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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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120. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 30. September 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

120. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode         Freitag, 30. September 2011

Dauer der Sitzung

Freitag, 30. September 2011: 10.02 – 16.40 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 9

Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß Artikel 43 B-VG in Verbindung mit § 84 GOG zu 1409 d.B. betreffend Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – Ab­lehnung (namentliche Abstimmung)...... 14, 78

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung aufgrund der vom BZÖ herbeige­führten Unruhe während der Ausführungen der Abgeordneten Dr. Eva Glawisch­nig-Piesczek zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz:

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 27

Josef Bucher ................................................................................................................. 27

Unterbrechung der Sitzung .............................................................................  28, 76, 78

Antrag des Abgeordneten Mag. Harald Stefan im Sinne des § 18 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung .....................................................  38, 39

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Werner Kogler im Zusammenhang mit der von Abgeordnetem Mag. Harald Stefan beantragten Anwesenheit des Bun­deskanzlers Werner Faymann                   39

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .............................  75, 77


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Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 8

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Schaltung von Inseraten im persönlichen politi­schen Interesse des Werner Faymann (9357/J)                80

Begründung: Heinz-Christian Strache ......................................................................... 85

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 90

Debatte:

Harald Vilimsky ...................................................................................................  93, 126

Dr. Josef Cap .......................................................................................................  97, 126

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 99

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 101

Stefan Petzner ............................................................................................................ 105

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 108

Mag. Laura Rudas ...................................................................................................... 109

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 111

Gerald Grosz ............................................................................................................... 113

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 115

Harald Vilimsky (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 117

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 117

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 119

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 120

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 122

Karl Öllinger ................................................................................................................ 123

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 126

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Harald Vi­limsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungs­gesetzes – Ablehnung ......................................................................  97, 126

Verhandlungen

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1390 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.) ................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 10

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 14

Josef Bucher ................................................................................................................. 17

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 20

Herbert Kickl ................................................................................................................. 23

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 25

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 28

Mag. Ewald Stadler ...................................................................................................... 31

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 35

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 37

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 39

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................... 41

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 42

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 47


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 3

Dr. Martin Strutz ........................................................................................................... 49

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 50

Mag. Rainer Widmann ................................................................................................. 51

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 52

Elmar Podgorschek ..................................................................................................... 54

Josef Bucher (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 54

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 55

Gerald Grosz ................................................................................................................. 58

Dr. Martin Bartenstein ................................................................................................. 59

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 61

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 62

Maximilian Linder ......................................................................................................... 63

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 63

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 65

Mag. Kurt Gaßner ......................................................................................................... 67

Jakob Auer .................................................................................................................... 69

Mag. Michael Schickhofer ........................................................................................... 70

Mag. Peter Michael Ikrath ............................................................................................ 72

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 73

Annahme des Gesetzentwurfes (namentliche Abstimmung) ........................................ 74

Eingebracht wurden

Petitionen ........................................................................................................................ 8

Petition betreffend „,Contra Schadenersatz‘ der Aktion Leben“ (Ordnungsnum­mer 122) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg)

Petition betreffend „Petition zum weltweiten Atomausstieg – Resolution der Ge­meinde Winden am See“ (Ordnungsnummer 123) (überreicht vom Abgeordneten Erwin Preiner)

Regierungsvorlagen ..................................................................................................... 8

1406: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionel­len Kinderbetreuungsangebots

1408: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über soziale Sicherheit

1410: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusam­menarbeit

Berichte ........................................................................................................................... 8

Vorlage 74 BA: Monatserfolg August 2011; BM f. Finanzen

III-271: Bericht, Reihe Bund 2011/9; Rechnungshof

III-273: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2010); Bundesregierung

III-274: Grüner Bericht 2011; Bundesregierung

III-275: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992; Bundesregierung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 4

III-276: Bericht gemäß §§ 48 und 49 Bundesbahngesetz, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 95/2009, sowie gemäß § 3 Privatbahngesetz 2004 über die im Jahr 2010 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2010); BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

Anträge der Abgeordneten

Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderrechte-Mo­nitoringausschuss zur Überprüfung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern (1679/A)(E)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen betreffend Umsetzung der Rechnungshof-Empfehlungen zum Aktionsplan Erneuerbare Energie (1680/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Rech­nungshof-Empfehlungen zur Klimastrategie (1681/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend monetären Ausgleichs­mechanismus im Emissionszertifikategesetz (1682/A)(E)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) geändert wird (1683/A)

Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­heit von Babypuder(dosen) (1684/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kastenstände (9341/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Wissenschaft und Forschung betreffend Dienste im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (9342/J)

Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen für Kranken- und Pensionsversicherungsanstalten aufgrund der Einhebung des Wohnbauförderungsbeitrages (9343/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Kastenstände (9344/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Selbstbestimmungsrecht und doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler und Südtirolerinnen (9345/J)

Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Umzug des Verfassungsgerichtshofes (9346/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend gemeinsame Obsorge (9347/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Anzahl bewilligter Adoptionen (9348/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖVP-Post-Vernetzungen in Vorarlberg (9349/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 5

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Anwendung des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) nach Inkrafttreten der Brüssel-lla-Verordnung“ (9350/J)

Hannes Fazekas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Änderung des Dienstzeitsystems der Exekutive (9351/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Verdacht auf Gesetzeskauf durch die Telekom (9352/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Un­terricht, Kunst und Kultur betreffend Auftragsvergabepraxis des BMUKK bei Assess­ment Centers (9353/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Arbeitsunfälle und Justiz im Jahr 2010“ (9354/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Abschiebung mit dem Hubschrauber (9355/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Luxus-Abschiebung (9356/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Schaltung von Inseraten im persönlichen politischen Interesse des Werner Fay­mann (9357/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Sado-Maso und Politiker (9358/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Sado-Maso und Politiker (9359/J)

Franz Glaser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Förderung von Gemeinden für den Betrieb von Personennahverkehrsunter­nehmen (9360/J)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes (9361/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend im Bundeskanzleramt anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9362/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Kosten für die Töchtersöhne (9363/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend im BMEIA anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9364/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend im BMASK anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9365/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fi­nanzen betreffend im BMF anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9366/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend im BMG anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9367/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 6

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend im BMI anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9368/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend im BMJ anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9369/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend im BMLVS anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9370/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend im BMLFUW anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9371/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend im BMUKK anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9372/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend im BMVIT anfallende Kosten für die Töch­tersöhne (9373/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend im BMWFJ anfallende Kosten für die Töch­tersöhne (9374/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft und Forschung betreffend im BMWF anfallende Kosten für die Töchtersöhne (9375/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Inserat „Stufenplan für Neue Mittelschule“, „Heute“ vom 29. September 2011 (9376/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Trikresylphosphat (TKP) – Nervengift in der Kabinenluft (9377/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Burnout-Klinik in Lans (9378/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Nervengift Botox als neues Migräne-Mittel (9379/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Veröffentlichung von Adressen (9380/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Anzahl von Vollwaisen und Halbwaisen (9381/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Diebestour von Kindern (9382/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anfragebeantwortung 8910/AB (9383/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend problematische Generika (9384/J)

Leopold Mayerhofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Freizeitangebote für Häftlinge (9385/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 7

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend EU-Subventionen, die von österrei­chischen Bauern zurückgezahlt werden müssen (9386/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ansuchen des Kärntner Landes­hauptmannes Gerhard Dörfler um Geldmittel für einen Radweg durch die Lieser­schlucht (9387/J)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kyoto-Zahlungen (9388/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Arbeitsunfälle 2010 – Konsequenzen“ (9389/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Sicherheitsprobleme in Wintersportgebieten (2010/2011)“ (9390/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend „Tätigkeit der Arbeitsinspektorate“ (9391/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Freigänger in Österreich – Rückfälle im Jahr 2010“ (9392/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Mietwagen zur Entführung der Natascha Kampusch (9393/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Mietwagen zur Entführung der Natascha Kampusch (9394/J)


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 8

10.01.51Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich er­öffne die 120. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 7 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 118. und 119. Sitzung vom 21. September 2011 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Prähauser, Dr. Ferdinand Maier, Ing. Schultes, Steibl, Ing. Hofer, Mag. Brunner, Mag. Jarmer, Dr. Lichtenecker, Dr. Pilz und DDr. Königshofer.

10.02.33Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 9341/J bis 9356/J.

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Monatserfolg August 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Finanzen (Vorla­ge 74 BA);

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 122 betreffend „,Contra Schadenersatz‘ der Aktion Leben“, überreicht vom Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg,

Petition Nr. 123 betreffend „Petition zum weltweiten Atomausstieg – Resolution der Ge­meinde Winden am See“, überreicht vom Abgeordneten Erwin Preiner;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über soziale Sicherheit (1408 d.B.);

Familienausschuss:

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinder­betreuungsangebots (1406 d.B.);


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 9

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2011/9 (III-271 d.B.);

Wissenschaftsausschuss:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1410 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbe­richt 2010) (III-273 d.B.);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Grüner Bericht 2011 der Bundesregierung (III-274 d.B.),

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2012 gemäß § 9 LWG 1992 (III-275 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gem. §§ 48 und 49 Bundesbahngesetz, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 95/2009, sowie gemäß § 3 Privatbahngesetz 2004 über die im Jahr 2010 durch den Bund bei den ÖBB sowie bei den Privatbahnen bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Gemeinwirtschaftli­cher Leistungsbericht 2010) (III-276 d.B.).

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von TW1 zur Gänze live übertragen wird.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 9357/J der Abgeordneten Stra­che, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die Schaltung von In­seraten im persönlichen politischen Interesse des Werner Faymann“ dringlich zu be­handeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage nach Erledigung der Tages­ordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr behandelt werden.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonfe­renz wurde für die Debatte gemäß § 57 Abs. 4 der Geschäftsordnung eine Gesamt­redezeit von 3 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 44 Minuten, FPÖ 38, Grüne 32 sowie BZÖ 30 Minuten.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten zu beschränken.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 10

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten. Wer diesen die Zustimmung gibt, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

10.04.20Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1390 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum Bericht des Finanz­ausschusses über die Regierungsvorlage (1390 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.)

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Strache. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 8 Minuten ein. – Bitte.

 


10.05.00

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Re­gierungsbank! Werte Abgeordnete! Lassen Sie mich gleich eingangs mit dem Wesent­lichen beginnen: Die Freiheitliche Partei Österreichs wird heute den Antrag auf Durch­führung einer verbindlichen Volksabstimmung zu diesem Thema einbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine verbindliche Volksabstimmung ist das Um und Auf in dieser Frage, endlich die di­rekte Demokratie wirklich leben. Und die direkte Demokratie ist notwendig, sie stellt das notwendige Regulativ dar, um unsere Demokratie im Allgemeinen zu retten, bei den Entwicklungen, die heute vor der Tür stehen.

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der aufgrund der Regierungsvorlage 1390 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.) zu fassende Geset­zesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42
B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksab­stimmung zu unterziehen.

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Eine Volksabstimmung darüber ist notwendig, und zwar zwingend notwendig, auch wenn Rote, Schwarze und die angeblich so basisdemokratischen Grünen das immer wieder versuchen hysterisch abzustreiten. Sie ist zwingend notwendig. Sie gehen hier leider Gottes aber nach dem Motto vor: Das Volk hat vor der Brüsseler Peitsche zu ku­schen. Diese Regierung wird letztlich immer dann aktiv, wenn es gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung geht, dann werden Sie aktiv, so wie auch in der Frage des EFSF, des Rettungsschirmes, der heute von Ihnen beschlossen werden soll.

Ich sage Ihnen: Wir Freiheitlichen wollen hier nicht willfährig gegen die Interessen der Österreicher Politik betreiben. Wir haben eine andere Aufgabe, und wir haben hier eine Verantwortung für die Interessenlagen unserer Bevölkerung wahrzunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 11

Was Sie hier heute betreiben, ist ein glatter Missbrauch gegenüber allen Österrei­chern, die Steuern zahlen, die jetzt erleben müssen, dass Sie ihr sauer verdientes Geld, die Steuergelder der Österreicher in diesen Rettungsschirm hineinpumpen, wo schon 6,3 Milliarden € an Cashkapital, an österreichischen Steuergeldern durch Ihre Beschlüsse in Richtung Griechenland, sprich in Richtung Banken und Spekulanten, ge­flossen sind. Und jetzt beschließen Sie weitere Haftungen, nämlich eine Ausweitung des Eurohaftungs- und -knebelungsschirms. Das soll heute hier stattfinden, und das kommt für uns grundsätzlich nicht in Frage.

Sie wollen heute einen Haftungsrahmen Österreichs beschließen, der nicht, so wie Sie sagen, 21,6 Milliarden € an zusätzlicher Belastung für die Österreicher umfasst, son­dern wenn man die Gesamtbelastung hernimmt, beschließen Sie heute 28,7 Milliar­den € an Haftungsübernahmen, weil man die Zinsen natürlich dazurechnen muss, wie der Rechnungshof zu Recht aufgezeigt hat. Einen Haftungsrahmen, der laut Experten sogar sehr wahrscheinlich schlagend werden kann, Geld, das dann unseren Österrei­chern fehlt, wo wir – und ich wiederhole das immer wieder, weil Sie es nicht hören wol­len – jeden österreichischen Steuercent für unsere Probleme in Österreich dringend benötigen (Beifall bei der FPÖ), für unsere Probleme im Bildungsbereich, im Gesund­heitsbereich, im Pflegebereich, für die Investition in unsere Jugend und Zukunft unse­rer Gesellschaft.

Sie leben hier die Solidarität mit den Tätern. Sie leben hier die Solidarität mit den Tä­tern, sprich den Bankspekulanten, die dieses Fiasko angerichtet haben. Wenn Sie von Solidarität reden und den Begriff „Solidarität“ immer wieder bemühen, dann muss man aufzeigen, mit welcher Solidarität Sie da sozusagen hantieren: Solidarität mit Bankspe­kulanten – nicht mit den Opfern! Und das Opfer sind die europäischen Völker, und da­zu zählen natürlich wir Österreicher als Opfer. Und Sie gehen dann her und bestrafen noch einmal die Opfer mit Belastungen und wollen die Opfer noch einmal zur Kassa bitten, anstatt dass Sie jetzt endlich hergehen und die Verantwortlichen entsprechend zur Kassa bitten. (Beifall bei der FPÖ.)

Und da geht ja der Weg diametral auseinander, wenn der Herr Klubobmann Cap per­manent hier in den letzten Monaten zum Besten gegeben hat: Wir wollen die Banken da endlich auch zur Verantwortung ziehen, und wir wollen die Millionäre zur Verant­wortung ziehen! – Na, genau das Gegenteil machen Sie: Sie schützen die Millionäre und Bankspekulanten, die das angerichtet haben! Das ist die Wahrheit!

Insgesamt geht es jetzt um einen Haftungsrahmen, der von 440 Milliarden € auf 779 Milliarden € erhöht werden soll. Das sind Zahlen, die man sich einmal vor Augen halten muss und wo die Bürger sowieso schon aussteigen, weil man da gar keine Vor­stellung mehr hat. Viele Experten reden ja davon, dass diese Höhe gar nicht reichen wird, und viele Experten gehen davon aus, dass gerade durch diesen Rettungsschirm die Ansteckungsgefahr eine viel größere ist als zuvor, wenn man anders gehandelt hät­te, weil jetzt andere auch unter den Rettungsschirm flüchten werden und natürlich ver­suchen werden, sich mit günstigen Zinsen schön unter diesen Schirm zu begeben. So­mit wird sich die Krise laut Experten auf Italien und Spanien ausweiten.

Manche Experten reden sogar davon, dass man mindestens 1 200 Milliarden € an Ret­tungsschirmkapital benötigen wird, ja manche gehen sogar von 2 200 Milliarden € aus, wo man dann überhaupt jede Vorstellungskraft verliert und jeder Bürger – dazu braucht keiner Volkswirtschaft zu studieren – erkennt, dass das nicht aufrechtzuerhalten sein wird.

Das heißt, wir müssen hier andere Handlungen setzen, und dazu sind Sie nicht bereit. Wir haben Ihnen ja unsere Wege aufgezeigt. Da muss man schon festhalten, dass die Europäische Union bei diesen Ausgaben und bei diesen Rettungsschirmen in einer gewissen Art und Weise den Eindruck vermittelt, als würde sie sich im Krieg befinden.


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Sie führt nämlich einen Finanzkrieg gegen die eigene Bevölkerung. Das alles erinnert sehr eklatant an die untergegangene Sowjetunion, wo es auch zu Massenenteignun­gen gekommen ist. Etwas anderes ist das nicht, was wir jetzt erleben. Es findet auch eine Massenenteignung der Bürger in der Eurozone statt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es findet aber auch eine von Ihnen unter­stützte und geplante Selbstausschaltung der souveränen Nationalstaaten statt. Auch das ist ein entscheidender Punkt: eine Selbstentmachtung des Parlaments, eine Selbstentmachtung unserer Demokratie im Wesentlichen. Es kann ja nicht sein, dass Sie sich in Folge auch in Richtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus endgültig in ein totalitäres Gebäude begeben wollen! Und genau das steht dahinter, wenn man sich den Vertrag durchliest: ein bedingungsloser Beitritt, der da folgen soll, ein Gouver­neursrat, der auf Lebenszeit immun sein soll, wo nicht einmal die Finanzgebarung ge­prüft werden darf, wo man gar keine Möglichkeit mehr hat, auszutreten. Das ist ja kein Vertrag, der irgendetwas mit demokratischen Grundrechten, irgendetwas mit Kontroll­mechanismen zu tun hat – das ist ja eine Selbstaufgabe, eine Abschaffung der Demo­kratie! Da muss ja jeder freiheitsbewusste Demokrat aufschreien in Europa ob dieser Entwicklung! (Beifall bei der FPÖ.)

Da wollen wir massiv dagegenhalten, und da braucht es eine Volksabstimmung! Wenn nicht jetzt, wann dann, Herr Faymann?! Herr Bundeskanzler, Sie haben es ver­sprochen, in einem Brief an die größte Tageszeitung Österreichs, wenn sich in grund­sätzlichen, wesentlichen Fragen der Verfassung etwas ändert.

Vertragsbrüche ohne Ende! Die Österreicher haben zwar 1994 dem Beitritt zur Euro­päischen Union zugestimmt, aber die Österreicher haben nie der Einführung des Euro zugestimmt, noch irgendwelchen Rettungsschirmmechanismen – und auch nicht der grenzenlosen Unterstützung der Bankspekulanten. Dem haben die Österreicher nicht zugestimmt! Und genau da hat man jetzt eine verbindliche Volksabstimmung sicher­zustellen, die Sie ja versprochen haben, Herr Bundeskanzler! Aber Sie belegen ja mit Ihren tagtäglichen Handlungen in dieser Frage, dass offenbar Ihr Wort nichts zählt und keinen Wert hat und man sich auf Sie nicht verlassen kann. Das ist das, was wir heute sehen, weil Sie von Ihren eigenen Worten und von Ihrem eigenen Brief, den Sie an ei­ne große Tageszeitung geschickt haben, heute nichts mehr wissen wollen.

Das ist einfach unverantwortlich! Sie machen Politik gegen die eigene Bevölkerung! Sie machen eine Politik, mit der Sie die Interessen der Bevölkerung in vielen Fragen und gerade auch in dieser Frage eklatant mit Füßen treten. Und da können wir nicht ta­tenlos zusehen! Die Österreicher sind entsetzt ob Ihrer Politik! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen: Es ist wirklich höchste Zeit, dass Sie entweder umdenken oder bei nächsten Nationalratswahlen endlich das erleben, was eine Democrazia Cristiana in Italien erleben musste. Sie sind nicht mehr regierungsfähig! Sie sind nicht mehr regie­rungsverantwortlich, weil Sie die Verantwortung gegenüber der österreichischen Bevöl­kerung nicht mehr leben, sondern ganz im Gegenteil Verantwortung für irgendwelche andere Netzwerke leben, für Banken und Spekulanten, wie Sie das tagtäglich bewei­sen.

Unsere Position ist glasklar, und die haben wir von Beginn an aufgezeigt, und wir ha­ben auch die richtigen Analysen getroffen. Wir haben von Beginn an gesagt, die Grie­chen hätten gleich einen Schuldennachlass, einen Haircut bekommen müssen, wobei den Rest die Banken hätten übernehmen müssen. Jene Banken, die es sich nicht hät­ten leisten können, hätten wir verstaatlichen müssen. Man hätte die Griechen aus der Währungszone des Euro entlassen müssen, damit sie zu ihrer alten Währung zurück­kehren können, abwerten können und eine Chance haben, sich wirtschaftspolitisch zu erfangen. Dadurch hätten sie auch eine Chance gehabt, ihre Finanzen vielleicht wieder


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in den Griff zu bekommen und ihre Schulden wieder zurückzahlen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

All das hat man nicht gehört. Man hat gesundes Geld in ein kaputtes Pleitesystem, in ein Korruptionssystem gepumpt. Und ich sage, die größte Korruption, die sich abspielt, ist die heutige, nämlich eine Korruption auf Ebene der Europäischen Union, gegen die eigenen Bürger gerichtet, wo man korrupte Systeme der Banken und des Staates Grie­chenland unterstützt: auf Kosten der Bürger! Das ist der größte Korruptionsskandal, den wir heute mit Ihrer Zustimmung zu diesem EFSF-Paket, zu diesem europäischen Rettungsschirm erleben. Dafür haben die Bürger Österreichs kein Verständnis mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau da treten wir Freiheitlichen als soziale Heimatpartei Österreichs sehr, sehr deut­lich und konsequent auf. Wir werden hier alles daransetzen, dass es nicht zu weiteren dramatischen Entwicklungen in dieser Richtung kommt, dass wir nicht eine Selbstauf­gabe in Richtung Europäischen Stabilitätsmechanismus erleben müssen, dass wir nicht erleben müssen, wie am Ende unsere Verfassung ad absurdum geführt wird, gänzlich ausgehöhlt wird und unsere Verfassung mit Füßen getreten wird. Es geht hier um Freiheit und Demokratie, es geht um Grundrechte.

Ich mache es vielleicht an einem Beispiel fest: Das, was hier folgen soll mit dem Euro­päischen Stabilitätsmechanismus, das wäre in etwa so, wie wenn jeder Bürger in Zu­kunft seine Kreditkarte an einer Zentralstelle abzugeben hat und diese Zentralstelle in Zukunft die Vollmacht bekommt zu entscheiden, was sie mit dem Geld, das auf dem Konto der Bürger ist, macht, was sie davon ausgeben will und wohin sie das Geld zah­len will, ohne dass der Bürger ein Mitspracherecht hat, ohne dass er mitentscheiden kann. Genau das findet auf staatlicher Ebene in Zukunft mit dem Europäischen Stabili­tätsmechanismus statt.

Deshalb muss man immer wieder betonen: Sie gefährden die Zukunft unserer Jugend (Beifall bei der FPÖ), denn dieses Kapital, das Sie da jetzt in den Haftungsschirm ste­cken, der schlagend werden kann, ja wahrscheinlich sogar schlagend werden wird, die­ses Kapital fehlt uns!

Wir haben heute eine Entwicklung bei den Staatsschulden, die auch Sie verursacht ha­ben in den letzten Jahrzehnten, die so aussieht, dass wir in Wirklichkeit mit den ausge­lagerten Bereichen und mit den ganzen Haftungen, die Sie übernehmen, bereits bei 84 Prozent des BIP an Staatsverschuldung liegen. Wir haben wirklich eine dramatische Situation, in der Sie auch nicht bereit sind, die Hausaufgaben in Österreich zu erledi­gen, nämlich die Verwaltungsreform und die Gesundheitsreform endlich in Angriff zu nehmen, und wo uns am Ende sogar droht, unser Triple-A zu verlieren. Manche Ex­perten, auch Bankdirektoren in Österreich sagen das bereits hinter vorgehaltener Hand, nicht öffentlich und nicht offen, sie befürchten so eine Entwicklung, wenn Sie nicht Ihre Positionen hier überdenken und endlich verantwortungsbewusst in diesen Bereichen handeln.

Deshalb ist es so wichtig, Sie immer wieder wachzurütteln, aber es nützt offenbar nichts, Sie sind nicht lernfähig. Ich glaube, die einzige Sprache, die Sie verstehen, ist, wenn SPÖ und ÖVP bei den nächsten Nationalratswahlen auf 20 Prozent oder darun­ter fallen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist die einzige Sprache, die Sie von dieser Koali­tion offenbar verstehen, weil dann ein Punkt erreicht sein wird, wo Sie einfach nicht mehr so weitertun können wie bisher. Wenn Sie von der österreichischen Bevölkerung eine derartige Absage erhalten, können Sie nicht mehr so weitertun.

Und genau das muss man auch der österreichischen Bevölkerung signalisieren: Wenn man etwas verändern will, dann muss man bei den Wahlen damit anfangen, indem man Ihnen das Vertrauen nicht mehr schenkt und Sie in die Lage versetzt, gemeinsam


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nicht mehr über 50 Prozent zu haben, damit Sie nicht weiterpackeln können im Sinne des rot-schwarzen Proporz- und Privilegiensystems. Ich bin davon überzeugt, dass im­mer mehr Bürger auch zu dieser Überzeugung gelangen, weil viele Bürger und immer mehr Bürger heute erkennen, so kann es doch nicht weitergehen. Das gesamte Pro­porz- und Privilegiensystem, der Korruptionssumpf, die Verluderung des politischen Systems in Österreich, das findet ja statt bis hinauf an die Spitze der Europäischen Union. Das ist ja insgesamt ein System, das sich selbst in Frage gestellt hat, wo ich sa­ge, das wollen wir so nicht mehr, und deswegen werden wir hier der verlässliche An­sprechpartner der Österreicher sein. (Beifall bei der FPÖ.)

10.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

der Abgeordneten KO Strache und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage (1390 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.)

Die unterfertigen Abgeordneten stellen folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der aufgrund der Regierungsvorlage 1390 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.) zu fassende Geset­zesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art 42
B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksab­stimmung zu unterziehen.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


10.18.52

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist nicht populär, was wir hier heute tun, aber wir müssen es tun, und wir tun aus heutiger Sicht mit diesen Beschlüssen, die wir anschließend fassen, absolut das Richtige. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Herr Strache, ich habe mir gestern einen Teil der Debatte im Deutschen Bundestag an­geschaut, und ich muss sagen, das war eine sehr sachliche, sehr faktenbezogene De­batte, mit wenigen Ausnahmen. Das, was Sie hier vorhin gemacht haben, nämlich das absolut nicht Populäre auf populistische Art und Weise ausschlachten zu wollen, ma­chen in Deutschland allerhöchstens die Linken – und die machen es rhetorisch besser. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie Beifall des Abg. Brosz.)


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Es ist zulässig, eine Diskussion darüber zu führen, wie künftig die nationalen Parla­mente in diese Entscheidungen eingebunden werden, selbstverständlich, aber wir müssen einen Rettungsschirm in die Hände von Experten geben, denen wir natürlich auf die Finger schauen, wo aber nicht die nationale Politik permanent ihre Finger hi­neinsteckt und sich dann Sonderrechte, wie die Finnen zum Beispiel, heraushandelt und das Ganze dann fast nicht mehr handhabbar macht. Genau das ist ja der Grund dafür, dass man das in eine eigene Organisationsstruktur geben will, damit es funktio­nieren kann und nicht ständig von Nationalismen und eigenbrötlerischer nationaler Po­litik beeinflusst werden kann, was Sie gerne hätten.

Sie wollen mit der Volksmeinung, mit dem Stammtisch und der dort geäußerten Mei­nung spielen, und das ist in diesem Fall genau das Falsche. Wir hören schon auf die Menschen (ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ), und wir versuchen auch, den Menschen draußen zu erklären, was wir hier für notwendig halten (Zwi­schenruf des Abg. Kickl) und warum wir das tun. (Abg. Strache: Weil es ein Geschäft ist!) Aber es ist unsere Aufgabe, letzten Endes die Entscheidungen zu treffen und sie dann auch vor den Menschen zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Eines sei an dieser Stelle auch gesagt: Der Euro ist weit mehr als eine gemeinsame Währung von 17 Ländern, und die EU ist weit mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft von 27 Ländern. Die europäische Integration – bitte beachten Sie das doch bei der ganzen Debatte! – ist ein Friedensprojekt, das dieser Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg dringend gebraucht hat und das Gott sei Dank beherzte Politiker in die Hand genommen haben. Es ist nicht perfekt, weit entfernt davon, aber es ist das einzig Richtige und die einzige Möglichkeit, diesem Kontinent Frieden und Wohlstand zu si­chern. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Ergebnisse der letzten Jahrzehnte zeigen es ja: Dieser Prozess, sich ständig mit­einander auseinanderzusetzen, am Verhandlungstisch, in Parlamenten statt auf dem Schlachtfeld, ist das Ergebnis dieses Integrationsprozesses, der noch lange nicht ab­geschlossen sein darf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und in diesem Prozess ist jetzt Griechenland in eine Situation gekommen, in der es sich aus eigener Kraft nicht mehr auf dem Kapitalmarkt finanzieren kann. Jetzt kann man es sich einfach und billig machen und sagen: Die sind selbst schuld! Die sollen diese Suppe selbst auslöffeln! (Abg. Dr. Graf: Wir sollten es billiger für die Österreicher machen!) Man kann auch sagen: Genug gezahlt!, wie das BZÖ. Oder Herr Strache sagt: Die sollen zurück zur Drachme! – Ja wer folgt denn dann als Nächster? Italien? Portugal? Irland? Spanien? In dieser Reihenfolge oder in einer anderen? (Abg. Stra­che: Euroreif sind diese Länder alle nicht!)

Was ist denn die Folge, wenn wir uns jetzt von den Griechen abkehren? – Dann er­möglichen wir es erst den Spekulanten, sich auf das nächste Opfer zu stürzen (Abg. Bucher: Das ist Panikmache!), dann auf das übernächste, und irgendwann werden dann wir und unsere Steuerzahler die Leidtragenden sein, denn wir sind mit unseren Firmen, mit unseren Banken in diesen Ländern vertreten, haben dort investiert. Na Gott sei Dank! Wir sind zu klein, um unsere Wirtschaftstätigkeit nur im eigenen Land abzu­wickeln, und hätten dann nicht den Wohlstand, den wir heute haben.

Das heißt, wir müssen hinausgehen. Und wenn wir hinausgehen, bedeutet das auch eine Vernetzung mit der Volkswirtschaft anderer Länder. Und wenn wir diese in einer solch schwierigen Situation im Stich lassen, schlägt das letzten Endes auf uns, auf un­sere Bevölkerung, auf unsere Steuerzahler zurück.

Wir werden das verhindern! – Sie wollen genau das! Das ist der falsche Weg! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Sie führen uns genau dort hinein, nämlich in diese Krise!)


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Es hat keinen Sinn, Ihnen jetzt den wirtschaftlichen Unsinn, den Sie damit verbinden, zu erklären (Zwischenrufe bei der FPÖ), aber eines sei auch noch gesagt – und das auch wieder zum europäischen Projekt –: Wenn wir es zulassen, dass wir uns jetzt wieder wirtschaftlich renationalisieren, wieder zurückbesinnen auf „Mir san mir, und die andern san uns wurscht!“, dann ist auch die politische Renationalisierung die Folge, und die Folge ist, dass die europäische Integration tot ist. (Abg. Dr. Graf: Dazwischen gibt es ein paar Grauzonen!)

Es lohnt sich aber allemal, für diese europäische Integration und dieses Friedenspro­jekt Opfer zu bringen. Ja, wir müssen Opfer bringen (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Wir brin­gen dauernd Opfer!), aber es lohnt sich, diese Opfer zu bringen, denn alles andere wä­re mit größerem Schaden verbunden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Aber doch nicht die Demokratie opfern!)

Eines noch, meine Damen und Herren: Wir beschäftigen uns heute mit Rettungsmaß­nahmen, aber wir dürfen trotzdem nicht die Augen vor den Ursachen dieser Krise ver­schließen. Und die Ursachen dieser Krise sind – ich sage es noch einmal – nicht ir­gendwelche bösen Banken, sind nicht irgendwelche Spekulanten. Die Spekulation ist die Folge von Fehlern, die wir alle miteinander gemacht haben – manche Länder mehr, manche weniger. Ständig mehr auszugeben, als man einnimmt, ein ständiges Schul­denmachen und Über-die-Verhältnisse-Leben von Staaten, das hat erst dazu geführt, dass Staaten zum Spielball der Finanzwelt und der Spekulanten werden konnten.

Das Gebot der Stunde heißt daher – wie unser Vizekanzler kürzlich gesagt hat –: auch Österreich entschulden, eine Schuldenbremse einführen und das Über-die-Verhältnis­se-Leben der Staaten beenden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Ihr habt die Schuldenbremse abgelehnt! Aber Sie lehnen die Schuldenbremse ja ab!)

Es ist doch relativ einfach, auch im Privaten zu sehen: Schulden machen abhängig von Kreditgebern. (Abg. Strache: Alle unsere Anträge haben Sie abgelehnt! Sie machen Schulden!) Schuldner mit schlechter Bonität machen auch Kreditgeber nervös. Und nervöse Finanzmärkte und nervöse Kreditgeber sind der Tummelplatz für Spekulanten.

Das heißt, wir müssen das Ganze an der Wurzel anpacken und dieses Schuldenma­chen endlich beenden. Schluss mit den Defiziten in den Staatshaushalten!

In diesem Zusammenhang verstehe ich eines nicht, meine Damen und Herren, auch von den Sozialdemokraten: Im Europäischen Parlament stand vor wenigen Tagen die­ses sogenannte Sixpack zur Abstimmung, also strenge Regeln zur Kontrolle der Haus­halte in den Nationalstaaten. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Und wer stimmte dage­gen? – Die sozialdemokratischen Europaabgeordneten. Ich kann das nicht verstehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Ich bin sehr dafür, dass wir zur Bändigung der Finanzmärkte auch andere Dinge tun. Ja, eine Finanztransaktionssteuer ist ein wichtiges Instrument und Signal – sie wird nicht alle Probleme lösen, aber sie ist ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte, an die Kapitalmärkte, dass wir diese völlig übertriebene Beschleunigung und intransparente Vorgangsweise nicht mehr wollen und versuchen wollen, das unter anderem mit diesen Dingen in den Griff zu bekommen.

Ein Letztes noch: Wenn ich sage, Haushalte in Ordnung bringen, Sparen, kommen dann einige mit dem Totschlagbegriff „Kaputtsparen“, aber man kann auch intelligent sparen. Man kann dort sparen, wo wir unsere strukturellen Defizite haben (Abg. Dr. Graf: Warum machen wir das nicht?): bei der Geldverschwendung der ÖBB, beim Pensionsantrittsalter, wo uns jedes Jahr, das die Menschen zu früh in Pension gehen, eine Milliarde an unnötigen Kosten aufbürdet, wir können Gesetze endlich einmal auf die Generationenverträglichkeit überprüfen (Abg. Dr. Graf: Daher endlich ÖVP in die Regierung!), wir können versuchen, mit einer Transparenzdatenbank den Sozialmiss­


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brauch einzudämmen, und, und, und. (Abg. Strache: Was haben Sie die letzten Jahre in der Regierung getan?)

Was wir ob allen Sparens nicht vergessen dürfen, ist, wie gesagt, intelligent dort zu sparen, wo es konjunkturpolitisch nicht schädlich ist (Abg. Dr. Graf: Deswegen gehört die ÖVP in die Regierung!), und auf der anderen Seite den Wirtschaftsstandort zu stär­ken und wettbewerbsstärkende Maßnahmen für die Wettbewerbsfähigkeit insbesonde­re unserer Klein- und Mittelbetriebe, natürlich aber auch der großen Industriebetriebe zu setzen. Und wir müssen auch – das ist in den letzten Tagen und Wochen in den Fo­kus vieler Debatten getreten – die Rechtsstaatlichkeit in diesem Staat höher hängen, als sie heute hängt. Wir müssen der Rechtsstaatlichkeit zum Durchbruch verhelfen, Korruption bekämpfen, denn Korruption ist mit Sicherheit für einen Wirtschaftsstandort und für die Demokratie eines Landes das Schädlichste, was man sich nur vorstellen kann.

Eines noch ganz zum Schluss: Machen wir Schluss mit dem Auseinanderdividieren der Gesellschaft am Rande dieser Debatte! Der Verleger Hans-Jörgen Manstein hat jetzt bei der Eröffnung der Österreichischen Medientage in der Stadthalle gesagt:

Manche tun so, als ob sie das ganze Land retten könnten, indem sie ein paar Millio­näre besteuern und die Wehrpflicht abschaffen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

10.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Bucher zu Wort. – Bitte.

 


10.30.02

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, das klingt eher nach Panik in der Koalition als nach Panik von der Opposition. Und in Wirklichkeit betreiben Sie, Herr Kollege Kopf, Panik­mache. Sie betreiben Panikmache, indem Sie völlig falsche Argumente vorbringen; Ar­gumente, die völlig absurd sind.

Sie sagen zum Beispiel, das europäische Friedensprojekt sei in Gefahr, wenn wir jetzt nicht Griechenland retten. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) – Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Die Wirtschaftsleistung Griechenlands macht etwas mehr als 2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Europäischen Union aus. Ja glau­ben Sie wirklich, Herr Kollege Kopf, dass Griechenland angesichts dessen in der Lage ist, eine Weltwirtschaftskrise auszulösen? (Abg. Kopf: Sie haben nicht zugehört!) – Völlig absurd, wie Sie hier argumentieren! Völlig absurd! (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Kopf: Sie haben nicht zugehört!)

Und das Friedensprojekt ist deshalb noch lange nicht gefährdet. Das sind Angstparo­len, die Sie verbreiten. Sie wollen Angst schüren. Dafür dürfen Sie uns in den Opposi­tionsparteien nicht die Schuld zuschieben, nicht die Schuld geben, Sie betreiben diese Angstpropaganda. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Sie sagen: Wenn jetzt Griechenland fällt und andere mediterrane Länder dem folgen, dann gibt es Kriege in Europa. – Solche Gedanken sind völlig absurd! Distanzieren Sie sich endlich einmal von diesem dummen Gedankengut, das Sie hier verbreiten! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Ich möchte Ihnen gerne einmal den „Spiegel“ vorhalten, nämlich diese Zeitschrift (der Redner zeigt eine Ausgabe der Zeitschrift „DER SPIEGEL“), die ganz klar davon spricht, was in den nächsten Monaten auf Europa zukommt, nämlich „Die Geldbombe“. Die Geldbombe, die gezündet ist und die den Euro noch in sehr viele Einzelteile zerfal­len lassen wird.


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Das, was Rot, Schwarz und Grün heute beschließen, diese Ausweitung des Rettungs­fonds, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der erste Schritt in den Untergang, der erste Schritt in die Knechtschaft der Europäischen Union – unter Aufgabe unserer Souveränität! (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sollten Sie einmal auf der Zunge zerge­hen lassen: 29 Milliarden € Zahlungsverpflichtungen beschließen Sie heute – SPÖ, ÖVP und Grüne gemeinsam. 29 Milliarden €! Das ist fast die Hälfte unseres österrei­chischen Staatshaushaltes! 29 Milliarden € an Steuergeld – Geld, das wir nicht haben, Geld, das wir in Österreich nicht erwirtschaften (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Verbre­chen!), Geld, das wir in Form von Krediten aufnehmen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

29 Milliarden € – Geld, das wir nie mehr wiedersehen, Geld, von dem die österreichi­schen Steuerzahler, die Bürger in Österreich keinen Nutzen haben. Das ist die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neugebauer.)

29 Milliarden € an zusätzlichen Schulden, Herr Kollege Kopf (Abg. Neugebauer: Mach einen konkreten Vorschlag!), zusätzliche Schulden, die den Schuldenberg anwachsen lassen. 29 Milliarden €! Die nächsten Generationen werden diesen Schuldenberg nicht mehr abbauen können und bewältigen können – das ist die Realität! –, weil schon 40 bis 50 Prozent für Zinsen und Pensionen ausgegeben werden. Da frage ich Sie: Wo bleibt da Ihre Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Wirt­schaftspartei ÖVP? – Sie handeln nicht verantwortlich. Sie treiben da eine gewissen­lose Politik voran, die die Menschen in Österreich in den Untergang führt! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie betreiben da pure Steuergeldveruntreuung, Frau Finanzministerin. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Ein Verbrechen!) Sie betreiben Steuergeldveruntreuung, denn Sie befragen ja die Bevölkerung nicht einmal mehr, ob sie willens ist, diesen Irrweg weiter zu unter­stützen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Das ist doch ein Wahnsinn, der hier betrieben wird. Und das sind nicht meine Worte. Der britische Außenminister – Herr Minister Spindelegger, Ihr Kollege; wissen Sie, was der sagt? – sagt: Das ist ein kollektiver Wahnsinn, der hier in Europa betrieben wird! (Abg. Strache: Ein Verbrechen ist das!) – Ein Wahnsinn. Das kommt also nicht von uns, aus den Oppositionsreihen, wo doch uns immer vorgehalten wird, Panikstimmung zu verbreiten. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Das ist der absolute Untergang (Zwischenruf des Abg. Strache) und, um in der Diktion der Frau Finanzministerin zu sprechen, eine Neverending Story, die hier beginnt, Frau Finanzministerin. Es gibt keine Haftungsobergrenzen für diesen Rettungsfonds. Ja wis­sen Sie, was das heißt? – Nachschusspflicht bei jeder Gelegenheit und bei jedem wei­teren Fall einer Bank oder eines Landes in Südeuropa! – Ich gratuliere zu dem, was Sie hier beschließen, eine Nachschusspflicht! (Abg. Ing. Westenthaler: Perfekt! Gut gemacht, gratuliere!)

Es ist nicht damit getan, dass diese 29 Milliarden € jetzt stehen bleiben, sondern das wird weiter steigen. Schauen Sie sich den Vertrag doch einmal an! Ich möchte gerne wissen, wie viele Abgeordnete von ÖVP und SPÖ diesen Vertrag gelesen haben. (Abg. Hagen: Gar keine!) Das würde ich gerne wissen. Würden Sie diesen Vertrag kennen, dann würden Sie sich heute schämen und aus diesem Haus laufen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Die Konsequenz – das ist heute schon gesagt worden – wird eine Bonitätsverschlech­terung Österreichs sein, selbstverständlich. Wenn weitere 40 Milliarden € dazukom­men, wird die Bonität abgestuft werden (Abg. Ing. Westenthaler: Der nasse Fetzen ist schon bereit ...!), die wir jetzt noch genießen. Wissen Sie, was das heißt?


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29 Milliarden € in einen Rettungsfonds, dann kommt der ESM noch dazu, dann kommt der Wohlstandsausgleich auf europäischer Ebene dazu, und dann kommt noch etwas dazu: dass wir durch den höheren Zinssatz 500 Millionen € pro Jahr mehr werden leis­ten müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ. Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen noch vereinbaren (Abg. Strache: Was für einem Gewissen?), wo wir doch in Österreich so viele Probleme haben? Sagen Sie einmal, wie das mit Ih­rer Politik zusammengeht!

Was erzählen Sie den ArbeitnehmerInnen und den Arbeitgebern in Österreich, die ja heute schon nicht mehr mit ihrem Einkommen zurande kommen? Die werden das alles bezahlen, und zwar in Form von Inflation. Das garantiere ich Ihnen heute schon: in Form von Inflation. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wann denn?) Die Inflation wird steigen, weil die Europäische Zentralbank gezwungen ist, die Zinsen zu senken. Wissen Sie, was das heißt? – Die Preise werden weiter nach oben katapultiert werden. Das ist die Folge. Inflation in Zukunft, und das ist die Steuer des „kleinen“ Mannes. Da gratuliere ich Ihnen dann zu dieser Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Daher gibt es nur eine zentrale Forderung, wenn es schon eine Ohnmacht der Politik nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch in Österreich gibt: die Einbindung des Volkes in diese Entscheidung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Seit dem Jahr 1994 ist das Volk nicht mehr befragt worden, es ist immer nur betrogen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Was hat man denn im Jahr 1994 den Menschen versprochen? (Abg. Ing. Westenthaler: Der Schilling bleibt erhalten!) – Freien Dienstleistungs-, Zahlungs- und Personenverkehr. Das hat man ihnen schmack­haft gemacht. Herausgekommen ist eine Knechtschaft, eine Knebelung, eine Ausliefe­rung an die Bürokraten Brüssels, die mit Österreich tun und lassen können, was sie wollen, und das wollen die Menschen in Österreich nicht mehr. Sie haben die Nase voll! Die Menschen wollen mitentscheiden. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen! Frau Kollegin Glawischnig, ich schätze Sie sehr, aber in diesem Punkt muss ich etwas einmahnen.

In der „Kronen Zeitung“ haben Sie als demokratische Bewegung auf die Frage: „Was ist die grüne Ansage zur Finanzkrise?“, geantwortet: „Daher brauchen wir mehr Trans­parenz und mehr direkt demokratische“ Mitbestimmung. (Abg. Strache: Wo?)

Wissen Sie, wie demokratische Mitbestimmung funktioniert? (Abg. Ing. Westenthaler: Die machen sich selber lächerlich, die Grünen!) – Indem man das Volk einbindet, in­dem man die Bevölkerung befragt, ob sie willens und bereit ist, die Verantwortung, die diese Bundesregierung verschleudert, mit zu übernehmen. Das ist Demokratie.

Sie sind doch eine demokratische Bewegung. (Abg. Dr. Graf: Gewesen!) Sie ganz al­lein, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, haben es jetzt in der Hand (Abg. Strache: Schon längst im System aufgegangen!), eine Volksabstimmung zu bewirken. Das können Sie, indem Sie ein Verfassungsgesetz beschließen und kei­nen Staatsvertrag und wir, FPÖ, Grüne und BZÖ, dann eine Volksabstimmung bean­tragen. Dann kommt der Bürger zu Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Deshalb ergeht unser Appell an Sie (Abg. Strache: Das ist die Nagelprobe der Grü­nen!): Erinnern Sie sich an Ihre Bürgerbewegung, an die Anfänge der Grünen (Abg. Strache: Das ist die Nagelprobe der Grünen!), aus der Demokratie, aus der Bevölke­rung heraus entstanden! (Abg. Strache: Wer weiß, was sie gekriegt haben dafür?) Meine Damen und Herren von den Grünen, gehen Sie den Weg in eine Volksabstim­


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mung mit! Wir haben schon genug gezahlt für diesen Unsinn der maroden Banken und der Pleiteländer. (Die Abgeordneten des BZÖ erheben sich von ihren Plätzen und spenden stehend Beifall sowie Beifall bei der FPÖ. – Bravorufe beim BZÖ.)

10.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. – Bitte. (Abg. Krainer begibt sich zum Rednerpult und trinkt dort, bevor er zu sprechen beginnt, einen Schluck Wasser. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eh das Beste, was Sie jetzt tun können: Trinken! – Weitere Zwischenrufe.)

 


10.40.12

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr interessant, wenn jetzt von zwei Parteien Rufe nach Volksabstimmungen kommen, und ich muss schon sagen: Ich habe Sie nicht rufen gehört, als es darum gegangen ist, dass Kärnten Haftungen für die Hypo Alpe-Adria übernommen hat! Wo waren da die Rufe? (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Jö-Rufe bei der FPÖ.)

Ich kann mich nicht erinnern, dass diese zwei Parteien nach einer Volksabstimmung gerufen hätten, als es darum gegangen ist, dass wir mit österreichischem Steuergeld die Hypo retten und Kärnten retten! Haben Sie da irgendwas von Volksabstimmung ge­hört? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Nein! – Abg. Petzner: Deutsche Bank!)

Und ich kann Ihnen sagen, wie die Stimmung außerhalb von Kärnten war. (Abg. Petz­ner: Deutsche Bank, hallo!) Die Stimmung außerhalb von Kärnten war: Das haben sie sich selber eingebrockt, sollen sie die Suppe selber auslöffeln! Die Stimmung war: Sollen sie doch die Kärntner Seen und Berge verkaufen! – Ganz ähnlich, wie BZÖ und FPÖ heute über Griechenland reden.

Ja, das stimmt, so war die Stimmung auf der Straße. Aber wir haben trotzdem Verant­wortung bewiesen, weil wir wissen, dass die Welt nicht besser wird, wenn Kärnten in Konkurs geht, und die Welt wird nicht besser, wenn Kärntner Seen und Berge verkauft werden. Wir haben Verantwortung getragen und natürlich die Hypo gerettet – und auch Kärnten gerettet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Petzner: Entschuldigen Sie, aber Sie re­den so einen Blödsinn!)

Scharlatanerie ist das und politischer Populismus der Sonderklasse, der hier abgespielt wird! Das ist doch alles lächerlich! Die versammelte Wirtschaftskompetenz, die wir hier sehen, hat gesehen, wozu das führt. Schauen Sie sich an: Wer ist Schlusslicht in Ös­terreich? – Kärnten ist Schlusslicht in Österreich! Wieso? – Wahrscheinlich, weil Ihre Politik so „erfolgreich“ war. Gnade uns Gott – oder wer auch immer –, dass Sie Öster­reich auch so weit bringen, wie Sie das mit Kärnten gemacht haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Wie schaut das in Linz aus mit den Swap-Geschäften? Mit der Linzer Stadtverschuldung?)

Wir sollten uns wirklich die Fakten anschauen, wenn es um die Frage geht, was zu die­ser Krise geführt hat. Wir hören, zu dieser Krise sei es gekommen, weil wir, weil die Staaten über ihre Verhältnisse gelebt haben. (Ruf bei der FPÖ: Der Herr Kopf sagt das!) Schauen wir uns doch die Fakten an! (Abg. Ing. Westenthaler: Da wird sogar die Regierungsbank leer, wenn Sie reden! Da geht einer nach dem anderen! – Abg. Sil­havy: Wir sind nicht am Fußballplatz, Herr Kollege!)

Von Mitte der neunziger Jahre bis zum Ausbruch der Krise haben parallel alle Staa­ten – die einen mehr erfolgreich, die anderen weniger erfolgreich – ihre Ausgaben re­duziert, ihre Neuverschuldung reduziert, weniger Schulden gemacht und weniger Schulden gehabt zu diesem Zeitpunkt. Am Beispiel von Österreich: Mitte der neunziger Jahre knapp unter 70 Prozent und vor Ausbruch der Krise unter 60 Prozent. Das ist


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 21

nicht „über seine Verhältnisse leben“, das ist Sparen und Schulden reduzieren, was wir gesehen haben. Aufgrund der Krise, der Finanzkrise, haben alle Staaten Milliarden in die Hand genommen, um ihre Bankensysteme zu retten, um ihre Finanzmärkte zu ret­ten, und sie haben im Zuge der Wirtschaftskrise noch einmal Milliarden in die Hand ge­nommen, um Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Konjunkturpakete zu finanzieren und um Steuerausfälle zu kompensieren.

Und was war das Ergebnis? – Am Beispiel von Österreich: unter 60 Prozent, nach fast 15 Jahren Konsolidierung, innerhalb von zwei bis drei Jahren auf über 70 Prozent. Und dabei ist Österreich sehr gut aus der Krise gekommen. Im Schnitt der europäischen Staaten ist die Verschuldung um 20 Prozent angestiegen und wird noch um fünf oder 10 Prozent ansteigen – aber nicht, weil irgendjemand über seine Verhältnisse gelebt hat. – Zumindest nicht Staaten oder Bürger. Vielleicht kann man sagen, dass Banken und Finanzmärkte über ihre Verhältnisse gelebt haben, aber sicher nicht Staaten und Bürger. (Beifall bei der SPÖ.) Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man sich die Fakten anschaut.

Und natürlich sind Krisenzeiten eine Zeit für Spekulanten. Es ist nicht nur für politische Kleingeldwechsler Hoch-Zeit (Abg. Ing. Westenthaler: „Professor Krainer“!), wie wir es heute gesehen haben, sondern auch für Finanzspekulanten. Und schauen wir uns doch an: Wer war in Gefahr, das erste Opfer von Spekulation zu werden? Erinnern wir uns zurück – es ist noch nicht sehr lange her. Im Feber 2009 kamen die ersten Zei­tungsberichte: Osteuropa steht vor der Pleite – und damit Österreich, weil die österrei­chischen Banken so erfolgreich in Osteuropa expandiert haben und dort viele Kredite vergeben haben. Die können das nicht mehr zurückzahlen, und Österreich steht vor der Pleite.

Wir hatten diese Diskussion monatelang, und das hat darin gegipfelt, dass im Ap­ril 2009 Nobelpreisträger Krugman gesagt hat: Österreich steht vor der Pleite. Was ist passiert? – Innerhalb von wenigen Tagen sind die Zinssätze, wie Österreich sich fi­nanziert, um fast 1 Prozent gestiegen. 1 Prozent höhere Zinsen bedeutet 2 Milliarden € mehr Ausgaben für Österreich. Und das ist innerhalb von wenigen Tagen passiert!

Und dann kam das erste Rettungspaket oder der erste Schutzschirm, und wir haben hier im Frühjahr 2009 ein Gesetz beschlossen, sehr schnell, sehr konzentriert, nämlich das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, mit dem wir für Osteuropa und damit auch für uns, für unsere Banken, für unsere Wirtschaft und auch für uns, den ersten Rettungs­schirm aufgespannt haben. Damals war unser Beitrag gedeckelt mit 5 Milliarden € für Kapital und 5 Milliarden € für Zinsen und Kosten. Das war der erste Rettungsschirm, der direkt für uns war. Ja, und es sind auch andere Länder Opfer der Spekulation ge­worden, nicht nur mediterrane Länder, denn Irland, glaube ich, liegt ziemlich weit weg vom Mittelmeer, sondern viele Staaten wurden Opfer. Griechenland, Irland und Portu­gal waren auch Opfer, und zwar in schlimmerer Weise. Und das, was wir gemacht ha­ben, ist: Genau so, wie die anderen Staaten auch uns beim ersten Rettungsschirm ge­holfen haben, haben wir uns auch an anderen Rettungsschirmen beteiligt, damit wir Stabilität in das System bringen, weil wir spätestens seit Lehman wissen, was für Do­mino-Effekte und was für negative Auswirkungen es geben kann – auch für uns.

Wir machen das nicht nur, weil es moralisch richtig ist, sondern weil es auch ökono­misch und für Österreich richtig ist und das Bessere ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Vilimsky: Der ist gescheit, der Krainer! – Abg. Ing. Westenthaler: Welcher Partei gehört der an? Der SPÖ? – Abg. Mag. Stadler: 10 Minuten reden – 50 000 Wähler we­niger!)

Aber wenn wir von den Lehren aus der Krise sprechen: Es gibt auch viele Lehren, die noch nicht gezogen wurden. Eine der Lehren ist zum Beispiel, dass es wichtig ist, Schulden und Defizit zu reduzieren. Da sind wir absolut dafür. Aber andere wichtige


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Kennzahlen, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit, haben nicht den Stellenwert, den sie haben sollten. Wir sagen: Wieso haben wir nicht bei Arbeitslosigkeit genauso eine Grenze von 3 Prozent wie bei der Neuverschuldung? (Abg. Ing. Westenthaler: Bitte noch ein paar Zahlen! Ein paar Prozentsätze!) Arbeitslosigkeit ist ja, wie wir wissen, die teuerste Form, aber nicht nur, weil sie Lebenszeit kostet, weil sie den Menschen Le­bensqualität nimmt, sondern Sie müssen diese Arbeitslosigkeit auch finanzieren und machen damit erst recht Schulden.

Wir sagen daher, dass die Frage der Arbeitsmarktpolitik und auch der Arbeitslosigkeit genauso eine wichtige Grenze sein muss wie Defizitgrenzen für Staaten. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine der Lehren ist auch, wie wir unsere Staaten finanzieren. Und wir finanzieren unse­re Staaten vor allem zu Lasten des Faktors Arbeit. Das heißt, für diejenigen, die ihr Einkommen erzielen, weil sie arbeiten gehen, wird das Einkommen viel höher be­steuert als für diejenigen, die ihr Einkommen beziehen, weil sie ohnehin schon reich sind und von Kapitaleinkommen und von Vermögenseinkommen leben. Da ist ein kras­ses Missverhältnis von zirka 40 bis 50 Prozent Besteuerung für die, die für ihr Geld ar­beiten, bis zu unter 20 Prozent für jene, die für ihr Geld arbeiten lassen. (Abg. Strache: Die Merkel würde ihn sofort als Parteimitglied aufnehmen!)

Und deswegen sind wir in diese Regierung gegangen, um ganz bewusst zu sagen: Ja, wir wollen die Steuern auf Arbeit senken! Das haben wir durch die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer bei der Steuerreform gemacht, aber gleichzeitig wissen wir, dass, damit wir nicht neue Schulden machen müssen, andere Gruppen, die heute nicht einen adäquaten Beitrag leisten, auch mehr Steuer zahlen müssen. Deshalb haben wir auch gemeinsam die Bankenabgabe beschlossen, deswegen haben wir auch die Aktienspekulationssteuer beschlossen, und deswegen sollten wir auch gemeinsam die Millionärssteuer beschließen, weil das ein genauso wichtiger Punkt für Steuergerech­tigkeit in Österreich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Sie schmeißen gerade Milliarden den Millionären und den Banken nach!)

Und das ist nur einer von fünf Punkten, die wir hier vorgelegt haben, die wichtig wären im Fünf-Punkte-Programm. Ein anderer ist die Finanztransaktionssteuer, worüber, glaube ich, hier auch Einigkeit herrscht. Und es stimmt: Es ist nicht nur ein Erfolg von Werner Faymann (ironische Heiterkeit des Abg. Kickl), wenn diese kommt, sondern ein Erfolg von uns allen und ein Erfolg der Politik in Österreich.

Und was wir auch brauchen, ist eine Reform der Gruppenbesteuerung, weil auch Kon­zerne nur begrenzt ihre Verluste im Ausland gegen Gewinne im Inland abschreiben sollten.

Was wir außerdem brauchen, ist die steuerliche Begrenzung von Managergehältern und Boni.

Und das, was wir dann als fünften Schritt brauchen, ist, dass auch jene, die heute die Last tragen, nämlich die, die arbeiten für ihr Geld, eine Entlastung erfahren. Und des­wegen sehen wir es als wesentlichen Punkt, die Steuern auf Arbeit zu senken und Steuern auf Vermögen und Kapitaleinkommen einzuheben. Da stimmen Sie immer da­gegen, weil Sie die Millionäre in Wahrheit beschützen, aber diese sollen auch einen gerechten Beitrag zahlen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen schicken wir über 30 Milliarden nach Griechenland! – Abg. Strache: Sie werfen den Millionären Milliarden nach!)

10.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 23

10.49.41

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur sagen: Ich halte es wirklich für skandalös, wenn die Vertreter von SPÖ und ÖVP – und die Grünen werden es ihnen in Kürze gleichtun – sich hierher stellen und auf verantwortungsbewusst machen, aber in Wahrheit mit dem österreichischen Volksvermögen russisches Roulette spielen, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Aber russisches Roulette spielen diese feinen Herrschaften nicht mit einer Kugel, son­dern die Trommel des Revolvers ist voll! Und wie das ausgeht, das wissen wir alle: Das ist keine Rettungsaktion, um die es hier geht, sondern Selbstmord, den Sie da fa­brizieren, in verschiedenen Stufen – und wo Sie heute wieder einen Beitrag dazu leis­ten, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien!

Und dem „Chef-Volkswirt“ der Sozialdemokraten sei ausgerichtet – da ist eh noch die Butter, die ihm vom Kopf getropft ist in Sachen Spekulationszusammenhänge –: Reden S’ einmal mit Ihren Genossen, die gerade in Linz 400 Millionen bei Swap-Geschäften versenkt haben (Beifall bei der FPÖ), und schauen Sie einmal der SPÖ Wien auf die Finger, die 16 Milliarden € an Haftungen für die Unicredit, die jetzt am Wackel steht, übernommen hat! Da können Sie sich reichlich betätigen, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Sie machen heute nichts anderes als das, was Sie die ganze Zeit, in den letzten Wo­chen und Monaten, seit wir in dieser Krise drinnen stecken, gemacht haben: dass Sie mit der Sturheit, der Unbelehrbarkeit und Unbeweglichkeit – und jetzt sind wir schon beim Hotspot – eines griechischen Esels agieren, meine Damen und Herren.

Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, machen nichts anderes, als jegli­chen Hausverstand in der Frage der Krisenbekämpfung auszuschalten, indem Sie die immer intensiver werdenden Warnungen der Experten, und zwar weltweit, in den Wind schlagen, weil Sie nichts anderes tun, als die Gesetze der Logik außer Kraft zu setzen, zu versuchen, die Ökonomie zu verdrehen, nur weil Sie glauben, ein Handlanger einer fehlgeleiteten Europäischen Union sein zu müssen und sozusagen als „feiner Maxi“ vor den Damen und Herren in Brüssel stehen zu können. Das ist doch Ihre Intention, die hinter dem Ganzen steht. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Das Ergebnis ist, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben, von Ihnen nicht ge­straft, nicht zur Konsequenz gezogen werden, sondern in Wirklichkeit außen vorgelas­sen werden und sogar noch Belohnungen kassieren können. Das ist das Ergebnis!

Und jetzt weiß auch jeder, meine Damen und Herren, wie Umverteilung „Marke SPÖ“ zu verstehen ist: Den Armen wird es genommen, den Spekulanten wird es gegeben! Das ist das Modell, das die SPÖ unter „Umverteilung“ versteht. (Beifall bei der FPÖ so­wie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Das angewandte Beispiel erleben wir ja gerade in Wien: Eine Millionärssteuer wird an­gekündigt – aber bei Wasser, Strom, Gas et cetera wird kassiert, obwohl die Menschen eh schon viel zu wenig zum Leben haben. Da sieht man, wie sozialistische „Umvertei­lung“ funktioniert, meine Damen und Herren.

Sie von den Koalitionsparteien haben überhaupt keine Argumente. Wenn man Ihren Rednern zuhört, merkt man: Es gibt kein einziges schlüssiges Argument; es gibt keinen Beweisgang, sondern das Einzige, was es bei Ihnen gibt, sind zunehmend, und zwar mehr und mehr und je tiefer die Krise wird, moralin-triefende Appelle, die nur auf eines hinauslaufen: Denjenigen, die warnen, denjenigen, die sagen, so kann es nicht weiter­gehen, ein schlechtes Gewissen zu machen, das aber Sie haben sollten für Ihre Vor­gangsweise, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 24

Das ist der Weg, den Sie von der Koalition eingeschlagen haben: eine riesige Vertei­lungsaktion von schlechtem Gewissen und eine Angst-Propaganda, wie sie Österreich seit Langem nicht mehr erlebt hat!

Und das läuft dann ungefähr so ab – das muss man den Fernsehzusehern sagen –: Jeder Mensch in Österreich, der nicht bereit ist und der auch nur eine Sekunde zögert, diese gigantische Volksvernichtung (Abg. Riepl: Volksvernichtung?! – Abg. Heinzl: Was ist denn eine „Volksvernichtung?), diese Volksvermögensvernichtung bedingungs­los abzunicken, soll zu jemandem gemacht werden, der zu den ganz, ganz Bösen zählt. Das sind Ihrer Ansicht nach die ganz, ganz Bösen.

Und diese wollen Sie dafür verantwortlich machen, dass Griechenland nicht nur ins Mittelalter, sondern wahrscheinlich in die Steinzeit zurückkatapultiert wird. Und die wol­len Sie dann verantwortlich dafür machen, dass die österreichische Wirtschaft wie ein Kartenhaus zusammenbricht, weil wir ja wissen, dass wir überhaupt nur Handel mit den Griechen betreiben. Und die wollen Sie dann verantwortlich dafür machen, dass uns der Euro unter den Händen zerbröselt und dann wahrscheinlich der „Neander-Ta­ler“ als nächste Währung eingeführt wird. Und die wollen Sie wahrscheinlich auch dafür verantwortlich machen, dass ein Komet vom Himmel stürzt und überhaupt Verdammnis und Finsternis den Kontinent Europa übermannt. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Ab­geordneten des BZÖ.) Das ist ungefähr Ihre Art zu denken, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien.

Und dann kommen Sie daher und wollen uns erklären, dass ausgerechnet Inserator Werner Faymann und seine Mannschaft, von der die Österreicherinnen und Österrei­cher wissen, dass diese nirgendwo etwas weiterbringt, einen vernünftigen Beitrag zur Lösung dieser Krise leisten sollen! Das ist doch ein Witz, aber kein Beitrag zur politi­schen Glaubwürdigkeit!

Dieser Inserator Werner Faymann ist dann bitte derjenige, der uns das Instrument für eine Euro-Rettung in die Hand geben soll! Und EFSF heißt dieses Mittel. Für mich klingt das eher wie ein ansteckender Virus oder wie eine Bazille, aber keinesfalls wie eine Medizin, die die einzelnen Volkswirtschaften, natürlich auch die österreichische Volkswirtschaft, aus der Krise herausbringt!

Ja, genau so ist es: Ansteckungsgefahr besteht durch diesen EFSF; man muss schauen, dass man diese Abkürzung herausbringt. Ansteckungsgefahr besteht des­halb, weil wir so in Dinge hineingezogen werden, in die wir nicht hineingehören! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Jeder vernünftige Arzt wird Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Wenn jemand eine ansteckende Krankheit hat, dann ist es gescheiter, man legt den Patienten zunächst einmal in Quarantäne, bevor man auch noch das Pflegepersonal und die Mediziner, die ihn behandeln sollen, mit dieser Krankheit infiziert!

Sie von der Koalition wissen ganz genau, wie die Mehrheit der österreichischen Bevöl­kerung denkt – und wenn Sie das nicht mehr wissen, dann haben Sie hier herinnen ei­gentlich nichts verloren.

Die kommende heutige Abstimmung ist die Chance für Sie, der Mehrheit der österrei­chischen Bevölkerung auch hier herinnen eine Stimme zu geben, und zwar dadurch, dass Sie unserem Ansuchen zustimmen, diesen sogenannten Schutzschirm, der in Wahrheit ein Senkblei ist, abzulehnen! Und wenn Sie den Mumm dazu schon nicht haben, dann sollten Sie wenigstens den Weg freimachen für eine Entscheidung der österreichischen Bevölkerung, denn es geht schließlich um deren Geld – und nicht um Ihres! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

10.56



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 25

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Klubvorsitzende Dr. Glawischnig-Piesczek gelangt nun zu Wort. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung der sich zum Red­nerpult begebenden Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek –: Die Umfallerin kommt jetzt!)

 


10.56.29

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren auf der Regierungsbank! (Abg. Ing. Westenthaler: Die Umfallerin! Der Kotau folgt jetzt!) Herr Kollege Strache, Herr Kollege Bucher, Herr Kollege Kickl, wissen Sie, was wirklich Volksvermögensvernichtung in Österreich in der Vergangen­heit war? – Das war die blau-orange Regierungsbeteiligung. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Milliarden vernichtet, Milliarden eingesteckt! Dass Sie sich überhaupt trauen, das Wort in den Mund zu nehmen! Grasser, Meischberger & Co, Rumpold ... (Abg. Ing. Westen­thaler: Die sind alle in Griechenland jetzt, oder was?) Nein, aber Sie müssen sich ein­mal vor Augen führen, dass es auch einen berechtigten Ärger darüber gibt, dass man Volksvermögen verscherbelt (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Unsinn, was Sie da ver­zapfen! Erklären Sie Ihr Umfallen heute!), und noch dazu 400 000 € dort, 800 000 € da in die Taschen spielt. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind ein Schoßkätzchen von Rot und Schwarz!)

Reden Sie einmal über die Glücksspieleinflussnahme, legen Sie einmal alles auf den Tisch, und dann können Sie sagen: Genug gezahlt, österreichische Steuerzahlerin, ös­terreichischer Steuerzahler, genug gezahlt an Mandatare von unseren Fraktionen! (Beifall bei den Grünen.) Das war wirklich Ihr Umverteilungsmodell.

Aber ich möchte gerne einen sachlichen Beitrag zu dieser Debatte leisten. (Oh-Rufe bei FPÖ und BZÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das Schoßkätzchen von Rot und Schwarz!)

Der Kollege Westenthaler hat seltsame Träume: Er redet vom Schoßkätzchen. – Wür­den Sie das zurücknehmen? (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr seid Umfaller! Das ist die Wahrheit!) Können Sie sich einmal in ernsthafter Weise mit europäischen Fragen aus­einandersetzen, ohne ausschließlich Unsinn zu reden? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr stimmt zu! Sie sind das Schoßkätzchen von Rot und Schwarz! ) Ja ja, regen Sie sich nur weiter auf! Ich bin der Meinung, rechtskräftig verurteilte Poli­tiker haben in diesem Parlament nichts verloren! Aber das machen wir uns nach der Debatte aus. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr habt die Volksab­stimmung verhindert!) Rechtskräftig verurteilte Politiker haben in diesem Haus nichts verloren. (Abg. Ing. Westenthaler: Verräter haben auch nichts verloren hier im Haus! Volksabstimmungsverräter! – Abg. Neugebauer: Also, schön langsam ...!)

Jetzt reden wir einmal über europäische Themen und europäische Fragen. (Anhalten­de Zwischenrufe des Abg. Ing. Westenthaler.) Sie können sich ja gerne später zu Wort melden. Es wird nicht besser, wenn Sie 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, wenn nicht etwas mehr Ruhe einkehrt (Ruf beim BZÖ: ..., dann unterbrechen wir!), sehe ich mich veran­lasst, die Sitzung zu unterbrechen. (Beifall und Bravorufe beim BZÖ. – Abg. Ing. Wes­tenthaler: Ich werde gerade bedroht!)

Es ist bislang zumindest einigermaßen der Fall gewesen, dass man den Rednerinnen und Rednern zugehört hat. Ich erwarte mir das auch weiterhin, meine Damen und Her­ren!

Bitte, Frau Klubvorsitzende, Sie sind am Wort.

 


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (fortsetzend): Ich kann ja verstehen, dass Sie das so aufregt, weil die Wahrheit manchmal einfach schwer verträglich ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 26

(Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Verräter der direkten Demokratie!) Können Sie aufhören zu schreien? Wir sind das österreichische Parlament – wir kön­nen ganz normal miteinander reden. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Ich bin fassungslos.

EFSF. – Wenn man EHEC und europäische Institutionen nicht auseinanderhalten kann, sollte man auch ein bisschen vorsichtiger sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Jawohl, Frau Oberlehrerin!) Es geht hier um sehr ernste Fragen. Es geht um Probleme in der Vergangenheit, wo wir als österreichische Parlamentarier jetzt die Verantwortung ha­ben, diese Probleme auch zu lösen. Glauben Sie ernsthaft, dass Harakiri-Politik – zu­rück zum Schilling, zurück zur Drachme und die Mauern wieder aufziehen! – das Rich­tige ist und dass das das österreichische Sparbuch, den europäischen sozialen Frie­den nachhaltig sichern kann? (Beifall bei den Grünen.) Glauben Sie das ernsthaft?

Ich meine, wir haben Unruhen erlebt von einer jungen Generation in Spanien, wir ha­ben in Großbritannien Unruhen erlebt. Die europäische soziale Frage muss uns etwas angehen, auch hier im österreichischen Parlament. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Aber dafür können wir nichts!)

Sie sollten sehr vorsichtig sein, es geht hier nicht nur um Solidarität und gemeinsames vernünftiges Vorgehen, sondern es geht auch um Sicherheit für ein kleines Land wie Österreich. Und ich möchte Sie mit Ihren Schilling- und sonstigen Phantasien noch ein­mal daran erinnern, was Österreich in einer sehr sensiblen Phase im Jahr 2008 hätte passieren können, als nämlich nicht ganz klar war, wie das österreichische Banken­engagement in Osteuropa tatsächlich ausschaut.

Und dann ging es los mit den Angriffen der Spekulanten. Dieser extrem aggressive Fi­nanzmarkt sucht sich seine Opfer aus, und auch Österreich hätte Opfer werden können. Mit Ihrer Alternative, wieder zurück zum Schilling, zur Drachme et cetera zu gehen, wären wir mit Sicherheit sehr viel schlechter geschützt. Das österreichische Sparbuch wäre sehr viel schlechter geschützt. (Abg. Strache: Die Schweden und Tschechen sind damals sehr gut aus der Krise herausgekommen!)

Ich würde mir so viel vernünftige Diskussionsgrundlage wünschen, dass Sie ernsthaft einmal einen Vorschlag machen, wie Sie sich das in einem Europa des freien Kapital­verkehrs vorstellen. Wie soll denn das funktionieren? Das ist ja wirtschaftspolitisches Harakiri, was Sie vorschlagen. Harakiri ist das! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und ÖVP.)

Die Situation ist wirklich nicht einfach. Und wir haben nie gesagt, dass diese Frage oh­ne Belastungen lösbar ist, so viel Ehrlichkeit muss sein. Nur muss man sich wirklich überlegen, was vernünftig ist. Und da nehmen Sie Ihre Verantwortung überhaupt nicht wahr. Da nehmen Sie Ihre Verantwortung als Abgeordnete überhaupt nicht wahr.

Dann geht es um Reformen. (Abg. Strache: Die neoliberalen Grünen!) Wie können wir diesen Finanzmarkt wirklich in den Griff bekommen? Wie können wir die europäischen Institutionen auch stärken? Diese brauchen viel mehr Demokratie, im Übrigen auch viel mehr direkte Demokratie und Kontrolle. Wie kann man diese Reformen in den Griff be­kommen? Und da verweigern Sie sich vollkommen. Sie sagen: Wir reden überhaupt nicht mit, wir klinken uns aus, wir verhandeln nicht einmal!

Wir nehmen unsere Verantwortung als österreichische Parlamentarier sehr ernst. Wir verhandeln diesen zukünftigen Schutzschirm mit und wollen sehr wichtige Dinge da
mit hineinverhandeln. (Abg. Strache: Was ist Ihr Preis dafür, dass ihr eine Volksab­stimmung verhindert?) Wir wollen genau das, wo Sie immer schreien, was Sie haben wollen, aber Sie sind entweder zu bequem oder unfähig. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 27

Können Sie einmal aufhören zu schreien! Das ist ja wie im Kindergarten. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Wir beteiligen uns an einer sehr intensiven Diskussion über die Reform des zukünfti­gen Rettungsschirms. Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen. Wir wollen die verpflichtende Beteiligung von Banken und Spekulanten hier hineinver­handeln. Wir verhandeln nicht nur mit den österreichischen Parteien, sondern wir fah­ren nach Brüssel, reden dort auch mit Juncker und tragen diese Vorschläge auch vor. Dies ist unsere Verantwortung als österreichische Parlamentarier! (Beifall bei den Grü­nen.)

Das würde ich mir von Ihnen auch einmal wünschen. Gehen Sie einmal hinaus aus dem österreichischen Nationalrat und kämpfen Sie einmal in Europa, in Brüssel für ver­nünftige Reformvorschläge auf dem Finanzmarkt! Hier nur schreien, das bringt die ös­terreichische Sicherheit keinen Funken weiter. (Beifall bei den Grünen.)

11.03

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubob­mann Kopf zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.03.15

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Es ist das Wesen der Demokratie und des Parlaments, dass wir hier herinnen auch durchaus heftige Auseinandersetzungen miteinander führen. Aber was ich entschieden ablehne, ist Gewaltanwendung. Und Ge­waltanwendung ist auch mit verbalen Mitteln möglich. Was sich der Hooligan-Sektor namens BZÖ hier an persönlichen Untergriffen erlaubt (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen – Zwischenrufe beim BZÖ), was sich diese Herrschaften an persönlichen Unter­griffen gegenüber den Rednern erlauben, in diesem Fall gegenüber der Kollegin Gla­wischnig, das ist unerträglich und muss in der nächsten Präsidiale einer Lösung zuge­führt werden. So kann es nicht weitergehen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann, Sie können sicher sein, das wird ein Thema in der Präsidiale, so wie wir in der Präsidiale oft auch über die Art und Weise, wie die Debatte im Nationalrat geführt wird, diskutieren.

Ich werde mir erlauben, auch die Mails, die ganz sicher wieder eingehen werden, den Damen und Herren Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. (Abg. Mag. Stadler: Schi­cken Sie sie gleich nach Griechenland!) Wir machen wirklich kein gutes Bild. So sollte nicht diskutiert werden. Ich kann das nur unterstreichen.

Herr Klubobmann Bucher hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.04.45

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Redebeitrag des Kollegen Kopf war ein Beispiel für verbale Gewaltanwendung, und es ist entschieden zurückzuweisen, wenn er sagt, dass es im Hohen Haus einen „Hooligan-Sektor“ gibt. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben uns zurückgehalten, was die Wortwahl betrifft. Aber dass die Emotionen hochgehen, wenn es darum geht, Gewaltanwendung in finanzieller Hinsicht an der Be­völkerung auszuüben, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist völlig verständlich. Dass sich einzelne Abgeordnete im Hohen Haus dagegen wehren und dem maximalen Widerstand entgegensetzen, das sollte in einer Diskussion auch erlaubt sein. (Beifall beim BZÖ.)

11.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 28

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Anstand und Sitte gebieten es in diesem Haus, doch mit einigermaßen Aufmerksamkeit den Rednerinnen und Rednern zuzuhören und nicht permanent durch Zwischenrufe das Reden am Rednerpult nahezu unmöglich zu machen. Darum geht es! Das ist zu unterscheiden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen. – Abg. Kopf: Nicht persönlich verunglimpfen! – Abg. Ing. Westenthaler: Aber wenn ein Abgeordneter von einem „Hooligan-Sektor“ spricht, dagegen haben Sie nichts? Diese Denunzierung ist erlaubt?!)

*****

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Fekter. – Bitte.

 


11.06.09

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Helfen, reformieren, kontrollieren, sanktionieren – das war die Strategie, die wir 2008 eingeschlagen haben, als damals die Bankenkrise kam. Damals, 2008, hat uns auch die EU geholfen, denn einen Schutzschirm über die österreichischen Banken aufzuspannen, das hätten wir allein nicht geschafft. Die EU hat im Hinblick auf das Ostengagement bei einer konzertierten Aktion damals sehr wohl den Schirm über ganz Europa aufgespannt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Dann haben wir reformiert, kontrolliert und sanktioniert.

Wir haben diese Bankenkrise rasch gut überstanden (Abg. Mag. Stadler: Das darf nicht wahr sein!), haben rasch wieder Wachstum erlangt und eine gute Beschäftigung.

Mitten in dieses Wachstum hinein ist dann die Schuldenkrise von Griechenland gekom­men. Und in dieser Schuldenkrise sind wir gleichermaßen vorgegangen, nämlich hel­fen, reformieren, kontrollieren und sanktionieren. Wir haben Griechenland in seiner Li­quiditätskrise rasch durch die Gewährung von Krediten geholfen. Wir haben aber glei­chermaßen Reformen eingefordert. Wir kontrollieren diese Reformen streng, und wenn sie nicht eingehalten werden, dann werden die Kredittranchen nicht ausbezahlt.

Die Entwicklungen der letzten Wochen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind ernst. (Unter dem Beifall von Abgeordneten des BZÖ entrollen Abgeordnete des BZÖ ein Transparent mit der Aufschrift „BZÖ – VOLKSABSTIMMUNG JETZT! – GENUG GEZAHLT“.) Die Schuldenkrise beschäftigt mittlerweile nicht nur die Eurozone, son­dern ganz Europa und die westliche Welt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, ich darf Sie bitten, fort­zusetzen. Ich wiederhole eine Aussage, die ich schon einmal hier von diesem Pult aus getroffen habe. Meine Damen und Herren des BZÖ, ich sage jetzt gar nichts mehr, und zwar wegen Aussichtslosigkeit. (Abg. Ing. Westenthaler: Da haben Sie recht, Frau Präsidentin: aussichtslos! Endlich ein wahres Wort!)

Frau Bundesministerin! Sie sind am Wort. (Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobleute zu mir.

*****

11.09.10(Die Sitzung wird um 11.09 Uhr unterbrochen und um 11.13 Uhr wieder aufge­nommen.)

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Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 29

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gehe davon aus, dass dieses durchaus emotionale Thema von nun an mit et­was mehr Ruhe diskutiert wird.

Am Wort ist Frau Bundesministerin Dr. Fekter. (Die BZÖ-Abgeordneten rollen das Transparent wieder ein.)

 


11.13.10

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die direkten Auswirkungen der derzeitigen Schuldenkrise sind vorerst nicht überall gleich. Einerseits bremst sie durch Verunsiche­rung Investitionen in der Realwirtschaft, andererseits führt sie zu einer Flucht in sichere Häfen. Österreich hat die Turbulenzen sowohl damals der Bankenkrise als auch jetzt der Schuldenkrise in den letzen Monaten sehr gut überstanden. Österreichische Staatsanleihen werden als sicherer Hafen angesehen, was unsere Zinslast substanziell gesenkt hat. Das Wachstum der realen Wirtschaft ist in Österreich positiv, und wir ha­ben eine sehr gute Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Stabilität wollen wir erhalten. Das geht in Europa aber nur gemeinsam. Unser Schicksal in der Eurozone ist ein gemeinsames. Negative Auswirkungen können alle beeinflussen und mitziehen. Ich möchte also unterstreichen, dass es bei der heutigen Novelle zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz um viel mehr geht als nur um einen Schutzschirm, um einen Haftungsrahmen für Irland, Portugal, Griechenland oder sons­tige Phänomene, die uns noch begegnen werden. Wir sichern hier die Stabilität in Eu­ropa.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sperrige Wort, um das es hier geht, heißt EFSF, konkret European Financial Stability Facility. Es ist das ein europäisches Instrument, das die Krise managen soll. Bis jetzt helfen wir den Griechen mit einem bi­lateralen Kredit, dann soll dieses Instrument das Management für die Griechenlandhilfe übernehmen, sowie es derzeit bereits Portugal und Irland managt.

Bereits im Frühjahr 2011 wurde beschlossen, den Eurorettungsschirm mit einem Volu­men von 440 Milliarden auszustatten. Heuer im Sommer, am 21. Juli, hat dann Bun­deskanzler Faymann gemeinsam mit den anderen Staats- und Regierungschefs der Eurozone jene Entscheidungen getroffen, die nun die Grundlage dafür sind, dass die Eurozone gemeinsam ihre Probleme wird lösen können.

In diesen Beschlüssen geht es um Hilfsmaßnahmen für Griechenland, um eine Aus­weitung der Möglichkeiten des Rettungsschirmes und eine Verlängerung der Laufzei­ten für Griechenland. Mit der Erweiterung des Instrumentes dieser European Financial Stability Facility, nämlich Vorsichtsmaßnahmen, Präventivmaßnahmen und Sekundär­marktinterventionen setzen beziehungsweise die Rekapitalisierung von Finanzinstitu­tionen vornehmen zu können, kann diese europäische Infrastruktur die gegenwärtigen Probleme, aber auch künftig auftauchende Probleme besser bewältigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der heutige Beschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Haftungsrah­men auszuweiten, bedeutet aber nicht, dass wir automatisch zahlen. Das Prinzip bleibt, dass in einem Land zuerst alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssen, bevor die Eu­rostaaten Hilfe leisten. Hilfe wird nur dann ausgezahlt, nachdem die Grundsätze helfen, reformieren, kontrollieren, sanktionieren, die ich schon erwähnt habe, angewandt wur­den. Also Hilfe wird nur dann ausbezahlt, wenn die Reformen und die Auflagen erfüllt sind. Wir kontrollieren streng gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds, der Zentralbank und der Kommission.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 30

Diese Novelle legt den Haftungsrahmen fest, innerhalb dessen sich Österreich an die­ser gesamteuropäischen Schutzmaßnahme beteiligt. Wir haben bei den festgelegten 440 Milliarden € einen Anteil von 12 241 430 000 € festgelegt. Dazu kommen die Zin­sen, die hier nicht detailliert angeführt sind, weil die Zinsen variabel sind und sich än­dern können. Aber es ist im Gesetz festgelegt, dass Zinsen zusätzlich dazukommen.

Nun hat sich herausgestellt, dass dieser Rahmen von 440 Milliarden ja von Triple-A-Ländern geleistet wird und von Staaten, die diese gute Bonität nicht haben. Und daher hat das Gesamtvolumen von 440 Milliarden nicht Triple-A. Wir Staaten mit der besten Bonität müssen daher auch noch einmal mit beitragen, dass auch dieser Schutzschirm die beste Bonität, also Triple-A, bekommt. Wir stocken daher das, was uns die Maro­den hier auch mit bescheren, auf auf das Volumen, das hier heute festgelegt wird, nämlich auf insgesamt – Rahmenabkommen – 780 Milliarden €. Der österreichische Anteil kommt diesbezüglich auf 21,64 Milliarden.

Wenn also das Hohe Haus diesem Gesetz nun zustimmt, dann setzen Sie ein Zeichen dafür, dass wir unseren Wohlstand, unsere Bonität, unsere Stabilität im Euro-Raum mit sichern dadurch, dass wir insgesamt helfen. Wir haben auch Kärnten geholfen, wir haben auch der Hypo geholfen (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Bayern! Bayern, nicht Kärn­ten!), und da haben auch die Steuerzahler von Vorarlberg bis Burgenland Geld in die Hand genommen, dass wir der Hypo helfen konnten. (Abg. Strache: Sie haben den Bayern geholfen! Sie haben widerrechtlich den Bayern das Steuergeld nachgeschmis­sen! Das ist die Wahrheit! Widerrechtlich haben Sie den Bayern unser Steuergeld nachgeschmissen!) Herr Kollege Bucher, das war nichts anderes als das, was wir der­zeit tun! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Bucher: Das ist aber sehr billig!)

Diese Verantwortung ist notwendig, damit wir innerhalb der Euro-Zone die Stabilität beibehalten, die uns im vergangenen Jahrzehnt zu einem beachtlichen Wohlstand ge­führt hat und in Österreich auch zur Vollbeschäftigung.

Der Euro ist eine stabile Währung, daher ist der Euro nicht in der Krise. In der Krise sind die Schuldnerstaaten, die keine Haushaltsdisziplin an den Tag gelegt haben. (Abg. Kickl: Die haben Sie auch nicht!) Es freut mich daher, dass sich in diesem Ho­hen Haus mit den Regierungsfraktionen und einer Oppositionsfraktion doch voraus­sichtlich eine große Mehrheit für diese Stabilisierungsmaßnahme findet. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache – in Richtung Grüne –: Die neoliberalen Grünen! Die alten Basisdemokraten Ihrer Partei!)

Auf europäischer Ebene ist dieses Paket, beginnend im Frühling, beschlussfertig ge­macht im Sommer, jetzt in den nationalen Parlamenten zur Ratifikation. Mehrere haben es bereits abgesegnet, wie gestern Deutschland, Griechenland, Frankreich, Italien, Lu­xemburg, Portugal, Belgien und Irland, andere europäische Länder befassen sich heu­te damit beziehungsweise noch am Montag und am Dienstag.

Alle wollen es rasch abgeschlossen haben, damit diese neue Infrastrukturmaßnahme für diese europäische Stabilitätsinfrastruktur spätestens Mitte Oktober die Arbeit auf­nehmen kann. Ich kann Ihnen versichern, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei all den Maßnahmen, so schwierig sie auch sind, haben wir das Wohl Österreichs im Auge. Wir wollen unsere Bonität sichern, das Triple-A behalten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wollen das Triple-A behalten, weil das unseren Wohlstand sichert, weil das unsere niedrigen Zinsen sichert. Wir wollen aber auch genau darauf schauen, dass die Maß­nahmen, die wir machen, auch wirksam sind. Daher kontrollieren wir in Griechenland streng. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Internationale Wäh­rungsfonds zu der Erkenntnis gelangt, dass die Maßnahmen in Griechenland nicht ord­nungsgemäß umgesetzt werden, und wenn der Internationale Währungsfonds aus­


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steigt, dann steigt auch Österreich aus (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Wer steigt denn aus? Zahlen müssen wir! – Das ist ja hanebüchen, was Sie da verzapfen!), weil es nicht ge­rechtfertigt ist, dass wir weiterzahlen, wenn uns die internationale Gemeinschaft signa­lisiert, dass die Griechen ihre Auflagen nicht einhalten. Daher halte ich es für gut, dass diese strenge Kontrolle durchgeführt wird. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: ...! Die nächste „Wahrheit“, unter Anführungszeichen!)

Ich betone aber noch einmal: Wir haben geholfen, wir haben Reformen aufgesetzt, wir kontrollieren sie, aber wir werden auch sanktionieren, wenn die Kontrolle zeigt, dass Griechenland seine Hausaufgaben nicht macht. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Stellt’s das Mikro leiser!)

 


11.25.25

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Wer gibt da für Anweisungen an die Mikro­phontechniker? Das heißt, man dreht das Mikro leiser? Das haben wir schon ein paar Mal beobachtet, das werden wir jetzt genau beobachten. Also von euch (in Richtung SPÖ) kommen die Anweisungen? (Abg. Strache: Von der Frau Bundesgeschäftsfüh­rerin!) – Bemerkenswert!

Meine Damen und Herren! Frau Bundesminister! Zunächst möchte ich Ihnen jetzt ein Protokoll vorlesen, zumindest passagenweise, damit Ihre Hypobank-Tandlerei endlich ein Ende hat. Wir stellen das übrigens heute ins Internet und übermitteln es der APA.

Es fand am 26. Jänner 2010, also wenige Wochen nach der Verstaatlichung der Hypo, eine Besprechung im Finanzministerium statt, damals noch unter der Leitung Ihres Vorgängers Josef Pröll. Da wurde über Befragen der Staatsanwaltschaft von allen Be­amten des Finanzministeriums und von der Finanzprokuratur auf die Frage, warum man die Bank nicht geprüft hat, bevor man sie übernommen hat, gesagt, sie hätten kei­ne Zeit dazu gehabt. Das sei anders gewesen als bei der BAWAG, es hätte alles schnell gehen müssen. Daher hätten sie nicht gewusst, was sie übernehmen. Sie hät­ten nur Globalunterlagen gehabt.

Und die zentrale Globalunterlage – das wird dann nach Befragen der Staatsanwalt­schaft geklärt – war das Pricewaterhouse-Gutachten, das deutsche übrigens. Da ge­ben die bereits im Jänner zu, dass das falsch war, dass hier sogar Kredite, die über­haupt kein Risiko hatten, als Risikokredite ausgewiesen wurden. (Abg. Ing. Westen­thaler: „Bravo“!)

Dann wurde in dieser Besprechung von der Staatsanwaltschaft weitergefragt, meine Damen und Herren, welche Unterlagen denn das Finanzministerium überhaupt hat und ob sie die zur Verfügung stellen können. Dann sagten die Vertreter des Finanzminis­teriums: Wir haben überhaupt nichts gehabt, wir haben nur die paar Unterlagen, die man uns zur Verfügung gestellt hat; ihr müsst euch die bei der Nationalbank und bei der Finanzmarktaufsicht selber besorgen.

Und am Schluss, auf die Frage, ob es im Finanzministerium Erkenntnisse gibt, dass es strafbare Handlungen gegeben hat, sagt das Finanzministerium, sie haben bis zur Stunde nichts gefunden, was eine strafbare Handlung war, meine Damen und Herren!

So viel zum Thema Schmähtandlerei! Ihr Vorgänger hat uns gesagt, diese Bank müsse verstaatlicht werden, denn sonst ginge sie pleite. Es war die glatte Unwahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Und diese Unwahrheit ziehen Sie heute fort. Und eines sage ich Ihnen heute schon: Wir werden einmal einen Ausschuss haben, Herr Kollege Bartenstein, der dann klären muss, wieso der Herr Pröll 4 Milliarden deutsche Haftungen zulasten des österreichi­


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schen Steuerzahlers übernommen hat. (Abg. Strache: Das ist es nämlich! Widerrecht­lich für die Bayern unser Steuergeld!) Das werden Sie einmal erklären müssen! Das ist noch nicht geschluckt. Eine deutsche Bank überwälzt 4 Milliarden auf den österrei­chischen Steuerzahler! (Abg. Strache: Das ist es! Das ist es!) Und heute geht seine Nachfolgerin her und überwälzt 30 Milliarden, an die 30 Milliarden auf den österreichi­schen Steuerzahler! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn es darum geht, Milliarden auf den österreichischen Steuerzahler abzuladen für andere, dann sind Sie großzügig! Wenn es darum geht, für die österreichischen Fami­lien etwas zu tun, dann haben Sie überhaupt kein Geld mehr, meine Damen und Her­ren! (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Das ist Ihre Politik, und die wird heute zur De­batte stehen! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn – wie Sie vielleicht in der Eilmeldung der APA vor wenigen Minuten gelesen ha­ben – das Wirtschaftsforschungsinstitut bereits die Erwartungshaltung, die Wirtschafts­prognosen herunterrevidieren muss – so schlecht wie seit acht Jahren nicht mehr! –, gehen Sie gleichzeitig her und verschenken Geld an die Griechen, meine Damen und Herren! (Abg. Bucher: Unglaublich!) Das erklären Sie einmal dem österreichischen Steuerzahler!

Weil Sie diesen österreichischen Steuerzahler fürchten wie der Teufel das Weihwas­ser, deswegen wollen Sie keine Volksabstimmung, meine Damen und Herren! Das ist der Punkt! Sie wollen deswegen das Volk nicht einbinden.

Insoweit ist das natürlich ein historischer Tag, Herr Kollege Kopf, was heute stattfindet: Sie verspielen den Handlungsspielraum Österreichs für die Zukunft – ohne Volksab­stimmung. Sie beschließen heute eine massive Verschuldung – das ist nur der erste Teil, denn der permanente Rettungsschirm kommt ja noch – ohne Volksabstimmung, ohne dass Sie das Volk einbinden. Sie sind heute dafür, Herr Kollege Kopf – und jetzt empfehle ich Ihnen einmal ein kleines Büchlein –, dass das sozialistisch-zentralistische Modell Europas umgesetzt wird und nicht das, was Adenauer, De Gasperi und Schu­man seinerzeit gemeint haben. Über das kann man alles diskutieren, aber Sie machen heute den Sündenfall vor einem sozialistischen, zentralistischen, etatistischen und in­terventionistischen Europa, meine Damen und Herren – das hier (in Richtung SPÖ) ge­wollt wird, das hier (in Richtung Grüne) auch gewollt wird. Bei allen alten Marxisten wird das gewollt. Aber bei denen, die die EU seinerzeit gegründet haben und ihre geis­tigen Vorväter waren, war das nicht der Fall.

Herr Kollege Kopf, Mut zum Zweitbuch! „Die Tragödie des Euro: Ein System zerstört sich selbst“ von Philipp Bagus. Das ist ein großartiges Talent. Hast du es schon gele­sen? – Ich glaube es dir, dass du es nicht gelesen hast. Deine Rede hat genau so ge­klungen.

Daher sage ich Ihnen heute, meine Damen und Herren von der ÖVP: Was Sie heute machen, ist ein Sündenfall. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie es we­nigstens Ihrem Gesinnungsfreund aus Großbritannien! Der britische Außenminister William Hague sagt: Es war Wahnsinn, dieses System zu schaffen, jahrhundertelang wird darüber als eine Art historisches Monument kollektiven Wahnsinns geschrieben werden. Der Euro ist ein „brennendes Haus ohne Ausgang“. – Sie zündeln heute wei­ter.

Schwächere Mitgliedstaaten der Euro-Zone wie Griechenland werden für „den Rest ihres Lebens“ zu stützen sein. – Das sagt nicht der Josef Bucher oder der Ewald Stad­ler, das sagt Hague, Ihr Gesinnungsfreund!

Ist der auch so ein „Hooligan“ – weil Ihr Klubobmann gemeint hat, dass jeder, der nicht für diese Geldverschwendung nach Griechenland ist, sofort ein Hooligan ist? Der eine Wutbürger, der da den Zettel heruntergeschmissen hat, das ist erst der Anfang. Sie


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werden noch Wutbürger kennenlernen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Herr Lopatka – er war ja immerhin einmal Staatssekretär im Finanzministerium – ist ja schon selber der Meinung – das können Sie heute im „Standard“ nachlesen –, nur mehr der Druck von der Straße kann die Politik der Regierung ändern, meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Sagt der Lopatka! Bravo!) Lopatka, nicht irgend­ein böser Hooligan aus der Opposition, meine Damen und Herren!

Daher sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen: An Ihnen liegt es heute! Wenn ich mir anschaue, wozu Sie überall schon eine Volksabstimmung verlangt haben – ich habe es mir einmal herausgeholt: Die Frau Glawischnig hat einmal eine Volksabstimmung zur Wehrpflicht verlangt, eine Volksabstimmung vor einer weiteren EADS-Vertragsunterfertigung zum Eurofighter, eine Volksabstimmung zum Nichtrau­chen haben Sie schon verlangt. Aber wenn es um 30 Milliarden geht, dann brauchen Sie das Volk nicht einzubinden?! – Das ist Ihr verräterisches Verhalten, das hier heute zur Debatte steht, meine Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Sie fallen heute erbärmlich um! Sie helfen der Regierung, die Büchse der Pandora zu öffnen. Sie machen ihnen heute die Räuberleiter. Frau Kollegin Glawischnig, Sie tra­gen heute als grüne Chefin zu Recht Schwarz. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das steht mir gut!) Ja, natürlich. Ja, das ist bemerkenswert. Sie tragen heute zu Recht Trauer.

Das ist der Abgesang der Grünen als Partei des Volkes. Sie wollten eine Bürgerpartei sein, die den Bürgeranliegen zum Durchbruch verhilft. Heute fallen Sie vor dieser Regierung um. Sie machen ihnen die Räuberleiter. Heute besorgen Sie das Geschäft dieser Regierung. 29 Milliarden mit Nachschusspflicht, keine Kontrolle und keine Volks­abstimmung – das unterstützen Sie. Ich würde mich schämen, wenn ich heute Grüner wäre, meine Damen und Herren! Ich würde mich schämen! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stadler, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Nach der Bezeichnung ,§ 2a‘ wird der Klammerausdruck ,(Verfassungsbestimmung)‘ eingefügt.“

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Mit dieser kleinen Änderung, mit dieser kleinen, winzigen Änderung schaffen Sie den Zugang zur Volksabstimmung, meine Damen und Herren von den Grünen. Nur mit die­ser winzigen Änderung schaffen Sie die Voraussetzung, dass das Volk über diese Mil­liardenverschwendung abstimmen darf. Und mit dieser kleinen Änderung schaffen Sie auch den Rechtfertigungsdruck, den die Regierung dann hat.

Wissen Sie, ich habe es schon einmal erwähnt, nur als ein Beispiel: Bei der Verstaatli­chung der Hypo Alpe-Adria hat man uns hier die Unwahrheit gesagt. Heute sagt die Regierung wieder die Unwahrheit. Die Frau Minister sagt, die Europäische Union hat bei der letzten Bankenkrise die österreichischen Banken gerettet. – Keine einzige hat sie gerettet, keine einzige! Aber das ist wurscht! Wie sagt der Herr Juncker, von dem


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Sie ja gesagt haben, das ist alles so großartig, das Gespräch der Grünen mit Herrn Juncker? Der sagt: Wenn’s eng wird, muss man zu lügen anfangen.

Das ist Ihre Referenz, auf die Sie sich stützen, Frau Kollegin Glawischnig? – Da gibt es bessere Referenzen!

Die bessere Referenz, Frau Präsidentin, ist der Parlamentspräsident der Slowakei. Man ist heute genötigt, auf die kleine Slowakei zu schauen. Der leistet Widerstand! Das tun Sie nicht, meine Damen und Herren von der SPÖ, Frau Präsidentin! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Ich würde mir von Ihnen erwarten, statt dass Sie in das gouvernantenartige Geschrei des ÖVP-Klubobmanns einstimmen, dass Sie dem Parlament nach § 53 Abs. 7 unse­rer Geschäftsordnung die Empfehlung geben, dass man diese Vorlage vertagen sollte, und zwar so lange, bis wir wissen, was die Slowaken tun, meine Damen und Herren!

Heute ist es so weit, dass man sich am slowakischen Parlamentspräsidenten ein Bei­spiel nehmen muss und nicht an der Frau Bundespräsidentin in spe, der gegenwärti­gen Parlamentspräsidentin Prammer, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Diese Entwicklung haben Sie mit verursacht, und ich garantiere Ihnen, wenn Sie die­sen Weg beschreiten, meine Damen und Herren von der ÖVP, dann verraten Sie jenes Europaprojekt, über das man gerne diskutieren kann, das ein vernünftiges Europapro­jekt war nach dem Zweiten Weltkrieg. Da kann man dann in der historischen Schatz­kiste von Schuman, von Adenauer und von De Gasperi herumgraben, aber das ist nicht dieses Europa, das die da (in Richtung Grüne) meinen, das ist auch nicht dieses Europa, das die da (in Richtung SPÖ) meinen. Das ist ein anderes Europa, das die meinen.

Die (in Richtung SPÖ und Grüne) meinen ein Europa des Zentralstaates, des Zentralis­mus, des Etatismus und der Steuergeldverschwendung, und da spielen Sie von der ÖVP heute mit! Und das ist der Abgesang der Österreichischen Volkspartei als Eu­ropapartei, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich kann Sie nur auffordern, binden Sie das Volk ein, und dann werden Sie sehen, wie sehr Sie rechtfertigen müssen. Und dann wird nichts überbleiben von dem, was uns heute die Frau Minister vorgetragen hat, weil in Wirklichkeit nichts davon stimmt. (Bei­fall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Hübner.)

11.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Abänderungsantrag, der soeben einge­bracht wurde, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stadler, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1390 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1409 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Text der im Titel genannten Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Nach der Bezeichnung „§2a“ wird der Klammerausdruck „(Verfassungsbestimmung)“ eingefügt.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 35

Begründung:

Die vorliegende Regierungsvorlage weitet mögliche Zahlungsverpflichtungen Öster­reichs auf 21,639190 Mrd. Euro aus. Das sind rund 10 % der österreichischen Staats­schulden, die bereits heute mehr als die im europäischen Pakt für Stabilität festge­schriebene 60-%-Schranke ausmachen. Ein Schlagendwerden dieser Haftungen wür­de also für zukünftige Generationen in Österreich erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf den Abbau des Schuldenberges haben. Derartige Verpflichtungen für zukünftige Generationen sollten daher schon aus Gründen der Generationengerechtigkeit mit einem erhöhten Quorum als verfassungsrechtliche Bestimmung versehen werden und sollte auch die Möglichkeit einer Volksabstimmung über diesen Vorgriff bestehen blei­ben.

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


11.35.47

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, hat vorgestern gemeint, die EU steht vor der größten Herausforderung, die sie jemals erlebt hat.

Die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds, die frühere Ministerin Christine Lagarde, hat vor wenigen Tagen gemeint, die Weltwirtschaft insgesamt driftet in eine gefährliche Phase. Die „Financial Times“ hat geschrieben, die Staatsschuldenkrise nä­hert sich einem dramatischen Höhepunkt.

Meine Damen und Herren! Wer da noch glaubt, dass wir das, was wir heute tun, näm­lich die Erweiterung des Haftungsschirms beschließen, tun, um Griechenland zu retten, der irrt. (Abg. Bucher: Um die Banken zu retten! Die deutschen und französischen Banken!) Das tun wir, um die Stabilität des Euro zu sichern, meine Damen und Her­ren – und der Euro ist unser Geld, das sind unsere Löhne und Gehälter, unsere Pen­sionen, unsere Sparguthaben. – Wir handeln hier sehr egoistisch: Wir handeln für un­ser Geld, meine Damen und Herren, und nicht zur Rettung Griechenlands. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Bucher: Du weißt, dass das ein Un­sinn ist!)

Natürlich kann man jetzt sagen, meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, es hat sich leider – und das ist die wahre Gefahr auch für die Zukunft – die Fi­nanzwirtschaft weltweit völlig entkoppelt von der Realwirtschaft. Jeden Tag werden Mil­liarden, um nicht zu sagen Billionen von Dollar auf Knopfdruck um die Erde gejagt. Und jetzt wird seit Monaten einfach nur getestet. Es wird getestet: Ist Europa in der Lage, ist Europa stark genug, den Euro zu verteidigen, ja oder nein?

Und, meine Damen und Herren, wenn es gelingt, die Euro-Zone auseinanderzudividie­ren, dass Griechenland fällt, dann wird in Zukunft jedes andere Land einzeln gejagt werden: Dann wird Portugal gejagt werden, dann wird Spanien gejagt werden – Gott behüte, dass Italien etwas passiert. Und das Ergebnis ist der Zerfall der Europäischen Union.

Frau Finanzminister Fekter hat das letzte Mal auf den Tisch gelegt, was es bedeuten würde, wenn die Euro-Zone zerfällt, meine Damen und Herren. Sie hat davon gespro­chen, dass der volkswirtschaftliche Schaden in einer Größenordnung von 40 Milliar­den € wäre. Im Deutschen Bundestag – das wurde gestern diskutiert – hat man gesagt,


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wenn die D-Mark wieder käme, würde die D-Mark um 40 Prozent aufgewertet werden, was für die deutsche Exportindustrie, bitte, ein verheerendes Ergebnis wäre. (Ruf bei der ÖVP: Das wäre eine Katastrophe!) Und daher brauchen wir diesen Schutzschirm, daher brauchen wir die Erweiterung.

Und ich stimme völlig zu, bitte: Es ist auch viel wirksamer als bilaterale Kredite! Es ist viel wirksamer, hier einen finanziellen Krisenmanager zu haben. Für mich ist diese Facility eine Vorstufe zum Stabilitätsmechanismus, und der wird eine Vorstufe für einen Europäischen Währungsfonds. Wir brauchen einen solchen europäischen Krisenmana­ger, meine Damen und Herren – für die Stabilität unserer Währung, für die Stabilität unserer Sparguthaben, unserer Pensionen und unserer Löhne und Gehälter, Herr Kol­lege Strache! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Wo stimmen da heute die mutigen ÖVPler dagegen, wie bei der CDU und bei der CSU?)

Natürlich kann man jetzt sagen: Ja, das sind die bösen Spekulanten. – Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen: Die bösen Spekulanten haben nur bei jenen Ländern eine Chance, die ihre Staatsfinanzen nicht in Ordnung haben. Der beste Schutz vor den bösen Spekulanten ist, seine Staatsfinanzen in Ordnung zu haben. (Abg. Bucher: Sind unsere Finanzen in Ordnung?) Und daher sagt die ÖVP und sagt unser Parteiobmann, der Vizekanzler, vollkommen zu Recht, wir brauchen eine verfas­sungsmäßige Schuldenbremse – da, Kollege Stadler, sind wir sehr für eine Verfas­sungsbestimmung, da sind wir sehr dafür (Beifall bei der ÖVP – Abg. Strache: Bis dato habt ihr ja jeden Antrag abgelehnt!) –, aber eine Schuldenbremse nicht dadurch, dass wir neue Steuern einführen, sondern eine Schuldenbremse durch Ausgabendisziplin, durch Sparsamkeit auf der Ausgabenseite, meine Damen und Herren!

Und da wundert es mich schon ein bisschen – das sage ich meinen Kollegen auf der sozialdemokratischen Seite –, dass im Europäischen Parlament vorgestern – Klubob­mann Kopf hat es bereits gesagt – die SPÖ-Mandatare gegen eine Verschärfung des Stabilitätspakts aufgetreten sind.

Das ist eigentlich ein Freibrief für mehr Schuldenmachen! Denn was bis jetzt der Fehler war, meine Damen und Herren – und insofern ist der Euro ein historisches Experiment, nämlich eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik –: dass wir keine Behörde hatten, keine Einrichtung in Brüssel hatten, die Sanktionen ergreifen konnte gegen die Schuldensünder, gegen die Defizitsünder.

Dieses gestern beschlossene Sixpack – diese Maßnahmen zur Erhaltung der Stabili­tät – ist ein wesentlicher Fortschritt. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Daher sagen wir, meine Damen und Herren, auch wir sollten uns ein Beispiel nehmen. Hören wir auf mit dem Märchen, erst die globale Finanzkrise habe die Staatsschulden in die Höhe getrie­ben! – Zwei Zahlen dazu: Wir hatten in Österreich vor der Finanzkrise eine Staats­schuldenquote von rund 60 Prozent, und wir haben jetzt eine von 72 Prozent. Das heißt, die Finanzkrise hat sie um 20 Prozent erhöht, aber 80 Prozent waren schon vor­her da.

Die Linie der ÖVP war immer: Schuldenabbau (Beifall bei der ÖVP – ironische Heiter­keit bei der FPÖ), denn Schulden sind verbrauchte Zukunft. (Abg. Strache: Ihr wart die Schuldenmacher! Seit Jahrzehnten seid ihr die Schuldenmacher!) – Herr Kollege Stra­che, vielleicht könnten wir da einen Schulterschluss machen. Nehmen Sie sich ein Bei­spiel an der Opposition im Deutschen Bundestag, die gezeigt hat, es gibt auch verant­wortungsvolle Opposition (Abg. Strache: Ein paar mutige ÖVPler ... CDU- und CSU-Politiker, wo sind die?), die nicht nur Populismus betreibt, sondern auch mitstimmt bei Maßnahmen, die letztlich im Interesse des Landes sind! Vielleicht können wir uns da­rauf einigen, wenn Sie vom Populismus ein bisschen Abstand nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.41



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 37

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Vilimsky gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


11.41.17

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle vorab die Frage: Wo ist denn unser Bundeskanzler? Wo ist denn der Vizekanzler? (Beifall bei FPÖ und BZÖ.) Heute soll beschlossen werden, dass an die 30 Milliarden aus österreichischen Steuermitteln in Richtung Ägäis gehen, doch we­der der Bundeskanzler noch der Vizekanzler finden es wert, auch nur 5 Minuten hier an der Debatte teilzunehmen, geschweige denn, das Wort zu ergreifen. – Das ist schäbig, das ist verantwortungslos! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.) Von der SPÖ kommt nicht ein­mal Herr Klubobmann Cap hierher ans Rednerpult. Er wagt es nicht, das zu vertei­digen. Nein, Herr Chef-Volkswirt Krainer stellt sich hierher, um diesen verqueren Kurs irgendwie zu argumentieren. (Abg. Schönpass: Das geht Sie nichts an, wer bei uns spricht!) Ich erwarte mir, dass der Bundeskanzler und der Vizekanzler bei dieser Be­schlussfassung heute mit dabei und mit an Bord sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister Fekter hat heute vom Blatt ablesen dürfen. – Damit hat der ganze Murks ja begonnen, als sie uns im Juni dieses Jahres erklärt hat, die Griechenland-Hilfe sei ein großes Geschäft für Österreich. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fek­ter.) Das haben Sie dementiert, Frau Minister, aber ich habe mir die Stelle herausge­sucht, als Sie am 10. Juni dieses Jahres gegenüber dem ORF gesagt haben, das sei ein gutes Geschäft für Österreich. – Mitnichten! Das ist wahrscheinlich jener Schritt, der dazu führen kann, die europäische Währungssituation und den europäischen Wohlstand den Bach hinabgehen zu lassen.

Der Euro, Herr Stummvoll, ist nicht die Erfolgsstory, als die Sie ihn hier verkaufen möchten, und nicht die Welt ist in einer Währungs- und Schuldenkrise, sondern es ste­cken primär die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Krise. Jene Staaten, die sich nicht auf dieses Wahnsinnsexperiment eingelassen ha­ben, ob das Schweden ist, ob Norwegen oder auch Tschechien, haben dieses Pro­blem, das die Europäische Union hat, nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Hören Sie bitte auch auf, über die Exportquote zu reden, denn die Exportquote war im letzten Schilling-Jahr um keinen Deut höher, als das jetzt der Fall ist!

Der slowakische Parlamentspräsident Sulik etwa hat sich mit unserem Obmann Heinz-Christian Strache in Wien getroffen, um als Wegbereiter zu fungieren, um dieses Irr­sinnsexperiment noch irgendwie zu stoppen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich, meine Damen und Herren, wollte ich heute auf etwas Bezug nehmen, das uns allen ein großes Anliegen sein sollte. Werfen wir einen Blick nach Athen! Ich zitiere die heutige Ausgabe der „Financial Times“. Hellenen versperren den Zugang in die Hauptstadt, den Zugang zum Finanzministerium und richten eine Botschaft an die Troika, also an die Vertreter der Kommission, des IWF und der Europäischen Zentral­bank – wie gesagt, ich zitiere –: „Nehmt den Rettungsplan und haut ab!“

Das griechische Volk will diese Hilfe gar nicht, weil es die Situation auch durchblickt hat: Kein einziger Euro geht in die griechische Wirtschaft, in den griechischen Wirt­schaftskreislauf, sondern dieses Volumen dient einzig und allein dazu, die aberwitzigen Spekulationen der Finanz- und Kreditwirtschaft, die den Rachen nicht voll genug be­kommen hat und in den Anleihenmarkt gegangen ist, also diese Anleihen abzusichern. Sie als Sozialdemokraten sollten sich wirklich einmal selbst an die Kandare nehmen, dass Sie heute Wegbereiter für genau diese Kreditwirtschaft, für diese Finanzwirt­schaft, für diesen aberwitzigen Plan sind (Abg. Strache: Es werden die Millionäre be­dient!), wonach kein Euro irgendeinem Bürger in Europa zugutekommt, sondern womit nichts anderes gemacht wird, als diese Wahnsinnsspekulationen abzusichern. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 38

Griechenland ist eine der Quellen der Demokratie in Europa – neben Island, wo das äl­teste Parlament dieser Welt steht –, und nicht einmal die Griechen werden befragt. Ich sage Ihnen eines: Griechenland ist heute in einer Situation, in der es ohne den Euro nie wäre. Ganz Südeuropa ist durch den Euro kaputtgemacht worden. Die ehemaligen Hartwährungsländer der Europäischen Union gehen heute in einem Weichwäh­rungssumpf unter. – Das ist das Ergebnis dieser Europäischen Unionspolitik! (Beifall bei der FPÖ.)

Man sollte zumindest in Österreich eine Volksabstimmung sichern. Die Griechen dür­fen das nicht, die Österreicher dürfen das nicht – was ist das für ein Europa? Da kom­men drei Repräsentanten, Herr Trichet, vielleicht bald Draghi, von der Europäischen Zentralbank, Herr Barroso von der Europäischen Kommission und Frau Lagarde vom IWF, und diese drei bestimmen. Nie wurde irgendjemand dieser drei Personen demo­kratisch legitimiert, darüber zu befinden, ob Griechenland einen Kredit nehmen muss – den es gar nicht will! – und Länder wie Österreich dafür zahlen sollen, obwohl Öster­reich gar nicht kann, es überfordert wird.

Dieses Europa hat längst den Weg der Demokratie verlassen, wird bestimmt von Per­sonen, die überhaupt nie irgendwo demokratisch legitimiert worden sind. Damit geht unser ganzer Wohlstand mit den Bach hinunter.

Das Aberwitzigste an der ganzen Geschichte ist: Am Montag wird die Frau Finanzmi­nisterin darüber verhandeln dürfen, diesen Rettungsschirm in Brüssel mit einem fünffa­chen Hebel zu versehen. Das heißt, die Summe, die beschlossen werden soll, soll nach der Methode des Casino-Kapitalismus mit einem fünffachen Hebel versehen wer­den. Und dieser fünffache Hebel bedeutet auf der anderen Seite nichts anderes, als dafür das fünffache Risiko in Anspruch zu nehmen.

Ich glaube, die Europäische Union geht den falschen Weg. Sie hat die Demokratie ver­lassen. Sie trägt den Wohlstand Zug um Zug zu Grabe. Sie ist eine Europäische Union geworden, die ohne die Bürger abläuft, in der das politische Establishment nur mehr darauf schaut, die Kredit- und Finanzwirtschaft mit ihren Spekulationsgeschäften ir­gendwie abzusichern. – Binden Sie die Österreicher bitte mit ein! Verwehren Sie nicht Ihre Zustimmung für eine Volksabstimmung! Da geht es nicht nur um diese Mittel, die Österreich Ihrer Meinung nach heute bereitstellen muss, sondern es geht auch um un­sere Demokratie. Das, ersuche ich Sie, nicht leichtfertig auf die Schulter zu nehmen! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Ursula Haubner.)

11.47

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Stefan hat sich zur Ge­schäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.47.41

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsiden­tin! Ich stelle den Antrag im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dass der Bundeskanzler an diesen Verhandlungen teilnimmt. Es ist tatsächlich eine der ent­scheidendsten Verhandlungen und Abstimmungen, die wir heute durchführen, daher wäre es sehr sinnvoll, dass er hier ist. Ich stelle, wie gesagt, einen entsprechenden An­trag und bitte, sofort darüber abzustimmen. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

11.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Kogler erhält das Wort zur Geschäftsbehandlung. – Bitte. (Abg. Dr. Graf: Zeit gewinnen! Geh bitte!)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 39

11.48.18

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Das Ansinnen ist richtig und zutreffend. Es ist auffällig, dass die Bundesregie­rung heute nur in Person der Frau Finanzministerin mit der Verlesung einer zugegebe­nermaßen relativ dürren Erklärung aufgetreten ist und dass es die Bundesregierung war, die dem Parlament die Unterlagen für den Beschluss vorenthalten hat, die wir dann erkämpft haben. Bei aller Unterschiedlichkeit in der Sache selbst – das Anliegen ist richtig, dass in dieser Sache der Bundeskanzler nicht nur anwesend sein soll, son­dern man eigentlich auch erwarten darf, dass er das Wort ergreift. (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

11.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich lasse über den gestellten Antrag gemäß § 18 Abs. 3 abstimmen.

Wer dem Verlangen die Zustimmung gibt, dass der Herr Bundeskanzler an der Sitzung teilzunehmen hat, möge ein Zeichen geben. – Das ist mehrheitlich abgelehnt. (Abg. Strache: Das ist wieder einmal typisch! Ein Trauerspiel! 30 Milliarden €, und der Bun­deskanzler putzt sich ab! – Abg. Dr. Strutz: Das ist eine Missachtung des Parlaments!)

*****

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


11.49.43

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich mich bei jenen Zuschauerinnen und Zu­schauern, die der Debatte von Beginn an folgen, entschuldigen. (Abg. Ursula Haub­ner: Das ist jetzt aber peinlich!) Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass in diesem Haus Abgeordnete sitzen, die sich nicht an die einfachsten Formen der Kommunikation halten und die dieses Haus in Wahrheit für einen Stil missbrauchen, der dieses Hauses nicht würdig ist. (Abg. Kickl: Entschuldigen Sie sich lieber dafür, dass der Bundes­kanzler nicht da ist!) Ich entschuldige mich, und ich schäme mich fremd für diese Per­sonen! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren, worum geht es eigentlich in dieser Debatte? – Im Wesentli­chen debattieren wir im Parlament darüber, was die einzelnen Vertreterinnen und Ver­treter für das Beste für die Menschen in unserem Land Österreich halten. Darum han­delt sich grundsätzlich die Debatte, und da gibt es eben unterschiedliche Zugänge und Ansätze, auch innerhalb der Koalition.

Wenn Kollege Kopf von der ÖVP die Schuldenkrise als Ausgangspunkt sieht, dann übersieht er, dass eigentlich die Finanzkrise der ausschlaggebende Punkt war, warum viele Länder in der Eurozone heute so dastehen. Und die Finanzkrise, meine Damen und Herren, ist nicht von einzelnen Staaten oder deren Bürgern und Bürgerinnen aus­gelöst worden, sondern von den Finanzmärkten. Das sollten wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen.

Da im Zusammenhang mit dem Thema Sparen – die Sparbremse ist ja auch heute schon angesprochen worden – immer wieder sozialstaatliche Einrichtungen in Frage gestellt und hinterfragt werden – Kollege Kopf hat auch ein paar Punkte ange­sprochen –, ist es mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen und die Tatsache zu betonen, dass es gerade das sozialstaatliche Prinzip in Österreich war, das einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass wir in Österreich die Finanzkrise besser als viele ande­re Staaten überstanden haben. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 40

Durch die Stabilität des Sozialstaates konnte in Zeiten des Exportrückgangs die Kauf­kraft der Bevölkerung erhalten und damit vor allem die Inlandswirtschaft gestützt wer­den. Die Lage in der Eurozone ist zu ernst, um damit billige Polemik zu betreiben. Ab­geordneter Vilimsky von der FPÖ hat hier sehr offen gesagt, dass es ihnen gar nicht um den Euro-Schutzschirm geht, sondern darum, eine Abstimmung, die in Österreich gemacht worden ist, nämlich zum Beitritt zur EU, in Frage zu stellen.

Herr Abgeordneter Vilimsky, Sie haben sehr wenig über den Euro gesagt, aber sehr viel über die EU, die Sie kritisiert haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.) Na­türlich, man kann durchaus kritisieren, aber diese Frage jetzt quasi als Ausrede zu neh­men und in Wirklichkeit eine andere politische Absicht damit zu verbinden, das halte ich für falsch. Da sollten Sie den Menschen reinen Wein einschenken und nicht vortäu­schen, es ginge Ihnen um den Euro-Schutzschirm. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Teilnahme am Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz dient ja in erster Linie zur Sta­bilisierung des Zahlungsbilanzungleichgewichtes in jenen Ländern, mit denen wir wirt­schaftlich sehr eng verflochten sind. Da geht es natürlich vor allem um Österreich, mei­ne Damen und Herren. Kollege Krainer hat in seinem Debattenbeitrag darauf hingewie­sen, dass wir schon einmal Spekulationen ausgesetzt waren, wonach 1 Prozent mehr Zinsen 2 Milliarden € mehr gekostet hätten.

Wenn wir nun den Euro-Schutzschirm erweitern, so geht es indirekt und langfristig um unsere Währung, also um unser Geld, meine Damen und Herren. Der Euro ist ja nicht irgendetwas, sondern seit rund zehn Jahren das Geld, mit dem wir in Österreich be­zahlen, die Währung, in der unsere Pensionen bezogen werden, das Geld, mit dem wir leben und arbeiten.

Der Euro hat sich in kürzester Zeit als zweitwichtigste Währung der Welt etabliert. Die Oesterreichische Nationalbank geht davon aus, dass eine halbe Million Österreicherin­nen und Österreicher im Umfeld des Exportes in die Eurowirtschaft beschäftigt sind. Daher frage ich mich: Was wollen Sie von BZÖ und FPÖ eigentlich mit Ihren ganzen Absichten? Wollen Sie einen Austritt Österreichs aus der Eurozone, der, wie Sie wis­sen, rechtlich gar nicht vorgesehen und daher gar nicht möglich ist? (Abg. Kickl: Las­sen Sie einmal die Bevölkerung abstimmen! Lassen Sie abstimmen!) Oder wollen Sie Griechenland in die Pleite gehen lassen?  Wir haben ja gesehen, was die Insolvenz von Lehman Brothers für die globale Wirtschaft und damit auch für Österreich bedeutet hat; wir waren ja letzten Endes auch von dieser Finanzkrise betroffen.

Meine Damen und Herren von FPÖ und BZÖ, Ihre Argumente sind in Wahrheit ein fi­nanzpolitischer Giftmix und kein Rezept für eine positive Wirtschaftspolitik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Wenn Sie so gute Argumente haben, lassen Sie die Bevölke­rung abstimmen!) Positive Vorstellungen oder gar Vorschläge dazu gibt es von Ihnen bedauerlicherweise nicht.

Frau Bundesministerin, natürlich – ich habe das hier schon gesagt und möchte das nun wiederholen – ist Kontrolle wichtig. Wichtig sind weitere Sparmaßnahmen, und wichtig ist auch, dass Griechenland viele Dinge im eigenen Staat umstellt, aber, Frau Bundes­ministerin Fekter, bitte setzen Sie sich auch dafür ein, dass auch in Griechenland kon­junkturfördernde und damit wachstumsbelebende Maßnahmen initiiert werden können; das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang.

Ich habe mir gestern im Fernsehen diese Debatte im Deutschen Bundestag angesehen und mich sehr darüber gefreut, dass auch konservative Kreise endlich die Erfahrung mitgenommen und sich auch öffentlich dazu bekannt haben, dass es notwendig ist, dass der Finanzmarkt reguliert werden muss. Ich freue mich über das öffentliche Be­kenntnis zur Finanztransaktionssteuer, aber, meine Damen und Herren, natürlich ge­hört der Finanzsektor in all seinen Ausprägungen auch stärker zur Verantwortung ge­zogen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 41

Ich glaube, wenn das eine Erfahrung wäre, die wir alle hier in diesem Haus teilen wür­den, dann könnten wir schon ein großes Stück weiterkommen – im Sinne der Bevöl­kerung.

Letzten Endes lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Es geht immer auch um Vertei­lungsgerechtigkeit, wenn wir von Stabilisierung und Stabilität reden, aber es geht auch um eine Politik des Handelns, die gefragt ist – und dazu gehört, die uns übertragene Verantwortung wahrzunehmen. Wir sind dazu bereit, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der SPÖ.)

11.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort. – Bitte.

 


11.56.16

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Werte Herrschaften auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 29 Milliarden €, ja fast 30 Milliarden €, inklusive Zinsen, dürfen es sein – und mit dem kommenden Ver­trag wird dieser Betrag noch überschritten. Viele Menschen können mit diesen Beträ­gen, mit diesen vielen Nullen – nicht die auf der Regierungsbank (Hallo-Rufe bei der ÖVP), sondern die in den Zahlen – nichts mehr anfangen. (Beifall beim BZÖ.)

Um das deutlich zu machen: Wir nähern uns einem Betrag, den wir nun den Griechen zur Verfügung stellen, der mittlerweile fast genauso hoch ist wie das Gesamteinkom­mensteueraufkommen aller Österreicherinnen und Österreicher in einem Jahr. Das heißt, alle Österreicherinnen und Österreicher könnten ein Jahr lang, ohne Steuern zu bezahlen, nahezu brutto für netto verdienen. (Abg. Krainer: Aber das stimmt nicht! Das ist unwahr!)

Das ist ein Vergleich, anhand dessen jeder sehen kann, was diese Regierung heute anstellt, wie sie das Volksvermögen der Österreicherinnen und Österreicher ver­schleudert und die Steuerzahler hintergeht! (Abg. Krainer: Das stimmt nicht!) Das ist die Wahrheit über diesen neuerlichen Rettungsschirm heute! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Krainer: Was hat das damit zu tun?)

Ich meine überhaupt, dass das Wort „Rettungsschirm“ gute Chancen hat, zum Un­wort des Jahres gewählt zu werden. An sich ist das ja ein positiv besetztes Wort, aber dieser „Euro-Rettungsschirm“ hält ja schon lange nicht mehr, weil der Schuldensturm nicht nur Griechenland erfasst, sondern mittlerweile auch alle Länder, die da einzahlen, die sich verschulden und die Schuld auf immer mehr Generationen verteilen, auch auf nächste Politikergenerationen; aber da werden Sie alle nicht mehr hier sein.

Über Sie von der ÖVP mache ich mir ohnehin keine Sorgen, denn Sie werden bei der nächsten Nationalratswahl abgewählt werden, dass sich die Balken biegen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Rädler.) Ich kann Ihnen nur sagen: Die nassen Fetzen sind schon bereitgelegt. Und weil Sie da hinten lachen: Ich werde Sie an Ihr Lachen bei der nächs­ten Nationalratswahl erinnern. Die österreichische Bevölkerung wird ein gerechtes Ur­teil sprechen und Sie in die Wüste schicken, dessen können Sie sich sicher sein. (Bei­fall beim BZÖ.)

Dieser ganze „Euro-Rettungsschirm“ erfolgt ohne Beteiligung der Bürger und noch dazu ohne Volksabstimmung – und das ist das Entscheidende. Da schiebt diese Koalition so mir nichts dir nichts 30 Milliarden € gen Süden! Wie weltfremd, wie abge­hoben, wie bürgerfern und zukunftslos regieren Sie denn? In einer Zeit, in der die Men­schen ohnehin kein Geld mehr haben, in der die Gebühren steigen, die Steuern stei­gen, die Realeinkommen sinken, in einer Zeit, in der alles teurer wird, wollen Sie den Menschen erklären: Wir haben 30 Milliarden €, die schicken wir einfach nach Griechen­


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land!? – Das, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, glaubt Ihnen doch nie­mand!

Sie wissen es ohnehin: Sie regieren schon lange gegen das Volk. Das alles wollen Sie aber nicht wahrhaben, weil Sie unter der Knute der EU stehen und weil Sie vor dieser lieber buckeln, als für die Menschen eine Politik zu machen, die diesen hilft. Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Jetzt zu Ihnen von den Grünen – die meisten von Ihnen sind ohnehin schwarz geklei­det –, zum Ableben der Grünen Österreichs: Ab heute ist es aus, Schluss, vorbei! Die Grünen haben fertig. Deren Frontfrau in der ersten Reihe ist bereits in Schwarz ge­kleidet. Die Partei der Grünen, entstanden aus der Bürgerinitiative, wird heute zum Feind der direkten Demokratie. Die grüne Bewegung, die sich so gerne jugendlich gibt und für die Jugend da sein will, beschließt heute die größte Schuldenlast in der Ge­schichte unseres Landes für die nächste Generation mit! Da machen Sie mit! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, sind heute Beitragstäter, und zwar nicht nur aufgrund des Zwanges der grünen Internationale, sondern es stellt sich da ja auch die Frage: Was bekommt ihr denn wieder dafür? Noch ein Posterl? Van der Bellen II? Wird Herr Kogler Universitätsbeauftragter in Graz für 250 000 €?

Ich weiß nicht, was ihr euch da ausgepackelt habt mit Rot und Schwarz, aber man muss schon vergleichen, welche grüne Mannschaft hier vor einigen Jahrzehnten einge­zogen ist: eine Freda Meissner-Blau, ein Günther Nenning, ein Fux, ein Wabl. Ihr seid damals als Tiger losgesprungen und landet heute als Bettvorleger vor Rot-Schwarz. Das ist die Wahrheit! (Beifall beim BZÖ.)

Ihr seid zu nichts mehr zu gebrauchen in der Politik. Das Einzige, was ihr erreichen wollt, ist das Ticket für die nächste Regierungsbeteiligung. Dafür opfert ihr eure Grund­sätze am Altar von Rot und Schwarz. (Abg. Dr. Strutz: Das stimmt!) Dieses Regie­rungsticket – und da könnt ihr Gift drauf nehmen – bekommt ihr nie und nimmer, weil die Bevölkerung, und zwar eure Wähler, euch dieses Ticket wieder aus der Hand neh­men wird  weil ihr Systempartei geworden seid, weil ihr in Wahrheit Schoßhündchen von Rot und Schwarz geworden seid, wird euch der Wähler dieses Ticket wieder weg­nehmen. (Beifall beim BZÖ.)

Mit dem heutigen Kotau, mit dem heutigen Bauchfleck, für 30 Milliarden € aber gegen eine Volksabstimmung zu stimmen (Zwischenruf des Abg. Mag. Steinhauser), habt ihr eure Begräbnisglocken bereits selber in Gang gebracht und schreibt auf euer Grab mit Tinte rot: Der Wählerverrat war euer Tod! (Präsident Neugebauer übernimmt den Vor­sitz.)

Es wird niemanden von euren eigenen Wählern geben, der euch dafür Beileid wünscht. Alles Gute! Gute Nacht, liebe Grüne! (Beifall beim BZÖ.)

12.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


12.01.36

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Verbliebener Teil auf der Regierungsbank! (Abg. Mag. Stadler: Du bist auch so schwarz angezogen!) Also eines dürfen wir schon festhalten: Man hat schon fast den Eindruck, als ob die Regierung in dieser Frage abgedankt hätte. (Abg. Ing. Westen­thaler: Seid eh ihr da!) – Ja, wir sind auch deshalb da, weil wir eine Überzeugung ha­ben und weil wir dafür kämpfen. Ich werde es Ihnen nach Ihrem Auftritt eher nicht mehr erklären. (Beifall bei den Grünen.)


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Aber vielen anderen werden wir es noch erklären – beziehungsweise viele andere ha­ben schon längst kapiert, dass das mit Ihrer Klein-Geisterei und Klein-Staaterei nir­gends hinführt außer zu dieser Polemik am Rednerpult. Aber Sie sind eh ein begna­deter Kabarettist. Lassen wir es dort!

Kommen wir zur Bundesregierung – die Sache ist viel ernster –, die im Wesentlichen nicht da ist. Bei allem Respekt, Frau Finanzministerin, das war ein relatives dürres Kommuniqué, das Sie hier vorgelesen haben. Möglicherweise ist Ihnen dabei nicht ein­mal aufgefallen, dass das ein anderer Text war als jener, den Sie vor acht Wochen vor­gelesen haben. Das geht sich auch nicht aus am Schluss.

Ich und die Grüne Fraktion, wir würden uns schon erwarten, dass die Regierung anwe­send ist, wenn derart wichtige Dinge zur Abstimmung und zur Beratung stehen, wobei das Hintergrundleuchten entscheidender ist als die Abstimmung, die wir heute hier durchführen, denn da geht es um eine Haftungsausweitung. (Abg. Mag. Stadler – auf Bundesministerin Dr. Fekter weisend, die mit Staatssekretär Kurz spricht –: Sie hört Ih­nen nicht einmal zu!) Ich werde es euch dann noch erklären. Für diese apokalyptischen Panikattacken, die das BZÖ da befallen, besteht ja überhaupt kein Grund.

Aber es ist natürlich eine entscheidende Phase in der Debatte. Und das Parlament heißt nicht umsonst Parlament: Da stellt man sich her, da diskutiert man etwas aus – und schreit im Übrigen nicht dauernd dazwischen – und nimmt Stellung.

Jetzt hat die Regierung in Österreich laut Verfassung ohnehin so viele Privilegien – auch hier im Haus –, aber dann, wenn es darauf ankommt, ist sie nicht da und steht nicht Rede und Antwort. Ich finde das wirklich sehr enttäuschend. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Na gut! Es gibt ja einiges zu sagen. Ich meine, beim Herrn Bundeskanzler weiß man es ja auch nicht wirklich. Wir – Alexander Van der Bellen, Eva Glawischnig und ich – ha­ben ja aus dem Grund auch direkt Kontakt mit der Euro-Gruppe aufgenommen, mit Jean-Claude Juncker (Abg. Vilimsky: Wow!), weil es nicht mehr ganz klar ist, welche Position Österreich in Brüssel in den Verhandlungen überhaupt vertritt, wenn es um et­was geht. Der Befund lautet aus unserer Sicht, dass zumindest eine gewisse Haltungs­losigkeit und Orientierungslosigkeit vorherrscht. Ich weiß ja nicht, was wofür ursächlich ist.

Aber aus unserer Sichtweise sind einige Dinge völlig klar: Ja, es gibt ein paar Krisen, aber die sind bewältigbar. Wir wollen nichts schönreden. Es ist ja nicht so, dass das, was BZÖ und FPÖ sagen, alles falsch ist – ganz im Gegenteil –, nur die Konsequen­zen sind möglicherweise andere. Nämlich 2 Prozent – im Übrigen der Wirtschaftsleis­tung des Euro-Raums, nicht einmal der Union! –, wenn die ausreichen sollen, um die ganze Weltwirtschaft in den Abgrund zu stürzen, dann stimmt ja etwas mit dem System nicht, wenn es so sein soll. Und so schlimm ist es ja auch gar nicht. So schlimm ist es ja gar nicht!

Natürlich gibt es Lösungen und Auswege. Aber jetzt, meine Damen und Herren – ich sage jetzt nicht das, was Herr Klubobmann Kopf gesagt hat, von den jeweils rechten Sektoren hier drinnen –: Es ist naiv und völlig undenkbar, dass diese Krisen auf der Ebene von Österreich, von Malta, von Zypern, ja selbst von Deutschland alleine gelöst werden können. Das ist ein Hirngespinst, das Sie hier vertreten. Sagen Sie dazu ein­mal irgendetwas! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Diese Krise – sofern sie eine ist, und wir halten sie wirklich für bewältigbar – ist eine, die immerhin so groß ist, dass sie nur transnational gelöst werden kann, das heißt, auf europäischer Ebene und im europäischen Währungsraum, mindestens unter Beteili­gung der Euro 17, am besten unter Beteiligung der EU 27. Ja, no na net! Hätten wir die Union nicht an dieser Stelle, dann hätten wir die gleichen Krisen – und ohne Union wä­


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ren sie sogar stärker! Aber bitte: Da müssten wir jetzt die Union erfinden und sie nicht aus billigem Populismus schlechtreden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt kann man natürlich über die Instrumente reden, die hier Platz greifen sollen. Na, selbstverständlich! Wir hatten hier auch eine andere Meinung als die Bundesregierung. (Abg. Dr. Hübner: Aber ihr stimmt trotzdem zu!) Nur zur Erinnerung im Übrigen, weil hier darf ja völlig unbewiesen und ungestraft behauptet werden, wer aller für irgendet­was oder gegen etwas ist: Vor einem Jahr ist hier – zur Erinnerung für den Vorredner – das Griechenland-Paket beschlossen worden. Wir diskutieren und beschließen heute ja ganz etwas anderes. Die Herrschaften kennen sich nicht einmal aus, aber umso lau­ter schreien sie. Das Griechenland-Paket haben wir voriges Jahr beschlossen. Wir hatten damals eine andere Haltung als die Bundesregierung – nur zur Erinnerung. Aber es geht in der Grundsatzfrage darum, einmal zu erkennen, wo die Instrumente überhaupt anzusiedeln sind. Darum geht es mir jetzt, bevor wir zu den Details kom­men.

Es ist doch ganz klar, wenn Großkonzerne – und jetzt übernehme ich das Wort –, die bösen Finanzspekulanten – und ich glaube auch, dass es so etwas wie Spekulation natürlich gibt –, wenn diejenigen, die Vermögen haben und auch viel herborgen kön­nen, dann dafür Zinsen, und möglicherweise zu viele Zinsen, kassieren und dann wir alle haften sollen, wir europäischen Steuerzahler, dann stimmt da etwas auf die Dauer und im Durchschnitt nicht. Das ist doch völlig klar. Das ist auch unsere Analyse.

Aber eines ist auch klar: Das kann man nur mehr bekämpfen, wenn sich die Staaten zusammentun. Das ist doch der entscheidende Punkt. Drehen Sie das einfach einmal um! Wenn jeder Staat für sich vor sich hinmurkst, mit seiner eigenen kleinen Wäh­rungsschatulle, dann ist doch die Anfälligkeit jener im System gegenüber, das die meisten zumindest vorgeben, hier bekämpfen zu wollen, erst recht anfällig und diese Sache ist mithin aussichtslos. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn es überhaupt gelingen kann, dann brauchen wir den Verbund. Das heißt noch nicht, dass es gelingen wird, denn ich würde jenen völlig recht geben, die sagen, dass wir nichts davon haben, wenn wir dauernd das hohe Europalied besingen, das, was die Union schon geleistet hat, dass es keine Kriege mehr gibt. So richtig und wahr das alles ist, dass das alleine für die Krisenbekämpfung natürlich nicht ausreicht, ist klar, denn diese politischen Institutionen, die die Union geschaffen hat, oder – jetzt von mir aus – diese EU 17-Verträge wie EFSF, ESM und so weiter, müssen auch die Ins­trumente der Politik – in dem Fall der Währungs- und Wirtschaftspolitik – so wählen, dass das dann passiert.

Ob das so ist, wissen wir nicht. Aber es ist eine Voraussetzung, um die Krise zu be­kämpfen. Es ist eine Voraussetzung, und deshalb muss man in der Folge darum kämp­fen – wie sonst in Demokratien auch –, dass es in diese Richtung geht. Und da gibt es dann ideologische Unterschiede zwischen hier und da und dort.

Ich meine, es kann halt in einer Demokratie nicht alles gleich funktionieren. Da muss es Abstimmungsprozesse geben und deshalb wird und muss es natürlich auch – und da komme ich schon zum Punkt unserer Kritik und unserer Verbesserungsvorschläge in der Folge – sehr wohl diese Rückkoppelungen geben. Auf die Dauer kann es nicht so bleiben, wie es jetzt organisiert ist. Da würde ich völlig zustimmen.

Es kann nicht sein, dass diese Lösungen, über die wir heute hier debattieren, ständig neben den Unionsverträgen konstruiert werden, vorbei am Europäischen Parlament. Langfristig wird dort die demokratische Rückkoppelung für diese Instrumente notwen­dig sein, na, selbstverständlich! (Beifall bei den Grünen.)

In unserer Welt ist das natürlich notwendig, sinnvoll, aber jedenfalls logisch. Wenn ich schon so viel Logik vermissen darf bei den anderen, so möchte ich selber möglichst


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 45

konsistent bleiben. Warum? – Weil natürlich die europäischen Institutionen auch nicht abgehoben und für sich arbeiten können. Und momentan ist das Europäische Parla­ment natürlich völlig aus diesen Dingen rausgekickt. Dieser Befund ist richtig. Deshalb kämpfen wir ja dafür, dass solange hin die nationalen Parlamente eine stärkere Rolle spielen. (Abg. Mag. Stadler: Das sind alles Argumente gegen eine Zustimmung! Wa­rum stimmt ihr zu?)

Und gerade in Österreich ist das sinnvoll und richtig – ich komme jetzt zum nächsten Punkt –, weil die Bundesregierung bisher sehr viel vermissen hat lassen. Ja, es ist so­gar so weit gegangen, dass die Abgeordneten des Nationalrats nicht einmal den Ver­trag hätten bekommen sollen, über den hier ja abgestimmt wird.

Gehen wir die Dinge einmal kurz durch! Es ist ja nicht so aufregend. Voriges Jahr ist ein Haftungsschirm beschlossen worden. Ich verstehe überhaupt nicht, warum heuer eine Volksabstimmung organisiert werden soll, wenn wir hier eine Novelle vornehmen, die nichts anderes macht, als den Haftungsrahmen um ein Drittel auszuweiten. Und das auch nur deshalb, damit die Kreditmasse, um die es geht, die allenfalls weiterge­reicht werden kann, gleich hoch bleiben kann, aber zu viel billigeren Konditionen.

Das erklärt ja niemand von der Bundesregierung. Ich verstehe das überhaupt nicht. Das ist ja, wenn der EFSF sinnvoll ist, jetzt ein sinnvoller Zusatzschritt. Entweder sind Sie dagegen oder Sie sind dafür und dann erklären Sie einmal die Vorteile! Aber der Vorteil an der Stelle wäre ja, dass das Gleiche, was bis jetzt war, durch eine Auswei­tung der Haftung passiert. Das heißt ja nicht Zahlung. Ich verstehe überhaupt nicht, dass man das hier alles so dahererzählen kann, ohne dass von der Regierung jemand eingreift. Es handelt sich um Haftungen und um keine Zahlungen.

Diese Haftungsausweitung wird dazu führen, dass das, worum es eigentlich geht – und diese Summe erhöht sich nicht –, billiger zu organisieren ist und damit für die europäi­schen Steuerzahler billiger ist. Sollte das Geld denn überhaupt in die Ziehung genom­men werden, kann es auch billiger an diese Krisenregionen weitergereicht werden. Das ist doch etwas Sinnvolles, um Gottes Willen! (Beifall bei den Grünen sowie der Abge­ordneten Tamandl und Mag. Gaßner.)

Es werden auch die Instrumente in diesem Werk verbessert. Der zugrundeliegende Vertrag ist ja abgeändert worden. Die Instrumente werden dorthin verbessert, dass überhaupt erst denkbar ist – nicht optimal, wir wollen etwas ganz anderes für die Zu­kunft –, dass das organisiert werden kann, wofür wir auch sind, dass nämlich Banken und private Gläubiger, die zuvor verdient haben, noch in die Pflicht genommen werden können. Das wird im Fall Griechenland schon ziemlich bald wurscht sein, weil sie alle rausgegangen sind, weil wir das voriges Jahr nicht organisiert haben. Wir wollten es anders – aber bitte schön, nicht die Grünen dafür verantwortlich machen!

Aber man muss auch Verständnis für die europäischen Regierungen haben, dass das ohne geregeltes Verfahren eben sehr schwierig zu organisieren ist. Wir haben ja alle leicht reden hier heraußen. In der Praxis ist es nicht so einfach. Und dieses Instrument fehlt noch. Das soll im neuen Rettungsschirm enthalten sein. Dafür werden wir auch kämpfen. Darauf können Sie sich verlassen.

Aber als Voraussetzung, dass jetzt eine Pleite Griechenlands kommt, also 50 Prozent Schuldenerlass mit ein paar Begleitmaßnahmen, womit den Griechen und auch der eu­ropäischen Solidargemeinschaft geholfen wäre, das so zu organisieren oder so zu den­ken, da gibt es verschiedene Wege. Das braucht überhaupt die Voraussetzung solcher Instrumente. Es muss ja irgendwo ein Haftungsrahmen da sein, dass das abgewickelt werden kann. Es muss ja irgendjemand etwas tun können. Es wäre jetzt zum Beispiel die Möglichkeit – das ist neu in diesem Vertrag –, dass die wenigen, die verblieben sind, mehr oder weniger in einen Tausch hineingedrängt werden, sagen wir die Bank X


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und Y, dass sie zur Hälfte gegen ein Papier des EFSF umtauschen, das dann aber si­cher ist. Am Schluss ist es billig, es ist allen geholfen, und dieser Schuldenschnitt wäre an der Stelle organisiert – wenn man das so will.

Man kann es auch anders machen. Aber sich hier herzustellen, keine Lösung zu bie­ten, nur von 30 Milliarden € herumzuplärren, die einen bloßen Haftungsrahmen darstel­len, das ist zu wenig.

Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Ihr Weg – ich weiß ja nicht genau, welcher das ist, aber die Verdachtslage befällt uns ja –, es auf einen ungeordneten Crash-Konkurs ankommen zu lassen, so über Nacht, und dann noch einmal zu schauen, was passiert, und sie im Übrigen noch vorgestern aus der Währungsunion hinausgeschmissen ha­ben, ja, glauben Sie, dass das billiger ist?  Das ist doch am Schluss noch viel teurer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich pflichte Ihnen bei, dass es so nicht bleiben kann, dass sich das Finanzsystem so organisiert  in den ganzen Malaisen, die die Staaten aber schon auch selber mitverur­sacht haben. Also bitte schön, nicht naiv sein! Die Ineffizienz in Griechenland sucht ih­resgleichen. Aber dass dann noch daran verdient wird, statt dass saniert wird, ist ja nun wirklich nicht einzusehen. Das müssen wir umstellen, aber dazu brauchen wir die Instrumente in der Hand. Jetzt haben wir ein bescheidenes, die zukünftigen müssen besser werden.

Das ist der Grund für unsere Zustimmung hier und heute, weil es erstens besser ist, weil es solidarischer, gerechter, und vor allem wirtschaftlich vernünftiger ist, auch wenn die Vernunft bei Ihnen keine Kategorie mehr ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

An der Stelle sei zusammengefasst: Das, was am wenigsten kostet und am meisten bringt, soll man tun. Apropos Kosten sage ich Ihnen jetzt noch etwas, weil ausgerech­net ein Hypo-Verteidigungsversuch gestartet wurde, das kann nicht ganz unkommen­tiert bleiben: Für die Hypo Kärnten hat es tatsächlich Geld gegeben, nicht bloß Haftun­gen. 1,5 Milliarden € sind drinnen, und die sind weg. Eine weitere Milliarde kommt da­zu, die wird genauso weg sein. Das ist um ein Vielfaches mehr, als der österreichische Steuerzahler für Griechenland jemals wird zahlen müssen! Trotzdem ist es gemacht worden. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Deshalb sollten Sie da ein bisschen leisertreten und die Regierung ein bisschen lauter und selbstbewusster auftreten, wenn es sie denn noch gibt. (Abg. Dr. Graf: Was ist mit der Kommunalkredit? BAWAG?) Aber wenn das BZÖ findet, dass wir uns da anschi­cken, dabei sein zu wollen, dann sage ich, na ja, bei der Performance wäre es wahr­scheinlich für Österreich gut, wenn die Grünen mehr zu reden hätten. Mir geht da wirk­lich die Glaubwürdigkeit, die Kraft und die Vernunft ab. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Volksabstimmung ein paar Argumente zum Schluss. Ich will ja auch dazu nicht schweigen. Das ist ein simples Einfachgesetz, das wir hier als Novelle machen, da ist von Volksabstimmung keine Rede. Da geht es um die Ausweitung um ein Drittel.
Und wenn die Völker befragt werden sollen – und ich bin ganz bewusst bei diesem Be­griff –, wenn es um derart relevante Fragen geht, dann wird es für die Europäische Uni­on und für die Rettung des Euro sehr wohl von Interesse sein, was die Bevölkerung da­zu sagt. (Abg. Mag. Stadler: Ah, da schau her!) Ich pflichte Ihnen völlig bei, dass das so nicht weitergehen kann, dass immer mehr der Eindruck entsteht, dass da völlig ent­koppelte, abgehobene, nicht legitimierte Organe auf die Dauer herumfuhrwerken. Ja! Aber eine solche Volksabstimmung sollte man aus Gerechtigkeits- und aus sinnvollen Gründen europaweit organisieren, weil es um europäische Fragen geht. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht nicht mehr um Malta und um Zypern. Wo kommen wir denn da hin, wenn in Malta in der innenpolitischen Debatte irgendetwas schiefläuft, dass die ganze Europäi­


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sche Union eine Kehrtwende machen muss und sich am Globus überhaupt alles ganz anders drehen muss?! Vielleicht machen wir noch eine Volksabstimmung über die Erd­rotation! Das geht so nicht! Die Probleme müssen auf der Ebene gelöst werden, auf die sie gehören.

Das ist genau der Unterschied. Das ist der Sinn und der Nutzen einer europäischen Ei­nigung. Und da kann man dafür oder dagegen sein. Wenn Sie dagegen sind, sind Sie logisch konsistent. Wir sind dafür, weil es etwas hilft und etwas bringt – das ist der Grund – und nicht aus irgendwelchen Nostalgien heraus.

Deshalb sollten Sie nicht nur heute und hier Ihre Argumente ein bisschen überdenken, sondern auch für die Zukunft. Und für die Zukunft sage ich Ihnen schon, wo Sie die Zweidrittelmehrheit und damit die Grünen brauchen werden, werden wir verhandeln, dass diese Bankenbeteiligung in den neuen Vertrag hineinkommt und dazu als Voraus­setzung ein entsprechendes Entschuldungsverfahren organisiert wird. Das ist möglich, und es schaut auch so aus, als ob das gelingen kann. Es wird für die Zukunft auch ein gemeinsames europäisches Währungssystem brauchen, das stark genug ist, dass die Zinsen im Euro-Raum billiger gehalten werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosen­kranz.) Denn ohne diese Zinssenkung werden wir immer ein Problem haben, viele Länder, nicht nur Griechenland.

Der Euro kann stark und mächtig genug werden, dass er das schafft. Das braucht aber politische Institutionen, die mit dem entsprechenden Vertrauen und Selbstbewusstsein auftreten. Also, Bundesregierung: An die Arbeitsplätze! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.17


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte.

 


12.17.48

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte vielleicht ein grundsätzli­ches Bekenntnis: Ich bin für die Europäische Union, weil es für Österreich besser ist, gemeinsam in der Europäischen Union die Probleme zu lösen und weil es viele globale Probleme gibt, die wir nicht allein lösen können.

Ich bin auch für den Euro, weil sich für Österreich herausgestellt hat, dass er besser ist als die Zeit, als wir nicht den Euro hatten (Abg. Dr. Pirklhuber: Sie brauchen die Rede von Bucher nicht zu wiederholen! Das haben wir schon gehört!): niedrigere Inflation, höheres Wirtschaftswachstum, gut für die österreichische Exportindustrie.

Aus diesen zwei vorhin genannten Gründen bin ich auch für die heutige Gesetzesvorla­ge, weil es darum geht, jetzt die Schutzmechanismen, wenn sie notwendig sind, zu entwickeln, zu beschließen und auszubreiten.

Eine Krise, sehr geehrte Damen und Herren, kann eine Überzeugung nicht erschüttern, sondern kann nur viel mehr unterstreichen, dass es die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns in Europa gibt. Europa versucht das bei dieser Thematik und Europa ist mei­ner Meinung nach auf dem richtigen Weg.

Weil einige Abgeordnete immer sagen, außerhalb der Eurozone ginge es einem so viel besser, entgegne ich: Lesen Sie die heutige Ausgabe der „Financial Times Deutsch­land“, wo das Beispiel Dänemark gut dargestellt ist: Es ist außerhalb der Eurozone, hat keinen Euro, ist trotzdem in der wirtschaftlichen Krise hinuntergerasselt, nur im Unter­schied zur Eurozone nicht mehr so stark hinaufgeklettert, dümpelt noch immer beim Wirtschaftswachstum dahin und hat mit 7,2 Prozent Arbeitslosigkeit eine wesentlich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 48

höhere Arbeitslosenquote als Österreich, Deutschland und viele andere Länder in der Eurozone.

Oder das andere Land, Ihr Lieblingsbeispiel Schweiz. Die Schweiz, die Schweizer Re­gierung und die Schweizer Notenbank haben inzwischen Milliarden investiert, um ihren Schweizer Franken-Kurs zu stabilisieren, Milliarden von Schweizer Franken, die verlo­rengegangen sind, weil sie nicht in der Eurozone sind und weil sie in Wahrheit raufen müssen, damit sie sich ihre wirtschaftliche Stabilität weiterhin organisieren können.

Aber es stimmt auch – das ist ja nicht von der Hand zu weisen –: Europa ist in einer Krise, und zwar nicht nur in einer wirtschaftlichen Krise, auch in einer politischen Krise. Und diese Krise gehört daher auch gemeinsam bewältigt, gemeinsame Antworten ge­hören entwickelt. Und der Haftungsschirm ist eine solche wirtschaftliche und notwendi­ge Maßnahme zur Stabilisierung.

In einer Sache gebe ich den Kritikern heute recht, nicht nur dem Vorredner Kogler, sondern auch den Kritikern der anderen beiden Oppositionsparteien: Der EFSF, der Schutzschirm, ist nicht die Lösung aller Probleme  das hat auch niemand hier von der Regierungsbank behauptet , aber, und das sagen wir schon, es ist eine notwendige Maßnahme, und das ist der Unterschied zu BZÖ und FPÖ.

Wir übernehmen auch die Verantwortung dafür, dass diese Maßnahme, die notwendig ist, auch umgesetzt werden kann. Es geht eben darum, dass wir mit der Ausweitung der Überhaftung auch den Triple-A-Status für diesen EFSF sicherstellen, damit er sich billig finanzieren kann und wir nicht quasi die höheren Kosten tragen müssen. Das Ausleihvolumen wird nicht erhöht, das bleibt gleich, nur mit Triple-A-Status ausgestat­tet, und es wird bessere Instrumente geben  auch aus meiner Sicht nicht genug und nicht das Optimum, aber daher wird auch am ESM, dem finalen Schutzschirm, noch gearbeitet, damit dieser dann die optimalen, richtigen Instrumente hat.

Aber es ist mit all diesen Fragen nicht getan, dies möchte ich auch nicht beschönigen. Die Krisenursachen, nämlich ungezähmte Finanzmärkte, spekulative Gier und die ge­samte Ideologie des Neoliberalismus, stellen uns weiterhin vor Herausforderungen, die viel größer sind. Es geht um einen politischen Kraftakt innerhalb Europas, um unmittel­bare Risiken zu beseitigen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Bewegung bei der Fi­nanztransaktionssteuer  denn das ist eine richtige Antwort, auch auf die Krisenfragen hinsichtlich Stabilisierung, Regulierung und Finanzierung der Staaten.

Wir brauchen auch, neben Schutzschirmen, eine Strategie für Wachstum und Beschäf­tigung in Europa und wir können nicht zusehen, wenn so viele junge Leute innerhalb der Europäischen Union ohne Arbeit sind. Fünf bis sieben Millionen Jugendliche haben keine Zukunftshoffnung, und gerade wir  als Europameister bei der Jugendbeschäf­tigung, mit der niedrigsten Arbeitslosenquote bei Jugendlichen  haben die Verpflich­tung, mit unserer Expertise dazu beizutragen, dass es innerhalb der Europäischen Uni­on ein Programm gibt, welches sich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wid­met. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir brauchen in Europa einen neuen Konsens über sozialen Ausgleich und soziale Ge­rechtigkeit. Wir brauchen aber auch die europapolitische Debatte, so wie wir sie heute geführt haben, und wir müssen übereinstimmen, dass es notwendig und richtig ist, Eu­ropa mit dem Schutzschirm vor Schlimmerem zu bewahren und daher heute diesem Gesetz auch zustimmen. Ich hoffe, dass dies eine überwältigende Mehrheit in diesem Haus tut  nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch jene Abgeordneten der Opposition, die dies ebenfalls richtig finden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Strutz. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 49

12.23.12

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ, ÖVP, aber auch von den Grünen! (Abg. Dr. Matznetter: Jetzt kommt wieder die tolle Hypo-Bank!) Sie werden an den heutigen Tag noch zurückden­ken. Merken Sie sich den 30. September 2011 gut! Spätestens am Tag der Abrech­nung, am Tag der nächsten Wahl, wenn Sie wieder mit hängenden Gesichtern vor den Fernsehkameras stehen und sich fragen werden, warum Ihnen die Österreicherinnen und Österreicher wieder das Vertrauen entzogen haben, sollten Sie sich an den 30. September 2011 erinnern! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist jener Tag, an dem Sie nicht die Interessen der Österreicherinnen und Österrei­cher vertreten haben, an dem Sie 29 Milliarden € gegen den Willen der österreichi­schen Bevölkerung leichtfertig verschenkt haben. Ich sage das vor allem auch in Rich­tung der Grünen, denn es ist geradezu ein lächerlicher Eiertanz gewesen, als Kollege Kogler von den Grünen hier heraus gekommen ist und versucht hat (Abg. Dr. Pirklhu­ber: Der Einzige, der !  keine Ahnung!), wortreich zu erklären, warum die Grünen gegen eine Volksabstimmung sind und warum die Grünen in Wirklichkeit SPÖ und ÖVP heute die Räuberleiter – ich sage bewusst: heute die Räuberleiter – dazu ma­chen, dass 30 Milliarden € der österreichischen Steuerzahler nach Griechenland, Ita­lien und Portugal überwiesen werden. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Kommen Sie heraus, Sie von den Grünen brauchen nur eine Frage zu beantworten: Was ist der Preis für Ihre Zustimmung?  Ist es wieder ein Vertrag für Herrn Van der Bellen, ein gut dotierter Beratervertrag? Ist es ein Job für Frau Lunacek? (Ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger. Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Kogler und Dr. Pirklhuber.)

Herr Kogler war ganz stolz, er hat gesagt, dass die Grünen nun den Kontakt zu den Granden der EU aufgenommen haben. Ich sage Ihnen den Unterschied zwischen Ih­nen und den Freiheitlichen: Sie suchen den Kontakt zur Europäischen Union, wir ha­ben den Kontakt zu den Österreicherinnen und Österreichern! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen auch Folgendes: Sie  Sie alle hier im Hohen Haus: SPÖ, ÖVP und die Grünen, die heute die Räuberleiter machen  vertreten nicht die Interessen der Öster­reicherinnen und Österreicher. Sie vertreten die Interessen der Banken, der Bürokraten in Brüssel, Sie vertreten die Interessen jener Staaten, die sich nicht an die Spielregeln halten, wie Griechenland, Portugal, Italien. (Abg. Dr. Pirklhuber: Sie vertreten die In­teressen !) Sie vertreten die Interessen der Spekulanten. Wir vertreten die Interessen der Jugend, die die Suppe auslöffeln muss, die Sie heute mit 30 Milliarden € den Ju­gendlichen in Österreich einbrocken! (Beifall bei der FPÖ. Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Und das Schlimme daran ist  und das sollten Sie einmal unseren jungen Menschen erklären! , dass wir das Geld nicht haben. Wir müssen Schulden aufnehmen, wir müs­sen Milliarden an Schulden aufnehmen, Kredite aufnehmen, damit wir die Löcher stop­fen können, damit wird die Kredite der Griechen, der Italiener, der Portugiesen, jener, die sich nicht an die Spielregeln halten (Abg. Dr. Pirklhuber: In Kärnten!), zahlen kön­nen. (Zwischenrufe des Abg. Kopf.)

Weil hier immer der Rettungsschirm strapaziert wird: Wissen Sie, wie das bei einem Rettungsschirm, bei einem Schirm ist?  Da stehen ein paar unter dem Schirm, und ein paar stehen daneben, im Regen. Unter dem Rettungsschirm stehen die Banken, die Spekulanten, jene, die die gut dotierten Jobs in Brüssel absichern möchten, aber dann gibt es auch viele, viele Millionen Menschen in der Europäischen Union, die das bezah­len müssen, die dafür büßen müssen, und die stehen außerhalb dieses Schirms, die werden in Wirklichkeit im Regen stehen gelassen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 50

Deshalb sagen wir Freiheitlichen: Unser Geld für unsere Leute! Geben Sie, wenn Sie von den Grünen heute schon die Räuberleiter für SPÖ und ÖVP machen, der österrei­chischen Bevölkerung wenigstens die Möglichkeit, mit zu entscheiden, mitzureden. Sie sollten die Möglichkeit schaffen  es ist auch in Ihrem eigenen Interesse, im Interesse von SPÖ, ÖVP und den Grünen , dass die Österreicher über ihr eigenes Geld, über ihr hart erwirtschaftetes Steuergeld mit entscheiden können, darüber, was damit ge­schieht! Wovor haben Sie Angst?  Wenn Sie so argumentieren, wie Sie es heute hier heraußen tun, dann brauchen Sie sich vor einer Zustimmung ja nicht zu fürchten.

Schaffen Sie zumindest die Möglichkeit, die Österreicherinnen und Österreicher mitent­scheiden und mitbestimmen zu lassen (Beifall bei der FPÖ), andernfalls werden Sie spätestens bei der nächsten Wahl die Antwort von ihnen bekommen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


12.28.20

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werter Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strutz, egal, ob Sie das jetzt so laut heraus­schreien oder ob Sie das ein bisschen leiser sagen, wie andere aus Ihrer Fraktion: Das, was Sie sagen, stimmt ganz einfach nicht – es werden nicht 30 Milliarden nach Griechenland geschickt. Es geht um Haftungen, es geht um einen Kreditrahmen, der ganz einfach günstig verzinst und günstig weitergegeben werden kann.

Sie brauchen den Leuten auch nicht Sand in die Augen zu streuen. Wenn Sie immer sagen: „Unser Geld für unsere Leut’!“, sage ich Ihnen: Der Euro ist unser Geld, und wir müssen den Euro stabil halten, und wir müssen den Leuten in Österreich auch ihre Ar­beitsplätze erhalten. Daran denken Sie überhaupt nicht, wenn Sie Ihre Parolen brüllen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Silhavy.)

Es ist nun einmal so, dass man in einer Gemeinschaft, in der man Mitglied ist, auch Solidarität beweisen muss.

Herr Kollege Strache, Sie mit Ihren populistischen Äußerungen und oberflächlichen Be­merkungen, die Sie hier machen, wissen gar nicht, welch schlimme Auswirkungen das auf die Zukunft hätte. (Abg. Strache: Kein Wunder, dass es die Wiener ÖVP zerreißen muss! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn Griechenland nämlich Pleite gehen würde, dann würde das bedeuten, dass wir die Europäische Zentralbank rekapitalisie­ren müssten, und das würde Österreich viel mehr kosten und uns und unsere Wirt­schaft dann auch in eine Krise stürzen.

Oder wenn Griechenland die Drachme wieder einführen würde: Ich habe heute hier ge­hört, dass Griechenland dann die Drachme abwerten könnte. Aber bitte, jeder private Kreditnehmer weiß, dass er, wenn er einen Fremdwährungskredit aufnimmt, diesen auch in der fremden Währung zurückzahlen muss. Das heißt, Griechenland müsste den Eurokredit zurückzahlen, und die Drachme wäre abgewertet. (Abg. Kickl: Falsch! Blödsinn! Zwischenrufe des Abg. Dipl.-Ing. Deimek.) Da merkt man, welche „Wirt­schaftskompetenz“ Sie haben, auch Sie, Herr Kickl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ. Ruf bei der FPÖ: Unglaublich!)

Wir in Österreich haben von der Euro-Einführung sehr deutlich profitiert, es wurden sehr viele, Zigtausende Arbeitsplätze geschaffen, und wir haben durch den Wegfall der Wechselkursschwankungen auch im Export einen sehr großen Schub erfahren. Und wir wollen nicht, dass Sie mit populistischen Parolen auch die österreichische Wirt­schaft verunsichern, denn Sie haben heute wieder gesagt, die Wirtschaftsprognosen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 51

seien so schlecht. (Abg. Strache: ..., dass die Wiener ÖVP nur mehr 8 Prozent kriegt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Glauben Sie, dass die Unternehmen und die Investoren investitionsfreudig sind, wenn Sie ständig irgendwelche grauslichen Parolen da herausschreien? Wir brauchen eine Euro-Stabilisierung, das ist unbestritten. Wir wollen auch nicht, dass sich andere Staa­ten, wie beispielsweise Italien oder Portugal, an Griechenland anstecken. Wir wollen, dass unsere Währung stabil bleibt. Die Mitgliedstaaten müssen die Hausaufgaben ma­chen, das ist überhaupt keine Frage. Darum wundert es mich, dass beispielsweise die Europa-Abgeordneten der SPÖ im Europäischen Parlament gegen einen Sanktions­mechanismus gestimmt haben, durch den man nämlich gegen Schulden- und Defizit­sünder vorgehen könnte. Das verstehe ich nicht, denn genau das muss unser Ziel sein: dass wir Defizitsünder mit Sanktionen belegen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Bucher, selbst wenn Ihre Kollegen bei Ihrer Rede aufstehen und demons­trativ beweisen wollen, wie gut Sie hier Ihre Parolen vorbringen: Das mit den 29 Mil­liarden steht überhaupt nirgends, und es geht auch nicht um Kredite, sondern um Haf­tungen. Ich meine, dass man die Leute nicht verunsichern sollte und dass man den Leuten klar machen sollte, dass wir weder aus der Europäischen Union noch aus der Eurozone aussteigen wollen. (Abg. Bucher: Vorher haben wir keine Währung gehabt!)

Das ist für die Leute wichtig, weil wir auch vom Euro profitiert haben und weil wir in Ös­terreich – das sage ich zum Abschluss die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa haben. Wir hatten im August 3,7 Prozent. Herr Kollege Krainer, mit Klassenkampf und mit neuen Steuern werden wir überhaupt nichts zusammenbringen, da werden wir nämlich Arbeitsplätze vernichten, und das wollen wir nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen einen guten Wirtschaftsstandort Österreich, wir wollen Arbeitsplätze, wo die Leute auch von dem, was sie verdienen, leben können, und wir wollen für dieses Land Verantwortung übernehmen. Das tun die Grünen Gott sei Dank auch. Herr Kollege Kogler hat heute Sachlichkeit bewiesen und gezeigt, dass die Opposition nicht ganz gleich ist, sondern dass es auch einen Teil der Opposition gibt, der mit diesem Land sachlich und verantwortungsvoll umgeht. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe des Abg. Grosz.)

12.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


12.33.05

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn man die Ausführungen vonseiten der ÖVP verfolgt, könnte man meinen, es habe vor­her nur Steine, Muscheln oder sonst etwas als Währung gegeben. Ich glaube, auch der Schilling war eine gute Währung.

Hören Sie endlich auf, der Opposition zu unterstellen, dass sie gegen die EU auftritt! Es geht hier um den Euro, es geht um die Gemeinschaftswährung, das wissen Sie ganz genau, und nur 17 von 27 Ländern in der EU haben den Euro. Also hören Sie ein­mal auf, dieses Theater hier zu spielen, weil es einfach falsch ist! (Beifall beim BZÖ.)

Zweitens höre ich immer das Wort „Haftungen“. Betriebswirtschaftslehre Teil eins: Auch Haftungen können schlagend werden. (Abg. Grosz: Das werden sie auch!) Sie werden im Fall von Griechenland auch schlagend werden.

Ich sage jetzt Folgendes ganz deutlich dazu: Herr Kollege Kopf, Sie unterstellen uns, der Opposition, insbesondere dem BZÖ hier, wir wären Hooligans, weil wir uns für das Geld der Leute einsetzen (Zwischenrufe der Abg. Silhavy), weil wir auf der Seite von Experten stehen, weil wir auf der Seite von Finanzministern – etwa des Finanzminis­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 52

ters Ihrer Fraktion in Deutschland – oder Außenministern – etwa Ihrer Fraktion in Groß­britannien – stehen, die wissen, dass dieses System in Summe krachen wird. Aber dann bin ich gerne ein Hooligan. (Ruf bei der SPÖ: Schlechtes Benehmen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht hier um unser Geld und darum, wie das Geld eingesetzt wird. Haftungen sind das eine, mit den Kosten 29 Milliarden, das andere sind die konkreten Zahlungen, und wir haben für Griechenland bereits 1,38 Mil­liarden € ausgegeben. Diese Summe soll natürlich noch steigen und wird sich auf bis zu 4,5 Milliarden aufrechnen. Das heißt: 1,38 Milliarden für Griechenland, in einer Mi­nute zahlen wir für Griechenland de facto – wir haften nicht, wir zahlen – 2 600 €. Seit Beginn der Debatte sind das 400 000 €, die wir nur für die Griechenland-Hilfe überwie­sen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

29 Milliarden €, dafür könnten Sie 150 000 Häuser bauen. Alle in privatem Besitz be­findlichen Häuser Oberösterreichs könnten Sie damit neu erwirtschaften. Ich habe die Sorge, dass mit dieser Oberflächlichkeit seitens der Regierung, mit dieser Augen-zu-und-durch-Politik unser Geld wirklich endgültig in Griechenland versanden wird und wir irgendwann nicht über die Bundeshymne diskutieren werden, sondern über die Be­zeichnung des Landes: statt „Öster-reich“ heißen wir dann „Öster-arm“ – und das will ich nicht haben.

Es geht darum, Denkverbote aufzuheben, in Alternativen zu denken, sodass wir uns endlich darüber unterhalten können, Griechenland mit dem „Haircut“ die Schulden zu erlassen und als Gegenleistung zu verlangen, dass es aus der Eurozone austritt. Die Österreicher zahlen auch in vielen anderen Bereichen sehr viel – bei den Gemeinde­gebühren, bei den Landesgebühren (Abg. Öllinger: Bei den Hooligans!), bei den Steu­ern, da etwa ein Vielfaches von Deutschland –, und daher glauben wir, dass dieses Geld in Österreich besser investiert wäre, zum Beispiel in der Wissenschaft, im Pflege­bereich, im Sicherheitsbereich, bei den Pensionen, in die Kindergesundheit, in die Bil­dung, in die Forschung. Dort brauchen wir das Geld, dort wird es fehlen. Sie machen hier Politik auf Kosten unserer Enkel und Kinder, und das lehnen wir vom BZÖ ab. Wir verlangen eine Volksabstimmung darüber! (Beifall beim BZÖ.)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


12.36.10

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal ist zum Thema Überweisungen festzuhalten: Ich weiß nicht, wie die Herrschaften darauf kommen, denn wir haben schon einen Haf­tungsrahmen beschlossen, der 440 Milliarden € ausmachen sollte. Dieser Haftungsrah­men wurde hier in diesem Haus schon beschlossen! Dadurch, dass es mittlerweile bei einigen Ländern Bonitätsschwierigkeiten gibt, ist es notwendig, die Haftung zu erhö­hen, um denselben Rahmen wie vorher ausnutzen zu können. (Zwischenrufe des Abg. Bucher.)

Das heißt, wir tun nichts anderes, als die Bonität einiger weniger Länder, die schlechter geworden ist, mit der Bonität aller europäischen Länder aufzufüllen, um jenen Betrag ausnützen zu können, der schon beschlossen wurde. (Beifall des Abg. Dr. Barten­stein.)

Das heißt, es wird nichts überwiesen! Ich weiß nicht, welches Hirngespinst hier herum­geistert. Es wird kein Geld in die Hand genommen! Und ich frage mich, was Herr Bu­cher meint, wenn er sagt, dass man Zinsen berechnen muss, wenn man Haftungen übernimmt. (Abg. Bucher: Der Rechnungshof !)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 53

Sie zahlen doch als Bürge keine Zinsen! Das, was Sie hier verbreiten, ist ja aberwitzig, nämlich dass Sie für eine Haftung Zinsen bezahlen. Wie soll denn das gehen?! Sie können maximal ... (Abg. Grosz: Sie nehmen ja für diese Haftung einen Kredit auf!)  Nein, wir nicht, eben die Gemeinschaft.

Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Griechenland ist in einer schwierigen Situation. Die Europäische Union versucht, einen Mechanismus zu finden, um Griechenland zu schützen, um ein weiteres Ausdehnen dieses Brandes zu einem Flächenbrand zu ver­hindern. Man muss sich das wie einen Schutzwall vorstellen: am schwächsten Glied bricht dieser Wall, und wenn das Wasser eindringt, bleibt es nicht auf dieses eine schwache Glied beschränkt, sondern der ganze Wall ist nutzlos.

Ich sage Ihnen: Es wird nur gemeinsam gehen. Die Krise in Griechenland ist so groß, dass sie nur gemeinsam lösbar ist, Griechenland wird das allein nie schaffen. Daher wird die Europäische Union gefordert sein, da gemeinsam aufzutreten. Glauben Sie, dass diese Krise, wenn Sie Griechenland im Stich lassen und damit Portugal, Irland und wahrscheinlich auch Spanien in Schwierigkeiten kommen, dann leichter zu bewäl­tigen ist? – Wo denken Sie hin? Glauben Sie, dass diese Länder dann allein mit dieser Krise fertig werden? Und glauben Sie noch immer, dass das nicht den Euro betrifft? Und glauben Sie noch immer, dass das dann auf dieses Gebiet dort begrenzt ist?

Wenn es den Euro betrifft, ist es eine aberwitzige Annahme, dass man sich abkoppeln kann. Der Euro wird dann schwächer. Dann nehmen Sie den Österreichern die Spar­guthaben, dann nehmen Sie den Österreichern die Pensionen, dann nehmen Sie den Österreichern die wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit im Export. Das heißt, bei all diesen Maßnahmen, die Sie da verlangen, geht es in Wirklichkeit um ganz kurzfristiges Denken und noch keine Lösung des Problems.

In Wirklichkeit wird hier auch nicht der Europäische Vertrag geändert, sondern wir be­schließen ein einfaches Gesetz, das dazu dient, denselben Betrag auszunutzen, den wir schon beschlossen haben. Man wird den Europäischen Vertrag zu ändern haben, weil man einen Mechanismus auf Dauer einführen muss. Man weiß, dass das eine Problematik ist, die die Europäische Union weiterhin beschäftigten wird, der ESM, und der ist in Verhandlung. Kollege Strache, die Nachschusspflicht im ESM ist davon ab­hängig – wenn er so kommt, wie er jetzt ist, in der Form, in der er jetzt ausgestaltet ist –, dass der Gouverneursrat zustimmt, einstimmig. (Abg. Strache:  keine Kontrolle mehr! Keine parlamentarische Kontrolle mehr!)

Im Gouverneursrat sitzt auch unsere Finanzministerin – das haben Sie wahrscheinlich nicht gelesen (Abg. Strache: Da gibt es keine parlamentarische Kontrolle mehr!) –, und die wird – da sind wir dann gefragt – dieselbe Situation vorfinden wie andere Mi­nister innerhalb der Europäischen Union. Diese kann durch Entscheidungen gebunden werden. Und dann kann nur so entschieden werden, wie wir das hier sagen. (Abg. Strache: Das ist ja ein Grund zur Sorge!) Aber das müssen wir uns selbst hier aus­machen, da ist das eigenständige Parlament gefragt.

Dass BZÖ und FPÖ hier jetzt große Wirtschaftskompetenz zeigen wollen, ist wirklich unglaublich. In Kärnten haben Sie Haftungen in Höhe von 20 Milliarden € übernom­men, ohne den Kärntner Landtag vorher zu fragen. Und jetzt wollen Sie eine Volksab­stimmung?! Sie haben das in der Regierung beschlossen: die Freiheitlichen und das BZÖ! (Abg. Bucher: Die SPÖ hat das mit beschlossen!) Das waren immer andere Situationen. Aber Sie haben das, die 19 Milliarden €, ohne Beschluss des Landtages beschlossen (Abg. Bucher: Die SPÖ hat das mit beschlossen!) und haben nie davon geredet, dass diese Haftungen teilweise sogar schon schlagend sind. Das ist die Kärnt­ner Politik! Ich garantiere Ihnen: Leute wie Meischberger oder Grasser oder Gorbach hätte Griechenland nie ausgehalten! (Beifall bei der SPÖ.)

12.41



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 54

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte.

 


12.41.30

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Frau Minister Fekter hat es ja ganz klar ausgedrückt: Es geht in Wirklichkeit gar nicht um die Rettung Griechenlands, son­dern es geht um die Rettung des Euro! Das hat auch Kollege Stummvoll ganz klar hier gesagt.

Was ist geschehen? – Es war die Tinte beim Vertrag von Lissabon noch nicht einmal ganz trocken, wurde dieser Vertrag bereits gebrochen. (Beifall bei der FPÖ.) So ver­hielt es sich auch beim Vertrag von Maastricht, als wir Staaten hineinnahmen, die die 60-prozentige Schuldengrenze nicht eingehalten haben, wie Italien oder auch Grie­chenland. Und letzten Endes wurde auch der EZB-Vertrag, Artikel 123, durch den An­kauf von Anleihen gebrochen.

Das heißt, diese ganze Geschichte der letzten Jahre besteht nur aus Vertragsbrüchen. Und da sollen wir jetzt glauben, dass dies der Weisheit letzter Schluss ist? Die Spatzen pfeifen es ja schon längst vom Dach, dass der Euro-Rettungsschirm auf mindestens eine Billion erhöht werden muss. Mit dem § 125 des Vertrages von Lissabon, wo die No-Bail-Out-Klausel enthalten ist, nämlich dass kein Land für die Schulden des an­deren haftet, dass jeder Staat für sich selbst verantwortlich ist, haben wir die Büchse der Pandora geöffnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Entwicklung zur jetzigen Katastrophe ist das eigentlich Tragische an dieser ganzen Diskussion. (Beifall bei der FPÖ.) Wir sind auf dem Weg von einem europäischen Staatenbund zu einem europäischen Bun­desstaat. Sagen Sie das der Bevölkerung! Und sagen Sie ihr auch, dass wir auf das Königsrecht des Parlaments in Zukunft verzichten werden, nämlich auf die Budget­hoheit, weil wir letzten Endes nur mehr das werden vollziehen müssen, was uns Brüs­sel vorgibt!

Sagen Sie das der Bevölkerung, sehr geehrte Damen und Herren! Das ganze Kon­strukt, wie es sich jetzt darstellt, ist undemokratisch, nicht legitimiert und steht im kras­sen Widerspruch zu demokratischen Prinzipien. Daher fordern wir eine Volksabstim­mung.

Und weil Sie immer wieder mit dem Argument kommen, diese Europäische Union sei ein großes Friedensprojekt: Dieses „Totschlagargument“ kann ich schon nicht mehr hö­ren. Ja, wir wollen auch ein Europa, aber ein Europa der Vaterländer, wo alle Europäer zusammenarbeiten. Wir wollen ein Europa, das von unten gestaltet wird, und kein Eu­ropa, das von Kommissaren und Gouverneuren aufoktroyiert wird.

Wir sagen Nein zu diesem Beschluss des Europäischen Rahmens. Mit diesem Be­schluss verlieren wir einen Teil unserer Souveränität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der heutige Tag wird als schwarzer Tag in die Geschichte Österreichs eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.44


Präsident Fritz Neugebauer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Bucher zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.44.31

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Der Herr Kollege Wittmann von der SPÖ hat behauptet, dass dieses Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das heute von Rot, Schwarz und Grün beschlossen wird, keine Zinsen hervorruft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 55

Ich lege ein Beweisdokument vom österreichischen Rechnungshof vor, das vom 18. August 2011 stammt, also topaktuell ist. (Abg. Dr. Kräuter: Das ist keine tatsäch­liche Berichtigung!) Darin wird ausgewiesen, dass die Zinsbelastung für dieses Ge­samtpaket, das Sie heute beschließen, 7,1 Milliarden € ausmacht. 7,1 Milliarden €! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Beleg, ist ein Beweis für eine ...

12.44


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege, bitte keinen Redebeitrag, sondern eine Er­widerung auf die Behauptung. – Danke.

(Beifall beim BZÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Bucher. – Abg. Dr. Jaro­lim: Das war ein bisschen peinlich! – Abg. Dr. Kräuter: Sehr peinlich!)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


12.45.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Es gibt ein bisschen zu denken, dass der deutsche Bundestag mit Ausnahme einer Fraktion das analoge Gesetz gestern fast einhellig – mit den Stimmen der CDU und der FDP, also der beiden Regierungsparteien, der SPD und der Grünen – beschlossen hat; mit einer Ausnahme, der sogenannten Linken im deutschen Bundestag. (Abg. Strache: CDU- und CSU-Abgeordnete hat es auch gegeben!) Es hat in fast jeder Partei ein paar Ab­weichler gegeben, aber im Wesentlichen waren vier Parteien dafür, und die sogenann­te Linke war dagegen.

Im österreichischen Parlament sind FPÖ und BZÖ dagegen. Jetzt fragt man sich natür­lich schon: Was ist das Gemeinsame zwischen den Linken in Deutschland und der FPÖ und dem BZÖ in Österreich? – Ich meine, die Antwort liegt auf der Hand: Es sind beides Parteien, nämlich FPÖ und BZÖ, deren Horizont an der Landesgrenze endet! (Demonstrativer Beifall bei Grünen und ÖVP.) Für die anderen Parteien gilt das nicht! (Abg. Bucher: Das ist Ihr Stil der politischen Auseinandersetzung: Sie müssen schon in die unterste Lade greifen!)

Herr Kollege Bucher, Sie können nicht so tun, als ob uns das alles nichts anginge. Sie müssen doch wissen, dass sich die Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten trans­nationalisiert hat, und zwar in einem beispiellosen Ausmaß. Das gilt auch für die öster­reichische Wirtschaft. Sie können doch nicht so tun, als ob sich Österreich allein gegen bestimmte große Konzerne, deren Bilanzsumme größer ist als das österreichische So­zialprodukt, wehren könnte. Das ist doch absurd!

Ich erinnere Sie nur an die Entwicklung der letzten Tage. Wer hat begonnen, einen Krieg gegen das Gaskartell zu führen? Österreich? Deutschland? – Na, die Europäi­sche Kommission! Wer denn sonst? Wer sonst in Europa hat diese Art von politischer Macht und von wirtschaftlichem Hintergrund außer die Europäische Kommission?

Ich erinnere Sie auch an die Auseinandersetzung mit Microsoft wegen Missbrauchs der Marktmacht von Microsoft. Hat Österreich allein eine Chance gehabt? – Vergessen Sie’s! Hat Deutschland alleine eine Chance gehabt? – Na, nie! Aber die Europäische ... (Ruf bei der ÖVP: Kärnten!)  Ich komme schon noch auf dieses Thema. Die Euro­päische Kommission hat die Macht und die Möglichkeit, das zu tun. Und deswegen brauchen wir dieses vereinte Europa, schon aus ökonomischen Gründen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Strache: Und deshalb geben Sie die Demokratie auf? – Durch die Verweigerung der Volksabstimmung!)

Herr Kollege Kopf, Sie haben erzählt oder narrativ berichtet, wie seinerzeit die Union entstanden ist, haben Adenauer, Schuman und De Gasperi erwähnt und dann gesagt, dass damit nach dem Zweiten Weltkrieg der Frieden in den Ländern der jetzigen Euro­


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päischen Union gesichert worden ist. Da bin ich vollkommen bei Ihnen. Das Problem ist nur: Es haben sich alle daran gewöhnt. Sie können damit keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorholen. Es glaubt auch kein Mensch – mit Recht –, dass dann, wenn die Eurozone zusammenbräche, ja selbst wenn die Union auseinanderbräche – Gott behüte! –, ein Krieg zwischen den Ländern der Union ausbräche. (Abg. Kopf: Das ha­be ich nicht gesagt!)

Das haben Sie nicht gesagt! Okay. Was sein kann, ist, dass ein Wirtschaftskrieg aus­bricht. Das kann sein! Ich komme noch darauf zurück. Dass wir eine Kernschmelze in den wirtschaftlichen Dingen zu befürchten und zu erwarten hätten, das kann schon sein, und deswegen sitzen wir jetzt hier und beratschlagen und debattieren und strei­ten – ja, soll sein! – über europäische Maßnahmen, um mit der Krise wenigstens in be­stimmten punktuellen Fragen fertigzuwerden.

Herr Kollege Bucher, hören Sie auf, hier Unwahrheiten zu erzählen! Wörtlich hat einer von Ihnen gesagt – ich habe vergessen, wer es war; Gott sei Dank! –, dass jetzt mit­hilfe dieses Paketes 30 Milliarden € nach Griechenland geschickt werden. Das ist ein­fach ein Blödsinn! Sorry! (Abg. Bucher: Das hat niemand von uns gesagt!) Es wurde von meinem Vorredner schon ausführlich erklärt, warum das ein Blödsinn ist. Also hö­ren Sie auf, das den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes weismachen zu wollen!

Diese EFSF ist ein Kriseninterventionsmechanismus, mehr nicht, aber immerhin – im­merhin! –, und sie wird wahrscheinlich durch einen anderen Mechanismus abgelöst werden, der, sagen wir einmal, vertraglich, demokratisch besser abgesichert sein wird als das, was hier vorliegt und was in der Tat extrem unbefriedigend ist. Das stimmt!

Stichwort parlamentarische Mitwirkungsrechte: Vergleichen Sie einmal den deutschen Gesetzestext mit dem österreichischen! Das ist schon erhellend! Die Deutschen sind sonst nicht mein Vorbild, aber in diesem Fall schon. Der deutsche Gesetzestext enthält de facto eine Kurzfassung des EFSF-Vertrages.

In dem, was wir heute beschließen, ist eine Zahl enthalten, und alles, was die EFSF betrifft, ist rudimentär in den Erläuterungen beschrieben. In den Erläuterungen wird aber nicht darauf hingewiesen, dass das im Vergleich zu dem, was noch bis zum Som­mer galt, etwas Neues sein wird, nämlich etwas Besseres. Warum das in den Erläute­rungen verschwiegen wird, weiß ich nicht. Dort wird ausschließlich auf die Zahlen, nämlich auf die Erhöhung der Bürgschaft oder der Haftung, Bezug genommen – aber nicht darauf, dass die EFSF in Zukunft wird intervenieren können, und zwar auf dem Primärmarkt und dem Sekundärmarkt, und dass sie bei der Rekapitalisierung von Ban­ken behilflich sein und bestimmte sogenannte vorsorgliche Maßnahmen treffen kann. Bei Letzterem sind mir die Details, offen gestanden, noch unklar.

Das sind wichtige Maßnahmen. Ich rede hier vor Ihnen, im Parlament, aber ich ver­kenne nicht, dass es schwer ist, den Bürgern und Bürgerinnen das alles klar zu ma­chen, denn wer weiß schon, was überhaupt ein Primärmarkt und was ein Sekundär­markt ist. Das muss man ja alles erklären. Aber das müssen Sie von den Regierungs­parteien auch tun! Sie können nicht, wie Werner Kogler mit Recht kritisiert hat, das al­les den Grünen überlassen.

Wir sind überzeugt, dass das eine richtige und wichtige Maßnahme ist, auch wenn es bei Weitem nicht alle Probleme löst, die jetzt anstehen, aber erklären müssen Sie das schon auch, nämlich nicht nur hier, sondern auch draußen. Im Jargon heißt es „den Menschen“, als ob wir keine Menschen wären. (Abg. Kopf: Ihr Spiegel verzerrt das ein bisschen, den Sie vor sich haben!) Na ja, gar so verzerrt ist das nicht.

Also ich sage kurz, was nicht drinnen ist: Es ist kein Verfahren drinnen, das eine staat­liche Insolvenz regelt, nach wie vor nicht. Die EFSF garantiert keine Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum fördern, und da haben wir ein ernsthaftes Problem, wie wir


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alle wissen. Und last but not least ändert die EFSF nichts an der Angreifbarkeit kleiner Märkte. (Abg. Kopf: Da haben wir andere Töpfe dafür!)

Töpfe?! Wir haben die EFSF auch als Kriseninterventionsmechanismus zur Hilfestel­lung, wenn kleine Länder unter den Angriff der sogenannten Finanzmärkte kommen. Stichwort: Griechenland, Portugal, Irland. Aber es ist eine Krisenintervention ex post, dann, wenn die Finanzmärkte schon in Panik und in Hysterie verfallen sind. Aber wir haben noch immer keinen Mechanismus, der dafür sorgt, dass insbesondere die klei­nen Märkte weniger angreifbar werden.

Und da bin ich wieder bei dem Stichwort „Eurobonds“. Da müssen wir über die Details reden, selbstverständlich, aber die Eurobonds, so wie sie seinerzeit von der Lichtge­stalt Jean-Claude Juncker und von Giulio Tremonti vorgeschlagen wurden, sind eine Möglichkeit, insbesondere die kleinen Märkte vor der Hysterie der Finanzmärkte zu schützen. Wenn Sie eine bessere Idee haben, dann sagen Sie sie bitte. Ich habe bis jetzt keine bessere Idee gehört.

Das bringt mich noch auf einen weiteren Punkt: Frau Bundesministerin, Herr Klubob­mann, die Regierungsparteien schlechthin, ich glaube nicht, dass es aus österreichi­scher Sicht angemessen ist, jede deutsche Abwehr neuer Instrumente reflexartig zu unterstützen. Die Deutschen haben bis jetzt die Idee mit den Eurobonds abgelehnt. Na schön! Das heißt aber noch lange nicht, dass es für Österreich sinnvoll ist, das ab­zulehnen (demonstrativer Beifall bei den Grünen), denn die deutschen Interessen müs­sen nicht – können, aber sie müssen nicht! – identisch sein mit den österreichischen. Deutschland ist zehnmal so groß wie Österreich. Der deutsche Markt ist viel weniger angreifbar als der von Österreich. Der österreichische Markt ist im Vergleich dazu ein Zwerg. Und schon deshalb müssen unsere Interessen, insbesondere, was die Idee der Eurobonds betrifft, mit den deutschen nicht identisch sein.

Herr Kollege Bucher, ich warte bis zum heutigen Tag darauf, dass Sie uns erklären, wie ein Austritt aus der Eurozone erfolgt, ohne dass es einen Run auf die Banken gibt. (Abg. Bucher – eine Broschüre in die Höhe haltend –: Das steht hier alles drinnen!) Ja, ja, sicher, auf der Karte steht alles drauf! So habe ich mir das vorgestellt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Die Kollegin Tamandl von der ÖVP hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Konkursen in Griechenland geben wird, wenn die Griechen über Nacht den Euro durch die Drachme ersetzen. Was passiert denn mit einem Unternehmer, der in Deutschland eine Maschine bestellt und noch nicht bezahlt hat, für die die Rechnung in Euro ist, wenn jetzt die Drachme kommt, die 40 Prozent weniger wert ist, denn sonst hat das Ganze gar keinen Sinn?  Er muss um 40 Prozent mehr dafür bezahlen. (Abg. Bucher: Aber doch nicht von heute auf morgen, Herr Professor!)

Ah nein, nicht von heute auf morgen? (Abg. Bucher: Die haben einen Zeitrahmen!) – Sie lassen sich Monate Zeit mit der Umstellung? Na, das schaue ich mir erst recht an! (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Was machen Sie denn als Grieche, wenn Sie Geld auf der Bank haben und im Fernsehen den Herrn Bucher anschauen und zu Un­recht glauben, dass der was zu reden hat, was werden Sie denn dann tun? (Neuerliche ironische Heiterkeit bei den Grünen.)  Sie werden Ihr Geld von der Bank abziehen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Sie provozieren ja geradezu den Run auf die Bank! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

12.55


Präsident Fritz Neugebauer: Die Gesamtredezeit der Fraktion ist ausgeschöpft.

Nächster Redner: Herr Abgeordnete Grosz. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 58

12.55.59

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sind Sie denn eigentlich noch zu retten?! Ich frage Sie wirk­lich: Sind Sie eigentlich noch zu retten, dass Sie auf dem Höhepunkt der Steuer- und Abgabenquote in Österreich von weit mehr als 45 Prozent (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber), dass Sie auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise bei einer steigenden Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen mehr als 21,6 Milliarden € in die Hand neh­men – österreichisches Volksvermögen! – und dieses Volksvermögen in den Schulden­turm Griechenland investieren?!

21,6 Milliarden €, zusätzlich 7,1 Milliarden € an Zinsen, wie Josef Bucher richtigerweise gesagt hat, also insgesamt 28,7 Milliarden € – bestätigt, Herr Ökonom Wittmann von der SPÖ, vom österreichischen Rechnungshof, Unterschrift: Dr. Josef Moser.

Sind Sie noch zu retten oder sind Sie des Wahnsinns fette Beute (Zwischenrufe bei der SPÖ), wenn Sie heute hier hergehen und einmal mehr österreichisches Volksvermö­gen in den Abgrund werfen, Geld, das wir hier zur Erledigung unserer öffentlichen Auf­gaben bräuchten?!

Sehr geehrte Damen und Herren, am Anfang des Jahres erhöhen Sie die Mineralöl­steuer um 11,5 Prozent. Sie kürzen die Behindertenhilfe. Sie machen den Zugang zum Pflegegeld in unserem Land immer schwerer. Sie diskutieren seit Monaten über die Wiedereinführung der Erbschaftsteuer und Sie schaffen de facto die Familienbeihilfe ab.

Sie wandern wie die Ahnfrauen der Apokalypse, nämlich Sie selbst (neuerlicher Zwi­schenruf bei der SPÖ), durchs Land und erklären bei jedem Projekt: Tut uns leid, wir haben kein Geld, wir sind in einer Krise, wir müssen den Kuchen gerechter verteilen! Herr Bundeskanzler Faymann führt eine Gerechtigkeitsdebatte über die Verteilung in diesem Land, weil er kein Geld mehr im öffentlichen Haushalt hat, und dann gehen Sie heute hierher und beschließen mit einem Federstrich, dass Sie mit 21,6 Milliarden € österreichischem Volksvermögen haften – Geld, das Sie nie mehr sehen werden!

Klubobmann Kopf hat heute richtigerweise gesagt: Es ist nicht populär, das zu tun, aber wir müssen es tun! (Ruf bei der ÖVP: Richtig!) Wissen Sie, wo man solche Sätze liest? – In Einvernahmeprotokollen von nicht resozialisierbaren Straftätern, nämlich so­genannten Wiederholungstätern! (Abg. Dr. Lopatka: Geh hör auf!) Die sagen: Wir wis­sen zwar nicht, was wir tun, aber wir werden es auf jeden Fall wieder tun, weil wir ma­nisch sind! Wir werden auch weiterhin das Steuergeld der Österreicherinnen und Ös­terreicher ruinieren. (Beifall beim BZÖ.)

Und der zweite Satz des Herrn Kopf, Richtung ÖVP, war entlarvend: Wir tun es, weil wir mit unseren Banken dort sind! – Dann sagen Sie doch ehrlich, dass Sie zum dritten Mal innerhalb eines Jahres österreichisches Steuergeld hernehmen, um ein eigenes Bankenpaket für österreichische Banken, für europäische Banken zu schnüren, damit die dreckigen Spekulationsgeschäfte, die Sie in Griechenland angerichtet haben, ja nicht endlich aufgedeckt werden!

Sagen Sie das, denn das wäre ja der Weg! Griechenland in den Konkurs zu schicken, was bedeutet das? – dass die Anleihen von sehr vielen europäischen Banken am grie­chischen Staatsvermögen in die Luft gehen. Dann haben wir halt eine Bankenpleite.

Sie gehen her, nehmen 21 Milliarden € österreichisches Steuergeld und investieren es in die Banken, aber der Bevölkerung in Österreich erklären Sie: Nein, tut uns leid, es ist kein Geld mehr da! Ein paar Beispiele:

400 000 € für das Freilichtmuseum Stübing – nein, es ist kein Geld mehr da! Behin­dertenbeihilfe in Österreich – nein, es ist kein Geld mehr da! Pflegegeld – nein, das


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können wir nicht mehr auszahlen, es ist kein Geld mehr da! Pensionserhöhung – nein, um Gottes Willen, es ist kein Geld mehr da!

Das erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern in Anbetracht dessen, dass Sie heute hier in einer relativ kurzen Zeit von drei Stunden zu begründen versuchen: Aber 21,6 Milliarden € haben wir!, so nach der Devise: Wir sind ja die Zechpreller der Nation! Wollen Sie wirklich so Wirtschaftspolitik betreiben? Wollen Sie wirklich so ge­genüber den Österreicherinnen und Österreichern auftreten, und glauben Sie wirklich, dass diese Strategie undurchschaubar ist?

Die Menschen in diesem Land – schauen Sie sich die Internetforen an, schauen Sie sich die Wutbürger an, die sich bilden! – stehen kurz davor, auf die Straße zu gehen, um Sie mit nassen Fetzen aus Ihren Ämtern zu jagen. Peter Westenthaler hat es heute richtig gesagt: Die Uhr zeigt fünf vor zwölf. Die Menschen in diesem Land haben genau gespürt, dass Ihr Interesse nicht das Interesse des Volkes ist, sondern dass Ihr Inter­esse das Steigbügelhaltertum der Banken und der Europäischen Union ist – und das mithilfe der Grünen. Schämen Sie sich! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Moser: Bei Ihrer Politik gibt es gar kein ...!)

13.00


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


13.00.30

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Gerald Grosz auf Professor Van der Bellen, das nenne ich parlamentarisches Kontrastprogramm vom Feinsten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Gestatten Sie, Professor Van der Bellen, dass ich mich im höheren Maße an Ihren Ausführungen orientiere. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

„Repetitio est mater studiorum“, es braucht die Wiederholung, deswegen zum Eingang meiner Ausführungen noch einmal drei Klarstellungen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mo­ser.) Es geht bei diesen 21,6 Milliarden €, eine unglaublich hohe Summe, um einen Haftungsrahmen. Da wird kein Geld ausgegeben, da wird nichts gezahlt, es ist ein Haf­tungsrahmen. Im Vergleich dazu: Für unsere Exporte haften wir mit insgesamt rund 90 Milliarden €. Die werden Gott sei Dank auch nicht – oder nur im kleinsten Ausma­ße – schlagend, also lassen wir die Kirche im Dorf!

Zum Zweiten: Es ist völlig unüblich, zu solchen Haftungsrahmen die Finanzierungskos­ten – allfällige Finanzierungskosten! – hinzuzurechnen. Daher geht es um 21,6 Milliar­den € und nicht um 30 Milliarden €.

Und Zufall oder nicht, aber es ist diese Summe nun einmal fast ident mit der Haftungs­summe, die die Republik Österreich auch im Interesse des Landes Kärnten für die Hy­po Alpe-Adria übernommen hat, übernehmen hat müssen. (Abg. Mag. Stadler: Hätte sie eben nicht übernehmen müssen! Das ist nicht wahr! 4 Milliarden! Wir hätten nichts übernehmen müssen!) Und wie Kollege Kogler schon gesagt hat: Dort haben wir auch schon insgesamt 2,5 Milliarden € gezahlt, zusätzlich zu diesen Haftungen. Diese Wahr­heiten werden auch Sie, der die Wahrheit gepachtet zu haben glaubt, Herr Kollege Stadler, zur Kenntnis nehmen müssen. (Abg. Mag. Stadler: 4 Milliarden!)

Das Umfeld ist ein schwieriges, das wissen wir. Es gibt solche, die international davon sprechen, dass der Rahmen nicht ausreichen wird, dass die 440 Milliarden € nicht ge­nug sein werden. Es gibt andere, die einer Insolvenz, einem sehr baldigen Schulden­schnitt Griechenlands das Wort reden, und was ich am heutigen Tage für das Drama­tischste für dieses Hohe Haus halte ... (Abg. Mag. Stadler: Aber wir werden schon noch draufkommen, warum die Schwarzen das übernommen haben!) – Sind Sie noch


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immer am Zwischenrufen? Es fällt schon gar nicht mehr auf, Herr Kollege Stadler, so uninteressant ist das schon geworden. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber zurück zum Ernst des Tages und der Angelegenheit. Wenn das Wifo sagt: Wachstumseinbruch auf nur mehr 0,8 Prozent im nächsten Jahr ... (Abg. Mag. Stadler: Wir werden schon noch draufkommen, warum die Schwarzen 4 Milliarden übernom­men haben! 4 Milliarden schwarzes Kapital! – Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Wenn ich jetzt auf das Ende Ihrer Zwischenrufe warten würde, Herr Kollege Stadler, dann wäre meine Redezeit vorüber. Vielleicht, Herr Präsident, kann man die Stad­ler’schen Zwischenrufe aus den Redezeiten der Abgeordneten herausrechnen und dem BZÖ als Redezeit anrechnen, um hier ein Stück mehr Fairness hereinzubringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Grosz: Und Sie reden von niveauvollen Redebeiträ­gen hier in diesem Haus?) – Also dann! Ab sofort werden Sie ignoriert, das ist das Ein­zige, das Sie verdienen. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wieso übernahm Pröll 4 Milliarden für die Deutschen? Was haben die ... davon profi­tiert?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 0,8 Prozent Wachstumsrate – die niedrigste Wachstumsrate in 8 Jahren –, das stellt uns vor erhebliche Herausforderungen. Und da sage ich, dass ein reiner Austerity-Kurs, ein Kurs der Bundesregierung, bei dem auf Teufel komm raus gespart wird, wahrscheinlich beziehungsweise ganz sicher der fal­sche wäre.

Es geht jetzt ums Sparen, aber richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht darum, dass man einerseits Dinge, die wahrlich nichts mit Wachstum zu tun ha­ben, nämlich zum Beispiel die Hacklerregelung, sehr, sehr bald abschafft, denn da sind 2 Milliarden € pro Jahr für das Budget drin, auf der anderen Seite aber Wachstums­anreize in diesem Land nicht nur nicht unterbindet, sondern dort Gas gibt. Die Realwirt­schaft ist nämlich nach wie vor in einer Top-Verfassung – Kollege Hundstorfer saß vor­hin auf der Regierungsbank –: 3,7 Prozent, die niedrigste Arbeitslosenrate in Europa. Das kann sich doch sehen lassen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. Ich bin der Auffassung, dass es deswe­gen in der ÖVP-, in der grünen, in der SP-Fraktion keine Abweichler gibt, weil das Par­lament in Österreich besser informiert ist als in Deutschland. Da haben wir gegenüber dem deutschen Bundestag durchaus Vorteile – Hauptausschuss et cetera. Auf diesem Niveau wollen wir es belassen. Auch Kollege Kogler hat dann schon einmal realisiert: Kaum dass er gegen das Setzen eines Tagesordnungspunktes auf die Tagesordnung des Finanzausschusses stimmt, rasseln an der Wall Street die Kurse. So also schauen die Relationen heute aus!

Seien wir uns auch dessen bewusst, dass wir allesamt keine Patentlösung haben: wir nicht, niemand in Berlin, niemand in Brüssel, niemand in Washington. Es geht um Vor­gangsweisen, Schritt für Schritt. Es geht darum, die Interessen Österreichs, der Steuer­zahler, der Wirtschaft in den Vordergrund zu stellen. Das tun wir, und das ist der nächste wichtige und gute Schritt, den wir mit großer Mehrheit gemeinsam beschließen werden.

Herr Kollege Van der Bellen, Sie sagen, diese beiden Oppositionsparteien zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Perspektive an der Grenze Österreichs Halt macht – Kirch­turmpolitik, ganz oben im Kirchturm der wahrscheinlich katholischen Kirche, Herr Kolle­ge Stadler. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines eint diese beiden Oppositionsparteien schon auch noch, nämlich dass sie eben bedingungslosem Populismus das Wort reden, und das ist der falsche Ansatz, in schwierigen Zeiten wie diesen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 61

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


13.05.56

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Kollege Bartenstein! Also „hemmungsloser Populismus“ ist, glaube ich, das einzige Kontraargument gegen die Kritik, die kommt. Außer „Hypo“ und „hemmungsloser Populismus“ habe ich noch überhaupt nichts gehört. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Petzner: Genau! Und das gerade von Bartenstein!)

Was wir aber stattdessen einmal hören sollten, sind einige Fakten. Wir sind in dieser Schuldenkrise nicht trotz des Euro, sondern wegen des Euro. Wir wären ja in dem ganzen Schlamassel nie drinnen! Wenn wir in einem Hartwährungsblock mit der D-Mark, so wie bis Ende der neunziger Jahre, wären, gäbe es diese Krise – jedenfalls für Österreich – nicht. Das heißt, die Krise ist verursacht durch die Schaffung der Wäh­rungszone, und ich brauche da Außenminister Hague nicht weiter zu zitieren: ein „Mo­nument kollektiven Wahnsinns“, das in die Geschichtsbücher einfließen wird. Das wird aber von Ihnen und auch von allen Regierungsrednern und natürlich auch von den Grünen geleugnet, verharmlost oder unter den Tisch gekehrt und hinter den Worten „Hypo Alpe-Adria“ und „Populismus“ versteckt.

Was ist denn diese EFSF, die so gelobt wird? Alle freuen sich, dass wir ja nur Haftun­gen eingehen und dass es so billig ist, gute Zinsen zu bekommen. Das ist genau das, was die Griechen gemacht haben: billige Kredite aufnehmen, sich verschulden und es nirgends ausweisen.

Das ist das Schlimmste, was wir machen können, nämlich wenn wir nicht Geld, das wir haben, in einen Fonds einzahlen  wo wir spüren, was hineinfließt , sondern einfach Haftungen aufnehmen und sagen: Das geht uns ja gar nichts an. Das kostet uns ja nichts! Und in zehn Jahren, wenn uns das Ganze um die Ohren fliegt, sind auf einmal 10, 20, 30 Milliarden € fällig. Aber das geht uns hier ja alles nichts an, denn bis dahin haben wir längst kein Mandat mehr. Also dieses System der Haftungen ist das schlimmste aller möglichen Systeme – das schlimmste aller möglichen Systeme! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Und das, was wir über die EFSF machen, ist auch die teuerste aller möglichen Varian­ten, denn was wir tun, ist, alle Schulden zu übernehmen (Abg. Rädler: Der Wirtschafts­fachmann! Der Wirtschaftsfachmann Hübner!), alle Schulden auf alle Länder zu vertei­len – und damit von allen nicht zahlungsfähigen Ländern auf alle zahlungsfähigen Län­der umzuschichten. Und da wir zweifellos zu den zahlungsfähigen gehören, zumindest derzeit noch, ist es für uns der maximal mögliche Schaden.

Jede andere Lösung, jede Staatsbankrottlösung würde uns dazu zwingen, Geld ins Bankensystem zu stecken – das ist richtig, wir müssten Rekapitalisierungsmaßnahmen für die Banken machen –, aber wenn man davon ausgeht, dass nur ungefähr 20 Pro­zent der Staatsanleihen dieser ganzen möglichen Pleiteländer im Süden, also von Por­tugal über Italien bis Griechenland, bei EU-Banken liegen, dann hätten wir das Risiko schon gefünftelt. Und wenn wir davon ausgehen, dass wir auch im Konkursfall eine Quote bekommen, dann liegen wir vielleicht bei 10 Prozent des Risikos, das wir einge­hen. Jetzt aber gehen wir den Weg, dass wir das gesamte Obligo über die diversen Fonds, heißen sie jetzt EFSF und dann ESM, verstaatlichen und der nächsten Gene­ration um die Ohren fliegen lassen.

Ein Wort noch zur Hypo Alpe-Adria, die ja hier als einziges Gegenargument kommt. Frau Minister Fekter, gehen wir einmal nur für die akademische Diskussion davon aus, dass das vergleichbar wäre – das ist es natürlich nicht, denn wenn ich eine Bank ver­staatliche, okay, dann habe ich eine verstaatlichte Bank und die saniere ich jetzt; das


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ist etwas ganz anderes, aber gehen wir davon aus, es wäre das Gleiche –, dann wäre Ihre Argumentation ja quasi wie bei einem Bauern: Wenn der Blitz in die Hundehütte einschlägt und ich zünde dann den Hof an, dann darf man mir nichts sagen, weil es ja schon in die Hundehütte eingeschlagen hat; da kann ich den ganzen Hof auch noch anzünden. Das ist ungefähr das Argument. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hö­finger: Was ist denn das für ein Vergleich?! – Abg. Rädler: Jetzt hat der Wirtschafts­experte gesprochen!)

13.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


13.09.23

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Das Niveau Hundehütte haben wir jetzt schon gehört; auf der Ebene wird die Diskussion ja geführt. (Abg. Mag. Stefan: Kai Jan Krainer? Eine Kai-Jan-Krainer-Diktion, richtig?)

Ich, und nicht nur ich, habe von dieser Stelle aus die deutschen Freunde in den letzten 18 Monaten häufig kritisiert, weil sie zu zögerlich, zu sehr von der Innenpolitik bestimmt gehandelt und damit die Krise verschärft haben, statt dass sie beigetragen hätten, sie einzuschränken. Aber gestern – und darauf hat Alexander Van der Bellen richtiger­weise hingewiesen – war das ein verantwortungsvoller deutscher Bundestag, der mit 532 Pro-Stimmen bewiesen hat, dass man in einer Krisensituation auch in einem de­mokratischen und aufmüpfigen Parlament verantwortungsvoll handeln kann. – Das ver­misse ich zur Gänze bei BZÖ und FPÖ.

Sagen Sie einmal, was erwarten Sie sich denn davon, wenn Sie in einer Situation, die schwierig genug ist, glauben, billiges Kleingeld mit Vorschlägen machen zu können wie etwa, dass Griechenland doch bitte die Hälfte aller Schulden durch einen Konkurs weg­bekommen soll?

Ich bleibe gleich bei Ihrem Populismus: Was heißt denn das?  Heute heißt das, dass die EZB mindestens 100 Milliarden € verliert – Geld des österreichischen und des eu­ropäischen Steuerzahlers, bitte –, das den Griechen als Schuldennachlass geschenkt wird. Wenn ich es populistisch haben will, dann frage ich: Na, wer sind denn die „Vö­gel“, die dort das Geld gern nachschieben wollen?  Doch jene, die den Konkurs ver­langen! Merken Sie, wie absurd eine solche populistische Diskussion ist?

Schauen wir doch den Tatsachen ins Auge: Es wird behauptet, die Spekulanten hätten sich die griechischen Anleihen gekauft. Meine Damen und Herren, die waren mit 5 Pro­zent – mit 5 Prozent! – knapp 1 Prozent über den deutschen Anleihen verzinst! Glau­ben Sie, die hat ein Spekulant gekauft? Glauben Sie wirklich, der hat erwartet, dass die Zinsen hinuntergehen und daher der Wert des Papiers hinaufgeht? Damit ist nicht spe­kuliert worden. Die Eigentümer der Anleihen waren jene, die das zur Besicherung, als sichere Anleihe hineingenommen haben, und Banken, um die Einlagen zu unterlegen.

Womit spekuliert wurde (Abg. Dr. Stummvoll: Auf die Krise!) – das gibt es auch –, das waren sogenannte CDS. Um es den Zuseherinnen und Zusehern zu erklären: Das sind Wettscheine, und diese Wettscheine lauten: Im Falle des Defaults, des Untergangs von Griechenland, des Konkurses, wird der Wettschein fällig. Das ist eine Wette! Und es liegen dort – das wurde erst vor Kurzem in der „FAZ“ publiziert – geschätzte 86 Milliar­den € am Tisch.

Na, die Leute, die dort 86 Milliarden € für Hedge-Fonds und anderes kassieren, die wissen schon, wie man beeinflusst. Und dann haben sie überall Agenten, zum Beispiel beim BZÖ. Ich weiß schon, in wessen Auftrag! „Im Auftrag Ihrer Majestät“ ist in dem


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Fall „im Auftrag der Hedge-Fonds“. Ich weiß schon, „JB“ wie „James Bond“, das ist dann aber nur „Josef Bucher“ – und er weiß nicht genau, was er tut: Er hat ein Karterl, auf dem steht, wie man Griechenland retten soll. (Zwischenruf des Abg. Dr. Barten­stein.) Das ist unseriös, unvernünftig und Sie betreiben die Sache der Spekulanten. Überlegen Sie es sich noch! Sie haben noch eine Stunde oder eineinhalb Stunden Zeit. Überlegen Sie sich Ihre Position und kehren Sie auf einen Kurs verantwortungsvoller Politik zurück! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Das, was Sie tun, gefährdet nämlich nicht nur Griechenland oder die Europäische Uni­on, es gefährdet auch die Stabilität unseres Landes. Denn wir sind heute als offene Volkswirtschaft Teil dieser Europäischen Union, und als Teil dieser Europäischen Union müssen wir in guten wie in schlechten Zeiten unsere Beiträge leisten. Wir haben so profitiert davon, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu haben, wir haben so profitiert davon, eine gemeinsame Währung zu haben, dass wir in der Krisensituation verpflich­tet sind, im Interesse unserer Betriebe, unserer Beschäftigten und unserer Bevölkerung dieses Ausmaß des Erhaltes auch fortzuführen.

Wenn am Ende des Tages eine demokratische Form steht – und da bin ich auf der Sei­te der Grünen –, mit einem besseren Mechanismus, einer noch stärker integrierten Union, dann soll sie eine soziale sein und eine, in der man die Leute nicht fallen lässt – genauso wenig wie die Kärntner, obwohl es den Petzner gibt und alle anderen auch.  Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. Ihnen steht noch eine Redezeit von 1 Minute zur Verfügung. – Bitte.

 


13.14.06

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Liebe Kollegen! Wenn wir heute die EFSF mit dem Schwerpunkt Griechenland beschließen und im Gegenzug erleben müssen, dass ein Antrag-Stopp verhängt wurde für die Ländliche Entwicklung, das heißt, die wichtigen Projekte zurückgestuft werden (Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann), im selben Atem­zug aber Griechenland mit dem Hilfspaket, mit den Hilfsgeldern um 16 Millionen € eine Moschee baut, so weiß ich nicht, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Wenn wir vom Kollegen Kopf heute erfahren, dass wir, wenn wir Griechenland nicht retten, nicht wissen, wie es in Italien, Spanien, Portugal weitergeht, dann können wir gleich populistisch zurückfragen: 770 Milliarden €, 1 000 Milliarden €, 2 000 Milliar­den €, wo wird das hinführen? – Ich glaube, in dieser wirklich kritischen Frage sollten wir den Bürger entscheiden lassen, sollten wir den Weg frei machen, um den Bürger entscheiden zu lassen, ob er die Ländliche Entwicklung will (Zwischenruf des Abg. Hörl), ob er Kürzungen im eigenen Land will, ob er Einschnitte haben will oder ob wir Griechenland, Portugal, Spanien helfen wollen.

Ich zitiere einen ehemaligen Landesparteivorsitzenden der SPÖ von Kärnten, der ge­sagt hat, ein Schuft ist nur der, der gibt und nicht hat. – Ich glaube, das sollte sich die Regierung überlegen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Wittmann: ... zwei Minuten! Eine Minute zu viel!)

13.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


13.15.30

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Freiheitlichen und noch viel turbu­


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lenter vom BZÖ ist das, was wir, die große Mehrheit im Parlament, heute hier machen, als verantwortungslos gegeißelt worden.

Meine Damen und Herren von der FPÖ und vom BZÖ, glauben Sie tatsächlich, dass alle Staaten im Euroraum einem kollektiven Irrtum erliegen, oder sollten Sie nicht eher glauben, dass hier eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig ist, um Griechenland zu retten? Ich sage Ihnen, warum das im ureigensten Interesse auch von uns hier in Österreich ist.

Das Wifo hat heute die letzte Prognose revidieren müssen, und die Wifo-Prognose von heute ist alles andere als positiv. Was schreibt das Wifo hier? Es schreibt, dass, wenn schon bei dieser Prognose, die von optimistischen Annahmen ausgeht, die An­sätze reduziert werden mussten, selbst diese heruntergesetzten Annahmen nur in dem Fall eintreffen, „dass es keine Staatsbankrotte in der Eurozone gibt“. Kommt es näm­lich zu solchen Staatsbankrotten, dann sehen auch die Experten des Wifo die Situa­tion noch dramatischer.

Und vor diesem dramatischen Hintergrund die heutige Sitzung hier zu einem Komö­dienstadel verkommen zu lassen (Abg. Petzner: Na hallo!) – ja, Komödienstadel, das hat ein Wutbürger heute hier von der Tribüne auf uns alle ... (Abg. Dr. Graf: Das kön­nen Sie ja nicht uns vorwerfen!) – Doch, ich kann es Ihnen vorwerfen! Ich kann es dem BZÖ ... (Abg. Dr. Graf: Der hat es ja bei Ihnen geworfen!) Nein. (Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Graf und Petzner.) Den Flugzettel werfe ich Ihnen nicht vor, aber der Herr hat die Lage genau richtig eingeschätzt: Würden wir Ihnen folgen, wäre das Parlament ein Komödienstadel! Ich sage es Ihnen, es ist so. (Abg. Neubauer: Nein, der hat gesagt, der Faymann soll seine Aufgabe machen!)

Es ist so, meine Damen und Herren: Die Lage ist viel zu ernst! Die Lage ist viel zu ernst – einerseits das, was wir hier mit der Schuldenkrise zu bewältigen haben, und der zweite, viel wichtigere Punkt, meine Damen und Herren, ist, dass es ja jetzt letztendlich darum geht, ein finanz- und wirtschaftspolitisches Fiasko zu verhindern, um dann wie­der auf den Weg zurückzukehren, der diesen Euroraum so ausgezeichnet hat, nämlich, dass das jene Zone auf der Welt war, wo sozialer Friede, Wohlstand und Fortschritt, und zwar für die breite Masse der Bevölkerung, sich besser entwickelt haben als in je­dem anderen Erdteil dieses Planeten. (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Meine Damen und Herren, es geht darum, aus dieser Krise möglichst rasch herauszu­kommen. Und das eine, was dafür wichtig ist, ist, den Griechen die Handlungsfähigkeit wiederzugeben, denn diese sind momentan ganz sicher nicht handlungsfähig. Darauf wird sehr, sehr genau geachtet, nicht nur von europäischer Seite, sondern vor allem auch von der Weltbank. Und das, was den Griechen auferlegt ist, bleibt hoffentlich al­len anderen Europäern erspart.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille; die andere ist, dass natürlich auch alle an­deren europäischen Staaten glaubwürdig ihre Konsolidierungspolitik fortsetzen müs­sen. Das ist unangenehm genug, aber unbedingt notwendig, und da kann es von unse­rer Seite her auch keine Milliardenausgaben und auch nicht Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe geben, wie gestern der Zuruf von einem verstaatlichten Betrieb lautete, in den ohnehin Milliarden fließen: Also 400 Millionen wären jetzt noch genehm! – Das geht ganz sicher nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen hier konsequent unseren Konsolidierungskurs fortsetzen (Zwischenruf des Abg. Petzner), und dann, das sage ich Ihnen, werden wir es auch schaffen, aus dieser Krise herauszukommen. Ich sage Ihnen: Es ist klug, an diese Sache mit großem Ernst heranzugehen und unsere Verantwortung wahrzunehmen. Schade, dass das von Ihrer Seite her nicht mitgetragen wird, was, wie ich hoffe, in allen Staaten der Eurozone


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möglich ist – auch in der Slowakei –, nämlich sich in dieser Phase zu bewähren. (Bei­fall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Petzner.)

13.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


13.19.42

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Als Abgeordnete dieses Hauses sollten wir alle das Gleiche wollen. Ich glaube auch, dass wir tatsächlich alle das Gleiche wollen, denn letztlich sind wir Volksvertre­ter: Letztlich sollten wir die Interessen des Volkes im Auge haben, und genau in die­sem Punkt scheiden sich die Geister!

Der Konflikt, der hier entstanden ist, ist ja nicht deshalb entstanden, weil es gute Kräfte gibt, die auf das Volk schauen, und böse Kräfte gibt, die dem Volk schaden wollen, nein, es gibt einen Auffassungsunterschied darüber, welches Volk unser Interesse ver­dient. Es gibt hier im Haus Parteien, die glauben, dass wir Volksvertreter im österreichi­schen Parlament sind und demnach dem österreichischen Volk verpflichtet sind. Und es gibt andere Abgeordnete, die das etwas weiter spannen und denen auch das euro­päische Volk am Herzen liegt. (Abg. Amon: Wir sind ja auch Teil des europäischen Volkes!)

Es mag durchaus legitim sein, wenn Sie sich über Griechenland und Portugal und über die Völker dieser Länder Gedanken machen und wenn Sie wollen, dass jene auch kein Ungemach trifft. Das mag durchaus verständlich sein. Mich hat gestern jemand gefragt: Worüber diskutiert man im Parlament – es kann doch nicht so schwer sein, in der Si­tuation einfach das Beste zu tun! (Ruf bei der ÖVP: Parteifreund vom BZÖ?)

Die Frage ist: Was ist das Beste in dieser Situation? Und da stellt sich die Frage: Für wen ist es das Beste? – In dieser Krise sehen wir, dass in der Europäischen Union vie­le das Beste für die europäischen Banken wollen, das Beste für griechische, für portu­giesische, für italienische Bürger wollen und erst in ganz letzter Konsequenz die öster­reichischen Interessen im Auge haben. Genau das ist der Punkt! Deshalb: Wir haben jetzt eine veritable Krise, und es ist jetzt die Frage: Wer wird leiden, wer wird dafür zah­len?

Es kann sich doch keiner ausmalen, dass wir in dieser Sache ungeschoren davonkom­men! Wir haben jetzt alle miteinander, alle Länder dieser Welt, Schulden gemacht, die einen mehr, die anderen weniger. Wir haben Schulden gemacht, ohne darüber nach­zudenken, ob wir sie jemals zurückzahlen können. Jetzt gibt es Länder, die so stark verschuldet sind, dass es keinen Ausweg gibt. Es gibt zum Beispiel im Falle von Grie­chenland keinen Ausweg.

Wenn Sie sich dementsprechend ein bisschen in die Literatur vertiefen: Es gibt ein sehr interessantes Buch, das „Dieses Mal ist alles anders“ heißt, es ist von zwei Wirt­schaftsprofessoren und einer -professorin geschrieben worden. Da geht es um acht Jahrhunderte Finanzkrisen, und da steht genau drin, dass alle Staatspleiten der Ver­gangenheit, im Besonderen die Staatspleiten der letzten 30 Jahre, im Schnitt bei 70 Prozent BIP-Verschuldung passiert sind. – Bei Griechenland sind wir bei mehr als dem Doppelten. Griechenland kann aus eigener Kraft nicht gerettet werden, Griechen­land muss pleitegehen!

Griechenland ist de facto pleite, nur wollen es einige nicht wahrhaben. Jetzt kommt die Europäische Union ins Spiel und überlegt sich Alternativen. Was passiert, wenn Grie­chenland pleitegeht? – Das gefährdet den Euro überhaupt nicht! Herr Nowotny sagt das, Herr Juncker sagt das, auch viele Abgeordnete sagen das: Der Euro ist ja nie in Gefahr gewesen! Der Euro ist auch nicht in Gefahr, wenn Griechenland pleitegeht.


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Ganz im Gegenteil: Das wird ihn sogar noch stützen, weil dementsprechender Druck draußen ist!

Nein, es geht um etwas ganz anderes. Es geht darum: Wenn Griechenland pleitegeht, werden die Banken Geld verlieren – und die Banken sind in Europa sehr, sehr einfluss­reich – und die Bevölkerung in Griechenland wird noch größere Probleme bekommen, noch tiefere Einschnitte zu gewärtigen haben. Genau das ist der Punkt! Das heißt, man wägt ab zwischen den Interessen des griechischen Volkes und dem Wohlstands­verlust der Österreicher. Darüber reden wir! Wir reden darüber, dass in Österreich ein Wohlstandsverlust passieren wird, und zwar deshalb, weil wir das Geld verteilen. Es ist hier eine sozialistische Umverteilung geplant, wobei man jenen nimmt, die haben, und denen gibt, die nicht haben, ganz einfach, und dann sozusagen ein Gleichgewicht er­zeugt. (Abg. Mag. Gaßner: Schlecht?) Es ist eine klassische Umverteilung ... (Abg. Mag. Gaßner: Ja, schlecht?)

Sie sagen, das ist nicht schlecht, das ist keine Frage. Jetzt gibt es viele, die sagen: Na­türlich, wir wollen eine Umverteilung, wir wollen, dass das Vermögen der Österreicher zu all jenen geht – Portugiesen, Griechen –, die es brauchen! Nur, meine Frage ist: Gibt es dafür für uns eine Legitimierung? Hat uns irgendjemand ermächtigt, das Geld der Österreicher den Griechen zu geben? Will das jemand?

Da sind wir schon bei der Volksabstimmung! Warum lassen wir nicht das Volk selbst entscheiden? – Das Volk sollte doch über seinen eigenen Wohlstand und über sein ei­genes Geld selbst entscheiden können. Warum lassen wir das nicht zu? – Das wäre das Einfachste der Welt.

Nun noch zu den Ausführungen über die Finanztransaktionssteuer: Wir führen ja hier ein Scheingefecht! Jetzt kommt Herr Faymann mit der Finanztransaktionssteuer daher und erklärt uns, er hat damit die Finanzkrise dementsprechend gezügelt. (Abg. Mag. Muttonen: Schon lange! Er war der Erste!) Ja, ich weiß, er hat das initiiert. Er hat das von ATTAC, einer sehr interessanten Organisation, übernommen. Damals hat es noch Tobin-Tax geheißen, wobei Herr Tobin, der das erfunden hatte, sich dann davon distanziert hat. Aber das sei einmal dahingestellt.

Entscheidend ist, dass die Finanztransaktionssteuer substanziell überhaupt nichts be­wegen wird, null! Es ist rein eine Beteiligung am Finanzkapitalismus. (Abg. Kickl: Wer hebt sie ein?) Herr Faymann will sich beteiligen, die EU will sich hier ein Körberlgeld machen, aber es wird nichts daran ändern, dass wir erstens einen entfesselten Finanz­kapitalismus haben und dass zweitens alle Staaten überschuldet sind, alle Staaten, auch wir! Auch wir sind überschuldet, und die Griechen, Portugiesen und Italiener im Besonderen.

Das wird uns jetzt auf den Kopf fallen! Die Frage ist nicht, ob es passieren wird, und die Frage ist auch nicht, wie wir es verhindern können, sondern die Frage wird sein, wer dafür zahlen wird. Das ist die Frage, und diese müssen wir klären. (Ruf beim BZÖ: Der Steuerzahler!) Genau: Wer soll zahlen? Der Steuerzahler – das ist mir auch noch zu weit gefasst! Die Frage ist: Soll der österreichische Steuerzahler dafür zahlen? – Das ist die Frage!

Die Alternative wäre, dass die Banken, die ja gut verdient haben, dafür zahlen. Das wäre die Alternative – die ist schon vorbei, diese Alternative! Die gibt es nicht mehr, weil die EZB etwas getan hat, was früher undenkbar war. Wenn ich vor zehn Jahren gesagt hätte, dass die EZB einmal Staatsanleihen kaufen wird, dann hätte man mich mit der Zwangsjacke abgeholt, und das zu Recht. Das war damals undenkbar! Es war undenkbar, dass die Volkswirtschaft damit beginnt, sich selbst zu befriedigen.

Genau das soll auch jetzt passieren: Das ist eine Selbstbefriedigung, indem ich sozu­sagen meine eigenen Schulden finanziere und damit sämtliche Mechanismen einer ge­


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sunden Finanzökonomie außer Kraft setze. Daran sind auch wir mit schuld, weil wir das mitgetragen haben. Jetzt soll das noch pervertiert werden, jetzt geht es ins Extre­me: Jetzt will man auch noch mit Hebelprodukten arbeiten! Das heißt, man will die 1 000 Milliarden für diesen Rettungsschirm, die da im Raum stehen, aufdoppeln auf 2 000, 3 000, 4 000 Milliarden, mit sogenannten Hebelmechanismen, mit Leverage-Ef­fekten. Das heißt, man spielt hier einen Finanzkapitalismus mit, der uns ja genau in die Krise geführt hat!

Deshalb sollten wir uns wirklich eines fragen, und Herr Matznetter hat es heute ohne­hin schon angesprochen, als er – auf die Opposition gemünzt; ich zähle mich auch da­zu, obwohl ich freier Abgeordneter bin – gefragt hat, was wir uns von dem Ganzen ei­gentlich versprechen. Es ist ganz einfach: Wir versprechen uns davon, dass die Inter­essen der Österreicher mehr gehört werden! Das ist alles: die Interessen der Österrei­cher, denn wir sind im österreichischen Parlament, wir sind von den Österreichern ge­wählt, und deshalb vertreten wir die österreichischen Interessen!

Ist das jetzt schlecht, ist das böse? Darf man das nicht in der EU? – Ich weiß schon ... (Abg. Krainer: Glauben Sie nicht, dass das jeder da herinnen macht?) Na, eben nicht! Das ist genau der Punkt (Abg. Krainer: Aha, das entscheiden Sie!), denn für einen überzeugten Sozialisten, wie Sie das sind, Herr Krainer, gibt es das österreichische Volk gar nicht. (Abg. Krainer: Ach nein?) Für Sie gibt es andere Kriterien der Volkszu­gehörigkeit und der Klassenzugehörigkeit, und genau das ist das Problem. Das heißt, wenn Sie nach Brüssel fahren, geben Sie Ihre österreichischen Interessen ab. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Genau das ist der Grund, warum es hier Parteien gibt, die das eben nicht tun: die nicht die österreichischen Interessen in Brüssel an der Garderobe abgeben und deshalb dort auch einiges für die Österreicher fordern, dass wir nicht gänzlich über den Tisch gezo­gen werden!

Eine Sache noch zu den Grünen: Ich schätze die Grünen ja sehr, was ihr Engagement für erneuerbare Energien, für eine Energiewende und so weiter betrifft. Aber eines ist auch ganz sicher: Was sie heute hier machen, indem sie uns verkaufen, indem sie uns an ein sinkendes Schiff ketten, indem sie uns Milliardenverluste für die Zukunft aufbür­den (Abg. Mag. Steinhauser: Nein, Sie waren das vom BZÖ!), wird dazu führen, dass uns in Zukunft das Geld fehlen wird, um genau diese Energiewende, die ja Geld kosten wird, einzuleiten.

Deshalb: Es ist keine nachhaltige Politik! Sie fordern ja immer nachhaltige Politik. Eine Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zu bekämpfen, ist nicht nachhaltig, und das müsste Ihnen als Grüner einleuchten. Ich habe Sie immer sehr geschätzt, Herr Kogler, aber dass Sie jetzt einer so wenig nachhaltigen Politik das Wort reden, uns letztlich verkaufen und unsere Steuern der Zukunft, die wir noch gar nicht gezahlt haben, hier verpfänden, das ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Deshalb: Vielleicht können Sie sich noch besinnen und nehmen Sie mehr Rücksicht auf das, was die Österreicher wollen, und nicht auf das, was in Brüssel gewollt wird. – Vielen Dank.

13.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

 


13.29.29

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen Ministerinnen! In einem hatte Herr Lugar jetzt absolut recht: als er gemeint hat, es war Bundeskanzler Faymann, der sich stark gemacht hat für die Finanztransaktions­steuer. Dafür ist ihm zu danken. Heute ist das in Europa Usus und Ansage! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wissen Sie, was Herr Barroso zu dieser Finanztransaktionssteuer gemeint hat? (Ruf beim BZÖ: Ein Wunsch, nicht mehr!) – Barroso hat gemeint, jetzt ist es an der Zeit, dass der Finanzsektor auch eine entsprechende Gegenleistung für die Gesellschaft er­bringt. Und wissen Sie, wofür dies eine Gegenleistung ist? – Für 4,6 Billionen €, die die EU-Staaten an den Finanzsektor gewährt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, davon redet niemand!

Wenn ich höre, dass die Staatsverschuldungen schuld daran sind, dass wir in diesen Krisen stecken, in denen wir jetzt sind, dann frage ich mich schon, warum es notwen­dig war, den Finanzsektor mit über 4 Billionen zu unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier bin ich also guter Dinge, Herr Bundeskanzler, dass es auch noch – der stete Tropfen höhlt den Stein – gelingen wird, die übermäßigen Vermögen in Europa dementsprechend zu besteuern, um auch hier unseren Beitrag zu holen, da­mit die Finanzen und die Budgets wieder in Ordnung kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe bei dieser Diskussion heute sehr, sehr aufmerksam zugehört. Da ist die Frage einer Volksabstimmung gewesen, darü­ber, ob wie denn so vorgehen, wie wir das heute mit dem EFSF-Beschluss wieder tun sollen. (Abg. Grosz: Wie?) Na ja, sollen wir das tun, oder sollen wir es nicht tun?

Keiner derjenigen, die die Volksabstimmung so protegiert haben, die sagen, dass das Volk unbedingt befragt werden muss, hat mir erklärt, was denn wirklich passiert, wenn wir eine Volksabstimmung durchführen und wenn, no na, die Österreicher sagen: Kein Geld für die Griechen, das behalten wir uns hier! Was passiert dann? – Die Folgen wären doch absolut ein Zerbrechen der Europäischen Union, eine In-Frage-Stellung des Euro. Ist das egal? Und haben Sie je ausgerechnet, was das dann den österreichi­schen Steuerzahler kostet? – Davon habe ich nichts gehört. Ich habe nichts davon ge­hört! (Abg. Mag. Stefan: ... steht gar nicht im Vertrag!)

Wissen Sie, was noch spannend ist? – Es wurde hier immer wieder behauptet, wir in­vestieren 30 Milliarden in den Schuldenturm, wir schieben 30 Milliarden in den Süden (Abg. Grosz: Unterm Strich wird es dazu kommen!), es werden 30 Milliarden über­wiesen. Dazu ist mir eingefallen – Sie haben uns auch gedroht, wenn wir das tun, dann werden wir am Ende vom Wähler abgestraft (Abg. Grosz: Ja, genau!) –: Was wird denn passieren (Abg. Grosz: Ihr habt seit 20 Jahren verloren!), wenn diese 30 Mil­liarden, die ja nur Haftung sind, nirgends hingeschoben werden? – Ich bin gespannt, wer dann abgestraft wird: dafür, dass er den Wähler belogen hat! (Abg. Grosz: Seit 20 Jahren gibt es keine Wahl, bei der die SPÖ ein Plus hat!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht heute ganz einfach darum, diesen Rahmen zu erhöhen, und das wird in diesem Haus mit Mehrheit geschehen. Dass es noch sehr, sehr viele Diskussionen dazu geben wird, um den ESM dann auch wirklich zum Beschluss zu führen, ist schon klar. Aber der heutige Beschluss ist notwendig, um einfach die Katastrophe hintanzuhalten und nicht ein Land in den Ruin zu schicken. (Abg. Grosz: Verzeihung, Gusenbauer hat gewonnen, ja!)

Eines ist mir heute noch zu wenig diskutiert worden. Wir haben schon davon geredet, dass die Griechen privatisieren müssen, dass sie Budgetkürzungen hinnehmen müs­sen, dass sie Steuererhöhungen hinnehmen müssen; das ist alles okay. Aber wir ha­ben nicht davon geredet, dass dann, wenn nur diese Maßnahmen geschehen, Grie­chenland sich nie erholen kann! Das heißt, es muss auch sehr gezielt darauf geschaut werden, dass sich die griechische Wirtschaft wieder erholen kann und dass es wieder zu Steuereinnahmen kommen kann. Auch das ist meiner Ansicht nach eine Aufgabe, die noch in der gesamten EU durchzuführen ist.

Meine Damen und Herren, bis jetzt haben wir von der Europäischen Union nur profi­tiert. Jetzt weht ein etwas schärferer Wind, und jetzt wollen Sie sich einfach aus dem


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Staub machen und sagen: Das geht uns nichts an! – Ich sage: Eine Gemeinschaft ist erst dann eine Gemeinschaft, wenn sie sich tatsächlich solidarisch verhält! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. – Bitte. (Abg. Grosz: Es spricht der Raiffeisenverband! – Abg. Mag. Stadler: Der oberösterrei­chische! Das sind die Besseren! – Abg. Auer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Danke für das Kompliment!)

 


13.34.46

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Beschluss schütze man die Bankenspekulanten, hat Kollege Strache heute for­muliert, und er meinte, die Banken müssten ungleich stärker zur Kasse gebeten wer­den, und es dürfe keine Belastung für die Steuerzahler geben.

Zu Letzterem sei ihm beigepflichtet. Aber zur Erinnerung, Herr Kollege Strache: Der amerikanische Staat hat Lehman Brothers – Chapter 11 – in Konkurs geschickt. Wis­sen Sie, wie groß dieser Schaden war? Was schätzen Sie? – 13 Millionen Jobs und 15 Billionen Dollar hat diese Finanzkrise ausgelöst. (Abg. Strache: Weil man nicht ver­staatlicht hat!) 15 Billionen Dollar! (Abg. Strache: Das war ein Fehler!)

Wenn der Konkurs einer, zugegeben, durchaus großen Investmentbank – nicht der größten – eine derartige Auswirkung hat, dann frage ich mich: Was hätte es für eine Auswirkung, wenn man so wie Sie meinte, man sollte die Griechen in Konkurs schi­cken? (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Meine Damen und Herren, das würde mich einmal interessieren.

Und: Der Steuerzahler darf nicht zu Schaden kommen! Ja, hier steht etwas anderes auch noch (der Redner hält einen Zeitungsartikel in die Höhe): „Kein Schadenersatz für Lehman-Geschädigte“, deutscher Bundesgerichtshof; die Anleger sind eingefahren, wie man nach wienerischer Art so schön sagt. Meine Damen und Herren, das kann es nicht sein! Es ist zugegebenermaßen eine riesige Herausforderung.

Oder wissen Sie, wie viele amerikanische Banken infolge dieser Lehman-Pleite auch zugesperrt wurden, in Konkurs geschickt wurden? – Ich gebe Ihnen die Liste: 395 ame­rikanische Banken! 395 amerikanische Banken sind seit dieser Lehman-Brothers-Pleite in Konkurs geschickt worden und haben zugesperrt.

Meine Damen und Herren! Ein derartiges Szenario ist unvorstellbar, denn es würde wiederum genau jene treffen, die am wenigsten dafür können: die Arbeiter, die Wirt­schaft, mit all den fatalen Auswirkungen auf die Budgets! Wir haben es ja erlebt, meine Damen und Herren; wir haben es erlebt.

Wenn schon das BZÖ und die Freiheitlichen uns heute erklären, dass die Regierung und mit dabei auch die grüne Fraktion völlig falsch liegen, dann frage ich mich, warum die europäischen Staaten, die diesen Beschluss des Rettungsschirmes fassen, mit all ihren Stäben der Regierungschefs, der Finanzchefs und der Experten (Abg. Strache: So wie der englische Außenminister von einem abgebrannten Haus spricht!) bereit sind, auch diesen Rettungsschirm sicherzustellen. Sind das alles Leute, die nichts ver­stehen, und nur ihr beiden Fraktionen habt die Weisheit gegessen? (Abg. Strache: So wie der englische Außenminister von einem abgebrannten Europahaus spricht!) Da traue ich der wirtschaftlichen Kompetenz der Regierungen durchaus mehr zu, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: „Billions“ sind keine Billionen!)

Meine Damen und Herren! (Abg. Grosz: Die englische Bedeutung von „billions“ ...!) Es ist auch bemerkenswert, wenn uns die Amerikaner verkünden, dass Europa sich um


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die Bankenlandschaft zu wenig gekümmert hätte. Ich gratuliere Frau Bundesminister Fekter zu dem Mut, den sie hatte, dort auch ein bisschen daran zu erinnern (Abg. Grosz: Was sind „billions“?), wo es wirklich Probleme gibt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Wie viele Millionen ...?) Wenn die amerikanischen Banken ab 400 in Konkurs geschickt werden, braucht uns ein amerikanischer Präsident nicht zu erklären, dass Europa sich besser um die Banken kümmern sollte. Er hat im eigenen Land Arbeit ge­nug, meine Damen und Herren!

Eines sollten wir auch wissen: Es ist ja bekannt, es ist unbestritten, meine Damen und Herren (Abg. Grosz: Was ist die deutsche Bedeutung von „billions“?), dass die Euro­päische Union, dass uns der Euro sehr viel Wohlstand gebracht hat. Meine Damen und Herren, es ist auch unbestritten, dass Österreich gewaltig vom Euro profitiert. Als der Euro als Zahlungsmittel eingeführt wurde, wurde er belächelt: Wird denn der gegen den Dollar Bestand haben? Welche Chance wird dieses Zahlungsmittel haben? (Abg. Strache: Da ist alles billiger geworden, wenn es nach der ÖVP geht!) Bei der Einfüh­rung hat er sozusagen bei 1,18 notiert. Dann ist er einmal auf 0,80 abgerutscht. Am Höchststand war er bei 1,60, und jetzt liegt er bei etwas über 1,20.

Er hat uns im Export ungeheuer geholfen! Wenn Österreich von der Exportwirtschaft in den letzten Jahren profitiert hat wie kaum ein zweites Land – vielleicht noch Deutsch­land –, wenn die Wirtschaftskraft gestiegen ist, wenn Österreich die Wirtschaftskrise, auch dank vieler Maßnahmen dieser Regierung, ungleich besser bewältigen konnte, dann auch deshalb, weil die Exportwirtschaft in Österreich funktioniert. Fragen sie ein­mal die Betriebe, die Voest oder andere, wie es ihnen gehen würde, wie viele Beschäf­tigte keine Beschäftigung hätten, wenn nicht diese Währung vorhanden wäre, wenn wir nicht bei der Europäischen Union wären!

Meine Damen und Herren, wir sollten das nicht vergessen und sollten wissen, dass wir im ureigensten Interesse handeln – und nicht nur wegen der Griechen! (Abg. Grosz: ... „billions“ im Deutschen?) Es geht um unser Geld, es geht um unsere soziale Sicher­heit, es geht um unsere Beschäftigungssicherheit, und daher sollten wir diese Maßnah­men durchaus unterstützen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schickho­fer. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. – Rufe beim BZÖ: Billions! – Abg. Grosz: Das stimmt aber nicht!)

 


13.40.01

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Grosz. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Fragen Sie, was bribery heißt!) Ich verstehe jeden Österreicher und jede Österrei­cherin, der oder die emotional ein Problem damit hat, dass man jetzt für Fehler ein­stehen muss, die Regierungen in Griechenland gemacht haben. (Zwischenruf des Abg. Grosz. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das heißt Bestechung ...!)

Ich gebe ganz offen zu, dass mir diese Entscheidung, diesem Rettungspaket heute zu­zustimmen, auch nicht leichtfällt, aber wir sollten kurz darüber nachdenken, wie es den Menschen in Griechenland geht. Auch dort gibt es Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, die jahrelang gearbeitet haben, ins Pensionssystem eingezahlt haben und jetzt damit konfrontiert sind, dass 20 Prozent der Pensionen gekürzt werden sollen. Dort gibt es Beamte im Pflege-, im Gesundheitsbereich, die immer in ihrem Land geblieben sind und für die Menschen da waren und jetzt damit konfrontiert werden, dass man 30 000 bis 40 000 Stellen abbauen soll – und man diskutiert über das 13. und 14. Ge­halt.


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Ich glaube, wenn man einer Nation, einem Volk ein massives Sparpaket abverlangt und diese Maßnahmen setzt, dann braucht es auch eine Perspektive. Die Perspektive kann nicht sein, dass es uns egal ist, wenn dort die Banken in Konkurs gehen und kei­ne Sparguthaben da sind. Ich stehe jedenfalls auch zum Wert der internationalen Soli­darität. Das gehört dazu. Es kann nicht nur um unsere eigenen Interessen gehen. (Bei­fall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe aber schon, dass Solidarität als Argumentation nicht ausreichend ist und dass es letztlich rationale Begründungen geben muss. Es gibt eigentlich zwei Szena­rien: Das Eine ist die Insolvenz, und das Zweite, das wir haben, ist dieser Rettungs­schirm, ist die Unterstützung. Die Frage, die dahinter steht, ist: Schicken wir Staaten in die Insolvenz – ja oder nein, welche Folgen hat das –, oder vermeiden wir diese Insol­venz?

Ich komme zurück nach Österreich. (Abg. Grosz: Nach Fohnsdorf! ... Fohnsdorf!) Ich glaube, ich vertraue den Experten, dem IWF, der EZB und den Regierungen mehr als dem Herrn Kollegen Strache. Ich glaube, da sind wir in besseren Händen. (Abg. Stra­che: Na ja, der Hans-Werner Sinn ist ja kein Dummer! Auch der englische Außenmi­nister ist kein Dummer!) Ich kann nicht alles bewerten, auch nicht die ganzen Risiken, aber ich habe in meiner Funktion als Zuständiger für die Gemeinden auch den „Fall“ – unter Anführungszeichen – Fohnsdorf (Abg. Grosz: Liezen!) und auch Trieben beglei­ten dürfen. Es war nicht Liezen. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Gegenruf des Abg. Neu­bauer.)

Ich möchte auf Trieben ganz offen eingehen. Wir waren damit konfrontiert, dass wir aufgrund von Manipulationen ... – Der Bürgermeister hat, glaube ich, die schlimmste Verantwortung übernommen und Selbstmord begangen, aber er hat letztlich die Daten manipuliert. (Abg. Grosz: ... eigene Partei in den Selbstmord getrieben! ... eigene Par­tei in den Selbstmord getrieben!) Wir hatten Unterlagen, in denen immer 300 000 € Überschuss ausgewiesen waren. In Wirklichkeit war die Situation so, dass es 700 000 € Abgang gegeben hat.

Genauso kann man sich natürlich darüber ärgern, dass in Griechenland Zahlen mani­puliert wurden (Zwischenruf beim BZÖ), uns Informationen vorgetäuscht wurden. Es ist dann im Prinzip eine Diskussion eingetreten, dass man massiv Geld gebraucht hat, um diese Gemeinde vor der Insolvenz zu bewahren. Es gab eine ähnliche Diskussion in der Steiermark. Etliche sind zu mir gekommen und haben gesagt: Das kann es doch nicht sein, dass den anderen Gemeinden Geld weggenommen wird, damit man Trie­ben rettet, schickt sie in die Insolvenz!

Ich gebe durchaus offen zu, in Trieben selbst hat man gesagt: Gehen wir lieber in die Insolvenz, lassen wir die Banken zahlen, dann brauchen wir diese strengen Sparpake­te nicht umzusetzen, sollen doch die finanzieren, was wir unter Umständen falsch ge­macht haben! Vor allem dieses „Genug gezahlt!“ und „Unser Geld für unsere Leut!“ ha­ben wir dort mit allen Fraktionen ganz offen diskutiert. Ich habe dann gesagt: Gut, dann prüfen wir dieses Szenario der Insolvenz einer Gemeinde. Bei uns gibt es zumindest die Rechtsordnung, die festhält, wie das wirklich abläuft.

Was war die Konsequenz? – Zweieinhalb Wochen später sind genau die zu mir ge­kommen, die gesagt haben: Schicken wir Trieben in die Insolvenz!, und haben gesagt: Wir kriegen jetzt keine Darlehen mehr, die Zinssätze steigen massiv!, was natürlich klar ist, weil plötzlich die Bonität jeder einzelnen Gemeinde genau bewertet wird, es da ent­sprechende Aufschläge gibt. (Abg. Rädler: ... Steiermark! – Abg. Grosz: Trieben ist nicht Griechenland!) Die haben dann gesagt: Vernünftiger ist es, wir setzen Geld in der Gemeinde ein, retten wir Trieben mit einem ganz strengen Sparprogramm, statt in die Insolvenz zu gehen und sich alles wesentlich teurer finanzieren zu müssen! (Zwischen­ruf beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 72

Das größte Problem ist: Wenn es für eine Gemeinde keinen Financier gibt, dann kann wieder nur die öffentliche Hand einspringen. Ich glaube, von der Systematik her sind wir jetzt im Zusammenhang mit Griechenland (Abg. Grosz: ... gleiches Problem!) und der Europäischen Union genau mit dem gleichen Problem konfrontiert.

Ich meine, dass wir berechtigt verärgert sein können darüber, was die Regierungen in Griechenland in der Vergangenheit gemacht haben, dass sie ihre Probleme nicht ge­löst haben (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. – Abg. Grosz: Das ist quasi das grie­chische Fohnsdorf!), aber ich glaube, dass es letztlich in unserem eigenen Interesse ist, dass sich Griechenland wieder selbst finanzieren kann, dass es wieder stabil wird, dass es auf einen Wachstumskurs kommt und dass es eben nicht zu einem Ausfall kommt (Zwischenruf des Abg. Grosz), der dazu führen würde, dass wir uns alle am Ende des Tages wesentlich teurer finanzieren müssten (Abg. Strache: Also wenn es zu einem griechischen Ausfall gekommen wäre, hätten wir nur 4 Millionen verloren!), dass die Insolvenz Griechenlands auch für Österreich und für Europa teurer käme, als es jetzt zu unterstützen – unabhängig davon, was wir für die Menschen tun.

Also ich stehe zu den österreichischen Interessen, aber wir müssen auch im Sinne Europas und der Menschen in Griechenland denken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: ... darf nicht Griechenland werden!)

13.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. – Bit­te. (Ruf beim BZÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Ik­rath –: Jetzt kommt der Sparkassenverband ...! – Abg. Grosz: Jetzt spricht das Organ des Sparkassenverbandes! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

 


13.45.57

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Ing. Westenthaler: ... Sparkasse! Wie viel stürzt heute der ATX ab?)  Kollege Westenthaler, ich habe noch nicht einmal ange­fangen, aber meine Wortmeldung wird für sie schon so unbequem wie die aktuellen Kurse werden, insofern ist das richtig antizipiert.

Wenn man relativ spät spricht, hat man einen großen Vorteil: Man kann so ziemlich alle Argumente, die gebracht wurden, miteinander vergleichen. Ich weiß nicht, ob den Kol­legen Strache und Bucher wirklich ganz klar ist, mit welchem Feuer sie eigentlich spie­len. Ich würde einmal unterstellen, es ist ihnen viel klarer, als wir den Eindruck haben. Aber sie spielen jedenfalls mit dem Feuer. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein Ereignis verweisen, das drei Jahre her ist. (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Drei Jahre ist es her, da ist eine große Bank – gar nicht einmal die größte, sondern ei­ne mittelgroße Investmentbank (Abg. Strache: Die man nicht verstaatlicht hat! Das war der Fehler! Die hätte man verstaatlichen müssen!) – in den USA in Konkurs gegangen beziehungsweise geschickt worden. Hören Sie nun ein Zitat, das für die Kollegen von BZÖ und FPÖ erhellend sein kann! Der damalige Chefberater des amerikanischen Fi­nanzministers Henry Paulson hat noch am 13. September 2008 – am 15. Septem­ber 2008 ist Lehman in Konkurs gegangen – Folgendes gesagt:

Mit Lehman werden wir ein Exempel statuieren. Wir werden zeigen, dass es richtig und notwendig ist, Lehman in Konkurs gehen zu lassen, statt mit Steuergeldern zu stützen, ohne dass die Folgen dramatisch sein werden. Es handelt sich ja schließlich nur um die kleinste unter den Big Five, und da werden wir die Auswirkungen problemlos unter Kontrolle halten. Eine davon ausgehende ernsthafte Gefahr für die Stabilität der Fi­nanzwirtschaft sehen wir nicht. – Zitatende. (Abg. Strache: Die hätte verstaatlicht ge­hört! Alles untaugliche Argumente!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 73

Und was geschah, was konnten wir zwei Tage später lesen? Ich bringe nur ein paar der Schlagzeilen – vielleicht sollte man nicht an Zweitbücher denken, sondern einmal an Erstzeitungen –: „Der Finanzmarkt wird zum Trümmerhaufen“; „Weltweites Gemet­zel an den Börsen“; „Ein Bankrott, der alle trifft“.

Und weiters: „Auch österreichische Banken und ihre Kunden verlieren“; US-Banken-Pleite setzt die Weltwirtschaft unter Schock“, et cetera.

Und da seid ihr wirklich ernsthaft der Meinung, dass das, was damals geschehen ist, Griechenland nicht auslösten kann?! (Abg. Strache: Verlangt ja keiner von uns! Ver­langt ja keiner von uns! ... Verstaatlichung!) So ähnlich! Wenn ihr heute „Griechenland“ statt „Lehman“ einsetzt, haben wir eins zu eins das Risiko, das ihr sehenden Auges – und zwar nicht im Interesse der Österreicher, sondern gegen die Interessen der Öster­reicher – jetzt einzugehen bereit seid. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strache.)

Was sind denn die Interessen der Österreicher? Offensichtlich muss man euch das sa­gen, die ihr immer wieder behauptet, ihr würdet sie wahrnehmen. (Rufe beim BZÖ: Raiffeisen! Sparkasse!) Die Interessen der Österreicher sind: eine stabile Währung, die ihr Geld, ihre Pensionen, ihre Sparguthaben sichert; eine stabile Währung, die es uns ermöglicht, unserer Exportwirtschaft im Sinne von Wachstum und Beschäftigung die notwendige Basis zu geben. Wie wichtig das wird, hat ja die Wifo-Prognose heute erst dramatisch gezeigt. Das sind die Interessen, die die Menschen haben. Und diese Interessen werden nur in einem stabilen Währungsumfeld geschützt.

Das heißt, Griechenland ist nicht das Ziel, Griechenland ist ein Mittel. Der europäische Schutzschirm ist ein Mittel, der den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher dient. Wenn ihr wirklich meint, dass ihr die Lehman-Pleite auf Staatsebene heraufbe­schwören könnt, wenn ihr das wirklich machen wollt, dann gibt es meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten (Abg. Strache: Und niemand verlangt ...! Und niemand ver­langt ...!): Entweder ihr macht billiges Oppositionskleingeld und würdet, wenn ihr Ver­antwortung hättet, anders handeln – es wäre eine Hoffnung, dass dem so wäre (Abg. Dr. Graf: Das kommt ...! Das kommt ...! – Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan) –, näm­lich im Interesse der Österreicher und Europas, oder es ist wirklich ein derartiges Aus­maß an Populismus, ein derartiges Ausmaß an Verantwortungslosigkeit und ein derar­tiges Ausmaß – entschuldigt! – an dramatischer Inkompetenz, die da zum Ausdruck kommt, dass einem Angst und Bange wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Ich wundere mich nur, warum die ihr eigenes Geld ...! – Zwi­schenruf des Abg. Strache.)

 


13.50.28

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Zusammenfassend für all jene, die noch immer zweifeln: Österreichs Arbeitsplätze, der Wohlstand, die Si­cherheit der Menschen in diesem Land sind aufs engste verbunden mit der Zukunft der Europäischen Union. Ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Ein Viertel der österreichischen Arbeitsplätze ist direkt oder indirekt vom Export in die EU abhängig. Die Jobs von einer Million Österreichern und Österreicherinnen hängen also davon ab, dass es den Euro gibt und dass es die Europäische Union gibt. Diese Menschen und ihre Familien verlassen sich auf uns, dass wir Politik machen, dass wir Europa und Österreich stabil und sicher in die Zukunft führen. Das schaffen wir aber nur, wenn wir den Euro und die Eurozone erhalten. Eines ist klar: Scheitert die Eurozo­ne, steht auch die EU an der Kippe.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 74

Wir haben voriges Jahr, um die Stabilität und damit die Sicherheit der österreichischen Arbeitsplätze zu gewährleisten, den Euro-Schutzschirm eingerichtet, und das war gut so. Daher sollten wir auch jetzt diesen Euro-Schutzschirm erhöhen, den Schutzschirm, der uns vor Kettenreaktionen – vor Ansteckung sozusagen – schützt, denn aus Proble­men einzelner Länder könnte auf den Märkten ganz leicht eine Gefahr für die Stabilität der gesamten Eurozone werden.

Gleichzeitigt schützt der Euro-Schirm natürlich auch die Länder der Eurozone, die wirt­schaftlich angeschlagen sind, die unter der Finanzkrise leiden. Das gibt den Ländern die Zeit und die Ruhe, die sie brauchen, um umfassende Reformen zu machen und wieder auf die Beine zu kommen. Das nützt aber nicht nur diesen Ländern, sondern das nützt natürlich auch Österreich, weil das ganze System in Europa stark verflochten ist.

Dass der Schutzschirm gute Arbeit leistet, haben wir gesehen – das haben wir in Irland gesehen, das haben wir in Portugal gesehen. Beide Länder sind jetzt auf einem guten Weg, und sie hätten das ohne den Euroschutzschirm nicht geschafft. Eine Kettenreak­tion, von der ich gesprochen habe, konnte so verhindert werden.

Die drängendste Aufgabe ist es nun, diese Erfolge auch in Griechenland zu erzielen. Was wir aber noch machen müssen – außer dass es Sparziele und Sparmaßnahmen in Griechenland gibt –, ist, dass wir Griechenland eine ökonomische Perspektive bie­ten, damit die Wirtschaft dort angekurbelt werden kann.

Meine Damen und Herren, Sie haben heute die Chance, Ihren Beitrag zu leisten, dass eine Million österreichischer Jobs sicher bleibt, dass wir die EU und somit auch Öster­reich sicher und stabil durch diese Finanz- und Wirtschaftskrise führen können. Sie brauchen der Erhöhung des Schutzschirms nur zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum ESM sagen, der als langfristiger Stabilitäts­mechanismus den jetzigen Schutzschirm ab dem Jahr 2013 ablösen soll. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Er wurde von BZÖ und FPÖ immer wieder angesprochen. Es ist schlichtweg falsch, wenn Sie behaupten, dass der ESM-Vertrag vorsieht, dass künftig ohne Zustimmung der nationalen Parlamente Geld in beliebiger Höhe abgerufen wer­den kann.

Meine Damen und Herren! Jede Kapitalerhöhung, jede Maßnahme in Bezug auf diesen ESM, bei dem es um viel Geld geht, bedarf ausdrücklich der Zustimmung der natio­nalen Parlamente. So steht es in dem Vertrag. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Gibt’s ja noch gar nicht!) Das Thema ist viel zu ernst, als dass Sie daraus politisches Kleingeld schlagen sollen und können. (Abg. Neubauer: Das ist eh Großgeld! Von Kleingeld redet eh kein Mensch mehr!)

Auch die Fraktionen von FPÖ und BZÖ sind übrigens eingeladen, mitzuarbeiten, wenn wir in den nächsten Wochen beginnen, Gespräche über die parlamentarische Kontrolle des ESM zu führen. Ich hoffe, Sie tun das auf konstruktive Art und Weise, wobei ich allerdings meine Zweifel habe, weil ich glaube, dass „konstruktiv“ in Ihren Parteien eher ein Fremdwort ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)

13.55

13.55.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht mehr vor.

Ich schließe die Debatte, und wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1390 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 75

Die Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen haben beantragt, den gegen­ständlichen Gesetzentwurf nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 Bundes-Verfassungsgesetz, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten ei­ner Volksabstimmung zu unterziehen.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes abstimmen lassen.

Die Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kol­le­gen auf Durchführung einer Volksabstimmung wird gemäß § 84 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates nach der dritten Lesung erfolgen.

Da der erwähnte Abänderungsantrag eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwe­senheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhebung des § 2a in den Rang ei­ner Verfassungsbestimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. (Zwischenruf beim BZÖ.) Die erforderliche Zweidrittelmehrheit wur-
de nicht erreicht, der Abänderungsantrag ist somit abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Strache.)

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Entwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. (Abg. Strache: Das ist Verrat! Schande! – Rufe bei BZÖ und FPÖ: Schande! Schande!) – Das ist angenom­men. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dies unterstützen, um ein Zeichen. – Das ist angenommen. (Ruf beim BZÖ: Wir kriegen eine Piratenpartei! – Abg. Ing. Westentha­ler: ... Grüne! Es gibt doch noch anständige Grüne!)

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Diese Abstimmungsform ist von 20 Abgeordneten verlangt worden. Wir gehen daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Pulten, tragen den Namen der Abgeordneten, die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen – und „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dem nicht ihre Zustimmung er­teilen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Achten Sie sorgfältig darauf, nur ei­nen Stimmzettel einzuwerfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer, mit dem Na­mensaufruf zu beginnen. Der Abgeordnete Jakob Auer wird sie später dabei ablösen. – Bitte.

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 76

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Lohfeyer beziehungsweise den Schrift­führer Jakob Auer werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich bitte, die Stimmen auszuzählen, und unterbreche die Sitzung für einige Minuten.

*****

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.01 Uhr unterbrochen und um 14.05 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbro­chene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 170; davon „Ja“-Stimmen: 117, „Nein“-Stimmen: 53.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Josef;

Bartenstein, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brosz Dieter, Buchmayr;

Cap, Cortolezis-Schlager, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Einwallner, Eßl;

Fazekas, Franz, Fuhrmann, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gartlehner, Gaßner, Gerstl, Gessl-Ranftl, Glaser, Glawischnig-Piesczek, Großruck, Grünewald;

Haberzettl, Hakel Elisabeth, Hakl Karin, Hammer, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek, Huainigg;

Ikrath;

Jarolim;

Kaipel, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Klikovits, Köfer, Kogler, Königsberger-Ludwig, Kopf, Korun, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lettenbichler, Lipitsch, Lohfeyer, Lopatka, Lueger Angela;

Maier Johann, Marek, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Moser, Muchitsch, Mut­tonen;

Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer;

Öllinger;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 77

Pendl, Pirklhuber, Plessl, Prammer, Praßl, Preiner, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Riepl, Rudas;

Sacher, Schickhofer, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schön­pass Rosemarie, Schopf, Schwentner, Silhavy, Singer, Spindelberger, Stauber Peter, Steindl Konrad, Steinhauser, Steßl-Mühlbacher, Stummvoll;

Tamandl;

Van der Bellen;

Walser, Weninger, Windbüchler-Souschill, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm;

Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bucher Josef;

Deimek, Dolinschek, Doppler;

Fichtenbauer;

Gartelgruber, Gradauer, Graf, Grosz Gerald;

Hackl Heinz-Peter, Hagen, Haider, Haubner Ursula, Herbert Werner, Höbart Christian, Huber Gerhard, Hübner Johannes;

Jannach, Jury;

Karlsböck, Kickl, Kitzmüller, Kunasek;

Lausch, Linder, List, Lugar Robert;

Markowitz, Mayerhofer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Petzner, Podgorschek;

Riemer, Rosenkranz;

Scheibner, Schenk, Spadiut, Stadler Ewald, Stefan, Strache, Strutz;

Tadler Erich, Themessl;

Unterreiner;

Vilimsky, Vock;

Westenthaler, Widmann Rainer, Windholz, Winter;

Zanger.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 84 der Geschäftsord­nung des Nationalrates, den gegenständlichen Gesetzesbeschluss nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 Bundes-Verfassungsgesetz, jedoch vor seiner Beurkun­dung durch den Bundespräsidenten einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Hierüber ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor:

Die Vorgehensweise ist bekannt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 78

Ich ersuche jene Abgeordneten, die sich für den Antrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die sich dagegen aus­sprechen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie sorgfältig darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführung, den Namensaufruf durchzuführen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Lohfeyer beziehungsweise den Schrift­führer Jakob Auer werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die Stimmabgabe ist beendet.

Zur Stimmauszählung unterbreche ich die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.10 Uhr unterbrochen und um 14.15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 167; davon „Ja“-Stimmen: 51, „Nein“-Stimmen: 116.

Der vorliegende Antrag ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Bucher Josef;

Deimek, Dolinschek, Doppler;

Fichtenbauer;

Gartelgruber, Gradauer, Graf, Grosz Gerald;

Hackl Heinz-Peter, Hagen, Haider, Haubner Ursula, Herbert Werner, Höbart Christian, Huber Gerhard, Hübner Johannes;

Jannach;

Karlsböck, Kickl, Kitzmüller, Kunasek;

Lausch, List, Lugar Robert;

Markowitz, Mayerhofer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Petzner, Podgorschek;

Riemer, Rosenkranz;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 79

Scheibner, Schenk, Spadiut, Stadler Ewald, Stefan, Strache, Strutz;

Tadler Erich, Themessl;

Unterreiner;

Vilimsky, Vock;

Westenthaler, Widmann Rainer, Windholz, Winter;

Zanger.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Josef;

Bartenstein, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brosz Dieter, Buchmayr;

Cap, Csörgits;

Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Einwallner, Eßl;

Fazekas, Franz, Fuhrmann, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gartlehner, Gaßner, Gerstl, Gessl-Ranftl, Glaser, Glawischnig-Piesczek, Groß­ruck, Grünewald;

Haberzettl, Hakel Elisabeth, Hakl Karin, Hammer, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Höfinger, Höllerer, Hörl, Hornek, Huainigg;

Ikrath;

Jarolim, Jury; Kaipel, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Klikovits, Köfer, Kogler, Königsber­ger-Ludwig, Kopf, Korun, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kuzdas;

Lapp, Lettenbichler, Lipitsch, Lohfeyer, Lopatka, Lueger Angela;

Maier Johann, Marek, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Moser, Muchitsch, Mut­tonen;

Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer;

Öllinger;

Pendl, Pirklhuber, Plessl, Prammer, Praßl, Preiner, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Riepl, Rudas;

Sacher, Schickhofer, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schön­pass Rosemarie, Schopf, Schwentner, Silhavy, Singer, Spindelberger, Stauber Peter, Steindl Konrad, Steinhauser, Steßl-Mühlbacher, Stummvoll;

Tamandl;

Van der Bellen;

Walser, Weninger, Windbüchler-Souschill, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm;

Zinggl.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 80

14.16.12Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Schaltung von Inseraten im persönlichen politi­schen Interesse des Werner Faymann (9357/J)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 9357/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

In den vergangenen Wochen sind wieder schwere Vorwürfe gegen den Kanzler und seinen Staatssekretär im Zusammenhang mit der Vergabe von Inseraten erhoben wor­den. Vor dem Hintergrund der Zuständigkeit des Bundeskanzlers für die Informations­tätigkeit der Bundesregierung sind diese Enthüllungen von besonderer Brisanz.

Bereits am 26. April 2011 berichtete der Kurier von angeblichen Inseratenschaltungen auf ministerielle Anordnung. Der Kurier publizierte eine Rechnung aus dem Jahr 2007, gerichtet an die ÖBB, bezogen auf ein doppelseitiges Inserat im Wirtschaftsmagazin Gewinn. Auf der Rechnung war zu lesen: "Ihr Auftrag: lt. Hr. Faymann".

ÖBB-Chef Kern hat zu diesem Zeitpunkt politische Interventionen noch völlig ausge­schlossen: "Wenn so etwas geschehen sein sollte, dann ist das Vergangenheit. Wir können nicht nachvollziehen was 2007 geschehen ist. "

Am 7. Juni 2011 hat der freiheitliche Abgeordnete Harald Vilimsky eine Sachverhalts­darstellung wegen des Verdachtes der Bestimmung zur Untreue durch Bundeskanzler Werner Faymann sowie Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer im Zusammenhang mit Inseratenserien der ÖBB sowie der ASFINAG in diversen Boulevard-Zeitungen einge­bracht. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen Werner Faymann und Dr. Josef Ostermayer wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Untreue.

Konkret wird Bundeskanzler Werner Faymann vorgeworfen in seiner Zeit als Verkehrs­minister aktiv bei der Inseratenvergabe der ÖBB mitgemischt und Aufträge zur Schal­tung von Inseraten in einzelnen Medien gegeben zu haben.

Seit dem Auffliegen der Telekom-Affaire Ende August 2011 und den Spekulationen über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Untersu­chung von Korruptionsvorwürfen (Telekom, ÖBB-Inserate, BUWOG, Vergabe Blaulicht­funk, Eurofighter, Glücksspiel etc.) sind auch die in der Sachverhaltsdarstellung erho­benen Vorwürfe bzgl. von Werner Faymann erteilten Inseratenaufträge staatsnaher Betriebe Ziel einer öffentlichen Debatte; immer mehr und immer konkretere Vorwürfe werden publik.

Mitte September kam es dann zum medialen Schlagabtausch aufgrund der angeblich vom früheren Verkehrsminister und jetzigen Bundeskanzler Werner Faymann sowie seinem früheren Kabinettchef und jetzigen Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer auf Kosten von ÖBB, ASFINAG und allenfalls anderer in Auftrag gegebener Inserate.

Laut APA 239 vom 16. September 2011 hat das Bundesamt für Korruptionsbekämp­fung den Auftrag nach Beweisen zu suchen und Zeugen einzuvernehmen. Die Vor­würfe, Faymann habe in seiner Zeit als Verkehrsminister aktiv bei der Inseraten­vergabe der ÖBB mitgemischt und Aufträge zur Schaltung in einzelnen Medien gege­ben, tauchten erstmals im April auf. Gegenüber dem "Kurier" berichtete ein früherer Bahnmanager anonym davon, dass Faymann, der von Jänner 2007 bis Dezem­ber 2008 Verkehrsminister war, frei über die Inseratenvergabe der ÖBB verfügt habe:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 81

"Die Bahn musste in ausgewählten Boulevard-Medien Inserate schalten, die das Mi­nisterium bestellte", sagte der Ex-ÖBBler damals. Als Bote für die Inseratenwünsche habe Ostermayer fungiert. Am Freitag berichteten außerdem mehrere Tageszeitungen von ÖBB-Inseratenaufträgen, in denen der Name Faymann vorkam. Aus einem Doku­ment sei nachträglich der Name des nunmehrigen Bundeskanzlers getilgt worden, hieß es.

Laut APA-Meldung 340 ebenfalls vom 16. September 2011 hat der amtierende ÖBB-Chef Christian Kern im ORF-"Mittagsjournal" Medienberichte, wonach der Name von Bundeskanzler Werner Faymann (S) in Vorstandsbeschlüssen der ÖBB aus seiner Zeit als Verkehrsminister im Zusammenhang mit Inseratenvergaben auftauche, zurückge­wiesen. Man habe den Sachverhalt überprüft und sei "zur Einschätzung gelangt, dass die Vorstandsbeschlüsse, die tatsächlich dann beschlossen worden sind, anders lau­ten, als sie heute in den Medien abgedruckt worden sind - nämlich keine Politikerna­men beinhalten."

Ob der Name des früheren Verkehrsministers in vorangegangenen Versionen der spä­ter getätigten Vorstandsbeschlüsse gestanden sei, wollte Kern nicht beurteilen

Und laut APA-Meldung 557, ebenfalls vom 16. September 2011, musste laut einem ÖBB-Manager Werner Faymanns Namen nachträglich aus dem Protokoll gestrichen werden; auch der Echo-Verlag soll Druck ausgeübt haben.

Ein ehemaliger ÖBB-Manager behauptete in der Samstag-Ausgabe des "Kurier", er ha­be den Namen Faymann nachträglich aus einem ÖBB-Protokoll streichen müssen. Zu­dem berichtet der "Kurier" unter Berufung auf einen ÖBB-Manager, dass auch der Echo-Verlag massiv Druck ausgeübt habe.

Und in den Bundesländerzeitungen behauptet ein ÖBB-Manager, dass auf Druck von Staatssekretär Josef Ostermayer (S) das Kommunikationsbudget umgestellt habe wer­den müssen. Das Kanzleramt dementierte die Vorwürfe gegen Faymann auf Anfrage der APA neuerlich.

Größter Stein des Anstoßes ist eine Medienkooperation der ÖBB mit der "Kronen-Zei­tung" um 500.000 Euro. Mehrere Medien druckten im Faksimile den im Jahr 2007 vom ÖBB-Vorstand beschlossenen Antrag ab, in dem der Name Faymanns aufscheint. Im ÖBB-Archiv liegt der Antrag jedoch ohne den Namen Faymanns auf.

In den Bundesländerzeitungen behauptet ein ÖBB-Insider: "Nach Amtsantritt kam Os­termayer und teilte uns mit, dass wir das Kommunikationsbudget umstellen müss-
ten. (...) Wir mussten Gelder für Medienkooperationen umleiten."

Der "Kurier" zitiert auch einen ehemaligen ÖBB-Manager, der behauptet, dass auch der Stadt-Wien-nahe Echo-Verlag "massiv Druck ausgeübt" habe. "Der Echo-Ge­schäftsführer hat am Ende jedes Monats angerufen und gesagt, in welchen seiner Medien es noch freie Inseratenplätze gibt und wie viel das für die ÖBB kostet." Über Jahre hinweg sei von Echo-Geschäftsführer Christian Pöttler unter Berufung auf Oster­mayer Druck ausgeübt worden, Anzeigen schalten zu müssen.

"Monatlich waren das 25.000 bis 30.000 Euro in den diversen Echo-Medien." Pöttler ließ über seinen Sprecher dazu ausrichten: "Es gibt keinerlei Absprachen, weil das mit einem Staatssekretär so nicht stattfindet."

Laut Kurier vom 17. September 2011 taucht der Name Werner Faymann auf einem An­trag an den ÖBB-Vorstand aus dem Jahr 2007 auf. Das Papier sei echt, unklar ist der­zeit nur, wann und warum der Name Faymann aus dem Papier verschwunden ist.

Ebenfalls am 19. September 2011 kam eine Reaktion der jetzigen Verkehrsministerin Doris Bures auf die Vorwürfe. Bures spielt dabei den Ball an Finanzministerin Fekter


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weiter und versucht mit Vorwürfen gegen Ex-ÖBB-Chef Martin Huber, die mit den Inse­raten nicht das Geringste zu tun haben, von den Vorwürfen gegen Bundeskanzler Wer­ner Faymann abzulenken.

"Auf Journalistenfragen meinte heute Verkehrsministerin Doris Bures (S), es stelle sich auch die Frage, welche Rolle Finanzministerin Maria Fekter (V) bei den Schaltungen von Betrieben im Einfluss der Staatsholding ÖIAG spiele. Fekter ist die Eigentümerver­treterin für die Staatsanteile von Telekom Austria, Post AG und OMV.

Einmal mehr betonte Bures, dass für die Inserate der ÖBB das Management und der Aufsichtsrat verantwortlich sind. Wobei es unter der Amtszeit von Ex-Bahnchef Martin Huber weit mehr aufzuklären gäbe als die Inseratenvergabe. Wenn sie an die "Speku­lationen des Herrn Huber" denke, werde ihr "gleich ganz übel". Huber wurde unter der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) bestellt und gilt als ÖVP-nahe.," so die APA- Meldung 191.

Laut ORF Mittagsjournal vom 24. September 2011 mehren sich in der Inseratenaffäre Hinweise, dass Bundeskanzler Faymann in seinem früheren Amt als Verkehrsminister auch Einfluss auf Inserat-Aktionen der ASFINAG genommen haben könnte.

Ein ASFINAG-Insider gibt nun gegenüber Ö1 Hinweise darauf, wie sehr Mitarbeiter des damaligen Neo-Verkehrsministers Werner Faymann ab Anfang 2007 Einfluss auf die Inseratenvergabe der Autobahngesellschaft genommen haben könnten. Zitat: "Am An­fang gab´s noch Gespräche zwischen Kabinett und ASFINAG-Verantwortlichen über den Inhalt der Inserate. Später hat man nur mehr in der Früh die ganzseitigen Inserate gesehen und am gleichen Tag ist die Rechnung gekommen."

Ö1 liegen auch schriftliche Hinweise vor: Eine Rechnung des Magazins "Gewinn" an die ASFINAG mit dem Betreff: "Ihr Auftrag lt. Hr. Faymann", die die Grün-Abgeordnete Gabriela Moser schon 2007 via "Oberösterreichische Nachrichten" öffentlich gemacht hat. Einer ihr ebenfalls zugespielten Aufstellung zufolge sollen damals innerhalb eines halben Jahres rund 800.000 Euro in ASFINAG-Inserate geflossen sein. Weiters gibt es einen Bericht der ASFINAG-Konzernrevision, in dem es heißt: "Der Auftrag wurde vom Büro Faymann direkt an die 'Kleine Zeitung' erteilt und der Zeitung mitgeteilt, dass die Rechnung an die ASFINAG zu richten sei."

Allerdings hat es bei ASFINAG-Inseraten keine Fotos oder Kommentare des Verkehrs­ministers Faymann gegeben. Der Vorwurf ist also nicht wie bei ÖBB-Inseraten etwa in der Kronen Zeitung, dass mit Geld des Unternehmens der Politiker Faymann beworben wurde. Der Insider interpretiert die ASFINAG-Inserate so: "Da wurde einfach irgendwas inseriert und es ging nur ums Geld für die Zeitungen, nicht um den Inhalt. Freundliche Zeitungsberichterstattung für Faymann zu erreichen war das einzige Ziel."

Die "Gewinn"-Rechnung war auch an Alois Schedl adressiert - mit dem Zusatz "laut Herrn Faymann". Schedl kann sich das nicht erklären. Es sei alles korrekt gelaufen und gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit mit dem Verkehrsministerium sei sinnvoll: "Es hat si­cher Gespräche gegeben wie mit allen Verkehrsministern über die Projekte, Themen, und darum, wie können wir die Bevölkerung und die Betroffenen informieren, damit das Zusammenspiel, die Investition, das Verhalten der Autofahrer ein optimiertes Ganzes ergibt."

In manchen Bereichen sei Öffentlichkeitsarbeit sogar gesetzlich vorgeschrieben oder vom Rechnungshof gefordert, sagt Schedl. Es gehe um Verkehrssicherheit und kon­krete Bau-Projekte, für die um Verständnis geworben werde. Und es habe keine Inse­ratenvergaben am Vorstand vorbei gegeben: "Der zuständige Vorstand war immer in­formiert und eingebunden." Dass er Vorleistungen erbracht habe, um später Vorstand zu werden? - "Ich hoffe nicht dass das so war und aus meinem Selbstverständnis he­raus war das nicht so", so Schedl.


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Neue Anschuldigungen gibt es im Kurier vom 29. September 2011. Neben Berichten über zügige und intensive Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Einvernahme ehemaliger ÖBB-Granden als Zeugen, werden Bundeskanzler Werner Faymann und Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer von einem weiteren ehemaligen Geschäftsführer der ÖBB beschuldigt. Faymann habe nach langen Jahren als Gemeinderat und Wohn­baustadtrat sowie als Herausgeber ausgewählter Medien in Wien als Verkehrsminister genaue diesen Medien ein gesteigertes Inseraten-Aufkommen zukommen lassen.

"Diese Entscheidungsträger, darunter Ex-ÖBB-Boss Martin Huber, berichteten den Er­mittlern von direkter Einflussnahme auf Inseraten-Vergaben. Vor allem durch Oster­mayer, heute Staatssekretär im Kanzleramt.

Ein ehemaliger ÖBB-Manager bestätigt seine Angaben, die er gegenüber den Ermitt­lern zu Protokoll gegeben hat, auch dem KURIER: "Ostermayer hat unsere Werbekam­pagnen - insbesondere jene im Fernsehen - immer abgekanzelt und gesagt, wir müs­sen mehr in Printprodukten werben. Und das, obwohl wir für unseren TV-Spot damals erstmals einen Werbepreis gewonnen hatten."

Der ÖBB-Manager ergänzt: "Wir haben uns bei den Inseraten permanent gezwungen und unter Druck gesetzt gefühlt. Es wurde uns immer wieder signalisiert, es würde schwer werden, unseren Job zu behalten, wenn wir nicht kooperieren. Unser weiteres Verbleiben wurde direkt davon abhängig gemacht, dass wir uns in der Frage der Inse­rate kooperativ verhalten.", so der Kurier.

Gleichzeitig erhebt der Kurier auch neue Vorwürfe: Eine Rechnung vom Juni 2008, welche die Verlagsgruppe news an eine ÖBB-Werbeagentur richtete. Thema: "Wiens neuer Super-Bahnhof". 25 Seiten. Groß im Bild: Minister Faymann.

Der entlarvende Rechnungs-Wortlaut: Ihr Kunde: Bundesministerium für Verkehr Inno­vation und Technologie, Wien. Konzern: Bundesregierung. Beglichen wurde allerdings auch diese Rechnung aus dem Budget der ÖBB.

Kein Medium schien zu unbedeutend, um an Faymann vorbeizukommen: In einem Schreiben vom September 2008, das von der kleinen Städteplanungs-Zeitung ST/A/R (Auflage: 10.000 Stück) an die ÖBB gerichtet wurde, heißt es: (. . .) hat uns Bundesmi­nister Faymann beauftragt, in unserer ST/A/R-Zeitung Nr 19 (Erscheinungstermin: September 2008) einen 8-seitigen Bericht über die großen Verkehrsbauten zu gestal­ten." Garniert wurde dieses Schreiben mit einem Inseraten-Wunsch, zu finanzieren von den ÖBB. Auf dem Cover der kleinen Hochglanz-Zeitschrift prangt später tatsächlich der Name Faymann.

Ferner soll mittlerweile ein Ex-ÖBB-Entscheidungsträger zur 500.00.- Euro-Koopera­tion mit der Krone gesagt haben: "Ich habe von den 21 Doppelseiten erst erfahren, als die erste Doppelseite in der Krone erschienen ist.

Ebenfalls laut Ö1 Mittagsjournal gibt es neue Aufregung um Inserate rund um Bundes­kanzler Werner Faymann, diesmal geht es um Werbeeinschaltungen des Bundeskanz­leramtes für das Gesundheitsministerium.

Der PR-Ethik-Rat hat am 19. September 2011 eine Aufklärung fragwürdiger ÖBB-Inse­rate gefordert. Generell sei es in den letzten Jahren leider üblich geworden, Meinungen zu kaufen, so der Ethik-Rat.

Mittlerweile wurde von den Regierungsfraktionen die Einsetzung eines österreichi­schen Inseraten-Beirates beschlossen, der Kriterien definieren soll, inwieweit Regie­rungsmitglieder Inserate vergeben und gestalten sollen.

Aufgrund der erhobenen Vorwürfe und Anschuldigungen stellen die unterfertigten Ab­geordneten an den Bundeskanzler folgende


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Dringliche Anfrage

1. Wie hoch ist der Betrag, den Sie in ihrem Verantwortungsbereich jährlich für Inserate ausgeben?

2. Wie verteilt sich dieser Betrag auf die einzelnen österreichischen Zeitungen?

3.Wie hoch ist dieser Betrag in Relation zu Ihrer vorherigen Tätigkeit als Verkehrs­minister?

4. In wie vielen von der öffentlichen Hand und von staatsnahen Unternehmen finanzier­ten Inseraten spielten Sie persönlich eine Rolle bzw. waren Sie mit einem Foto abge­bildet?

5. Gibt bzw. gab es Absprachen mit Medienunternehmern oder Journalisten, Ihnen im Gegenzug für die Schaltung von Inseraten eine wohlwollende Berichterstattung zu ge­währen; wenn ja, mit welchen?

6. Gibt es solche Absprachen im Zusammenhang mit der Schaltung von Inseraten durch staatsnahe Unternehmen; wenn ja, mit wem?

7. Sind gegen Sie und Ihren Staatssekretär Strafverfahren im Zusammenhang mit der Vergabe von politischen Inseraten anhängig?

8. Beeinträchtigen diese Verfahren Ihre Amtsführung bzw. die Amtsführung Ihres Staatssekretärs?

9. Welche Konsequenzen werden Sie im Falle einer Anklage gegen Sie oder gegen Ih­ren Staatssekretär ziehen?

10. Haben Sie oder ihr Staatssekretär oder Mitarbeiter von Ihnen Druck auf die Mana­ger staatsnaher Betriebe ausgeübt, Inserate zu Ihrem politischen Vorteil auf Kosten dieser Unternehmen zu schalten?

11. Wenn nein, wie erklären Sie sich die Aussage von Ex - ÖBB Chef Martin Huber, der im Zusammenhang mit einem Gespräch mit Horst Pöchhacker davon berichtet, dass "sieben Millionen aus dem Werbeetat im Jahr 2008 für den Werner zu reservieren seien"?

12. Haben Sie oder ihr Staatssekretär oder Mitarbeiter von Ihnen Inseratenvereinba­rungen mit Zeitungen zu Lasten von staatsnahen Unternehmen geschlossen?

13. Wenn nein, wie erklären Sie sich jenes ÖBB - Dokument vom 3.9.2007, in dem es heißt: "Herr Minister Faymann hat mit der Kronen Zeitung eine mehrteilige Kooperation "Unsere Bahn" im Jahr 2007 vereinbart. Folgende Kosten fallen an: einmalig € 500.000.- ()"?

14. Wie erklären Sie sich die angebliche Verfälschung dieses Dokumentes, zumal Ihr Name in einer späteren Version nicht mehr auftaucht?

15. Können Sie ausschließen, dass Sie oder Ihr Staatssekretär oder Mitarbeiter von Ih­nen diese Verfälschung veranlasst haben?

16. Haben Sie oder Ihr Staatssekretär oder Mitarbeiter von Ihnen Inserate zu Lasten von staatsnahen Unternehmen direkt bei Zeitungen in Auftrag gegeben?

17. Wenn ja, welche Konsequenzen für Ihre Amtsführung ziehen Sie aus dem Re­visionsbericht der ASFINAG für das Jahr 2007, wonach ein Inserat nicht von der ASFINAG in Auftrag gegeben wurde, sondern der Auftrag direkt vom Büro BM Fay­mann kam und der Zeitung mitgeteilt wurde, dass die Rechnung an die ASFINAG zu richten sei?

18. Wie erklären Sie den Zusatz "laut Herrn Faymann" auf der an Alois Schedl adres­sierten "Gewinn" - Rechnung?


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19. Wie erklären Sie folgenden Wortlaut einer Rechnung der Verlagsgruppe NEWS vom Juni 2008 an eine ÖBB Werbeagentur: "Ihr Kunde: Bundesministerium für Ver­kehr, Innovation und Technologie, Wien. Konzern: Bundesregierung"?

20. Wie erklären Sie folgenden Wortlaut eines Schreibens der Städteplanungszeitung ST/A/R an die ÖBB vom September 2006:" () hat uns Bundesminister Faymann be­auftragt, in unserer Zeitung Nr. 19 einen 8seitigen Bericht über die großen Verkehrs­bauten zu gestalten."

21. Welche legistischen Maßnahmen halten Sie für angezeigt, um Inseratenmiss­brauch durch Regierungsmitglieder in Zukunft zu verhindern?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dring­lich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Klubobmann Strache als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Ge­schäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

 


14.16.37

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass unser Bundeskanzler Werner Faymann heute auch wie­der unter uns weilt und anwesend ist, denn bei der letzten Nationalratssitzung hat er ja gefehlt, weil er eine Reise zum Händeschütteln bei Arnold Schwarzenegger angetreten hat, wenn man es so will: vom sogenannten „Inserator“ zum „Gouvernator“.

Was wir heute jedoch im Vorfeld dieser Dringlichen erlebt haben, hat schon gezeigt, wie weit Sie den Parlamentarismus nicht ernst nehmen, Herr Bundeskanzler. Heute sind nämlich 30 Milliarden € an Rettungsschirm beschlossen worden, und Sie haben vor geraumer Zeit, nämlich vor einer Nationalratswahl, der österreichischen Bevölke­rung versprochen, bei maßgeblichen Veränderungen des Vertrags eine Volksabstim­mung durchzuführen. Da muss man schon sagen, dass man sehen kann, was Ihr Wort wert ist. Sie haben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, sich heute hier zu Wort zu melden und das zu argumentieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Wittmann: Der Vertrag ist ja nicht verändert worden!)

Es ist ungeheuerlich, wie Sie mit Ihrer Verantwortung für dieses Land umgehen! Und ich sage: Das alleine ist ein Grund, heute einen Misstrauensantrag gegen Sie einzu­bringen, denn so geht man nicht mit der österreichischen Bevölkerung um! Sie finden es nicht einmal der Mühe wert, sich in einer so entscheidenden und wichtigen Angele­genheit zu Wort zu melden, Rede und Antwort zu stehen und zu erklären, warum Sie heute nicht zu Ihrem Wort gestanden sind und die Volksabstimmung abgelehnt haben, die Sie selbst versprochen haben.

Kommen wir zurück zur Dringlichen. Ich würde mich ja nicht wundern, wenn Sie nach dem Besuch bei Arnold Schwarzenegger bald ein Inserat mit Foto erscheinen lassen auf Kosten des Bundeskanzleramts oder vielleicht sogar auf Kosten des Gesundheits­ministeriums, weil Herr Schwarzenegger mit Fitness zu tun hat, wie wir wissen, und Fit­ness hat, könnten Sie jetzt sagen, auch etwas mit Gesundheit zu tun. Wahrscheinlich würden Sie es deshalb auch gerechtfertigt finden, wenn Sie demnächst als Hände­schüttler bei Arnold Schwarzenegger auch noch mit Inseratenschaltungen zum The­menbereich Gesundheit versuchen, das sozusagen unter die Leute zu bringen. Das ist


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ungefähr Ihre „rote Logik“, die wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben. Das ist offenbar genau das, was Sie seit Jahren leben, ja wahrscheinlich schon in Wien als Wohnbaustadtrat gelebt haben.

Ich weiß ja nicht einmal, ob man das dem Herrn Bundeskanzler Faymann wirklich zum Vorwurf machen kann. Er hat ja als Verkehrsminister und dann als Bundeskanzler nur das fortgesetzt, was er als Wohnbaustadtrat in Wien gelernt hat unter einer absoluten SPÖ-Mehrheit, unter einem Bürgermeister Häupl. Wenn man in einem Sumpf wie der Wiener SPÖ politisch groß wird, dann ist es wahrscheinlich gar nicht möglich, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Das ist das Grundproblem, das in den letzten Wochen augenscheinlich geworden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hält sein System Faymann wahrscheinlich für absolut unbe­denklich. Er wird es wahrscheinlich sogar für völlig normal halten. Was bedeutet die­ses System Faymann eigentlich, das in den letzten Wochen offenkundig geworden ist? – Dieses System bedeutet skrupellosen Missbrauch von öffentlichen Geldern in Millionenhöhe für politische, für parteipolitische Selbstbeweihräucherung. (Abg. Mag. Rudas: ... Staatsbürgerschaft!) Das sind Gelder, die Faymann und seiner angeb­lich sozialen Partei nicht zustehen! Das sind öffentliche Gelder. (Beifall bei der FPÖ.)

„7 Millionen € für den Werner“ so salopp als öffentliche Gelder hinnehmen und zur Ta­gesordnung übergehen – das geht nicht. Wahrscheinlich waren es wesentlich mehr Millionen, um die es sich da dreht, und es bedeutet offenbar auch das Verschwinden­lassen von Belastungsmaterial, wie im Fall der ÖBB-Inserate. Es bedeutet, den An­spruch zu erheben, mit seinem Vorgehen offenbar über dem Gesetz und über den mo­ralischen Standards zu stehen. Anders kann man das Verhalten von Ihnen, aber auch von Staatssekretär Ostermayer in den letzten Wochen nicht bewerten. (Zwischenbe­merkung von der Regierungsbank: Aber geh, hör auf!)

Gelernt hat das der Herr Bundeskanzler aber alles bei der Wiener SPÖ. Das zeigen ja schon allein die jüngsten Enthüllungen in Wien, und das zeigt sich auch im Bereich von Wiener Wohnen. Wiener Wohnen hat sich damals unter dem zuständigen Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann zu weit überhöhten Mieten im „NEWS“-Tower am Donaukanal eingemietet. 31,60 € pro Quadratmeter statt den ortsüblichen 12,40 € pro Quadratmeter hat Wiener Wohnen damals dafür bezahlen müssen, zudem ist die Miete gleich für 12,5 Jahre im Voraus überwiesen worden. Also schlanke 2,7 Millionen € für „NEWS“ und natürlich die durchaus sehr gewogenen Herren, die damals auch hinter „NEWS“ standen und Ihnen bis heute immer noch gewogen sind.

Das Wiener SPÖ-System der Korruption geht über das direkte Schalten von Inseraten und das Eingehen von Kooperationen, die letztlich alle mit dem Geld der Steuer- und Gebührenzahler finanziert werden, offenbar noch hinaus. Und Sie, Herr Faymann, ha­ben als Verkehrsminister und dann als Bundeskanzler einfach das weitergeführt, was Sie in Wien gelernt haben und dort auch gelebt haben und was bis heute offenbar dort gelebt wird.

Es kommen mittlerweile schon beinahe täglich neue Enthüllungen über Sie, Herr Fay­mann, heraus – zuerst ÖBB, dann ASFINAG, jetzt Wiener Wohnen – und man fragt sich: Was kommt als Nächstes? (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Gegenruf der Abg. Mag. Rudas.) Wo wurde noch so unverschämt gehandelt, wie es bei diesen Teilbe­reichen der Fall gewesen ist? Ich befürchte schon, dass das alles nur die Spitze eines Eisbergs ist. Herr Faymann, ich sage Ihnen, Sie sollten wirklich aufpassen, dass Sie hier nicht wie die Titanic sinken werden aufgrund solcher ungeheuerlichen Vorgangs­weisen, wegen der heute zu Recht die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauch und Verdacht auf Untreue ermittelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch das ist kein gutes Zeugnis für diese heutige Regierungsmannschaft, denn aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen fünf amtierende SPÖ-Regierungsmitglieder. Das


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ist einzigartig in der Zweiten Republik! (Abg. Öllinger: Aber gegen Sie auch!) Das hat es überhaupt noch nicht gegeben, dass so viele amtsführende Regierungsmitglieder im Verdacht stehen, rechtswidrige Handlungen gesetzt zu haben.

Ich sage: Das alles ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Faymann und Os­termayer – das dynamische Inseraten-Duo – zeigen wirklich ein verheerendes Sitten­bild in dieser Frage. Man muss sich das alles wirklich einmal vor Augen führen: Der da­malige Infrastrukturminister Faymann und sein damaliger Kabinettschef Ostermayer haben direkt aus dem Ministerium Order gegeben und massiven Druck ausgeübt, dass ÖBB und ASFINAG in bestimmten Medien inserieren müssen. Das heißt, man hat Druck ausgeübt, man hat Mobbing gelebt, man hat mit Drohungen agiert. Wenn die Manager nicht so handeln, dann werden sie diesen Job auf Dauer nicht behalten, dann werden sie diesen Job verlieren. All das ist durch Zeugenaussagen ans Tageslicht ge­kommen.

Ja, Sie haben sogar noch dreister gehandelt. Sie haben die Inserate einfach in Auftrag gegeben und dann die Rechnungen an ÖBB und ASFINAG im Nachhinein schicken lassen. Die haben oft nicht einmal gewusst, dass da auf ihre Kosten Inserate geschal­tet wurden, weil sie gar nicht informiert worden sind. Es ist gar nicht das, was eigentlich geschehen hätte müssen, nämlich den Beschluss dafür zu fassen, gemacht worden, sondern sie sind im Nachhinein damit konfrontiert worden und waren eben dann in ei­ner Krise, weil sie nicht gewusst haben, wie sie damit umgehen sollen.

So eine Unverschämtheit muss man einmal haben, so vorzugehen, dass man diese ausgelagerten Bereiche quasi als Eigentum einer Partei betrachtet und aus einer par­teipolitischen Motivation heraus so unverschämt agiert.

Die Kaltschnäuzigkeit war extrem, sagt ein ehemaliger ÖBB-Manager. Ich zitiere ihn: Man hat einfach bestellt und uns die Rechnung geschickt. Das ist die Methode, die Sie offenbar leben. 7 Millionen € für den Werner, hat ein Zeuge ausgesagt. (Abg. Kickl: Unglaublich!) Dieser Satz ist ja mittlerweile auch zu einem geflügelten Satz ge­worden. Dieser Satz wird in die Annalen der Zweiten Republik eingehen, allerdings nicht ruhmreich, Herr Bundeskanzler.

„7 Millionen € für den Werner!“ – Kann man die rote Selbstbedienungsmentalität ei­gentlich noch treffender charakterisieren?

Es ist ja wirklich kaum zu glauben, wie da verfahren wurde. Ein ehemaliger ÖBB-Ma­nager hat beispielsweise erklärt, er habe den Namen Faymann nachträglich aus einem ÖBB-Protokoll streichen müssen. Er ist quasi genötigt worden, hier Protokolle zu fäl­schen. Ein anderer ehemaliger ÖBB-Manager berichtet, dass auch der Echo-Verlag, der der Stadt Wien nahe steht, massiv Druck ausgeübt habe. Der Echo-Geschäfts­führer hat am Ende eines jeden Monats angerufen und gesagt, in welchen seiner Me­dien es noch freie Inseratenplätze gibt und wie viel das für die ÖBB kostet. Über Jahre hinweg, schreibt der „Kurier“ wiederum, sei von Echo-Geschäftsführer Christian Pöttler unter Berufung auf Ostermayer Druck ausgeübt worden, Anzeigen schalten zu müs­sen. Monatlich handelte es sich um Summen zwischen 25 000 bis 30 000 € in diversen Echo-Medien.

Naja, ist ja auch schön. Da sieht man dann auch wieder das Firmengeflecht der SPÖ Wien. Sie haben überhaupt ein interessantes Korruptionswesen in Wien. Da gibt es einen SPÖ-Bürgermeister, der gleichzeitig auch Firmen hat und quasi der Chef die­ser SPÖ-Firmen ist, und dann geht der SPÖ-Bürgermeister teilweise her und vermittelt Aufträge an SPÖ-nahe Firmen auch innerhalb der Stadt Wien. Das ist wirklich ein inter­essantes System!

Erst gestern sagte laut „Kurier“ ein ÖBB-Manager: Ostermayer hat unsere Werbekam­pagnen, insbesondere jene im Fernsehen, immer abgekanzelt und gesagt, wir müssen


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mehr in Printprodukten werben. Und das, sagt derjenige, obwohl die ÖBB mit einem TV-Spot damals erstmals einen Werbepreis gewonnen haben. Wir haben uns bei den Inseraten permanent gezwungen und unter Druck gesetzt gefühlt, sagt dieser Mitar­beiter.

Das sind ja mehrere Zeugen, die da endlich auch die Wahrheit sagen und hier heraus­rücken mit Methoden, die eines Staates nicht würdig sind, besonders nicht, wenn sol­che Methoden von Regierungspolitikern angewandt werden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Rudas: An Ihrer Stelle würde ich den Mund nicht so voll nehmen!)

Es wurde uns immer wieder signalisiert, sagt dieser ÖBB-Mitarbeiter, es würde schwer werden, unseren Job zu behalten, wenn wir nicht kooperieren, wenn wir uns nicht fü­gen, wenn wir da nicht mitspielen. Das ist das Spiel, das hier betrieben wurde von Ih­nen. Unser weiteres Verbleiben wurde direkt davon abhängig gemacht, sagen diese ÖBB-Mitarbeiter, dass wir uns in der Frage der Inserate kooperativ verhalten und quasi das tun, was der Herr Bundeskanzler uns verordnet. Ich sehe da nichts von freier Ent­scheidungsgewalt, nichts von einer Situation, von der Sie immer wieder behaupten: Das geht uns gar nichts an, damit haben wir nichts zu tun! Nein, das sind alles Zeugen­aussagen, die etwas ganz anderes zu Tage gebracht haben. Ich meine, das ist Mob­bing gegen Manager im staatsnahen Bereich, die nicht spuren und bedroht werden.

Wirklich kabarettreif sind ja die Aussagen, die sich Faymann und Ostermayer im Zuge dieser Affäre dann einfallen haben lassen. Da taucht zum Beispiel der Name Faymann auf einer Rechnung angeblich nur deshalb auf, weil eine Sekretärin sich geirrt hat. – Lächerlicher geht es ja gar nicht mehr. Ich glaube, die Sekretärin wird schon wissen, wer dort vorstellig geworden ist, angerufen hat und sich dabei nichts gedacht hat und dann an diese Adresse auch die Rechnung geschickt hat. Das muss einem erst einmal einfallen!

Das erinnert mich auch an den Herrn Hundstorfer, der ja heute auch hinter mir sitzt, der im Fall der BAWAG damals geglaubt hat, er unterschreibt eine Anwesenheitsliste, als es in Wirklichkeit um Milliarden € gegangen ist. Das erinnert mich an solche Aus­reden, die wir lustigerweise schon in der Vergangenheit erleben mussten, die aber gar nicht lustig sind, weil das in Wirklichkeit die Menschen massiv getroffen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns alle auch noch an den „furiosen“ Auftritt des Herrn Staatssekretärs Ostermayer in der „ZIB 2“ am 19. Septem­ber. Da hat ihn der Moderator Armin Wolf gefragt, ob der Satz, er brauche ein paar Mil­lionen für den Werner, gegenüber dem damaligen ÖBB-Chef Huber wirklich gefallen ist. Was hat der Ostermayer gesagt? – Er hat es natürlich nicht dementiert, weil es so gewesen ist. Er hat nur gemeint, dass über verschiedenste Varianten diskutiert wurde. Es gibt oft die Diskussionen, ob es eine Plakatwerbung oder einen Spot oder eben Ko­operationen mit Medien gibt. Es war übrigens nichts Neues. Er hat das alles bestätigt. Ostermayer hat auch gesagt, dass diese ÖBB-Werbung selbstverständlich eine Sache des Ministeriums sei.

Das ist aber dann insofern interessant, als die Frau Bures in einer Anfragebeantwor­tung im Dezember 2009, bei der ich sie damals ersucht habe, Auskunft über ÖBB-In­serate der Tageszeitung „Österreich“ in der Höhe von 900 000 € zu geben, damals wie folgt geantwortet hat: Ich erlaube mir anzumerken, dass die gegenständliche Angele­genheit weder einen Gegenstand der Vollziehung beziehungsweise Kontrolle der Ver­waltung, noch aktienrechtlich eine Aufgabe der Eigentümerin darstellt. – Mit dieser Begründung hat sie damals ganz salopp die 24 Fragen nicht beantwortet.

Ostermayer hat bei Armin Wolf genau das Gegenteil gesagt und bestätigt. Das haben alle Österreicher sehen können, frei Haus. Er hat genau das Gegenteil dessen, was die Frau Bures gesagt hat, bestätigt. Mittlerweile hat ja schon die Staatsanwaltschaft, und


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zwar dank der Anzeige von unserem Abgeordneten Harald Vilimsky, der den Stein zu Recht ins Rollen gebracht hat (Beifall bei der FPÖ), die Arbeit aufgenommen und er­mittelt.

Hier man muss ausdrücklich einmal ein Lob der Justiz aussprechen, denn ich behaup­te, in vielen Bereichen ist das Vertrauen in die Justiz ja leider Gottes nicht mehr gege­ben. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Deshalb ist es besonders hier zum Ausdruck zu bringen, dass es mutig ist vonseiten der Justiz und der Staatsanwaltschaft, auf die si­cher massiver Druck ausgeübt wird, bei solchen Vorwürfen zu ermitteln, nämlich gegen einen amtierenden Bundeskanzler und gegen seinen Staatssekretär Ostermayer. (Bei­fall bei der FPÖ.) Dazu gehört Mut, denn ich bin davon überzeugt, dass massiver Druck aufgebaut wird, damit das auch eingestellt wird. Davon bin ich überzeugt.

Natürlich kennen wir die Methoden, wie hier oftmals im Hintergrund gearbeitet wird und auch Druck ausgeübt wird. Wir gehen aber davon aus, dass man hier dem Druck nicht stattgeben wird. Wir gehen auch davon aus, dass Anklage gegen Sie, Herr Bundes­kanzler, und gegen Sie, Herr Staatssekretär Ostermayer, erhoben wird, und zwar we­gen Amtsmissbrauchs und Untreue. Die vorliegenden Fakten und Dokumente spre­chen ja für sich, sie belegen alle diese Entwicklungen und Vorwürfe. Und ich bin jetzt gespannt auf Ihre Antworten, Herr Bundeskanzler. Überlegen Sie sich gut, was Sie sa­gen, denn ich möchte klare Antworten! Ich möchte kein Herumgerede, ich möchte wirk­lich klare Antworten auf die klar gestellten Fragen – und keine Ausreden und keine Jammerei, dass alles so ungerecht ist und dass das angeblich eine ungerechte Welt ist, weil man mit den ÖBB-Mitarbeitern, die hier ausgesagt haben, und all den Zeugen nichts zu tun hat.

Das sind keine FPÖ-Mitglieder. Das sind mündige Bürger, die das erleben mussten und denen offenbar einmal die Hutschnur gerissen und der Kragen geplatzt ist und die sich einfach nicht mehr einschüchtern lassen von Ihnen. (Rufe bei der SPÖ: Geh, hör auf!) Und das ist gut, wenn sich die Bürger nicht mehr einschüchtern lassen von Ihnen und solche Methoden in unserer Republik nicht Platz greifen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Wir sehen uns heute so oder so gezwungen, gegen Sie einen Misstrauensantrag einzubringen, denn das, was Sie heute im Vorfeld dieser Dringli­chen abgeliefert haben, ist eines Bundeskanzlers nicht würdig. Ich sage – und ich bin davon überzeugt –, dass das auch die Mehrheit der Österreicher heute so sieht: Sie sind als Bundeskanzler nicht mehr tragbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre Aktivitäten und Handlungen gegen die Interessen der österreichischen Bevölke­rung in unterschiedlichen, wesentlichen Bereichen, wie heute das 30 Milliarden €-Ret­tungspaket, die Selbstaufgabe, das Zwangsenteignen der Österreicher, gehen sozusa­gen weg von den demokratischen Grundsätzen hin in Richtung eines totalitären ESFM-Pakets und sind nicht akzeptabel. Und durch Ihre Verweigerung einer Volksabstim­mung, die Sie selbst versprochen haben – Sie haben in dieser Frage Ihr Wort mehr­fach gebrochen! –, ist letztlich der Punkt erreicht worden, an dem wir sagen, es ist Ih­nen das Misstrauen auszusprechen. Wir werden Ihnen heute das Misstrauen ausspre­chen, denn so etwas ist einfach unwürdig, was Sie hier an den Tag legen, das ist be­schämend, Herr Bundeskanzler! Wir wollen solche Entwicklungen nicht einfach kritiklos hinnehmen. Da werden Sie mit heftigster Kritik unsererseits rechnen müssen.

Mir ist schon klar, dass Sie auch immer wieder, wie in der Vergangenheit, versuchen werden, mich als jemanden darzustellen, der aufwiegelt, der angeblich Hass predigt und andere Unsinnigkeiten zum Besten gibt. Das ist das, was Sie immer wieder versu­chen, an künstlichen Bildern zu erzeugen. Ich sage Ihnen, die Wirklichkeit aufzuzei­gen bedeutet, Mut zu leben. Und es ist oftmals so, dass gerade die Kommunisten fol­gendes Prinzip leben: Die wirklich Kriminellen werden verschont, aber die Andersden­


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kenden werden kriminalisiert. – Das ist nämlich die Methode, die immer wieder gelebt wird und die ich immer wieder von politischen Mitbewerbern in diesem Haus gegen uns gerichtet erleben muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber genau da differenzieren die Österreicher, und da haben sie auch ein gutes Ge­spür dafür, wie das wirklich in dieser Republik abläuft. Wenn ich nur daran denke, was wir in den letzten Wochen und Monaten insgesamt erleben mussten an Korruptionsent­wicklungen, an einer Verluderung des Systems! Da muss es ganz klar und deutlich in allen Bereichen Aufklärung geben, in allen, ausnahmslos in allen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Selbstverständlich bin ich froh darüber, wenn das endlich eingehalten wird, was die Opposition schon im Zuge der letzten Nationalratssitzung gemeinsam als Antrag einge­bracht hat, nämlich die sechs entscheidenden Punkte, auf die wir uns geeinigt haben, auch ausnahmslos zu untersuchen. Es geht um volle und restlose Aufklärung und nicht um Vertuschung. Genau das muss das Prinzip sein. Das ist ein Untersuchungsaus­schuss und kein Vertuschungsausschuss! (Beifall bei der FPÖ.)

Man musste ja leider im Vorfeld erleben, dass Sie auch versucht haben, hier wieder ei­nen Kuhhandel zu machen: Erspart uns den Untersuchungsausschuss im Bereich der ÖBB- und ASFINAG-Inserate, dafür ersparen wir euch, der ÖVP, andere unangeneh­me Bereiche. Aber zum Glück hat dieser Kuhhandel nicht funktioniert, muss ich sagen, denn es muss uns allen klar sein, uns allen hier im Haus, dass – egal bei welcher Par­tei, egal auf welcher Ebene, egal welche Person betreffend – da überall volle Aufklä­rung stattzufinden hat, und dort, wo strafrechtlich relevante Entwicklungen stattgefun­den haben, mit der vollen Härte des Gesetzes durchzugreifen ist (Abg. Dr. Kräuter: Was ist denn mit dem Scheuch?) und wir uns alle von solchen abscheulichen Per­sonen zu verabschieden haben, die in so ungeheuerlicher Weise die Republik schä­digen und auch mit öffentlichen Steuergeldern so sträflich umgehen, meine sehr geehr­ten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir alle haben dafür Sorge zu tragen, dass es ein sauberes Parlament gibt, dass Sau­berkeit gelebt wird, und die Sauberkeit beginnt immer bei einem selbst, bei der eigenen Fraktion, und das gilt letztlich für alle Fraktionen. Und ich kann den Österreichern eines versprechen: Ich lebe diese Sauberkeit, weil ich von Beginn meiner Obmannschaft an, also seit 2005, für diese Sauberkeit in der FPÖ gesorgt habe. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit. – Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.) Wir haben mit einem Selbst­reinigungsprozess in der Partei für diese Sauberkeit gesorgt. Und wir wissen, wo heute die Gauner sitzen: nicht in der FPÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Kasperltheater!)

14.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundes­kanzler Faymann zu Wort gemeldet. Die 20 Minuten Redezeit sollen nicht überschritten werden. – Bitte.

 


14.37.02

Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mich unterscheidet fast alles vom Herrn Strache, aber eines ist besonders deutlich geworden: Ich vertraue der Justiz immer und brauche nicht, wie Sie, eine Ausnahme zu machen, wo sie ein­mal gut und einmal schlecht ist. Die Justiz ist dazu da, alles aufzuklären in diesem Land, und lässt sich auch von Ihnen nicht disqualifizieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Anfragebeantwortung ist für mich deshalb einfach, weil die geäußerten Vorwürfe, die zitierten Artikel, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate, von Ihnen irgendwie umschriebenen Aussagen jeder Grundlage entbehren, wenn es um die Frage des Vor­


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wurfs geht, wir hätten Weisungen ausgeübt, die uns nicht zustehen. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Verkehrsminister ist politisch verantwortlich für Betriebe wie die ÖBB oder die ASFINAG. Und es ist eine Normalität, dass zwischen den Verantwortlichen, die die Be­triebe führen – es ist nach dem Aktienrecht ganz klar geregelt, wer wofür zuständig ist –, Gespräche stattfinden über die Leistungsfähigkeit des Unternehmens (Abg. Kickl: Ja, genau!), über hunderte inhaltliche Themen, zu denen das Image des Unter­nehmens genauso gehört wie unzählige Milliardeninvestitionen, über inhaltliche The­men beginnend beim Fahrplan (Abg. Mag. Stefan: Ein Fehlplan! – Abg. Kickl: Ein Schrottplan!) bis hin zu vielen Fragen der Finanzen der ÖBB oder der ASFINAG.

Es ist richtig, dass ein zuständiger Minister oder eine zuständige Ministerin mit Verant­wortlichen der Betriebe, wo es die politische Verantwortung dafür gibt, viele Gespräche führt, wie dieses Unternehmen geführt wird und geführt werden soll. Es ist dabei peni­bel aktienrechtlich einzuhalten, wer die Entscheidungen trifft. Und es haben die Ge­schäftsführer der ASFINAG und der ÖBB erklärt, dass diese Entscheidungen im Un­ternehmen getroffen worden sind, dort, wo sie hingehören. Und das ist auch in Ord­nung so. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stefan: Das hat aber der Geschäftsführer der ÖBB nicht gesagt! – Abg. Kickl: Das ist ja das Problem!)

Es gibt kein Weisungsrecht, und daher hat auch niemand ein Weisungsrecht ausgeübt. Um es noch einmal zu sagen: Es ging uns – und das wird auch bei den Ministerverant­wortlichen heute so sein – um die Organe der Unternehmen, die korrekte Einhaltung dieser strikten Trennung und um die gemeinsame politische Verantwortung.

Von den Korruptionsfällen, die im Untersuchungsausschuss auf der Tagesordnung ste­hen, werden Sie mit Inseraten nicht ablenken können. Wir werden schon sehen, wie oft in den einzelnen Punkten im Untersuchungsausschuss Mitglieder Ihrer Partei aus der damaligen Regierung betroffen sein werden. Wir werden uns auch sehr genau anse­hen, welche Verantwortlichkeiten es dabei gibt und von welchen Zuständen wir reden. Da wird es Ihnen nicht helfen, dauernd über Inserate zu reden. (Ruf bei der FPÖ: Len­ken Sie nicht ab!) Das ist ein Unsinn. Diese Ablenkung – richtiges Stichwort – wird Ih­nen nicht gelingen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Frage 7 lautet: „Sind gegen Sie und Ihren Staatssekretär Strafverfahren im Zu­sammenhang mit der Vergabe von politischen Inseraten anhängig?“ – Ja, eine Anzei­ge, und zwar von Ihnen! Das ist eine politisch motivierte Anzeige; das hätten Sie sich gleich selbst fragen und beantworten können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Ei­ne Anzeige! Aber ein Strafverfahren?! Eine Anzeige ist kein Strafverfahren!) Alles, was es gibt, ist eine Anzeige, und die ist von Ihnen!

Das Lobbyistengesetz, das Parteispendengesetz, die sachgerechte Verbesserung des Korruptionsstrafrechtes, das Medientransparenzgesetz und die Offenlegung der Ne­beneinkünfte von Abgeordneten sind ganz konkrete fünf Punkte, die von uns vorberei­tet werden, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und noch strengere Regeln und Richt­linien einzuführen – auch Richtlinien für die Transparenz, wo jemand wirbt, inseriert oder sponsert. Vorgesehen ist auch die Einrichtung eines Beirates, der prüft, welche Inserate zu welchem Zweck, mit welchem Informationsgehalt und in welcher Verteilung geschalten werden. Es wird auch nicht gehen, dass man in gute und schlechte Inserate teilt, in solche, die im richtigen, und solche, die im falschen Medium inseriert werden. Stattdessen soll ein Beirat je nach Zielgruppe, Verteilung und Erreichbarkeit für sach­gerechte Ordnung sorgen.

Ich komme nun zur Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zu den Fragen 1 und 2:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 92

Die Antworten ergeben sich sehr einfach aus den bereits gestellten parlamentarischen Anfragen; ich stelle sie Ihnen gerne mit den dementsprechenden Nummern zur Verfü­gung. Aus diesen ist ersichtlich, dass die Beträge, die jährlich für Inserate ausgegeben wurden, variieren. Man kann sie auch zusammenrechnen, das steht Ihnen zur Verfü­gung. Ich habe nämlich diese Frage der Inserate schon mehrfach beantwortet. Sie kön­nen das ruhig als neu darstellen. Es ist nicht neu, es ist die Wiederholung einer Diskus­sion, die vor vier Jahren stattfand, die Ihnen jetzt anscheinend ... (Abg. Strache: Wie hoch? Wie hoch sind die Beträge? – Abg. Kickl: Wie viel?) Sie selbst haben es, Sie brauchen es nur zusammenzurechnen. In jedem Jahr ist es anders. (Abg. Strache: Sagen Sie doch, wie hoch die Beträge sind!)

Selbstverständlich achtet das Bundeskanzleramt beim Inserieren darauf, die Informa­tionen der Bundesregierung zielgruppenspezifisch in reichweitenstarken Medien sowie zum angemessenen Preis an die Bevölkerung zu bringen.

Zur Frage 3:

Wie hoch ist der Betrag? – Auch hier kann ich auf die Beantwortung der parlamentari­schen Anfrage vom 10. Jänner 2008 sowie auf die Anfrage vom 14. Jänner 2009, die durch meine Nachfolgerin, Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Techno­logie, beantwortet wurde, verweisen. (Abg. Strache: Die hat das aber nicht beantwor­tet!)

Zur Frage 4:

In der überwiegenden Zahl an Fällen gibt es keinen persönlichen Bezug und kein Foto von mir. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Zu den Fragen 5 und 6:

Absprachen mit Medien und Journalisten – Nein! Aber ich sage Ihnen noch etwas: Die Verknüpfung von Inseraten mit der Beeinflussbarkeit von Medien, die Sie hier betrei­ben, ist eine besondere Respektlosigkeit – vor allem gegenüber Journalisten und Jour­nalistinnen. (Beifall bei der SPÖ.) Das sind Verdächtigungen, die verschiedene Institu­tionen beschädigen – von den Medien über Unternehmen bis zur Politik.

Zur Frage 7:

Kenntnis von Strafverfahren: Wie andere Medienkonsumenten habe auch ich über Zei­tungen und Aussendungen erfahren, dass die FPÖ eine politisch motivierte Anzeige er­stattet hat, um von Korruptionsverdächtigungen ihrer Freunde, Kollegen und Exkolle­gen abzulenken.

Zur Frage 8:

Kurz, klar und deutlich: Nein!

Zur Frage 9:

Diese Frage stellt sich nicht, da ich Respekt und Achtung vor dem Rechtsstaat habe und von der korrekten Arbeit der Justiz überzeugt bin.

Zur Frage 10:

Nein.

Zur Frage 11:

In den Gesprächen und Beratungen, die ich und mein Staatssekretär kennen, ging es immer um das Ziel der Erhöhung der Kundenzufriedenheit und der Imageverbesserung des Unternehmens. Das ist eine politische Aufgabe, an die Sie oft genug hier in der Debatte erinnert haben. Ich weiß das noch genau und kann auch heraussuchen, wie oft Sie mich für jedes Detail bei der Bundesbahn politisch verantwortlich gemacht ha­


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ben, für das Image, für die Kundenzufriedenheit und für hunderte Detailfragen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Beantwortung!)

Zu den Fragen 12 und 16:

Mir ist kein einziger Fall bekannt.

Zu den Fragen 13 und 14:

Dazu hat der jetzige Chef der ÖBB ausführlich Stellung genommen und auch erläutert, dass es ordnungsgemäße Beschlüsse im Unternehmen gibt. (Ruf bei der FPÖ: Und zur ASFINAG?) Schon im Jahr 2008 hat der Konzernsprecher der ÖBB diesbezüglich eine entsprechende Klarstellung vorgenommen.

Zur Frage 15:

Ja.

Zur Frage 17:

Mir wurde ein entsprechender Revisionsbericht weder vorgelegt noch bekannt ge­macht. Jedes Inserat, jede Medienkooperation, deren Bewertung und auch Bezahlung war eine Entscheidung der verantwortlichen Mitarbeiter und Organe des Unterneh­mens. Dazu hat der Vorstand der ASFINAG die entsprechende Klarstellung vorgenom­men.

Zu den Fragen 18, 19 und 20:

Dazu können nur die Verantwortlichen der von Ihnen angesprochenen Unternehmen Auskunft geben. Zur Zeitschrift „ST/A/R“ gab es erst kürzlich eine Stellungnahme in der Tageszeitung „Die Presse“.

Zur Frage 21:

Um zu regeln, wer wo wie viele Inserate schaltet und nach welchen Kriterien Inserate und deren Schaltung möglichst adäquat erfolgen sollen, haben wir in der Bundesregie­rung das Medientransparenzgesetz beschlossen und uns auf die Einrichtung eines ent­sprechenden Beirates geeinigt. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Und jetzt bitte die Antworten!)

14.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vilimsky. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Stra­che  in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Vilimsky –: Antritts­applaus für dich!)

 


14.46.58

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Ich habe gleich ein Anliegen an Sie, nämlich das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers in der kommenden Präsidiale zu thematisieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Derart verhöhnende Stellung­nahmen eines Regierungschefs gegenüber dem Hohen Haus sind überhaupt noch nicht dokumentiert. Auf eine Frage, wie hoch die Inseratenvolumina waren, zu sagen: Rechnen Sie sich das zusammen!, das ist nicht der entsprechende Umgang mit dem Hohen Haus. (Abg. Mag. Rudas: Können Sie nicht rechnen? Herr Vilimsky, können Sie nicht lesen?)  Frau Rudas, ruhig bleiben! Wir kommen gleich auch auf Sie zu sprechen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 94

Genauso falsch ist die Tatsache, dass es sich lediglich um eine Anzeige handeln soll. (Abg. Mag. Rudas: Herr Vilimsky, der Kickl wird es Ihnen vorlesen!) – Frau Rudas! Kommen Sie dann raus! Sie brauchen nicht die Nerven wegzuwerfen, genauso wie der Herr Bundeskanzler nicht die Nerven wegzuwerfen braucht. – Es handelt sich längst nicht mehr um eine Anzeige. (Abg. Mag. Rudas: Herr Vilimsky, wir können es Ihnen auch vorlesen!) Auf Basis dieser Anzeige hat es einen Vorhabensbericht der Staatsan­waltschaft gegeben. Dieser Vorhabensbericht ist an die Oberstaatsanwaltschaft gegan­gen. Die hat gesagt, ja, da wollen wir ermitteln. Dann ist das ans Justizressort gegan­gen, und dann hat es vom Justizressort – und dafür danke ich auch der Justizministerin Karl – grünes Licht gegeben, gegen einen amtierenden Bundeskanzler tatsächlich in Ermittlungen einzutreten. (Abg. Mag. Rudas: Da müssen wir beim Kickl noch einmal nachfragen!) Die ersten Einvernahmeprotokolle liegen ja schon am Tisch: 7 Millionen für den Werner.

Frau Rudas, ist das in Ordnung? Ist das genau die Politik, für die Sie stehen? (Abg. Mag. Rudas: Der Herr Kickl erklärt es Ihnen nachher!) – Offensichtlich ja, denn mit normaler Medienarbeit kommen Sie nicht durch. Deshalb muss man eben in den Steu­ertopf greifen, um sich selbst zu inszenieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, für wie dumm verkaufen Sie dieses Hohe Haus eigentlich, wenn es darum geht, dass Sie Einfluss geübt haben sollen, und Sie uns erklären, Sie reden oft mit den Vorständen, etwa über Fahrpläne?! Das kann es doch nicht sein! (Abg. Strache: Inseratenfahrpläne!) Inseratenfahrpläne – das wird es offenbar gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft hat da besonderen Mut gehabt. Nicht immer funktioniert es aus unserer Sicht richtig, das stimmt schon. Es gibt aber auch Fälle, bei denen wirklich Mut dahinter ist, wenn die Staatsanwaltschaft sich traut, gegen ein amtierendes Regie­rungsmitglied tatsächlich zu ermitteln. (Zwischenruf der Abg. Mag. Rudas. – Abg. Öl­linger: Scheuch? Meinen Sie Scheuch?) Ich bin froh darüber, dass von der Justizmi­nisterin dafür grünes Licht gekommen ist.

Herr Bundeskanzler Faymann, Ihre Antworten werden im Untersuchungsausschuss in einem komplett neuen Licht zu beurteilen sein. Hier können Sie uns erzählen, was im­mer Sie wollen. Im Untersuchungsausschuss werden alle Manager befragt werden. Und im Untersuchungsausschuss ist es so, dass Wahrheitspflicht herrscht. Wenn man dort der Lüge überführt wird, dann drohen bis zu drei Jahre Haft. Auch das ist ent­sprechend festzuhalten, wenn wir auf parlamentarischer Ebene diese Angelegenheit untersuchen werden.

Ich bin erfreut, dass das System Faymann/Ostermayer, das wir seit vielen Jahren aus der Wiener Politik kennen, mittlerweile nicht nur bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist, sondern dieses Hohe Haus auch im Rahmen eines Untersuchungsausschusses be­schäftigen wird.

Ich möchte klarstellen, dass vonseiten der Freiheitlichen Partei, auch im Hinblick auf diese Anzeige, die von mir ausgegangen wurde (Abg. Mag. Rudas: Ist!), nie irgendet­was gegen die wirtschaftliche Basis der heimischen Printlandschaft gedacht war. Wir haben auch nichts gegen Inserate. Inserate sind ein wichtiger Bestandteil für das ös­terreichische Medienwesen. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Strache: Aber nicht der po­litische Missbrauch!)

Meine Damen und Herren Genossen, wissen Sie, was das Gemeine ist? – Es geht da­rum, dass ein Regierungschef wahrscheinlich den Tatbestand der Untreue und des Amtsmissbrauches ausübt. (Ruf bei der FPÖ: Und der Nötigung!) – Und der Nötigung, wenn nicht der schweren Nötigung des Managements öffentlicher Unternehmen, par­teipolitische Werbung zu betreiben. Das ist es, was die Staatsanwaltschaft interessiert! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 95

Täglich kommen neue Fakten ans Tageslicht. Unser Klubobmann hat schon darauf Be­zug genommen, ich möchte das nur ergänzen, etwa um jüngste Aussagen eines ÖBB-Managers: „Wir haben uns bei den Inseraten permanent gezwungen und unter Druck gesetzt gefühlt. Es wurde uns immer wieder signalisiert, es würde schwer werden, un­seren Job zu behalten, wenn wir nicht kooperieren.“ (Abg. Heinzl: Wahnsinn! Der heißt bestimmt nicht ...!)

Meine Damen und Herren, das ist schwere Nötigung! (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich zitiere weiter: „Unser weiteres Verbleiben wurde direkt davon abhängig gemacht, dass wir uns in der Frage der Inserate kooperativ verhalten.“

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, so geht man mit der Bundesbahn um! (Zwischenruf des Abg. Heinzl.) – Schämen Sie sich, Herr Kollege Heinzl! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Da lacht die Frau Bundesminister! Sie findet das auch noch lustig!) Kommen Sie einmal hier heraus und reden Sie! Sie mit Ihren Zwischen­rufen ignorieren das doch alles!

Das aktuelle „profil“, das eine sehr hohe Recherchequalität an den Tag gelegt hat, kommt zu dem Schluss, Faymann und Ostermayer haben die Unwahrheit gesagt. (Zwi­schenruf des Abg. Heinzl.) Ich zitiere: Faymann und Ostermayer haben die Unwahrheit gesagt.

Ich darf jetzt den mit 21. Jänner 2008 datierten Jahresrevisionsbericht der Konzernre­vision der Autobahnfinanzierungsgesellschaft ASFINAG für das Jahr 2007 zitieren. Da­rin wird auf den Seiten 15 und 16 unter Punkt 3.11 ... (Abg. Heinzl: Hat Ihnen das der Gorbach aufgeschrieben?) – Kollege Heinzl! Rauskommen! Sie sollten als Parlamenta­rier in der Lage sein, selbständig ein paar zusammenhängende Sätze vom Rednerpult aus zu sagen – und sich nicht so verhalten wie in einem Wirtshaus! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich zitiere: „Die zugrunde liegende Leistung wurde nicht von der ASFINAG schriftlich in Auftrag gegeben.“

Die haben überhaupt nichts davon gewusst, dass die Inserate vergeben werden. (Abg. Heinzl: Nein, eh nicht!) – Nein, eh nicht, sagen Sie. Genau deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft ja!

Auch der Vorstand oder ein sonstiges Organ, wie von Faymann oder Ostermayer stets behauptet, entschieden nicht über das Inserat. Der Beschluss fiel anderswo, wie es im Revisionsbericht heißt: Der Auftrag wurde vom Büro Faymann vergeben. (Zwischenru­fe der Abgeordneten Strache und Heinzl.)

Wissen Sie, worum es da geht? – Zwei Unternehmen, die schwerstens defizitär sind, die ASFINAG und die ÖBB, werden genötigt, für plumpe parteipolitische Werbung des SPÖ-Vorsitzenden in die Kassa greifen zu müssen, und der Steuerzahler zahlt sie über den Umweg. Daher, Herr Kollege Heinzl und Frau Rudas, ermittelt die Staatsanwalt­schaft! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Rudas: Nein! Wegen der Anzeige! – Zwi­schenruf des Abg. Heinzl.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Überzeugung nach ist das übelster Machtmissbrauch. Es ist Steuergeldveruntreuung, es ist indirekte Parteienfinanzie­rung und es ist alles zusammen mehr als schäbig.

Daher werde ich auch den Misstrauensantrag betreffend Versagen des Vertrauens ge­genüber dem Bundeskanzler einbringen.

Misstrauensantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 96

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschlie­ßung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

SPÖ-Klubobmann Cap wird jetzt rauskommen und erklären, dass ja eh alles in Ord­nung ist. Die haben völlig autonom entschieden, und wir haben den besten Vorsitzen­den der Sozialdemokratie, den es überhaupt irgendwo gibt. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei Abgeordneten der SPÖ.) Amtsmissbrauch und schwere Nötigung sind überhaupt kein Thema.

Herr Cap, ich sage Ihnen, so ist es nicht. Wir haben nicht eine Anzeige, wir haben Er­mittlungen der Staatsanwaltschaft, für die das Justizressort grünes Licht gegeben hat. Wir haben eine parlamentarische Mehrheit für einen Untersuchungsausschuss. Wir ha­ben die Aussagen des PR-Ethik-Rats-Vorsitzenden, der gesagt hat, dass das nicht in Ordnung ist, was hier geschehen ist. Es wird Ihnen nicht gelingen, das alles lapidar wegzuwischen. Wenn Sie sagen, ja, machen wir einen Untersuchungsausschuss, aber holen wir uns gleich 50 Minister her, um darzustellen, dass das irgendwo anders auch so gewesen sein könnte, darüber kann man reden. Nur legen Sie irgendein Verdachts­moment vor, über das wir diskutieren können! Ihre Vernebelungsstrategie, zu sagen, wir holen uns alle Minister, die es irgendwann einmal gegeben hat, vielleicht hat es auch bei ihnen irgendetwas gegeben, das hat nicht die Qualität. (Abg. Mag. Rudas: Herr Präsident! Hat er ewig Zeit?)

Die Qualität ist hier gegeben: Aussagen der höchsten Manager, Aussagen der ASFINAG, der ÖBB, wir haben einen Vorhabensbericht und Ermittlungen der Staats­anwaltschaft und täglich neue Fakten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp. – Abg. Mag. Rudas: Herr Präsident, die Zeit! – Abg. Heinzl: Herr Vilimsky! Nehmen Sie Platz!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wieso werfen Sie denn die Ner­ven weg, wieso hüpfen Sie denn wie ein Rumpelstilzchen? (Abg. Strache: Die sind schon nervös, die Genossen!) Das ist immer das, was Sie hier aus der – eins, zwei, drei, vier – fünften Reihe heraus machen. (Abg. Heinzl: Schauen Sie, Ihre Zeit ist vor­bei!) Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie haben ein Mandat, genauso wie ich. Wa­rum nehmen Sie nicht aktiv an der Debatte teil? Wir sind da in keinem Wirtshaus, und ich bin nicht bereit, mit Ihnen wie bei einem Fußballspiel hin- und herzuschreien. Ich setze mich gerne mit Ihnen in qualitativer Art und Weise auseinander. (Abg. Heinzl: Nein, mit Ihnen setze ich mich nicht auseinander!) – Ja, weil Sie offensichtlich keine Ar­gumente mehr haben! Sie sitzen da, lachen wie in der Muppet Show und keifen herein! Ja, ist das die Politik, für die Sie stehen? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Heinzl.) – Hören Sie auf damit!

Ich danke der ÖVP, dass sie keinen miesen Kuhhandel mit den Sozialdemokraten ein­gegangen ist. (Zwischenruf des Abg. Grosz.) Ich bin guter Hoffnung, dass sich in die­sem Untersuchungsausschuss all das, was die ÖBB- und ASFINAG-Manager zum Ausdruck gebracht haben, in vielen und weiten Bereichen bestätigen wird. (Zwischen­ruf der Abg. Mag. Rudas.) Ich habe Vertrauen in das Hohe Haus – in die Vergabe­politik dieser Bundesregierung mit Herrn Bundeskanzler Faymann an der Spitze schon lange nicht mehr! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Sie sollten den An­trag richtig vorlesen!)

14.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Misstrauensantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 97

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten KO Strache betreffend die Schaltung von Inseraten im persönlichen politischen Interesse des Werner Faymann in der 120. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 30. Sep­tember 2011

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschlie­ßung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klubobmann Dr. Cap. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.57.18

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Kollege Vilimsky, jetzt habe ich Sie am Schlafittchen! Sie sagen nämlich in Wahrheit das Gleiche wie der Herr Rosenkranz in seiner Aussendung: Bei unseren Ministerien ab dem Jahr 2000 muss zuerst ein Ver­dacht gegeben sein. Nicht nachschauen, zuerst muss ein Verdacht am Tisch liegen, dann wollen wir erst schauen! – Da sind Sie plötzlich ganz vornehm, ganz salonfähig. (Abg. Vilimsky: Na!) Das geht so nicht! Denn wenn wir untersuchen, dann wirklich. Und wenn man sagt, alles auf den Tisch, dann wirklich alles auf den Tisch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Dann aber bitte bis ...!)

Sie haben ja wirklich Nerven. Ich habe mir Ihre Rede genau angehört. Sie sagen zum Beispiel den Satz: So geht man mit der Bundesbahn um! – Na was war denn, als Blau und dann die Nachfolgepartei für diesen Bereich verantwortlich war? (Zwischenruf des Abg. Vilimsky.) – Zerstückeln, umstrukturieren, unfähige Manager hinsetzen, unfähige Ressortchefs, Leute auswechseln – so lange, bis die Bundesbahn in ihrer Existenz fast gefährdet war. Die Aufräumarbeiten für die Zeit, in der Sie Verantwortung gehabt ha­ben, sind bis heute noch zu erledigen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) – Nur keine Zwischenrufe von dieser Seite, nur keine Zwischenrufe!

Ich möchte noch etwas sagen: Was kommt in den Reden heraus, beim Klubobmann Strache und jetzt beim Kollegen Vilimsky? Was sagen sie? – Sie sagen nichts anderes: feige Rechtsbrecher in den Organen der ÖBB und der ASFINAG. Das ist ja die wahre Unterstellung. Sie wissen ganz genau, dass die weisungsungebunden sind. (Abg. Kickl: Der ist gut!) Sie wissen auch, dass es dafür, für Ihre Verdächtigungen und für Ih­ren Misstrauensantrag, überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt. Dass das ein Ablen­kungsmanöver ist, geben Sie sowieso zu, ohne dass Sie es aussprechen. Das ist die Wahrheit! (Abg. Kickl: Ach so? Wie ist das denn bei Staatsbürgerschaften?) Sie sa­gen, dort sind feige Rechtsbrecher. Das ist es, was Sie ihnen vorwerfen. Ich muss die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 98

Organe da in Schutz nehmen. Es ist ja unglaublich, was das für Vorwürfe sind. (Abg. Strache: Wer war denn beteiligt bei der ...?)

Das Zweite, was Sie sagen, ist, dass der Journalismus in Österreich käuflich ist. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Strache und Kickl.) Ja, Sie sagen, der Journalismus ist käuflich. Sie sagen, man kann sich den Journalismus in der „Kronen Zeitung“ kaufen, man kann sich den Journalismus in „Österreich“ kaufen. Sie sagen, man kann sich den Journalismus bei „Heute“ kaufen, und eigentlich kann man sich ihn überall kaufen. (Abg. Kopf: Überall nicht!) Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrer weiteren Medien­arbeit, wenn Sie mit dieser Geisteshaltung in Österreich Öffentlichkeitsarbeit machen wollen. Das ist ja unfassbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mich echt gewundert bei der Rede des Kollegen Strache und mir nur gedacht, dafür, was er da sagt, ist hier der falsche Platz. Das müssen Sie beim Landesparteitag der FPÖ Kärnten sagen. Dort gehört das hin. Bei den anderen Landesparteien kann ich es nicht beurteilen, ich kenne mich da nicht so aus, aber vielleicht ist es am besten, Sie reden gleich auf einem Bundesparteitag einmal so. Ich frage Sie aber: Wieso sind Sie da so tolerant beim Uwe Scheuch? (Abg. Strache: Ich komme gerne nach Linz und erzähle den Linzern etwas von den Swap-Geschäften der SPÖ!) Uwe Scheuch: sechs Monate unbedingt, zwölf Monate, achtzehn Monate, „part of the game“. Da spielt es sich ab! 20 Milliarden-Haftung für die Landes-Hypo. Das zählt alles nichts!

Bei den strengen Maßstäben, die Sie da haben, sollten Sie schon längst dafür gesorgt haben, dass der zurückgetreten ist. (Beifall bei der SPÖ.) Nix is’! „Uwe, bleib! Uwe, bleib!“, heißen die Sprechchöre in Kärnten. Was fällt Ihnen dazu ein? Nichts!

So geht’s nicht! Das ist doppelter Boden, doppelte Moral, durchsichtig, Ablenkung. Wo­von wollen Sie ablenken? (Abg. Neubauer: Was haben Sie für eine Rechtsauffassung als Demokrat?) Ich glaube, Sie haben den Antrag für den Untersuchungsausschuss gar nicht durchgelesen. Haben Sie die Vorwürfe da gelesen? Telekom. – Mir fällt ja schon fast kein Delikt mehr ein, das da nicht drinnen steht, wenn ich mir alle Punkte durchschaue. Das ist ja unfassbar! Leistung von Zahlungen ohne nachvollziehbare Ge­genleistung (Abg. Strache: Sie meinen den Hochegger!), ein Lobbyistentrara, Manipu­lation von Börsenkursen – da spielt es sich ab!

Zweiter Punkt: BUWOG. Leicht bewertbares Immobilienstaatsvermögen, Lehman Bro­thers, Karl-Heinz Grasser, FPÖ-Urgestein. Und so weiter. Alles drinnen!

Dritter Punkt: Versuch der Lockerung des Glücksspielmonopols, Karl-Heinz Grasser; der ist prominent, der kommt bei jedem Punkt vor, der lässt keinen Punkt aus. Ein Nim­mersatt ist das.

Vierter Punkt: Vergabe von Behördenfunknetzwerk, Kündigung von Verträgen, neuerli­che Vergabe.

Fünfter Punkt: Vergabe von Staatsbürgerschaften. – Da sind wir bei Ihrem Lieblings­punkt, das werden wir uns genau anschauen. (Zwischenruf des Abg. Grosz.) Uwe Scheuch, Uwe Scheuch! Außerdem haben wir jetzt eh schon einen Untersuchungsaus­schuss im Kärntner Landtag, wo diese ganze Landes-Hypo-Geschichte untersucht wird. Sie waren ja ganz scharf drauf, dass die Partie jetzt plötzlich Mitglied in Ihrer Par­tei ist. Jetzt haben Sie es, das Bummerl! Jetzt sitzt er drinnen, jetzt können Sie ihn ver­teidigen! Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

Hören Sie: Ein Gurkerl im Knie, wenn es Ihnen gefällt, aber nehmen Sie eine Znaimer Gurke, auch wenn sie aus dem Ausland ist!

Sechster Punkt sind dann die berühmten Inserate. Ich sage Ihnen, es gibt so etwas wie eine Informationspflicht. Der Kollege Vilimsky hat dann kurz nachgedacht, ob er nicht


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auch einmal, sollte er jemals in die Situation kommen, Inserate vergeben zu können, Inserate vergibt. Da ist es dann in ihm durchgeblitzt, und er hat sich gesagt, Vorsicht, da darf ich mich nicht festnageln lassen, es könnte ja sein, dass ich einmal Inserate vergebe, denn es gibt, wie er richtig erkannt hat, eine Informationspflicht. Gell, Herr Mi­nister Berlakovich? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Eine echte Informationspflicht gibt es. (Abg. Strache: Aber keine parteipolitische Werbegeschichte!) – Ja, parteipoliti­sche Werbung!

Und da, meine ich, sind die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Wir werden jetzt über ein Beiratsmodell nachdenken, und trotzdem sage ich: Warum soll man nicht die Benützer der Eisenbahn informieren? Kann mir das irgendjemand erklären? Und na­türlich macht man das nicht in den „Ping Pong-News“ und im „Wienerwaldboten“ und im „Fröhlichen Kegler“, sondern man nimmt die Zeitung, die gelesen wird! Das ist doch logisch! Die Zeitungen, die gelesen werden! (Zwischenruf des Abg. Strache.) – Ja, Sie wollen, dass man in der „Neuen Freien Zeitung“ inseriert, das weiß ich schon, aber wer liest das, Herr Kollege Strache? Welche Eisenbahnfahrer lesen die „Neue Freie Zei­tung“? Also ist es doch berechtigt, wenn diese Informationspflicht erfüllt wird. (Zwi­schenruf des Abg. Grosz.)

Und bei der ASFINAG ist es das Gleiche. Sie wollen die Straßenbenützer nicht infor­mieren? Warum eigentlich nicht? Ich bin dafür, dass auch die Straßenbenützer infor­miert werden. Das ist ganz, ganz wichtig, denn das sind zwei ganz große Gruppen. Mil­lionen benützen die Bahn, Millionen benützen die Straßen, und die sind informiert wor­den, diese Pflicht hat man erfüllt. Und Sie versuchen jetzt, um abzulenken von all die­sen Korruptionsvorwürfen, die im Übrigen fünf ehemalige Minister betreffen und einen Haufen rundherum an Bienen und Wespen und Geschwirr, was es da gibt, die Diskus­sion darauf zu lenken, ob es richtig war, dass die weisungsungebundenen Organe von ÖBB und ASFINAG die Eisenbahnbenützer und die Straßenbenützer informiert haben. Also das richtet sich von selbst.

Es wäre ehrlicher gewesen, Sie hätten gesagt, wir machen heute einen Misstrauensan­trag, weil wir den Bundeskanzler einfach nicht mögen. Das wäre ehrlich. Aber einen sonstigen Grund haben Sie nicht – oder weil Sie selber dort sitzen wollen. Na hoffent­lich werden Sie nie dort sitzen; das kann ich nur im Interesse Österreichs hier noch ein­mal deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Klubobmann Kopf. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.04.47

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Cap, ich weiß nicht, ob dir die Ernsthaftigkeit dieses Themas bewusst ist, aber ich glaube jedenfalls, um Lacher hervorzurufen, ist das der falsche Tagesordnungspunkt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich habe heute schon einmal den Verleger Manstein zitiert, ich tue es noch einmal. Dieser hat vor zwei Tagen gesagt: „Da tun sich Abgründe der moralischen Verwerflich­keit, die die Grundfesten der Zweiten Republik erschüttern, auf.“

Er hat damit sicher jene Manager gemeint, die Aktienkurse manipulieren, um selber in den Genuss von Bonuszahlungen zu kommen. Er hat sicher auch jene Manager ge­meint, die versuchen oder vielleicht sogar erfolgreich versucht haben, sich Gesetze zu kaufen für ihr Unternehmen.

Manstein hat auch die Politiker gemeint, nehme ich an, die sich bei Privatisierungen persönlich bereichert haben und damit leider – zusätzlich zum Kriminellen – auch dem


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Privatisierungsgedanken geschadet haben. Er hat sicher auch jene Politiker gemeint, von denen man Gesetze kaufen kann, eben durch jene Manager, die ihr Geld in die Hand nehmen. Aber ich fürchte, er hat auch Politiker gemeint, die sich Medienbericht­erstattung mit Steuergeld kaufen. (Abg. Grosz: Wie der Herr Pröll mit 6,7 Millionen €!) Er hat auch Zeitungsherausgeber gemeint, die Politikern Inserate abpressen. (Abg. Grosz: Pröll! Pröll! 6,7 Millionen €!)

„Falter“ vom 20. Juli 2011: Angeblicher Besuch eines Herausgebers bei einem Politi­ker. Dieser zeigt ihm einen Entwurf einer Geschichte und sagt: Diese Negativgeschich­te über Ihre Partei wird demnächst kommen, aber an deren Stelle könnte auch ein In­serat stehen. – Zitat im „Falter“, kommt nicht von mir.

Herr Manstein hat vielleicht auch Redaktionen gemeint. – Und, Kollege Cap, noch ein­mal eine Korrektur, weil du Zeitungen aufgezählt hast und dann am Schluss gesagt hast: Ja, vielleicht sogar alle. – Nein, sicher nicht alle, eher die aufgezählten! Manstein hat Redaktionen gemeint, wenn er sagt, für alle Bankrotteure der Moral gelte die Un­schuldsvermutung, nicht aber für die Medien. Sie hätten ein gerüttelt Maß an Schuld an unseren Zuständen, sie hätten versagt. Anstatt zu kontrollieren, hätten sie adoriert. Übersetzt: hätten uns umschwärmt. Damit hat er nicht alle Printmedien gemeint! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Land ein Problem mit Moral und An­stand. Wir sind das Gespött im Ausland – die Hamburger „Die Zeit“ schreibt von den „Amigos von Austria“ –, und über Österreich zieht ein Korruptionstaifun. Und das Schlimme ist, meine Damen und Herren, das Auge dieses Taifuns ist mitten unter uns.

Die Politik ist inzwischen an einem Tiefpunkt angelangt in der öffentlichen Akzeptanz. Wir alle haben darunter zu leiden! Alle, die versuchen, ihren politischen Job ordentlich und anständig zu machen, haben darunter zu leiden, weil ein paar wenige Dinge ma­chen, die moralisch verwerflich sind und gesetzlich nicht in Ordnung sind! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Bucher.)

Korruption untergräbt diesen Rechtsstaat und die Demokratie. Daher muss es eine lü­ckenlose Aufklärung all dieser Vorwürfe, die hier im Raum stehen, geben. Nicht nur um die Inserate herum, auch alle anderen Dinge gehören lückenlos aufgeklärt, sie ge­hören auf den Tisch! Und ich bin froh, dass es seit gestern endlich klar ist, dass es die­sen Untersuchungsausschuss, den es dringend braucht, auch geben wird und dass alle Parteien mit dabei sind. Vielen Dank allen, die dafür gesorgt haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber es braucht ein Weiteres: Es braucht auch strengere Regelungen und strengere Gesetze. Wir sind uns einig darüber, wir brauchen eine Verschärfung des Strafrechts für Mandatare. Das, was im Zusammenhang mit Strasser vorgefallen ist, muss selbst­verständlich dem Strafrecht und der strafrechtlichen Verfolgung unterliegen, was der­zeit nicht oder wahrscheinlich nicht der Fall ist.

Die Offenlegung von Nebentätigkeiten – ich nenne es nicht gerne „Nebentätigkeiten“, aber es ist halt gemeinhin so der Begriff dafür – und von Nebeneinkünften der Manda­tare muss nach dem deutschen Modell erfolgen.

Ein Lobbyingverbot für Mandatare muss her, die Schaffung eines öffentlichen Lobbyis­tenregisters! Aber darüber sind wir uns, glaube ich, im Wesentlichen eh einig.

Ich ergänze die Liste aber um das, was unser Parteiobmann kürzlich gesagt hat: Es muss ein Verbot her von Provisionen und auch der Einschaltung von Mittelsleuten, wenn es um öffentliche Aufträge geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Es braucht zusätzlich eine Offenlegung von öffentlichen Aufträgen an Unternehmen in Parteinähe – egal, ob minderheitsbeteiligt oder wie auch immer –, eine Offenlegung al­ler öffentlichen Aufträge, die an Unternehmen in Parteinähe gehen.


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Es braucht eine Offenlegung der Parteispenden, eine Transparenz und strenge Richtli­nien für Regierungsinserate. Ja, es braucht diese Kommission, die darüber letzten En­des urteilt. Aber es braucht zuerst klare Richtlinien, denn was soll die Kommission sonst beurteilen, wenn es nicht vorher klare Richtlinien dafür gibt, was sein darf und was nicht sein darf?

Jetzt haben wir endlich wieder einen Presserat in diesem Land; lange Zeit hat es kei­nen mehr gegeben. Dieser hat einen Ehrenkodex verabschiedet. Das Wesentlichste darin ist die Trennung der kommerziellen Tätigkeit der Medien von der redaktionel­len. Wer sich diesem Ehrenkodex nicht unterwirft, hat keine Inserate zu bekommen von der öffentlichen Hand, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Hübner.)

Ich glaube, für die Beurteilung, für die freie Beurteilung der redaktionellen journalisti­schen Arbeit von Medien ist es notwendig, auch zu wissen, in wessen Eigentum diese Medien stehen, und zwar sehr detailliert bis hinunter, hinter Treuhandlösungen und hinter Stiftungslösungen schauend, denn das kann nicht die Grenze sein, an der man öffentlich bewerten kann, warum sich ein Medium so oder so oder so verhält. Vielleicht sind die Eigentumsverhältnisse der Grund dafür. – Das wollen wir wissen! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten des BZÖ sowie des Abg. Dr. Hübner.)

Meine Damen und Herren, vor allem an die Kollegin und Kollegen Klubobleute gerich­tet: Wir haben vor dem Sommer ein Gespräch über dieses ganze Antikorruptions-/Trans­parenz-Paket gehabt und haben dann Arbeitsaufträge an unsere Sprecher verteilt und festgelegt, wer welche Materie wie in welcher Formation zu behandeln hat. Ich glaube, es wäre an der Zeit, dass wir fünf uns noch einmal zusammensetzen, am besten in der nächsten Woche gleich, und jetzt konkret einen zeitlichen Fahrplan festmachen, wann was fertig zu sein hat von den jetzt von mir aufgezählten Gesetzesmaterien.

Das Ziel muss sein, dass wir alle diese Dinge vor Weihnachten, in der letzten Sitzung vor Weihnachten – wenn es nicht anders geht, machen wir eine Sondersitzung ein paar Tage vorher – als Paket in diesem Hohen Haus miteinander beschließen können. Sonst kriegen wir unsere Glaubwürdigkeit nie zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Sollten wir feststellen, dass da oder dort nichts weitergeht, dann machen wir vielleicht das, was die Präsidentin Prammer kürzlich vorgeschlagen hat, auch noch – aber nicht um hier etwas aufzuhalten, sondern um es zu beschleunigen –: vielleicht doch noch ei­ne parlamentarische Enquete mit internationalen Experten irgendwann im November, um so manche Dinge zu beschleunigen, bei denen jetzt nichts weitergeht.

Meine Damen und Herren, abschließend: Unsere Demokratie, unser demokratisches System ist zu wertvoll, um es Gaunern in Politik, Wirtschaft und Medien anzuvertrauen! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Dr. Hübner.)

15.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.13.45

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte versuchen, das in al­ler Differenziertheit abzuhandeln, und möchte zunächst festhalten, dass die Beantwor­tung der Anfrage in einer Form, dass man sagt, Sie können sich das aus mehreren Anfragen zusammensuchen, wo die Textbausteine schon drinnen stehen, auf jeden Fall nicht entsprechend den Usancen des Hauses ist. Wir haben das schon öfters kriti­siert. Wenn wir eine vernünftige, seriöse Debatte führen wollen, dann sollen solche An­fragen auch so beantwortet werden, dass die Fakten auf den Tisch kommen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Das betrifft, um das auch klar zu sagen, nicht nur die heutige Beantwortung, das hatten wir schon des Öfteren. Da geht es einfach um einen Stil im Hohen Haus, wo die Grundlagen da sein sollten.

Zum zweiten Punkt – ebenfalls ein Versuch einer sachlichen Bewertung –: Ja, es gibt mittlerweile Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wenn man so will. Ich stelle mir nur die Frage: Was wäre denn gewesen, wenn hier gleich eingestellt worden wäre? Der Punkt muss ja wohl sein, dass, wenn eine Anzeige erfolgt, das Vertrauen in die Justiz so weit geht, dass man sagt: Wir erwarten uns von der Justiz, dass Vorwürfe überprüft werden und das nicht vorweg schon eingestellt wird, solang ein sachliches Substrat da­hinter ist.

Also dass jetzt ordentlich ermittelt wird und versucht wird zu klären, ob hier Straftatbe­stände gesetzt worden sind oder nicht, ist eigentlich ein Grundvertrauen in die Justiz. Der Punkt wird dann sein, wenn die Antwort kommt: Ist die Justiz der Meinung, dass etwas dran ist oder nicht, wird verfolgt oder nicht verfolgt? Die Ermittlung alleine ist jetzt weder ein Schuldeingeständnis noch eine Schuldzuweisung, sondern ausschließ­lich Ausdruck dessen, dass hier ernsthaft damit umgegangen wird.

Das, Herr Kollege Strache, geht mir bei manchen anderen Beurteilungen ab. Ich zitiere Sie und den Kollegen Kickl vom 2. August dieses Jahres, das ist Ihnen vielleicht noch im Gedächtnis. Es geht um das Urteil gegen Uwe Scheuch, erstinstanzlich wegen Ge­schenkannahme verurteilt zu 18 Monaten, davon 6 Monate unbedingt. Es gilt noch die Unschuldsvermutung, weil es erstinstanzlich ist. Zitat Kickl: Das Scheuch-Urteil ist „ein Schandfleck für die österreichische Justiz“. – Bemerkenswert! Zitat Strache: „Skandal­urteil“ und „Politjustiz“.

Also was jetzt? Entweder gilt, was die Justiz ermittelt, gibt es ein Vertrauen darauf, dass hier nach Sachtatbeständen ermittelt wird und auch Entscheidungen getroffen werden – oder gilt das nur auf der einen Seite? (Beifall bei den Grünen sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Also ich würde einmal meinen, lassen wir die Justiz ermitteln, schauen wir, was raus­kommt, und bewerten wir es dann. Nur – und das ist schon ein wichtiger Punkt – : Das ist nicht nur eine Frage des Strafrechts. Wenn es um politische Moral geht und um po­litische Spielregeln geht, wird man sicher nicht sagen können: Wenn strafrechtlich et­was dran ist, dann war es nicht in Ordnung, und wenn strafrechtlich nichts dran ist, dann ist alles in Ordnung gewesen. Das geht bei den Inseratenvergaben und im Um­gang mit der Medienbranche mit Sicherheit nicht, denn nur deshalb, weil etwas nicht verboten und strafrechtlich nicht relevant ist, ist es noch lange nicht in Ordnung. Des­halb ist es in der Situation jetzt wichtig zu klären, welche Veränderungen es hier braucht.

Ich habe heute noch einmal – auch hier der Versuch einer sachlichen Beurteilung – das Transkript dieses „ZiB 2“-Interviews des Herrn Staatssekretärs Ostermayer nach­gelesen, und ich muss schon sagen, da hätte mir manchmal ein klares Ja oder Nein schon etwas Beruhigung verschafft, denn die Fragen waren berechtigt. Es ist genau die Frage nach der Einflussnahme gestellt worden, und es kam hier eben kein klares Ja und kein klares Nein, sondern der Versuch einer Erklärung. Insofern halte ich es auch für relevant, diese Dinge in einem Untersuchungsausschuss auf politischer Ebe­ne zu klären, weil diese Form von Einflussnahme – wenn sie so war –, dass de facto über politischen Druck Inserate erzwungen, erbeten, jedenfalls geschalten worden sind, etwas ist, was wir in Österreich abstellen sollten.

Aber zu glauben – um das auch klar zu sagen –, dass das nur beim Herrn Bundes­kanzler der Fall wäre, ist ziemlich blauäugig. Man muss, glaube ich, differenzieren zwi­schen den Fällen, wo Medienpolitik über Inserate gemacht wird, und anderen Dingen.


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Leider ist der Herr Kollege Berlakovich entschwunden. Ich habe mir vorhin gedacht, das ist ein Wink des Schicksals, dass er auf der Regierungsbank sitzt – jetzt sitzt er nicht mehr oben. Ich habe da die gesammelten Werke des Kollegen Berlakovich mit, und da finden sich diverseste Dinge, die, abgesehen von der Größe der Inserierung, anzuschauen sind. In diesem Bereich hat sogar der Rechnungshof kontrolliert und die Inserate im Bereich des Klima- und Energiefonds bewertet. Da findet man bemerkenswerte Dinge drinnen, beispielsweise die Kritik, dass im Text mit Foto des Bundesministers und Logo des Ministeriums gearbeitet worden ist, dass es nicht zweckmäßig war, dass die Inserate geschaltet worden sind, weil damals schon die För­derungen vorbei waren. Der Rechnungshof stellte also fest, es war nicht zweckmäßig.

Ich finde darin einen bemerkenswerten Satz, der der Aufklärung harren wird – deswe­gen bin ich auch froh darüber, dass im Untersuchungsausschussantrag steht: „ähnliche Fälle“. Da steht doch glatt drinnen im Bericht des Rechnungshofs: Der Rechnungshof wies darauf hin, dass die Rolle des Fonds, insbesondere hinsichtlich der Inseraten­kampagne des Bundesministeriums Berlakovich, sich auf die nachträgliche Übernah-
me der Kosten beschränkt hatte. – Auf die nachträgliche Übernahme der Kosten be­schränkt hatte!

Jetzt stelle ich mir die Frage, wenn der Rechnungshof das feststellt: Wer hat denn das Inserat in Auftrag gegeben, wenn im Nachhinein der Fonds quasi die Zahlungen be­schlossen hat? Wer hat denn – jetzt ist die ÖVP in heftigen Gesprächen – die Inserate in Auftrag gegeben?

Ein bisschen wundersam ist auch, dass man von der FPÖ in diesem Zusammenhang wenig oder gar nichts hört. Da gibt es auf der Regierungsebene nicht nur aufseiten der SPÖ etliches aufzuklären, sondern mit Sicherheit bei der gesamten Regierungs­werbung. Es wundert mich deshalb nicht, dass Sie von der FPÖ da relativ schweigsam sind, aber – und da hat der Kollege Cap völlig recht – jetzt zu glauben, wir schauen uns die Jahre 2006 und folgende an und die Jahre davor nicht, wäre ein bisschen skurril.

Ich erinnere: Strasser – Kollege Kräuter hat es das letzte Mal gezeigt –: de facto identi­sche Aufmachung von Regierungswerbung und Parteiwerbung. Bei Kollegin Haubner, jetzt auch draußen, die idente Geschichte: die orangen Werbekampagnen de facto ver­wechselbar, nicht unterscheidbar zwischen Regierungswerbung und Parteiwerbung.

Also wenn wir uns diese Dinge anschauen, dann sollte jetzt alles auf den Tisch kom­men, alles debattiert werden, und es sollten vor allem die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden, und das kann mit Sicherheit nicht nur eine unverbindliche Beiratstä­tigkeit sein. Ich bin froh, dass auch darüber nachgedacht wird, diesen Beirat so zu kon­struieren, dass er möglicherweise auch im Vorhinein etwas bewerten kann.

Wir haben jetzt nämlich die Schwierigkeit, dass der Nationalrat – wir haben nicht mitge­stimmt – am 10. Dezember 2009 im Rahmen eines Entschließungsantrages die Punkte beschlossen hat, die der Rechnungshof eingefordert hat. So wurde zum Beispiel der klare Punkt beschlossen, dass der Sachinhalt im Mittelpunkt stehen sollte; das wurde im Nationalrat beschlossen. Aber was passiert jetzt? – Jetzt sagt jedes Ministerium: Wir halten das eh ein, was wollt ihr eigentlich?, und es gibt keine Instanz, die das über­prüfen kann.

Wenn wir ehrlich damit umgehen, braucht es – da hat wieder Kollege Kopf recht – ers­tens Richtlinien, die wir vorher definieren. Ich meine, dass diese strenger sein sollten als das, was im Rechnungshofbericht steht. Darüber sollten wir uns ernsthaft unterhal­ten.

Die Frage Fotoschaltungen ist im Rechnungshofbericht nicht enthalten, das ist bislang kein Kriterium. Darf das sein, darf das nicht sein? Reine Imagewerbungen von Bundes­


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ministern sind aus unserer Sicht einfach nicht tragbar. Das gehört verboten, und es ge­hören Richtlinien her, nach denen das nicht möglich ist.

Weiters muss es – auch ein wichtiger Punkt – eine klare Trennung zwischen redaktio­neller Berichterstattung und Werbung geben. Vergangene Woche hieß es – das finde ich ja besonders bemerkenswert; es geht wieder einmal um den Herrn Bundeskanzler; wie hat es geheißen?, Kurt Grünewald könnte mir wahrscheinlich assistieren –: Regie­rung Faymann schafft Zwei-Klassen-Medizin ab. – Das war in Form eines redaktio­nellen Beitrags, wo man mit der Lupe unten suchen muss, ob das ein redaktioneller Beitrag oder eine Werbung ist.

Aber ich habe auch etwas vom Kollegen Berlakovich mitgebracht (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) – diese Fälle gibt es auf beiden Seiten. Herrn Berlakovich sollte man sagen, dass es verboten ist, mehrere Fotos auf einer Seite zu platzieren, denn wenn drinsteht, ein Foto möglicherweise, dann kann das nicht umfasst sein. Es gibt also schon wunderbare Beispiele dessen, wie inseriert wird.

Wenn man das ernst nimmt, dann ist auch das ein ganz wichtiger Punkt, dass klar ist, dass das eine Inseratenschaltung ist. Und dann kann man schon darüber diskutieren, was hier geschalten werden darf. Ich habe das auch in meiner Öffentlichkeitsarbeit ge­sagt: Es macht einen Unterschied, ob die Finanzministerin beispielsweise über die Möglichkeiten eines Steuerausgleiches informiert – da finde ich nicht wirklich etwas Verwerfliches dran – oder ob das Finanzministerium die größte Steuerreform der letz­ten 200 Jahre alle zwei Jahre propagiert – das bringt überhaupt nichts – und sich selbst für die Leistungen lobt. Warum dafür zusätzlich Steuergeld ausgegeben werden soll, weiß ich nicht. Da würde ich eine klare Trennlinie einziehen und versuchen, das hinzubekommen. (Abg. Schönpass: ... Anschober Werbung macht!)

Das können wir uns alles anschauen, keine Frage. Vor allem sollten wir dann auch alle bereit sein, einen Beirat oder ein Gremium einzusetzen, welches Sanktionen setzen kann – seid ihr bei Sanktionen dabei? Haben wir eine Garantie darauf? – Also: Sank­tionen sind drinnen, die SPÖ sagt das zu. Bemerkenswert. Ich freue mich darüber, dass Sanktionen drinnen sein können.

Bei den Verhandlungen diese Woche über das Medientransparenzgesetz haben wir gefordert, dass ein Bereich, der bislang vom Medientransparenzgesetz nicht erfasst ist, erfasst werden sollte, nämlich die politischen Parteien. Wir haben jetzt alle drinnen, die Regierungswerbung haben im staatsnahen Bereich, aber wir haben die politischen Parteien mit den Werbungen nicht drinnen. Kollege Kopf hat gefragt: Warum sollen die Parteien, die das Geld ja quasi rechtmäßig bekommen, die Inserate veröffentlichen müssen? – Ich finde, ja, sie sollen sie veröffentlichen müssen. Die Parteien haben ein absolutes Transparenzkriterium, das gehört hinein. Und ich möchte auch wissen, wo in Parteizeitungen Inserate geschalten werden, also nicht nur, wo die Parteien veröffentli­chen, sondern auch, welche Einnahmen lukriert werden.

Ich habe es Ihnen das letzte Mal mitgebracht: Bundeskanzler Schüssel hatte in seiner wundersamen damaligen Kanzlerschaft in seiner Broschüre, in der im Übrigen auch das „Negative Campaigning“ gegenüber Rot-Grün enthalten war, sechs Seiten ganz­seitige Inserate von staatsnahen Unternehmen. Damit hat er seinen Wahlkampf finan­ziert. Und die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu wissen, wer da zahlt und was be­zahlt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Satz: Wir werden dem Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Faymann heu­te nicht zustimmen, aus einem ganz einfachen Grund: weil gestern Kollege Cap auch klargemacht hat, dass es den Untersuchungsausschuss geben wird, dass die Vorwür­fe, die da sind, untersucht werden können. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzei­chen.) Und ich würde es für sinnvoll erachten, jetzt die Untersuchungen zu machen,


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festzustellen, ob die politische Verantwortung gegeben ist, und danach ein Urteil zu fäl­len. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Petzner zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.24.17

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Da­men und Herren! Ich schicke eingangs, bevor ich ein paar Beispiele aus der Praxis bringe, zwei Dinge voraus: Uns geht es nicht darum, irgendwelche Medien zu kriminali­sieren, seien es „ÖSTERREICH“, „Heute“ oder die „Kronen Zeitung“, wie das vonseiten der ÖVP versucht wurde, uns geht es auch nicht darum, irgendwie mitzutun, wenn die SPÖ den Telekom-Skandal gegen die ÖVP auspackt und diese in der Form antwortet, dass sie den Inseratenskandal über den „Kurier“ – da wissen wir auch über das Nahe­verhältnis – gegen die SPÖ auspackt, sondern uns als Anwalt der Steuerzahler geht es immer darum (Abg. Brosz: Da lacht er selber!), dass die Steuergelder, die Steuermittel der Österreicherinnen und Österreicher richtig und korrekt und nach sauberen Prin­zipien eingesetzt werden. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben schon heute in der Früh diskutiert, dass es im Zusammenhang mit der Grie­chenlandhilfe nicht so sein kann (Zwischenruf des Abg. Öllinger), dass wir die Hälfte der jährlichen Steuereinnahmen nach Griechenland schicken, aber andererseits in Ös­terreich sparen – und das gilt auch für den Inseratenbereich. Wir haben nichts gegen Inserate. Wir als Opposition hätten auch sagen können, wir fordern ein komplettes In­seratenverbot der Regierung – das halte ich nicht für richtig. Inserate sind prinzipiell in Ordnung, tragen auch zur Medienvielfalt in Österreich bei, weil Inserate letztlich Me­dien und damit auch Gehälter von Journalisten finanzieren, die Frage ist aber immer, über welche Wege oder Umwege diese Inserate dann bezahlt werden. Und das ist für mich der entscheidende Punkt, und dazu darf ich die folgenden konkreten Beispiele bringen.

Im Jahr 2006 gab es ein Plakat des Alfred Gusenbauer (der Redner zeigt ein Schrift­stück) mit der Aufschrift: „Neue Fairness braucht das Land“, „2-Klassen-Medizin ab­schaffen“. Das ist ein Plakat der SPÖ, hat damals hoffentlich die SPÖ bezahlt – soll so sein, ist auch in Ordnung. Was aber nicht in Ordnung ist, ist, dass Herr Gesundheitsmi­nister Stöger und Herr Bundeskanzler Faymann auf Kosten des Steuerzahlers – nicht der SPÖ, sondern auf Kosten des Steuerzahlers – ein Inserat in einer Tageszeitung geschalten haben, wo nicht erkenntlich ist, dass das überhaupt ein Inserat ist. Die Schlagzeile lautet (der Redner zeigt das Inserat): „Regierung Faymann stoppt die Zwei-Klassen-Medizin“.

Jetzt frage ich Sie: Versteht der Leser draußen den Unterschied zwischen dem Plakat „2-Klassen-Medizin abschaffen“ und dem Regierungsinserat „Regierung Faymann stoppt die Zwei-Klassen-Medizin“? Was ist da jetzt der Unterschied? – Der Unterschied ist, dass das Plakat korrekt ist und dieses Inserat nicht korrekt ist, weil es auf Kosten der Steuerzahler gemacht wurde, mit dem einzigen Zweck, dem politischen Amtsträ­ger, in diesem Fall Herrn Minister Stöger und Herrn Bundeskanzler Faymann, einen parteipolitischen Vorteil auf Kosten des Steuerzahlers zu verschaffen. Das kann man nicht machen, das muss man unterbinden, und daher muss es auch das Medientrans­parenzgesetz geben. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn Sie Inserate zum Thema Zwei-Klassen-Medizin schalten, dann machen Sie es bitte auf eigene Kosten und nicht auf Kosten des Steuerzahlers!

Zweites Beispiel: eine Beilage, auch erst vor wenigen Tagen erschienen, am 22. Sep­tember, auch in einer großen österreichischen Tageszeitung – toller Titel: „1, 2, 3...


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wir“ –, und in dieser ist ein Inserat des Herrn Gesundheitsministers Alois Stöger, der übrigens auch im Fokus der Staatsanwaltschaft steht und gegen den Ermittlungen lau­fen, wie auch gegen vier weitere Regierungsmitglieder der SPÖ. Auch da ist nicht er­kenntlich, dass das eine Werbeeinschaltung auf Kosten des Steuerzahlers ist.

Jetzt kommen wir zum Inhalt – daher sagen wir ja auch, bei diesem Medientrans­parenzgesetz muss es ein Regelwerk für optische Darstellung und inhaltliche Darstel­lung geben. Hat der Steuerzahler einen konkreten Informationsnutzen, einen Service­nutzen aus diesen Inseraten oder nicht? Das schicke ich voraus, wenn ich jetzt vor­lese, was der Herr Minister auf Kosten der österreichischen Steuerzahler in diesem In­terview, das vom Ministerium bezahlt ist, sagt.

Titel: „Gesundes Essen auch im Herbst“. – Wunderbar, das fängt schon lustig an.

Dann wird die Frage gestellt: „Herr Minister, bei vielen Menschen kommen, wenn es kälter wird, oft deftige Speisen auf den Tisch. Wie sehen Sie das?“ – Jetzt kommen wir schon zum Essen. Mahlzeit!, sage ich da.

„Die Menschen in Österreich essen grundsätzlich gern deftig.“ Und weiter: „... die Dosis macht das Gift!“

Es geht dann so weiter, der Herr Minister sagt, was man im Herbst essen soll und was nicht, und dann kommt zum Schluss noch eine Frage – vom Steuerzahler bezahlt! Ich frage noch einmal, welchen Nutzen der Steuerzahler von der Frage, die jetzt kommt (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan), und der Antwort darauf hat. Jetzt wird es be­sonders lustig. Ich erinnere daran, dass es im ORF-Fernsehen eine Sendung gibt, die „Frisch gekocht mit Andi und Alex“ heißt. Diese Sendung sollte man aber umtaufen in „Frisch gekocht mit Alois, Andi und Alex“, denn genau das macht Herr Stöger jetzt.

Wörtliches Zitat: Frage: „Was ist ihr Ernährungstipp für den Herbst?“

Die Antwort des Bundesministers – Herr Cap, bitte zuhören, jetzt kriegen Sie ein gutes Kochrezept, eine gute Empfehlung; ich zitiere den Ernährungstipp des Ministers für den Herbst: „Ganz klar: Gerichte mit Kürbis.“ – Gerichte mit Kürbis. (Heiterkeit beim BZÖ.)

Und weiter sagt er: „Der Kürbis schmeckt gut, enthält viele Vitamine und Nährstoffe, belastet nicht und hat gerade bei uns Saison.“

Und dann: „Damit kann man die heimische Produktion stärken und belastet durch kur­ze Transportwege die Umwelt nicht. Von Suppen bis hin zu Aufläufen, alles kann man mit Kürbis machen.“ (Heiterkeit beim BZÖ.) – Auch mit dem Steuerzahler, laut Ihrer Meinung. (Beifall beim BZÖ.)

Es wird ja immer besser, jetzt berichtet Herr Stöger über seine eigenen Kürbiserfah­rungen daheim in seiner „Kuchl“. Herr Stöger sagt: „Herbstzeit ist in meiner Küche Kür­biszeit“. – (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.) Das sagt der Herr Minister auf Kosten der Steuerzahler!

Und dann kommt – das ist schon mein Schlusssatz – der Tipp des Herrn Ministers, von seiner Küche zu Hause – Kochschürze um, Kochhaube auf, die Frau steht daneben –: „..., versuchen Sie es auch, Sie werden es nicht bereuen.“ – Ende des Interviews.

Da frage ich Sie jetzt: Kürbiskochtipps, was soll das? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist das Inhaltsreichste, was wir jetzt gehört haben!) Welchen Nutzen hat irgendein Bürger davon, dass ihm Herr Gesundheitsminister Stöger Kürbiskochtipps gibt? Können Sie mir das jetzt bitte kurz erklären? (Abg. Dr. Cap: Ich habe es nicht gewusst, ...! – Weite­re Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Er hat es nicht gewusst, er wird jetzt Kürbis essen. Okay.


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Dass wir Tausende Euro Steuergeld dafür ausgeben, dass die Leute mehr Kürbis es­sen, darum geht es nicht. Wenn es eine sachliche Information ist, soll es sein, aber bit­te keine Kürbiskochtipps auf Kosten der Steuerzahler! Bringen Sie ein Kochbuch he­raus, machen Sie, was Sie wollen, aber zahlen Sie es selbst. Hören Sie auf mit diesen Aktionen!

Genau das ist für uns der entscheidende Punkt, dass wir sagen, es muss bei diesem Medientransparenzgesetz noch einmal ein Regelwerk geben, was zulässig ist und was nicht.

Ich komme zurück zum Beispiel der Österreichischen Bundesbahnen, das heute schon Thema war. Der Herr Bundeskanzler hat geantwortet, ihm als Minister sei es auch da­rum gegangen, dass er sich um das Image der Österreichischen Bundesbahnen Sor­gen gemacht hat, dass er einen Beitrag dazu leisten wollte, dass das Image der Öster­reichischen Bundesbahnen verbessert wird.

Gut, wenn er als Minister so viel Zeit hat, sich auch als Werbemann zu betätigen, sei das einmal dahingestellt, aber was hat er dann konkret gemacht? Imagewerbung für die Österreichischen Bundesbahnen, sagt er, aber was hat er gemacht? – Doppelsei­tige Einschaltungen in der „Kronen Zeitung“. Mit welchem Inhalt? – Der Minister hat die Österreicherinnen und Österreicher, die Bahnkunden aufgefordert, Missstände in den Bundesbahnen zu melden. Es ist dann doppelseitig geschrieben worden, was bei den ÖBB alles nicht passt; in welchem Zug wann welches Häusl verstopft war, wer die Raucherordnung nicht eingehalten hat, welcher Zug wann Verspätung hatte. (Zwi­schenbemerkung von Bundeskanzler Faymann.) Und der Minister hat dann gesagt: Die schlechte ÖBB, ich schaue mir das an, ich werde es verbessern! (Bundeskanzler Faymann: Das waren nur Anfragen!)

Und jetzt frage ich Sie: Wo ist da die Imagewerbung für die Bundesbahnen (Bundes­kanzler Faymann: Das waren nur Anfragen!), wenn die Missstände auf Kosten der Bundesbahnen selbst inseriert werden? – Das können Sie doch niemandem erklären! (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Der einzige Vorteil dieser Inserate liegt beim Minister, damals Faymann, dass er als der große Zampano dasteht, und die ÖBB haben Negativ-Werbung gegen ihr eigenes Unternehmen bezahlen müssen. Das ist der Punkt!

Und allein wenn ich das logisch durchdenke – da muss ich kein Werbefachmann sein –, wird mir sofort klar: So deppert kann die ÖBB-Führung gar nicht sein, dass sie Wer­bung für Hunderttausende Euro gegen sich selbst schaltet.

Da kommen wir dann zum Vorwurf, dazu, dass man zu Recht die Frage stellen muss – und diese Aussagen gibt es ja –: Sind die genötigt worden oder nicht? – Ich sage ganz klar: Ja. Denn wenn ein Büroleiter zu einem ÖBB-Manager sagt: Du musst das ma­chen, und wenn du es nicht machst, dann denk an deinen Job, dann wird es schwierig, dass er verlängert wird!, dann ist die Sachlage klar: Das ist Nötigung. Punkt. Aus. En­de. Tut mir leid für Sie, aber es ist so.

Und wenn sich das verfestigt und auch bewiesen wird, dann müssen Sie auch ganz klar die Konsequenzen ziehen, Herr Ostermayer, und zurücktreten. Dann wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben. Ein Staatssekretär, der Nötigung betrieben hat, ist nicht haltbar.

Das gilt auch für alle anderen. Die ÖVP soll auch schön leise sein, denn da erinnere ich auch daran, dass man im Jahr 2009 im EU-Wahlkampf eine Werbebroschüre des Innenministeriums herausgegeben hat, die optisch eins zu eins, völlig gleich ausge­schaut hat wie die EU-Wahlwerbung des Herrn Strasser. Ist auch nicht in Ordnung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 108

Auch Sie haben auf des Steuerzahlers Kosten über das Innenministerium Wahlkampf für die ÖVP gemacht. Auch das wird sich die Staatsanwaltschaft noch anschauen müs­sen.

Daher sagen wir, das alles gehört auf den Tisch, auch in einem Untersuchungsaus­schuss geklärt und geprüft. Und dann muss es dieses Medientransparenzgesetz (Prä­sident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen) – Schlusssatz – vor allem mit den Kriterien, mit einem Kriterienkatalog, was für Regierungsinserate zulässig ist und was nicht, ge­ben. (Beifall beim BZÖ.)

15.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.34.42

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Das, was Herr Klubobmann Cap versucht hat uns vorzumachen seit der letzten Sitzung, ist wirklich einzigartig. Bis vorgestern hat es noch geheißen, es gibt nur den Mini-Telekomausschuss, denn alles andere könnte zu peinlich werden. Aber nein, innerhalb von 24 Stunden ist dann die Kehrtwendung gekommen, und jetzt muss natürlich auch die Causa Faymann aufgedeckt werden plus alle Regierungs­inserate seit dem Jahr 2000.

Klubobmann Cap hat dabei nur eines übersehen: „Regierungsinserate“. Seit wann sind Inserate der ÖBB oder der ASFINAG Regierungsinserate? Sind Sie in Ihrem Besitz­standsdenken, das Sie in der SPÖ Wien geprägt haben, schon so weit, dass diese staatsnahen Betriebe alle im Eigentum der SPÖ stehen? – Da muss die klare Tren­nung gemacht werden. Und das Verwerfliche daran ist auch, dass es hier den Macht­einfluss in den staatsnahen Betrieben gibt, wo man es sich wünschen kann, es sich richten kann, Stichwort: 7 Millionen für den Werner. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher muss man das auch in der Aufklärung fein säuberlich trennen. Es war zwar so­eben spaßig, was Kollege Petzner hier über die großen Plutzer, die es da offensichtlich gibt, erzählt hat, aber eines: Das ist ein Regierungsinserat, man kann darüber streiten, ob das Informationsgehalt hat oder nicht, aber es ist unter Umständen als Regierungs­inserat klar erkennbar. Das andere aber spielt sich ab (Abg. Mag. Stadler: Aber das kostet auch Geld! Ist auch Steuergeld!), wo die Regierung, wo die Macht in den – wie Sie sagen – aktienrechtlich über allem erhabenen, unabhängigen Bereich hineinspielt. Und da haben wir bis jetzt eigentlich nur diesen einen Fall hier. Da hätten wir auch ger­ne für die anderen Sachen ein paar Verdachtsmomente.

Insbesondere bei der Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss muss klar getrennt werden: Das eine ist der Bereich der Regierungsinserate im eigentlichen Sinn, und das andere muss der Bereich sein, wo es um die unzulässige Einflussnahme von Regie­rungsmitgliedern in staatsnahe oder sonstige private Unternehmen geht. Und da brau­chen wir auch die entsprechenden Verdachtsmomente. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Verdachtsmoment ist vom Kollegen Brosz aufgezeigt worden, wo es wirklich darum geht, dass ein Fonds, also nicht die Regierung selbst, etwas zu zahlen gehabt hätte. Diese Sachen müssen auch vor den Vorhang und in den Untersuchungsausschuss.

Aber es war eben so, dass Kollege Cap jetzt versucht hat, diese Nebelgranate zu zün­den, dass man sagt, wir schauen uns alle Regierungsinserate an, und dann wird es halt immer weniger werden. Kollege Cap, das, was hier Minister Faymann – jetzt Bun­deskanzler – vorgeworfen wird, sind nicht Regierungsinserate, sondern das ist etwas ganz anderes, nämlich etwas, was in aktienrechtlichen Konstruktionen an sich nicht sein dürfte – das wird die Staatsanwaltschaft klären. Und die Frage des moralischen, des politischen Anstands wird im Untersuchungsausschuss geklärt werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 109

Wenn Sie sagen, man möchte da irgendwie ablenken oder sonst etwas: Nein, wir wol­len alles aufgeklärt haben. Wir wollen sogar die Vergaben der Staatsbürgerschaften aufgeklärt haben – damit Sie Ihre Zwischenrufe da gleich wieder losbringen. Wir wollen das haben, damit man endlich sieht, dass man für ein Telefonat – über das man nach­denken muss, ob es wirklich so gescheit ist – ins Gefängnis muss, dass das aber dann, wenn es eine rote Landeshauptfrau gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler beim Kaffee macht, in Ordnung ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das werden wir auch im Untersuchungsausschuss anschauen, die Vergaben der Staatsbürgerschaften. Da können wir auch einen langen Zeitraum zurückgehen. Das ist überhaupt kein Problem. Das werden wir sehr wohl auch aufzeigen.

Zur Frage, warum das so gemacht wird: H.-C. Strache hat es ja bereits angeschnitten, dass es das Biotop SPÖ Wien ist, das hier anfällig macht, dass man sieht, welcher Be­reich das ist.

Auch eine kleine Aufforderung an die Grünen – Sie sind jetzt in der Regierung in Wien –: Ich würde Ihnen raten, diese SPÖ jetzt, wo Sie in der Regierung mit dabei sind, auch einmal entsprechend zu durchleuchten und zu kontrollieren. Und das Ganze mit höherem Tempo. Ich glaube, dass Ihre unseligen 30-km/h-Zonen momentan ein Formel-1-Eldorado sind im Vergleich zu dem Tempo, das Sie bei einer Aufklärung der SPÖ in Wien zu Wege bringen möchten. Da sind Sie nämlich nicht besonders stark. (Beifall bei der FPÖ.)

Letztlich bleibt eines: Das Thema, das uns jetzt Herr Klubobmann Cap mit den Regie­rungsinseraten aufgebürdet hat und das wir auch gerne abarbeiten werden, wird si­cherlich nicht dazu dienen, dass Sie sagen können: Wir machen jetzt den ganzen Komplex Regierungsinserate als Letzten, und dann warten wir, bis die Neuwahlen sind und der Ausschuss sowieso wieder abgedreht ist. Nein, die Causa Faymann ist die, wo am zeitnahesten ermittelt werden muss, denn es handelt sich dabei nicht nur um einen aktiven Politiker, sondern um den Bundeskanzler dieser Republik, und da möchten die Bürger, aber auch die Medien und alle anderen politisch Interessierten wissen: Ist die­se Person moralisch tragbar oder nicht? (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wo ist denn Ihr Klubobmann?)

15.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Rudas. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.39.35

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie ernst sich die FPÖ selbst nimmt, sieht man ja an der Anwesenheit des Klubobmanns: In der Früh zuerst ein Theater machen, die ganze Regierung soll anwesend sein, damit sie Herrn Strache lauscht, dann eine Dringliche Anfrage stellen und dann selbst nicht hier sein. Wo ist er denn? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich finde, er kriegt genug Ge­halt, dass er zumindest bei seiner eigenen Dringlichen Anfrage anwesend sein kann. Aber das ist das Pharisäertum der FPÖ, das kennen wir ohnehin schon.

Wenigstens werden bei dieser Diskussion – ich finde sie interessant und auch wichtig – endlich einmal die Motive klar, wer was warum in den Medien bringt und an die Öffent­lichkeit bringt. Die FPÖ scheint sichtlich „angefressen“ zu sein, weil nach Schwarz-Blau die ÖBB nicht mehr in ihrer Zeitung inseriert. Aber das werden wir im Untersuchungs­ausschuss auch untersuchen, wie viele Hunderttausend Euro in der Zeit von Schwarz-Blau von staatsnahen Betrieben an Ihre Parteizeitung gegangen sind, um Ihre Partei zu finanzieren. Auf diese Untersuchung freue ich mich auch schon sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Überhaupt kein Problem! Jederzeit!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 110

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr dafür, dass wir das Medientransparenz­gesetz erweitern mit dem Beirat (Abg. Vilimsky: Sitzen Sie in dem Beirat drinnen?) und auch über die Richtlinien, wie man Inserate vergibt, diskutieren. Das, was wir aber nicht machen dürfen – und darum bitte ich auch Herrn Klubobmann Kopf –, ist, Medien in gut und böse zu unterteilen. Weder dürfen wir in der Früh anfangen zu lesen und sa­gen: gut – böse!, noch dürfen wir diesen elitären Ansatz haben, dass ein Medium, das von vielen Menschen gelesen wird, nicht nur von einem kleinen Zirkel, gleich ein böses Medium ist. Es gibt weltweit keinen Kommunikationswissenschaftler, der Ihnen nicht sagen würde, dass in einer Demokratie Boulevardmedien ein wichtiges Instrument sind. Daher bitte ich Sie, mit diesem Einteilen von Medien in gute und böse aufzuhö­ren, weil das den Medien und damit auch der Demokratie schadet.

Herr Rosenkranz war der Einzige von Ihnen, der ehrlich war. (Abg. Dr. Rosenkranz: Immer!) Er hat sich hier herausgestellt, hat ganz zerknirscht gewirkt und gemeint: Sie bürden uns die Inserate auf. – Das verstehe ich. Sie haben gedacht, dass das eine clevere Strategie ist: Sie gehen einmal auf „Alles oder nichts“ und hoffen, dass Sie sich wieder einmal einfach davonschleichen können. – Ganz sicher nicht! Wir untersuchen. Wir untersuchen die Inserate unter Ihrer Regierungsbeteiligung, wir untersuchen die In­serate der orangen Sozialministerin, wo dann plötzlich alle orange waren. Als ob das Sozialministerium plötzlich orange gewesen wäre, die Farbe des Sozialen! All diese In­serate untersuchen wir, vom Jahr 2000 bis heute. Gerne. (Abg. Kickl: Sind Sie im Aus­schuss? Das könnte lustig werden!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie werden sich auch vor ande­ren Themen nicht drücken können. Und wenn Kollege Kopf sagt, dass das Politiker­image am Sand ist, so hat er recht. Das Politikerimage ist am Sand, und ich glaube, wir alle spüren das. Aber seit wann ist das Wort „Unschuldsvermutung“ sogar schon Teil von politischen Kabaretts? – Seit Sie, die FPÖ, in die Regierung gekommen sind!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Sie haben das Image der Politik nachhaltig ramponiert und der Demokratie großen Schaden zugefügt. Damit werden Sie leben müssen. Aber – Kollege Strache ist nicht hier, aber Sie schreiben hoffentlich mit, Kollege Kickl – wenn Strache wenigstens Manns genug wäre, sich hier herzustel­len, wenn er genug Anstand hätte, die Fehler, die er unter Schwarz-Blau mitgetragen hat, wenigstens irgendwie zu bereuen! Aber nein, er lenkt ab mit irgendwelchen absur­den Diskussionen über Inserate.

Wir haben jetzt 14 Tage darüber diskutiert, wo die ÖBB inserieren, ob die ÖBB inse­rieren sollen, über Inserate. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Es ist ein absurdes, billiges Ablenkungsmanöver. Sie versu­chen, den Kanzler mit Absurditäten anzuschütten (Abg. Kickl: Nein, das hat er schon selber zu verantworten!), und das ist billig und durchschaubar.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aber Sie können sich da nicht verstecken. Wir werden Sie schon vor den Vorhang holen und Ihnen dann auch ein paar Fragen stel­len, zum Beispiel, wo die Steuergelder von der BUWOG-Privatisierung sind. 9,6 Mil­lionen € Provision an FPÖ-Politiker Meischberger am 15. Juni 2004 – Kollege Kickl weiß es –, und am selben Tag war Parteivorstand. Wer war Mitglied im Parteivorstand und dort anwesend? – FPÖ-Vorsitzender H.-C. Strache. Einen Monat später wurde er gleich stellvertretender Parteivorsitzender, er ist dann also die Karriereleiter hochge­klettert. Wo sind die 2,1 Millionen €, die Ihr Kollege Meischberger 2005 kassiert hat bei der Immobilienvermittlung für die PORR? Wer war denn damals im Parteivorstand? – H.-C. Strache! Er wird ja wissen, wo die Millionen sind.

Telekom-Affäre: mehrere Millionen Euro an Bestechung, Provision und Aktienbetrug. Welche Namen tauchen auf? – Reichhold und Grasser. Wer war damals im Partei­vorstand der FPÖ und ist die Karriereleiter immer höher gestiegen? – H.-C. Strache!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 111

Warum nimmt er denn dazu nie Stellung? Da betreibt er immer eine Art Kindeswegle­gung: Was? Die kenne ich nicht, noch nie gesehen.

Bitte, Herr Kollege Kickl, zeigen Sie auf bei den Leuten, mit denen Sie etwas zu tun ha­ben, damit ich mich auskenne. Uwe Scheuch? Gehört zu Ihnen? – (Abg. Kickl ver­neint.) Auch nicht; okay. Uwe Scheuch: Zu 18 Monaten verurteilt in erster Instanz.

Meischberger, ehemaliger FPÖ-Generalsekretär, rechtskräftig verurteilt: Gehört auch nicht zu Ihnen? Kann irgendeiner von Ihnen aufzeigen, wenn er zu Ihnen gehört? – Auch nicht.

Michael und Susanne Winter, beide rechtskräftig verurteilt. – Auch nicht? Gehören auch nicht zu Ihnen.

Martin Graf, Kurzmann, Rosenkranz, Scheuch, alle unter Schwarz-Blau hier im Haus, und Sie wollen uns erklären, sie haben mit dieser Partie nichts zu tun gehabt?! (Rufe bei der FPÖ: Karl Blecha!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr dafür, dass wir die Korruptionsstaats­anwaltschaft aufstocken, dass es ein Provisionsverbot, Medientransparenz und einen Beirat geben soll, da bin ich für alles zu haben. Ich sage Ihnen aber eines: Gegen eine Politik, die systematisch in die eigene Tasche arbeitet, wie es die FPÖ jahrelang in der Regierung vorgezeigt hat, helfen, glaube ich, Gesetze wenig. Gegen Parteikassenfül­lungen, gegen Betrügereien und Lügen von Politikern hilft nur eines, und das ist, ein­fach nicht die FPÖ wählen bei der nächsten Wahl. Sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen von der FPÖ! Und das wird die Mehrheit der Menschen auch durch den Unter­suchungsausschuss sehen und nach dem Untersuchungsausschuss auch wissen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.45.52

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zurück zum Kern: Es geht um Inserate. Das Problemfeld Regierungsinserate ist ein breites. Ich persönlich bin so­fort dafür, dass wir die Presseförderung aufstocken und Schluss machen mit Regie­rungsinseraten. Das ist dann sozusagen Gleichbehandlung aller und auch Waffen­gleichheit unter den Wettbewerbern im politischen Feld. Da brauchen wir keinen Beirat, da brauchen wir keine Sonderinstitution, da brauchen wir keine Kommissionen – und da ersparen wir uns auch solche Debatten wie die jetzige.

Punkt zwei: Die Inserate ÖBB, ASFINAG, die jetzt der Kern der Dringlichen Anfrage sind, sind sehr wohl, wie der Herr Bundeskanzler richtigerweise festgestellt hat, auch 2007/2008 Thema gewesen. Interessant ist nur: Damals ist dieses Themenfeld nicht so emotional diskutiert worden, obwohl es genauso von demokratiepolitischer Problematik war wie heute. Daran hat sich überhaupt nichts geändert. Und ich stehe dazu und sa­ge, Bewirken von Inseratenschaltungen, Einflussnahme auf Inseratenschaltungen von Institutionen, von Unternehmen, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik sind, ist demokratiepolitisch höchst problematisch. Das ist Machtausübung!

Und die Formulierung ist ja interessant. Herr Bundeskanzler, ich gebe Ihnen durchaus recht: Sie haben keine Weisung gegeben. Herr Staatssekretär Ostermayer, Sie haben recht: Sie haben keine Weisung gegeben. Das ist ja Ihr Eiertanz! Rein sophistisch, in der Formulierung: keine Weisung, aber Einfluss. Sie bestreiten ja nicht, dass Sie Ein­fluss genommen haben. Sie bestreiten die Gespräche nicht. Sie bestätigen ja gera­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 112

dezu, dass Gespräche geführt wurden. Nur: Sie weisen zurück, dass das direkt auf Ih­re Weisung erfolgt ist.

Aber trotzdem: Im Raum bleibt und unbestritten ist, dass Inserate geschaltet wurden, dass ÖBB und ASFINAG bezahlt haben und dass der Nutzen für diese Betriebe, für diese Unternehmungen ein äußerst zweifelhafter war, noch dazu angesichts dessen, dass gerade diese Unternehmungen Schulden in Milliardenhöhe haben. Und trotzdem wurden diese Inseratenschaltungen ermöglicht, erzwungen, herbeigeführt, bewirkt – wie immer man das umschreiben möchte. Jedenfalls: Sie haben stattgefunden und sind auch durch Dokumente belegt.

Das ist jetzt Arbeit der Staatsanwaltschaft und das wird auch Arbeit des Untersu­chungsausschusses sein. Und darum hätte ich jetzt gerne zum Beispiel vom Herrn Kol­legen Kopf oder vom Herrn Kollegen Cap eine konkrete Information, wann wir be­schließen, dass dieser Untersuchungsausschuss – bezüglich dessen wir nun glückli­cherweise einer Meinung sind, dass er viele Punkte umfassen wird, dass er ausge­dehnt wird auch in der Untersuchungsdimension, was den Zeitraum angeht – einge­setzt wird, damit wir an die Arbeit gehen können. (Abg. Dr. Cap: Im Oktober!) Ich fürch­te nämlich, dass, wenn da jetzt wieder Wochen ins Land ziehen, ein neuer Kuhhandel beginnt, denn während dieser Wochen, während dieser Frist gibt es ja sicherlich wie­der neue Informationen, neue, zusätzliche Spannungen, neue Konstellationen, neue Taktiken. Daher wäre es mir lieber, dass heute sofort der Sack zugemacht wird und wir heute die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen.

Und da gebe ich gerne zu, die Aufklärung ist die eine Seite und ist dringend notwendig im Sinne der viel zitierten und von mir auch immer wieder eingeforderten politischen Moral.

Das andere ist ein Antikorruptionspaket. Es ist angedeutet worden, dass es möglichst bis Weihnachten im Parlament beschlussfertig vorliegt, damit hier Verhandlungen ge­führt werden können, um der Bevölkerung zu zeigen, dass wir endlich etwas tun, um unseren politischen Ruf wieder einigermaßen herzustellen, dass wir nicht verzögern und nicht weiter taktisch irgendetwas verhindern und für uns sozusagen irgendwelche kleinkarierten Vorteile herausschinden.

Und drittens, und das ist für mich schon auch sehr wichtig: dass wir in der politischen Auseinandersetzung mit der Herumeierei, mit Wortklaubereien, mit sophistischen For­mulierungen Schluss machen und ehrlich bekennen, das ist gewesen, das ist soundso zu interpretieren, mit der und der Absicht, und Faktum ist, dass wir es jetzt aufarbeiten werden.

Das ist für mich die richtige Herangehensweise, und so möchte ich auch die Sache in Zukunft behandelt wissen, die da heißt Inseratengeschichte des ehemaligen Verkehrs­ministers und jetzigen Bundeskanzlers, weil – und damit möchte ich eigentlich schlie­ßen – wir es uns gerade aus internationaler Sicht nicht leisten können, dass wir eine Regierungsspitze haben, die hier involviert ist und wo nicht Klarheit geschaffen und Aufklärung betrieben wird.

Das können wir uns nicht leisten, und deshalb, bitte, ist es für mich mehr als eine „pot­scherte G’schicht“. Ein SP-Mandatar hat laut „profil“ gemeint, die Inserate seien eine „potscherte G’schicht“, aber sicher nicht auf einer Ebene mit den Korruptionsskandalen wie Eurofighter und Telekom. – Er hat recht: nicht auf derselben Ebene – das ist für mich eine andere Kategorie –, aber sie sind mehr als eine „potscherte G’schicht“. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Grosz. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 113

15.51.48

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich bin froh, dass es sich bei den Regierungs­inseraten anders verhält als bei Inseraten für die Geisterbahn. Bei der Geisterbahn ist es nämlich so: Je „schiacher“ die Perchten, desto höher ist die Besucherzahl. Bei der Bundesregierung sieht es so aus: Je mehr man die Köpfe der einzelnen Regierungs­mitglieder inseriert, desto mehr sinken die Betreffenden in den Umfragen und bei den Wahlen.

Darüber bin ich parteipolitisch gesehen recht glücklich, aber in staatspolitischer Hin­sicht bin ich in großer Sorge darüber, dass eine Bundesregierung 36 Millionen € an Steuergeld Jahr für Jahr durch den Kamin schießt und sich selbst bewirbt nach dem Motto: Was war eigentlich unsere Leistung?

Parteipolitisch gesehen sage ich: Machen Sie noch mehr! Inserieren Sie pro Zeitung fünfzehnmal pro Regierungsmitglied, machen Sie weiter! Die Leute können Sie oh­nehin schon nicht mehr sehen. Sie schlagen in der Früh die Zeitung auf, sehen Ihre In­serate, legen die Zeitung weg und sagen: Die kommen für mich überhaupt nicht mehr infrage!

Machen Sie weiter! Inserieren Sie auf Teufel komm raus, lassen Sie sich ablichten mit den inhaltsleersten Inseraten, die Sie haben. Sie werden sehen, Sie werden weiterhin bei den Wahlen verlieren! – Und da meine ich nicht nur die Sozialdemokratie, sondern auch die ÖVP. Denn das, was sich heute abgespielt hat auch zwischen ÖVP und SPÖ, ist, volkstümlich gesagt, so, wie wenn der „Bucklerte“ den Hatscherten schimpft.

Soll ich Ihnen erklären, wie das mit dem „Bucklerten“ und dem Hatscherten ist? – Sie sind beide zumindest nicht mehr fortbewegungstüchtig, politisch am wenigsten, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Die ÖVP verfasst geistreich im Rahmen einer großartigen Intrige Anzeigen in ihrem Klub, im Übrigen Anzeigen gegen den eigenen Koalitionspartner Faymann, schickt sie per E-Mail an den FPÖ-Klub und bietet das dort an: Kommt, macht doch etwas gegen den Faymann, wir liefern mit unseren Vorständen bei der ÖVP und mit unseren Mitar­beitern im Mittelbau noch das nötige Pulver! – Das haben Sie ja bei mir auch schon öfter gemacht, sehr geehrte Damen und Herren! Wie oft hat mich schon ein ÖVP-Ab­geordneter angerufen: Du, ich habe da etwas über den Faymann, über die Bures, ich kann dir das mailen!, und dann bekommt man drei Tage später über irgendeine gefakte Mailadresse gleich auch die Anzeige, man braucht sie nur noch auszudrucken und zu unterschreiben. – Das ist für die „Unterbelichteten“. Ich schreibe meine Anzeigen selbst – das an die Adresse der ÖVP gerichtet.

Der Nationalrat und auch die leidige Diskussion um die Inserate sind nicht dazu da, dass die ÖVP meint, in ihrer alten Tradition der Giftmischerei auch weiterhin mit ihren Giftküchen, die allen bekannt sind, ihrem eigenen Koalitionspartner am Zeug flicken zu können. Das haben Sie zwischen 2000 und 2005 schon bei den Freiheitlichen und beim BZÖ gemacht. Da haben Sie uns nicht leben lassen, haben Sie die Vorgänger­partei nicht leben lassen, sondern haben Skandale konstruiert, haben die hohe Kunst der Intrige gespielt und haben über die Bande SPÖ damals Ihre Schmutzwäsche ge­waschen.

Heute bieten Sie es eben uns an. Der FPÖ haben Sie die Anzeige angeboten, die hat sie ausgedruckt, unterschrieben und hat Ihren eigenen Kanzler angezeigt. Ich möchte Sie eindringlich auffordern: Unterziehen Sie sich doch einer Psychotherapie – oder er­möglichen Sie Neuwahlen! Seien wir so ehrlich und beenden wir diese Geisterbahn­fahrt, dieses tragische Schauspiel, das die Österreicherinnen und Österreicher tagtäg­lich in den Zeitungen nervt. Lassen wir es! Machen wir endlich Neuwahlen, und Sie,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 114

SPÖ und ÖVP, werden sehen, Ihre Inserate werden Ihnen nichts nützen, und Sie wer­den beide unter 20 Prozent fallen, wenn Sie so weitermachen. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Zeitung (der Redner weist ein Exemplar von „1,2,3... wir!“ vor) hat mir dankenswerterweise mein lieber Kollege Stefan Petzner ge­borgt, und ich muss sagen: Der Plutzer hier vorne ist mir fast lieber als das Foto auf der zweiten Seite. Ich sage Ihnen: Mir als Steirer ist ein Kürbisplutzer um einiges lieber als ein roter Gesundheitsminister.

Aber das geht ja weiter. Nach der Einschulung: Wie mache ich eine Kürbissuppe mit einem Tropfen Kernöl? – im Übrigen ist das im St. Martiner Kochbuch, das ist ungefähr 70 Jahre alt, leicht nachzulesen, man braucht dafür kein Inserat –, geht es auf der nächsten Seite weiter. Und das könnte Ihr (zur ÖVP gewandt) Lächeln darüber, dass das die SPÖ treffen könnte, vielleicht einfrieren lassen, denn da haben wir dann plötz­lich Herrn Mitterlehner. Herrn Mitterlehner, der halbseitig inseriert, Herrn Mitterlehner, der halbseitig sinnentleert inseriert, zufälligerweise gemeinsam mit dem Hilfswerk (Abg. Mag. Stadler: So ein Zufall!), also eine Inseratenkooperation mit dem Hilfswerk. Wer war denn Präsident des Hilfswerks? – Hat der Strasser geheißen?! – Ui je, na bumm! Ganz frisch: Mitterlehner. Im Übrigen kann ihn kein Mensch mehr sehen, die Leute schmeißen das weg. Ich bin ja froh, dass die Menschen dadurch etwas zum Heizen haben, jene Menschen, denen Sie das Geld aus der Tasche nehmen mit solchen Bei­lagen. Mehr ist es nicht wert.

Dann schaut man weiter, und dann ist da plötzlich Mikl-Leitner mit Spindelegger! Eine halbe Seite! Vor 10 Minuten haben Sie gejubelt und gejault, als Stefan Petzner hier ge­redet hat: Die Roten! Das ist eine Sauerei, was die inserieren! – Und dann blättert man eine Seite weiter, und dann sind da Mikl-Leitner und Spindelegger, zwei Regierungs­mitglieder, die jeden Tag in ihrem Ministerbüro fragen: Was ist überhaupt meine Leis­tung? Die kennen ihren Auftrag nicht einmal, sehr geehrte Damen und Herren, inserie­ren aber auf Teufel komm raus. Nennen Sie mir die epochale Leistung eines Regie­rungsmitgliedes der Regierung Faymann/Spindelegger oder Faymann/Pröll, die es ge­rechtfertigt hätte, die österreichische Bevölkerung zu informieren! Nennen Sie sie mir!

Ich frage Sie: Was war denn das große Gesetzeswerk? Haben Sie die Abfertigung-neu eingeführt? – Nein, haben Sie nicht, dazu wären Sie auch nie in der Lage gewesen.

Haben Sie eine Steuerreform durchgeführt? – Nein, haben Sie nicht.

Haben Sie ein Kindergeld eingeführt? – Nein, haben Sie nicht.

Die Familienbeihilfe haben Sie abgeschafft! Die Mineralölsteuer haben Sie erhöht! – Das inserieren Sie nicht, aber Sie inserieren urlaubende Kinder, und dann wieder zwei abschreckende Beispiele, Politiker, die die Menschen von den Wahlurnen abhalten werden. Sehr geehrte Damen und Herren, das bringt Ihnen nichts.

Und dann heißt es auf der Nachbarseite noch: Sicherheit im Auto rettet Leben. – Sinni­gerweise mit zwei Hunden und Ihrem Gesundheitsminister Stöger, und daneben ist dann noch als Abwechslung, damit dieses Beauty-Magazin der österreichischen Bun­desregierung abgerundet wird mit den Supermodels, die Verkehrsministerin. (Heiterkeit beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Am Anfang des Tages haben wir über 21 Milliar­den € Steuergeld für Griechenland diskutiert. Sie erklären – ich wiederhole es noch einmal – tagein, tagaus den Menschen unseres Landes, dass Sie für wichtige Projekte kein Geld haben.

Ich habe eine Anfragenserie an Sie gemacht, um die Inseratenkosten für den Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2010 zu eruieren.


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Das Bundeskanzleramt: 4,3 Millionen €. – Ich frage mich, wofür. Es hat ja keine Leis­tung des Kanzleramtes gegeben. Es gibt nicht einmal eine Regierungsvorlage, die je­mals das Licht der Öffentlichkeit dieses Hohen Hauses erblicken würde! Was inserie­ren Sie da?

Bundesministerium für Frauen: 1,2 Millionen.

Lebensministerium, Berlakovich – der schlechteste Umweltminister; man kann ihn nicht einmal mehr auf Flughäfen schicken, ohne dass ein internationaler Skandal heraus­kommt –: 2,9 Millionen €. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

Das Bundesministerium für Inneres: 4,05 Millionen €. Steigende Kriminalitätszahlen, Einbrecherbanden in Österreich, aber es wird um 4,05 Millionen € inseriert!

Das Bundesministerium für Finanzen: 6,7 Millionen € im vorigen Jahr. Da haben Sie Steuererhöhungen ins Auge gefasst und haben zahlreiche Inserate mit Ihrem Vize­kanzler geschaltet, aber das war schon das Einzige, was Sie konnten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe einen Vorschlag für Sie: Was halten Sie da­von – und damit komme ich zum Schluss –, wenn wir in Zukunft jede Informationsakti­vität der Bundesregierung von Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates abhängig ma­chen? Wenn die Bundesregierung einen Wurf, einen großen politischen Wurf landet, über den auch informiert werden soll, wo auch die Bevölkerung darüber informiert ge­hört, dass es eine epochale Gesetzesänderung geben wird, dann bin ich dafür.

Warum beschließen wir nicht in einer Entschließung, in einem Begleitgesetz oder in Er­läuterungen, die Bundesregierung wird aufgefordert, über dieses Gesetz eine Informa­tionskampagne in Höhe von XY durchführen zu lassen?

Das haben wir 2002 beim Kinderbetreuungsgeld auch gemacht. Herbert Haupt hat nicht auf Teufel komm raus das Kinderbetreuungsgeld inseriert, sondern der National­rat hat beschlossen, der Minister wird aufgefordert, die Bevölkerung und vor allem Frauen über die Möglichkeit des Kinderbetreuungsgeldes zu informieren. Warum ma­chen wir das nicht in Zukunft: Inseratenstopp sofort, bei jedem Inserat, bei jeder Öffent­lichkeitsmaßnahme ein Auftrag an die Bundesregierung?

Ihnen persönlich und Ihren Strategen würde ich empfehlen, in Zukunft auf eigene Por­träts einfach zu verzichten. Glauben Sie mir, es ist für Sie auch politisch besser! (Beifall beim BZÖ.)

16.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dei­mek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.00.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir diskutieren heute die Inserate im persönlichen po­litischen Interesse. Diese Diskussion geht ja nicht mehr darum, ob, sondern es geht nur mehr darum, wie oft wo und wie diese Inserate geschaltet wurden und wie das ganze System funktioniert hat.

Ich sage ganz bewusst, es geht mir zumindest nicht um die strafrechtliche Variante, sondern es geht mir nach dieser Anzeige und dem Tätigwerden der Staatsanwaltschaft hauptsächlich um die politische Verantwortung.

Und, Herr Bundeskanzler, weil Sie zuerst gesagt haben, na ja, die Redaktionen werden sich schon nicht korrumpieren lassen – Sie haben es ein bisserl anders gesagt –, muss ich dem Folgendes entgegenhalten: Ich habe letztes Jahr im Herbst mit dem Chefre­dakteur einer großen oberösterreichischen Zeitung gesprochen. Es war gerade jener Zeitpunkt, als die Frau Verkehrsminister den Infrastrukturplan vorlegte und gleichzeitig


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F & E-Inserate schaltete. Da hat mir der Chefredakteur Folgendes gesagt: Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich irgendein kritisches Wort zum Infrastrukturplan rauslasse, da habe ich ärgste Probleme! – Ich glaube nicht, dass der so ein bissel unter der Hand geschummelt oder ein bissel geschwindelt hat, sondern der wird ziemlich ehrlich gewe­sen sein, denn er war mit allen anderen Aussagen rund um dieses Thema auch sehr ehrlich. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Diese eine Geschichte ist zwar nicht egal, es ist auch ein Regierungsinserat, aber es ist aus dem Budget des Ministeriums finanziert. Herr Bundeskanzler, bei Ihnen geht es um die Inserate, die andere Firmen für Sie schalten „durften“ – unter Anführungszei­chen. Es ist ein System, es ist die systemische Haberei, und diese ist ganz heftig zu kritisieren! (Beifall bei der FPÖ.)

Nehmen wir doch die ÖBB her! Sie haben einen Helfer, einen Assistenten, und diesen Assistenten – ich sage das bewusst – nutzen Sie aus! Sie trauen ihm alles zu, und er macht in seiner Loyalität alles für Sie, auch wenn es möglicherweise strafrechtlich re­levant ist. Und er organisiert Ihnen die 7 Millionen für den Werner, die heute schon so oft angesprochen wurden. Es sind Inserate mit Bild, wo ich frage, ob nicht mancher Bahnfahrer genau aufgrund dieses Inserates mit Ihrem Bild wieder zurück auf das Auto umgestiegen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Es sind etliche Sachen, die in diesem Zusammenhang diskussionswürdig sind. Warum gibt es zuerst Dokumente, in denen Ihre Beauftragung drinnen ist, und dann gibt es Dokumente, wo das herausgestrichen ist? Kollege Haberzettl weiß, warum. – Weil halt auch bei den ÖBB gemäß dem Herrn gearbeitet wird und nicht gemäß irgendwelchen anderen Richtlinien. Herr Generaldirektor Kern sagte ja: Das war vor meiner Zeit!

Sie betreiben nichts anderes als eine Schuldverschiebung und eine Schuldumkehr, Sie sagen dann, die Betriebe seien schuld, die werden schon wissen, wie sie ihr Geld ein­setzen.

Nein, Herr Bundeskanzler, das ist Ihr System, das Sie, wie schon gesagt, in Wien ge­lernt haben! Sie haben als Wohnbaustadtrat die Stadt Wien um 12 Millionen geschä­digt, mit Grundstücksverschleuderungen, in der Privatwirtschaft würde man das Un­treue nennen, und Sie würden ordentlich in den Häfen dafür gehen. Nicht so in der Stadt Wien, da wird es geduldet, weil halt einmal schwarze und rote Wohnbaugenos­senschaften den Vorteil davon hatten.

Es geht ja weiter: Sie sind ja nicht einmal Täter, Sie sind Mehrfach- und Wiederho­lungstäter. In der ASFINAG genau dasselbe wieder. In der relativ trockenen Sprache der Revisionsabteilung liest sich das so, dass der Vorstand übergangen wurde mit sei­ner Entscheidung, dass nicht nur der Vorstand übergangen wurde, sondern dass die entsprechenden Kostenrechnungsabteilungen nicht dabei waren, dass die Abteilung, die sich fachlich damit auseinanderzusetzen hat, nicht damit beschäftigt wurde, son­dern das einfach von oben herab in Auftrag gegeben wurde, und die Firma durfte zah­len.

Großer Vorteil möglicherweise bei der ASFINAG: erstens, dass wir Dokumente in Hän­den haben, wo Sie noch als Auftraggeber drauf sind, da ist noch keine Schwärzung ge­lungen. Zweiter großer Vorteil: Sie haben auf das Foto verzichtet. Möglicherweise hat Ihnen ein teuer bezahlter Konsulent gesagt, dass Sie nicht unbedingt fotogen sind.

Aber es geht um das System, es geht darum, dass Sie als Don Corleone der Medien und Inseratenwirtschaft, als Pate gleichsam auf einem System drauf sind, auf einem System aus Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern und deren Ehepartnern oder Le­bensabschnittspartnern, die für Sie die Medienarbeit erledigen. Und das ist das, was wir kritisieren! Es geht darum, dass Freiheit normalerweise das Recht auf Recht ist.


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Und da wird die ganze Geschichte gebeugt. Hier ist Österreich keine Sowjetrepublik, hier sind wir nicht bei der Sozialistischen Jugend von Liesing, hier gilt es noch, das Ganze ordentlich abzuwickeln! Dafür treten wir ein, auch wenn es zu Ihrem Nachteil ist! (Beifall bei der FPÖ.)

16.05


Präsident Fritz Neugebauer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Vilimsky zu Wort gemeldet. Sie kennen die einschlägigen Bestimmungen. – Bitte.

 


16.05.57

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Abgeordneter Grosz hat be­hauptet, die Anzeige, die als Basis für die jetzigen Ermittlungen gegen den Bundes­kanzler diene, sei aus dem ÖVP-Klub an uns ergangen. Richtig ist, diese stammt aus meiner Feder in Absprache und Kooperation mit zwei Juristen unseres Klubs. Ich muss Sie schon um eines ersuchen: Am liebsten würde ich den nicht mehr in diesem Haus befindlichen Mandatar Faul ...

16.06


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege, es ist bereits tatsächlich berichtigt. Alles andere ist eine Wortmeldung.

(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Vilimsky.)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


16.06.39

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo ist eigentlich der Ausgangspunkt für diese primitiven und impertinen­ten Angriffe gegen den Herrn Bundeskanzler? Ich werde Ihnen das sagen: Eine Umfra­ge vor zwei Wochen im „profil“ hat gezeigt: SPÖ 30 Prozent, FPÖ 24 Prozent, ÖVP 22 Prozent, Grüne 15 und BZÖ – Tendenz nach unten – 4 Prozent. Also eine klare Führungsposition für die Sozialdemokratie, Ergebnis einer konsequenten Politik für Be­schäftigung, gegen Jugendarbeitslosigkeit, für mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Und die Konkurrenz, meine Damen und Herren, hat sich dann gefragt: Was kann ich jetzt unternehmen gegen die SPÖ, gegen den Parteivorsitzenden, gegen den Bundes­kanzler? BUWOG, Eurofighter, Telekom – zu blöd, das trifft ja die Falschen, nämlich Grasser, Strasser, Gorbach. Also müssen wir etwas konstruieren! Haben wir irgendet­was im Archiv? War irgendwas einmal in Diskussion? Hat es da nicht einmal eine Image-Werbung der ÖBB gegeben? – So schaut ein Ablenkungsmanöver aus, meine Damen und Herren!

Ich habe grundsätzlich Verständnis, wenn ein großes Verkehrsunternehmen Werbung betreibt, da geht es um Kunden, und die ÖBB waren sowieso in einer ganz besonders schwierigen Situation (Abg. Dr. Lopatka: Na geh!), denn von Regierungsseite – das erspare ich Ihnen nicht, Herr Lopatka –, von einer ganz bestimmten Regierungsseite ist ein regelrechtes Bashing betrieben worden, also ein systematisches Schlechtreden. Da hat sogar der Lobbyistenmarkt reagiert, das ist ja besonders bemerkenswert. Ich will ja jetzt gar nicht über den wirtschaftspolitischen Wahnsinn reden, dass die eigenen Ei­gentümer das eigene Unternehmen schlechtmachen. Aber selbstverständlich waren das fatale Signale in Richtung Unternehmen, in Richtung der Beschäftigten und in Richtung der Kunden.

Es ist richtig, dass sich der damalige Infrastrukturminister Werner Faymann mit dem Unternehmen identifiziert und das auch dokumentiert hat. Ich stehe voll hinter diesen Inseraten, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe beim BZÖ.)


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Grundsätzlich ist die Informationspolitik auf Regierungsebene unverzichtbar. Was ist mit Sicherheit im Verkehr? Was ist mit Konsumentenschutz, mit Gesundheitspolitik? Und so manches Mal muss man auch etwas richtigstellen, wenn Herr Strache großflä­chig ganzseitig inseriert. Die Bankensteuer zahlen die Kunden? – Mitnichten, so etwas muss man richtigstellen. Mit 1. Mai überschwemmen uns zahllose Ausländer? – Natür­lich nicht richtig, muss man richtigstellen.

Übrigens, wer sind denn die Geldgeber für diese Inserate, meine Damen und Her­ren? – Das wissen wir nicht, das liegt im Dunkeln. Aber eine bestimmte Vorstellung ha­ben wir, wenn wir das anschauen, das Beispiel Scheuch: nach außen öffentlich plär­ren: Ausländer raus!, nach innen ins Telefon flüstern: Ausländer rein!, Hauptsache, die Bestechungskohle stimmt. – Das ist die Methode der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen sagen, mein Archiv ist prall gefüllt, was Inserate betrifft. Ich werde es dem Untersuchungsausschuss sukzessive zur Verfügung stellen.

Die größte Niedertracht, natürlich auch die FPÖ, Sie erinnern sich: „Unfallrenten ab 1.1.2004 steuerfrei!“ Das, was Sie eingeführt haben, haben wir über das Höchstgericht erfolgreich bekämpft, und dann hat sich die FPÖ belobigt, das abgeschafft zu haben.

Oder das BZÖ, weil es ja besonders lustig ist. Ich habe da das „Bezirksjournal“, vier Seiten, nachweislich bezahlt mit Steuergeld, lupenreine Parteiwerbung, lupenrein: BZÖ, Bündnis Zukunft Österreich, Ziele, Ideen und Visionen. (Der Redner hält eine Zeitung hoch.)

Was den Inhalt betrifft, und es ist ja schon fast zum Schmunzeln: „Immer wieder, im­mer wieder, immer wieder Österreich!“ Ganz Österreich freut sich mit unserem besten Olympiateam. Das ist der blau-orange Gorbach. Das ist der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. (Zwischenruf beim BZÖ.)

Folgendes möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten: Kooperationen hat es natürlich auch immer wieder gegeben. Ich habe da eine Initiative der Bundesregierung mit öster­reichischen Unternehmen. (Der Redner zeigt einen Zeitungsausschnitt.) Man erkennt da den seinerzeitigen Kapitän eines großen österreichischen Industrieunternehmens und den ehemaligen Bundeskanzler Schüssel. Bezahlte Anzeige. Und das Beste dran: „Kronen Zeitung“, 11. Dezember 2005.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, wenn Sie sich das gern einrahmen würden: „Kronen Zeitung“, 11. Dezember 2005. (Beifall bei der SPÖ.) Ich kann mich nicht erin­nern, dass Herr Klubobmann Kopf da die Stirn gerunzelt hätte, irgendwas von Moral und Anstand gesagt hätte. Damals war davon jedenfalls nichts zu hören.

Meine Damen und Herren, es ist ein Glaubwürdigkeitsdesaster für so manche, die sich da kritisch betätigt haben. Ich war immer davon überzeugt, dass dieser Untersu­chungsausschuss kommen wird. Wir haben im Jahr 2003 schon dubiose Praktiken bei der Vergabe festgestellt, und klar ist, die systematische Korruption in Österreich hat im Jahr 2000 Einzug gehalten mit der Regierungsbeteiligung von Ihnen, Herr Strache. Mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ hat Korruption hier System bekommen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Ein rot-schwarzes Proporz- und Privilegiennetzwerk seit den fünfziger Jahren!) Und das werden wir im Untersuchungsausschuss klarstellen, damit sich die Wählerin und der Wähler bei der Nationalratswahl optimal orientieren kön­nen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 119

16.12.15

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­kanzler – oder soll ich zu Ihnen sagen, wie Ihr Regierungspartner Sie nennt: Auge des Korruptionstaifuns. Das ist nicht von mir, das ist von Ihrem Koalitionspartner Kopf.

Also wenn jetzt Herr Kollege Vilimsky hier herausgeht und wortreich erklärt, dass er die Anzeige selber geschrieben hat, dann habe ich erstens meine Zweifel daran. Und zweitens, glauben Sie mir, Herr Bundeskanzler, Sie wissen das ganz genau: Die Infor­mationen stammen nicht aus der FPÖ, die stammen schon von Ihrem eigenen Regie­rungspartner, der Sie bescheiden „Auge des Korruptionstaifuns“ nennt! Also da wird sich Herr Kopf ja etwas dabei gedacht haben. Da ist ein bisschen die parteitaktische Li­nie mit ihm durchgegangen.

Punkt bleibt: Es gibt zwei Bereiche, die tatsächlich problematisch sind, nämlich der Be­reich, wo zu untersuchen ist, ob es tatsächlich die Bestimmung gegeben hat, Herr Staatssekretär – und da war Ihr Auftritt in der „Zeit im Bild 2“ bei Armin Wolf schon sehr erhellend –, ob es eine Bestimmungstäterschaft gegeben hat, ein öffentliches Unter­nehmen oder zwei öffentliche Unternehmen oder gar mehrere öffentliche Unternehmen dazu zu bringen, ihre Mittel für Regierungsinserate zur Verfügung zu stellen. – Das ist der eine Bereich.

Und der andere Bereich ist der, ob man über diese Inserate nicht überhaupt einmal dis­kutieren sollte, ob das nicht wirklich unerträglich ist, dass sich hier Regierungsköpfe auf Steuerzahlerkosten selber in Medien abfeiern und sich dabei eine genehme Berichter­stattung kaufen. Da ist der PR-Ethikrat schon auf dem richtigen Weg, wenn er sagt: Es ist leider üblich geworden, dass sich Politiker Meinungen kaufen! – Das ist eine Unart, Herr Bundeskanzler und Hohes Haus! Es ist eine Unart, dass man sich wohlwollende, genehme Berichterstattung aus Steuergeldern bestellt und kauft. Es ist eine Unart, dass Medien sich das Nichterscheinen von Berichten von Politikern kaufen lassen, meine Damen und Herren, das ist schon im Bereich des Kriminellen. Und diese Dinge muss man abstellen. Da will ich jetzt keine Partei, insbesondere nicht die beiden Re­gierungsparteien, ausnehmen. Da können Sie sich beide auf allen Ebenen etwas vorrechnen. Ich verweise nur auf das, was sich da auf Länderebene abspielt. Es gibt bestimmte Medien in meinem Bundesland, die kann man gar nicht aufmachen, ohne dass man nicht einen breiten Scheitel zu Gesicht bekommt, das ist denkunmöglich. Oder die ganzen Bürgermeisterinserate, das ist alles um keinen Deut besser. Das ist Kauf gefälliger Berichterstattung und nebenbei eine sagenhafte Eitelkeit der Politiker, die sich gerne mit Fotos sehen.

Daher ist einmal der erste Ansatz: Weg mit den Politikerfotos! Wir würden staunen, wie uninteressant dann auf einmal das Inserieren würde, wenn sie sich nicht selber sehen würden. Da kommt es dann gar nimmer drauf an, ob man Kürbissuppe bewirbt oder sonstwas Belangloses. Es geht ja gar nicht um die Kürbissuppe, sondern es geht ums eigene Foto. Das ist eine Unart: Daher raus mit den Politikerfotos, sie haben nichts da­bei verloren!

Wenn man eine Informationskampagne macht, dann geben Sie Information, und die kann man durchaus liefern, ohne dass man sein eigenes Politikerfoto mitschickt, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Der Bürger kennt Sie ohnehin, und wenn er Sie nicht kennt, dann liegt es auch an Ihnen, dann haben Sie auch nicht sein Geld da­für zu verwenden, dass Sie sich auf seine Kosten bekannter machen.

Das Dritte ist – und da muss ich wirklich sagen, da wird es eng werden, Herr Staatsse­kretär –: Wenn es wirklich stimmt, dass Sie 7 Millionen für den Werner bestellt haben, so wie das im ORF von Ihnen selber mehr oder minder eingestanden wurde, dann sind Sie nicht mehr sozusagen im Bereich dieser zweifelhaften Regierungsinseratentätig­


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keit, sondern dann sind Sie bereits mit einem Bein, wenn nicht sogar schon mit beiden im Bereich des Kriminals. Das ist Bestimmungstäterschaft zur Untreue, das wissen Sie, Herr Staatssekretär, und das ist auch, je nachdem wie heftig, Nötigung. Daher muss man der Sache nachgehen, und zwar unabhängig davon, ob es jetzt eine Strafanzeige von wem auch immer gibt.

Nur eines werden wir heute nicht tun, meine Damen und Herren: dass wir heute schon ein Urteil sprechen. Ich bin froh darüber, dass sich Kollege Cap gestern besonnen hat und diesem Untersuchungsausschuss zustimmen wird. Mir ist es auch recht. Wir kön­nen auch die Inserate meinetwegen zurück bis zu Albrecht Wallenstein, bis zum Drei­ßigjährigen Krieg untersuchen, ist mir auch egal.

Nur werden wir jetzt anfangen und uns zurückarbeiten. Wir werden es nicht umgekehrt machen, denn wir wollen verhindern, dass man den Ausschuss sozusagen zumüllt. Das habt ihr das letzte Mal gemacht. Das werden wir diesmal nicht mehr machen. Aus­schuss zumüllen geht nicht mehr. Da ist die Opposition mittlerweile gewarnt. Ich habe nichts dagegen, das untersuchen wir, ich habe überhaupt kein Problem damit. Aber wir werden heute dem Misstrauensantrag nicht zustimmen, weil wir zuerst jetzt genau die­ses Ergebnis des Untersuchungsausschusses abwarten werden.

Wir werden nämlich abwarten, was dort herauskommt, und dann werden wir abwarten, wer wie viel in diesem Land in welcher Portion an dieser ganzen Negativentwicklung mit zu verantworten hat. Und ich sage gleich dazu: Da müssen wir die Medien nicht ausnehmen, da dürfen wir sie gar nicht ausnehmen, und wir müssen auf Transparenz auch bei den Eigentumsverhältnissen pochen! Herr Kollege Cap, das ist uns auch wichtig, dass man die Medieneigentümerschaft, damit den Medieneinfluss und damit auch die Nahebeziehungen zu bestimmten Politikern, die sich aus der Eigentümer­schaft ergeben, dass man das alles auch transparent macht.

Wenn man das alles macht, dann können wir ja am Schluss entscheiden, wer dann wirklich noch tragbar ist in der Regierung und wer nicht. Aber das wollen wir uns doch im Untersuchungsausschuss genauer anschauen. (Beifall beim BZÖ.)

16.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


16.17.55

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es ist schon sehr inter­essant, wenn man heute diese Debatte verfolgt: Zuerst einmal erlebt man einen Bun­deskanzler Faymann, der noch nie so emotional hier aufgetreten ist und noch nie so heftig geworden ist. Also für mich war das schon sehr ein Zeichen dafür, dass er er­tappt wurde, und das war schon einmal ein sehr guter Einstieg. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch einfach in der Antwort auf die Frage, wie hoch denn die Beträge waren, zu sa­gen: Ihr könnt es ja nachlesen und euch zusammenrechnen!, ist bezeichnend. Ja, klar, es soll nicht aus seinem Mund kommen, denn es wäre ja alles zu unangenehm. Und dann hier die Beteuerungen: die Organhaftung, das Aktienrecht, und die sind ja völlig unabhängig, und es gibt ja keine Einflussnahme.

Ich nehme an, all diese Vorstände werden auch völlig unabhängig bestellt, ohne politi­sche Einflussnahme, und sind daher auch nachher im luftleeren Raum. – Also das ist ja so etwas von absurd und weltfremd: dass man das hier allen Ernstes uns gegenüber behaupten will! Ich glaube ja, man will hier die Leute für blöd verkaufen. Die Fernseh­zuschauer und wir sind es allerdings nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen doch ganz genau, wie Druck funktioniert und wie Druck ausgeübt wird und dass sich Menschen dem nur sehr schwer entziehen können. Und wenn der Druck aus


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dem Bundeskanzleramt kommt, aus dem Umfeld des Bundeskanzlers kommt, aus sei­nem Büro kommt, dann schauen Sie sich doch einmal die wenigen Helden in dieser Republik an, die sich dem entziehen können! Und es ist vor allem erschütternd, dass man das offenbar mit dieser Unverfrorenheit gemacht hat, dass man sich gedacht hat, das geht so leicht, da wird schon keiner was sagen, da traut sich keiner was zu sagen, da kommt nichts heraus.

Das ist in Wirklichkeit das Entsetzliche und das wirkliche Sittenbild dieser Republik: dass diese Personen tatsächlich geglaubt haben, sie kommen damit durch und es wird einfach die Decke drübergelegt und sie kommen so leicht davon. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber wie funktioniert dieses System? – Wir haben also hier nicht besonders erfolgrei­che Politiker, die sich überlegen, wie sie den Erfolg erhöhen können.

Jetzt könnte man das so machen, dass man zur Bevölkerung geht, zuhört und schaut, was die Menschen in diesem Lande wirklich betrifft. Man könnte Ideen entwickeln, wie man die Republik, wie man diesen Staat weiterentwickelt, wie man etwas tut. Oder aber – und das ist der Weg, den die SPÖ Wien schon seit Langem wählt, und aus die­sem Bereich kommt ja Werner Faymann – man sucht Möglichkeiten, wie man Geld der öffentlichen Hand für sich möglichst günstig verwendet.

Und das ist genau der Punkt: Es gibt staatsnahe Betriebe, die jährlich mit Milliarden un­terstützt werden und die in diesem Land die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen ha­ben. Die Bevölkerung hat natürlich den Eindruck – oder hofft –, dass das Geld mög­lichst gut verwendet wird und für sie etwas geleistet wird.

Dann erleben wir plötzlich in Zeitungen sechsseitige Inserate, die das Image der ÖBB oder der ASFINAG erhöhen sollen. Sechsseitige Inserate – weil wahrscheinlich der Bürger dann eine Seite nach der anderen umblättert und total beeindruckt ist und da­durch das Image der ÖBB erhöht wird.

Das glaubt Ihnen doch kein Mensch! Das ist doch wirklich so was von weltfremd! Und Sie glauben es selbst nicht. Sie wissen nur genau, dass Sie ertappt sind, und Sie wis­sen ganz genau, dass jetzt die Kuh aus dem Stall ist, dass es jetzt zu spät ist und dass jetzt das passiert ist, was Sie immer gefürchtet haben: dass sich jetzt sogar die Staats­anwaltschaft das genau anschaut und endlich einmal festgestellt wird, wie das System Werner Faymann, Wiener SPÖ die Republik ausnützt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn diese Kreativität für andere Bereiche in Österreich eingesetzt würde, wäre es ja schön.

In Wien haben wir das schon erlebt: Wiener Wohnen, Wiener Verkehrsbetriebe, Wie­ner Städtische. – Wunderbar! Wo da überall inseriert wird und was da überall gemacht wird! Und dabei geht es nicht um die Inserate als solche, sondern es geht darum, dass hier gezielt politisch Einfluss genommen wird, dass hier möglicherweise sogar Nöti­gung betrieben wird, aber jedenfalls Druck ausgeübt wird und das zum eigenen Vorteil der Partei oder der Person Werner Faymann benützt wird. – Das ist genau der Punkt, um den es geht und den es herauszuarbeiten gilt! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Geisteshaltung, die dahintersteht, dass man sagt: Ich habe ein politisches Amt, und zwar nicht irgendeines, sondern Bundeskanzler dieser Republik, und ich versuche, möglichst öffentliche Gelder über Umwege für mich zu verwenden!, ist dermaßen schlimm und dermaßen problematisch, dass schon alleine das ausreicht, dass so eine Person nicht an der Spitze unserer Republik stehen sollte. Deswegen ist der Miss­trauensantrag, den wir heute eingebracht haben, mehr als gerechtfertigt. (Beifall bei der FPÖ.)

16.22



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 122

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


16.22.52

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege, unabhängig da­von, dass die ganze heutige Veranstaltung aus meiner Sicht ein ziemlicher Rohrkre­pierer war (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Aus Ihrer Sicht!) und ich mich eigentlich auch gewundert habe, warum genau die Partei, die das größte kriminelle Potenzial hier im Haus hat (Abg. Dr. Rosenkranz: ...! Herr Präsident!?), mit x Vorbestraften, heute hier auftritt (Abg. Strache: Meinen Sie den Herrn Androsch? Oder Blecha? Oder wen?), ist es schon so, dass es mich auch wundert, dass ein Notar in einer derart un­sachlichen Art und Weise die Dinge auseinanderlegt, meine Damen und Herren. (Abg. Strache: Meinen Sie den Herrn Androsch oder Blecha aus Ihrer Partei?)

Wir waren mit der Situation befasst, dass ein Untersuchungsausschuss – Abgeordne­ter Kopf hat ja das auch verlangt, wir haben das auch verlangt – jedenfalls kommt. Und jetzt kommt etwas in eine Untersuchung oder soll in den Untersuchungsausschuss kommen, von dem wir alle wissen – es wurde ja eine Anzeige bei der Staatsanwalt­schaft gemacht –, dass es dann, wenn wir die Staatsanwaltschaft über all die Dinge, die Sie da heute in den unterschiedlichen Schattierungen bekanntgegeben haben, in­formieren, eine Entscheidung von der Staatsanwaltschaft gibt, und entweder wird es dann eingestellt oder es wird fortgesetzt, was auch immer. Aber es sind rechtliche Fra­gen, die hier vorgebracht wurden – Herr Kollege Stadler hat das ja auch so ausgelegt –, und das hätte an sich gereicht.

Also allein der Umstand, dass man etwas, was ausschließlich innerhalb der Staatsan­waltschaft geklärt werden kann und auch bald geklärt werden wird – weil die an dieser Sache dran sind und Sie ja auch alle Unterlagen vorgelegt haben –, hier in einen Un­tersuchungsausschuss hineinzubringen versucht – und es wird natürlich jetzt auch be­handelt werden, das haben wir auch gesagt –, zeigt ja, dass es sich hier um nichts an­deres handelt als um ein massives Ablenkungsmanöver.

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man das in Zukunft im Rahmen des Ausschusses auch herausarbeitet, dass man sich natürlich auf der einen Seite anschaut: Was ist dieser Vorwurf der Inseratenschaltungen insgesamt? – Ich glaube, man kann hier nicht so tun, als wenn wir hier abseits jeglicher rechtlicher Verhältnisse agieren, meine Da­men und Herren. Es gibt Aktiengesellschaften, und die Vorstände, die dort bestellt sind, können nicht abberufen werden. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Aber nicht verlängert! – Seien wir doch nicht so naiv!)

Und das weißt du, Ewald Stadler, ganz genauso wie Sie, Herr Notar. Ich meine, über­haupt keine Frage: Was soll hier an Repressionen erfolgen? – Der ist auf fünf Jahre bestellt und kann nur aus Gründen schwerwiegender Verfehlungen abberufen werden. Der hat seine Entscheidungsgewalt, und das ist, bitte, zu berücksichtigen. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Reden Sie nicht um den heißen Brei! Wie schaut es mit der Verlängerung aus?)

Wenn Sie jetzt mühsam über die Zeit die Bundesbahnen wirklich in Grund und Boden gefahren haben, wenn Sie das mit Ihren blauen Ministern getan haben, leider Gottes auch mit Unterstützung etwa eines Herrn Kukacka, dann ist es natürlich notwendig, dass man nicht nur – und das ist wirklich geglückt, und insofern gratuliere ich auch der Frau Infrastrukturministerin – das System erneuert, das System neu aufstellt, sondern dass man natürlich auch in der Öffentlichkeit jetzt dartut, dass es hier Verbesserungen gibt, und zwar auch welche Verbesserungen, weil die Regierung natürlich auch eine Informationsverpflichtung hat und man nicht sagen kann: Der Bundeskanzler soll sich


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irgendwo hinstellen, eine Presseaussendung machen, und dann wissen es sowieso al­le Leute!

Meine Damen und Herren! In jedem Land Europas, in den USA, überall ist es eine Selbstverständlichkeit, dass massive Änderungen, dass Vorkommnisse, die von großer Relevanz sind, dass Vorkommnisse, wo man genau weiß, da gibt es ein Informations­bedürfnis, natürlich in die Medien kommen.

Ob das drei, vier, fünf oder sechs Seiten hat, ist da wirklich egal. Es kommt darauf an, dass da eine Botschaft rübergebracht wird. (Abg. Rädler: Aber von den Kosten ist es nicht egal!) Und das ist auch der Fall gewesen, meine Damen und Herren.

Sich jetzt herzustellen und zu sagen, das sei alles höchst bedenklich, ist beschämend, aber es zeugt ganz eindeutig von Ihrer Nervosität und zeigt, dass Sie offensichtlich in diesem Ausschuss selbst einiges befürchten. Und das wird auch sicherlich kommen, denn wenn ich mir anschaue: Telekom, Gorbach, die Verordnungen in diesem Bereich, Millionen!, und wenn ich mir die Dinge im Zusammenhang mit Herrn Plech anschaue, dann, meine Damen und Herren, muss ich sagen: Wir müssen diese Angelegenheiten, und zwar auch betreffend Plech – ein großer Financier der FPÖ (Abg. Strache: Das ist ein völliger Unsinn!) –, unbedingt in diesem Ausschuss behandeln. (Abg. Strache: Das ist ja ein völliger Unsinn, was Sie da sagen! Sagen Sie das einmal abseits dieses Pul­tes! – Der Herr Plech hat mit der FPÖ gar nichts zu tun!)

Wenn Sie sich beispielsweise nur erinnern, meine Damen und Herren, an den Justiz­tower in der Riemergasse: Ewald, in der Riemergasse wurde ein Gericht fertiggebaut, völlig neu hingestellt, musste dann übersiedeln, weil der Herr Böhmdorfer das unbe­dingt wollte, und der Herr Plech hat dann abgecasht! – Ja, meine Damen und Herren, da weiß ich schon, dass Sie das natürlich nicht haben wollen und sich jetzt hanebü­chen mit derartigen Absurdheiten in den Vordergrund zu stellen versuchen.

Noch etwas: Vielleicht Ihr Kronzeuge, der Herr Huber. Ich meine, wer von uns kennt nicht den Herrn Huber als vielleicht den unfähigsten Wirtschafter, den unfähigsten Vor­stand in der Zweiten Republik? (Abg. Strache: So was? Komisch nur, dass seine Ehe­frau mit Frau Martina Ludwig über eine ...firma verbunden ist!) Der hat dort sicherlich alles verbockt, was zu verbocken ist, und das ist jetzt der große Kronzeuge. Also ich bin ja sehr gespannt, meine Damen und Herren.

Und ganz zuletzt noch: Wenn wir uns in der Zukunft mit Inseraten auseinandersetzen, meine Damen und Herren gerade von der FPÖ, dann sollten wir sicherstellen, dass diese Inserate – entgegen Ihren Schaltungen – in Zukunft auch richtig sind und dann, wenn sie nicht richtig sind, auch entsprechend geahndet werden. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.27


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: ... die KPÖ-Inserate!)

 


16.27.36

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Bei allem Verständnis für die Emotionalität, mit der Sie auf aus Ihrer Sicht ungerechtfertigte Anschuldigungen hier geantwortet haben: Was nicht geht, Herr Bundeskanzler, ist, dass Sie eine Frage komplett nicht beantworten, wie das bei der Frage 1 der Freiheitlichen Partei der Fall war.

Das geht nicht, das ist die Verweigerung von Kontrollrechten, und das haben Sie auch in dieser Frage nicht nötig. Denn natürlich ist es so – ich habe mir offensichtlich im Un­terschied zu einigen Freiheitlichen Ihre Anfragebeantwortungen zu Inseratenkosten an­gesehen –: Sie sind eines der wenigen Mitglieder dieser Bundesregierung – und das


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sagt nichts Gutes über diese Bundesregierung aus –, die diese Frage bei schriftlichen Anfragen beantworten. So weit sind wir nämlich mittlerweile schon wieder, wie unter Schwarz-Blau, dass auf diese Fragen überhaupt nicht geantwortet wird. Herr Kollege Kräuter, das haben Sie kritisiert, wie Schwarz-Blau war, das habe auch ich kritisiert, aber jetzt sind Sie stumm, Herr Kollege Kräuter!

Wenn auf eine Frage wie: Was haben Sie im Jahr 2008 oder 2009 an Kosten für Öf­fentlichkeitsarbeit oder Inseratekosten ausgegeben?, reihenweise Ministerien sagen: Schauen Sie in der Anfrage 876 und in der Anfrage 974 nach, und dann schauen Sie am besten auch noch in der Anfrage sowieso nach! (Abg. Grosz: Genau! Und da steht aber auch ein Blödsinn drinnen!), dann muss ich sagen: Das ist inakzeptabel! Ich sage Ihnen das noch einmal: Das ist ein Zustand, den wir nicht notwendig haben und den es nicht geben darf! Das ist die Verweigerung von Kontrollrechten! (Beifall bei den Grü­nen.)

Deshalb hat es mich auch verwundert, Herr Bundeskanzler, dass Sie es in dieser Si­tuation offensichtlich für notwendig befunden haben, hier im Plenum auch so zu agie­ren, obwohl es an und für sich von Ihrer Seite sonst eher die korrekten Antworten gibt.

Jetzt aber noch einmal zur Sache. Was nämlich auffällig ist, ist das gegenseitige Auf­rechnen: Ihr habt doch damals auch, und bei dem Skandal und bei dem Skandal! – Ich möchte nur einige Zahlen bringen, wie es tatsächlich mit der Inseratenentwicklung aus­schaut.

Der Bundeskanzler hat in seinen schriftlichen Anfragebeantwortungen – und ich muss davon ausgehen, dass das stimmt, was er sagt – für die Jahre 2009, 2010 rund 4 Mil­lionen € an Inseratkosten angegeben. Bundeskanzler Schüssel hat im Jahr 2000 mit 3,6 Millionen € begonnen und hat im Jahr 2006 mit 9,1 Millionen € geendet. – Der Bun­deskanzler! Fast eine Verdreifachung! (Abg. Kopf: In einem EU-Vorsitz-Jahr!) – Kom­men Sie mir nicht mit dem EU-Vorsitz-Jahr!

So, jetzt schauen wir uns das Sozialministerium, Frau Haubner, an! Im Jahr 2000 hat das Sozialministerium 617 000 € an Inseratenkosten gehabt. Im Jahr 2006: 4,2 Mil­lionen €. (Abg. Ursula Haubner: Zwei Ministerien! Familien- und Sozial-!) – Na bitte! Ja, man kann viele Ausreden erfinden. Frau Kollegin Haubner, im Jahr 2006 ist fast al­les, was nach einem Blattl Papier ausgeschaut hat, von Ihnen mit einem Inserat verse­hen worden. Es war so! Querbeet ist da durch die Republik inseriert worden. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Mit Orange! Mit Orange!)

Ich nehme mir noch ein Ministerium her, und dann, Herr Kopf, erklären Sie mir das, bit­te! Im Jahr 2000 das Landwirtschaftsministerium: 992 000 €, also eine knappe Mil­lion €, und im Jahr 2006 haben wir 4,5 Millionen €. Und da sagen Sie mir, das ist das EU-Jahr. (Abg. Kopf: Haben Sie die Verteilung?) Ja, selbstverständlich. Das Jahr 2006 war das Wahljahr, eines der wichtigsten Wahljahre, und da haben schwarze, blaue und orange Ministerien das Geld rausgeworfen, wie es nur gerade möglich war! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

Sie können diese Auffälligkeit bei jeder Wahl beobachten, auch wenn es eine Regio­nalwahl war, also in irgendeinem Bundesland: Kurz vorher, in den letzten Monaten da­vor, sind die Inseratekosten der Ministerien oder bestimmter Ministerien rapide ange­stiegen. (Abg. Grosz: Wie der Schelm denkt, so ist er!) – Gerade Sie müssen da ruhig sein, denn das war Ihr Ministerium, das in Vorarlberg und vor allem in Kärnten ... (Abg. Grosz: Ich hab noch nie ein Ministerium gehabt! Ich war noch nie Minister!) Aber Sie waren der Pressesprecher des Herrn Haupt, der das Bundesland Kärnten mit Inseraten zugepflastert hat. Das wissen wir doch alle! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 125

Ich will das jetzt gar nicht im Einzelnen und irgendeiner Partei besonders zurechnen, aber eines sage ich Ihnen schon: Was wir brauchen, das sind wirklich klare Richtlinien für Inseratenwerbung. Da wird es nicht ausreichen, wenn Sie etwa auf einen Kopf verzichten. – Damit meine ich nicht Sie (in Richtung des Abg. Kopf), sondern das Ge­sicht des jeweiligen (Abg. Grosz: Vielleicht geht es dann auch besser in der Koali­tion!)

Ich sage Ihnen nur, eines der schlimmsten Inserate – ich habe es jetzt nicht in Farbe – war dieses Inserat zum Jahreswechsel 2003/2004 (der Redner hält eine Kopie davon in die Höhe): 20 Kleeblätter, mit denen der Bundeskanzler Schüssel und sein Vize­kanzler Gorbach die Republik und die Steuerzahler beglückt haben. 20 Kleeblätter, auf denen mitgeteilt wurde, was alles für sie, für die BürgerInnen, für die SteuerzahlerInnen erreicht wurde. – Eine Katastrophe! Da ist gelogen worden von vorne bis hinten! Da sind Veränderungen als Verbesserungen verkauft worden, die tatsächlich Verschlech­terungen waren! Trotzdem: Sie sehen, es gibt hier kein Gesicht. – Eines der schlimms­ten Inserate!

Und mir ist es egal, ob es die Kürbissuppe des Herrn Gesundheitsministers Stöger oder sonst etwas ist: Es ist nicht akzeptabel, wenn so etwas geschieht! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist nicht akzeptabel, wenn hier Parteiwerbung in den verschiedensten Varianten aufgetischt wird. Und daher bräuchten wir tatsächlich nicht nur einen Beirat zur Behüb­schung, der sozusagen aus Parteigängern von ÖVP und SPÖ besteht und das abseg­net, was die Regierung ohnehin vorhat, egal, ob es eine Kampagne ist oder Einzelinse­rate sind, sondern wir brauchen wirklich klare Richtlinien!

Sie haben jetzt noch eine Möglichkeit, tatsächlich, so wie Sie es angekündigt haben, Herr Klubobmann Kopf, bis Weihnachten hier dafür zu sorgen, dass nicht nur im Be­reich der Inseratenwerbung, aber auch bei der Inseratenwerbung, und nicht nur für den Bund, sondern bitte auch für die Bundesländer, etwas sauber gemacht wird, so, dass die Bundesländer nicht mehr auskönnen, denn sonst haben wir nämlich eines: Dann ist die Bundesregierung einigermaßen sauber, aber auf Länderebene wird dann von den Landeshauptleuten oder Mitgliedern der Landesregierung umso mehr das Geld für Werbung ausgegeben. (Abg. Wöginger: Der Anschober inseriert aber ...! – Abg. Stra­che: Die Inserate der Frau Vassilakou in Wien!)

Das heißt, wir brauchen wirklich umfassende Regelungen, die klarmachen: Was ist noch an Öffentlichkeitsarbeit der Regierung möglich, notwendig und sinnvoll? Und ich bin der Meinung, es gibt sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit auch der Bundesregierung. Nur: Die Beispiele, die hier genannt wurden, zählen nicht dazu. So etwa das Olympia-Inse­rat, das dankenswerterweise der Kollege Kräuter auch gezeigt hat: Die Bundesregie­rung gratuliert jedem einzelnen Olympiasieger! Man hat ja sozusagen Angst haben müssen, dass es in Österreich zu viele Olympiasieger gibt (Abg. Amon: Sommer- oder Winterolympiade?), weil das dem österreichischen Steuerzahler teuer kommt, weil ja Hunderttausende Euro von der Bundesregierung für jeden einzelnen Olympiasieger, für jedes einzelne Inserat ausgegeben worden sind.

Es ist ja eine Katastrophe, was Sie in den letzten Jahren, von 2000 bis 2010 aufgeführt haben. Und daher wäre es umso wichtiger, dass jetzt, 2001, wirklich klare Verhältnisse geschaffen werden und ein Schlussstrich gezogen wird. Ich frage mich nur, ob Sie da­zu wirklich imstande sind. (Beifall bei den Grünen.)

16.36


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 126

16.36.27

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kol­lege Öllinger hat behauptet, dass es im Jahr 2006 besonders viele Inserate von schwarzen, orangen und blauen Ministerien gegeben hat.

Zur tatsächlichen Berichtigung und zur zeitlichen Orientierung für den Kollegen Öllin­ger: Im Jahr 2006 gab es keine blauen Ministerien. (Beifall bei der FPÖ.)

16.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vilimsky. Restre­dezeit: 1 Minute. – Bitte.

 


16.37.03

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nur ganz kurz, um in einem Resümee die Damen und Herren von der Sozialdemokratie wieder auf den Boden der Faktenlage zurückzuholen.

Die Diskussion hat zwei völlig unterschiedliche Ebenen: Ob man als Regierungsmit­glied inseriert, wie viel man inseriert, ob man einen Kopfsalat daraus macht oder auch nicht, das ist ein politisches Thema, über das wir separat auch in der Runde über die Medientransparenz diskutieren können.

Da geht es einzig und allein um den Vorwurf des Amtsmissbrauchs, der Untreue und eventuell der schweren Nötigung, wo der Eigentümervertreter öffentliche Unternehmen dazu zwingt, parteipolitische Werbung zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und es ist nicht so, wie der Herr Jarolim sagt, dass die Manager alle völlig unangreifbar wären. Schauen Sie sich anhand des Falls von Andreas Unterberger in der „Wiener Zeitung“ an, wie diese Regierung wütet, wo ein Chefredakteur des Verlautbarungsor­gans der Republik Österreich handstreichartig aus seinem Chefredakteur-Sessel he­rausbeordert wurde.

Das sind Sie! Das sind KPdSU-Methoden, die haben aber in Österreich nichts verlo­ren! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.38


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Dr. Cap. 2 Minu­ten Restredezeit. – Bitte. (Abg. Grosz – in Richtung SPÖ –: Wollt ihr den Scheuch mit dem Kanzler auf einer Ebene sehen? – SPÖ, gut gemacht: Scheuch und Faymann auf einer Ebene!)

 


16.38.28

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Einfach, damit Sie heute nicht das letzte Wort haben, ganz einfach: Ihre Kriminalisierungsstrategie ist gescheitert! Sie hätten sich die heutige Dringliche ersparen können! – Das sei noch gesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Realitätsverweigerung! Der Herr Cap, ein Realitätsverweigerer!)

16.38

16.38.50

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt ballen ein paar die Faust in der Hosentasche!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll120. Sitzung / Seite 127

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauens­antrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Grosz: Bei der ÖVP täten auch gern welche stehen, aber die werden niedergehalten!) – Der Antrag ist abge­lehnt. (Abg. Strache: Habt ihr jetzt „Danke!“ gesagt? – Abg. Grosz: Bei der ÖVP wä­ren gern einige aufgestanden!)

16.39.30Einlauf

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1679/A(E) bis 1684/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 9357/J bis 9394/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 16.40 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.39.38Schluss der Sitzung: 16.40 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien