionen €, den Österreich zu diesem 11. sogenannten EEF, der insgesamt mit 30,5 Milliarden € bis 2020 dotiert ist, beizutragen hat – das Ganze, wohlgemerkt, außerhalb des EU-Budgets.

Zugute sollen diese nicht unerheblichen finanziellen Mittel 79 Staaten aus Afrika, aus der Karibik und aus dem pazifischen Raum kommen – deswegen heißt das abgekürzt dann „AKP-Staaten“. Darunter befinden sich sehr unterschiedliche Staaten wie bei­spielsweise Kongo, Kenia, Ghana, Nigeria, aber auch die Bahamas, die Seychellen oder Mauritius. Ziel ist unter anderem die Armutsbekämpfung in diesen Ländern, sind Beiträge zu Frieden, Sicherheit und Förderung eines stabilen demokratischen Umfelds. Das sind ja grundsätzlich Ziele, die zu befürworten und nicht von der Hand zu weisen sind.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 122

Gegenüber dem 10. EEF fünf Jahre davor, zu dem Österreich einen Beitrag von zirka 547 Millionen € geleistet hat – insgesamt waren es 22,7 Milliarden € von der EU –, handelt es sich doch um eine satte Steigerung von fast 35 Prozent.

Dieses erwähnte Staatensammelsurium hat historische Ursachen. Es handelt sich dabei um ehemalige Kolonialstaaten, wobei Österreich da eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Dominierend sind natürlich Commonwealth-Staaten. Ich weiß jetzt nicht im Detail, wie viel Geld die Seychellen bekommen oder wie viel Mauritius bekommt, aber vielleicht könnte man ja die Beiträge, die die österreichischen Touristen in diesen Ländern leisten – die Dominikanische Republik ist ja auch dabei –, auf diesen Betrag anrechnen. (Bundesrätin Kurz: Geh! !)

Aber das nur am Rande. Der wahre Kern des Problems liegt bei den afrikanischen Staaten. Schaut man sich die Statistiken an, so stellt man fest, dass die Unter­ernährung in Afrika zwar prozentuell leicht rückläufig ist, aber aufgrund des großen und überbordenden Bevölkerungswachstums in absoluten Zahlen nach wie vor stark ansteigend ist.

Zu dem Ziel einer stabilen Demokratie braucht man, glaube ich, gar nicht viel auszu­führen. Die Realität, das weiß jeder, sieht leider viel, viel trauriger aus. Sie ist geprägt von Bürgerkriegen bis hin zu Genoziden, Überfällen, Korruption und, und, und. In den vergangenen 50 Jahren sind über 2 Billionen US-Dollar – und das sind tatsächlich Billionen, nicht die US-„billions“, also Milliarden, sondern echte Billionen! – nach Afrika in diese Länder geflossen, und man fragt sich schon: Was war eigentlich der Effekt? Was wurde durch diese Billionen bewirkt?

Die Finanzexpertin Moyo aus Sambia sieht das Problem unter anderem zu einem Gutteil in den mangelnden Auflagen, die an die Entwicklungshilfe geknüpft sind. Zum Beispiel ist sie dagegen, dass jedes Jahr automatisch Milliarden für Billigkredite oder Budgethilfen geleistet werden, ein Geld, das ihrer Ansicht nach nur Abhängigkeit und Inflation hervorruft, während die Infrastruktur und das Bildungswesen nach wie vor in einem – so kann man ruhig sagen – schleißigen Zustand sind. Sie sagt wörtlich: Wir „lassen es zu, dass Afrikas Führer dieses Geld in die Schweiz schaffen und später damit auf den Champs-Elysées shoppen gehen“. Und ein anderer afrikanischer Führer meint: Du kannst lügen und betrügen, du kannst deine Landsleute ermorden, es ist egal; solange in deinem Land Hunger und Krankheit herrschen, wird sich der Westen um dich kümmern.

Mittlerweile sind die Chinesen ja schon beliebter: sie bauen Straßen und Infrastruktur, sie schaffen auch Arbeitsplätze – obwohl sie allerdings das einzige Ziel haben, die Länder auszubeuten, und sich keinen Deut um Demokratie und Menschenrechte scheren.

Es gibt also unserer Ansicht nach auf diesem Gebiet sowohl der nationalen als auch der europäischen Entwicklungshilfe, gerade für Afrika, in der Entwicklungs­zusam­menarbeit viel zu viele Institutionen, ein Dickicht an Organisationen, und folglich führt das auch zu einer großen Intransparenz, was diese ganze Entwicklungshilfe bewirkt und wie sie abläuft. Und es stellt sich schon die berechtigte Frage, ob nicht hier umge­dacht werden sollte, nämlich Entwicklungshilfe nur mehr befristet zu geben, mit klaren Zielvorgaben an die Nehmer, an die Empfänger. Eine befristete Entwicklungshilfe hat beispielsweise seinerzeit bei Südkorea sehr gut funktioniert.

Es ist eigentlich auch nicht einzusehen, warum wir in der Europäischen Union bei unseren eigenen Ländern, denen wir Hilfe zukommen lassen – dazu mag man stehen, wie man will –, also bei Griechenland, Portugal und so weiter, diese Finanzhilfen mit strengsten Auflagen verknüpfen – die EU-Troika schaut sich das ganz genau an und prüft, ob die Auflagen erfüllt werden –, aber bei all dem Geld, das wir nach Afrika


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 123

schicken, geschieht das nicht. Wir sind außerdem der Meinung, dass solche Gelder unter anderem auch mit entsprechenden Abkommen zur Rücknahme illegaler Immi­granten in die EU – sprich: Wirtschaftsflüchtlingen, denen kein Asylstatus zuerkannt worden ist – verknüpft werden müssen sowie natürlich mit Maßnahmen zur Korrup­tionsbekämpfung und zur Verbesserung der Menschenrechtssituation.

Aus diesem Grund werden wir den ersten Punkt betreffend die Finanzhilfe ablehnen und auch den zweiten, der die zweite Änderung des sogenannten Cotonou-Abkom­mens zum Inhalt hat – der ebenfalls die AKP-Staaten betrifft –, denn im Prinzip geht es dabei um dasselbe, und es gilt auch dieselbe Argumentation.

Das Abkommen mit den Philippinen hingegen werden wir selbstverständlich unter­stützen – hier gibt es klare, konkrete auch politische Inhalte und Zielsetzungen –, ebenso natürlich das Flughafenabkommen mit Zypern, wenngleich ich sagen muss, ich finde es eigentlich ein bisschen schleierhaft, dass man einen Staatsvertrag braucht, um in einem anderen EU-Staat entsprechende Landerechte zu erhalten. Aber die EU tickt halt ein bisschen anders.

Der Punkt des Amtssitzübereinkommens mit der Internationalen Organisation für Migration wird von uns abgelehnt. Wir haben ja vor nicht allzu langer Zeit bereits einmal eine entsprechende inhaltliche Diskussion zu diesem Thema gehabt, nämlich anlässlich der Debatte über denselben Status für das unselige King-Abdulaziz-Zentrum, und wir fragen uns: Warum soll eine Organisation, die seit 1954 in Österreich tätig ist, plötzlich zu den ohnehin bereits bestehenden Privilegien, die sie genießt, noch weitere Privilegien eingeräumt bekommen? Der angegebene Grund, dass ein Regionalbüro für Ost-, Südosteuropa und Zentralasien geschaffen wird, kann nicht wirklich ausschlaggebend und bedeutend sein, denn so wie mir auch im Ausschuss mitgeteilt wurde, wird dadurch die Zahl der Mitarbeiter nicht sprunghaft ansteigen oder dieses Amt irgendeine zusätzliche Bedeutung erlangen, sondern es wird auch weiterhin eine stetig leicht ansteigende Zahl von derzeit ungefähr 40 Mitarbeitern aufweisen.

Besonders auffällig ist bei diesem Abkommen aber schon, dass gerade jetzt durch die Pensionierung zweier Mitarbeiter diese dann in den Genuss eines Steuervorteils von 60 000 € kommen werden. Ich will hier keine Unterstellungen machen, nichts in den Raum stellen, aber man könnte sich schon fragen, was die für gute Freunde haben.

Und warum dieses ganze Gesetz rückwirkend mit 1. Juli 2011 beschlossen wird, erschließt sich mir nicht, und es konnte mir diesbezüglich auch keine Auskunft erteilt werden, warum das drei Jahre rückwirkend in Kraft treten soll. Aber vielleicht können Sie, Herr Bundesminister Kurz, das dann erläutern, warum das so ist und was der tiefere Sinn dieser Regelung ist.

Wir werden jedenfalls diesem Abkommen nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Köberl zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.19.22

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Man könnte fast meinen, die Diskussion um die österreichische Außenpolitik sei kurz und effizient, in diesem Fall hat sie aber ein bisschen länger gedauert.

Herr Kollege Krusche, ich bin froh, dass jeder Redner meistens auch einen Nachredner hat, und ich kann dir auf deine Frage vielleicht schon eine Antwort geben.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 124

Im Ausschuss und im Nationalrat einstimmig und daher von mir nicht näher erläutert: die zweite Revision des Cotonou-Abkommens.

Weiters haben wir gehört: Beim Abkommen mit den Philippinen wird es Zustimmung geben.

TOP 17: Österreichische Staatsbürger können künftig über Zypern noch besser aus Krisenregionen sozusagen zurückgeholt werden.

Ich darf etwas näher auf Tagesordnungspunkt 16 eingehen, die Internationale Organi­sation für Migration. Österreich, das wissen wir, ist eines der Gründungsmitglieder, und die IOM, wie sie jetzt heißt, unterhält, wie Sie gesagt haben, seit 1954 ein Büro in Wien.

151 Staaten sind Mitglieder dieser Organisation. Ursprünglich als Provisorisches Zwi­schenstaatliches Komitee für die Auswanderung aus Europa gegründet, ist die IOM heute zu einer globalen Organisation für Migration geworden. Sie setzt sich gemein­sam mit zwischenstaatlichen und Nichtregierungsorganisationen für faire und humane Migrationspolitik ein. – Übrigens: Auch die USA sind Mitgliedsland.

In den letzten Jahren – und das ist der Grund – wurde eine Neustrukturierung der IOM durchgeführt. Damit verbunden ist die Einrichtung eines Regionalbüros für Ost-, Südosteuropa und Zentralasien mit dem entsprechenden Personalstand in Wien. Die Zentrale befindet sich in Genf, das wissen wir.

Die IOM unterhält 100 Büros in 94 Ländern dieser Erde mit rund 5 400 Mitarbeitern, also eine wirklich weltumspannende Organisation. – Frau Kollegin Blatnik hat mir gerade zugeflüstert: Mittlerweile hat die IOM schon 8 000 Mitarbeiter.

Dies war der Anlass für eine umfassende Neuregelung des Status des Büros der IOM in Wien. Mit dem vorliegenden Abkommen erhält die IOM in Wien, wo sie, wie bereits erwähnt, seit Kurzem eine wesentlich breitere Aufgabe übernommen hat – Gott sei Dank ist der Personalstand nicht um so viel erweitert worden; von Wien aus werden die IOM-Missionen in Südosteuropa, einschließlich der Türkei, Osteuropa, Zentralasien und auch Israel betreut –, offiziell einen rechtlichen Status mit Privilegien und Immuni­täten, die andere internationale Organisationen vergleichbarer Größe an anderen Standorten auch haben.

Eine der ganz aktuellen Aufgaben – das wissen Sie auch, Herr Kollege Krusche – ist die Vorbereitung und die Durchführung von Flüchtlingsreisen aus Syrien. Wir sehen an der aktuellen Situation in Syrien, wie wichtig schnelle Hilfe vor Ort ist. Dort kommen sicher noch sehr viele Aufgaben auf die IOM zu.

Jetzt zum wesentlichen Inhalt – reden wir nicht etwas klein, das eine Erfolgsgeschichte für Österreich geworden ist –: Meine Damen und Herren! In Österreich haben 37 internationale Organisationen ihren Sitz! Das ist eine große Auszeichnung für unser Land, und darum beneiden uns viele andere, größere Länder.

Dies gibt Österreich nicht nur politisch die Möglichkeit des Dialogs vor Ort, sondern bringt uns auch wirtschaftliche Vorteile. Klare Daten und Fakten, die man nicht vom Tisch wischen kann, sprechen dafür, dass es sinnvoll und vorteilhaft ist, internationale Organisationen in Österreich zu haben.

Es gibt eine Studie – Sie kennen diese Studie –, die besagt, dass rund 500 Millionen € pro Jahr hier in Österreich umgesetzt werden. Direkt oder indirekt sind davon rund 10 000 Arbeitsplätze betroffen. Zudem bringen die mit den internationalen Organisa­tionen verbundenen Kongresse weitere 230 Millionen € für unser Land. Alles zusam­men, inklusive der volkswirtschaftlichen Multiplikatoren, leistet dieser Bereich einen


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 125

Beitrag von 1,5 Milliarden € für das Bruttoinlandsprodukt. Das muss man auch einmal sagen.

Insofern sollten wir für jede internationale Organisation, die bereit ist, in Österreich tätig zu sein, dankbar sein. New York, Genf, London und viele andere Städte würden sich diese Organisationen gerne wünschen.

Geschätzter Herr Bundesminister, ich bin froh darüber, dass du dich auch in Zukunft für eine weitere Ansiedlung von internationalen Organisationen und Konferenzen in unserem Land engagiert einsetzen wirst. Österreich hat in den letzten Jahrzehnten in Wien, aber auch in anderen Bundesländern eine hervorragende Infrastruktur dafür geschaffen. Österreich ist traditionell ein Land des Dialogs und weltweit bekannt für seine Gastlichkeit.

In diesem Sinne wird unsere Fraktion dem genannten Tagesordnungspunkt gerne zustimmen.

Herr Kollege Krusche, warum rückwirkend mit 2011? – Ganz einfach: weil diese Um­strukturierung 2011 über die Bühne gegangen ist und diese Sache überall rückwirkend mit dem Datum, zu dem das gemacht wurde, zum Tragen kommt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Krusche: Da haben wir drei Jahre gebraucht dafür?!)

16.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Kurz. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.25.18

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja schon gehört, dass da mehrere Punkte zusammengefasst sind und eine gemeinsame Debatte darüber durch­geführt wird. Auch ich werde nicht auf alle Punkte eingehen und beginne mit dem Rahmenabkommen zwischen der EU und den Philippinen, das ich kurz anspreche.

Dieses bilaterale Abkommen mit den Philippinen, das ja bereits 2012 unterzeichnet wurde, tritt nun an die Stelle des bisher geltenden Kooperationsabkommen von 1980 und umfasst handels-, sicherheits- sowie entwicklungspolitische Elemente. Es enthält zum ersten Mal rechtsverbindliche Verpflichtungen der Philippinen – also sehr wohl rechtsverbindliche Verpflichtungen! –, darunter Bestimmungen über Menschenrechte, nukleare Nichtverbreitung, Terrorismusbekämpfung, den Internationalen Strafgerichts­hof, Migration und Steuern. Wesentlicher Bestandteil ist darüber hinaus die Entwick­lungszusammenarbeit.

In politischer Hinsicht bedeutet das Abkommen mit den Philippinen einen wichtigen Schritt für die Stärkung der Rolle der Europäischen Union in Südostasien. Eine Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen mit den Philippinen wird ebenfalls erwartet. Österreich, so haben wir im Ausschuss gehört, erwartet sich in diesem Zusam­men­hang auch einen spürbaren Vorteil für die heimischen KMUs.

Wir werden dieses Abkommen natürlich unterstützen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, mir als AWEPA-Mitglied und auch im Rahmen des Parlamentarischen Nord-Süd-Dialogs sehr konzentriert befasster Politikerin sind die Staaten, um die es im AKP EU Partnerschaftsabkommen geht, ein besonderes Anlie­gen. Denn im Gegensatz zu manchem meiner Vorredner, insbesondere Herrn Krusche, bin ich überzeugt davon, dass die Zukunft dieser Staaten auch wichtig und ein bestimmendes Element für die Zukunft der Staaten der Europäischen Union ist. Das kann man nicht getrennt voneinander sehen. (Beifall der Bundesrätin Blatnik. –


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 126

Bundesrat Krusche: Wie sind Sie sicher, ob wir es richtig machen? Das ist die Frage! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, das schauen wir uns gleich gemeinsam an. Man kann die Dinge natürlich auch von einer anderen Seite aus sehen.

Es ist ja nichts ganz Neues, denn bereits im Jahr 2010 sind die VertreterInnen aus mehr als der Hälfte aller Staaten der Erde, denn so viele sind es dann insgesamt, in Burkina Faso zusammengekommen. Und trotz dieser doch beträchtlichen Teilneh­merzahl ist dieses Treffen damals außerhalb der Fachwelt, um es vorsichtig auszu­drücken, eher unbemerkt über die Bühne gegangen.

79 Länder – wir haben es schon gehört – aus Afrika, dem karibischen Raum und jenem des Pazifischen Ozeans, die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union – also auch wir – und die Europäische Kommission haben damals dieses überarbeitete Abkommen unterzeichnet und mit ihm quasi die Regeln der Beziehungen untereinander festgelegt. Ich bin überzeugt davon, dass dieses zweite Abkommen, diese Überarbeitung, mehr Aufmerksamkeit verdient, als nur schnell, schnell heute hier abgestimmt zu werden, ohne weiter darüber zu reden.

Insgesamt ist dieses Cotonou-Abkommen ein Eckpfeiler der auswärtigen Beziehungen der Europäischen Union. Sein Gegenstand sind Handelsbeziehungen, Entwick­lungszusammenarbeit und der politische Dialog zwischen der EU und den AKP-Staaten. Ursprünglich wurde es im Jahr 2000 für 20 Jahre geschlossen, also bis zum Jahr 2020. Ziel war es auch, dieses Abkommen immer sozusagen auf den neusten Stand zu bringen. Deshalb wird es auch alle fünf Jahre überarbeitet.

Dieses Abkommen sagt auch etwas über die Stellung der Europäischen Union in der Welt aus. Es belegt, dass die EU im Laufe der Jahrzehnte Aufgaben auf inter­natio­nalem Parkett übernommen hat.

Das Abkommen ist – da stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Krusche – keine reine Erfolgsgeschichte; das muss man durchaus sagen. Aber das heißt ja nicht, dass wir damit aufhören sollen. Es hat natürlich bisher nicht alle Ergebnisse erzielt, die man sich vorgestellt hat – vor allen Dingen in wirtschaftlicher, aber auch in manch anderer Hinsicht. Aber genau das hat ja sozusagen zur Folge oder soll für uns zur Folge haben, verstärkt Anstrengungen zu unternehmen.

Viele der Abänderungen des Abkommens sollen ja auch auf zukünftige Strategien und globale Herausforderungen ausgerichtet werden, denn es geht jetzt auch um Klima­wandel, um Frieden und Sicherheit, um kohärentere Politiken für nachhaltige Entwick­lung zum Beispiel in der Fischerei, die Einbeziehung der Ernährungssicherheit, ein mit Sicherheit großes Thema, die Gestaltung von Aid for Trade. All das zählt zu Themen­gebieten, die im überarbeiteten Text jetzt stärker betont sind oder in ihn integriert wurden.

Jenseits dieser Änderungen kann die Überarbeitung dieses Abkommens durchaus auch einer grundlegend neuen Form der Interaktion zwischen der EU und den AKP-Staaten den Weg bereiten.

Zwei zentrale Prozesse sind jetzt effizienter organisiert als früher: die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit – an dieser ist ja auch wirklich ständig zu arbeiten – und die regionale Integration innerhalb der AKP-Staaten.

Die Fähigkeiten und Potenziale, in den Partnerländern möglichst strategische Inko­härenzen aufzuzeigen, sind begrenzt, und die EU muss sich einfach flexibel zeigen und flexibel sein, um Einzelfällen Rechnung tragen zu können. In diesem Kontext ist es mit Sicherheit sinnvoll, die Parlamente von Partnerländern zu stärken, auch wenn sie noch nicht alle so leistungsfähig sind, wie wir uns das gerne aus unserem westlichen Blickwinkel heraus wünschten.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 127

Die Einbindung von Nichtregierungsvertretern ermöglicht es den demokratischen Gesellschaften, Transparenz und Rechenschaftslegungen zu verbessern.

Aber in einer immer stärker im Wettbewerb stehenden Welt von Partnerschaften kann die Förderung regionaler Integration auch zu einem zentralen Unterscheidungs­merkmal der EU werden. Selbst wer in gewohnten Bahnen denkt, wird Erschüt­te­rungen von außerhalb wahrnehmen. Es ist schon auf China hingewiesen worden – ich sehe es zwar nicht ganz so wie der Herr Kollege, aber dennoch müssen wir sehen, was sich da in Afrika abspielt. Allerdings hat die EU, darauf wurde auch schon hingewiesen, einen anderen Ansatz. Wir haben aufgrund der Geschichte, die zwischen den Staaten der EU und den AKP-Staaten besteht, einen Vorteil.

Aufgabe dieser Überarbeitung war es jetzt, sozusagen den Status quo pro futuro für die nächsten fünf Jahre festzuschreiben, und nicht, die Zusammenarbeit der AKP-EU-Staaten für die Zukunft insgesamt zu überarbeiten.

Allerdings dürfen wir nicht vergessen, wir stehen jetzt im Jahr 2014, und diese Über­arbeitung hat 2010 stattgefunden. Die nächste Überarbeitung erfolgt im Jahr 2015. Das heißt, bis sie zu uns kommt, wird wahrscheinlich das Jahr 2019 sein, vermute ich – und 2020 läuft dieser Vertrag aus. Dieser Vertrag ist ja nur für 20 Jahre abge­schlossen worden. Das heißt, es ist höchst an der Zeit, sich möglichst bald, nicht erst sozusagen nach den ganzen Entwicklungen der nächsten Jahre, mit der Zukunft dieses Abkommens zu beschäftigen und festzustellen, wie es weitergeht, wie diese Partnerschaften weitergehen, ob es ein Nachfolgeprojekt geben soll, ob dieses weiter­geführt werden soll, weitergeschrieben werden soll, denn es ist nach wie vor wichtig, wie ich schon zu Beginn gesagt habe, für alle Staaten der Europäischen Union, wie sich diese Staaten in Zukunft weiterentwickeln.

Es kommt da der EU eine ganz wichtige Rolle zu. Wir dürfen allerdings nicht davon ausgehen, dass das, was wir denken, unbedingt derselbe Ansatz ist wie jener der Menschen der AKP-Länder. Es sollte sozusagen die Zukunft dieser Partnerschaft auch wirklich von beiden Seiten unter gleichberechtigten Bedingungen gestaltet werden.

Es könnte auch durchaus sein, dass dem Europäischen Parlament da eine bedeu­tendere Rolle zukommt, da ein Anstoß für dynamische Entwicklungen auch einmal aus einem Europäischen Parlament kommen kann.

Ich denke, es ist für die Zukunft wichtig, die Punkte Frieden und Sicherheit, makro­ökonomische Regierungsführung, wirtschaftliche Entwicklung und vor allem auch soziale Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Da geht es insbesondere auch um eine Verbesserung der Lebensstandards, damit es eben nicht zu diesen von uns allen wirklich nicht gewünschten Ergebnissen kommt, nicht dazu kommt, dass Asylsuchende über die Meere fahren und sich unter schrecklichen Bedingungen ein besseres Leben suchen, nicht dazu kommt, dass viele dabei sterben. All das wollen wir natürlich nicht. Und das kann man nur verhindern, indem man den Menschen in ihren Ländern hilft.

Ich glaube, Herr Kollege Krusche, dass unser Geld da sehr gut angelegt ist. Es ist in keiner Weise so, wie Sie behaupten, nämlich dass wir einfach zahlen und sich niemand darum kümmert, was mit den Geldern geschieht, im Gegenteil. Wir haben auch im Ausschuss ganz deutlich gehört – auf meine Nachfrage und auch auf Ihre, wenn ich mich richtig erinnere –, wie die Gelder des Europäischen Entwicklungsfonds verwaltet werden und nach welcher Maßgabe Zahlungen erfolgen, nämlich nur projektorientiert und nicht einfach als Gesamtbeträge, um die sich dann niemand mehr kümmert. (Bundesrat Krusche: Und warum greift es nicht?)


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 128

Insofern, denke ich, sind diese 730 Millionen €, die wir in den Jahren bis 2020 als österreichischen Beitrag gegen Armut in der Welt leisten, gut angelegtes Geld. Wir werden diesem Abkommen natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.35.17

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause am Computer! Wir stimmen diesem Tagesordnungsbündel gerne zu, und ich möchte hier kurz auf einige Punkte eingehen.

Fangen wir zunächst mit dem grünen Lob an. – TOP 15: Rahmenabkommen zwischen der EU und den Philippinen. Es ist dies das erste bilaterale Abkommen mit den Philippinen und enthält rechtsverbindliche Verpflichtungen. Darunter sind Bestim­mungen über Menschenrechte, nukleare Nichtverbreitung, Terrorismusbekämpfung, den Internationalen Strafgerichtshof, Migration und Steuer, aber auch friedens­för­dernde Maßnahmen und Katastrophenschutz.

Das Abkommen ist sehr zu begrüßen, da der EU eine strategische Zusammenarbeit mit den asiatischen Ländern bisher fehlt und somit auch auf die kleinen asiatischen Länder nicht vergessen wird.

Nun komme ich zu den Punkten, denen wir sehr kritisch zustimmen. TOP 13: Der 11. Europäische Entwicklungsfonds – es ist schon sehr viel darüber gesagt worden – ist ein außerbudgetärer Fonds, der jetzt über eine Laufzeit von sieben Jahren, von 2014 bis 2020, finanziert wird. Österreich zahlt insgesamt 731 Millionen € in diesen Fonds ein.

Der EEF ist das wichtigste Instrument der EU zur Entwicklungszusammenarbeit und steht insgesamt 79 Entwicklungsländern, davon knapp 50 in Afrika, 16 in der Karibikregion, 15 in der Pazifikregion, zur Verfügung, sofern sie das AKP EU Partner­schaftsabkommen unterzeichnet haben. Bei diesen Staaten handelt es sich großteils – das ist auch schon erwähnt worden – um ehemalige Kolonien Frankreichs und Groß­britanniens. Und das Wichtigste ist natürlich: Der überwiegende Teil dieser Länder zählt wirklich zu den least developed countries, also zu den noch am allerwenigsten entwickelten Ländern der Welt, mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1 005 Dollar pro Jahr.

Es ist kein neuer Kritikpunkt, dass Österreich da finanziell noch sehr, sehr viel Spiel­raum nach oben hat, also sehr viel mehr beitragen sollte und wir von den 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die für Entwicklungszusammenarbeit eigentlich empfohlen werden, noch sehr weit entfernt sind. Dies ist ein schon lange bekannter Kritikpunkt. Es ist ein Antrag dazu im Nationalrat eingebracht worden, diese Mittel zu erhöhen.

Zu TOP 14, den wir auch relativ kritisch sehen – es ist die zweite Revision des soge­nannten Cotonou-Abkommens, des Rahmenabkommens für die EU-AKP-Zusam­menarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit. Diese zweite Revision soll jetzt den Veränderungen der EU-AKP-Beziehungen in den letzten Jahren Rechnung tragen. Eingegangen wird darin vor allem auf die Stärkung der regionalen Integration, die Verankerung der Millennium-Entwicklungsziele und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Da werden wir einmal schauen müssen, wie es sich generell entwickelt; und bei der nächsten Revision kann man dann mehr dazu sagen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 129

Wir werden hier nur sehr, sehr kritisch zustimmen, da nicht nur wir finden, sondern auch im Europäischen Parlament ist das sehr kritisch gesehen worden, dass wesent­liche Bereiche nur mangelhaft Eingang finden oder überhaupt fehlen.

Die Hauptkritikpunkte sind für uns, dass kein Verweis auf Handel, Finanzen und fairen Handel in dieser Revision enthalten ist. Es sind steuerbezogene Aspekte der Ent­wicklung nicht behandelt. Es werden zum Beispiel Mikrokredite nicht gefördert, die gerade bei diesen least developed countries sehr wichtig wären. Verbindliche und nicht verhandelbare Menschenrechtsbestimmungen sind gar nicht enthalten.

Die Nichtdiskriminierungsklausel ist im politischen Dialog nicht im Sinne der Werte der EU umformuliert worden. Es hat da sehr großen Widerstand auf AKP-Seite gegeben, sodass die Auslegung der Kommission und die Berücksichtigung der sexuellen Aus­richtung im Anwendungsbereich abgelehnt worden sind. Übrig geblieben ist in dieser Revision dann nur die Formulierung, die kulturellen Unterschiede und die soziale Vielfalt der beiden Parteien sollten gebührende Achtung finden.

Der Punkt, den ich in Bezug auf die Menschenrechte persönlich am bedenklichsten finde und der überhaupt nicht berücksichtigt wird, ist der, dass Homosexualität nach wie vor in 38 AKP-Staaten, also in fast der Hälfte der 79 Staaten, ein Verbrechen ist. In fünf dieser Staaten kann sogar die Todesstrafe angewendet werden.

Wir sind der Meinung, dass die Europäischen Union auf diesem Gebiet einfach keinem Kompromiss zustimmen kann. Derzeit wird das einfach stillschweigend akzeptiert, ohne die Chance zu nützen, dass sich in den betreffenden Ländern – und seien wir ehrlich, da wird, wenn nicht Druck von außen kommt, nicht so schnell ein Umdenken stattfinden –, ohne also die Chance zu nützen, dass die betreffenden Länder wirklich aufgrund des Cotonou-Abkommens zu einem Umdenken gezwungen werden, weil sonst einfach die Mittel nicht weiter gewährt werden.

Herr Minister! Es würde mich auch Ihre Meinung dazu sehr interessieren, nämlich ob Sie da unsere Kritik teilen und diese auch auf europäischer Ebene vorbringen werden. Es braucht da wirklich eine geschlossene politische Haltung. Eine stillschweigende Akzeptanz von schweren Menschenrechtsverletzungen kann unserer Meinung nach die Europäische Union nicht weiterhin einfach so hinnehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


16.41.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihnen, Frau Kollegin Nicole Schreyer: Wenn Sie das EZA-Budget kritisieren, dann muss man auch anmerken, dass in Zeiten wirklich großer finanzieller Probleme, die auch Österreich hat, der Minister es trotzdem geschafft hat, das Entwicklungshilfezusammenarbeits-Budget auf gleichem Niveau wie letztes Jahr zu halten, und dass wir beziehungsweise das Ministerium und der Minister auch sicher sehr bestrebt sind, das auch für das nächste Jahr zu gewährleisten. Das ist, denke ich, schon eine starke Aussage, die der Herr Minister getätigt hat, und ich bin mir sicher, dass er dazu auch stehen wird.

Zum AKP-Abkommen nur ein paar Sätze, weil das meiste schon gesagt wurde. – Bei diesem AKP-Abkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits haben wir bereits den 11. Euro­päischen Entwicklungsfonds, wo um über 200 Millionen € mehr als im letzten Jahr


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 130

vorgesehen sind. Beim 10. EEF hat Österreich 500 Millionen € eingezahlt, und jetzt sind es mehr als 700 Millionen €. Das ist Entwicklungshilfezusammenarbeit in Rein­kultur. Ich denke, das muss man auch entsprechend bewerten. Das ist ein ganz wich­tiger Schritt, den man da macht.

Herr Kollege Krusche, Ihr Vorschlag ist ja wirklich lieb, wenn Sie uns jetzt hier erklären, dass wir praktisch die Reiseveranstaltungen, die wir dorthin machen, und die Reisen der Menschen, die in die Karibik und nach Afrika fahren, also dass man das alles von der Entwicklungshilfe abziehen sollte. Sie wissen doch ganz genau, dass die Hotels und die großen Betriebe, die dort sind, dass diese Hotelketten internationale Ketten sind, und die cashen dort ab. Die Bevölkerung dort hat wohl Arbeit, aber natürlich zu entsprechenden Dumping-Preisen mit schlecht bezahlten Löhnen. Also das dann den Ärmsten der Armen wegzunehmen, halte ich wirklich für einen falschen Ansatz.

Es geht bei diesem Abkommen nicht nur um die klassische Entwicklungshilfe, sondern auch um ein System, das Zollerleichterungen bringen soll, das den Ländern helfen soll, ihre Waren bei uns in Europa, im EU-Raum besser abzusetzen. Auch für die Stabilität der Preise im Export wird da vorgesorgt beziehungsweise werden diese garantiert. 

Ich denke, es ist dies ein ganz wichtiger Vertrag, denn ein wesentliches Ziel dabei ist die Armutsbekämpfung: dass wir in den Empfängerländern wirklich den Ärmsten der Armen damit helfen. Ich kann den Vertrag insgesamt gesehen nur als einen positiven Vertrag herausstreichen, und wir werden ihm selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Blatnik. – Bitte.

 


16.44.20

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod minister! Ich möchte zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisation für Migration Stellung nehmen. Ich gehe nicht näher darauf ein, was der Herr Kollege Köberl hervorragend gemacht hat, sondern ich möchte nur zu einem Punkt kurz Stellung beziehen, und zwar zum Ziel der Internationalen Organisation für Migration.

Ziel dieser Organisation ist es, für eine menschenwürdige und faire Migrationspolitik zu sorgen, die sowohl den Migrantinnen und Migranten als auch unserer Gesellschaft zugute kommt.

Wenn wir von Menschenwürdigem und Fairem reden, dann müssen wir auch dazu stehen, dass es zu diesem Punkt selbstverständlich eine gut funktionierende Integra­tion geben muss – eine gut funktionierende Integration ohne Neid, ohne Hass, ohne Polarisierung! Ziel muss sein: ein Miteinander, ein Sich-begegnen-Wollen, ein Zusam­mengehören-Wollen, wo selbstverständlich die österreichische Rechtsordnung akzep­tiert wird, aber wo auch den Migranten und Migrantinnen die gleichen Chancen gewährt werden müssen.

Das ist zukunftsorientiert! Und ich möchte noch einmal betonen: Neid und Polarisie­rung haben bei einer gut funktionierenden Integration keinen Platz.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.46



BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 131

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Kurz. – Bitte, Herr Minister.

 


16.46.12

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr ge­ehrter Herr Präsident Himmer! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Vieles in den zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkten ist unstrittig. Ich darf mich auf zwei Themen kurz beziehen, die angesprochen worden sind.

Zum einen: die ganze Frage der Menschenrechte. – Da darf ich, wie schon beim letzten Mal im Bundesrat, gerne festhalten, dass wir selbstverständlich in der öster­reichischen Außenpolitik einen starken Fokus auf die Menschenrechte legen. Meiner Meinung nach ist Außenpolitik einerseits Interessenvertretung, die Vertretung öster­reichi­scher Interessen, es ist aber andererseits auch die Möglichkeit, sich für unsere Werthaltungen stark zu machen. Gerade die Entwicklungszusammenarbeit bietet uns die Möglichkeit, einen gewissen Hebel zu haben, mit Ländern in Kontakt zu kommen, in denen die Menschenrechtssituation vielleicht alles andere ist als unseren Standards entsprechend. Daher nutzen wir unsere bilateralen Termine und selbstverständlich auch unsere Möglichkeiten in der Europäischen Union stets, um auf die Menschen­rechtssituation hinzuweisen und auch Einfluss zu nehmen.

Vorsichtig wäre ich allerdings bei einer Verknüpfung der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Mangel an Menschenrechten in gewissen EZA-Ländern, denn wir wissen, dass wir viele Projekte haben, zum Beispiel im Bereich der Wasseraufbereitung, wo es wahrscheinlich die Falschen treffen würde, wenn wir diese Länder sanktionieren würden aufgrund einer Gesetzeslage, die wir nicht teilen und die es zweifelsohne auch zu kritisieren gilt. Nichtsdestotrotz – wie gesagt – glaube ich, dass der Entzug der Entwicklungszusammenarbeit oftmals eine Sanktion wäre, die die falschen Personen in diesem Land treffen würde, insofern muss man hier definitiv im Detail sehr behutsam vorgehen.

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist die internationale Organisation IOM. Da habe ich einen anderen Blick auf die Dinge als Ihre Fraktion. Wir sind sehr froh über 37 internationale Organisationen in Österreich. Wir sind stolz darauf, dass wir Amtssitz sind. Wir profitieren politisch sehr stark davon und haben oftmals die Möglichkeit, deutlich über unserer Gewichtsklasse als Republik mitzuspielen und politisch mitzuagieren, und zwar gerade dadurch, dass Österreich Amtssitz zahlreicher internationaler Organisationen ist.

All jenen, denen diese Möglichkeit zur außenpolitischen Gestaltung und Teilhabe zu wenig ist, sei gesagt, dass die internationalen Organisationen uns auch wirtschaftlich einen eindeutigen Vorteil bringen. Wir haben laut aktueller Studie eine Umwegrenta­bilität dieser internationalen Organisationen von rund 500 Millionen € pro Jahr, ganz zu schweigen davon, dass wir durch diese internationalen Organisationen medial oftmals sehr präsent sind. Im Zentrum des Weltgeschehens waren wir zum Beispiel zuletzt bei den Iran-Atomverhandlungen, und daraus können wir, glaube ich, als Republik, aber insbesondere kann daraus auch die Stadt Wien einen sehr großen Vorteil ziehen.

Was IOM betrifft, bin ich froh darüber, dass wir dieses Abkommen abschließen konnten und somit eine internationale Organisation mehr in Österreich präsent haben. Ich kann auch gerne Ihre Frage beantworten, warum so etwas rückwirkend abgeschlossen wird.

Das ist durchaus üblich. Im Jahre 2011 ist IOM zum Regionalbüro in Österreich auf­gestiegen. Damals haben die Verhandlungen über dieses Abkommen begonnen, und als die Verhandlungen abgeschlossen worden sind, ist natürlich rückwirkend, wie in anderen Fällen auch, dann dieses Abkommen auch abgeschlossen worden. Es ist dies


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 132

eine durchaus übliche Vorgehensweise, und auch der Vertrag selbst ist ein Standard­abkommen für kleine internationale Organisationen.

Dass es ein Regionalbüro für die Ostregion ist, entspricht ganz besonders unserer außenpolitischen Schwerpunktsetzung und passt somit voll und ganz in unsere außen­politische Strategie. – Vielen Dank und noch einen schönen Nachmittag. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

16.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Internes Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Ver­tretern der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Finanzierung der im mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehenen Hilfe der Europäischen Union im Rahmen des AKP EU Partnerschafts­abkommens und über die Bereitstellung von finanzieller Hilfe für die überseeischen Länder und Gebiete, auf die der Vierte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung findet.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zur zweiten Änderung des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit­glied­staaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 und erstmals geändert in Luxemburg am 25. Juni 2005, samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 133

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist abermals die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Organisationen für Migration über den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und dem Sitz ihrer Büros in Wien.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. April 2014 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern über die Verwendung von Flughäfen und anderen Einrichtungen in der Republik Zypern im Falle von Evakuierungen aus Drittländern.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.54.1618. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Michael Lampel, Mag. Harald Himmer, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potentiale, Forschung und Zukunftsperspek­tiven“ (196/A-BR/2014)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesord­nung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 134

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 196/A-BR/2014 verweisen.

*****

Ich darf, weil ich sie gerade sehe, die langjährige Vizepräsidentin Haselbach bei uns sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Täter kommen immer wieder an den Tatort zurück.

16.55.37Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, 2987/J-BR/2014 bis 3007/J-BR/2014, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, 28. Mai 2014, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, 26. Mai 2014, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.56.15Schluss der Sitzung: 16.56 Uhr

 

 

 

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